30.12.2013 Aufrufe

klicken um Magazin als pdf zu lesen. - Books.ch

klicken um Magazin als pdf zu lesen. - Books.ch

klicken um Magazin als pdf zu lesen. - Books.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Alle Bü<strong>ch</strong>er finden Sie au<strong>ch</strong> auf Erotis<strong>ch</strong>e Literatur | 15<br />

Zei<strong>ch</strong>nete man einen Stammba<strong>um</strong> der Unterwerfungsliteratur,<br />

wäre «Venus im<br />

Pelz» wohl die Grossmutter von «Shades of<br />

Grey» – und viellei<strong>ch</strong>t gar die Stammmutter<br />

des gesamten Genres. Das s<strong>ch</strong>male<br />

Bänd<strong>ch</strong>en ers<strong>ch</strong>ien 1870 und wurde von<br />

Leopold von Sa<strong>ch</strong>er-Maso<strong>ch</strong> verfasst. Der<br />

österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Autor ist <strong>als</strong> Namensgeber<br />

in die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te eingegangen – ni<strong>ch</strong>t der<br />

süssen Sa<strong>ch</strong>ertorte, sondern des viel pikanteren<br />

Maso<strong>ch</strong>ismus’. Zu Lebzeiten war<br />

Sa<strong>ch</strong>er-Maso<strong>ch</strong> ein international gefeierter<br />

Autor und ho<strong>ch</strong>gea<strong>ch</strong>teter Universitätsprofessor;<br />

ihn überlebt hat aber eigentli<strong>ch</strong><br />

nur «Venus im Pelz». Darin erzählt er die<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Severin, der si<strong>ch</strong> leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

in die junge Witwe Wanda verliebt.<br />

Sie kann si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t da<strong>zu</strong> dur<strong>ch</strong>ringen,<br />

ihn <strong>zu</strong> heiraten, denn sie weiss, wie<br />

unbeständig Gefühle sind. Severin s<strong>ch</strong>lägt<br />

Wanda vor, ihn <strong>als</strong> Sklaven <strong>zu</strong> akzeptieren,<br />

den sie jederzeit na<strong>ch</strong> Belieben demütigen<br />

darf – denn er meint, dass seine Liebe <strong>zu</strong><br />

ihr dann immer grösser werde, frei na<strong>ch</strong><br />

dem Grundsatz: Was man ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong><br />

besitzen kann, begehrt man <strong>um</strong>so stärker.<br />

Wanda zögert; sie weiss, ein sol<strong>ch</strong>es Arrangement<br />

könnte ihre s<strong>ch</strong>limmsten, bislang<br />

unterdrückten Eigens<strong>ch</strong>aften wecken.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> aber willigt sie ein. Sie quält<br />

ihren Sklaven fortan psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> und physis<strong>ch</strong>,<br />

gibt si<strong>ch</strong> ihm aber au<strong>ch</strong> liebevoll hin.<br />

Dass Wanda andere Liebhaber hat, treibt<br />

Severin s<strong>ch</strong>ier in den Selbstmord, er kann<br />

si<strong>ch</strong> von seiner Herrin aber ni<strong>ch</strong>t lösen –<br />

bis sie bewusst <strong>zu</strong> weit geht und ihn von<br />

einem ihrer Liebhaber auspeits<strong>ch</strong>en lässt.<br />

Severin ist von seiner Obsession geheilt<br />

und nimmt wieder sein früheres Leben an.<br />

Von Peits<strong>ch</strong>en und Stiefeln<br />

Interessant ist, dass «Venus im Pelz» na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong><br />

fast <strong>zu</strong>r Autobiographie von Sa<strong>ch</strong>er-Maso<strong>ch</strong><br />

wurde: 1873 heiratete der<br />

Autor eine junge Angelika, die si<strong>ch</strong> wegen<br />

des Bu<strong>ch</strong>s in Wanda <strong>um</strong>benannte. Mit ihr<br />

s<strong>ch</strong>loss Sa<strong>ch</strong>er-Maso<strong>ch</strong> einen Sklavenvertrag<br />

ab, und wie die fiktive Wanda hielt es<br />

au<strong>ch</strong> die e<strong>ch</strong>te am Ende ni<strong>ch</strong>t neben ihrem<br />

Sklaven aus. Do<strong>ch</strong> <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> «Venus im<br />

Pelz». Das Bu<strong>ch</strong> enthält bereits viele Genre-typis<strong>ch</strong>e<br />

Ingredienzien. Uniformen,<br />

Peits<strong>ch</strong>en, Stiefel, Pelze und nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Ausss<strong>ch</strong>weifungen kommen ebenso vor<br />

wie das Hin und Her zwis<strong>ch</strong>en Erniedrigung<br />

und Zärtli<strong>ch</strong>keit. Do<strong>ch</strong> das Bu<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ien<br />

in einer Zeit, in der es Zensur gab,<br />

und es bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong> daher auf Andeutungen.<br />

Wer «gewisse Stellen» su<strong>ch</strong>t, kann<br />

lange blättern – es gibt sie ka<strong>um</strong>, erregend<br />

ist allenfalls der Unterton der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te.<br />

Die Dialoge des Bu<strong>ch</strong>s, das derzeit von Roman<br />

Polanski verfilmt wird, sind feinsinnig;<br />

Sa<strong>ch</strong>er-Maso<strong>ch</strong> bedient si<strong>ch</strong> gern bei<br />

der Ho<strong>ch</strong>kultur, <strong>um</strong> die Vorliebe seines<br />

Helden – und damit au<strong>ch</strong> seine eigene – <strong>zu</strong><br />

begründen, er zitiert fortlaufend Goethe<br />

oder antike Autoren. «Venus im Pelz» ist<br />

daher eher Literatur für den feinsinnigen<br />

Kenner <strong>als</strong> Pornografie, die bekanntli<strong>ch</strong><br />

nur auf eines abzielt: die Lesenden sexuell<br />

<strong>zu</strong> erregen.<br />

«Mein Körper<br />

hatte ni<strong>ch</strong>t mit mir<br />

<strong>zu</strong> tun. Er war ein<br />

Köder, ein Mittel –<br />

so <strong>zu</strong> benutzen, wie<br />

er es ents<strong>ch</strong>ied, mit<br />

dem Ziel, uns beide<br />

<strong>zu</strong> erregen.»<br />

«9 ½ Wo<strong>ch</strong>en»<br />

Die Hure mit den Rehaugen<br />

Dass au<strong>ch</strong> die Österrei<strong>ch</strong>er der vordergründig<br />

prüden Habsburgerzeit keineswegs<br />

auf sol<strong>ch</strong>e Werke verzi<strong>ch</strong>ten mussten,<br />

beweist der 1906 ers<strong>ch</strong>ienene Roman<br />

«Josefine Mutzenba<strong>ch</strong>er. Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

einer Wieneris<strong>ch</strong>en Dirne. Von ihr selbst<br />

erzählt.» Auf dem Stammba<strong>um</strong> jener Literatur,<br />

<strong>um</strong> die es hier geht, würde dieses<br />

Bu<strong>ch</strong> wohl die Position einer etwas verqueren<br />

Tante einnehmen. Der Titel verspri<strong>ch</strong>t<br />

Autobiografis<strong>ch</strong>es, do<strong>ch</strong> eine Josefine<br />

Mutzenba<strong>ch</strong>er ist ni<strong>ch</strong>t aktenkundig.<br />

S<strong>ch</strong>on bei der Erstveröffentli<strong>ch</strong>ung des<br />

Bu<strong>ch</strong>s wurde daher munter über dessen<br />

Urhebers<strong>ch</strong>aft spekuliert. Am häufigsten<br />

fiel dam<strong>als</strong> der Name Felix Salten. Der österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e<br />

Autor gilt generell ni<strong>ch</strong>t gerade<br />

<strong>als</strong> Pornograf, denn er s<strong>ch</strong>rieb vor allem<br />

über Häs<strong>ch</strong>en und Rehe – sein wi<strong>ch</strong>tigstes<br />

Werk ist «Bambi», die Vorlage für den berühmten<br />

Disney-Film. Die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass<br />

si<strong>ch</strong> Salten nie gegen die Zus<strong>ch</strong>reibung des<br />

Mutzenba<strong>ch</strong>er-Romans wehrte, ma<strong>ch</strong>t ihn<br />

allerdings s<strong>ch</strong>on sehr verdä<strong>ch</strong>tig, denn er<br />

hätte allen Grund gehabt, si<strong>ch</strong> von ihm <strong>zu</strong><br />

distanzieren: Das Bu<strong>ch</strong> wurde s<strong>ch</strong>nell <strong>als</strong><br />

jugendgefährdend und unsittli<strong>ch</strong> verfemt,<br />

und no<strong>ch</strong> 1992 stuften es deuts<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>ter<br />

<strong>als</strong> «Kinderpornografie» ein.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!