Kriminelle Subkulturen - Bildungswerk Irsee
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<strong>Kriminelle</strong> <strong>Subkulturen</strong> bei MigrantInnen aus den Nachfolgestaaten der<br />
ehemaligen Sowjetunion<br />
Geschichte, Hintergründe, heutige Erscheinungsformen und Ansätze zur<br />
Nutzbarmachung von Ressourcen dieser <strong>Subkulturen</strong> in sozialpädagogischen und<br />
therapeutischen Zusammenhängen<br />
Die Universitäten des Proletariats sind Kneipen, Asyle und Gefängnisse<br />
Maxim Gorki<br />
Einführung<br />
In den letzten Jahren häufen sich Horrorberichte im Zusammenhang mit deviantem Verhalten<br />
junger MigrantInnen aus der vormaligen Sowjetunion: „Ehrenwerte Gesellschaft – Eine<br />
russische Mafia kontrolliert deutsche Jugendgefängnisse mit Gewalt, Erpressung und<br />
Unterdrückung“ (Focus, 5/ 2001), „Kollektiv im Knast“ (Der Spiegel, 35/ 2001) „Die Angst<br />
vor neuen >Bossen< bleibt“ (Rhein Main Presse, 9. Oktober 2001). Diese Liste wäre noch<br />
beliebig fortzusetzen. In der Regel sind diese Berichte reißerisch und wenig reflektiert. Sie<br />
beschreiben ein Bedrohungsszenarium ohne die Hintergründe zu beleuchten. So werden<br />
weitverbreitete rassistische Ressentiments in der Gesellschaft bedient, die mit der Angst vor<br />
Überfremdung, Wohlstandsabsicherungsdenken und dem Dauerbrenner „Innere Sicherheit“<br />
korrespondieren. Der Text stellt den Versuch dar, das Phänomen russischer krimineller<br />
<strong>Subkulturen</strong> (echter sowie nachempfundener) etwas genauer zu beleuchten.<br />
Festzuhalten ist, dass die überwiegende Mehrheit der jugendlichen MigrantInnen aus der<br />
ehemaligen Sowjetunion die schwierigen Herausforderungen der bundesdeutschen<br />
Gesellschaft gut meistert. Zwar ist der Weg zur Integration mit vielen Hindernissen und<br />
persönlichen Verletzungen und Niederlagen gepflastert, aber die wenigsten Jugendlichen<br />
werden dabei sozial auffällig (vgl. Kawamura, 2001). Verblüffend ist eher ihre betonte<br />
„Unauffälligkeit“, die sicherlich meist dem Drang, in der neuen „Heimat“ nicht anzuecken,<br />
geschuldet ist.<br />
Wenn wir von kriminellen <strong>Subkulturen</strong> bei russischsprachigen Migrantenjugendlichen<br />
sprechen, handelt es sich explizit um eine kleine Minderheit, die allerdings im Wachsen<br />
begriffen ist.<br />
Die vorliegende Arbeit geht von der Prämisse aus, dass Lösungsansätze für soziale Probleme<br />
erst dann entwickelt werden können, wenn ein Problem beschreibbar ist. Es existieren<br />
hinreichend viele Forschungsarbeiten über die Geschichte der stalinschen Gulags und über die<br />
sogenannte „Organisierte Kriminalität“ im heutigen Russland. Auch über die Situation junger<br />
AussiedlerInnen und anderer MigrantInnen aus der vormaligen Sowjetunion und deren Anteil<br />
an der Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik wurde bereits einiges veröffentlicht.<br />
Ungeachtet der bereits erwähnten reißerischen Presseartikel wird auch seit geraumer Zeit in<br />
den Justizvollzugsanstalten (JVA’s) über den Umgang mit russischen <strong>Subkulturen</strong><br />
nachgedacht (vgl. Walter, 2002). Auch aus der sozialpädagogischen Praxis werden immer<br />
wieder Irritationen im Umgang mit russischsprachigem Klientel gemeldet.<br />
Viele Einrichtungen der Jugend- und Drogenhilfe beschreiben russischsprachige KlientInnen/<br />
PatientInnen als unzugänglich, verschlossen und/ oder unkooperativ. Sie bilden ethnisch<br />
abgeschottete Gruppen und verhalten sich schlichtweg „eigenartig“.<br />
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die herkömmlichen konzeptionellen Ansätze in<br />
bundesdeutschen Drogentherapien bei diesem Klientel offensichtlich nicht greifen. Es wird<br />
von Subgruppenbildungen berichtet, die regelmäßig zu Abbrüchen bzw. Entlassungen führen.<br />
Dabei ist anzumerken, dass der überwiegende Teil der russischsprachigen PatientInnen aus<br />
1
der Haft oder mit gerichtlichen Auflagen eine stationäre Drogentherapie beginnt. Darin<br />
unterscheiden sie sich nicht von anderen PatientInnen.<br />
In meiner langjährigen Arbeit mit MigrantInnen aus der GUS in den Bereichen externe<br />
Suchtberatung in der Nürnberger JVA, sowie Beratung und Therapievermittlung reifte<br />
allmählich die Erkenntnis, dass ein wirkliches Verstehen unseres Klientels erst mit dem<br />
Wissen um die kollektiven Erfahrungen, Normen und Werte dieser Menschen möglich ist.<br />
MigrantInnen haben bei ihrer Einreise auch ihre Geschichte im Gepäck. In ihrem Leben im<br />
Herkunftsland haben sich spezifische Bewältigungsstrategien etabliert, die sich in der dortigen<br />
Situation bewährt hatten, in der Bundesrepublik aber oft kontraproduktiv sind. Nur mit dem<br />
Wissen um diese Geschichte und den Problemen, mit denen diese Menschen bei uns<br />
konfrontiert sind, lassen sich neue taugliche Strategien und Konzept für diese MigrantInnen<br />
und für unseren Umgang mit ihnen entwickeln.<br />
Diesen Text möchte ich meinen russischsprachigen KlientInnen und Freunden widmen, ohne<br />
deren geduldige und sachkundige Hilfe eine solche Arbeit nur einen theoretischen Charakter<br />
haben könnte. Nachdem ich sie überzeugen konnte, dass die Arbeit ein besseres Verständnis<br />
für ihre Normen und Werte und ihre Lebenswelt zum Ziel hat, konnten sie ihre anfängliche<br />
Skepsis überwinden und ließen mich an ihren Erfahrungen und Wissen teilhaben. Bolschoj<br />
spasiba! (Vielen Dank).<br />
Wie alles anfing – die „Diebe im Gesetz“<br />
In den Berichten über klandestine Gefangenenstrukturen russischsprachiger Insassen<br />
deutscher Knäste begegnet uns immer wieder der Begriff „Diebe im Gesetz“ oder der „Dieb,<br />
der das Gesetz befolgt“, oder noch kryptischer die russische Originalbezeichnung „vory v<br />
sakonje“ (Lallemand, 1997: 18). Eigentlich paradox, ein Dieb, der das Gesetz befolgt.<br />
<strong>Kriminelle</strong> im Allgemeinen und Diebe im Besonderen sind bekanntermaßen nicht für ihre<br />
übermäßige Gesetzestreue bekannt.<br />
Der Ursprung der Bewegung der „Diebe im Gesetz“ liegt weitgehend im Dunkeln. Manche<br />
HistorikerInnen verorten ihn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Andere sehen deren<br />
erstes Auftauchen in der Zeit der Wirren der Oktoberrevolution. Es handelt sich hierbei um<br />
eine Art Geheimbund, eine Selbstorganisation von <strong>Kriminelle</strong>n, die sich eine eigene<br />
Verfassung gaben. „Einige Kriminologen halten sie für in ihrer Art einmalig, die keine<br />
Analoga in der Verbrechergesellschaft anderer Länder hat“ (Modestov, 1996, zitiert nach<br />
Roth, 2000: 725). Es handelte sich dabei beiweiten nicht nur um klassische Diebe im Sinne<br />
des Strafgesetzbuches, sondern um verschiedene Arten von sogenannten „Ganoven“ und<br />
<strong>Kriminelle</strong>n, sozusagen die „Aristokratie“ der <strong>Kriminelle</strong>n, die sich mit ihrem<br />
Organisationsstatut eine Form von eigenem Gesetz gegeben hatten, wobei der Begriff „Dieb“<br />
zu einem „Ehrentitel“ wurde, der nur durch besondere „Leistungen“ zu erwerben war. Über<br />
die Titelvergabe wachte eine „Diebesversammlung“, die „s´chodka“, die auch bei Konflikten<br />
als eine Art Schiedsgericht diente. Das „Diebesgesetz“ war das einzig verbindliche<br />
Regelwerk, nachdem jeder „vor“ (dt. Dieb) leben und handeln musste. Gesetze des Staates<br />
wurden als feindlich angesehen und schlichtweg ignoriert (vgl. Roth, 2000: 725 ff.).<br />
Man kann davon ausgehen, dass es sich bei den „vory v sakonje“ um eine Organisation des<br />
sogenannten „Lumpenproletariats“ handelte, das auch von den frühen Bolschewiki umworben<br />
wurde. Hierbei sei an das Eingangszitat von Maxim Gorki erinnert: „Die Universitäten des<br />
Proletariats sind Kneipen, Asyle und Gefängnisse“. Zu Beginn der Revolution hatten die<br />
Bolschewiki um Lenin die Parole ausgegeben: „raubt das Geraubte“ (vgl. Roth, 2000: 725).<br />
Sicherlich gab es anfänglich auch diverse Überschneidungen zwischen den „Revolutionären<br />
Massen“ und dem Ganovenmilieu, zumal viele der Revolutionäre viele Jahre in zaristischen<br />
2
Lagern und der Verbannung verbracht hatten, ein Schicksal, welches sie mit vielen<br />
<strong>Kriminelle</strong>n teilten.<br />
Zum besseren Verständnis des Mythos „Diebe im Gesetz“ trägt sicherlich auch die Tatsache<br />
bei, dass die romantische Verklärung von Unangepassten und/ oder <strong>Kriminelle</strong>n mit „Ehre“,<br />
die sich gegen die herrschende Ordnung stellen, in Russland eine lange Tradition hat.<br />
Gerade die Zeit der „Neuen Ökonomischen Politik (NEP)“ ab 1921, in der Lenin die Parole<br />
ausgab „zwei Schritt vor und einen zurück“, führte zu einem Wiedererstarken kapitalistischen<br />
Wirtschaftens und zu einer „goldenen Zeit“ der Schattenwirtschaft. Persönliche Bereicherung<br />
war für einige Jahre politische Doktrin und führte nicht nur zur wirtschaftlichen<br />
Konsolidierung der jungen Sowjetmacht nach den Wirren des sogenannten<br />
„Kriegskommunismus“ der Bürgerkriegszeit, sondern auch zum Aufblühen der „Diebe im<br />
Gesetz“. In diese Zeit fällt wohl auch die Ausdifferenzierung des Ehrenkodex, der eigentlich<br />
nicht in schriftlicher Form existierte:<br />
1. „Der Dieb muss seiner leiblichen Familie den Rücken kehren (Mutter, Vater,<br />
Geschwistern). Die kriminelle Gemeinschaft ist seine einzige Familie.<br />
2. Ein Dieb darf keine eigene Familie gründen (keine Frauen und Kinder haben).<br />
3. Ein Dieb darf keiner Arbeit nachgehen und nur von den Erträgen seiner kriminellen<br />
Handlungen leben.<br />
4. Ein Dieb muss anderen Dieben mittels der gemeinsamen Kasse oder des obschtschak<br />
(schwarze Solidarkasse, A.d.V.) moralische und materielle Unterstützung gewähren.<br />
5. Ein Dieb darf Informationen über Komplizen und deren Aufenthaltsort nur unter dem<br />
Siegel der Verschwiegenheit weitergeben.<br />
6. Ist ein Dieb ins Ziel von Ermittlungen geraten, muss der andere Dieb für seine<br />
>Deckung< sorgen und ihm die Flucht ermöglichen.<br />
7. Tritt innerhalb einer Bande oder zwischen Dieben ein Konflikt auf, muss ein Treffen<br />
zur Beilegung dieses Konflikts organisiert werden.<br />
8. Sofern dies notwendig wird, muss ein Dieb diesem Treffen beiwohnen, um über einen<br />
anderen Dieb zu urteilen, wenn dessen Lebensführung oder Verhalten Anlass zu Kritik<br />
geben.<br />
9. Die in diesem Treffen gegen den Dieb ausgesprochene Strafe muss vollstreckt werden.<br />
10. Ein Dieb muss die Ganovensprache beherrschen.<br />
11. Ein Dieb darf nur dann an einem Kartenspiel teilnehmen, wenn er genügend Geld hat,<br />
um eventuelle Schulden zu bezahlen.<br />
12. Ein Dieb muss Novizen seine >Kunst< lehren.<br />
13. Ein Dieb muss immer einen >boy< oder schestjorka in seinem Dienst halten.<br />
14. Ein Dieb darf nur soviel Alkohol trinken, dass er noch klaren Verstand bewahren<br />
kann.<br />
15. Ein Dieb darf sich unter keinen Umständen mit den Behörden einlassen; ein Dieb<br />
nimmt nicht am gesellschaftlichen Leben teil; ein Dieb darf keinen gesellschaftlichen<br />
Vereinigungen angehören.<br />
16. Ein Dieb darf vom Staat keine Waffe annehmen und nicht in der Armee dienen.<br />
17. Ein Dieb muss jedes Versprechen, dass er einem anderen Dieb gegeben hat, einhalten“<br />
(Lallemand, 1997: 18 f.).<br />
Dieser „Gesetzestext“ erhebt dabei nicht den Anspruch auf absolute Gültigkeit, es ist vielmehr<br />
die einzige ausformulierte Version, welche sich in der einschlägigen Literatur finden ließ. Das<br />
Regelwerk wurde im Übrigen ständig den neuen Realitäten und Erfordernissen angepasst und<br />
hat sich als äußerst flexibel erwiesen.<br />
Wie wir später sehen werden hat dieser Kodex, obwohl er aus den zwanziger Jahren stammt,<br />
eine enorme normative Wirkung bis in die heutige Zeit.<br />
3
Bereits dieser frühe Normenkatalog weist deutlich Elemente solidarischen und<br />
widerständischen Verhaltens auf. Letztlich kann er auch als „spiegelbildverkehrtes Abbild des<br />
politisch-gesellschaftlichen Systems der Sowjetunion“ (Roth, 2000: 725) gelesen werden.<br />
Diese Bewegung trug immer auch latent emanzipatorische Züge in sich. Angesichts der<br />
hemmungslosen Bereicherung der Sowjetoligarchie, welche die herrschenden Gesetze zu<br />
ihren Gunsten auslegten oder ignorierten, haftet der „Diebesbewegung“ teilweise schon fast<br />
etwas „Robin Hood-haftes“ an. Im Gegensatz zu der herrschenden Machtelite hatten deren<br />
Akteure „Ehre“, Erfolg und waren ein verlässlicher Faktor, zumindest wenn man nicht gerade<br />
selbst Opfer geworden war. In einer Zeit der ständig schwankenden Parteilinie und<br />
Terrorwellen gegen sogenannte „Volksfeinde“ war dies ein nicht zu vernachlässigender<br />
Faktor. Ähnliches lässt sich auch über die Strukturen der heutigen „Mafia“ in Russland sagen.<br />
Der Archipel GULag<br />
„Die damalige sowjetische Rechtssprechung ging davon aus, dass die Kriminalität im<br />
Sozialismus absterben würde. Man unterteilte die Rechtsbrecher in >sozial-gefährliche<br />
Elemente< aus der einstigen >Ausbeuterklassesozial-nahestehenden Elemente< bäuerlicher und proletarischer Abkunft, deren<br />
Umerziehung als Frage der Zeit angesehen wurde“ (Roth, 2000: 725). Hinzu kamen noch die<br />
Opfer der verschiedenen Repressionswellen gegen Menschewikij, Sozialrevolutionäre,<br />
Trotzkisten usw., also der sogenannten „Volksfeinde“ und angebliche „Konterrevolutionäre“.<br />
In den Lagern entstand bald eine brisante Mischung von politischen und sozialen Gefangenen.<br />
„In den Lagern des NKWD (Volkskommissariat für Inneres, A.d.V.) befanden sich 1930 1,7<br />
Millionen, in den Lagern der OGPU (Vereinte staatliche politische Verwaltung, A.d.V.) rund<br />
100 000 Gefangene“ (Roth, 2000: 725).<br />
Die „Diebesorganisation“ brachte es durch ihre straffe Organisation und ihre Skrupellosigkeit<br />
bald zum Ordnungsfaktor. Im Lager (russ. „zona“) herrschte tagsüber das Wachpersonal und<br />
in der Nacht übernahmen die „vory“ das Regime. Es existierte also faktisch eine Art von<br />
tolerierter Doppelgesellschaft. Die „Diebe“ wurden systematisch als parallele<br />
„Ordnungsmacht“ im Lager eingesetzt. Dies diente einerseits der weiteren Demütigung und<br />
Terrorisierung der politischen Gefangenen und andererseits entstand so eine Lagerelite, die<br />
bei Bedarf entsprechend von der Lagerleitung funktionalisiert werden konnte (das altbekannte<br />
„Teile und Herrsche- Prinzip“). Der Archäologe Lew Klejn (1991) beschreibt in seinem Buch<br />
„Verkehrte Welt“ seine eigenen leidvollen Erfahrungen in der „zona“ der achtziger Jahre.<br />
Trotz einer zaghaften Entstalinisierung nach dem 20. Parteitag 1956 hatte sich in den Lagern<br />
nichts entscheidendes geändert. „Sobald es dunkel wird und die Offiziere den Block<br />
verlassen, erheben jene ihr Haupt, die hier als die wahren Gebieter gelten. Aber auch am Tage<br />
spüren alle ihre schweigende Präsenz. Nichts geschieht ohne eine mit Blicken gesteuerte<br />
Rückversicherung bei ihnen. Ein solcher geheimer Herr und Gebieter eines Arbeitstrupps<br />
wird nachts auf einer Zusammenkunft einflussreicher Ganoven gewählt“ (Klejn, 1991: 97).<br />
Der „glavvor“ (dt. „Diebesoberhaupt“ oder die „avtorität“ wird für seine gesamte Haftzeit<br />
gewählt. Seine Gewalt ist unantastbar. Das interne Machtsystem stützt sich auf ein<br />
Kastensystem:<br />
1. Die „Diebe“, arbeiten nicht und üben fast uneingeschränkte Macht aus.<br />
2. Die „Knechte“, arbeiten den „Dieben“ zu und sind ihre Vollstrecker.<br />
3. Die sogenannten „Ferkel“ sind die „Parias“ des Lagers. „Ein Ferkel ist an seiner<br />
gebückten Haltung, dem eingezogene Kopf, dem niedergeschlagenen Äußeren, einer<br />
gewissen Ängstlichkeit, Magerkeit und an den blauen Flecken erkennbar“ (Klejn,<br />
1991: 94). Zur „Ferkelkaste“ gehören Homosexuelle, Sexualstraftäter und diejenigen<br />
4
die heute als sogenannte „Weicheier“ oder „Warmduscher“ bezeichnet werden<br />
würden.<br />
„Die Lagerverwaltung verhält sich so, als wisse sie nichts von dieser Kastenstruktur. In<br />
Wirklichkeit jedoch ist sie bestens unterrichtet und akzeptiert die Kastenordnung, indem sie<br />
sie bei der Besetzung von Brigadiers-, Ältesten- und anderen Posten berücksichtigt und so erst<br />
lebensfähig macht, da sonst solche >Ämter< nichts weiter wären als Schall und Rauch. Es<br />
gehört zu den Unvorstellbarkeiten im Lager, dass ein Ganove vor einem Knecht oder, noch<br />
schlimmer, vor einem Ferkel strammstehen müsste bzw. einem Ferkel Befehlsgewalt über<br />
einen Ganoven gegeben wäre. Und daran ist überhaupt nichts Spaßiges“ (Klejn, 1991: 95).<br />
Lew Klejn kommt zu dem Schluss: „das Ganze gleicht einem Echo: auf Gewalt folgt<br />
Gewalt, auf Hierarchie eine Hierarchie, auf das System ein System!“ (Klejn, 1991). Wie<br />
wir sehen werden, ist diese bittere Formel auch in der bundesdeutschen Gesellschaft noch<br />
hochaktuell (vgl. auch Dietlein, 2001).<br />
Auch wenn es keine explizit politischen Gefangenen mehr gibt, existierten auf dem<br />
Territorium der ehemaligen Sowjetunion Mitte der neunziger Jahre noch ca. 2000 Lager mit<br />
insgesamt 600 000 Häftlingen. Es ist davon auszugehen, dass dieses illegale Subsystem in den<br />
Gefängnissen überlebt hat. Angesichts der permanenten Unterversorgung der Knäste mit<br />
Lebensmitteln und Medikamenten ist wahrscheinlich die Organisation der Selbstversorgung<br />
über die schwarzen Gemeinschaftskassen (rus. „obschtschak“) die einzige Möglichkeit, ein<br />
etwas erträgliches Leben zu führen. Auch die Tatsache, dass das Personal chronisch<br />
unterbezahlt ist, lässt den Schluss zu, dass auch heute lieber nicht so genau hingeschaut wird<br />
(vgl. Schuler, 1994: 8).<br />
Bei meinen beiden Besuchen in Russland im Jahr 2001 hatte ich die Möglichkeit, zwei<br />
sogenannte „Jugendkolonien“ (Jugendstrafvollzugsanstalten) in Omsk und St. Petersburg,<br />
sowie eine Untersuchungshaftanstalt in St. Petersburg zu besichtigen. Alle Einrichtungen<br />
waren in einem sehr desolaten Zustand, völlig überbelegt (teilweise 120 Gefangene in einer<br />
Zelle, die für 35 Personen ausgelegt ist) und auch die Gefangenen waren entweder krank und/<br />
oder unterernährt.<br />
Die „dedowschtschina“<br />
Ein dem internen „Lagerkastenunwesen“ vergleichbares System existiert bis heute auch bei<br />
den russischen Streitkräften. „In der Russischen Armee gibt es nach wie vor ein hohes Risiko<br />
für junge Rekruten, durch ältere Soldaten und Vorgesetzte schikaniert, misshandelt oder<br />
gefoltert zu werden. Im Rahmen des als >dedowschtschina< (dt. „großväterliche<br />
Behandlung“, A.d.V.) bekannten Systems misshandeln ältere Kameraden die jungen<br />
Rekruten, um die Disziplin in der Armee aufrecht zu erhalten und die jungen<br />
Wehrdienstleistenden >abzuhärten
Das Tätowiersystem<br />
Die Lagertätowierungen erfüllen mehrere Bedürfnisse bzw. Funktionen. Einerseits waren sie<br />
eine Akt der Selbstbestimmung. „Die Intimität der Haut, als einziger Privatbereich und<br />
vielleicht letztes Residium der Individualität, als der Ort an dem die Häftlinge versuchen, sich<br />
selbst darzustellen und gegen das System sowie eine Gesellschaft, die sie zu Parias<br />
abstempelt, aufzubegehren“ (Schuler, 1994: 9). Wenn die sowjetische Gesellschaft mit ihren<br />
unzähligen Orden für hervorragende Leistungen im sozialistischen Aufbau protzte, stellten die<br />
Häftlingstätowierungen ein Zerrbild diese Kultes dar, eine Art „Antiordens“-Verleihung. Ein<br />
deutlich sichtbares Zeichen, „ich bin keiner von Euch!“. Andererseits dienten diese meist<br />
verschlüsselten Zeichen natürlich auch als eine Art Erkennungsmerkmal und Festlegung von<br />
„Dienstgraden“ unter den Gefangenen. Gerade die „Diebe im Gesetz“ haben das System der<br />
Geheimzeichen zur Perfektion getrieben. Sie entwickelten im Laufe der Jahre ein codiertes<br />
Zeichenarsenal, das ihnen ermöglicht, jeder Zeit nonverbal zu erkennen, wer ihr gegenüber<br />
ist. Durch diese Rangabzeichen wird die Hierarchie genau abgesteckt. Durch flüchtiges<br />
Hochstreifen eine Ärmels wird sofort klar, wo stehe ich und wo steht der andere. Zusätzlich<br />
existiert ein ausgeklügeltes System, das in Form von Rombenkombinationen, die wie ein Ring<br />
auf die Finger tätowiert werden, alle einschlägigen Straftaten darstellen kann. Hinzu kommen<br />
noch Zeichen zur Strafdauer, Verurteilungen, „besonderen Verdiensten“ und zu den<br />
verschiedenen Straflagern.<br />
Ich möchte dies nur kurz an der Abbildung einer typischen Handgestaltung darlegen.<br />
(Siehe beigefügtes Arbeitsblatt 1)<br />
Die Zeichensprache<br />
Zusätzlich zum Zeichencode der Tätowierungen existiert noch eine Fingersprache, die eine<br />
nonverbale und unauffällige Kommunikation ermöglicht. (Ich dokumentiere im Arbeitsblatt 2<br />
nur kurz einige Beispiele)<br />
Die Sprache der „Diebe“<br />
Passend zur klandestinen Struktur der „vory v sakonje“ hat sich schon frühzeitig eine Art<br />
Geheimsprache bzw. ein Slang entwickelt. Die Ausdrücke dafür sind mannigfaltig: „fenja“,<br />
„blatnyj jazyk“, „zargon“ oder offiziell „ugolovnyj jazyk“. Der Begriff „blatj“ ist die<br />
Entsprechung zu dem amerikanischen Slangwort „fuck“ und wird ähnlich inflationär<br />
verwendet. Dieser Jargon ist am ehesten mit dem „Rotwelsch“, einer Sprache, die früher auch<br />
in Deutschland von sogenannten „Vagabunden“ gesprochen wurde, zu vergleichen. Meines<br />
Wissens handelt es sich auch hier um ein Sprachgemisch mit speziellen Begriffen, die in der<br />
russischen Hochsprache nicht vorkommen. Dieser Jargon dient der kriminellen Subkultur<br />
einerseits zur sicheren Verständigung (Insider) und hat andererseits natürlich auch eine<br />
identitätsstiftende Funktion. „Die Diebessprache umfasst mehr als 10 000 Wörter. Die<br />
Schreiben erfahrener Diebe können nur Fachleute entschlüsseln. Der gewöhnliche Dieb<br />
kannte nur einen Bruchteil“ (Roth, 2000: 726).<br />
War diese Sprache früher nur den Gaunern vorbehalten, kam es in den Lagern des GULag zu<br />
einer Vermischung der Hochsprache mit Begriffen aus der „blatnyj jazyk“. Durch die<br />
Arbeitslager der Sowjetunion sind, wie Solschenizyn in seinem Werk >Archipel GULag<<br />
eindrücklich in Zahlen festhält, weit über 10 % der sowjetischen Bevölkerung gegangen (vgl.<br />
Solschenizyn, 1978). In der Regel durften die ehemalige Häftlinge nach der Verbüßung ihrer<br />
Strafen (oft 10, 15, 20 Jahre) nicht wieder in ihre Heimatorte zurückkehren. Sie begründeten<br />
ganze Städte im Uralgebiet oder in Sibirien. „Die Wörter >Big Boss< und >Hühnerdieb<<br />
6
drangen aus dem Knastjargon in die Alltagssprache ein; zusammen mit Tausenden anderer<br />
Lagerausdrücke veränderten sie unmerklich die Struktur der russischen Schriftsprache. Die<br />
moralischen wie auch ästhetischen Vorstellungen des Menschen, der sich diese >erneuerte<<br />
Sprache zu eigen machte, orientierten sich im Grunde am Geschmack und an den Werten der<br />
Verbrecherwelt... Die Gestalt des sentimentalen, freiheitsliebenden Verbrechers wurde zum<br />
nachahmenswerten Vorbild“ (Kriwulin, 1992). Tragische Helden, die der ungerechten<br />
Herrschaft der Obrigkeit trotzten (auch mit kriminellen Mitteln), haben in Russland bereits<br />
eine Jahrhunderte alte Tradition. „Angesichts der Faszination des Exotischen, das die<br />
kriminelle Gegenwelt auf jugendliche <strong>Subkulturen</strong> ausübt, erstaunt denn auch kaum, dass sich<br />
gerade in ihrem Slang zahlreiche Argotismen (Sondersprachelemente, A.d.V.) wiederfinden“<br />
(Weiß, 2001: 197). Zu Sowjetzeiten waren diese verschiedenen subkulturellen Sprachen nach<br />
dem Motto „was nicht sein darf, existiert auch nicht“ tabuisiert. Im neuen Russland sind<br />
inzwischen mehrere Wörterbücher aufgelegt worden, die sich mit diesem Jargon beschäftigen.<br />
Wobei natürlich davon auszugehen ist, dass die Miliz und die Justiz in der Sowjetunion sehr<br />
wohl schon immer über ihre eigenen Sammlungen verfügten.<br />
Die Banditenmusik<br />
Wo Sprache ist, wird natürlich auch gesungen, wenn die Verhältnisse auch noch so<br />
bedrückend sind, oder vielleicht auch gerade deshalb. Die Musik der Ganoven wird<br />
logischerweise meist in ihrer eigenen Sprache gesungen. Aus der „blatnyj jazyk“ wird so die<br />
„blatnaja musyka“ oder die „blatnyje pesni“.<br />
Als mit der „Entstalinisierung“ viele der politischen Häftlinge, aber auch soziale Gefangene<br />
aus den Straflagern heimkehrten, wurde es unter russischen Studenten zur Mode, die Lieder<br />
der ehemaligen Häftlinge zu singen. „Da in der alten Sowjetunion keine offizielle >Kultur des<br />
verbalen Dissens< existierte, musste diese jetzt notgedrungenermassen durch Entlehnungen<br />
aus den ehemals ausgegrenzten Sub- bzw. Gegenkulturen, die als einzige ein zur<br />
herrschenden Ideologie konsequent oppositionelles Wertesystem aufwiesen, neu aufgebaut<br />
werden“ (Weiß, 2001: 198).<br />
Diese Musikform existiert bis heute fort. Die Interpreten werden als Barden bezeichnet. Einer<br />
der populärsten Barden war sicherlich Wladimir Wysozkyj. Diese Art von „Sozialpop“ ist in<br />
allen russischen Läden erhältlich und erfreut sich großer Beliebtheit. Abgesehen von der<br />
völlig unterschiedlichen musikalischen Gestaltung könnte diese Musikform als der<br />
„Gangsterrap“ der russischsprachigen MigrantInnen bezeichnet werden:<br />
„Mit diesem Ganovenleben verbindet mich das Schicksal/ meinem Vater hat man noch aus<br />
Anlass des Krieges geschlachtet/ für die Diebessache, ja für die menschlichen Schicksale,<br />
Mama/ muss vielleicht auch ich bald mein Leben lassen – so spielt das Schicksal eben/ Du<br />
verzeih mir, meine liebe Mama/ dass Dein Sohn nicht mehr zurückkehrt, nimmermehr“<br />
(Schwarz, 1999).<br />
Strukturwandel des kriminellen Milieus in den Zeiten des Transformationsprozesses<br />
Der Transformationsprozess des „sozialistischen“ Systems hin zu kapitalistischer<br />
Marktwirtschaft und bürgerlicher Demokratie begann bereits zu Zeiten von Glasnost und<br />
Perestrojka und legte mit dem Untergang der Sowjetunion gehörig an Tempo zu. Mit den<br />
neuen Freiheiten einer nicht genauer spezifizierten „Demokratie“ und vor allem den radikalen<br />
ökonomischen Veränderungen begann eine Ära der persönlichen Bereicherung in bisher nicht<br />
gekannten Ausmaß. Die politische und wirtschaftliche Elite des Landes lebte es sozusagen<br />
7
vor. Hatten bereits die Kombinatsdirektoren das „Volkseigentum“ wie ihren persönlichen<br />
Haushalt verwaltet, sprich in die eigene Tasche gewirtschaftet, so setzte sich diese<br />
Geisteshaltung im Zuge der ungesteuerten bzw. unkontrollierten Privatisierung logisch fort.<br />
Sogenannte „Oligarchen“ steuerten mit ihrer Finanzmacht die Politik und öffentliche Gelder<br />
wurden hemmungslos veruntreut oder zweckentfremdet. Auch das kriminelle Milieu nutzte<br />
die Zeit der Wirrnisse dieser Periode und organisierte sich entsprechend neu. Die klassische<br />
Organisation der „Diebe im Gesetz“ erlebte diverse interne Kämpfe. Es kam z.B. zur<br />
Abspaltung der sogenannten „Modernisierer“. Rasant entwickelten sich neue Organisationen<br />
und Vereinigungen, die nicht mehr gewillt waren, sich an ein derart strenges und überaltertes<br />
Reglement zu halten. Die sogenannte „Organisierte Kriminalität“ oder die „Russische Mafia“<br />
ist heute ein sehr komplexes Gefüge und lässt sich nicht so einfach als monolithischen Block<br />
darstellen, wie es uns die westeuropäischen Medien gern glauben machen möchten (vgl.<br />
Lallemand, 1997). Viele Intellektuelle, die keinen angemessenen Job finden können, oder<br />
schlecht bezahlt werden, versuchen im Bereich der Schattenwirtschaft ihr Glück oder tun sich<br />
mit <strong>Kriminelle</strong>n zusammen. Die sogenannten „novij ruskij“ (dt. „Neue Russen“) sind ein<br />
Produkt dieser halblegalen bis illegalen Geschäftspraxis. Sie haben Erfolg, sind vermögend<br />
und besitzen eine Vorbildfunktion (in Ermangelung positiver „Helden“) gerade für junge<br />
Menschen. „Unternehmerische Aktivität“ lohnt sich im neuen Russland der ungesteuerten<br />
Marktwirtschaft, nur das an diesem Raubzug nicht alle teilhaben können (vgl. Kriwulin,<br />
1992).<br />
Ein Freund aus Nowosibirsk beschrieb diese Situation so: „im heutigen Russland sind alle<br />
entweder Opfer oder Täter, oder beides gleichzeitig!“. Die Situation für den überwiegenden<br />
Teil der Bevölkerung, der sich auf dem Boden der Gesetzlichkeit bewegt, sieht dagegen eher<br />
trostlos aus. Die Menschen sind desillusioniert und kämpfen um das wirtschaftliche<br />
Überleben. Ein funktionierendes Sozialsystem, das diese Entwicklung abfedern könnte, ist<br />
erst langsam im Entstehen begriffen und orientiert sich noch allzu oft am bürokratischen<br />
Denken der alten Zeit. Neue Ideen und Methoden setzen sich nur sehr schwer durch. Nur<br />
wenige NGO´s leisten bis jetzt wirklich gute Arbeit, die zudem chronisch unterfinanziert ist.<br />
Die sogenannte „Postperestrojkageneration“ wuchs in einer Zeit radikaler Umbrüche auf. Ihr<br />
Leben ist von permanenten Unsicherheiten sozialer, wirtschaftlicher und politischer Art<br />
geprägt worden. Sie mussten lernen, dass in dieser neuen Ellenbogengesellschaft in der Regel<br />
nur die Skrupellosen und weniger Gesetzestreuen Erfolg haben. Die Bewältigung des<br />
täglichen Lebens war allzu oft nur mit Tricks und notfalls auch mit Gewalt möglich. Die<br />
Grenzen zwischen normgerechten- und abweichenden Verhalten geraten so leicht ins<br />
Schwimmen.<br />
Situation nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland<br />
1. Marginalisierung führt zu Identifikation mit rassistischen Zuschreibungen<br />
(Selflabeling)<br />
Die massiven Problemlagen (Sprachschwierigkeiten, Wohnung, Arbeit, Generationskonflikte<br />
usw.), mit denen vor allem junge MigrantInnen aus der GUS nach ihrer Übersiedlung in die<br />
BRD konfrontiert werden, führen teilweise zu einem resignierten Rückzug in die eigene<br />
Community. „Zugewanderte Jugendliche machen immer wieder die Erfahrung, dass >Erfolg<br />
im Leben< angesichts herrschender Integrationsschwierigkeiten und Integrationsbarrieren<br />
vielfach am ehesten jenseits gesellschaftlich propagierter und akzeptierter Normalbiografien<br />
zu erreichen ist“ (Krafeld, 2001: 33). In den Herkunftsländern waren sie die „Faschisten“ oder<br />
„Fritzen“ und in der Bundesrepublik werden sie oft als „Russen“ stigmatisiert. Auch der<br />
empfundene Zwang endlich „deutsch“ zu sein, aber nicht zu wissen wie das funktionieren<br />
soll, führt oft zu massiven Identitätsproblemen. Daraus kann sich in Form des „Selflabeling“<br />
8
eine Identifizierung mit diesem Stigma ergeben, vergleichbar mit der afroamerikanischen<br />
Community, bzw. der US-amerikanischen HipHop Kultur, welche die rassistische<br />
Zuschreibung „Nigger“ in einen Ehrentitel umfunktionierte. Aus der Schwäche wird Stärke<br />
zur Selbstbehauptung gezogen. Ein Phänomen, das wir auch bei jungen TürkInnen in der<br />
BRD beobachten können. Sie sind überwiegend in der Bundesrepublik geboren, haben aber<br />
das Gefühl, von der deutschen Mehrheitsgesellschaft abgelehnt zu werden und nicht wirklich<br />
dazuzugehören. Oft wird diese rassistische Ausgrenzung durch einen überzogenen<br />
Nationalstolz (türkische Natoinalflaggenaufnäher, Kettchen mit Türkeilogo usw.)<br />
kompensiert. So wandeln auch die jungen russischsprachigen MigrantInnen die erfahrene<br />
Stigmatisierung/ Ethnisierung als „Russen“ in eine Selbstethnisierung: „wir sind Russen und<br />
stolz darauf!“ um. Dies kann natürlich schnell in eine Sackgasse einer teils aufgezwungenen,<br />
teils aber auch selbst gewählten Randständigkeit und zum Entstehen einer Parallelgesellschaft<br />
mit eigenen Normen und Werten führen.<br />
Hier wird die vertraute Sprache gesprochen, alle haben die selben Probleme mit der<br />
Integration in der neue „Heimat“ und vor allem haben alle eine ähnliche Vergangenheit. Das<br />
früher geführte Leben, die Erfahrungen und auch die Ressourcen aus den Herkunftsländern<br />
interessieren die bundesdeutsche Gesellschaft kaum. Für sie existieren diese Menschen erst ab<br />
dem Grenzübertritt und werden eher als defizitäre Wesen wahrgenommen (vgl. Krafeld,<br />
2001). Die Gruppe der MitmigrantInnen bietet Schutz gegen alltägliche<br />
Orientierungsprobleme, seelischen Verletzungen und Demütigungen. Sie fungiert also als eine<br />
Art „Ersatzheimat“.<br />
2. Einstieg in die Kleinkriminalität und/ oder Drogenabhängigkeit<br />
Diese Phänomene führen bei einer wachsenden Minderheit der MigrantInnen aus der GUS<br />
auch zu einem vermehrten Suchtmittelkonsum (legale wie auch illegale Substanzen) als<br />
Bewältigungsstrategie oder Betäubung der Problemlagen, teilweise auch zu einer<br />
Hinwendung zu Strukturen im juristischen Graubereich der Community. Hier ist alles<br />
einfacher, Geld lässt sich bei „unseren Leuten“ verdienen. Die Regeln sind wie „zu Hause“<br />
und zeichnen sich durch ein weitgehendes Ignorieren offizieller deutscher Normen und Werte<br />
aus. Da KonsumentInnen von illegalen Drogen sachimmanenter weise fortgesetzt gegen<br />
herrschende Gesetze (z.B. BtmG) verstoßen müssen, werden sie auch entsprechend schnell<br />
kriminalisiert. Aus der Drogenabhängigkeit heraus wird teilweise auch begonnen zu dealen,<br />
um den eigenen Konsum zu finanzieren.<br />
3. Übernahme der kriminellen Vorbilder – die „Diebe im Gesetz“ als Leitfiguren<br />
Durchgehend allen unseren KlientInnen sind die „Diebe im Gesetz“ ein Begriff. Sie<br />
übernehmen unkritisch und stark romantisierend Versatzstücke dieser Bewegung. Es ist<br />
allemal besser sich als „vor“, als „Dieb“, mit Ehre zu fühlen, statt als „doofer Russe aus<br />
Kasachstan“. Mit den tatsächlichen „Dieben“, oder gar der sogenannten „Russischen Mafia“<br />
hat dies in der Regel nichts zu tun. Sie „spielen“ diese Muster nach.<br />
Die wenigsten unserer KlientInnen hatten bereits in den Herkunftsländern Kontakt mit den<br />
verschiedensten Formen der „organisierten Kriminalität“. Sie entnehmen das meiste aus<br />
Erzählungen von Älteren (kollektives Wissen), aus entsprechenden Filmen (z.B. „Brat“ I/ II<br />
oder „Bumer“), Videos, Büchern und russischen Zeitungen. „Gangster“ oder „Bandit“ zu sein<br />
gilt als cool, eine Denkweise, die auch bei andere <strong>Subkulturen</strong> zu finden ist. Die<br />
Banditenlieder aus der Lagerzeit fungieren so als der „Soundtrack“ der<br />
Migrantenjugendlichen. Hier wird über Ehre, „richtige“ Männer und das Leben am Rande der<br />
Gesellschaft gesungen. Diese Lebensform wird von unseren KlientInnen bei kritischen<br />
Nachfragen gern als das „echte“ Leben bezeichnet.<br />
9
4. Probleme mit der Justiz – Inhaftierung<br />
Die oben beschriebenen Probleme führen logischerweise zu Konfrontationen mit der Polizei<br />
und leider allzu oft auch zu Gerichtsverfahren und Verurteilungen. Hier greifen ähnliche<br />
Mechanismen, die wir von der sogenannten „Ausländerkriminalität“ her kennen. Die<br />
Bevölkerung stigmatisiert die MigrantInnen als „Russen“, findet sie „gefährlich“, weil vieles<br />
an ihnen fremd wirkt (Sprache, Kultur, Auftreten usw.), in Folge ist die Anzeigebereitschaft<br />
bei den Einheimischen entsprechend höher. Andererseits schaut die Polizei genauer hin<br />
(vermehrte selektive Kontrollen von russisch aussehenden Menschen) und entdeckt somit<br />
auch mehr Delikte. Die Strafen fallen oft höher aus, weil die AussiedlerInnen selten<br />
kooperieren (s.a. Kodex der „Diebe“). Deshalb sind Aussiedlerjugendliche auch oft in den<br />
Knästen überrepräsentiert, auch wenn die Kriminalitätsstatistik eigentlich zu dem Schluss<br />
kommt, dass sie nicht krimineller sind als einheimische Deutsche (vgl Kawamura, 2001).<br />
5. Von der Marginalisierung zur „Schutzgemeinschaft“<br />
Die Gruppe ist für die Jugendlichen das bestimmende Moment. Ihre Normen und Werte,<br />
sowie die Hierarchie in der Gruppe bestimmen ihr Verhalten. Den Regeln und Normativen<br />
der „Außenwelt“ bzw. der Gesellschaft kommt dabei eine zweitrangige Position zu. Diese<br />
Treue der Gruppe gegenüber kann bisweilen auch irrationale Züge annehmen.<br />
Ein Kollege aus Stuttgart berichtete anlässlich einer Fortbildung von den Erfahrungen mit<br />
einer Gruppe russischsprachiger Jugendlicher, die er in einem Jugendgemeinschaftswerk<br />
(JGW) machte. Einer der Jugendlichen hatte permanent gegen die allgemein verbindlichen<br />
Regeln verstoßen. In Absprache mit den beteiligten KollegInnen wurde schließlich<br />
beschlossen, den delinquenten Jugendlichen aus der Freizeitgruppe zu entfernen. Nach<br />
erfolgtem Ausschluss bedankte sich die Gruppe bei den MitarbeiterInnen für diese<br />
Entscheidung, nicht ohne nachzufragen, warum sie mit dieser Maßnahme solange gezögert<br />
hätten. Die MitarbeiterInnen waren entsprechend verblüfft über diesen Kommentar und<br />
fragten ihrerseits warum die Gruppe denn nicht selbst aktiv geworden wäre, da ihnen doch<br />
offensichtlich selbst bewusst war, dass dieser Jugendliche ihrem Ansehen als Gesamtgruppe<br />
nur schaden würde. Die Antwort war in ihrer Logik für die SozialpädagogInnen noch<br />
verblüffender. Der junge Mann war mit seinen permanenten Verstößen gegen die Regeln des<br />
JGW von den Jugendlichen selbst seit längerem als Störfaktor für die Gruppe erlebt worden,<br />
hatte aber nicht gegen ihre Normen verstoßen. Er musste also „mitgeschleppt“ werden, bis<br />
die BetreuerInnen zu einer Entscheidung kamen. Eine Normabweichung vom Gruppenkodex<br />
wäre sehr schnell und diskret von den Jugendlichen selbst geahndet worden. Dieser Bericht<br />
zeigt deutlich die verschiedenen Normensysteme und ihre Wertehierarchie für die<br />
Jugendlichen.<br />
Bei diesen „Cliquen“ oder „Gangs“ handelt es sich, wie überall auf der Welt, meist um<br />
Vereinigungen von jungen Männern. Frauen haben eine untergeordnete Stellung. Sie sind<br />
eher geduldet oder treten nur als Schwestern oder Freundinnen von Gruppenmitgliedern in<br />
Erscheinung. Die Strukturen in solchen Gruppen sind meist relativ starr. Sie etablieren sich<br />
durch den Kampf um die Führung der Gruppe, um den Posten des „Leaders“ und eventuellen<br />
Stellvertretern. Auch dies deckt sich mit den Erfahrungen aus der Arbeit mit anderen<br />
MigrantInnencliquen.<br />
Die entscheidenden Werte der Gruppe sind:<br />
• Loyalität zur Gruppe nach innen und außen<br />
• Solidarität, in der Gruppe wird geteilt (z.B. auch Alkohol und Drogen)<br />
• Verschwiegenheit nach außen (z.B. gegenüber Polizei und Justiz)<br />
• Sanktionierung von Regelabweichungen (nötigenfalls körperliche Abstrafung)<br />
• Verrat ist dabei die schlimmste Normverletzung<br />
10
Die Loyalität zur Gruppe kann soweit gehen, dass bei Verdächtigungen bzw.<br />
Beschuldigungen die Verantwortung übernommen wird, auch wenn eigentlich ein anderes<br />
Gruppenmitglied die Tat begangen hat.<br />
Situation der russischsprachigen Inhaftierten in den bundesdeutschen Haftanstalten<br />
1. Bildung von hermetisch abgeschotteten russischen Gangs, vor allem in den<br />
Jugendstrafanstalten<br />
Ähnlich wie bei der juristischen Aufarbeitung der sogenannte „Ausländerkriminalität“ sind<br />
auch junge russischsprachige DelinquentInnen in den Knästen um das Zwei bis Dreifache<br />
überrepräsentiert (vgl. Walter, 2001). Viele meiner KlientInnen in der Nürnberger JVA<br />
berichten mir immer wieder von wenig nachvollziehbaren hohen Strafmaßen und härterer<br />
Behandlung durch Polizei und Justiz, als bei hier geborenen Deutschen. Dies führt zu Frust<br />
und behindert das Vertrauen in den bundesdeutschen Rechtsstaat. Eine solche<br />
„Sonderbehandlung“ schweißt aber auch zusammen und befördert ein trotziges<br />
Selbstbewusstsein.<br />
Wie „draußen“ auch, schließen sich die inhaftierten russischsprachigen Gefangenen in den<br />
Haftanstalten zu ethnischen Gruppen zusammen (s.a. weiter oben). Dieses Phänomen lässt<br />
sich natürlich auch bei anderen ethnischen Gruppen beobachten (TürkInnen, KurdInnen,<br />
AlbanerInnen usw.). Interessant ist dabei auch, dass rassistische Vorurteile der meisten<br />
russischsprachigen Häftlinge gegenüber AsylbewerberInnen aus dem Kaukasus, und<br />
jüdischen MigrantInnen (Kontingentflüchtlinge), die in der Freiheit durchaus eine Rolle<br />
spielen, im Knast bedeutungslos erscheinen. Die gemeinsame Sprache der Gruppe bietet<br />
Vertrautes, Schutz und Stärke. Diesem System können sich die Jugendlichen kaum entziehen.<br />
Der Gruppendruck ist immens. Letztlich gilt die Devise: „Russe sein, oder nicht sein!“.<br />
2. Die russischen Knastkasten (Hierarchie unter den Gefangenen)<br />
Hier kommen die angelernten oder idealisiert übernommenen Praktiken der „Diebe“ zum<br />
Einsatz. Viele Jugendliche erscheinen so, als ob sie sich beim Überschreiten der<br />
Knastschwelle einen russischen „Knastchip“ implantieren würden. Das ganze Programm aus<br />
der „Heimat“ läuft ab. Dabei wird regional unterschiedlich agiert. In jeder JVA herrschen je<br />
nach Besetzung die alten Regeln oder es werden Versatzstücke angewendet oder neue<br />
erfunden. In manchen JVA´s ernennen sich Häftlinge selbst zum „Dieb“.<br />
Das Kastensystem der früheren Straflager wird ähnlich praktiziert (in verschiedenen<br />
Ausprägungen oder Radikalität). „Hier finden sie das, was sie dort (in der Freiheit, A.d.V.)<br />
verloren haben (bzw. worauf sie dort gar nicht hoffen durften): Anerkennung und Achtung.<br />
Sie stellen fest, dass es eine Milieu gibt, in dem Eigenschaften, die sie in Hülle und Fülle<br />
besitzen, in hohem Ansehen stehen, während Eigenschaften, die ihnen fehlen, überflüssig<br />
sind“ (Klejn, 1991: 113). Einer meiner Klienten rasierte sich z.B. sofort nach der Inhaftierung<br />
die Haare ab (wie in russischen Gefängnissen und Lagern üblich, dort allerdings als<br />
Zwangsmaßnahme der Leitung). Er ließ sich das Symbol für einen „jugendlichen Ersttäter“<br />
auf einen Finger tätowieren und „verzierte“ seine Knie mit zwei achtzackigen Sternen (was<br />
bedeutet: nie werde ich vor „Bullen“ auf die Knie gehen). Niemand hatte ihn dazu<br />
gezwungen. Er hatte sich sozusagen für sein neues Leben in der Haft präpariert. Für ihn stellte<br />
das Leben im Knast, in der „zona“, nur eine andere, aber bekannte Lebensform mit den damit<br />
verbundenen unvermeidlichen Regeln dar.<br />
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3. Das Strafsystem innerhalb der Gefangenengruppe<br />
Das interne Strafsystem regelt die Abstrafung von „Abweichlern“ oder verweist sogenannte<br />
„unehrenhafte“ Gefangene, wie z.B. Vergewaltiger oder Homosexuelle in ihre Schranken. Sie<br />
gehören zur untersten Kaste und werden entsprechend terrorisiert.<br />
4. Die illegale Solidarkasse der Gefangenen („obschtschak“)<br />
Hierbei handelt es sich um eine Art „schwarze Kasse“ der Gefangenen. Jeder zahlt mehr oder<br />
weniger „freiwillig“ ein und es werden gemeinsame Anschaffungen wie Zigaretten oder Tee<br />
daraus bezahlt. Sicherlich wird „obschtschak“ aber auch für die Beschaffung von<br />
Suchtmitteln verwendet.<br />
Einer meiner Klienten kam in der Weihnachtszeit in die Nürnberger JVA. Er hatte kein Geld<br />
für den offiziellen Einkauf und keine Angehörigen vor Ort. Nachdem er von der versammelte<br />
russischsprachigen Mannschaft auf die Hintergründe seiner Inhaftierung ausgiebig geprüft<br />
worden war und diese Prüfung bestanden hatte, konnte er von der gemeinsamen Kasse<br />
partizipieren und wurde mit allem Nötigen versorgt. Deutsche Gefangene, die in der gleichen<br />
Situation waren, saßen dagegen „auf dem Trockenen“. Nach Informationen meiner<br />
KlientInnen setzt sich „obschtschak“ auch „draußen“ fort. Auch Familienangehörige von<br />
Inhaftierten werden teilweise durch diese Solidarkasse finanziell unterstützt. Letztlich handelt<br />
es sich hier um eine Art kriminelle und illegale „Sozialhilfe“ innerhalb der russischsprachigen<br />
Gefangenen.<br />
5. Probleme und Lösungsansätze der Anstalten mit diesem System<br />
Die Anstalten reagieren meist sehr nervös auf diese Tendenzen und antworten mit repressiven<br />
Mitteln. Für jede JVA ist eine derartige Subgruppenbildung eine potentielle Bedrohung. Die<br />
russischsprachigen Gefangenen werden weitgehend voneinander isoliert um eine<br />
Organisierung zu vermeiden. Verschärfte Repression erscheint allerdings als Lösungsansatz<br />
gegenüber diesen Strukturen als weitgehend aussichtslos, angesichts der Tatsache, dass diese<br />
organisatorischen Verhaltensweisen unter der stalinistischen/ sowjetischen Repression<br />
entstanden sind und sich dort bewährt haben. In einer demokratischen Gesellschaft ist es den<br />
Haftanstalten auch gar nicht möglich, bzw. gestattet auch nur annähernd eine ähnliche<br />
Repressionskulisse zu errichten, die den sowjetischen Methoden gleichkäme. Darüber hinaus<br />
würde dies eher zu einem noch klandestineren Verhalten führen.<br />
Die Gefangenen kooperieren kaum mit den BeamtInnen und den Sozialdiensten.<br />
SozialarbeiterInnen und PsychologInnen werden von den Gefangenen als Teil der<br />
„Gegenseite“ begriffen und gelten so leider kaum als Vertrauenspersonen (vgl. Otto/ Pawlik-<br />
Mierzwa, 2001). Ansätze, die auch Ressourcen in dieser Subkultur sehen und diese nutzen<br />
sind bis jetzt leider eher die Ausnahme (z.B. in der JVA Adelsheim) (vgl. Walter, 2002). Ein<br />
möglicher Lösungsansatz wäre sicherlich die Einstellung von russischsprachigen<br />
SozialarbeiterInnen, die mit diesen Substrukturen vertraut sind. Dies würde die Situation um<br />
einiges entspannen. Ein „Geheimbund“, der diese Neuauflage der Bewegung der „Diebe im<br />
Gesetzt“ letztlich darstellt, verliert um einiges seiner Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit<br />
wenn seine Strukturen bekannt sind. Mögliche Inhalte der sozialpädagogischen Arbeit mit<br />
dieser Gruppe wären Themen wie Männlichkeit, Ehre, Solidarität und alternative<br />
Konfliktlösungsstrategien.<br />
Die Situation von russischsprachigen PatientInnen in Therapieeinrichtungen der<br />
Drogenhilfe<br />
12
1. Rückzug in die muttersprachliche Gruppe<br />
Der überwiegende Teil der russischsprachigen PatientInnen in Therapieeinrichtungen<br />
rekrutiert sich aus den JVA´s oder konnte durch eine Therapieauflage der Inhaftierung<br />
entgehen. Sie denken in den oben beschriebenen Normen und Werten und begreifen die<br />
Therapie als ein geschlossenes System, welches sozusagen den Knast mit anderen Mitteln<br />
weiterführt. Es fällt ihnen schwer die Therapie als Hilfe zu verstehen. Sie haben große<br />
Probleme sich zu öffnen. Die Gruppe der Muttersprachler bietet wiederum Schutz vor den<br />
neuen Herausforderungen und einen bekannten Rahmen. Die Knaststrukturen werden<br />
weitergeführt und führen früher oder später zu Konflikten, die meist in der Entlassung<br />
einzelner PatientInnen oder der ganzen Gruppe enden.<br />
2. Missachtung der Hausregeln<br />
Die Hausregeln werden nicht ernst genommen und möglichst umgangen. An erster Stelle<br />
stehen die eigenen Regeln, Normen und Werte. Nach außen hin wirken diese PatientInnen<br />
meist unauffällig und angepasst.<br />
3. Weiterleben von „obschtschak“ und „Regelwerk“<br />
Wie oben beschrieben wird weiter „obschtschak“ und das interne Regelwerk praktiziert um<br />
das „Überleben“ der Gruppe zu garantieren. Die in den Einrichtungen oft übliche, anfängliche<br />
Kontaktsperre wird z.B. durch illegale Handys unterlaufen. Russischsprachige PatientInnen,<br />
die bereits weiter im therapeutischen Prozess fortgeschritten sind und Ausgang haben, werden<br />
als Kuriere für die Beschaffung von verschiedensten Gütern bis hin zu Alkohol und Drogen<br />
eingesetzt. Sie können sich dem Gruppendruck kaum entziehen.<br />
Ansätze/ Vorschläge für eine Nutzung der Ressourcen die in diesem Subsystem stecken -<br />
Ressourcenorientierung contra Repression!<br />
Wir können nicht warten, bis sich die PatientInnen an unsere Konzepte anpassen, sondern<br />
müssen unsere Herangehensweise an den Normen und Werten der PatientInnen orientieren.<br />
Unsere russischsprachigen KlientInnen bestätigen uns immer wieder die oben beschriebene<br />
Situation. Es fällt ihnen schwer auszuscheren und sich tatsächlich mit ihren Problemen und<br />
entsprechenden Lösungen auseinander zu setzen. Sie fühlen sich in der Therapie nicht<br />
verstanden und angenommen. Dem Personal sind ihre Strukturen, Normen und Werte<br />
weitgehend unbekannt, fremd oder werden als Bedrohung empfunden. Die zur Zeit von der<br />
überwiegenden Mehrheit der Einrichtungen praktizierte Kontingentierung der Aufnahme von<br />
russischsprachigen PatientInnen (höchstens 2- 3 in eine Gruppe) ist eine verständliche aber<br />
letztlich selektive, bzw. rassistische und vor allem hilflose Reaktion.<br />
Wir können nicht erwarten, dass sich diese Menschen aus eigener Kraft und Überzeugung<br />
ändern und in unsere Konzepte passen. In Anlehnung an B. Brecht, welcher der DDR-<br />
Führung nach dem ArbeiterInnenaufstand vom 17. Juni 1953 ironisch empfahl, „...wenn<br />
Ihnen das Volk nicht passt, wählen sie sich doch ein neues!“, können wir uns nicht Bilder von<br />
KlientInnen/ PatientInnen zurechtlegen, wie wir sie gerne hätten. Wir müssen mit den<br />
Menschen arbeiten, wie sie uns in der täglichen Arbeit begegnen, auf sie zugehen, die<br />
Situation analysieren, die vorhandenen Ressourcen nutzen und auch bis zu einem bestimmten<br />
Grad mit den negativen, kriminellen oder unterdrückerischen Elementen in dieser Denk- und<br />
Lebensweise therapeutisch arbeiten. Dabei sollte streng darauf geachtet werden, dass eine<br />
weitest mögliche Akzeptanz die Arbeit bestimmt. Wir müssen lernen den KlientInnen<br />
zuzuhören. Manches Verhalten erklärt sich so schnell als alte Lösungsstrategie aus einer<br />
Lebenswelt, die uns völlig fremd ist und welche in den hiesigen Verhältnissen ihre<br />
13
Brauchbarkeit verloren hat. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen Menschen neue<br />
Lösungsmuster an die Hand zu geben, damit sie ihr Leben hier, in ihrer neuen „Heimat“ für<br />
beide Seiten sozialverträglich lösen können.<br />
In einigen Therapieeinrichtungen ist es zwischenzeitlich gelungen, die Behandlungskonzepte<br />
auf dieses relativ neue Klientel umzustellen und die KlientInnen so zu akzeptieren, wie sie<br />
wirklich sind. Die oben beschriebenen Strukturen sind bekannt und werden im<br />
therapeutischen Prozess thematisiert.<br />
1. Nutzung von kulturellen bzw. soziokulturellen Prägungen<br />
Akzeptanz bedeutet nicht nur das Annehmen der Person an sich, sondern auch die<br />
Auseinandersetzung mit deren kulturellen Prägungen. In einigen Einrichtungen ist die<br />
Benutzung der russischen Sprache komplett untersagt. Auf diese Weise wird den<br />
russischsprachigen PatientInnen ein wichtiger Teil ihrer Identität geraubt. Der überwiegende<br />
Teil von ihnen hat ca. zwei Drittel ihres Lebens im Herkunftsland verbracht. In der Kindheit<br />
und frühen Jugend erlebten sie dort die wesentlichen Grundprägungen der Persönlichkeit. Die<br />
deutsche Mehrheitsgesellschaft interessiert sich in der Regel nicht für das Leben, welches sie<br />
„dort drüben“ geführt haben. So kann es zu Demütigungen und gebrochenen Identitäten<br />
kommen. Eine vernünftige Lösung der Sprachproblematik scheint mir die verbreitete<br />
Regelung zu sein, dass in der Anwesenheit von anderen nichtrussischsprachigen Personen<br />
deutsch gesprochen wird (dies gilt natürlich für alle anderen MigrantInnen gleichermaßen).<br />
2. Banditenlieder- und Filme im therapeutischen Prozess<br />
Gerade die oben beschrieben Banditenlieder bieten z.B. eine gute Ausgangsmöglichkeit um<br />
Normen und Werte zu diskutieren. Die Texte reflektieren durchgängig eine tradierte<br />
Männerrolle, die patriarchal geprägt ist und als Richtschnur für das Handeln dieser jungen<br />
Männer angenommen werden kann. Vorstellbar wäre eine Gruppenstunde in der die Patienten<br />
einige Texte ihrer Lieblingsbanditenlieder („blatni pesni/ blatniak“) übersetzten und deren<br />
Bedeutung für ihr Leben darstellen. Anschließend könnten diese Werte in der Gruppe<br />
diskutiert werden. Auf diese Weise lässt sich sehr viel aus der Lebenswelt der Patienten<br />
erfahren und es ergeben sich verschiedenste Anknüpfungspunkte für ein Aufzeigen von<br />
alternativen Verhaltensweisen.<br />
Ähnliches wäre auch mit beliebten Kultfilmen wie „Brat I/ II“ oder „Bumer“, die das<br />
Banditenleben thematisieren, möglich. Auch die anderen, nichtrussischsprachigen<br />
PatientInnen könnten von diesen Auseinadersetzungen profitieren. Sie würden ihre<br />
MitpatientInnen möglicherweise besser verstehen lernen und hätte die Chance auch eigene<br />
Normen und Werte zu überprüfen.<br />
3. Kulinarische Horizonterweiterung und interkulturelle Körperhygiene<br />
Laut Berichten meiner KlientInnen geht Akzeptanz manchmal auch durch den Magen.<br />
Nachdem sie ihre MitpatientInnen mit dem russischen Nationalgericht „pelmeni“ (eine Art<br />
Tortellini) bekocht hatten, wurde noch wochenlang in der Einrichtung von diesem<br />
kulinarischen Ereignis geschwärmt. Auch die berühmten russischen Grillabende mit<br />
„schaschlyk“ (dt. Fleischspieße) und „tschaj“ (dt. Tee) aus dem „samowar“ (russischer<br />
Teekocher) bleiben sicherlich länger in Erinnerung.<br />
Im Rahmen der Arbeitstherapie (z.B. Schreinerei) werden von den PatientInnen die<br />
überwiegenden laufenden Reparaturarbeiten selbst erledigt aber auch Ausrüstungen für die<br />
Einrichtungen hergestellt. Gerade im handwerklichen und kreativen Bereich sind die<br />
russischsprachigen PatientInnen besonders gern aktiv. Hier steht weniger die Sprache, als das<br />
persönliche Improvisationstalent und Können im Vordergrund. Im Rahmen einer solchen<br />
Arbeitstherapie wäre es z.B. auch möglich eine „banja“ (russische Schwitzhütte) zu bauen. In<br />
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Russland wäre das Leben ohne „banja“ (vor allem in den kalten Wintermonaten) nicht<br />
vorstellbar. Schwitzen in der „banja“ ist ein nationales Kulturheiligtum und geht weit über<br />
die reine Körperhygiene hinaus. Die Schwitzhütte ist ein Ort der Kommunikation und des<br />
Entspannens. Der Bau einer „banja“ in der Einrichtung wäre für die „Russen“ ein Beweis für<br />
ihre handwerklichen Fähigkeiten und ein bleibender Nutzen für alle.<br />
4. Der Zwang zur Denunziation von Regelverstößen im therapeutischen Prozess vs. Ehre<br />
und Solidarität<br />
Einer meiner Klienten aus einer Einrichtung, die auch weiterhin nach herkömmlichen<br />
Konzept arbeitet, beschrieb eine Situation, in welcher er in der Großgruppe gezwungen<br />
wurde, einen Disziplinarverstoß eines anderen russischsprachigen Patienten „aufzumachen“<br />
(Therapeutendeutsch): „Jetzt habe ich einen verraten, jetzt bin ich deutsch!“. Hier wurde<br />
jemand gebrochen und das Gefühl jetzt deutsch zu sein ist in diesem Fall alles andere als<br />
positiv zu bewerten.<br />
In einigen interkulturell geöffneten Einrichtungen wird zwischenzeitlich auf den<br />
denunziatorischen Zwang zum „Aufmachen“ verzichtet. Verstöße gegen die Hausordnung<br />
müssen von den MitarbeiterInnen selbst aufgedeckt werden. In einem solchen Rahmen kann<br />
es den russischsprachigen PatientInnen Schritt für Schritt gelingen, sich untereinander mit<br />
Verstößen zu konfrontieren und Probleme konstruktiv und sachlich zu bearbeiten. Dies ist in<br />
den meisten Therapieeinrichtungen bis jetzt leider noch eine völlige Unmöglichkeit, da es in<br />
der Gruppe eindeutig als „Verrat“ angesehen und entsprechend sanktioniert werden würde<br />
(„bespredel“).<br />
Hier ein passendes Beispiel aus meiner Praxis: In einer interkulturell geöffneten<br />
Einrichtungen kam es zu einem interessanten Zusammenstoß zweier Klienten, die beide von<br />
mir in diese Einrichtung vermittelt worden waren. Wowa (Name geändert), der sich schon<br />
einige Monate in Therapie befand, traf in der Großgruppe auf den Neuzugang Schenja (Name<br />
geändert). Wowa traute sich in der Gruppe Schenja wegen verschiedener Verstöße gegen die<br />
Hausordnung zu kritisieren. Schenja war darüber dermaßen erbost, dass er aufsprang und<br />
Wowa als Verräter bezeichnete. Daraufhin standen alle anderen russischsprachigen<br />
PatientInnen wie eine Wand hinter Wowa und warfen Schenja ihrerseits Verrat vor, da er sie<br />
mit seinen permanenten Regelverstößen bei der Auseinandersetzung mit dem therapeutischen<br />
Prozess behindern würde. Schenja verließ dann am nächsten Tag frustriert die<br />
Therapieeinrichtung und landete wieder in meiner Beratung. Den Abbruch begründete er mir<br />
gegenüber folgendermaßen: „das sind doch keine Russen, sondern durakij (dt. Idioten)!“ So<br />
hatten wir hochbrisanten Diskussionsstoff über Solidarität, Ehre und Verrat. Letztlich schaffte<br />
auch er seine Therapie, wenn auch erst im zweiten Anlauf und mit etwas veränderter<br />
Sichtweise.<br />
5. Therapeutinnen oder Therapeuten – Geschlechterrollen im interkulturellen Clash<br />
Die Wertekulisse junger russischsprachiger Männer ist äußerst patriarchal geprägt. Über<br />
siebzig Jahre Emanzipation der Frau in der Sowjetunion scheinen leider nicht viele Spuren<br />
hinterlassen zu haben. Jüngere Frauen werden eher als potentielle Sexualpartnerinnen gesehen<br />
und stehen in der Hierarchie relativ weit unten. Im Gegensatz dazu werden Mütter und<br />
Großmütter oder mütterlich wirkende Frauen mit sehr viel Respekt behandelt.<br />
Ein Beispiel aus den ersten zaghaften Gehversuchen eines meiner Klienten in der Therapie<br />
zeigt dies ganz deutlich. Sascha (Name geändert) hatte im Therapieaufnahmegespräch<br />
Probleme mit einer jüngeren Therapeutin bekommen. Die Argumente gingen hin und her und<br />
letztlich sah die Kollegin keinen anderen Weg mehr, als laut zu werden um sich mit ihrer<br />
Sichtweise als Autorität der Einrichtung durchzusetzen. Sascha rief mich kurz darauf völlig<br />
aufgelöst in der Beratungsstelle an und meinte, er könne nicht dort bleiben, weil ihn diese<br />
15
Therapeutin angeschriene hätte. Auf mein Argument hin, dass er sicherlich auch einen Anlass<br />
dazu geliefert hätte, gab er sein Fehlverhalten sofort zu. Das unlösbare Problem für ihn aber<br />
war die Tatsache, dass er von einer Frau angeschrieen worden war. Er meinte, dass er sich<br />
jetzt vor Schande nicht mehr im Spiegel anschauen könnte. Nur seine Mutter oder Großmutter<br />
dürften ihn anschreien. Letztlich konnte ihn nur der von mir erbetene Wechsel zu einem<br />
männlichen Kollegen in der Einrichtung halten, auch wenn mir diese Intervention aus meinen<br />
eigenen Überzeugungen heraus sehr problematisch erschien.<br />
Dieses Beispiel zeigt, dass wir sehr sensibel mit diesem Thema umgehen müssen. Wobei<br />
natürlich nicht die Übernahme dieser patriarchalen Verhaltensweisen das Ziel sein sollte,<br />
sondern eine vorsichtige und schrittweise Veränderung dieser Geschlechterrollenzuschreibungen.<br />
6. Nutzung des Organisationstalents und der positiven Anteile der informellen<br />
Strukturen<br />
Die Fähigkeit zum Organisieren und der ausgeprägte Gemeinschaftssinn sind deutliche<br />
Ressourcen dieser KlientInnen, die genutzt werden können und ihnen auch Respekt und<br />
Anerkennung der TherapeutInnen und MitpatientInnen einbringen.<br />
Wie Eingangs festgestellt wurde, existieren in diesen subkulturellen Zusammenhängen genau<br />
definierte Normen, Regeln und Werte. Den „Leadern“, also den Gruppenchefs, wird<br />
unbedingte Achtung und Gefolgschaft entgegengebracht. Gewachsene und selbst gewählte<br />
Autoritäten genießen großes Vertrauen und ihre Anweisungen werden meist bedingungslos<br />
befolgt. Hier liegt eine eindeutige Ressource, die es zu nutzen gilt. Wir müssen es schaffen,<br />
unsere Regeln und Entscheidungen so transparent zu machen, dass sie akzeptiert werden<br />
können. Die EntscheidungsträgerInnen in den Einrichtungen müssen als echte Autoritäten<br />
erlebbar werden. Letztlich wird sich eine Art „Schnittmenge“ aus ihrem und unserem<br />
Regelwerk herauskristallisieren, die von beiden Seiten als allgemeingültige Norm akzeptiert<br />
werden kann.<br />
7. Die Grenzen der Akzeptanz – Abgrenzung von kriminellen und unterdrückerischen<br />
Praktiken<br />
Neben diesen als Ressourcen nutzbaren Strukturen muss natürlich auch ein klarer<br />
Trennungsstrich zu eindeutig unterdrückerischen Elementen dieser Subkultur gezogen<br />
werden. Informelle repressive Hierarchien und Sanktionen („bespredel“) können nicht<br />
geduldet werden. Dies kann vom Opferschutz bis zu disziplinarischen Maßnahmen gegen die<br />
potentiellen Täter reichen. Hier handelt es sich um eine Demonstration von akzeptierter und<br />
notwendiger Autorität, ohne welche die MitarbeiterInnen sonst nicht ernst genommen werden<br />
würden. Letztlich wird so den tatsächlich an einer Veränderung interessierten PatienInnen<br />
eine reale Chance eingeräumt, konstruktiv an der Therapie teilzunehmen, ohne ihre „Ehre“ zu<br />
verlieren. Wer sich den gemeinsam gegebenen Regeln nicht unterordnen kann oder will, muss<br />
die Einrichtung verlassen. Ein derartiges Vorgehen könnte die hohen Abbruchquote, bzw. die<br />
Zahl der disziplinarischen Entlassungen erheblich reduzieren.<br />
Epilog<br />
Setzt man sich intensiver mit dieser Problematik auseinander, wird man meist feststellen, dass<br />
die „Russen“, die sich „zusammenrotten“ und immer Probleme machen, keine „Mafiosi“ oder<br />
unzugängliche Wesen „von einem anderen Stern“ sind, sondern Menschen wie Sie und ich,<br />
die rational handeln und bereit sind, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zusammen mit ihnen kann<br />
es uns gelingen, dass diese neuen MitbürgerInnen, die ihre alte „Heimat“ verlassen haben, mit<br />
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eiden Beinen und ihrem Kopf in unserer Gesellschaft ankommen und eine Bereicherung für<br />
uns alle darstellen können.<br />
Danksagung<br />
An dieser Stelle möchte ich mich bei all meinen russischen KlientInnen und Freunden<br />
bedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ihre Erfahrungen und<br />
Einschätzungen waren sehr wertvoll für mich.<br />
Erschienen in: „Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe (ZJJ)“; 2/ 04<br />
Kay Osterloh, Dipl.Sozialpädagoge (FH)<br />
mudra – Drogenhilfe Nürnberg<br />
Ludwigstraße 61<br />
90402 Nürnberg<br />
fon 0911/ 19 237<br />
fax 0911/ 205 97 47 8<br />
mail migration.gus@mudra-online.de<br />
Alle Rechte beim Verfasser<br />
Nürnberg, Mai 2004<br />
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