Stichwort - Deutscher Bundestag
Stichwort - Deutscher Bundestag
Stichwort - Deutscher Bundestag
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<strong>Stichwort</strong><br />
<strong>Deutscher</strong><br />
<strong>Bundestag</strong><br />
Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Wie parlamentarische<br />
Demokratie funktioniert
Inhalt<br />
6<br />
8<br />
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Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Die Aufgaben des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Der <strong>Bundestag</strong> – Rede- oder Arbeitsparlament?<br />
Der <strong>Bundestag</strong> und seine Ausschüsse<br />
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Die Wahl der Abgeordneten<br />
Wer wird Abgeordneter?<br />
Welche Rechte haben Abgeordnete?<br />
Wie werden die Abgeordneten für ihr Mandat »entschädigt«?<br />
Welche Pflichten haben Abgeordnete?<br />
Fraktionen<br />
Wie werden Fraktionen gegründet und wie sind sie aufgebaut?<br />
Welche Rolle spielen Fraktionen im <strong>Bundestag</strong>?<br />
Regierungsfraktionen kontra Oppositionsfraktionen<br />
Grenzen des Fraktionenparlaments<br />
Die Beziehung zwischen Fraktion und Partei<br />
Fraktionslose Abgeordnete<br />
Gruppen<br />
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
Die Vizepräsidenten und das Präsidium<br />
Der Ältestenrat<br />
Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Der Abgeordnete im »Fraktionenparlament«<br />
Zwischen Wahlkreis und Berlin<br />
Eine Arbeitswoche in Berlin<br />
Die Abgeordneten im Arbeitsparlament –<br />
Experten statt Generalisten<br />
Die Hinterbänkler – gibt es sie?
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Der <strong>Bundestag</strong> – Kontinuität und Wandel<br />
Parlamentsreformen –<br />
der <strong>Bundestag</strong> als »lernende Institution«<br />
Der <strong>Bundestag</strong> im 21. Jahrhundert: Herausforderungen<br />
Service<br />
17. <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Sitzverteilung<br />
Abgeordnete nach Schul- und Hochschulbildung<br />
Abgeordnete nach Altersgruppen<br />
Das Reichstagsgebäude<br />
Das Paul-Löbe-Haus<br />
Das Jakob-Kaiser-Haus<br />
Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus<br />
Was ist wo im Parlamentsviertel<br />
Register<br />
Informationen im Internet<br />
Literaturhinweise
Das Viertel rund um das Reichstagsgebäude in<br />
Berlin ist ein wahrer Publikumsmagnet. Jedes Jahr<br />
strömen Tausende Besucher in die Parlamentsbauten,<br />
schlendern die Kuppel des Reichstagsgebäudes<br />
hinauf und schauen hinab in den Plenarsaal mit<br />
seinen blauen Stühlen und dem <strong>Bundestag</strong>sadler.<br />
Doch die Parlamentsgebäude sind mehr als nur<br />
architektonische Sehenswürdigkeiten. Hier wird<br />
Demokratie gemacht. Hier werden Gesetze verabschiedet,<br />
hier diskutieren Abgeordnete im Plenum<br />
über Themen, die jeden in Deutschland angehen.<br />
Die Abgeordneten<br />
des <strong>Bundestag</strong>es<br />
werden in allgemeiner,<br />
unmittelbarer,<br />
freier,<br />
gleicher und<br />
geheimer Wahl<br />
gewählt.<br />
Ein Großteil der parlamentarischen Arbeit findet<br />
dabei nicht im Plenarsaal statt, sondern in Ausschüssen,<br />
Gremien und im Wahlkreis der Abgeordneten.<br />
Wie aber funktioniert der <strong>Bundestag</strong> genau?<br />
Ein Blick hinter die Kulissen gibt Antwort.
Der <strong>Bundestag</strong> –<br />
das Herz der deutschen Demokratie<br />
Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie. Die Verfasser<br />
des Grundgesetzes, der deutschen Verfassung, haben einen Staat<br />
geschaffen, in dessen Mittelpunkt ein starkes Parlament steht: der<br />
Deutsche <strong>Bundestag</strong>. Neben dem Bundespräsidenten, der Bundesregierung,<br />
dem Bundesrat und dem Bundesverfassungsgericht ist<br />
der <strong>Bundestag</strong> eines der fünf Staatsorgane der deutschen Demokratie.<br />
Die Entscheidungen<br />
des <strong>Bundestag</strong>es<br />
beeinflussen<br />
das Leben<br />
aller Menschen<br />
in Deutschland.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> kann als das Herz der bundesdeutschen Demokratie<br />
bezeichnet werden. Unter den fünf Staatsorganen ist es<br />
ein ganz besonderes: Es ist die einzige Institution auf Bundesebene,<br />
deren Mitglieder von den deutschen Staatsbürgern<br />
direkt gewählt werden. Die Bürger wählen ihre Vertreter in ihre<br />
Volksvertretung und nehmen so Einfluss auf die Zusammensetzung<br />
des Parlaments. Und was der <strong>Bundestag</strong> tut, beeinflusst<br />
wiederum das Leben der Menschen. Denn im Parlament werden<br />
die Gesetze verabschiedet, die das Zusammenleben in Deutschland<br />
regeln – Gesetze, die beispielsweise festlegen, dass man in<br />
den ersten Führerscheinjahren kein Auto fahren darf, wenn<br />
man Alkohol getrunken hat. Oder wie hoch das Kindergeld ausfällt.<br />
Oder dass man in eine Pflegeversicherung einzahlen muss.<br />
Im <strong>Bundestag</strong> wird beschlossen, ob sich die Bundeswehr an<br />
Auslandseinsätzen beteiligt, wer wie viele Steuern an den Staat<br />
zahlen muss und was mit den Einnahmen des Staates finanziert<br />
werden soll.<br />
Die Bürger wählen aber nicht nur den <strong>Bundestag</strong> direkt. Auch in<br />
anderen Bereichen in Deutschland gibt es direkt gewählte Parlamente:<br />
In den Bundesländern heißen sie Landtage, in Bremen<br />
und Hamburg Bürgerschaften und in Berlin Abgeordnetenhaus.<br />
Auf der kommunalen Ebene kennt man die direkt<br />
gewählten Stadt- und Gemeindeparlamente oder -räte. Außerdem<br />
können die deutschen Wähler gemeinsam mit den Bürgern<br />
der 26 anderen Staaten der Europäischen Union alle fünf Jahre<br />
das Europäische Parlament wählen.<br />
6
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Schaut man über den nationalen Tellerrand hinaus, lässt sich<br />
kaum ein Staat in der Welt finden, der kein Parlament hat –<br />
auch wenn es nicht immer Parlament heißt, sondern vielleicht<br />
Kongress, Versammlung oder Rat. Natürlich ist auch nicht jede<br />
Körperschaft, die Parlament genannt wird, immer demokratisch<br />
vom Staatsvolk gewählt. Auch Diktaturen leisten sich »Parlamente«,<br />
die den Anschein von Demokratie geben sollen, aber in<br />
der politischen Wirklichkeit meist nur eine Attrappe sind.<br />
In Deutschland heißt die Volksvertretung <strong>Bundestag</strong>. Es ist eine<br />
deutsche Tradition, das Wort »Tag« statt »Parlament« zu benutzen.<br />
So hieß das Parlament der Weimarer Republik zum Beispiel<br />
Reichstag. Und auf Landesebene spricht man von Landtagen.<br />
Eine weitere deutsche Besonderheit: Das deutsche Parlament<br />
unterscheidet sich von den Volksvertretungen in vielen anderen<br />
Staaten dadurch, dass es aus nur einer Kammer besteht. Gelegentlich<br />
hört oder liest man, der Bundesrat, also die Vertretung<br />
der Länder auf Bundesebene, sei die »zweite Kammer« des deutschen<br />
Parlaments. Der Bundesrat ist aber ein eigenständiges<br />
Staatsorgan, das an der parlamentarischen Arbeit beteiligt ist.<br />
Fast alle Staaten<br />
in der Welt haben<br />
Parlamente.<br />
Die Kammern der Parlamente<br />
Parlamente bestehen aus Häusern oder Kammern. Das britische Parlament<br />
ist ein klassisches Zweikammerparlament, unterteilt in Unterhaus, in dem<br />
die gewählten Volksvertreter sitzen, und Oberhaus, das nicht gewählt wird,<br />
sondern aus Vertretern des Adels und der Kirche besteht. Der US Congress<br />
der Vereinigten Staaten besteht ebenfalls aus zwei Häusern: dem Senat,<br />
in dem jeder der 50 Bundesstaaten mit jeweils zwei Senatoren vertreten<br />
ist, und dem Repräsentantenhaus mit derzeit 435 direkt gewählten Abgeordneten.<br />
Und auch das französische Parlament ist in die zwei Kammern<br />
Nationalversammlung und Senat aufgeteilt. Weitere bikamerale Parlamente<br />
gibt es in Belgien, Österreich, Polen und vielen anderen Staaten. In<br />
Ländern wie Dänemark, Portugal oder Schweden dagegen besteht das<br />
Parlament wie in Deutschland nur aus einer Kammer.<br />
7
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die Aufgaben des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Was ist das Besondere an Parlamenten? Warum sind sie so<br />
wichtig? Dies wird an dem Wort »Volksvertretung« deutlich, das<br />
man manchmal anstelle von »Parlament« verwendet. Körperschaften<br />
wie der <strong>Bundestag</strong> haben die Aufgabe, die Mitglieder<br />
eines Volkes, also die Bürgerinnen und Bürger eines Staates, zu<br />
vertreten. In modernen, vielschichtigen Gesellschaften kann<br />
sich nicht jeder umfassend, andauernd und im Detail mit politischen<br />
Fragen auseinandersetzen. Dass aber dennoch die unterschiedlichen<br />
Interessen der Bürger bei Entscheidungen<br />
berücksichtigt werden, dafür sorgen solche parlamentarischen<br />
Körperschaften, die vom Volk gewählt werden und deren Mitglieder<br />
sich regelmäßig zur Wiederwahl stellen müssen.<br />
Es reicht aber nicht aus, dass die Bürger ein Parlament unmittelbar<br />
wählen. In einer Demokratie muss das direkt gewählte<br />
Parlament wichtige Aufgaben und eine erhebliche Macht haben.<br />
Sonst wären die Volksvertretungen »zahnlose Tiger«, die<br />
gefährlich und mächtig aussehen, aber nicht beißen können.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong><br />
»Gesetzgebung«<br />
Gesetzgebung<br />
Wenn es um die Macht von Parlamenten geht, stößt man auch<br />
auf eine Bezeichnung, die Juristen gern für den <strong>Bundestag</strong> verwenden:<br />
der »Gesetzgeber«. Gesetzentwürfe zu erörtern und<br />
Gesetze zu verabschieden – das ist eine der wichtigsten Aufgaben<br />
des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es und überhaupt eine Hauptfunktion<br />
von Parlamenten. So spricht man von US-amerikanischen<br />
Volksvertretungen als von »Legislatures«. Das ist der<br />
englische Begriff für »Gesetzgeber«. An der Gesetzgebung in<br />
Deutschland wirken auch noch andere Organe wie der Bundesrat<br />
oder die Bundesregierung mit. Auch die Medien, Interessenverbände<br />
und Wissenschaftler nehmen Einfluss auf die Entstehung<br />
von Gesetzen. Denn häufig hat bereits vor der ersten<br />
parlamentarischen Beratung eine Diskussion in Fernsehen,<br />
Rundfunk und Presse stattgefunden, vor allem dann, wenn es<br />
8
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
sich um eine kontroverse Fragestellung handelt. Oft haben Gremien<br />
wie Koalitionsausschüsse oder das Bundeskabinett versucht,<br />
eine Einigung über einen Gesetzentwurf herzustellen,<br />
bevor er in den <strong>Bundestag</strong> gelangt.<br />
Dennoch kann niemand den Abgeordneten die Aufgabe und die<br />
damit verbundene Verantwortung abnehmen, über das Schicksal<br />
solcher Initiativen zu beraten und verbindlich zu entscheiden.<br />
Die Bundesgesetze werden vom <strong>Bundestag</strong> beschlossen. So<br />
will es das Grundgesetz in Artikel 77: »Die Bundesgesetze werden<br />
vom <strong>Bundestag</strong> beschlossen. Sie sind nach ihrer Annahme<br />
durch den Präsidenten des <strong>Bundestag</strong>es unverzüglich dem Bundesrate<br />
zuzuleiten.« Es nimmt auch niemand den Parlamentariern<br />
die nicht immer leichte Aufgabe ab, die Entscheidungen<br />
den Bürgern gegenüber zu vermitteln und zu begründen.<br />
Zufriedenheit und Unzufriedenheit spüren die direkt gewählten<br />
Parlamentarier besonders drastisch und schnell, sei es im<br />
unmittelbaren Kontakt mit den Bürgern oder spätestens bei der<br />
nächsten Wahl.<br />
Die Wahl der Regierung<br />
Neben der Gesetzgebung hat der <strong>Bundestag</strong><br />
natürlich noch weitere bedeutsame Aufgaben.<br />
Eine der wichtigsten steht unmittelbar<br />
zu Beginn einer Legislaturperiode an: die<br />
Wahl des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin.<br />
Damit sind wir bei einem der wichtigsten<br />
Merkmale der deutschen Demokratie angelangt:<br />
Die Regierung geht aus dem Parlament hervor. Dabei<br />
muss der Kanzler nicht zwangsläufig Mitglied des <strong>Bundestag</strong>es<br />
sein. Der Regierungschef wird von einer parlamentarischen<br />
Mehrheit gewählt und im weiteren Verlauf der Wahlperiode von<br />
dieser unterstützt. Verliert der Bundeskanzler die Unterstützung<br />
im <strong>Bundestag</strong>, so verliert er in der Regel auch sein Amt.<br />
Die Regierungsbank<br />
im Plenarsaal des<br />
17. <strong>Bundestag</strong>es.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
9
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Das konstruktive Misstrauensvotum<br />
Für die Amtsenthebung eines Kanzlers, der nicht mehr das Vertrauen<br />
des Parlaments genießt, können sich die Abgeordneten<br />
des konstruktiven Misstrauensvotums bedienen. Der <strong>Bundestag</strong><br />
kann den amtierenden Kanzler abberufen, wenn er zugleich<br />
mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen neuen wählt. Es<br />
heißt deswegen »konstruktiv«, weil es nicht ausreicht, nur eine<br />
Mehrheit gegen jemanden zu organisieren, sondern die Parlamentarier<br />
müssen sich zugleich auf einen neuen Regierungschef<br />
einigen können.<br />
Foto © Presse- und Informationsamt der<br />
Bundesregierung/Detlef Gräfingholt<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong><br />
»Geschichte des<br />
Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong>es«<br />
CDU/CSU-Fraktionschef<br />
Rainer Barzel gratuliert<br />
Bundeskanzler Willy<br />
Brandt nach dem ge -<br />
scheiterten Miss trau -<br />
ensvotum 1972.<br />
Misstrauensvoten gegen den Bundeskanzler hat es in der<br />
Geschichte der Bundesrepublik bisher nur zwei Mal gegeben.<br />
Das gegen Willy Brandt (SPD) von 1972 scheiterte, das gegen Helmut<br />
Schmidt (SPD) im Jahr 1982 fand die erforderliche Mehrheit<br />
im <strong>Bundestag</strong>. Damals wurde Helmut Kohl (CDU/CSU) zu<br />
Schmidts Nachfolger gewählt.<br />
Die Vertrauensfrage<br />
Aber auch der Kanzler kann sich jederzeit einer hinreichenden<br />
parlamentarischen Unterstützung vergewissern, indem er die<br />
Vertrauensfrage stellt. Dann müssen die Abgeordneten Farbe<br />
bekennen: Stehen sie hinter dem Kanzler oder nicht? Spricht<br />
ihm die Mehrheit der <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten das Vertrauen<br />
nicht aus, kann der Bundespräsident das Parlament auflösen.<br />
So eine Situation hat es bereits drei Mal in der Geschichte der<br />
Bundesrepublik gegeben. 1972 stellte Willy Brandt die Vertrauensfrage,<br />
nachdem im Zuge der Auseinandersetzungen um die<br />
Ostverträge Abgeordnete aus der sozial-liberalen Koalition zur<br />
CDU/CSU-Opposition übergetreten waren. Die Vertrauensfrage<br />
scheiterte wie erwartet, und die SPD wurde in den anschließenden<br />
Neuwahlen als stärkste Fraktion in ihrer Politik von den<br />
Wählern bestätigt. 1982 stellte dann Helmut Kohl nach dem<br />
konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt die Vertrauensfrage<br />
– mit dem Ziel, dass ihm das Parlament das Ver-<br />
10
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong><br />
Gewollt verloren:<br />
Bundeskanzler Helmut<br />
Kohl (CDU/CSU) stellte<br />
1982 die Vertrauens -<br />
frage, um Neuwahlen<br />
zu ermöglichen.<br />
trauen entzieht, um Neuwahlen möglich zu machen. Die vorgezogene<br />
<strong>Bundestag</strong>swahl im März 1983 brachte ihm und seiner<br />
Regierung mit einem erheblichen Stimmengewinn schließlich<br />
den erhofften Erfolg. Zuletzt stellte Gerhard Schröder (SPD) 2005<br />
die Vertrauensfrage. Diese scheiterte, und Bundespräsident Horst<br />
Köhler löste den <strong>Bundestag</strong> auf. Auch hier wurde die Vertrauensfrage<br />
genutzt, um Neuwahlen herbeizuführen. Denn sich selbst<br />
auflösen kann der <strong>Bundestag</strong> nicht.<br />
Stabilität für die Demokratie<br />
Das Grundgesetz will mit Regelungen wie der Vertrauensfrage, dem konstruktiven<br />
Misstrauensvotum und einem fehlenden Selbstauflösungsrecht<br />
die Stabilität der deutschen Demokratie stärken und die Beziehung<br />
zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit festigen. Schnell wechselnde<br />
Regierungen mit nur kurzer Haltbarkeit wie in der Weimarer Republik<br />
(1919 bis 1933) sollen verhindert werden.<br />
Die parlamentarische Kontrolle<br />
Außer der Gesetzgebung und der Kanzlerwahl hat der <strong>Bundestag</strong><br />
auch die Aufgabe zu kontrollieren. Aber wen und was überwacht<br />
das Parlament? Der <strong>Bundestag</strong> kontrolliert vor allem das,<br />
was die Bundesregierung tut. Dazu können die Abgeordneten<br />
und Fraktionen Anfragen stellen, die von der Regierung beant-<br />
11
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
wortet werden müssen. Es gibt ganz verschiedene Fragerechte,<br />
die sich darin unterscheiden, wer sie nutzen darf und wie das<br />
Verfahren der Beantwortung aussieht.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong> »Unter -<br />
suchungsausschüsse«<br />
Das »schärfste Schwert« der parlamentarischen Kontrolle sind<br />
die Untersuchungsausschüsse. So ein Ausschuss wird mit<br />
besonderen Befugnissen ausgestattet, um einen Sachverhalt<br />
umfassend aufklären zu können. Nach Artikel 44 des Grundgesetzes<br />
kann und muss der <strong>Bundestag</strong> auf Antrag eines Viertels<br />
seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Die<br />
Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich; Zuschauer können<br />
die Zeugenvernehmungen beobachten. Ton- und Filmaufnahmen<br />
werden nur dann zugelassen, wenn eine Mehrheit von<br />
zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder und die zu vernehmenden<br />
oder anzuhörenden Personen zugestimmt haben. Dazu<br />
kam es erstmals in der 15. Wahlperiode, als der damalige<br />
Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) im<br />
Untersuchungsausschuss befragt wurde. Es ging um die »Visa-<br />
Affäre«, bei der der Ausschuss Missbrauchsfälle bei der Vergabe<br />
von Visa in deutschen Botschaften und Konsulaten untersuchte.<br />
Der damalige Bundes -<br />
außenminister Joschka<br />
Fischer (Bünd nis 90/<br />
Die Grünen) bei der<br />
Anhörung des Visa-<br />
Untersuchungs aus -<br />
schus ses 2005, die live<br />
im Fernsehen übertragen<br />
wurde.<br />
Foto © picture-alliance/dpa/lbn/Tim Brakemeier<br />
12
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Diese Befragung wurde nicht nur im Parlamentsfernsehen übertragen,<br />
sondern erreichte auch über Fernsehsender eine große<br />
Öffentlichkeit. Von den Kontrollinstrumenten wie dem Untersuchungsausschuss<br />
macht überwiegend die Opposition Gebrauch,<br />
also die Abgeordneten, die die Regierung nicht gewählt haben<br />
und sie nicht unterstützen, sondern Alternativen entwickeln.<br />
Die Untersuchungsausschüsse der 17. Wahlperiode<br />
Auf Antrag der Oppositionsfraktionen beschloss der <strong>Bundestag</strong>, einen<br />
Un ter suchungsausschuss zum Atommülllager Gorleben einzusetzen.<br />
Die 15 Mit glieder des Ausschusses sollen prüfen, ob die Entscheidung in<br />
den 1980er-Jahren, Gorleben als einzigen Standort für ein atomares Endlager<br />
festzulegen, nach angemessener fachlicher Prüfung getroffen wurde<br />
oder ob die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut<br />
Kohl (CDU/CSU) Einfluss auf wissenschaftliche Gutachten genommen hat.<br />
Dabei geht es besonders um Gefahren durch Einsickern von Grundwasser.<br />
Ende 2009 hat sich außerdem der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss<br />
konstituiert. Seine Aufgaben sind es unter anderem,<br />
den Luftangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen im September<br />
2009 und die damit verbundene Aufklärungs- und Informationspraxis<br />
der Bundesregierung zu untersuchen.<br />
Forumsbildung<br />
Schließlich ist der <strong>Bundestag</strong> auch das »Forum der Nation«, der<br />
Ort der großen Debatten über gesellschaftliche Probleme. Bei<br />
dieser Aufgabe muss das Parlament mit den Medien zusammenarbeiten,<br />
um die Bürger zu erreichen. Fernsehsender wie<br />
»Phoenix« berichten ausführlich über das parlamentarische<br />
Geschehen. Und auf den Tribünen des Plenarsaals können<br />
Zuschauer (wenn auch nur in begrenzter Zahl) die Debatten live<br />
verfolgen. Auch das Internet bietet dem <strong>Bundestag</strong> mittlerweile<br />
viele Möglichkeiten, mit Bürgern unmittelbar in Kontakt zu<br />
treten. Wer nicht im <strong>Bundestag</strong> selbst dabei sein kann, kann<br />
über die Internetseite des Parlaments* die Debatten verfolgen.<br />
* www.bundestag.de<br />
13
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Natürlich finden mittlerweile auch viele politische Diskussionen<br />
unter Beteiligung von Politikern außerhalb des Plenarsaals<br />
statt, zum Beispiel in Polit-Talkrunden im Fernsehen oder in<br />
Streitgesprächen in Zeitungen.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> – Rede- oder Arbeitsparlament?<br />
Der große Sitzungsraum, also der Plenarsaal im Berliner Reichstagsgebäude<br />
mit der großen Adlerfigur an der Stirnseite – das<br />
ist der Ort, an den viele denken, wenn sie »<strong>Bundestag</strong>« oder<br />
»Parlament« hören. Blickt man nur auf das, was im Plenum<br />
geschieht, gewinnt man schnell den Eindruck, der <strong>Bundestag</strong><br />
Blick ins<br />
House of Commons:<br />
Das britische<br />
Parlament gilt als<br />
»Mutter aller<br />
Parlamente«.<br />
Foto © picture-alliance/dpa/epa PA<br />
sei das, was man ein Redeparlament nennt. Von einem Redeparlament<br />
spricht man, wenn die parlamentarische Hauptarbeit<br />
in der Vollversammlung der Abgeordneten stattfindet, in der<br />
öffentlichen Auseinandersetzung im Plenum. Das britische<br />
Unterhaus, das House of Commons, ist ein gutes Beispiel für<br />
14
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
diesen Typ von Parlament. Dass das Reden überhaupt ein wichtiger<br />
Bestandteil des Parlamentarismus ist, steckt schon in der<br />
Bezeichnung »Parlament«, die sich vom lateinischen Wort für<br />
Gespräch ableitet.<br />
Schaut man ein wenig genauer auf die Arbeit im <strong>Bundestag</strong>,<br />
stellt man fest, dass das deutsche Parlament auch Merkmale<br />
eines Arbeitsparlaments hat. Ein Arbeitsparlament ist dadurch<br />
gekennzeichnet, dass der Großteil seiner Tätigkeit in Fachausschüssen<br />
abläuft. Die Hauptaufgabe eines solchen Parlaments<br />
ist die sachkundige Bearbeitung von Gesetzesvorlagen. Der USamerikanische<br />
Kongress ist ein typisches Arbeitsparlament.<br />
Foto © picture-alliance/dpa/epa/Stefan Zaklin<br />
Klassisches Arbeits -<br />
parlament: der<br />
US Congress der<br />
Vereinigten Staaten.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> aber scheint Rede- und Arbeitsparlament<br />
zugleich zu sein: Zum einen wird im Plenum vor den Augen der<br />
Öffentlichkeit debattiert. Das Grundgesetz fordert, dass die Verhandlungen<br />
öffentlich sind. Dies bedeutet heutzutage:<br />
medienöffentlich. Die parlamentarischen Spielregeln sorgen<br />
15
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Sitzung des Innen -<br />
ausschusses im<br />
Paul-Löbe-Haus.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Katrin Neuhauser<br />
dafür, dass sich Rede und Widerrede abwechseln. Eigene Argumente<br />
werden präsentiert, die Position der Gegenseite kritisiert.<br />
Die zivilisierte Auseinandersetzung ist die Aufgabe einer<br />
»Volksvertretung«, denn auch in der Bevölkerung stoßen Interessen<br />
aufeinander. Dieser gesellschaftliche Streit findet sich im<br />
Parlament wieder.<br />
Vorarbeit durch die Fachausschüsse<br />
Was im Plenum geschieht, ist oft nur eine Darstellung und Verabschiedung<br />
von Entscheidungen, die andernorts vorbereitet<br />
worden sind. Die weniger streitvolle Sacharbeit, die dem Plenarbeschluss<br />
vorangeht, wird in den Fachausschüssen geleistet,<br />
an die das Plenum die eingebrachten Gesetzentwürfe überweist.<br />
Die Vorarbeit der Fachausschüsse wird dann in Beschluss-<br />
16
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Anke Jacob<br />
Öffentlich und<br />
transparent sind die<br />
Abstimmungen im<br />
<strong>Bundestag</strong>.<br />
vorlagen zusammengefasst, in denen die Empfehlungen des<br />
Ausschusses oder der Ausschussmehrheit eingearbeitet sind.<br />
Diese werden dem Plenum vorgelegt. Der <strong>Bundestag</strong> als Versammlung<br />
aller Parlamentarier stimmt dann über die Vorarbeit<br />
der Ausschüsse ab. Die rechtskräftigen und endgültigen<br />
Beschlüsse werden nach der Beratung in der Vollversammlung<br />
getroffen. Der Plenarsaal ist damit Ort der öffentlichen Debatte<br />
und der Entscheidung.<br />
Bei den Abstimmungen reicht in der Regel die Mehrheit der<br />
anwesenden Abgeordneten – es sei denn, die »Kanzlermehrheit«,<br />
also mehr als die Hälfte der Abgeordneten, wird benötigt.<br />
Dass bei vielen Abstimmungen nicht immer alle Parlamentarier<br />
anwesend sind (manchmal sogar nur ein Bruchteil),<br />
hängt mit der Arbeitsweise im <strong>Bundestag</strong> zusammen, die eben<br />
außerhalb des Plenarsaals noch wichtige weitere Arbeitsorte<br />
kennt und in der die Plenarverhandlungen in den Fraktionen<br />
vorbereitet werden.<br />
17
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Abstimmung durch<br />
Handheben.<br />
Foto © picture-alliance/dpa/Johannes Eisele<br />
Abstimmungen im <strong>Bundestag</strong><br />
Wenn die Abgeordneten im <strong>Bundestag</strong> abstimmen, kann dies<br />
auf verschiedene Arten ablaufen. Das übliche Verfahren ist die<br />
Abstimmung per Handheben. In der dritten Lesung von Gesetzen<br />
erheben sich die Abgeordneten von ihren Plätzen, wenn sie<br />
Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zu einem Gesetzentwurf<br />
signalisieren wollen. Ist das Ergebnis nicht ganz klar, kann<br />
die Abstimmung durch einen »Hammelsprung« wiederholt<br />
werden: Die Abgeordneten verlassen den Saal und betreten ihn<br />
durch verschiedene Türen, die mit »Ja«, »Nein« oder »Enthaltung«<br />
markiert sind. Dabei werden sie von jeweils zwei Schriftführern<br />
an jeder Tür gezählt. In den letzten 60 Jahren wurde im<br />
<strong>Bundestag</strong> insgesamt 518 Mal durch Hammelsprung abgestimmt.<br />
18
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
Hammelsprung<br />
Das Auszählverfahren, bei dem die Parlamentarier den Saal durch drei<br />
Türen verlassen, die mit »Ja«, »Nein« und »Enthaltung« gekennzeichnet<br />
sind, ist bereits 1874 im Reichstag der Kaiserzeit eingeführt worden. Der<br />
Begriff Hammelsprung ist zwar niemals in die Geschäftsordnung des Parlaments<br />
aufgenommen worden. Er wird aber seit Langem verwendet und<br />
ist erstmals für das Jahr 1879 belegt. Auch der Architekt des alten Berliner<br />
Reichstagsgebäudes, Paul Wallot, kannte den Begriff, als er 1894 entsprechend<br />
der damaligen Geschäftsordnungslage nur zwei Abstimmungstüren<br />
für »Ja« und »Nein« schuf. Dabei zierte die »Nein«-Tür ein Bild der Märchengestalt<br />
Rübezahl. Die »Ja«-Tür zeigte den blinden Zyklopen Polyphem,<br />
der seinen Widdern über den Rücken streicht. Unter deren Bäuchen<br />
klammern sich Odysseus und seine Gefährten fest, um dem Riesen<br />
zu entkommen.<br />
Die namentliche Abstimmung wird vor allem bei politisch<br />
umstrittenen Fragen angewendet und muss durchgeführt werden,<br />
wenn eine Fraktion oder mindestens fünf Prozent der Mitglieder<br />
des <strong>Bundestag</strong>es sie verlangen. Bei der namentlichen<br />
Ab stim mung kommen farbige Stimmkarten<br />
zum Einsatz, auf denen der<br />
Name des Abgeordneten sowie seine<br />
Frak tionszugehörigkeit stehen und<br />
die in Urnen geworfen werden. Blaue<br />
Karten stehen für »Ja«, rote Karten für<br />
»Nein« und weiße für »Stimmenthaltung«.<br />
Das Abstimmungsergebnis wird<br />
dann im stenografischen Protokoll<br />
und im Internet dokumentiert.<br />
Wenn das Plenum wichtige Amtsträger wie die Bundeskanzlerin<br />
oder den <strong>Bundestag</strong>spräsidenten wählt, geben die Parlamentarier<br />
ihre Stimme verdeckt ab. Das Verfahren ähnelt dann dem<br />
Vorgehen in einem Wahllokal zum Beispiel bei einer Bundes-<br />
Blau, rot oder weiß:<br />
namentliche Abstim -<br />
mung.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/<br />
Lichtblick/Achim Melde<br />
19
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong> »Die<br />
Bundes versammlung«<br />
tagswahl: Die Abgeordneten erhalten einen Stimmzettel, den<br />
sie in einer Wahlkabine markieren, ihn in einen Umschlag stecken<br />
und dann in eine Urne werfen. Geheime Wahlen sind in<br />
der Geschäftsordnung und in einigen Bundesgesetzen vorgesehen.<br />
Geheim gewählt werden die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident,<br />
der Wehrbeauftragte, der <strong>Bundestag</strong>spräsident und seine<br />
Stellvertreter sowie der Präsident des Bundesrechnungshofs.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> und seine Ausschüsse<br />
Der <strong>Bundestag</strong> gliedert sich in viele Teilorganisationen. Schaut<br />
man auf die Ebene unterhalb der Vollversammlung, entdeckt<br />
man eine große Zahl von Parlamentarierzusammenschlüssen,<br />
die zum Teil sehr unabhängig voneinander arbeiten und<br />
manchmal sogar in Konkurrenz zueinander stehen.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong><br />
»Ausschüsse«<br />
Die Ausschüsse<br />
In den derzeit 22 ständigen Ausschüssen des <strong>Bundestag</strong>es läuft<br />
ein großer Teil der Gesetzgebungsarbeit ab. Einige der Ausschüsse<br />
haben eine herausgehobene Funktion: Der Auswärtige<br />
Ausschuss, der Verteidigungsausschuss, der Ausschuss für die<br />
Angelegenheiten der Europäischen Union und der Petitionsausschuss<br />
sind im Grundgesetz verankert und müssen in jeder<br />
Wahlperiode eingesetzt werden. Die Ausschüsse sind »kleine<br />
Vollversammlungen« des Parlaments mit einem Umfang von je<br />
13 bis 41 Mitgliedern. Eine Ausnahme ist der Gemeinsame Ausschuss,<br />
den das Grundgesetz für den Verteidigungsfall als Notparlament<br />
vorsieht: Er besteht aus 32 Abgeordneten und 16 Mitgliedern<br />
des Bundesrats.<br />
In ihrer Zusammensetzung spiegeln die Ausschüsse die Mehrheitsverhältnisse<br />
im Parlament wider. In den ständigen Ausschüssen<br />
setzen sich die Fachpolitiker im Detail mit den Gesetzentwürfen<br />
oder sonstigen sachpolitischen Fragen auseinander.<br />
Neben den ständigen Fachausschüssen gibt es den Vermittlungsausschuss<br />
und den Wahlprüfungsausschuss. Der Vermitt-<br />
20
Der <strong>Bundestag</strong> – das Herz der deutschen Demokratie<br />
lungsausschuss (je 16 Mitglieder aus <strong>Bundestag</strong> und Bundesrat)<br />
kommt dann zusammen, wenn sich <strong>Bundestag</strong> und Bundesrat<br />
nicht einig sind, was die Verabschiedung eines Gesetzes betrifft.<br />
Der Wahlprüfungsauschuss (neun Mitglieder) bearbeitet eventuelle<br />
Beschwerden zur <strong>Bundestag</strong>swahl.<br />
Die ständigen Ausschüsse nach Anzahl der Mitglieder<br />
13<br />
18<br />
Wahlprüfung, Immunität<br />
und Geschäftsordnung<br />
Menschenrechte und humanitäre Hilfe /<br />
Sport / Tourismus<br />
24<br />
Kultur und Medien / Wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung<br />
26<br />
Petitionen<br />
34<br />
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung /<br />
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz /<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit / Verteidigung<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
37<br />
41<br />
35 + 16<br />
Arbeit und Soziales / Auswärtiges /<br />
Finanzen / Gesundheit / Inneres / Recht /<br />
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung /<br />
Wirtschaft und Technologie<br />
Haushalt<br />
Angelegenheiten der Europäischen Union<br />
(einschließlich 16 mitwirkungsberechtigte Mitglieder<br />
des Europäischen Parlaments)<br />
21
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die meisten Ausschüsse spiegeln von ihrer inhaltlichen Zuständigkeit<br />
her die Ministerien der Bundesregierung: Der Verteidigungsausschuss<br />
steht dem Verteidigungsministerium gegenüber,<br />
der Auswärtige Ausschuss dem Auswärtigen Amt, der<br />
Innenausschuss dem Innenministerium und so weiter. Einige<br />
Ausschüsse wie der Petitionsausschuss oder der Geschäftsordnungsausschuss<br />
haben jedoch kein Ministeriumspendant. Einer<br />
der mächtigsten Fachausschüsse ist zweifelsfrei der Haushaltsausschuss.<br />
Er berät den Bundeshaushaltsplan und den Bundeshaushaltsgesetzentwurf.<br />
In diesen beiden Vorlagen schlägt die<br />
Regierung vor, wie und wofür die staatlichen Einnahmen ausgegeben<br />
werden sollen.<br />
Einige Ausschüsse haben Unterausschüsse eingerichtet, die bei<br />
der Vorbereitung der Themen helfen und über die gesamte<br />
Wahlperiode arbeiten. Mitunter werden die Unterausschüsse<br />
kurzfristig zur Bearbeitung einer anliegenden Fragestellung<br />
gebildet. So hat der Auswärtige Ausschuss insgesamt vier Unterausschüsse,<br />
darunter einen, der sich ausschließlich mit den für<br />
Deutschland relevanten Aktivitäten der Vereinten Nationen<br />
beschäftigt.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong> »Enquetekommissionen«<br />
Das ständige Ausschusswesen kann noch durch nicht ständige<br />
Gremien erweitert werden, zum Beispiel durch Untersuchungsausschüsse,<br />
Sonderausschüsse oder durch Enquetekommissionen,<br />
in denen Abgeordnete zusammen mit Experten von außerhalb des<br />
Parlaments langfristige Fragen bearbeiten. Zum Präsidium und<br />
zum Ältestenrat, zwei weitere, für die Arbeit des Parlaments wichtige<br />
Gremien, kommen wir später noch, ebenso zu den Fraktionen,<br />
einer besonderen Variante von Abgeordnetenzusammenschlüssen,<br />
die das Bild des Parlaments nach außen prägen und die<br />
Willensbildung sowie die notwendigen Mehrheiten für Entscheidungen<br />
organisieren. Aber der <strong>Bundestag</strong> untergliedert sich noch<br />
weiter, nämlich in über 600 eigenständige Einheiten. Denn die<br />
einzelnen Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es sind rechtlich gesehen<br />
selbstständige Teileinheiten der Volksvertretung.<br />
22
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Parlamente bestehen aus einer großen Gruppe von direkt gewählten,<br />
formal unabhängigen Personen. Zusammen bilden die Abgeordneten<br />
die Volksvertretung, das Parlament. Aber wer genau sind<br />
eigentlich diese parlamentarischen Grundbausteine, die einzelnen<br />
Parlamentarier?<br />
Der <strong>Bundestag</strong> setzt sich aus mindestens 598 Personen zusammen.<br />
Man nennt seine Mitglieder auch »Mandatsträger«, denn<br />
sie haben den Auftrag, also das »Mandat«, erhalten, die Bürger<br />
zu vertreten. Eine andere Bezeichnung ist »Abgeordnete«.<br />
Ursprünglich versteht man darunter, dass die Mitglieder des<br />
Parlaments von ihren Wahlkreisen und Wählern »beauftragt«<br />
oder »abgeordnet« worden sind, um deren Anliegen einzubringen.<br />
Eine ähnliche Idee steht hinter dem Begriff »Volksvertreter«:<br />
Die Mitglieder des Parlaments sollen in ihrer Gesamtheit<br />
die Bürger repräsentieren und eine »Herrschaft des Volkes«, so<br />
die Übersetzung von »Demokratie«, ermöglichen. Im englischsprachigen<br />
Bereich heißen die Volksvertreter »Representatives«,<br />
also »Repräsentanten«. Die bundesdeutschen Parlamentarier<br />
tragen offiziell die Bezeichnung MdB. Das steht für »Mitglied des<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong>es«.<br />
Die Wahl der Abgeordneten<br />
Mitglied des <strong>Bundestag</strong>es wird man, indem man – einfach ge -<br />
sagt – von den wahlberechtigten deutschen Bürgern gewählt<br />
wird. Die Sache ist natürlich etwas komplizierter. Die <strong>Bundestag</strong>swahlen<br />
finden alle vier Jahre statt. Falls der <strong>Bundestag</strong> vorzeitig<br />
aufgelöst wird, kann sich der Abstand zwischen den Wahlen<br />
verringern. Dies ist zuletzt 2005 geschehen, als bereits drei<br />
Jahre nach der vorangegangenen Wahl die Bürger wieder ihre<br />
Stimme abgeben konnten.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong> »Wahlen«<br />
Die Wähler geben eine Erst- und eine Zweitstimme ab. Mit der<br />
Erststimme entscheiden sie, wer ihren Wahlkreis – einen von<br />
insgesamt 299 in Deutschland – im <strong>Bundestag</strong> vertreten soll.<br />
23
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die Zweitstimme<br />
ist entscheidend<br />
für die Sitz ver -<br />
teilung im Bun -<br />
destag.<br />
Wer von den Kandidaten die meisten Stimmen erhält, dem fällt<br />
das Direktmandat dieses Wahlkreises zu und der wird Mitglied<br />
des <strong>Bundestag</strong>es. Mit der Zweitstimme stimmen die wahlberechtigten<br />
Bürger für eine der Parteilisten, die in ihrem Bundesland<br />
zur Wahl zugelassen worden sind. Der Anteil an Zweitstimmen<br />
entscheidet darüber, wie viele der insgesamt 598 Sitze<br />
eine Partei im <strong>Bundestag</strong> erhält – und ob sie überhaupt über<br />
das Zweitstimmenergebnis in das Parlament gelangt. Denn<br />
dafür ist die Fünfprozenthürde zu überspringen: Parteien müssen<br />
bundesweit mindestens fünf Prozent der abgegebenen<br />
Zweitstimmen auf sich vereinen, bevor ihre Stimmen bei der<br />
Mandatsberechnung berücksichtigt werden. Es gibt allerdings<br />
eine Ausnahmeklausel für den Fall, dass eine Partei mindestens<br />
drei Direktmandate gewonnen hat, aber beim Zweitstimmenergebnis<br />
nicht über fünf Prozent der Stimmen einfahren konnte.<br />
In diesem Fall werden ihre Zweitstimmen trotzdem bei der Sitzverteilung<br />
berücksichtigt. Die Fünfprozentregelung gilt zudem<br />
nicht für Parteien nationaler Minderheiten wie zum Beispiel für<br />
die Vertreter der dänischen oder sorbischen Minderheiten. Diese<br />
Bevölkerungsteile werden auch im Wahlrecht besonders<br />
geschützt. Um in den <strong>Bundestag</strong> zu gelangen, müssen die Parteien<br />
nationaler Minderheiten nur so viele Zweitstimmen<br />
gewinnen, dass ihnen mindestens ein Mandat zusteht. Allerdings<br />
hat auf Bundesebene bislang noch keine dieser Parteien<br />
von der Regelung profitiert.<br />
Das Zweitstimmenergebnis entscheidet also darüber, welche<br />
Partei wie viele Sitze im <strong>Bundestag</strong> einnehmen darf. Die Mandate,<br />
die eine Partei erhält, müssen allerdings erst einmal mit den<br />
Kandidaten besetzt werden, die ein Direktmandat gewonnen<br />
haben. Bleiben dann noch <strong>Bundestag</strong>ssitze über, werden diese<br />
an die Personen vergeben, die auf den Landeslisten der Parteien<br />
stehen, wobei die Listen von oben nach unten abgearbeitet<br />
werden. Hat eine Partei in einem Bundesland mehr Direktman -<br />
date gewonnen, als ihr aufgrund des Zweitstimmenergebnis ses<br />
an <strong>Bundestag</strong>ssitzen zustehen, kommt es zu Überhangmanda-<br />
24
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
ten. Das geschieht häufig und führt dazu, dass der übliche<br />
Umfang des <strong>Bundestag</strong>es über der Mindestzahl von 598 liegt.<br />
Zwei Arten von Abgeordneten?<br />
Gibt es also zwei Arten von Abgeordneten: diejenigen, die<br />
direkt von den Bürgern eines Wahlkreises gewählt worden sind,<br />
und diejenigen, die über die Liste einer Partei in den <strong>Bundestag</strong><br />
gelangt sind? Das Parlamentsrecht macht hier keinen Unterschied.<br />
Beide Arten von MdBs haben dieselben Rechte und<br />
Pflichten. Überhaupt sind viele Direktkandidaten zugleich auf<br />
einer Liste »abgesichert«: Gewinnen sie den Wahlkreis nicht,<br />
dann garantiert ihnen ein hoher Listenplatz trotzdem den Einzug<br />
ins Parlament. Andersrum gilt: Fast alle Abgeordneten, die<br />
über die Liste ins Parlament gelangen, kümmern sich um einen<br />
Wahlkreis, auch wenn dieser an den gegnerischen Parteikandidaten<br />
gefallen ist.<br />
Ob direkt oder über eine Liste, eines wird beim Blick auf die<br />
<strong>Bundestag</strong>swahl deutlich: Die Parteien spielen in dem Verfahren<br />
eine zentrale Rolle. Was die Zweitstimme betrifft, ist das<br />
unübersehbar. Denn mit dieser Stimme lassen sich nur Listen<br />
wählen, die in der Regel von landesweit antretenden Parteien<br />
aufgestellt werden. Aber auch bei den Direktmandaten sind es<br />
normalerweise Kandidaten der etablierten Parteien, die den<br />
Zuschlag erhalten. Zwar besteht die Möglichkeit für unabhängige<br />
Einzelkandidaten, in einem Wahlkreis anzutreten. Allerdings<br />
ist es eine große Ausnahme, wenn Abgeordnete in den <strong>Bundestag</strong><br />
gewählt werden, die keiner Parlamentspartei angehören.<br />
Egal ob direkt<br />
oder über eine<br />
Liste ins Parla -<br />
ment gewählt –<br />
alle Abgeordneten<br />
haben dieselben<br />
Rechte und<br />
Pflich ten.<br />
Wer wird Abgeordneter?<br />
Ein Blick auf die Zusammensetzung des Parlaments macht<br />
schnell klar, dass der <strong>Bundestag</strong> die bundesdeutsche Bevölkerung<br />
nicht spiegelbildlich abbildet. Dies lässt sich an einigen<br />
Zahlen deutlich machen: So liegt der Prozentsatz an Frauen<br />
unter den Mitgliedern des <strong>Bundestag</strong>es mit 32,8 Prozent deut-<br />
25
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Werner Schüring<br />
Fast 33 Prozent aller<br />
Ab ge ordneten sind<br />
Frauen, bei der Frak -<br />
tion Bünd nis 90/Die<br />
Grünen sind es sogar<br />
mehr als die Hälfte,<br />
darunter die Abgeord -<br />
neten Marieluise Beck,<br />
Kerstin Andreae, Priska<br />
Hinz und Ute Koczy<br />
(v. l.).<br />
lich unter dem Anteil der weiblichen Bevölkerung in Deutschland<br />
(Ende 2008: 51 Prozent). Gemittelt sind die Parlamentarier<br />
älter als der Bevölkerungsdurchschnitt. Die Anzahl von Personen<br />
mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss unter den Parlamentariern<br />
ist überdurchschnittlich. Nicht alle Berufe sind im<br />
Parlament vertreten, einige wiederum sehr stark. Rund 25<br />
Pro zent der Abgeordneten haben ein Studium der Rechts- und<br />
Staatswissenschaften absolviert. Lehrer sind ebenfalls stark im<br />
Parlament vertreten: Sie machen 5,6 Prozent der Abgeordneten<br />
des 17. Deutschen <strong>Bundestag</strong>es aus.<br />
26
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Was sind die Gründe? Zunächst liegt es an den Rahmenbedingungen<br />
der <strong>Bundestag</strong>swahl. Das Verfahren hat Einfluss darauf,<br />
wer überhaupt Mitglied im Deutschen <strong>Bundestag</strong> werden kann.<br />
Eine fast unverzichtbare Voraussetzung ist es, von einer Partei<br />
bei der Kandidatur unterstützt zu werden. Das heißt, die Landesdelegiertenkonferenz<br />
einer Partei muss jemanden auf einen<br />
erfolgreichen Listenplatz gesetzt haben. Oder die lokale Parteigliederung,<br />
beispielsweise ein Kreisverband, hat die Person als<br />
Direktkandidaten im Wahlkreis aufgestellt. Der Personenkreis,<br />
der in einer Partei besonders engagiert ist und somit für eine<br />
Kandidatur infrage kommt, ist nicht ein Spiegelbild der Bevölkerung.<br />
Insgesamt sind nur wenige Prozent der deutschen Bürgerinnen<br />
und Bürger Mitglied in einer Partei. In dieser Gruppe<br />
sind bestimmte Berufs- und Altersgruppen besonders stark vertreten.<br />
Auch dies trägt zu einer entsprechenden Zusammensetzung<br />
des Parlaments bei. Darüber hinaus gibt es noch die<br />
»Quereinsteiger«, die keine innerparteiliche Karriere absolviert<br />
haben und auf anderen Wegen ins Parlament gelangt sind.<br />
In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich noch ein weiterer<br />
Trend beobachten, was die Zusammensetzung des <strong>Bundestag</strong>es<br />
betrifft: die Professionalisierung des Abgeordnetenberufs. Die<br />
Zahl der <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten, die bereits vor ihrer Wahl<br />
einen politischen Beruf hatten, ist gestiegen. So sind beispielsweise<br />
einige Parlamentarier vor ihrer Mandatszeit als Mitarbeiter<br />
eines Abgeordneten tätig gewesen. Auch steigt die Zahl der<br />
Abgeordneten, die nach ihrer Zeit im Parlament nicht mehr in<br />
ihren ursprünglichen Beruf zurückkehren. Politik ist für viele<br />
Parlamentarier nicht nur zu einer Berufung, sondern zum Beruf<br />
geworden.<br />
Politik ist für<br />
Parlamentarier<br />
Beruf und<br />
Berufung.<br />
Ein perfekt repräsentatives Parlament kann es allerdings gar<br />
nicht geben. In modernen, vielschichtigen Gesellschaften können<br />
Parlamente nie ein vollkommenes Spiegelbild der Gesellschaft<br />
sein. Wie könnte sich eine Nation von etwa 82 Millionen<br />
Bürgern mit nur 622 Abgeordneten abbilden lassen? Es gibt<br />
27
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
allein 350 formale Ausbildungsberufe und Hunderte Varianten<br />
von akademischen Abschlüssen. Diese Vielfalt lässt sich nicht<br />
eins zu eins in der Zusammensetzung eines Parlaments darstellen.<br />
Selbst wenn dies möglich wäre: Ein repräsentatives Parlament<br />
muss nicht zwangsläufig ein besseres sein. Denn die Interessen<br />
eines Bevölkerungsteils können auch von jemandem<br />
vertreten werden, der nicht aus diesem Bereich kommt – und<br />
dies mitunter besser. So wird man als Rechtsbeistand immer<br />
jemanden nehmen, der sich im Rechtssystem gut auskennt,<br />
und nicht unbedingt jemanden, der einem ähnlich ist. Gerade<br />
bei der Gesetzgebung und der Kontrolle der Regierung bedarf es<br />
sachkundiger Parlamentarier, die sich im politischen Geschäft<br />
auskennen.<br />
Das Immunitäts -<br />
recht und das<br />
Indemnitätsrecht<br />
sind traditionelle<br />
Privilegien der<br />
Abgeordneten.<br />
Man kann der Professionalisierung des Abgeordnetenberufs also<br />
durchaus Positives abgewinnen. Die mangelnde Spiegelbildlichkeit<br />
des Parlaments erscheint vor diesem Hintergrund nicht<br />
dramatisch. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Berufspolitiker<br />
nicht den Kontakt zu denjenigen verlieren, die sie vertreten<br />
sollen. Deswegen stehen die Parlamentarier vor der Herausforderung,<br />
dicht an den Bürgern und ihren Lebenswelten dran<br />
zu bleiben – trotz aller Professionalisierung.<br />
Welche Rechte haben Abgeordnete?<br />
Wenn ein Bürger zum Parlamentarier wird, befindet er sich<br />
plötzlich in einer ganz besonderen Rechtsstellung. Zunächst<br />
haben die Abgeordneten zwei traditionelle Privilegien: das<br />
Immunitätsrecht und das Indemnitätsrecht. Diese beiden Rechte<br />
gehören zu den klassischen Facetten des Parlamentarismus<br />
und finden sich in nahezu jeder Volksvertretung. Außerdem<br />
haben die Abgeordneten ein Zeugnisverweigerungsrecht: Wenn<br />
ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Dinge anvertraut<br />
werden, dürfen sie vor Gericht darüber das Zeugnis verweigern.<br />
28
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Immunität und Indemnität<br />
Immunität bedeutet, dass ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des<br />
<strong>Bundestag</strong>es strafrechtlich verfolgt und verhaftet werden darf. Allerdings<br />
gibt es Ausnahmen, wenn zum Beispiel ein Parlamentarier auf frischer<br />
(Straf-)Tat ertappt wird. Auch bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen<br />
Freiheit eines Abgeordneten ist die Genehmigung des <strong>Bundestag</strong>es<br />
erforderlich. Die Immunität von Abgeordneten kann auf Beschluss des<br />
Parlaments aufgehoben werden.<br />
Indemnität bedeutet, dass Abgeordnete nicht aufgrund von Abstimmungen<br />
oder von Äußerungen, die sie im <strong>Bundestag</strong>, in einem Ausschuss oder<br />
in ihrer Fraktion gemacht haben, gerichtlich oder dienstlich verfolgt und<br />
außerhalb des Parlaments zur Rechenschaft gezogen werden dürfen. Da -<br />
von ausgenommen sind verleumderische Aussagen.<br />
Diese Rechte schützen die Abgeordneten in ihrer Rolle als Vertrauenspersonen<br />
sowie vor willkürlicher Verfolgung. Insbesondere<br />
das Immunitäts- und das Indemnitätsprivileg stammen<br />
aus einer Zeit, in der sich die Volksvertreter der Willkür parlamentsfeindlicher<br />
Fürsten ausgesetzt sahen. Dem gegenüber steht<br />
die Idee, dass die Abgeordneten völlig frei und unabhängig in<br />
ihrer parlamentarischen Arbeit sein müssen. Sie dürfen in ihrer<br />
Mandatsausübung nicht eingeschränkt werden und sollen nicht<br />
aus Angst vor Strafen gegen ihr Gewissen argumentieren oder<br />
stimmen.<br />
»Freies« Mandat<br />
bedeutet, dass<br />
Abgeordnete nur<br />
ihrem Gewissen<br />
unterworfen sind.<br />
Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten wird durch den Artikel<br />
38 des Grundgesetzes garantiert, der den Parlamentariern ein<br />
»freies« Mandat zuspricht. Abgeordnete sind nach der Verfassung<br />
»Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen<br />
nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen«. Das<br />
Gegenteil vom freien Mandat wäre das »imperative« Mandat.<br />
Hier müssten die Abgeordneten bei jeder Meinungsäußerung<br />
und Entscheidung nicht ihrem Gewissen, sondern dem Auftrag<br />
ihrer Partei, der Fraktion oder ihrer Wähler folgen. Es ist ein<br />
29
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Kennzeichen von demokratischen Parlamenten, dass ihre Mitglieder<br />
rechtlich gesehen nur ihrem Gewissen unterworfen<br />
sind.<br />
Parlamentarier<br />
müssen effektiv<br />
und unabhängig<br />
arbeiten können.<br />
Die rechtliche Unabhängigkeit der Volksvertreter zeigt sich in<br />
der parlamentarischen Alltagsarbeit. Die <strong>Bundestag</strong>smitglieder<br />
sind mit einer Reihe von Vorrechten ausgestattet, die sie ohne<br />
Rücksprache mit anderen nutzen können. So haben sie die<br />
Möglichkeit, der Bundesregierung Fragen zu stellen, und das<br />
Recht, von dieser eine Antwort zu erhalten. Sie können in einer<br />
bestimmten Phase des Gesetzgebungsprozesses Änderungsanträge<br />
einbringen. Auch das parlamentarische Stimmrecht ist ein<br />
individuelles Privileg: Jedes Mitglied des <strong>Bundestag</strong>es muss<br />
seine Stimme persönlich abgeben. Es kann dieses Recht nicht<br />
auf andere Parlamentarier oder die Fraktion übertragen.<br />
Regierungsbefragung<br />
Ein wichtiges Kontrollinstrument für den einzelnen Parlamentarier ist die<br />
Regierungsbefragung. Diese findet in Sitzungswochen immer mittwochs<br />
unmittelbar nach der Kabinettssitzung statt. Hier können Abgeordnete<br />
über die Vorhaben der Bundesregierung Auskunft erhalten und Fragen an<br />
die Regierungsmitglieder richten. Die Regierungsbefragung im Plenum ist<br />
auf 35 Minuten begrenzt und ein wichtiges Mittel, den Informationsfluss<br />
zwischen Regierung und Parlament zu verbessern.<br />
Damit die Abgeordneten effektiv und unabhängig arbeiten können,<br />
werden sie mit Personalmitteln und einer Arbeitsinfrastruktur<br />
ausgestattet. Jedes Mitglied des <strong>Bundestag</strong>es kann die<br />
Büroräume und die technische Infrastruktur im Parlament kostenfrei<br />
nutzen. Zudem erhalten die Abgeordneten eine steuerfreie<br />
Pauschale, die sogenannte Kostenpauschale von monatlich<br />
3.969 Euro. Damit können die Abgeordneten die Unkosten abdecken,<br />
die bei der Ausübung ihres Mandats entstehen, zum Beispiel<br />
für die Unterhaltung eines Büros im Wahlkreis.<br />
30
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Foto © picture-alliance/dpa/Marcel Mettelsiefen<br />
Sichtachsen im<br />
Jakob-Kaiser-Haus:<br />
Mehr als die Hälfte<br />
aller Abge ord neten -<br />
büros, die Sit zungs -<br />
räume und Büros der<br />
Fraktions stäbe sowie<br />
die Arbeits räu me der<br />
Vize präsiden ten des<br />
<strong>Bundestag</strong>es befinden<br />
sich hier.<br />
Kosten entstehen den Abgeordneten auch für persönliche Mitarbeiter.<br />
Hierfür stellt der <strong>Bundestag</strong> gegen Nachweis einen<br />
Betrag von insgesamt höchstens 14.712 Euro im Monat zur Verfügung.<br />
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitarbeiter am Parlamentssitz<br />
oder im Wahlkreis angestellt sind. Mitglieder des<br />
<strong>Bundestag</strong>es haben außerdem die Möglichkeit, mit einer Netzkarte<br />
die Deutsche Bahn kostenlos für dienstliche Reisen zu<br />
nutzen. Außerdem beziehen sie für ihr parlamentarisches Mandat<br />
ein Einkommen, das »Entschädigung« genannt wird.<br />
31
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Wie werden die Abgeordneten für ihr Mandat<br />
»entschädigt«?<br />
Der Abgeord -<br />
netenberuf ist<br />
ein Vollzeitjob<br />
und muss entsprechend<br />
vergütet<br />
werden.<br />
»Entschädigung« klingt als Bezeichnung für die Tatsache, dass<br />
man ein monatliches Einkommen bezieht, erst einmal ungewöhnlich.<br />
»Entschädigt« wird in der Regel jemand, dem Schaden<br />
zugefügt worden ist oder dem für eine Leistung Kosten entstanden<br />
sind. Dieser ungewöhnliche Begriff hat einen historischen<br />
Hintergrund. In den frühen Parlamenten gingen die Abgeordneten<br />
noch einem Hauptberuf nach. Für ihre Teilnahme an den<br />
Sitzungen des Parlaments wurden diese »Feierabendparlamentarier«<br />
entschädigt. Sie erhielten eine Erstattung der Unkosten,<br />
die an einem solchen Sitzungstag anfielen – auch weil sie in<br />
diesem Zeitraum nicht ihrem Hauptberuf nachgehen konnten.<br />
Diäten<br />
Die Abgeordnetenentschädigungen werden auch »Diäten« genannt. Das<br />
hat nichts mit einer Gewichtsabnahme zu tun, sondern stammt vom französischen<br />
Wort für »die tagende Versammlung«: »diète«. Seit 1906 gibt es<br />
in Deutschland Diäten. Davor war die Mitgliedschaft im Parlament ehrenamtlich.<br />
Das »Diäten-Urteil« des Bundesverfassungsgerichts von 1975 verpflichtet<br />
die Abgeordneten ausdrücklich, selbst und »vor den Augen der<br />
Öffentlichkeit« über die Höhe ihrer Entschädigung zu beschließen. Steuerpflichtig<br />
wurde der im Grundgesetz festgehaltene »Anspruch auf angemessene,<br />
ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung« der Parlamentarier<br />
durch das Abgeordnetengesetz von 1977.<br />
Im Laufe der Zeit ist das parlamentarische Arbeitsvolumen so<br />
groß geworden, dass man es nicht mehr nebenbei bewältigen<br />
kann. Aus dem »Nebenjob Parlamentarier« ist ein Beruf geworden.<br />
Aus der Entschädigung wurde tatsächlich ein Einkommen,<br />
auch wenn das Wort »Entschädigung« geblieben ist. Die Entschädigung<br />
beträgt 7.668 Euro brutto im Monat und orientiert<br />
sich am Gehalt der obersten Bundesrichter.<br />
32
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Verglichen mit den Entschädigungen von Parlamentariern in<br />
anderen Staaten befinden sich die <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten im<br />
Mittelfeld. Allerdings ist ein Vergleich nicht immer ganz einfach,<br />
weil neben dem Einkommen auch noch andere Dinge berücksichtigt<br />
werden müssen, zum Beispiel die Regelungen zur<br />
Altersversorgung. Die Höhe der jeweiligen Altersbezüge staffelt<br />
sich danach, wie viele Jahre die Abgeordneten im Parlament<br />
waren. Zusätzliche Renten aus der gesetzlichen Versicherung<br />
werden angerechnet.<br />
Für die unmittelbare Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong> erhalten die Abgeordneten Übergangsgelder.<br />
Diese sollen ihnen den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern.<br />
Wie lange Abgeordnete Übergangsgeld erhalten, hängt davon<br />
ab, wie viele Jahre die Parlamentarier Mitglied des <strong>Bundestag</strong>es<br />
waren. Für jedes Jahr der Mitgliedschaft im Parlament wird<br />
jeweils für einen Monat Übergangsgeld in Höhe der aktuellen<br />
Abgeordnetenentschädigung gezahlt. Zusätzliche Einkünfte<br />
werden übrigens ab dem zweiten Monat nach dem Ausscheiden<br />
angerechnet.<br />
Abhängig von<br />
ihrer Mitglied -<br />
schaft im Bun -<br />
destag erhalten<br />
Abge ord nete auch<br />
Alters bezüge.<br />
Die Fragen rund um die Abgeordnetenentschädigung, die<br />
Altersversorgung und die Übergangsgelder der <strong>Bundestag</strong>smitglieder<br />
gehören zu den kontroversen Aspekten der parlamentarischen<br />
Demokratie. Die bestehenden Regelungen waren auch<br />
Anlass zur Kritik, oft verbunden mit dem Vorwurf der Selbstbedienung.<br />
Immer wieder ist über eine Reform diskutiert und<br />
immer wieder sind Veränderungen vorgenommen worden. Der<br />
Vorschlag, die Abgeordnetenentschädigungen automatisch an<br />
die Gehälter von obersten Bundesrichtern zu koppeln, konnte<br />
nicht umgesetzt werden. Einen »Automatismus« darf es nicht<br />
geben, befand das Bundesverfassungsgericht. Auch die Idee,<br />
eine unabhängige Kommission Vorschläge für die Höhe der Entschädigung<br />
entwickeln zu lassen, die der <strong>Bundestag</strong> dann verabschiedet,<br />
hat bislang keine parlamentarische Mehrheit<br />
gefunden.<br />
33
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Der Beschluss, die Diäten zu erhöhen, führt meist zu einer heftigen<br />
Diskussion in der Öffentlichkeit. Das hat den <strong>Bundestag</strong><br />
über Jahre dazu bewegt, auf eine Anhebung der Abgeordnetenbezüge<br />
zu verzichten. Ohnehin gibt es keine klare Formel für<br />
das, was ein »angemessenes« Einkommen für ein Mitglied des<br />
Parlaments ist. Das frühere Einkommen der Parlamentarier ist<br />
jedenfalls keine Bezugsgröße. Je nachdem, welchen Beruf die<br />
Mandatsträger zuvor ausgeübt haben, kann es sich um eine<br />
finanzielle Verbesserung oder Verschlechterung handeln. Übrigens<br />
verdienen Abgeordnete, die gleichzeitig Bundesminister<br />
oder Regierungschef sind, keineswegs doppelt. Ihre Einkommen<br />
werden miteinander verrechnet.<br />
Als einzige<br />
Berufsgruppe<br />
in Deutschland<br />
müssen die<br />
Abge ordneten<br />
öffentlich über<br />
ihre Bezüge<br />
entscheiden.<br />
Für Außenstehende hängt die Frage nach der Angemessenheit<br />
auch damit zusammen, welche Leistungen <strong>Bundestag</strong>sabgeordnete<br />
erbringen. Wenn falsche Vorstellungen über die Arbeit der<br />
Parlamentarier vorherrschen, dann leidet darunter auch die<br />
Diätendebatte. Das Einkommen und die Versorgung von <strong>Bundestag</strong>smitgliedern<br />
müssen jedenfalls der Rolle des Parlaments<br />
in der deutschen Demokratie und der Verantwortung gerecht<br />
werden, die die Abgeordneten tragen. Und die Entschädigung<br />
muss die Chance bieten, eine Zeit lang den Beruf ruhen zu lassen,<br />
ohne dass man danach in Existenznöte gerät.<br />
Letzten Endes ist die Transparenz ausschlaggebend: Nicht nur<br />
müssen die Abgeordneten als einzige Berufsgruppe in Deutschland<br />
öffentlich über ihre Entschädigungen entscheiden. Die<br />
finanziellen Leistungen für die Parlamentarier müssen auch gut<br />
vermittelbar sein. In diesem Sinne sind in den vergangenen<br />
Jahren einige schwer durchschaubare und kaum nachvollziehbare<br />
Regelungen abgeschafft worden. Beispielsweise ist es nun<br />
nicht mehr möglich, die Altersversorgungen aus verschiedenen<br />
Mandaten und Ämtern ohne Anrechnung zusammenzuführen.<br />
Auch sind die Übergangsgelder gekürzt worden.<br />
34
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
10.000<br />
Euro<br />
Bezüge der Abgeordneten im Vergleich<br />
mit Bundesrichtergehältern<br />
8.000<br />
Bundesrichter<br />
Nullrunde<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
Jahr<br />
Abgeordnete<br />
Nullrunde<br />
Nullrunde<br />
92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09<br />
Welche Pflichten haben Abgeordnete?<br />
Die Abgeordneten des <strong>Bundestag</strong>es haben natürlich nicht nur<br />
Rechte, sondern auch Pflichten, die durch das Mandat entstehen.<br />
Die Abgeordneten müssen bestimmte Verhaltensregeln<br />
befolgen. Sie sollen sich beispielsweise an den Sitzungstagen in<br />
den Gebäuden des <strong>Bundestag</strong>es aufhalten und müssen sich<br />
persönlich in die ausliegenden Anwesenheitslisten eintragen.<br />
Tun sie das nicht, wird ihre Kostenpauschale gekürzt: Pro verpasstem<br />
Sitzungstag werden 50 Euro aus der Pauschale einbehalten;<br />
wenn das Mitglied des Parlaments in diesem Zeitraum<br />
nicht beurlaubt war, werden an einem Plenartag sogar 100 Euro<br />
fällig. Auch die Teilnahme an namentlichen Abstimmungen<br />
oder einer Wahl mit Namensaufruf ist obligatorisch: Wer fehlt,<br />
dem werden 50 Euro von der Kostenpauschale einbehalten – es<br />
sei denn, das Mitglied war beurlaubt. In allen Räumen des<br />
Wer an Sitzungs -<br />
tagen fehlt,<br />
bekommt weniger<br />
Geld.<br />
35
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
<strong>Bundestag</strong>es ertönt ein Klingelzeichen, wenn im Plenum eine<br />
Abstimmung mit den Stimmkarten ansteht. Überhören kann<br />
man die namentlichen Abstimmungen also nicht.<br />
Nebentätigkeiten<br />
müssen dem<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
angezeigt<br />
werden.<br />
Nebentätigkeiten<br />
Abgeordneter zu sein ist für die meisten ein Hauptberuf. Dennoch<br />
können Parlamentarier auch zusätzlichen Verpflichtungen<br />
nachgehen. Einige der sogenannten Nebentätigkeiten können<br />
mit dem Vorberuf zusammenhängen – zum Beispiel der Rechtsanwalt,<br />
der neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch Mandanten<br />
vor Gericht vertreten möchte, oder der Unternehmer, der<br />
seinen Familienbetrieb weiterführt, auch nachdem er ins Parlament<br />
gewählt worden ist. Einige Parlamentarier sind Mitglieder<br />
in Aufsichtsräten von Unternehmen. Andere Abgeordnete arbeiten<br />
für gesellschaftliche Vereinigungen.<br />
Solche Nebentätigkeiten können nach der <strong>Bundestag</strong>szeit den<br />
Wiedereintritt ins Berufsleben erleichtern und für die Mandatsausübung<br />
durchaus hilfreich sein. Sie helfen, den Kontakt zu<br />
anderen Bereichen der Gesellschaft zu gewinnen oder zu halten.<br />
Sie erleichtern einigen Berufsgruppen den Eintritt in die<br />
parlamentarische Arbeit. Engagements neben dem Mandat<br />
geraten aber dann in die Diskussion, wenn sich ein Interessenkonflikt<br />
zwischen der Aufgabe des Abgeordneten und seiner<br />
Nebentätigkeit entwickeln kann. Deswegen ist auch in diesem<br />
Bereich Offenheit wichtig.<br />
Die sogenannten Verhaltensregeln und das Abgeordnetengesetz<br />
legen fest, wie dabei vorzugehen ist. Die Abgeordneten müssen<br />
dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten zu Beginn der Wahlperiode eine<br />
Reihe von Informationen zukommen lassen. Anzeigepflichtig<br />
sind unter anderem die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit sowie<br />
Tätigkeiten als Aufsichtsratsmitglied. Bestimmte Nebentätigkeiten,<br />
die Abgeordnete während der Mandatszeit aufnehmen,<br />
müssen ebenfalls gemeldet werden. Auch wenn sie Spenden<br />
annehmen, sind die Parlamentarier ab einem ge wissen Betrag<br />
36
Die gewählten Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es<br />
Foto © picture-alliance/dpa/lbn/Tim Brakemeier<br />
Die Geschäfts ordnung<br />
des Bundes tages<br />
bestimmt, dass<br />
Abgeordnete ihre<br />
Nebentätigkeiten<br />
angeben müssen.<br />
dazu verpflichtet, die finanzielle Zuwendung beim <strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
anzuzeigen. Bestimmte Spenden, zum Beispiel sol -<br />
che, die auf Entscheidungen Einfluss nehmen wollen, dürfen<br />
Abgeordnete gar nicht erst an neh men.<br />
Alle Nebenjobs, egal ob bezahlt oder unbezahlt, müssen dem<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsidenten angezeigt werden, um mögliche Inte-<br />
37
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
ressenkonflikte offenzulegen. Die Nebentätigkeiten werden<br />
dann im <strong>Bundestag</strong>shandbuch und im Internet veröffentlicht.<br />
So kann jeder Wähler einsehen, ob und wie viele Nebeneinkünfte<br />
sein Abgeordneter hat. Verstöße gegen die Anzeigepflicht<br />
werden mit einem Ordnungsgeld von maximal der Hälfte der<br />
jährlichen Diäten und der öffentlichen Bekanntgabe des Verstoßes<br />
bestraft.<br />
Nebentätigkeiten<br />
Das geänderte Abgeordnetengesetz über die Transparenz von Nebeneinkünften<br />
ist bereits im Oktober 2005 in Kraft getreten. Doch dann klagten<br />
neun Abgeordnete aus den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen<br />
die neuen Verhaltensregeln vor dem Bundesverfassungsgericht. Am 4. Juli<br />
2007 wurde die Klage abgewiesen. Einnahmen aus nebenberuflichen<br />
Tätigkeiten werden nun in drei Stufen erfasst: monatliche Einkünfte von<br />
1.000 bis 3.500 Euro, von 3.501 bis zu 7.000 Euro und über 7.000 Euro. Alle<br />
Nebeneinkünfte über 1.000 Euro im Monat oder 10.000 Euro im Jahr müssen<br />
gemeldet und veröffentlicht werden.<br />
Neben den offiziellen Pflichten haben die Abgeordneten natürlich<br />
auch eine inoffizielle Pflicht: die Verpflichtung gegenüber<br />
ihren Wählern. Kümmert sich ein Parlamentarier nach der <strong>Bundestag</strong>swahl<br />
nicht um seinen Wahlkreis und sein Mandat als<br />
Volksvertreter, wird ihn der Wähler spätestens bei der nächsten<br />
Wahl dafür abstrafen und ihn nicht wiederwählen. Die Erneuerung<br />
des Mandats stünde für den Parlamentarier auf dem Spiel.<br />
38
Fraktionen<br />
Parlamente wie der <strong>Bundestag</strong> werden auch als Fraktionenparlamente<br />
bezeichnet. Das heißt aber nicht nur, dass sich Abgeordnete<br />
nach ihrer parteipolitischen Orientierung zusammenschließen.<br />
Die Fraktionen spielen in der parlamentarischen Arbeit eine<br />
ganz entscheidende Rolle.<br />
Fraktionen werden zwar im Grundgesetz nur an einer Stelle<br />
erwähnt – nämlich in Artikel 53 a, in dem es um den Gemeinsamen<br />
Ausschuss geht, der im Verteidigungsfall als Notparlament<br />
fungiert. Dennoch sind die Fraktionen zu zentralen Knotenpunkten<br />
im politischen Prozess geworden. Dabei haben sich<br />
parteipolitische Formationen erst vergleichsweise spät innerhalb<br />
der Volksvertretungen herausgebildet. Denn die frühen<br />
Parlamente waren noch Versammlungen unverbundener Abgeordneter.<br />
In der mittlerweile gewachsenen Rolle der Fraktionen<br />
zeigt sich auch die gewachsene Rolle der Parteien im politischen<br />
System Deutschlands.<br />
Wie werden Fraktionen gegründet<br />
und wie sind sie aufgebaut?<br />
Ausführlich werden Fraktionen in der Geschäftsordnung des<br />
<strong>Bundestag</strong>es angesprochen. Dort ist festgelegt, welche Rechte<br />
Fraktionen haben und wer was wann tun muss, um eine Fraktion<br />
zu gründen. Zur Gründung einer Fraktion braucht man<br />
zunächst einmal eine ausreichende Zahl an Abgeordneten,<br />
nämlich mindestens fünf Prozent aller Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es.<br />
Wie viele es genau sein müssen, hängt also vom Umfang<br />
des aktuellen <strong>Bundestag</strong>es ab und damit auch von der Anzahl<br />
der Überhangmandate. Eine weitere Voraussetzung ist, dass<br />
Fraktionsmitglieder derselben Partei angehören – genauer<br />
gesagt: Sie sollten zumindest nicht Parteien angehören, die in<br />
einem Bundesland miteinander in Wettbewerb stehen. Jede<br />
andere Form der Fraktionsbildung bedarf der Zustimmung des<br />
<strong>Bundestag</strong>es.<br />
Mindestens fünf<br />
Prozent aller<br />
Abgeordneten<br />
können sich zu<br />
einer Fraktion<br />
zusammenschließen,<br />
wenn sie<br />
derselben Partei<br />
angehören.<br />
39
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die Vorsitzenden der<br />
CDU/CSU-Fraktion<br />
Volker Kauder und<br />
der FDP-Fraktion<br />
Rainer Brüderle (v. r.).<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Werner Schüring<br />
In der 17. Wahl -<br />
periode gibt es<br />
fünf Fraktionen<br />
im <strong>Bundestag</strong>.<br />
Die Geschäftsordnung legt auch fest, dass die Bildung einer<br />
Fraktion, ihr Name sowie die Namen des oder der Vorsitzenden<br />
dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten mitgeteilt werden müssen. Dabei<br />
leiten sich die Fraktionsnamen üblicherweise von den Namen<br />
der Parteien ab, der ihre Mitglieder angehören: die Fraktion der<br />
SPD, die Fraktion der CDU/CSU, die Fraktion der FDP sowie die<br />
Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und von Die Linke. Die<br />
Abgeordneten der CDU und CSU bilden eine Fraktionsgemeinschaft.<br />
Dieser Zusammenschluss besteht aus den Mitgliedern<br />
zweier Parteien, die allerdings in keinem Bundesland bei Wahlen<br />
als Konkurrenten antreten. Denn die CSU kandidiert nur in<br />
Bayern, die CDU wiederum hat keinen eigenen bayerischen Landesverband.<br />
Zu Beginn der Wahlperiode werden die Fraktionen im <strong>Bundestag</strong><br />
üblicherweise schnell gebildet, weil in der Regel an die Fraktionsstruktur<br />
der vergangenen Wahlperiode angeknüpft werden<br />
kann. Allerdings werden die Abgeordneten nicht automatisch<br />
Fraktionsmitglieder, nur weil sie einer Partei angehören. Es steht<br />
ihnen letzten Endes frei, sich einer Fraktion anzuschließen. Parlamentarier<br />
können auch jederzeit ihre Fraktionsmitgliedschaft<br />
40
Fraktionen<br />
kündigen oder von der Fraktion ausgeschlossen werden. Sie<br />
sind dann fraktionslos. Die Mitglieder der Fraktionen geben sich<br />
Geschäftsordnungen, die die internen Arbeitsabläufe festlegen.<br />
Auch ihr organisatorischer Aufbau ist hier geregelt. Das zentrale<br />
Organ ist die Fraktionsversammlung, die aus allen Mitgliedern<br />
besteht. Sie kommt in den Sitzungswochen mindestens einmal<br />
zusammen, um über die Tagesordnung der Plenarsitzungen zu<br />
beraten und, soweit möglich, eine einheitliche Position der<br />
Fraktion zu den Themen zu entwickeln. Die Fraktionsversammlung<br />
wählt die Fraktionsführung. Diese ist von Fraktion zu Fraktion<br />
unterschiedlich aufgebaut. Gemeinsam ist ihnen allen,<br />
dass es eine(n) Fraktionsvorsitzende(n) oder, wie im Fall der<br />
Fraktion Bünd nis 90/Die Grünen, zwei Fraktionsvorsitzende<br />
gibt. Zusammen mit weiteren gewählten Mitgliedern bilden die<br />
Vorsitzenden den Fraktionsvorstand.<br />
Eine wichtige Rolle in den Fraktionen und in der gesamten<br />
<strong>Bundestag</strong>sarbeit spielen die Parlamentarischen Geschäftsführer,<br />
insbesondere die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer.<br />
Sie koordinieren die <strong>Bundestag</strong>sarbeit und managen die Plenarsitzungen<br />
in Abstimmung mit den Parlamentarischen<br />
Geschäftsführern der anderen Fraktionen. Die Mitglieder der<br />
Fraktionen schließen sich nach thematischen Schwerpunkten<br />
in Arbeitskreisen, Arbeitsgruppen oder Arbeitsgemeinschaften<br />
zusammen. Dort treffen sich regelmäßig die Fachleute der<br />
jeweiligen Fraktion für die verschiedenen Sachpolitiken. Diese<br />
fraktionsinternen Gremien gehören zu den wichtigsten Arbeitseinheiten<br />
im Parlament. Denn hier beginnt die Willensbildung<br />
der Fraktionen, und es werden erste Vorentscheidungen über<br />
zur Beratung anstehende Gesetzesvorlagen getroffen.<br />
Parlamen tarische<br />
Geschäfts führer<br />
sind die »Manager«<br />
des Parlaments.<br />
Weitere wichtige Untereinheiten der Fraktionen sind die Landesgruppen.<br />
In ihnen kommen die Fraktionsmitglieder eines<br />
Bundeslands zusammen. Ihre jeweilige Größe hängt davon ab,<br />
wie viele Mandate die Partei als Direktmandate oder über die<br />
Landesliste in dem jeweiligen Land erhalten konnte. In diesen<br />
41
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Beispiel für den Aufbau einer großen Fraktion: Organigramm der CDU/CSU-Fraktion<br />
Fraktionsvorsitzender<br />
Erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender der CSU-Landesgruppe*)<br />
Vorsitzende<br />
der<br />
21 Arbeitsgruppen<br />
bzw. Sprecher<br />
8 stellvertretende<br />
Vorsitzende<br />
mit speziellen<br />
Arbeitsbereichen<br />
Vorsitzende<br />
der<br />
6 soziologischen<br />
Gruppen<br />
15 Beisitzer<br />
*) Die CSU-Landesgruppe verfügt<br />
über weitere eigene Organe<br />
(Vorstand, sechs Arbeitskreise).<br />
Fraktionsvorstand<br />
Geschäftsführender<br />
Vorstand<br />
Erster Parlamentarischer<br />
Geschäftsführer<br />
_________________<br />
Vertreter des<br />
Ersten Parlamentarischen<br />
Geschäftsführers<br />
und Parlamentarischer<br />
Geschäftsführer der<br />
CSU-Landesgruppe<br />
_________________<br />
3 weitere Parlamentarische<br />
Geschäftsführer<br />
2 Justiziare<br />
Sprecher der<br />
CDU-Landesgruppen<br />
Fraktionsstab<br />
Verbindungsbüro<br />
Brüssel<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
Gruppen gilt es, die Interessen eines Bundeslands in den Willensbildungsprozess<br />
der Fraktion einzubringen. In der Fraktionsgemeinschaft<br />
von CDU und CSU spielt die CSU-Landesgruppe<br />
eine hervorgehobene Rolle. Denn die CSU ist eine eigenständige<br />
Partei, deren Abgeordnete erst nach der Wahl mit den CDU-<br />
Parlamentariern eine gemeinsame Fraktion bilden. Insofern<br />
achtet die CSU auch darauf, in der Fraktionsgemeinschaft Profil<br />
zu bewahren – auch was die Ämter in der Fraktion betrifft. Der<br />
Chef der CSU-Landesgruppe ist immer stellvertretender Vorsitzender<br />
der Gesamtfraktion.<br />
42
Fraktionen<br />
Beispiel für den Aufbau einer kleineren Fraktion: Organigramm der Fraktion<br />
von Bündnis 90/Die Grünen<br />
Pressestelle<br />
Büro des<br />
Fraktionsvorsitzenden<br />
Justiziariat<br />
benennt<br />
Fraktionsversammlung<br />
Büro der<br />
Fraktionsvorsitzenden<br />
Büro der<br />
Parlamentarischen<br />
Geschäftsführung<br />
Bund-Länder-<br />
Koordination<br />
Fraktionsgeschäftsführung<br />
wählt<br />
bestätigt<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
Dienstaufsicht<br />
1<br />
Wirtschaft und<br />
Soziales<br />
2<br />
Umwelt, Energie,<br />
Verbraucher und<br />
Verkehr<br />
Geschäftsführender<br />
Vorstand<br />
2 Vorsitzende,<br />
Erster Parlamentarischer Geschäftsführer,<br />
3 Parlamentarische Geschäftsführerinnen<br />
Arbeitskreise<br />
3<br />
Demokratie,<br />
Recht und<br />
Gesellschaftspolitik<br />
Fraktionsvorstand<br />
Geschäftsführender Vorstand +<br />
stellvertretende Fraktionsvorsitzende,<br />
Vizepräsidentin<br />
Fachaufsicht<br />
4<br />
Internationale<br />
Politik und<br />
Menschenrechte<br />
Referat<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Brüsseler Büro<br />
5<br />
Wissensgesellschaft<br />
und<br />
Generationen<br />
Welche Rolle spielen Fraktionen im <strong>Bundestag</strong>?<br />
Fraktionen sind die Dreh- und Angelpunkte in der Arbeit des<br />
<strong>Bundestag</strong>es. Sie haben die Aufgabe, die parlamentarische Willensbildung<br />
am Laufen zu halten und Entscheidungen des <strong>Bundestag</strong>es<br />
vorzubereiten. Während der Plenarsitzungen sitzen die<br />
Abgeordneten in Fraktionsblöcken – und nicht in alphabetischer<br />
Folge (wie zum Beispiel in der Parlamentarischen Versammlung<br />
des Europarats) oder mit den anderen Abgeordneten<br />
aus ihrem Bundesland zusammen. Sie bilden vielmehr parteipolitische<br />
Blöcke von rechts nach links. Der Blick in das Plenum<br />
veranschaulicht somit auf den ersten Blick die Rolle der Fraktionen<br />
im <strong>Bundestag</strong> und die Breite des hier vertretenen politischen<br />
Spektrums.<br />
43
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die Sitzordnung im Plenarsaal<br />
Im Plenarsaal spiegeln sich die Kräfteverhältnisse und ideologischen<br />
Unterschiede zwischen den Parteien auch in der Sitzordnung wider.<br />
Schon in der ersten deutschen Nationalversammlung 1849 in der<br />
Frankfurter Paulskirche wurde zwischen »linken« und »rechten«<br />
Gruppierungen unterschieden. Aus der Sicht des Parlamentspräsidenten<br />
saßen links die Fortschrittlichen, die die damalige Gesellschaft zum<br />
Teil radikal verändern wollten. In der Mitte saßen die freiheitlichliberalen<br />
und rechts im Parlament die konservativen Gruppierungen.<br />
Heute sitzt vom Präsidenten aus gesehen links Die Linke, gefolgt von<br />
der SPD, daneben Bündnis 90/Die Grünen, dann die CDU/CSU und<br />
abschließend die FDP.<br />
Fraktionen<br />
haben viele<br />
Rechte und<br />
Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Die Fraktionen verfügen über große Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Viele parlamentarische Rechte sind mittlerweile zu Rechten der<br />
Fraktionen geworden, mitunter auf Kosten der Spielräume der<br />
einzelnen Abgeordneten. Ein Gesetzentwurf kann beispielsweise<br />
nicht von einem einzelnen Parlamentarier eingebracht werden.<br />
Das kann nur eine Fraktion oder ein Zusammenschluss von<br />
mindestens fünf Prozent der Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es. Auch<br />
Anträge und Entschließungsanträge bedürfen der Unterzeichnung<br />
von mindestens fünf Prozent aller <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten<br />
– eine Bedingung, die Fraktionen üblicherweise erfüllen.<br />
Entschließungsantrag und Antrag<br />
Mit einem Entschließungsantrag fordert das Parlament die Regierung<br />
zur Handlung auf oder stellt die Auffassung des <strong>Bundestag</strong>es zu einem<br />
be stimmten Thema heraus. Der Antrag kann dies selbstständig anstreben,<br />
der Entschließungsantrag muss sich auf eine vorliegende Initiative beziehen,<br />
beispielsweise auf einen Gesetzentwurf oder eine Regierungserklärung,<br />
Entschließungen des Europäischen Parlaments oder Vorlagen der<br />
Europäischen Union.<br />
44
Fraktionen<br />
Bestimmte Fragerechte sind ebenfalls den Fraktionen vorbehalten:<br />
Große und Kleine Anfragen können nur von fünf und mehr<br />
Prozent der Vollversammlung der Abgeordneten beantragt werden.<br />
Eine namentliche Abstimmung kann ebenfalls nur von<br />
einer fraktionsstarken Anzahl von Parlamentariern oder einer<br />
Fraktion erzwungen werden. Dieses Quorum gilt auch für die<br />
Beantragung einer Aktuellen Stunde. Das Zitierrecht, also über<br />
die Anwesenheit eines Regierungsmitglieds in einer Beratung<br />
des <strong>Bundestag</strong>es abstimmen zu lassen, steht gleichermaßen nur<br />
fraktionsstarken Zusammenschlüssen zu. Die Fraktionen bestimmen<br />
außerdem, wer wie lange im Plenum sprechen darf. Zwar<br />
entscheidet nach der Geschäftsordnung der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
über die Rednerfolge in der Plenardebatte. Üblicherweise<br />
wird diese jedoch von den Fraktionen festgesetzt. Nach einem<br />
Schlüssel, der ihre jeweilige Stärke berücksichtigt, erhalten die<br />
Fraktionen in den Debatten Redezeiten und können diese mit<br />
Rednern ihrer Wahl besetzen.<br />
Die Fraktionen<br />
entscheiden über<br />
die Vergabe der<br />
Redezeiten im<br />
Plenum.<br />
Anfragen und Aktuelle Stunde<br />
Große Anfragen richten sich an die Bundesregierung und dienen der<br />
Aufklärung wichtiger Fragen. Sie können von einer Fraktion oder einem<br />
fraktionsstarken Zusammenschluss schriftlich eingebracht werden. Die<br />
Bundesregierung muss diese Anfragen beantworten. Wenn es die Antragsteller<br />
verlangen, findet im Plenum eine Debatte statt. Kleine Anfragen<br />
können ebenfalls von fünf Prozent der Abgeordneten oder einer Fraktion<br />
eingereicht werden. Frage und Antwort laufen schriftlich ab. Es gibt keine<br />
Plenarberatung.<br />
In einer Aktuellen Stunde können Themen von allgemeinem aktuellen<br />
Interesse diskutiert werden. Sie kann aber auch zur Klärung offener Fragen<br />
im Anschluss an die wöchentliche Fragestunde dienen. Eine Fraktion oder<br />
mindestens fünf Prozent der Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es können Aktuelle<br />
Stunden verlangen.<br />
45
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Fraktionen<br />
spielen bei der<br />
Besetzung von<br />
wichtigen Ämtern<br />
im <strong>Bundestag</strong><br />
eine entschei -<br />
dende Rolle.<br />
Auch bei der personellen Besetzung parlamentarischer Gremien<br />
sind die Fraktionen die entscheidenden Strippenzieher. Die<br />
Zusammensetzung beispielsweise von Fachausschüssen, Untersuchungsausschüssen<br />
oder Kommissionen orientiert sich an<br />
den Stärkeverhältnissen zwischen den Fraktionen im <strong>Bundestag</strong>.<br />
Die Fraktionen haben das Recht, die ihnen zugewiesenen<br />
Gremienposten mit den Kandidaten ihrer Wahl zu besetzen. Sie<br />
sind außerdem prominent in den Leitungsorganen des Parlaments<br />
vertreten: Der <strong>Bundestag</strong>spräsident wird üblicherweise<br />
von der mitgliederstärksten Fraktion nominiert; im Präsidium<br />
sitzen die von den Fraktionen vorgeschlagenen und vom Plenum<br />
gewählten Präsidenten und Vizepräsidenten, und im<br />
Ältestenrat kommen die Geschäftsführungen der Fraktionen<br />
zusammen. Darüber hinaus erhalten die Fraktionen Unterstützungsleistungen,<br />
die sie in ihrer Rolle noch stärken. Sie haben<br />
eigene Mitarbeiterstäbe und Räume, in denen sie beispielsweise<br />
ihre Fraktionsversammlungen abhalten können.<br />
Regierungsfraktionen kontra Oppositionsfraktionen<br />
Die Fraktionen arbeiten zusammen, stehen zum Teil aber auch<br />
in Konkurrenz zueinander. Die große Trennlinie im <strong>Bundestag</strong><br />
läuft dabei nicht zwischen allen Fraktionen gleichermaßen,<br />
sondern zwischen den Regierungsfraktionen auf der einen und<br />
den Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite. Die Regierungsfraktionen<br />
sind diejenigen, die den Kanzler ins Amt<br />
gewählt haben und seine Politik im Laufe der Wahlperiode<br />
unterstützen. Sie befinden sich in einer »Handlungseinheit«<br />
mit der Regierung. Das heißt, der Regierung steht nicht das<br />
gesamte Parlament gegenüber. Wenn der Bundeskanzler seine<br />
parlamentarische Mehrheit verliert, weil nicht mehr alle Mitglieder<br />
der Regierungsfraktionen hinter ihm und seiner Politik<br />
stehen, kommt es in der Regel zu einer Neuwahl des Kanzlers<br />
oder zu einer Auflösung des <strong>Bundestag</strong>es durch den Bundespräsidenten.<br />
46
Fraktionen<br />
Die »Kanzlermehrheit« setzt sich üblicherweise aus mehr als nur<br />
einer Fraktion zusammen – in der 17. Wahlperiode sind das die<br />
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP. Nur von 1957 bis 1961 hatte<br />
eine Fraktion allein, nämlich die der CDU/CSU, die Kanzlermehrheit.<br />
Der Normalfall sind jedoch Koalitionsregierungen mit mehr<br />
als einer Fraktion. Sehr unterschiedlich sind bislang die Gesamtstärken<br />
der jeweiligen Regierungskoalitionen ausgefallen. Einige<br />
verfügten nur über hauchdünne Mehrheiten im <strong>Bundestag</strong>. Bei<br />
den beiden Großen Koalitionen (aus CDU/CSU und SPD) in der<br />
Geschichte der Bundesrepublik hingegen konnte der Bundeskanzler<br />
oder die Bundeskanzlerin auf eine große Anzahl von<br />
Abgeordneten bauen – in der Großen Koalition der 16. Wahlperiode<br />
unter Bundeskanzlerin Angela Merkel waren es mehr als<br />
zwei Drittel der Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es, in der ersten Großen<br />
Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (1966 bis 1969) waren es<br />
sogar rund 90 Prozent. Allerdings muss eine Regierung bei Großen<br />
Koalitionen immer damit rechnen, dass es eine Reihe von<br />
Abweichlern gibt, also Abgeordnete, die die Regierungslinie nicht<br />
mittragen, ohne jedoch dabei die Mehrheit infrage zu stellen. So<br />
unterschiedlich die Größen der Regierungskoalitionen gewesen<br />
sind, so ungleich war der Umfang der jeweiligen parlamentarischen<br />
Opposition. In den Zeiträumen der Großen Koalitionen<br />
schrumpfte die Anzahl der Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es, die nicht<br />
der Regierungskoalition angehörten, auf unter ein Drittel.<br />
Die Opposition<br />
Seit 1983 besteht die parlamentarische Opposition aus mehr als<br />
einer Parteiformation. Zuvor war über lange Strecken hinweg<br />
immer nur eine Fraktion in der Opposition. Seit mehr als zwanzig<br />
Jahren setzt sich die Opposition aus mindestens zwei Fraktionen<br />
zusammen, derzeit sogar aus drei. Das hat Auswirkungen<br />
darauf, wie geschlossen (oder eben nicht) die Opposition<br />
der Regierung gegenübertreten kann.<br />
Kanzlermehrheit:<br />
Angela Merkel<br />
(CDU/CSU) steht an<br />
der Spitze der Regie -<br />
rungskoalition aus<br />
CDU/CSU und FDP.<br />
Foto © picture-alliance/dpa/Tim Brakemeier<br />
Die <strong>Bundestag</strong>sopposition hat die Aufgabe, die Regierung zu<br />
kontrollieren, zu kritisieren und Alternativen aufzuzeigen. Im<br />
47
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Wichtigste Auf ga be<br />
der Oppo si tions -<br />
fraktionen ist es,<br />
die Regie rung zu<br />
kontrollieren und<br />
Alter nativen aufzuzeigen.<br />
Parlament spielt die Opposition also eine wichtige Rolle. Denn<br />
Demokratie heißt auch, dass diejenigen kontrolliert werden<br />
müssen, die die Macht haben, damit sie ihre Macht nicht missbrauchen.<br />
Damit die Opposition diese wichtige demokratische<br />
Aufgabe erfüllen kann, muss sie geschützt werden. Wenn man<br />
für alle parlamentarischen Handlungen immer eine Mehrheit<br />
benötigte, wäre die Opposition lahmgelegt. Denn die Regierungsmehrheit<br />
könnte alles blockieren und dominieren; die<br />
Opposition wäre machtlos. Im <strong>Bundestag</strong> gibt es jedoch Rechte,<br />
die auch von einer Minderheit der Abgeordneten genutzt werden<br />
können. Im Bereich der Gesetzgebung kann jede Fraktion<br />
einen Gesetzentwurf in die Beratung einbringen, auch die Fraktionen<br />
der Opposition. Am Ende kann die Regierungsmehrheit<br />
diesen zwar ablehnen, aber die Opposition hat zumindest die<br />
Chance gehabt, Alternativen vorzuschlagen, und somit die<br />
Regierungskoalition gezwungen, öffentlich dazu Stellung zu<br />
beziehen.<br />
Viele Rechte im Bereich der parlamentarischen Kontrolle wie<br />
Große und Kleine Anfragen oder die Beantragung einer Aktuellen<br />
Stunde können von einzelnen, auch oppositionellen Fraktionen<br />
ausgeübt werden. Und tatsächlich nutzen die Oppositionsabgeordneten<br />
diese Kontrollinstrumente mehr als die<br />
Mitglieder der Regierungsfraktionen. Für zwei weitere »scharfe«<br />
Kontrollinstrumente braucht man ebenfalls keine Mehrheit:<br />
Untersuchungsausschüsse müssen eingesetzt werden, falls mindestens<br />
ein Viertel der Abgeordneten dies verlangt, und eine<br />
parlamentarische Minderheit kann beim Bundesverfassungsgericht<br />
gegen ein verabschiedetes Gesetz klagen, wenn sie der<br />
Auffassung ist, es sei verfassungswidrig, oder wenn sie sich in<br />
ihren Rechten eingeschränkt fühlt.<br />
In der 17. Wahlperiode stehen den 332 Mitgliedern der Regierungskoalition<br />
aus CDU/CSU und FDP 290 Abgeordnete der Oppositionsfraktionen<br />
von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke<br />
gegenüber.<br />
48
Fraktionen<br />
Oppositionsführer<br />
Im britischen Parlament wird die Rolle der Opposition besonders hervorgehoben.<br />
Es gibt sogar das offizielle Amt des »Oppositionsführers«, der<br />
den Titel »Leader of Her Majesty’s Opposition« (Vorsitzender der Opposition<br />
der Königin) tragen darf. Besteht allerdings wie in Deutschland die<br />
Opposition meist aus mehreren Parteien, die vielleicht auch noch unterschiedliche<br />
politische Ziele verfolgen, dann ist es schwierig, den »einen«<br />
Oppositionsführer auszumachen.<br />
Grenzen des Fraktionenparlaments<br />
Der Blick auf die Konflikte zwischen den Fraktionen ist wichtig<br />
für das Verständnis des parlamentarischen Betriebs. Aber nicht<br />
die gesamte <strong>Bundestag</strong>sarbeit läuft im Konflikt zwischen den<br />
parteipolitischen Gruppierungen ab. Die Fraktionen treten nicht<br />
immer als geschlossene Einheiten auf. Nicht für alle Abstimmungen<br />
wird im Vorfeld eine Fraktionsposition festgelegt. Bei<br />
manchen Themen kann oder sollte keine einheitliche Fraktionslinie<br />
gefunden werden. Das gilt beispielsweise für fundamental-ethische<br />
Fragen wie das Thema Schwangerschaftsabbruch.<br />
Bei solchen Themen kann man den Fraktionsmitgliedern<br />
kaum Vorgaben machen, denn dies sind mitunter sehr persönliche<br />
Gewissensfragen. Die anschließenden ergebnisoffenen<br />
Debatten werden oft als »Sternstunden« des Parlaments<br />
bezeichnet. Bei anderen Fragen kann die Konfliktlinie quer<br />
durch die Fraktionen gehen. Ein Beispiel hierfür ist das Thema<br />
Nichtraucherschutz, für das sich Abgeordnete aus allen Fraktionen<br />
starkgemacht haben. Eine Reihe von Gesetzentwürfen entsteht<br />
nicht im Konflikt der Fraktionen, sondern als interfraktionelle<br />
Initiative.<br />
Nicht immer gibt<br />
es bei Abstim -<br />
mungen eine<br />
einheitliche<br />
Fraktionslinie.<br />
In der alltäglichen parlamentarischen Arbeit gibt es bei<br />
Geschäftsordnungsfragen oft die Wendung »nach einer interfraktionellen<br />
Vereinbarung«. Das heißt, dass sich die Fraktionen<br />
49
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Foto © picture-alliance/dpa/Hannibal Hanschke<br />
Der Vorsitzende der<br />
SPD-Fraktion, Frank-<br />
Walter Steinmeier, und<br />
SPD-Parteichef Sigmar<br />
Gabriel (v. l.) bei einer<br />
Fraktionssitzung.<br />
vorher bereits einig geworden<br />
sind, wie lange beispiels<br />
weise über welches<br />
Thema gesprochen wird oder<br />
welchen Ausschüssen welche<br />
Gesetzentwürfe überwiesen<br />
werden. Was die Spielregeln<br />
des parlamen tarischen Be -<br />
triebs betrifft, versucht man<br />
stets eine große Übereinstimmung<br />
zwischen allen<br />
Fraktionen herzustellen. Wür -<br />
den die Fraktionen nie zu -<br />
sammenarbeiten, wäre die<br />
Folge die Lähmung des <strong>Bundestag</strong>es. Man würde sich und die<br />
parlamentarische Demokratie in Geschäftsordnungskämpfen ver -<br />
schleißen.<br />
Die Beziehung zwischen Fraktion und Partei<br />
Die Fraktionen und die außerparlamentarischen Parteien arbeiten<br />
eng zusammen, beispielsweise die SPD-Fraktion mit der SPD<br />
oder die CDU/CSU-Fraktion mit den Parteien CDU und CSU. Fraktionen<br />
gelten auch als die »parlamentarischen Arme« der Parteien.<br />
Über die parteipolitischen Zusammenschlüsse der Abgeordneten<br />
wirken die Parteien in das Parlament und in die<br />
Regierung hinein. Fraktionen und Parteien sind personell stark<br />
miteinander verflochten. Die Spitzen der <strong>Bundestag</strong>sfraktion<br />
und die außerparlamentarischen Parteiführungen sind zum Teil<br />
identisch.<br />
Auch die Willensbildung von Partei und Fraktion ist miteinander<br />
verbunden. Rein formal gesehen können die Abgeordneten<br />
unabhängig von äußeren Einflüssen entscheiden. Doch natürlich<br />
müssen sie auch die jeweiligen Positionen ihrer Partei<br />
berücksichtigen. So sind Beschlüsse von Parteitagen für die<br />
50
Fraktionen<br />
Arbeit der Fraktionen<br />
vielleicht nicht formal<br />
bin dend, aber zumindest<br />
eine starke Orien tie -<br />
rung. Reibungen zwi -<br />
schen Partei und Frak tion<br />
sind durchaus denkbar.<br />
Insbesondere bei Parteien,<br />
die die Regierung tra -<br />
gen, kann die Fraktion<br />
unter ei nem größeren<br />
Druck ste hen – vor al -<br />
lem, wenn sie Teil einer<br />
Ko a lition ist und Kompromisse<br />
erarbeiten und tragen muss. Parteipolitiker, die nicht<br />
im Parlament vertreten sind, können dagegen Positionen freier<br />
beziehen und sich dabei von den Fraktionsmitgliedern derselben<br />
Partei unterscheiden.<br />
Die Parteivorsitzenden<br />
von Die Linke, Gesine<br />
Lötzsch und Klaus<br />
Ernst, sowie der<br />
Fraktionsvorsitzende<br />
Gregor Gysi (v. l.).<br />
Foto: picture-alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert<br />
Wer ist letztendlich einflussreicher – die Partei oder die Fraktion?<br />
Es gibt parlamentarische Systeme, in denen die Fraktion das<br />
Machtzentrum der gesamten Partei bildet, zum Beispiel in<br />
Großbritannien. In anderen Fällen wie in Frankreich sind die<br />
Parlamentsfraktionen lediglich die schwachen Arme einer starken<br />
außerparlamentarischen Parteiorganisation. In Deutschland<br />
spricht man von einer mittleren Variante; Partei und Fraktion<br />
halten sich die Waage. Allerdings kann dies von Fraktion zu<br />
Fraktion unterschiedlich sein. So hat es beispielsweise insbesondere<br />
in den Anfangsjahren der Partei Die Grünen oft Konflikte<br />
zwischen der grünen Parteiführung und den grünen Parlamentsvertretern<br />
gegeben. Bei den Grünen wurde über Jahre<br />
eine deutliche Linie zwischen Parteipersonal und Fraktionspersonal<br />
gezogen: Wer im Parlament war, durfte keine Führungsposition<br />
in der Partei bekleiden. Die FDP ist das Gegenbeispiel:<br />
Hier ist die Parlamentsfraktion gegenüber der Partei vergleichsweise<br />
stark aufgestellt.<br />
51
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Fraktionslose Abgeordnete<br />
Im Laufe einer Legislaturperiode kommt es immer wieder vor,<br />
dass Abgeordnete ihre Fraktionsmitgliedschaft verlieren oder<br />
aufgeben. Dies kann völlig freiwillig geschehen, nämlich dann,<br />
wenn Abgeordnete für sich entscheiden, dass eine Fraktion nicht<br />
mehr ihre politische Heimat ist. Manchmal schließt eine Fraktion<br />
einen Abgeordneten aber auch aus, zum Beispiel wegen<br />
»parteischädigenden Verhaltens«.<br />
Abgeordnete<br />
müssen nicht<br />
einer Fraktion<br />
angehören.<br />
Fraktionslose Parlamentarier haben dieselben Abgeordnetenrechte<br />
wie Fraktionsmitglieder. Allerdings können sie nicht<br />
mehr die Privilegien nutzen, die mit der Mitgliedschaft in einer<br />
Fraktion verbunden sind. Dies hat beispielsweise Auswirkungen<br />
auf ihr Recht, in der Plenardebatte zu reden. Denn die Redezeiten<br />
werden über die Fraktionen verteilt. Fraktionslose Abgeordnete<br />
kommen, wenn überhaupt, erst am Ende einer langen<br />
Rednerliste zum Zuge. Zudem können sie nicht auf die Infrastruktur<br />
einer Fraktion zurückgreifen, keine Gesetzentwürfe<br />
einbringen, keine Kleinen oder Großen Anfragen stellen und<br />
keine namentliche Abstimmung verlangen. Andererseits unterliegen<br />
sie keiner Fraktionsdisziplin. Sie müssen sich nicht an<br />
Fraktionspositionen halten und sich auch nicht rechtfertigen,<br />
wenn sie in der einen oder anderen Frage eventuell abweichender<br />
Meinung sind.<br />
Gruppen<br />
Zwischen den einzelnen fraktionslosen Parlamentariern und den<br />
Fraktionen gibt es noch eine weitere Form der Verbindung von<br />
Abgeordneten: die Gruppe. Eine Gruppe ist ein Zusammenschluss<br />
von Parlamentariern gleicher politischer Überzeugung, der aber<br />
nicht die Fraktionsmindeststärke erreicht hat. Es gibt keine klare<br />
Festlegung, wie viele Abgeordnete zusammenkommen müssen,<br />
um eine Gruppe zu bilden. Letzten Endes entscheidet der <strong>Bundestag</strong>,<br />
also die Mehrheit, über die Anerkennung von Gruppen<br />
52
Fraktionen<br />
und die Zuerkennung von Rechten und<br />
Ausstattung.<br />
Zu Beginn der 12. Wahlperiode bildeten<br />
die acht Abgeordneten von Bündnis<br />
90/Die Grünen sowie die 17 Abgeordneten<br />
der PDS/Linke Liste jeweils<br />
solche Gruppen. Infolge der deutschen<br />
Einheit galt 1990 eine Sonderregelung,<br />
dass auch Parteien und Listenverbindungen,<br />
die allein in den neuen Bundesländern<br />
auf über fünf Prozent<br />
gelangen konnten, bei der Mandatsverteilung<br />
berücksichtigt werden sollten. Nach der Wahl 1994<br />
wurde der Zusammenschluss der 30 PDS-Abgeordneten als<br />
Gruppe eingestuft. In der 15. Wahlperiode ab 2002 wurde dagegen<br />
den beiden direkt gewählten PDS-Abgeordneten der Gruppenstatus<br />
verwehrt.<br />
Den bisherigen Gruppen standen ähnliche Rechte und Ressourcen<br />
wie den Fraktionen zu, allerdings in abgestuftem Maße. Sie<br />
konnten Mitglieder in den Ältestenrat und die Fachausschüsse<br />
entsenden, hatten Initiativrechte vergleichbar denen der Fraktionen<br />
und erhielten Mittel für Mitarbeiter und die Büroinfrastruktur.<br />
Sie hatten entsprechend ihrer Größe Redezeiten in der<br />
Plenardebatte. Gruppenvorsitzende hatten dieselben Privilegien<br />
wie die Vorsitzenden der Fraktionen. Bestimmte Rechte<br />
blieben allerdings den Fraktionen vorbehalten, beispielsweise<br />
namentliche Abstimmungen zu verlangen oder zu beantragen,<br />
ein Mitglied der Bundesregierung herbeizurufen.<br />
Doppelspitze der<br />
Fraktion Bündnis<br />
90/Die Grünen:<br />
Renate Künast und<br />
Jürgen Trittin.<br />
Weniger als<br />
fünf Prozent aller<br />
Abgeordneten<br />
mit gleicher politischer<br />
Überzeugung<br />
können<br />
sich zu einer<br />
Gruppe zusammenschließen.<br />
Foto: picture-alliance/ZB/Martin Schutt<br />
53
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Bei jeder größeren Organisation gibt es eine Führungsspitze, bei<br />
jedem größeren Unternehmen oder Verein gibt es einen Vorstand.<br />
Auch der <strong>Bundestag</strong> hat eine Leitungsebene. Aber wie das Parlament<br />
in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere Organisation ist,<br />
so sind auch die Leitungsorgane ganz besondere.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> ist kein Verein, keine Firma, sondern ein Staatsorgan.<br />
Er erfüllt hoheitliche Aufgaben. Und die Mitglieder des<br />
<strong>Bundestag</strong>es sind nicht in eine Hierarchie eingeordnet. Vielmehr<br />
sind sie selbstständige Einheiten, die rechtlich gesehen<br />
unabhängig von Weisungen anderer und somit auch unabhängig<br />
von Weisungen von oben handeln. Die Koordination einer<br />
solchen Organisation läuft deswegen anders ab, als man das<br />
aus anderen Zusammenhängen kennen mag. Leitungsorgane<br />
des <strong>Bundestag</strong>es sind der Präsident, das Präsidium sowie der<br />
Ältestenrat.<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
Norbert Lammert<br />
(CDU/CSU).<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/studio kohlmeier<br />
54
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
Dem <strong>Bundestag</strong> steht der <strong>Bundestag</strong>spräsident vor. Er prägt das<br />
Gesicht des Parlaments in der Öffentlichkeit und gehört zur<br />
politischen Prominenz. Im Staat steht der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
weit oben: In der protokollarischen Reihenfolge nimmt er Platz<br />
zwei hinter dem Bundespräsidenten ein. Wie aber wird man<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsident? Das Grundgesetz sagt hierzu nur, dass der<br />
Präsident vom <strong>Bundestag</strong> gewählt wird. Alles Weitere regelt die<br />
Geschäftsordnung. <strong>Bundestag</strong>spräsident kann nur ein Mitglied<br />
des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es werden. Der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
kommt also aus der »Mitte des Hauses«. Ansonsten gibt es<br />
keine formalen Voraussetzungen. Aus der Weimarer Republik<br />
stammt allerdings eine – nirgends niedergeschriebene – Tradition:<br />
Die jeweils stärkste Fraktion hat das Vorschlagsrecht bei<br />
der Wahl des <strong>Bundestag</strong>spräsidenten. Dies gilt auch für den<br />
Fall, dass die größte Fraktion gerade in der Opposition ist. So<br />
hatte die CDU/CSU-Fraktion aus der Opposition heraus das<br />
Recht, 1969 mit Kai-Uwe von Hassel, 1976 mit Karl Carstens und<br />
1979 mit Richard Stücklen dieses Amt zu besetzen.<br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident:<br />
zweiter Mann<br />
im Staat.<br />
Die Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es wählen ihren Präsidenten mit<br />
verdeckten Stimmzetteln. Der Kandidat benötigt die Mehrheit<br />
der Mitglieder. Tatsächlich sind bei den bisherigen Wahlen<br />
zumeist mehr als zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen auf<br />
den vorgeschlagenen Kandidaten entfallen. Was gut ist, denn<br />
der Präsident hat die Aufgabe, den gesamten <strong>Bundestag</strong> nach<br />
außen zu vertreten und in der Ausübung seines Amtes überparteilich<br />
zu handeln. Eine Abwahl des <strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Der Präsident kann aber<br />
zurücktreten – ein <strong>Bundestag</strong>spräsident, der nicht mehr das<br />
Vertrauen des Parlaments genießt, wird sich kaum im Amt halten<br />
können.<br />
55
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident vertritt das Parlament gegenüber den<br />
anderen Staatsorganen und der Gesellschaft. Er vereidigt den<br />
Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin und die Bundesminister.<br />
Er ist Ansprechpartner für alle, die sich an den <strong>Bundestag</strong><br />
als Staatsorgan wenden wollen, vertritt das Parlament in<br />
Rechtsstreitigkeiten und steht der Parlamentsverwaltung vor.<br />
Der Präsident des <strong>Bundestag</strong>es ist der »Herr im Haus«. Er verfügt<br />
über das Hausrecht und die Polizeigewalt im Parlament. Er<br />
kann Ordnungsmaßnahmen gegen randalierende Zuschauer<br />
verhängen. Und innerhalb der Gebäude des Parlaments liegt<br />
alles, was zur hoheitlichen Aufgabe der Polizei gehört, in seiner<br />
Hand. Hierfür steht dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten die »Hauspolizei«<br />
des <strong>Bundestag</strong>es zur Verfügung. Die eigene Polizeigewalt<br />
der Volksvertretung hat ihre Wurzeln im frühen Parlamentarismus,<br />
als sich die Abgeordneten gegen die Fürsten absichern<br />
mussten, die auch mithilfe ihrer Polizeikräfte die parlamentarische<br />
Arbeit zu behindern versuchten.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Anke Jacob<br />
<strong>Bundestag</strong>spolizei<br />
Der <strong>Bundestag</strong> ist ein eigener Polizeibezirk, in dem der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
das Hausrecht und die Polizeigewalt ausübt. Die Polizei beim Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong> sorgt für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und<br />
gewährleistet damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Dabei sind die<br />
Polizeibeamten nicht nur für alle Gebäude und Grundstücke des <strong>Bundestag</strong>es<br />
verantwortlich, sondern auch für Orte, die nur vorübergehend vom<br />
<strong>Bundestag</strong> genutzt werden. Die parlamentarische Polizeigewalt ist im<br />
Grundgesetz verankert. Zwar ist die Zuständigkeit anderer Polizeibehörden<br />
im Bereich des Parlaments ausgeschlossen, aber die Polizei des <strong>Bundestag</strong>es<br />
arbeitet mit anderen Polizeibehörden eng zusammen.<br />
Allseits sichtbar und hervorgehoben ist der Präsident, wenn er<br />
die Plenarsitzungen des <strong>Bundestag</strong>es leitet, also wenn er Sitzungspräsident<br />
ist. Er oder einer seiner Stellvertreter nimmt in<br />
den Plenardebatten den mittleren der drei Plätze des Sitzungs-<br />
56
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
vorstands ein, den Platz zwischen den beiden Schriftführern.<br />
Die Schriftführer sind Parlamentarier, die von den Fraktionen<br />
vorgeschlagen werden. Je ein Abgeordneter aus der Regierungsmehrheit<br />
und der Opposition sitzen am Tisch des Sitzungsvorstands.<br />
Sie führen die Rednerliste und unterstützen den Sitzungspräsidenten<br />
in der Ausübung seiner Aufgaben.<br />
Als Zeichen des Respekts erheben sich die Abgeordneten von<br />
ihren Plätzen, wenn der sitzungsleitende Präsident zu Beginn<br />
der Plenardebatte den Saal betritt. Der Sitzungspräsident sorgt<br />
für den ordnungs- und absprachegemäßen Ablauf der Plenarberatungen.<br />
Er achtet auf die Einhaltung der Geschäftsordnungsregeln<br />
zum Beispiel bei Abstimmungen, ruft die Redner<br />
auf und sorgt dafür, dass die vortragenden Abgeordneten die<br />
ihnen zugewiesene Redezeit nicht überschreiten. Wenn ein<br />
Parlamentarier trotz Ermahnungen nicht zum Ende kommen<br />
will, kann der Präsident ihm das Wort entziehen. Der Sitzungspräsident<br />
wacht auch darüber, dass die Parlamentarier am Rednerpult<br />
oder auf den Sitzplätzen in Wort und Tat nicht die<br />
Würde des Hauses beschädigen. Bei Bedarf kann der Sitzungspräsident<br />
einen Parlamentarier mit einem Ordnungsruf belegen<br />
und in schwerwiegenden Fällen sogar des Saales verweisen.<br />
Der Bundes tags -<br />
präsident muss<br />
sich überparteilich<br />
verhalten.<br />
Als Sitzungsleiter und bei der Erfüllung der sonstigen Aufgaben<br />
muss sich der <strong>Bundestag</strong>spräsident überparteilich verhalten.<br />
Allerdings verliert ein Parlamentarier nicht seine parteipolitische<br />
Heimat, wenn er das Amt des <strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
übernimmt. Der Parlamentspräsident bleibt weiterhin Mitglied<br />
seiner Fraktion und nimmt aufgrund seiner Funktion meist<br />
einen wichtigen Platz in der Fraktionsführung ein. Als gewählter<br />
Parlamentarier betreut er weiterhin seinen Wahlkreis und<br />
wirkt in den Entscheidungsgremien seiner Partei mit. Er kann<br />
wie jedes andere Mitglied an Debatten und Abstimmungen des<br />
<strong>Bundestag</strong>es teilnehmen – wenngleich der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
in parteipolitisch kontroversen Debatten von seinem<br />
Rederecht meist nur begrenzt Gebrauch macht.<br />
57
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Der Speaker des House of Commons<br />
Die bleibende parteipolitische Zuordnung unterscheidet den <strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
von anderen Parlamentsvorsitzenden wie dem Speaker des<br />
britischen Unterhauses. Tritt ein Speaker sein Amt an, wird er sich nicht<br />
mehr an Debatten oder Abstimmungen beteiligen. Durch sein Amt steht er<br />
über den Parteien und Fraktionen und kann so auch bei wechselnden<br />
Mehrheitsverhältnissen Speaker bleiben, wenn er die entsprechende<br />
Zustimmung des Unterhauses hat. Wenn sich aber im <strong>Bundestag</strong> die Kräfteverhältnisse<br />
nach Wahlen ändern, dann wechselt das Vorschlagsrecht für<br />
den <strong>Bundestag</strong>spräsidenten an die nun stärkste Fraktion. Es wird ein<br />
neuer <strong>Bundestag</strong>spräsident gewählt.<br />
Foto © picture-alliance/empics/Stefan Rousseau<br />
John Bercow, seit 2009 Speaker des House of Commons.<br />
58
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Die Vizepräsidenten und das Präsidium<br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident wird in seinen Aufgaben von Stellvertretern<br />
unterstützt und vertreten. Zusammen mit dem Präsidenten<br />
bilden die Vizepräsidenten das Präsidium des Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong>es. Auch die <strong>Bundestag</strong>svizepräsidenten werden von<br />
den Mitgliedern des Hauses gewählt – bis 1980 »in einem<br />
Paket«, also als gemeinsamer Vorschlag. Seitdem wird über die<br />
Kandidaten einzeln abgestimmt. Die Geschäftsordnung sichert<br />
mittlerweile jeder Fraktion das Recht zu, einen Kandidaten für<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc-Steffen Unger<br />
das Amt des Vizepräsidenten vorschlagen zu dürfen. Dass die<br />
Wahl jedoch keine reine Formsache ist, zeigen die Vorgänge zu<br />
Beginn der 16. Wahlperiode. Die Fraktion Die Linke hatte mit<br />
dem Parteivorsitzenden Lothar Bisky einen Kandidaten aufgestellt,<br />
der es in vier Anläufen nicht schaffte, die erforderliche<br />
Mehrheit im <strong>Bundestag</strong> zu erreichen. Die Linksfraktion nominierte<br />
dann Petra Pau, die schließlich gewählt wurde.<br />
Das Präsidium des<br />
17. Deutschen Bundes -<br />
tages (v. l.):<br />
Wolfgang Thierse (SPD),<br />
Katrin Göring-Eckardt<br />
(Bündnis 90/Die Grünen),<br />
Norbert Lammert (CDU),<br />
Petra Pau (Die Linke),<br />
Eduard Oswald (CSU),<br />
und Hermann Otto<br />
Solms (FDP).<br />
59
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Zu den wichtigsten Aufgaben der Vizepräsidenten gehört es, im<br />
Wechsel mit dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten die Plenarsitzungen<br />
zu leiten. In ihrer Arbeit als Sitzungspräsidenten kommen ihnen<br />
dieselben Pflichten und Rechte zu wie dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten.<br />
Auch in anderen Situationen vertreten die »Vizes« den<br />
Präsidenten. Dabei hat der Vizepräsident aus der zweitstärksten<br />
Fraktion das erste Zugriffsrecht, solche Termine wahrzunehmen.<br />
Der Bundes tags -<br />
präsident und<br />
seine Stell ver -<br />
treter besprechen<br />
alle wich tigen<br />
Fragen gemeinsam.<br />
In einer Reihe von Entscheidungen muss sich der <strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
mit seinen Präsidiumskollegen »ins Benehmen setzen«,<br />
sie also informieren, und bei anderen Fragen sogar Einvernehmen<br />
mit ihnen herstellen: In den Punkten, in denen ein<br />
Einvernehmen erforderlich ist, können die Vizepräsidenten Entscheidungen<br />
mit Mehrheit verhindern. Allerdings wird in solchen<br />
Situationen immer versucht, einen Konsens herzustellen.<br />
Das Präsidium wirkt bei Personalentscheidungen in der <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
mit und wacht über die Einhaltung der Verhaltensregeln<br />
durch die Abgeordneten. Neben seinen offiziellen<br />
Zuständigkeiten ist das Präsidium ein kollegiales Leitungsorgan.<br />
Der <strong>Bundestag</strong>spräsident und die Vizepräsidenten besprechen<br />
alle wichtigen Fragen, die in die Entscheidungskompetenz des<br />
Präsidenten fallen – auch in den Fällen, in denen der Präsident<br />
rechtlich gesehen allein entscheiden könnte. Konflikte, die das<br />
Präsidium nicht einvernehmlich lösen kann, landen in der Regel<br />
im Ältestenrat.<br />
Der Ältestenrat<br />
Im Ältestenrat kommen nicht die ältesten oder dienstältesten<br />
Abgeordneten zusammen – da mag der Name ein wenig in die<br />
falsche Richtung führen. Vielmehr treffen sich hier die<br />
Geschäftsführungen der Fraktionen sowie die parlamentarische<br />
Leitungsebene. Die Mitglieder des Präsidiums sind automatisch<br />
auch Mitglieder im Ältestenrat. Hinzu kommen noch weitere 23<br />
von den Fraktionen benannte Abgeordnete. Mit am Tisch sitzt<br />
auch ein Vertreter der Bundesregierung. Denn was im Ältesten-<br />
60
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
rat besprochen und vereinbart wird, betrifft auch die Regierung<br />
und ihre Gesetzesinitiativen. Der Ältestenrat ist die zentrale<br />
geschäftsführende Instanz im <strong>Bundestag</strong>.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Werner Schuering<br />
Zunächst dient der Ältestenrat dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten als<br />
Beratungsgremium. Fragen, die die Arbeit des Parlaments<br />
betreffen, bespricht der Präsident mit den übrigen Mitgliedern<br />
des Ältestenrats zum Beispiel dann, wenn die Auslegung der<br />
Geschäftsordnung unklar ist oder wenn über das Vorgehen<br />
eines sitzungsleitenden Präsidenten diskutiert werden muss. In<br />
solchen Situationen kann auch der Geschäftsordnungsausschuss<br />
des <strong>Bundestag</strong>es mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme<br />
beauftragt werden. In bestimmten Fällen ist der Präsident<br />
sogar verpflichtet, den Ältestenrat zu beteiligen, wenn<br />
zum Beispiel Berichte der Bundesregierung unmittelbar an die<br />
Ausschüsse überwiesen werden.<br />
Sitzungssaal des<br />
Ältestenrats im<br />
Reichstagsgebäude.<br />
61
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Der Geschäftsordnungsausschuss<br />
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ist für<br />
die inneren Angelegenheiten des <strong>Bundestag</strong>es zuständig. Der Ausschuss<br />
prüft Einsprüche gegen den Ablauf der Wahl und wacht über die Immunität<br />
der Abgeordneten, die sie vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen<br />
soll. Darüber hinaus ist er eine Art Schiedsrichter im parlamentarischen<br />
Betrieb. Als Geschäftsordnungsausschuss ist er für die Auslegung<br />
und Änderung der parlamentarischen Spielregeln zuständig, wie sie in der<br />
Geschäftsordnung des <strong>Bundestag</strong>es niedergeschrieben sind.<br />
Die wichtigste Zuständigkeit des Ältestenrats liegt allerdings in<br />
der Vorbereitung der Plenardebatte. Das Gremium entscheidet,<br />
welche Ausschüsse federführend Gesetzentwürfe beraten, welche<br />
Themen wie ausführlich in den Plenarsitzungen behandelt<br />
werden oder welche Redeanteile die jeweiligen Fraktionen<br />
erhalten. Der Großteil der Vereinbarungen über die Tagesordnung<br />
und die Debattengestaltung ist bereits im Vorfeld der<br />
Ältestenratssitzungen in der Runde der Ersten Parlamentarischen<br />
Geschäftsführer vorbereitet worden. Solche Vorabsprachen<br />
werden vom Ältestenrat nur noch formal »abgesegnet«.<br />
Berliner Stunde<br />
Wie viele Abgeordnete in einer Debatte reden dürfen, bemisst sich nach<br />
der Berliner Stunde: In der 17. Wahlperiode hat bei einer rund einstündigen<br />
Debatte die CDU/CSU-Fraktion 23 Minuten Redezeit, die SPD 14, die FDP<br />
neun, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen je sieben Minuten Redezeit.<br />
Fraktionslose Abgeordnete erhalten drei Minuten. Die Geschäftsführer der<br />
Fraktionen teilen dem Sitzungsvorstand mit, welcher Abgeordnete wie<br />
lange reden darf. Die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrats<br />
besitzen ein Redeprivileg: Sie müssen nach dem Grundgesetz »jederzeit<br />
gehört werden«. Es ist allerdings üblich, dass die Redezeit von Regierungsmitgliedern<br />
auch der Redezeit der Regierungsfraktionen angerechnet wird.<br />
62
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Die Ältestenratsbeschlüsse dienen dem Sitzungspräsidenten als<br />
Anleitung, mit deren Hilfe er die Abarbeitung der im Plenum<br />
anstehenden Punkte koordinieren kann. Bezieht sich der<br />
jeweilige Sitzungspräsident später auf die Entscheidungen des<br />
Ältestenrats, verwendet er die Formel: »Nach einer Vereinbarung<br />
im Ältestenrat ...« Dass die Organisation der Plenarsitzungen<br />
im Vorfeld einvernehmlich zwischen den Fraktionen<br />
besprochen wird, erspart viele Geschäftsordnungsdebatten.<br />
Allerdings können die Vorentscheidungen des Ältestenrats vom<br />
Plenum per Mehrheitsbeschluss wieder aufgehoben werden.<br />
Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
Die Arbeit des Parlaments wird von der Verwaltung des <strong>Bundestag</strong>es,<br />
einer obersten Bundesbehörde, unterstützt. Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
untersteht dem Präsidenten des Parlaments und<br />
wird vom »Direktor beim Deutschen <strong>Bundestag</strong>« geleitet. Ganz<br />
bewusst heißt es nicht »Direktor des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es«.<br />
Denn der Direktor steht nicht über dem Parlament und seinen<br />
Mitgliedern, sondern ist ihm zugeordnet. Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
ist kein Leitungsorgan, sondern eine Behörde zu Diensten<br />
des Parlaments. Aufgebaut ist die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung wie<br />
viele andere Behörden auch. Die kleinste Arbeitseinheit sind die<br />
Referate. Sie werden in Unterabteilungen zusammengefasst, die<br />
wiederum Abteilungen bilden. Davon ausgenommen sind die<br />
Referate im Bereich Presse und Kommunikation, die unmittelbar<br />
dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten zugeordnet sind. Die Verwaltung<br />
umfasst rund 2.500 Mitarbeiter. Damit ist die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
einer der größten Parlamentsdienste weltweit.<br />
Die Bundes tags -<br />
verwaltung<br />
unterstützt das<br />
Parlament in<br />
seiner Arbeit.<br />
Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung arbeitet dem <strong>Bundestag</strong> zu. Sie dient<br />
nicht der Mehrheit, der Opposition oder einer speziellen Fraktion,<br />
sondern der Gesamtheit der Parlamentarier und insbesondere<br />
den parlamentarischen Leitungsgremien und Ausschüssen.<br />
Von den notwendigen Infrastrukturleistungen rund um den<br />
Berliner Parlamentssitz über die Organisation der Abgeordne-<br />
63
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
Präsidialbüro<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsident<br />
Presse und Kommunikation<br />
Direktorbüro<br />
Direktor<br />
Protokoll<br />
Wehrbeauftragter<br />
Amt des Wehrbeauftragten<br />
Sekretariat FödKo II<br />
P<br />
Parlament<br />
und<br />
Abgeordnete<br />
W<br />
Wissenschaft<br />
und Außenbeziehungen<br />
I<br />
Information<br />
und Dokumentation<br />
Z<br />
Zentralabteilung<br />
Abteilungen<br />
PD<br />
Parlamentsdienste<br />
PM<br />
Mandatsdienste<br />
PA<br />
Ausschüsse<br />
WD<br />
Wissenschaftliche<br />
Dienste<br />
WI<br />
Internationale<br />
Beziehungen<br />
Pet<br />
Petitionen<br />
und Eingaben<br />
ID<br />
Bibliothek<br />
und Dokumentation<br />
IO<br />
Information<br />
und Öffentlichkeitsarbeit<br />
IT<br />
Informationstechnik<br />
ZV<br />
Zentrale<br />
Verwaltung<br />
ZR<br />
Recht<br />
ZT<br />
Technik und<br />
Betrieb<br />
Unterabteilungen<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
tenentschädigung und Parteienfinanzierung bis hin zum Fahrdienst<br />
für die Parlamentarier – das Leistungsspektrum der <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
ist breit. Für die Außenwelt besonders gut<br />
sichtbare Mitarbeiter der Parlamentsdienste sind die Stenografen,<br />
die im Plenarsaal vor dem Rednerpult sitzen und die<br />
Debatten wortwörtlich protokollieren, sowie die livrierten Saaldiener.<br />
Wer schon einmal den <strong>Bundestag</strong> besucht hat, ist<br />
außerdem mit dem Besucherdienst in Kontakt gekommen oder<br />
hat Publikationen aus der Öffentlichkeitsarbeit des <strong>Bundestag</strong>es<br />
erhalten. All dies sind Leistungen und Arbeitseinheiten der<br />
<strong>Bundestag</strong>sverwaltung.<br />
64
Die Leitungsorgane des Parlaments<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/<br />
Lichtblick/Achim Melde<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Werner Schüring<br />
Besonders wichtig für die parlamentarische Sacharbeit sind die<br />
Ausschusssekretariate, die Wissenschaftlichen Dienste und die<br />
Bibliothek mit umfangreichen Recherchemöglichkeiten. Jeder<br />
Fachausschuss wird von einer Einheit der <strong>Bundestag</strong>sverwaltung<br />
betreut, die organisatorisch und fachlich den Vorsitzenden<br />
und die Mitglieder des Ausschusses unterstützt. Die Wissenschaftlichen<br />
Dienste helfen den Parlamentariern, sich in komplizierte<br />
Fragen einzuarbeiten, und liefern ihnen Material und<br />
Gutachten für ihre parlamentarische Arbeit.<br />
Stenografen (l.) und<br />
Saaldiener (r.) unterstützen<br />
das Parlament in<br />
seiner Arbeit.<br />
Foto © picture-plliance/dpa/Rainer Jensen<br />
Informations- und<br />
Dienstleistungszentrum:<br />
Das Marie-Elisabeth-<br />
Lüders-Haus beherbert<br />
die Bibliothek, das<br />
Archiv, die Presse do ku -<br />
mentation und die<br />
Wissenschaftlichen<br />
Dienste des Bundes -<br />
tages.<br />
65
Die Abgeordneten<br />
im parlamentarischen Alltag<br />
Parlamentarier sind keine »Einzelkämpfer« im <strong>Bundestag</strong>,<br />
sondern schließen sich mit anderen zusammen. Dabei entstehen<br />
auch Spannungen zwischen der Macht der Fraktionen und der<br />
Freiheit des jeweiligen Abgeordneten. Aber können die einzelnen<br />
Abgeordneten in einer so großen Gemeinschaft überhaupt<br />
Bedeutung erlangen? Und was kann ein Parlamentarier allein<br />
bewirken?<br />
In der Regel sind alle Abgeordneten in Fraktionen zusammengeschlossen.<br />
Das ist wichtig, denn ein Parlament mit über 600<br />
unverbundenen Abgeordneten wäre wohl kaum arbeitsfähig.<br />
Die Fraktionen gewährleisten die Handlungs- und Beschlussfähigkeit<br />
einer so großen Versammlung von rechtlich gesehen<br />
unabhängigen Personen. Doch die Rolle der Fraktionen kann<br />
auch zulasten der Freiheit der einzelnen Abgeordneten gehen.<br />
Die Parlamentarier haben nur wenige Individualrechte – und<br />
wenn sie diese nutzen, dann geschieht dies in der Regel in<br />
Absprache mit ihrer Fraktion.<br />
Der Abgeordnete im »Fraktionenparlament«<br />
Die Fraktionen<br />
erarbeiten zu<br />
parlamentarischen<br />
Themen<br />
eine einheitliche<br />
Linie für die Frak -<br />
tionsmitglieder.<br />
Was bedeutet die Macht der Fraktionen für die einzelnen Abgeordneten?<br />
Hierum dreht sich eine jahrzehntealte Debatte: Es<br />
geht um die Unabhängigkeit der Parlamentarier, das freie Mandat<br />
gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes und die Bedeutung der<br />
Fraktionen im parlamentarischen Betrieb. Üblicherweise wird<br />
versucht, in den Fraktionen eine einheitliche Linie für die<br />
Abstimmungen und Meinungsäußerungen im Parlament zu<br />
erarbeiten. Die zuständigen Fraktionsmitglieder setzen sich in<br />
den Arbeitsgruppen, -kreisen oder -gemeinschaften mit den<br />
Beratungsthemen auseinander und entwickeln eine Fraktionsposition.<br />
Diese wird in der Fraktionsversammlung, also dem<br />
Treffen aller Mitglieder einer Fraktion, dargelegt, diskutiert und<br />
verabschiedet. Es wird dann erwartet, dass sich die Mitglieder<br />
der Fraktion der vereinbarten Linie anschließen, auch wenn sie<br />
der Position kritisch gegenüberstehen.<br />
66
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Dementsprechend sehen die meisten Abstimmungen im Parlament<br />
so aus: Die Fraktionen votieren einheitlich für oder gegen<br />
einen Antrag oder eine Beschlussvorlage. Bei namentlichen<br />
Abstimmungen signalisieren die Parlamentarischen Geschäftsführer<br />
unübersehbar, welche der drei Abstimmungskarten die<br />
Mitglieder ihrer Fraktionen in die Urne werfen sollen. Sie stehen<br />
an den Urnen und halten die entsprechende Karte hoch. Das<br />
bedeutet jedoch nicht, dass die Abgeordneten gezwungen werden<br />
können, im Sinne der Fraktion zu stimmen. Formal bleibt<br />
das Stimmrecht bei den Parlamentariern. Sie sind rechtlich<br />
gesehen frei in ihrer Entscheidung. Allerdings kann ein Abweichen<br />
von der Fraktionslinie durchaus Konsequenzen haben.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
Namentliche<br />
Abstimmung im<br />
<strong>Bundestag</strong>: Die<br />
Fraktionen stimmen<br />
meist geschlossen ab<br />
und folgen so der<br />
Frak tionslinie.<br />
67
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Die Fraktions -<br />
gemeinschaft<br />
muss sich auf ein<br />
einheitliches<br />
Verhalten ihrer<br />
Mitglieder verlassen<br />
können.<br />
In der Regel sehen die Geschäftsordnungen der Fraktionen vor,<br />
dass Mitglieder, die von der Fraktionslinie abweichen wollen,<br />
sich vorher bei der Fraktionsführung melden und sich »erklären«<br />
müssen. Später haben sie auch die Möglichkeit, eine<br />
»Erklärung zur Abstimmung« in das stenografische Protokoll der<br />
Plenarsitzung zu geben und dort ihre Beweggründe zu dokumentieren.<br />
Ein andauerndes abweichendes Verhalten ist jedoch<br />
ein Problem. Dann kann sich die Fraktionsgemeinschaft nicht<br />
mehr auf ihre Mitglieder und die Regierung nicht mehr auf ihre<br />
parlamentarische Unterstützung verlassen. Damit hätten die<br />
Fraktionen keine Funktion mehr, die Abgeordneten würden<br />
wieder zu Einzelkämpfern, und das Parlament könnte entscheidungsunfähig<br />
werden. Die Solidarität mit der Fraktion ist zudem<br />
der Preis für eine Reihe von Vorteilen, die die Mitgliedschaft in<br />
einer Fraktion mit sich bringt.<br />
Ein Abgeordneter, der immer wieder von der Fraktionslinie<br />
abweicht, kann von der Fraktionsführung mit dem Entzug eines<br />
Ausschusspostens oder einer anderen wichtigen Funktion, die<br />
von den Fraktionen besetzt werden darf, »bestraft« werden. Als<br />
äußerstes Mittel bleibt noch der Ausschluss aus der Fraktion: Die<br />
Abgeordneten behalten dann zwar ihr Mandat bis zum Ende der<br />
Legislaturperiode, müssen aber damit rechnen, dass die Partei<br />
sie bei der kommenden Wahl nicht wieder aufstellt. Ein Beispiel<br />
für von der Fraktionslinie abweichendes Verhalten von Parlamentariern<br />
ist die Verabschiedung der Gesundheitsreform 2007:<br />
43 Abgeordnete der Regierungskoalition sprachen sich in der<br />
Schlussabstimmung gegen den von der Großen Koalition getragenen<br />
Entwurf aus. Danach gab es in den Fraktionen Diskussionen<br />
über diesen Vorgang. Es wurde überlegt, den Abweichlern<br />
ihre Ausschusspositionen zu entziehen. Letzten Endes ist es<br />
jedoch bei Appellen geblieben, künftig mehr Fraktionsdisziplin<br />
zu zeigen.<br />
68
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Fraktionsdisziplin<br />
Die Möglichkeit haben, dem eigenen Gewissen zu folgen – notfalls gegen<br />
die Linie der Fraktion: Was in Deutschland sogar im Grundgesetz verankert<br />
ist, ist in anderen Ländern Europas nur schwer durchzusetzen. So herrscht<br />
zum Beispiel im spanischen Parlament Cortes Generales eine sehr viel<br />
stärkere Fraktionsdisziplin als im <strong>Bundestag</strong>. Und auch die Abgeordneten<br />
des House of Representatives in Malta unterliegen in einem hohen Maß<br />
einem Fraktionszwang. Am strengsten aber geht es in Ungarn zu: Wer bei<br />
wichtigen Abstimmungen fehlt oder anders abstimmt als seine Fraktion,<br />
muss nach der Geschäftsordnung sogar mit einer Geldstrafe rechnen.<br />
Auch der Kanzler verfügt über ein wirksames Mittel, potenzielle<br />
Abweichler in den Regierungsfraktionen zu disziplinieren: Er<br />
kann einen Gesetzentwurf mit der Vertrauensfrage koppeln.<br />
Dann stehen die Parlamentarier vor einer schwierigen Situation.<br />
Wenn sie von der Fraktionslinie abweichen und gegen die Vorlage<br />
stimmen, entziehen sie zugleich der Regierung das Vertrauen.<br />
Das könnte bei einer knappen Mehrheit dazu führen,<br />
dass der <strong>Bundestag</strong> aufgelöst wird. So eine Situation hat es im<br />
Jahr 2001 gegeben. Die Bundesregierung hatte den <strong>Bundestag</strong><br />
um Zustimmung zur Versendung von Bundeswehreinheiten<br />
nach Afghanistan gebeten. Vor der Abstimmung zeichnete sich<br />
jedoch ab, dass die rot-grüne Koalition keine »eigene« Mehrheit<br />
für diese Entscheidung mobilisieren könnte. Die CDU/CSU-<br />
Fraktion war zwar von der Sache her bereit, der Entsendung<br />
zuzustimmen, sodass eine hinreichende Mehrheit bereitgestanden<br />
hätte. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte<br />
allerdings eine Mehrheit aus den eigenen Reihen und verband<br />
den Antrag auf Entsendung der Bundeswehreinheiten mit<br />
der Vertrauensfrage. So standen die Abgeordneten, die die Vorlage<br />
ablehnen wollten, unter dem Druck, mit ihrem Nein den<br />
Bestand der Regierung aufs Spiel zu setzen – und auch ihr eigenes<br />
Mandat, wenn das Parlament vorzeitig aufgelöst würde.<br />
Einige von ihnen gaben nach, sodass die Vorlage und auch die<br />
Gerhard Schröder (SPD)<br />
ist bislang der einzige<br />
Bundeskanzler, der<br />
zwei Mal die Ver -<br />
trauensfrage nutzte.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
69
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Vertrauensfrage eine parlamentarische Mehrheit innerhalb der<br />
Regierungskoalition fanden. So können Abgeordnete auch von<br />
der Regierungsspitze zur (Fraktions-)Disziplin gebracht werden.<br />
Übrigens: Die Abgeordneten der CDU/CSU konnten die Regierungsvorlage<br />
in Verbindung mit der Vertrauensfrage nicht billigen.<br />
Denn dann hätten sie zugleich dem Kanzler ihr grundsätzliches<br />
Vertrauen ausgesprochen – undenkbar für eine<br />
parlamentarische Opposition.<br />
Abgeordnete<br />
gewinnen durch<br />
ihre Fraktions -<br />
zugehörigkeit<br />
Rechte und<br />
Einfluss.<br />
Kein in den <strong>Bundestag</strong> gewählter Abgeordneter ist gezwungen,<br />
Mitglied einer Fraktion zu werden. Die Parlamentarier streben<br />
freiwillig die Fraktionsmitgliedschaft an, schließlich ist sie mit<br />
zahlreichen Vorteilen für die einzelnen Abgeordneten verbunden.<br />
Sie gewinnen durch ihre Fraktionszugehörigkeit neue<br />
Rechte und neuen Einfluss. Denn eine Reihe von wichtigen parlamentarischen<br />
Kompetenzen liegt bei den Fraktionen. Über<br />
ihre Fraktion haben die Abgeordneten die Möglichkeit, diese<br />
Rechte zu nutzen. So können die Parlamentarier beispielsweise<br />
mit Rückendeckung ihrer Fraktionen Große Anfragen starten<br />
oder Gesetzesinitiativen einbringen. Schaffen es einzelne Abgeordnete,<br />
die Fraktion hinter ihrer Initiative zu versammeln,<br />
kommt ihrer Sache ein besonders starkes Gewicht zu. Denn in<br />
diesem Fall macht sich eine große und machtvolle parlamentarische<br />
Einheit das Anliegen zu eigen. Das steigert die Chancen<br />
dafür, dass die Initiative des Parlamentariers innerhalb und<br />
außerhalb des Parlaments Gehör findet.<br />
Wollen die Abgeordneten mithilfe ihrer Fraktionsmitgliedschaft<br />
Politik mitgestalten, ist es wichtig, Schlüsselpositionen zu<br />
besetzen. Wenn ein Abgeordneter beispielsweise an einer<br />
bestimmten Frage aus der Bildungspolitik interessiert ist, dann<br />
ist es sinnvoll, der Arbeitsgruppe, dem Arbeitskreis oder der<br />
Arbeitsgemeinschaft der Fraktion beizutreten, die sich mit bildungspolitischen<br />
Themen auseinandersetzt. Eventuell schafft es<br />
der Parlamentarier, die Leitung des fraktionsinternen Fachgremiums<br />
zu übernehmen – oder er wird stellvertretender Frakti-<br />
70
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
onsvorsitzender mit diesem Zuständigkeitsbereich. Im entsprechenden<br />
Fachausschuss des <strong>Bundestag</strong>es, dem Ausschuss für<br />
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, kann er<br />
Obmann für seine Fraktion werden oder sogar Vorsitzender. Und<br />
wenn seine Partei einmal die Regierung stellt, hat er gute<br />
Chancen, eine entsprechende Position im Bundesbildungsministerium<br />
zu erhalten – bestenfalls als Minister oder auch als<br />
Parlamentarischer Staatssekretär. So weit muss es aber gar nicht<br />
kommen: Schon als einfaches Mitglied der Fraktion können Parlamentarier<br />
die Dinge mitgestalten und Einfluss auf die Willensbildung<br />
der Fraktionen nehmen. Die Fraktionsmitgliedschaft<br />
engt also nicht zwangsläufig ein. Sie kann dem<br />
Abgeordneten auch helfen, seine politischen Ziele zu verfolgen.<br />
Zwischen Wahlkreis und Berlin<br />
Abgeordnete haben üblicherweise mindestens zwei Arbeitsstätten:<br />
ihren Wahlkreis und den Parlamentssitz in Berlin. Rund zwanzig<br />
Wochen im Jahr treffen sich die Parlamentarier zu Plenar-, Fraktions-,<br />
Ausschuss- und anderen Sitzungen in der Bundeshauptstadt.<br />
Die übrige Zeit bleibt für die Tätigkeiten im Wahlkreis. Jeder<br />
Abgeordnete hat eine klare Wahlkreiszuordnung, auch wenn die<br />
Parlamentarier nicht direkt über die Erststimmen im Wahlkreis<br />
gewählt wurden. So kommt es, dass ein Wahlkreis im <strong>Bundestag</strong><br />
durch mehrere Abgeordnete vertreten sein kann, die unterschiedlichen<br />
Parteien angehören. Beispielsweise wird der Wahlkreis<br />
Bonn von einem direkt gewählten Abgeordneten der SPD vertreten;<br />
darüber hinaus fühlen sich ein Parlamentarier der FDP-Fraktion<br />
sowie je ein Mitglied der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen<br />
und Die Linke für den Wahlkreis verantwortlich – sie sind über die<br />
Landesliste ihrer Partei in den <strong>Bundestag</strong> gelangt.<br />
Neben ihrer Arbeit<br />
in der Hauptstadt<br />
kümmern sich die<br />
Parlamentarier<br />
auch um ihre<br />
Wahl kreise.<br />
Die Wahlkreisarbeit der Abgeordneten ist von den zahlreichen<br />
Verpflichtungen geprägt, die ein <strong>Bundestag</strong>smandat mit sich<br />
bringt. Dazu gehören auch repräsentative Aufgaben: Parlamentarier<br />
werden oft gebeten, an Veranstaltungen im Wahlkreis<br />
71
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
teilzunehmen und Grußworte oder eine Rede zu halten. In<br />
ihren Wahlkreisbüros führen Abgeordnete Sprechstunden durch<br />
und halten Kontakt zu Bürgern, Vereinen und der lokalen Wirtschaft.<br />
Wichtig ist auch die Parteiarbeit vor Ort. Von den Parlamentariern<br />
erwartet man, dass sie in den lokalen Parteigremien<br />
Engagement zeigen. Zu den <strong>Bundestag</strong>ssitzungen in Berlin reisen<br />
die Parlamentarier aus ihren Wahlkreisen an. Sie haben<br />
meist eine Zweitwohnung in der Hauptstadt und verbringen die<br />
gesamte Sitzungswoche dort.<br />
Foto © picture-alliance/akg-images/Europäisches Parlament<br />
Internationale Arbeitsplätze<br />
Einige Abgeordnete haben noch einen dritten Arbeitsplatz: Rund hundert<br />
Parlamentarier vertreten den <strong>Bundestag</strong> in internationalen parlamentarischen<br />
Gremien. Wenn diese Gremien tagen, reisen die Parlamentarier<br />
aus ihren Wahlkreisen oder aus Berlin dorthin. So sind beispielsweise<br />
18 Abgeordnete ordentliche und weitere 18 stellvertretende Mitglieder der<br />
Versammlung des Europarats. Die Versammlung tagt vier Mal im Jahr für<br />
jeweils mehrere Tage in Straßburg. In diesem Zeitraum ist also Straßburg<br />
der Arbeitsplatz der Parlamentarier. Wenn die Abgeordneten besondere<br />
Ämter in den Versammlungen innehaben oder Mitglieder mehrerer Versammlungen<br />
sind, sind sie noch häufiger unterwegs.<br />
Eine Arbeitswoche in Berlin<br />
Während die Wahlkreiswochen ganz unterschiedlich aussehen<br />
können, gibt es für die Sitzungswochen in Berlin einen recht<br />
starren Ablaufplan voller Termine. Wann genau im Jahr die Sitzungswochen<br />
stattfinden, ist in der Regel schon lange vorher<br />
festgelegt worden. Neben den ordentlichen Sitzungsterminen<br />
kann der <strong>Bundestag</strong> auch zu außerordentlichen Sitzungen einberufen<br />
werden. Dies geschieht dann, wenn keine Sitzung<br />
anberaumt ist, aber die Situation keinen Aufschub erlaubt und<br />
ein Beschluss des <strong>Bundestag</strong>es dringend erforderlich ist. Eine<br />
Sondersitzung kann von einem Drittel der Mitglieder des Parla-<br />
72
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Eine typische Sitzungswoche im <strong>Bundestag</strong><br />
Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />
vormittags<br />
8-9:<br />
Besprechung<br />
8-9: Pressetermin<br />
8-9: Büroarbeit<br />
9.00<br />
10.00<br />
11.00<br />
ab 9:<br />
Anreise aus<br />
dem Wahlkreis<br />
9-12: Sitzung<br />
der Arbeitsgruppen,<br />
Arbeitskreise,<br />
Arbeitsgemeinschaften<br />
9-13: Ausschusssitzung<br />
ab 9: Plenarsitzung<br />
(Ende<br />
spätabends), Kernzeitdebatte<br />
mit<br />
(14-15.30) z. B.<br />
Regierungserklärung<br />
und anschließender<br />
Aussprache,<br />
eventuell<br />
Aktuelle Stunde<br />
ab 9: Plenarsitzung<br />
(Ende<br />
nachmittags)<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
12.00<br />
nachmittags<br />
14.00<br />
15.00<br />
16.00<br />
17.00<br />
abends<br />
12-13: Bürobesprechung/<br />
Mitarbeiterbesprechung<br />
13-15: Büroarbeit<br />
(Korrespondenz,<br />
Wochenplan)<br />
15-17: Sitzungsvorbereitung<br />
bzw. Treffen<br />
der Arbeitsgruppen,<br />
Arbeitskreise<br />
oder<br />
Arbeitsgemeinschaften<br />
15-17: Sitzung<br />
des Fraktionsvorstands<br />
17-19: politische<br />
Gespräche<br />
19-21: Sitzung<br />
der Landesgruppe<br />
12-13: Treffen<br />
Projektgruppe/Parlamentariergruppe<br />
13-15: Vorbereitung<br />
der<br />
Ausschusssitzung<br />
15-18: Fraktionssitzung<br />
Abendveranstaltungen<br />
(Podiumsdiskussionen,<br />
Vorträge)<br />
13-15.35<br />
bzw. 16.45:<br />
Plenarsitzung<br />
mit Regierungsbefragung,<br />
Fragestunde,<br />
Aktueller Stunde<br />
(bei Bedarf)<br />
Bürobesprechung,<br />
Büroarbeit<br />
Weiterführung<br />
der Ausschusssitzung<br />
oder<br />
Unterausschusssitzung<br />
Besuchergruppe<br />
aus dem Wahlkreis<br />
parallel dazu:<br />
Besuchergruppe<br />
aus dem<br />
Wahlkreis,<br />
Pressegespräch,<br />
Büroarbeit<br />
ausnahmsweise<br />
Gremiensitzung<br />
Treffen der<br />
Arbeitsgruppen,<br />
-kreise, -gemeinschaften<br />
15-16:<br />
Pressetermin/<br />
Treffen mit<br />
Verbandsvertretern,<br />
Wissenschaftlern<br />
16: Abreise<br />
in den Wahlkreis<br />
19-21: Abendveranstaltung<br />
im Wahlkreis<br />
73
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
ments, vom Bundespräsidenten oder von der Bundeskanzlerin<br />
beantragt werden. So trat der <strong>Bundestag</strong> beispielsweise im<br />
Dezember 2001 und im September 2005 zu Sondersitzungen<br />
zusammen, um über die Entsendung von Bundeswehrsoldaten<br />
nach Afghanistan beziehungsweise über die Verlängerung des<br />
Auslandseinsatzes zu entscheiden.<br />
Ist eine ordentliche Sitzungswoche anberaumt, kommen die<br />
Abgeordneten entweder am Sonntag oder am Montag nach Berlin.<br />
Neben den üblichen »Montagsaufgaben« wie Postsichten<br />
kommt es vor, dass Treffen, die an anderen Wochentagen keinen<br />
Platz mehr haben, bereits am Montag stattfinden. Feste<br />
Montagstermine sind die Sitzungen der Fraktionsvorstände am<br />
Nachmittag. Dort wird die Tagungsordnung für die Fraktionsversammlung<br />
am Dienstag durchgesprochen. Auch zahlreiche<br />
Arbeitskreise, Arbeitsgruppen und Arbeitsgemeinschaften der<br />
Fraktionen treffen sich am Montag. Am Abend kommen die Landesgruppen<br />
der Fraktionen zu Besprechungen zusammen.<br />
Der Dienstag gehört den Sitzungen der Fraktionen und ihrer<br />
Untergremien. Am Vormittag setzen sich die einzelnen Arbeitsgruppen,<br />
-kreise und -gemeinschaften ein weiteres Mal zur<br />
Klärung offener Fragen zusammen. Am frühen Nachmittag<br />
beginnen die Fraktionssitzungen. Dort werden die anliegenden<br />
Mittwochs tagen die<br />
Ausschüsse, wie hier<br />
der Haushalts aus -<br />
schuss, in ihren Sit -<br />
zungssälen.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
74
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Gesetzesvorhaben diskutiert. Die Arbeitsgruppen, -kreise und<br />
-gemeinschaften speisen die Ergebnisse ihrer Beratungen ein.<br />
Es wird versucht, eine gemeinsame Position der Fraktionen zu<br />
entwickeln.<br />
Der Mittwoch ist der Tag der Ausschusssitzungen und der ersten<br />
Plenarverhandlungen. Die Ausschussberatungen beginnen<br />
meist schon morgens früh und ziehen sich bis in den Mittag<br />
hinein. In den Fachausschüssen sind die Abgeordneten gegebenenfalls<br />
als Berichterstatter gefordert: Die Vorsitzenden der<br />
Ausschüsse benennen Parlamentarier, die sich im Vorfeld der<br />
Ausschussberatung mit einzelnen Vorlagen auseinandersetzen<br />
sollen. Diese Berichterstatter haben die Aufgabe, in einen Austausch<br />
mit den entscheidenden Personen in Parlament und<br />
Regierung zu treten, sachliche Fragen abzuklären und dem Ausschuss<br />
eine Empfehlung zu unterbreiten. Auch das Präsidium<br />
des <strong>Bundestag</strong>es kommt am Mittwoch zu seinen Beratungen<br />
zusammen, ebenso wie die Parlamentarischen Geschäftsführer<br />
der Fraktionen.<br />
Mittags findet die erste Plenarsitzung in der Woche statt. Am<br />
Beginn der Plenarzeit stehen die Regierungsbefragung und die<br />
Fragestunde, denn vormittags hat sich auch das Bundeskabinett<br />
getroffen. Der <strong>Bundestag</strong> wird über die gefällten Beschlüsse<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Simone M. Neumann<br />
Das Plenum tagt<br />
öffentlich: Die oberen<br />
Ränge im Plenarsaal<br />
sind für die Öffentlichkeit<br />
reserviert.<br />
75
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
informiert. Die Regierung beantwortet die Anfragen der einzelnen<br />
Parlamentarier. Am ersten Plenarsitzungstag der Woche<br />
werden auch Aktuelle Stunden abgehalten. Hier wird über Themen<br />
gesprochen, die kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt<br />
worden sind.<br />
Der Donnerstag ist der große Plenartag, der in der Regel um<br />
neun Uhr beginnt und erst am späten Abend sein Ende findet.<br />
Seit Mitte der 1990er-Jahre finden am Donnerstagvormittag<br />
regelmäßig Kernzeitdebatten statt. Die Idee ist, die Diskussion<br />
über wichtige und grundlegende Themen in diese Zeit zu legen.<br />
Die Anzahl paralleler Gremiensitzungen wird möglichst gering<br />
gehalten, damit die Abgeordneten auch ins Plenum kommen<br />
können. Oft finden Regierungserklärungen mit anschließender<br />
Aussprache im Rahmen der Kernzeitdebatte statt. Am Donnerstag<br />
können auch Aktuelle Stunden anberaumt werden. Zeitgleich<br />
zur fortgesetzten Plenarzeit trifft sich nachmittags der<br />
Ältestenrat, um die folgende Sitzungswoche zu besprechen.<br />
Wesentlich für den Donnerstag ist die Gesetzgebungsarbeit.<br />
Die Plenarsitzung<br />
am Donnerstag<br />
dauert häufig bis<br />
spätabends.<br />
Gesetze durchlaufen in der Regel drei Beratungen oder Lesungen<br />
im Plenum. Eine Beratung sieht allerdings nicht immer so<br />
aus, dass im Plenarsaal über das Gesetz debattiert wird. Nicht<br />
bei jeder Beratung findet eine Aussprache statt. Darauf wird bei<br />
der ersten Lesung oft verzichtet, es sei denn, es besteht ein<br />
Bedarf, weil es sich um eine wichtige oder kontroverse Initiative<br />
handelt. Nachdem der Gesetzentwurf eingebracht wurde,<br />
geht er an die zuständigen Ausschüsse und kommt in einer<br />
eventuell überarbeiteten Version wieder ins Plenum – in die<br />
zweite Beratung. Diese ist zumeist mit einer Aussprache, also<br />
einer Debatte, verbunden. Wird diese vom Ausschuss eingebrachte<br />
Version ohne Änderungen angenommen, schließt sich<br />
die dritte Beratung unmittelbar an. Nach Abschluss der dritten<br />
Beratung wird über den Gesetzentwurf endgültig abgestimmt.<br />
76
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Der letzte Sitzungstag in der Berliner Woche ist der Freitag. Auch<br />
an diesem Tag finden ab frühmorgens Plenarberatungen statt.<br />
Manchmal reichen sie bis in den späten Nachmittag hinein.<br />
Wenn der Bundesrat zeitgleich tagt und über Gesetzesvorhaben<br />
berät, kann es passieren, dass der Bundesrat Einspruch gegen<br />
ein Gesetz einlegt. Dann kann der <strong>Bundestag</strong> erneut entscheiden<br />
und den Einspruch überstimmen – und das noch am selben<br />
Tag. Nachdem der letzte Tagesordnungspunkt abgearbeitet<br />
worden ist, schließt der Sitzungspräsident die Plenarverhandlungen,<br />
allerdings nicht ohne den Abgeordneten den Termin für<br />
die nächstfolgende Plenarsitzung mitzuteilen.<br />
Die Sitzungswochen sind voll von festen Terminen. In den Berliner<br />
Wochen müssen die Abgeordneten aber noch zahlreiche<br />
andere Aktivitäten unterbringen. Hierzu gehören Gesprächstermine<br />
mit Journalisten, Wissenschaftlern oder Verbandsvertretern.<br />
Besuchergruppen aus dem Wahlkreis wollen empfangen<br />
werden. Wenn die Abgeordneten in weiteren parlamentarischen<br />
und politischen Zusammenschlüssen tätig sind, müssen<br />
auch diese Treffen in der Sitzungswoche absolviert werden.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
Ausschusssitzungen<br />
sind fester Bestandteil<br />
der Berliner Woche:<br />
Hier empfängt der<br />
Aus schuss für Men -<br />
schen rechte und<br />
humanitäre Hilfe eine<br />
Delegation aus<br />
Serbien.<br />
77
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Zeitgleich warten die Post und sonstige Unterlagen auf Bearbeitung<br />
– und all das in einer Woche. Nach Selbstauskunft arbeiten<br />
Abgeordnete pro Sitzungswoche in Berlin rund 65 Stunden,<br />
in einer sitzungsfreien Woche sind es etwa 57 Stunden.<br />
Die Hauptarbeit<br />
findet nicht im<br />
Ple num statt,<br />
sondern in Aus -<br />
schüssen, Sit -<br />
zun gen und Ge -<br />
sprächsrunden.<br />
Beim Blick auf den Terminkalender wird nochmals deutlich, in<br />
wie vielen verschiedenen parlamentarischen Gremien Abgeordnete<br />
zusammengeschlossen sind. So ist ein Abgeordneter mindestens<br />
Mitglied einer Fraktion, eines Ausschusses, einer Landesgruppe,<br />
eines Arbeitskreises, einer Arbeitsgruppe oder einer<br />
Arbeitsgemeinschaft. Hinzu kommen oft noch eine Mitgliedschaft<br />
in weiteren Gremien wie dem Ältestenrat, Treffen der<br />
Parlamentarischen Geschäftsführer, internationale oder innerfraktionelle<br />
Parlamentariergruppen und vieles mehr. Die Sitzungen<br />
der verschiedenen Gremien müssen unter einen Hut<br />
gebracht werden – nicht selten auch auf Kosten der Anwesenheit<br />
im Plenarsaal.<br />
In der Tat verbringen die Abgeordneten nur einen geringeren<br />
Teil ihrer Arbeitszeit im Plenum. Die Plenarverhandlungen fangen<br />
erst in der Mitte der Woche an. In den Berliner Wochen sind<br />
die Abgeordneten oft in den anderen Tagungsräumen des Parlaments<br />
oder in ihren Büros anzutreffen. Jenseits der sichtbaren<br />
Tätigkeit der Abgeordneten im Plenarsaal findet vieles hinter<br />
verschlossenen Türen statt. Eine wichtige Rolle spielt die<br />
Entscheidungsvorbereitung in kleinen Kreisen und informellen<br />
Runden. Dort, wo keine Kamera und kein Mikrofon eingeschaltet<br />
sind, kann es leichter fallen, eigene Positionen kritisch zu<br />
überdenken und Kompromisse zu finden. In den von der<br />
Öffentlichkeit beobachteten Plenarsitzungen wird nur wenig<br />
dem Zufall überlassen. In den Fraktionen, im Ältestenrat und<br />
auch bei den Treffen der Parlamentarischen Geschäftsführer<br />
wird das, was im Plenum geschehen soll, vorab besprochen.<br />
Was für viele die eigentliche Arbeit des <strong>Bundestag</strong>es darstellt,<br />
nämlich das Geschehen im Plenum, ist in erster Linie nur das<br />
78
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Ergebnis von zahlreichen vorangegangenen Arbeitsschritten.<br />
Offene Entscheidungen und überraschende Entwicklungen sind<br />
während einer Plenarsitzung eher selten. Die hauptsächliche<br />
(Vor-)Arbeit findet woanders statt. So spricht einiges dafür, den<br />
<strong>Bundestag</strong> als ein Arbeitsparlament und nicht als ein Redeparlament<br />
zu verstehen. Dennoch sind die Debatten im Plenum<br />
natürlich kein Selbstzweck oder sinnlose Tätigkeit. Vielmehr<br />
klären sie in der Öffentlichkeit, wie die Abgeordneten und die<br />
Fraktionen zu wichtigen Themen stehen. Für den Wähler<br />
machen die Debatten die Entscheidungen, die im Plenum<br />
getroffen werden, transparent und verständlich.<br />
Durch Debatten<br />
erfährt die<br />
Öffent lichkeit,<br />
wie Parlamen -<br />
tarier zu be -<br />
stimmten The -<br />
men stehen.<br />
Die Abgeordneten im Arbeitsparlament –<br />
Experten statt Generalisten<br />
Dass der <strong>Bundestag</strong> ein Arbeitsparlament ist, zeigt sich in der<br />
Art und Weise, wie die einzelnen Abgeordneten ihr Mandat im<br />
Parlamentsbetrieb ausüben. Abgeordnete sind als Experten<br />
gefordert, die sich in bestimmten Politikbereichen besonders<br />
gut auskennen. Angesichts der Vielschichtigkeit der Gesellschaft<br />
ist es kaum noch möglich, ein Generalwissen über alle wichtigen<br />
Bereiche zu gewinnen. Einige Abgeordnete bringen aus<br />
ihrer vorparlamentarischen Arbeit Fachwissen mit, das sie in<br />
ihre <strong>Bundestag</strong>sarbeit einfließen lassen können. Wenn ein Parlamentarier<br />
vor seiner Mandatszeit beispielsweise um welt -<br />
politisch aktiv war, kann er in der entsprechenden Arbeitsgruppe<br />
oder dem Arbeitskreis der Fraktion und im Ausschuss für<br />
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit seinen Platz finden.<br />
Und jemand, der zuvor Staatsrechtslehrer an einer Universität<br />
war, wird wohl im Innen- oder Rechtsausschuss des <strong>Bundestag</strong>es<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Nun ist aber nicht jeder, der frisch in den <strong>Bundestag</strong> gewählt<br />
wird, von Hause aus ein Experte – oder nicht jeder möchte in<br />
seinem vorparlamentarischen Bereich tätig sein. So bilden sich<br />
das Fachwissen und die Spezialisierung womöglich erst im Laufe<br />
79
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Das Fachwissen<br />
der Parlamen ta -<br />
rier macht den<br />
<strong>Bundestag</strong> zu<br />
einem »Experten -<br />
parlament«.<br />
der parlamentarischen Tätigkeit heraus. Um die notwendigen<br />
Kenntnisse aufzubauen, erhalten die Parlamentarier Unterstützung,<br />
zunächst durch die eigenen Teammitarbeiter. In den<br />
Fraktionsstäben werden sie außerdem von sachkundigem Personal<br />
unterstützt. Schließlich können sie auf die Expertise der<br />
Wissenschaftlichen Dienste der <strong>Bundestag</strong>sverwaltung zurückgreifen.<br />
Nicht selten sind es auch Verbände, die Parlamentarier<br />
mit Informationen ausstatten, oder wissenschaftliche Institutionen<br />
stellen Material zur Verfügung. Die Abgeordneten der<br />
Regie rungsfraktionen können sich außerdem auf die Ministerien<br />
und ihr Fachwissen verlassen.<br />
Ein wichtiges Prinzip des <strong>Bundestag</strong>es ist die Arbeitsteiligkeit:<br />
Jeder Abgeordnete ist für einen bestimmten Bereich als Berichter<br />
statter seiner Fraktion tätig und auf diesem Gebiet Experte.<br />
Durch ihr Fachwissen können sich die einzelnen Parlamentarier<br />
in ihrem Zuständigkeitsbereich viele Einfluss möglichkeiten aufbauen<br />
und fachpolitisches Ansehen in der Fraktion gewinnen.<br />
Zusammen mit den Spezialisten der anderen Fraktionen bilden<br />
sie einen exklusiven Fachzirkel im Parlament. Als Fachpolitiker<br />
können sie gegenüber der Regierung kompetent auftreten. Der<br />
<strong>Bundestag</strong> ist also ein »Expertenparlament«.<br />
Für die meisten Abgeordneten ist der Spagat zwischen der oft<br />
komplizierten Sacharbeit im Parlament und der Bürgernähe<br />
eine Herausforderung. Wer sich als Parlamentarier im <strong>Bundestag</strong><br />
beispielsweise für Fragen der Außen- oder der Entwicklungspolitik<br />
interessiert und engagiert, dem bringt dies nicht<br />
immer Anerkennung im Wahlkreis ein, wo vielleicht andere<br />
Themen als wichtiger empfunden werden. Dies zu verbinden,<br />
das Wahlkreisengagement mit der sachpolitischen Profilierung<br />
im <strong>Bundestag</strong>, bedeutet für die Parlamentarier eine große<br />
Anstrengung und bringt einen enormen Zeitaufwand mit sich.<br />
80
Die Abgeordneten im parlamentarischen Alltag<br />
Die Hinterbänkler – gibt es sie?<br />
Wenn über die Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es gesprochen wird,<br />
dann fällt schon mal mit Blick auf einige Parlamentarier der<br />
etwas abschätzige Begriff »Hinterbänkler«. Damit will man zum<br />
Ausdruck bringen, dass nicht alle Abgeordneten gleich sind,<br />
sondern dass es wichtigere und weniger wichtige, prominentere<br />
und weniger prominente Parlamentarier gibt. Die weniger<br />
bedeutsamen, heißt es, sitzen nun eben weiter hinten, in den<br />
letzten Reihen des Plenarsaals. Dabei gibt es eigentlich keine<br />
feste Sitzordnung innerhalb der Fraktionsblöcke im Plenum. Die<br />
Abgeordneten können sich also hinsetzen, wo sie möchten,<br />
wobei allerdings die vorderen Reihen traditionellerweise der<br />
Fraktionsspitze vorbehalten sind.<br />
Die Fraktions -<br />
spitze sitzt in den<br />
ersten Reihen.<br />
Rein rechtlich gesehen gibt es keine Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Abgeordneten. Alle verfügen über dieselben Rechte<br />
und unterliegen denselben Pflichten – egal in welcher Reihe sie<br />
sitzen, egal welche Position sie bekleiden. In der parlamentarischen<br />
Wirklichkeit gibt es natürlich Unterschiede zwischen<br />
Abgeordneten. Zunächst einmal ist es von Bedeutung, wie lange<br />
die Abgeordneten im <strong>Bundestag</strong> sind. Neue Mitglieder müssen<br />
sich erst einmal in den parlamentarischen Betrieb einarbeiten.<br />
Da haben die Abgeordneten mit langer <strong>Bundestag</strong>serfahrung<br />
einen Vorsprung. Wichtig ist auch, ob man ein Amt in der Fraktion<br />
bekleidet – und wenn ja, welches. So gehören die Fraktionsspitzen<br />
zu den prominentesten und einflussreichsten Personen<br />
des <strong>Bundestag</strong>es. Aber auch die Parlamentarischen<br />
Geschäftsführer und die Sprecher von Arbeitskreisen, Arbeitsgruppen<br />
und Arbeitsgemeinschaften haben eine starke Stellung.<br />
Andere machtvolle Positionen im <strong>Bundestag</strong> sind die Vorsitze<br />
der Fachausschüsse. Dabei gibt es auch zwischen den Ausschüssen<br />
ein Bedeutungsgefälle: Als besonders bedeutsam und<br />
renommiert gelten der Haushaltsausschuss und der Auswärtige<br />
81
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Ausschuss. Dies strahlt auf deren Mitglieder und Funktionsträger<br />
aus. Schließlich sind einige Abgeordnete als Minister oder<br />
als Parlamentarische Staatssekretäre auch Mitglieder der Bundesregierung<br />
und können auf den prominenten Regierungsbänken<br />
im Plenarsaal Platz nehmen.<br />
Parlamentarische Staatssekretäre<br />
Parlamentarische Staatssekretäre sind Mitglieder der Bundesregierung und<br />
zugleich Mitglieder des <strong>Bundestag</strong>es (mit der Ausnahme eines Parlamentarischen<br />
Staatssekretärs oder sogenannten Staatsministers im Kanzleramt).<br />
Parlamentarische Staatssekretäre unterstützen die Bundesminister in<br />
ihrer Amtsausübung und stehen für die enge Verbindung zwischen parlamentarischer<br />
Mehrheit und Regierung. Die Anzahl der Parlamentarischen<br />
Staatssekretäre richtet sich nach der Größe des Ministeriums. Kleine Ministerien<br />
haben meist einen, größere zwei oder drei Parlamentarische Staatssekretäre.<br />
Also gibt es wie in jeder größeren Organisation auch im <strong>Bundestag</strong><br />
tatsächliche Unterschiede zwischen den Mitgliedern.<br />
Dies hängt mit den verschiedenen Aufgaben und Rollen zusammen,<br />
die im Parlament vergeben werden und die mit unterschiedlichem<br />
Einfluss und unterschiedlicher Sichtbarkeit<br />
zusammenhängen. Letztlich tragen aber alle Abgeordneten<br />
dazu bei, dass der <strong>Bundestag</strong> effizient und fachkundig arbeiten<br />
kann. Und die Berliner Rolle sagt nur wenig über die Position<br />
der Abgeordneten im Wahlkreis aus. Dort gehören die einzelnen<br />
Parlamentarier üblicherweise zur Prominenz, die in den Lokalmedien<br />
und in der Wahlkreisöffentlichkeit sehr sichtbar sein<br />
können. Jemand, der im Berliner Plenarsaal weiter hinten sitzt,<br />
kann also im Heimatwahlkreis durchaus seinen Platz in der ersten<br />
Reihe finden.<br />
82
Der <strong>Bundestag</strong> – Kontinuität und Wandel<br />
Der <strong>Bundestag</strong> hat eine Schlüsselposition im politischen System<br />
Deutschlands. Seine verfassungsrechtliche Stellung ist seit 60 Jahren<br />
stabil. Im Laufe der Zeit aber hat sich der <strong>Bundestag</strong> verändert<br />
– was seine Struktur und Organisation, sein Erscheinungsbild<br />
und seine konkrete Rolle im politischen Entscheidungsgefüge<br />
angeht.<br />
Wenn sich der Parlamentarismus in Deutschland vom 1. Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong> 1949 bis zum heutigen 17. <strong>Bundestag</strong> verändert<br />
hat, dann ist das nicht einfach als schicksalhafte Entwicklung<br />
geschehen, auf die man keinen Einfluss nehmen konnte. Vielmehr<br />
haben es die Abgeordneten selbst in der Hand, die parlamentarische<br />
Demokratie und die Arbeitsweise der Volksvertretung<br />
mitzugestalten. Denn das, was das Parlament tut, beruht<br />
auf Recht, das vom <strong>Bundestag</strong> als Geschäftsordnungs- und<br />
Gesetzgeber gemacht wurde und von diesem auch verändert<br />
werden kann. Nur wenn verfassungsrechtliche Regelungen<br />
geändert werden sollen, bedarf es auch einer Zustimmung des<br />
Bundesrats.<br />
Parlamentsreformen – der <strong>Bundestag</strong> als<br />
»lernende Institution«<br />
Die Abgeordneten haben in den vergangenen 60 Jahren in<br />
zahlreichen Anläufen die Arbeitsgrundlagen des <strong>Bundestag</strong>es<br />
immer wieder neu gestaltet und damit ihre eigene Institution<br />
reformiert. Zu Reformen sind sie mitunter von gesellschaftlichen<br />
oder historischen Entwicklungen angestoßen worden. Oder das<br />
Bundesverfassungsgericht hat das Parlament hierzu aufgefordert.<br />
Ändert der <strong>Bundestag</strong> das Parlamentsrecht, spricht man<br />
von Parlamentsreformen. Parlamentsreformen haben zum Beispiel<br />
Einfluss auf die Größe der Volksvertretung. So ist 2002 eine<br />
Verkleinerung des <strong>Bundestag</strong>es auf 598 Mitglieder (ohne Überhangmandate)<br />
vorgenommen worden, nachdem das Parlament<br />
infolge der deutschen Einheit auf über 650 Mandatsträger<br />
angewachsen war.<br />
Parlamentsreformen<br />
stellen<br />
sicher, dass der<br />
Bundes tag auch<br />
weiter effizient<br />
arbeiten kann.<br />
83
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Parlamentsreformen haben neue parlamentarische Arbeitsverfahren<br />
eingeführt und etabliert, zum Beispiel die Kurzinterventionen<br />
im Anschluss an Redebeiträge im Plenum, die Kernzeitdebatte<br />
und die Regierungsbefragung. Dadurch sollen die<br />
Debatten lebhafter und informativer werden. Andere Verfahren<br />
sind vereinfacht und beschleunigt worden. Parlamentsreformen<br />
haben die Rolle des einzelnen Abgeordneten, die Rolle der<br />
Fraktionen, der Opposition und der parlamentarischen Mehrheit<br />
sowie die Beziehungen zwischen diesen Einheiten verändert.<br />
Dabei ist insbesondere die Stellung der Fraktionen gestärkt<br />
worden.<br />
Im Juli 1999 zieht der<br />
<strong>Bundestag</strong> um: Rund<br />
50.000 Kubikmeter<br />
Umzugsgut werden<br />
aus Bonn in die neuen<br />
Parlaments bauten<br />
nach Berlin, wie hier<br />
in das Reichstags -<br />
gebäude, gebracht.<br />
Foto © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/Bernd Kühler<br />
84
Der <strong>Bundestag</strong> – Kontinuität und Wandel<br />
Parlamentsreformen mussten auf Herausforderungen antworten,<br />
die von außen oder durch historische Entwicklungen an die parlamentarische<br />
Demokratie Deutschlands herangetragen worden<br />
sind. Hierzu gehört auch die deutsche Einheit. Der <strong>Bundestag</strong><br />
änderte beispielsweise ausschließlich für die erste gesamtdeutsche<br />
Wahl 1990 die Wahlgesetze. Eine Folge der deutschen Einheit<br />
war auch der Umzug des Parlamentssitzes von Bonn nach<br />
Berlin. Der <strong>Bundestag</strong> hat im umgestalteten Reichstagsgebäude<br />
seine Heimat gefunden. Um den Reichstagsbau herum sind weitere<br />
Gebäude für Abgeordnetenbüros, Sitzungssäle, die Bibliothek<br />
und andere parlamentarische Dienste entstanden. Das<br />
Reichstagsgebäude mit seiner Glaskuppel ist zum Symbol für die<br />
parlamentarische Berliner Demokratie geworden und zugleich<br />
ein Publikumsmagnet in der Hauptstadt.<br />
Der <strong>Bundestag</strong><br />
muss auch auf<br />
Veränderungen<br />
und Herausforde -<br />
rungen reagieren.<br />
Weitere Felder, die Regelungsbedarf auslösen, waren die Integration<br />
in die Europäische Union und die Entsendung der Bundeswehr<br />
ins Ausland. Schaut man auf die zahlreichen Parlamentsreformen<br />
seit 1949, zeigt sich der <strong>Bundestag</strong> als eine »lernende<br />
Institution«, die auf Herausforderungen aus ihrem Umfeld reagiert<br />
hat. Aber dieser Lernprozess ist noch nicht zu Ende.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> im 21. Jahrhundert:<br />
Herausforderungen<br />
Wo liegen die Herausforderungen für das deutsche Parlament im<br />
21. Jahrhundert? Grundlegende Anforderungen liegen in dem,<br />
was Europäisierung und Globalisierung genannt wird. Der <strong>Bundestag</strong><br />
hat sich seit geraumer Zeit auf den Weg gemacht, europäischer<br />
und internationaler zu werden. Das deutsche Parlament<br />
versucht, dichter am Puls der europäischen Entscheidungen in<br />
Brüssel und Straßburg zu sein. Dazu dient der ständige Ausschuss<br />
für die Angelegenheiten der Europäischen Union, der die Aufgabe<br />
hat, über EU-Vorlagen zu beraten. Die Abgeordneten des Ausschusses<br />
treffen sich regelmäßig mit den Mitgliedern der Europa-<br />
Ausschüsse der anderen EU-Staaten.<br />
85
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Mit jährlich drei<br />
Millionen Besuchern<br />
ist das von Norman<br />
Foster neu gestaltete<br />
Reichstagsgebäude<br />
ein echter Publi -<br />
kums magnet.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Werner Schüring<br />
Mittlerweile betreibt das deutsche Parlament ein Verbindungsbüro<br />
in Brüssel, um aus erster Hand Informationen über Vorgänge<br />
in der Europäischen Union zu erhalten. Außerdem hat<br />
der <strong>Bundestag</strong> mit der Bundesregierung vereinbart, dass er<br />
frühzeitig über Gesetzgebungsinitiativen in der Europäischen<br />
Union informiert wird. All das ist notwendig, denn in vielen<br />
Fragen hat das deutsche Parlament seine Kompetenzen an die<br />
Organe der Europäischen Union abgetreten. In bestimmten<br />
Politikfeldern muss der <strong>Bundestag</strong> entlang von Vorgaben aus<br />
Brüssel und Straßburg Gesetze verabschieden, ohne selbst noch<br />
große Spielräume zu haben. Der <strong>Bundestag</strong> wird für vieles verantwortlich<br />
gemacht, was anderswo entschieden worden ist.<br />
Deswegen versucht er, auf diese Entscheidungen frühzeitig Einfluss<br />
zu nehmen. Was für die europäische Politik Richtigkeit hat,<br />
gilt ähnlich für die internationale Politik, zum Beispiel im Rahmen<br />
der UNO. Hier werden viele Entscheidungen ohne die Parlamente<br />
getroffen. Im internationalen Bereich ist der <strong>Bundestag</strong><br />
mit zahlreichen Delegationen an der parlamentarischen<br />
Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg beteiligt.<br />
86
Der <strong>Bundestag</strong> – Kontinuität und Wandel<br />
Das zweite Bündel an Herausforderungen betrifft die Beziehungen<br />
des <strong>Bundestag</strong>es nach innen, in die Gesellschaft hinein. Die<br />
deutsche Gesellschaft wandelt sich; <strong>Stichwort</strong>e sind demografischer<br />
Wandel oder Zuwanderung. Deutschland wird insgesamt<br />
bunter. Dabei entstehen aber auch neue Konflikte. Das macht<br />
die Arbeit der Volksvertreter nicht unbedingt leichter, die<br />
gesellschaftliche Entwicklungen begreifen und aufgreifen sollen.<br />
Die Berührungspunkte zwischen der Gesellschaft und dem<br />
Parlament müssen deswegen gepflegt werden. Für diese Kontaktpflege<br />
hat der <strong>Bundestag</strong> eine Reihe von Möglichkeiten.<br />
Hierzu gehören zunächst all die Verfahren, die gesellschaftliche<br />
Interessen in die parlamentarische Arbeit einbinden. So lassen<br />
sich die Ausschussmitglieder oft im Rahmen von öffentlichen<br />
Anhörungen die Sichtweise von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen<br />
darlegen.<br />
Die Bürger können sich mit Petitionen an das Parlament wenden.<br />
Dies ist mittlerweile auch online möglich. Die Eingaben<br />
werden vom Petitionsausschuss gesichtet und besprochen und<br />
gelangen dann zur abschließenden Beratung ins Plenum. Schon<br />
oft konnte das Parlament im Einzelfall helfen, wo formales<br />
Recht in Wirklichkeit zu »gefühltem« Unrecht zu werden drohte.<br />
Sammel- oder Massenpetitionen, also Eingaben, die von<br />
einer Vielzahl von Unterstützern getragen werden, können auf<br />
die Notwendigkeit von gesetzgeberischen Initiativen aufmerksam<br />
machen. Schließlich stellt der Wehrbeauftragte des <strong>Bundestag</strong>es<br />
die Verbindung zu den Soldaten her – auch dies eine<br />
wichtige Kontaktstelle, denn die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee,<br />
über deren Auslandseinsätze der <strong>Bundestag</strong> entscheidet.<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong> »Petitionen«<br />
Verweis<br />
<strong>Stichwort</strong><br />
»Der Wehrbeauftragte«<br />
Die eigentlichen Verbindungsstellen, also die Kontaktmanager<br />
zwischen <strong>Bundestag</strong> und Bürgern, sind letztlich die über 600<br />
Abgeordneten. Von ihrer Arbeit in den Wahlkreisen und in Berlin,<br />
von ihrer Offenheit für die Anliegen der Bürger und von<br />
ihrer Vermittlungsfähigkeit hängt es ab, ob sich die Bürger gut<br />
87
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Der Wehrbeauftragte<br />
Hellmut Königshaus<br />
(FDP) kümmert sich um<br />
die Belange der<br />
Bundes wehrsoldaten.<br />
Foto © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Lichtblick/Achim Melde<br />
vertreten fühlen. Die Abgeordneten sind zugleich die besten<br />
Seismografen, wenn Beziehungsprobleme zwischen Volk und<br />
Volksvertretung aufzutauchen drohen. Der <strong>Bundestag</strong> muss<br />
immer wieder versuchen, das Vertrauen der Bevölkerung zu<br />
gewinnen. Für eine Volksvertretung ist eine gesunde Beziehung<br />
zu denen, deren Interessen sie vertreten soll, ein wichtiges Gut<br />
und die Grundlage der Arbeit. Der <strong>Bundestag</strong> steht im Mittelpunkt<br />
der deutschen parlamentarischen Demokratie. Er ist das<br />
Herz des politischen Systems. Damit es auch zukünftig gut und<br />
kräftig schlagen kann, ist das Herz darauf angewiesen, am Puls<br />
der Gesellschaft zu bleiben.<br />
88
Service<br />
17. <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Sitzverteilung<br />
622 Sitze<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
CDU/CSU: 239<br />
SPD: 146<br />
FDP: 93<br />
DIE LINKE: 76<br />
BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN: 68<br />
24 Überhangmandate<br />
für die CDU/CSU<br />
Die Vorsitzenden der <strong>Bundestag</strong>sfraktionen in der 17. Wahlperiode<br />
CDU/CSU: Volker Kauder<br />
SPD: Frank-Walter Steinmeier<br />
FDP: Birgit Homburger<br />
Die Linke: Gregor Gysi<br />
Bündnis 90/Die Grünen: Renate Künast und Jürgen Trittin Stand: Juni 2010<br />
89
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Abgeordnete nach Schulbildung<br />
16 Berufsfachschule<br />
41 ohne Angaben<br />
12 Hauptschule<br />
57 Realschule, mittlere Reife<br />
496 Höhere Schule<br />
Abgeordnete nach Hochschulbildung<br />
34 Universität ohne Abschluss<br />
28 Höhere Fachschule<br />
12 Pädagogische Hochschule<br />
434 Universität<br />
mit Abschluss<br />
55 Fachhochschule<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
90
Service<br />
Abgeordnete nach Altersgruppen<br />
Frauen CDU/CSU SPD FDP DIE LINKE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frauen gesamt<br />
geboren<br />
1932-1935 - - - - - -<br />
1936-1940 - - - 1 - 1<br />
1941-1945 2 2 1 - - 5<br />
1946-1950 4 12 4 2 1 23<br />
1951-1955 12 15 4 5 11 47<br />
1956-1960 6 7 7 12 7 39<br />
1961-1965 15 9 4 10 5 43<br />
1966-1970 3 8 - 2 7 20<br />
1971-1975 3 2 3 7 1 16<br />
1976-1980 2 1 - 1 3 7<br />
1981-1985 1 - - - 2 3<br />
1986 - - - - - -<br />
gesamt 48 56 23 40 37 204<br />
Männer CDU/CSU SPD FDP DIE LINKE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Männer gesamt<br />
geboren<br />
1932-1935 1 - - - - 1<br />
1936-1940 1 3 2 1 1 8<br />
1941-1945 12 3 6 2 1 24<br />
1946-1950 30 23 10 6 3 72<br />
1951-1955 29 16 7 7 8 67<br />
1956-1960 33 13 4 5 2 57<br />
Grafik © <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/Marc Mendelson<br />
1961-1965 33 12 10 5 2 62<br />
1966-1970 21 10 7 3 4 45<br />
1971-1975 23 8 13 3 5 52<br />
1976-1980 8 2 8 3 3 24<br />
1981-1985 - - 2 1 2 5<br />
1986 - - 1 - - 1<br />
gesamt 191 90 70 36 31 418<br />
91
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Das Reichstagsgebäude<br />
Der Reichstagsbau des Architekten Paul Wallot von 1894 war im<br />
Zweiten Weltkrieg weitestgehend zerstört und in den 1960er-<br />
Jahren wieder aufgebaut worden. Als Parlamentsgebäude blieb<br />
er aber ungenutzt. Das änderte sich, als der <strong>Bundestag</strong> am 20. Juni<br />
1991 beschloss, Parlament und Regierung nach Berlin zu verlegen;<br />
der Reichstagsbau sollte Sitz des gesamtdeutschen Parlaments<br />
werden.<br />
Das Reichstagsgebäude wurde durch den britischen Architekten<br />
Norman Foster zu einem modernen Arbeitsparlament umgestaltet<br />
und beherbergt mit seinen 11.000 m² Nutzfläche den Plenarsaal<br />
und wichtige Akteure des <strong>Bundestag</strong>es. Auf der Präsidialebene<br />
im zweiten Obergeschoss liegen die Büros und Empfangsräume<br />
des <strong>Bundestag</strong>spräsidenten, der Sitzungssaal des Ältestenrats und<br />
die Büros der Leitung der <strong>Bundestag</strong>sverwaltung. Im dritten Obergeschoss<br />
befinden sich die Büros und Sitzungssäle der Fraktionen<br />
sowie die Presselobby. Informationsräume finden sich auf der<br />
Besucherebene. Hier ist auch der Zugang für die Besuchertribünen,<br />
von denen Besucher während der Sitzungswochen die<br />
Debatten im Plenum verfolgen können.<br />
Foto © picture-alliance/dpa-Zentralbild/Peter Zimmermann<br />
92
Service<br />
Das Paul-Löbe-Haus<br />
Benannt nach Paul Löbe (1875-1969), dem letzten demokratischen<br />
Reichstagspräsidenten der Weimarer Republik, gehört das<br />
Gebäude zum »Band des Bundes«, das die beiden Teile Berlins,<br />
die früher durch die Mauer getrennt waren, über die Spree hinweg<br />
verbindet. Das »Band des Bundes« besteht aus dem Kanzleramt<br />
und dem Paul-Löbe-Haus auf der Westseite des Flusses<br />
sowie dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf der Ostseite.<br />
Der 200 m lange und 102 m breite Neubau mit seinen acht gläsernen<br />
Zylindern wurde von Stephan Braunfels entworfen. Auf<br />
acht Stockwerken und einer Hauptnutzfläche von 28.500 m²<br />
beherbergt das Paul-Löbe-Haus 1.000 Büros und über 20 Sitzungssäle.<br />
Die ständigen Ausschüsse des <strong>Bundestag</strong>es haben<br />
hier ihre Sitzungssäle, Büros und Sekretariate. Darüber hinaus<br />
befinden sich im Paul-Löbe-Haus Seminar- und Ausstellungsräume<br />
sowie eine Vielzahl von Abgeordnetenbüros, die Öffentlichkeitsarbeit<br />
und die zentrale Besucherbetreuung.<br />
Foto © picture-alliance/dpa-Zentralbild/Jochen Eckel<br />
93
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Das Jakob-Kaiser-Haus<br />
Der größte der Parlamentsneubauten wurde nach dem christlich-demokratischen<br />
Politiker und ehemaligen Bundesminister<br />
für Gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser (1888–1961), benannt.<br />
Der Komplex besteht aus acht sechsgeschossigen Gebäuden, die<br />
von vier verschiedenen Architektenbüros entworfen wurden.<br />
Auf einer Hauptnutzfläche von 53.000 m² bietet das Jakob-Kaiser-Haus<br />
Platz für 1.745 Büros. Rund 60 Prozent der Abgeordnetenbüros<br />
sind hier untergebracht; dabei ist jedes Abgeordnetenbüro<br />
genau 18 m² groß. Darüber hinaus beherbergt das<br />
Jakob-Kaiser-Haus unter anderem die Büros und Sitzungsräume<br />
der Fraktionsstäbe, die Arbeitsräume der Vizepräsidenten,<br />
das Pressezentrum, zwei Sitzungssäle für Untersuchungsausschüsse<br />
des <strong>Bundestag</strong>es sowie die Verfügungsräume für den<br />
Bundesrat und die Bundesregierung. Ein Versorgungstunnel<br />
verbindet das Jakob-Kaiser-Haus mit den anderen Parlamentsbauten.<br />
Foto © picture-alliance/dpa-Zentralbild/Hubert Link<br />
94
Service<br />
Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus<br />
Benannt nach Marie Elisabeth Lüders (1878–1966), einer der<br />
bedeutendsten Sozialpolitikerinnen und wichtigsten Vertreterinnen<br />
der Frauenbewegung in Deutschland, vollendet das von<br />
Stephan Braunfels entworfene Marie-Elisabeth-Lüders-Haus<br />
das »Band des Bundes«. Der Parlamentsbau überbaut den<br />
ursprünglichen Verlauf der Berliner Hinterlandmauer; in einem<br />
öffentlich zugänglichen Mauermahnmal sind Teile der Mauer<br />
wieder aufgebaut.<br />
Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist das Informations- und<br />
Dienstleistungszentrum des Parlaments. Auf einer Hauptnutzfläche<br />
von 34.000 m² finden hier die Bibliothek, das Archiv, die<br />
Pressedokumentation und die Wissenschaftlichen Dienste des<br />
<strong>Bundestag</strong>es Platz. Der Kunst-Raum des <strong>Bundestag</strong>es liegt<br />
unterhalb der Freitreppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses.<br />
Hier werden öffentlich zugängliche Ausstellungen zeitgenössischer<br />
Kunst mit Parlaments- und Politikbezug gezeigt. Zwei<br />
Brücken verbinden das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit dem<br />
Paul-Löbe-Haus.<br />
Foto © picture-alliance/dpa-Zentralbild/Hans Wiedl<br />
95
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
12<br />
6<br />
8<br />
4<br />
9<br />
10<br />
96
Service<br />
5<br />
7<br />
5<br />
Was ist wo im<br />
Parlamentsviertel<br />
1<br />
2<br />
1 Reichstagsgebäude<br />
2 Besuchereingang Westportal<br />
3 Paul-Löbe-Haus<br />
4 Marie-Elisabeth-Lüders-Haus<br />
5 Jakob-Kaiser-Haus<br />
6 ehemaliges Reichstagspräsidentenpalais,<br />
Sitz der Deutschen Parlamentarischen<br />
Gesellschaft<br />
7 Brandenburger Tor<br />
8 Spree<br />
9 Brücken vom Paul-Löbe-Haus<br />
zum Marie-Elisabeth-<br />
Lüders-Haus<br />
10 Kindertagesstätte<br />
des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />
11 Richtung Bundeskanzleramt<br />
12 ARD-Hauptstadtstudio<br />
13 Platz der Republik<br />
13<br />
3<br />
97<br />
←<br />
11<br />
Foto © picture-alliance/dpa/Axel Häsler
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Register<br />
Abgeordentengesetz 32, 36 ff.<br />
Abgeordnete 9 ff., 17 ff., 23 ff., 62, 66 ff.,<br />
87 f., 90 f.<br />
Abstimmung 17 ff., 29, 35 f., 45, 49, 52 f.,<br />
57 f., 66 ff.<br />
Aktuelle Stunde 45, 48, 76<br />
Ältestenrat 22, 46, 53 f., 60 ff., 76, 78, 92<br />
Anfrage 11 f., 45, 48, 52, 70, 76<br />
Antrag 44<br />
Anzeigepflicht 36 ff.<br />
Arbeitsgemeinschaft 41, 66, 70, 75, 78, 81<br />
Arbeitsgruppe 41, 66, 70, 75, 78 f., 81<br />
Arbeitskreis 41, 66, 70, 75, 78 f., 81<br />
Arbeitsparlament 14 ff., 79 ff., 92<br />
Arbeitsteiligkeit 80 f.<br />
Aufgaben 8 ff., 47 f., 55 ff., 60<br />
Auflösung des <strong>Bundestag</strong>es 10 f., 46, 69<br />
Ausschuss 15 ff., 20 ff., 53, 61 ff., 71, 75 f., 81 f.,<br />
85, 93<br />
Berichterstatter 75, 80<br />
Berliner Stunde 62<br />
Bundeskanzler 9 ff., 19 f., 46 f., 56, 69 f., 73 f.<br />
Bundespräsident 6, 10 f., 55 f., 73 f.<br />
Bundesrat 6 ff., 20 f., 62, 77, 83, 94<br />
Bundesregierung 6, 8 f., 11 ff., 22, 30, 44 ff., 53,<br />
56, 60 ff., 68 ff., 75 f., 80, 82, 86, 92, 94<br />
<strong>Bundestag</strong>spolizei 56<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsident 9, 20, 22, 36 ff., 40, 44 ff.,<br />
54 ff., 92<br />
<strong>Bundestag</strong>spräsidium 22, 46, 54, 59 f., 75<br />
<strong>Bundestag</strong>sverwaltung 60, 63 ff., 92 f.<br />
<strong>Bundestag</strong>svizepräsidenten 20, 46, 56 f., 59 f.,<br />
94<br />
Bundesverfassungsgericht 6, 33, 38, 48, 83<br />
Bundeswehr 6, 69, 74, 85, 87<br />
Debatte 13 ff., 17, 34, 45, 49, 52 f., 56 f., 62, 64,<br />
76, 79, 84, 92<br />
Diäten 32 ff., 38, 64<br />
Enquetekommission 22<br />
Entschädigung 31 ff., 38, 63 f.<br />
Entschließungsantrag 44<br />
Europäische Union 6, 20 f., 44, 85 f.<br />
Europäisches Parlament 6, 44<br />
Europarat 72<br />
Fragerecht 11 f., 30, 45<br />
Fragestunde 45, 75 f.<br />
Fraktion 10, 17, 19, 22, 29 f., 39 ff., 52 f., 55, 57 ff.,<br />
62 f., 66 ff., 74 f., 78 ff., 84, 92, 94<br />
Fraktionsdisziplin 52, 66 ff.<br />
Fraktionslosigkeit 40 f., 52 f., 62, 68<br />
Geschäftsordnung 19 ff., 39 ff., 45, 50, 55, 57, 59,<br />
61 ff., 68, 83<br />
Gesetzgebung 6, 8 f., 15 f., 18, 20 ff., 30, 44,<br />
48 ff., 62, 69 f., 74 ff., 83, 85 f.<br />
Gremien 9, 20 ff., 41, 46, 57, 62 f., 72, 74, 76, 78<br />
Grundgesetz 6, 9, 11 f., 15 f., 29 f., 39, 55, 62, 66,<br />
69<br />
Gruppen 53<br />
Hammelsprung 18 f.<br />
Houses of Parliament (Großbritannien) 7, 14 f., 49,<br />
58<br />
Immunität 28 f.<br />
Indemnität 28 f.<br />
Infrastruktur 30 f., 53<br />
Internet 13 f., 38<br />
Kammer 7<br />
Kanzlermehrheit 17, 46 f.<br />
Kernzeitdebatte 76, 84<br />
Koalition 10, 47 f., 51, 68 ff.<br />
konstruktives Misstrauensvotum 10 f.<br />
Kontrolle, parlamentarische 11 ff., 47 ff.<br />
Kostenpauschale 30 f., 35<br />
Kurzintervention 84<br />
Landesgruppen 41 f., 74, 78<br />
Mandat, freies 29 f.<br />
Medien 8 f., 12 ff., 92<br />
98
Service<br />
Nationalversammlung, Frankfurter 44<br />
Nebentätigkeiten 36 ff.<br />
Öffentlichkeit 12 ff., 17, 32, 34, 79, 78 f.<br />
Opposition 10, 13, 46 ff., 55, 57, 63, 70, 84<br />
Parlamenarische Staatssekretäre 71, 82<br />
Parlamentarische Geschäftsführer 41, 62, 67, 75, 78<br />
Parlamentsfernsehen 13<br />
Parlamentsreform 83 ff.<br />
Parteien 24 f., 27, 29, 39 ff., 50 ff., 68, 71 f.<br />
Petitionen 87<br />
Plenum 13 ff., 30, 35 f. 43 ff., 56 f., 63, 75 ff., 81,<br />
84, 87, 92<br />
Rechte der Abgeordneten 28 ff.<br />
Redeparlament 14 ff., 79 f.<br />
Rederecht 57, 62<br />
Redezeit 45, 52 f., 57, 62<br />
Regierungsbefragung 30, 75 f.<br />
Regierungsfraktionen 46 ff., 62, 68 ff., 80<br />
Schriftführer 18, 57<br />
Selbstauflösungsrecht 11<br />
Sitzordnung 43 f.<br />
Sitzungswoche 72 ff.<br />
Sitzverteilung 89<br />
Speaker (Großbritannien) 58<br />
Spenden 36 f.<br />
UNO (Vereinte Nationen) 86<br />
Unterausschuss 22<br />
Untersuchungsausschuss 12 f., 22, 46, 48, 94<br />
US Congress (Vereinigte Staaten) 7, 15<br />
Verhaltensregeln 36 f.<br />
Vertrauensfrage 10 f., 69 f.<br />
Wahl 6, 9 ff., 19 f., 23 ff., 27, 38, 46, 55, 85<br />
Wehrbeauftragter 20, 87<br />
Weimarer Republik 7, 55<br />
Willensbildung 22, 41, 43, 50 f., 71<br />
Zitierrecht 45, 53<br />
99
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Informationen im Internet<br />
Die Internetseite des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es bietet Informationen<br />
über die Abgeordneten, wichtige rechtliche Grundlagen<br />
wie die Geschäftsordnung des <strong>Bundestag</strong>es oder das<br />
Abgeordnetengesetz, Recherchemöglichkeiten in Plenarprotokollen<br />
und Drucksachen sowie die Übertragung von Debatten<br />
im Web-TV. Außerdem kann Informationsmaterial online<br />
bestellt oder heruntergeladen werden<br />
www.bundestag.de<br />
Die Kinderseite und das Jugendportal des <strong>Bundestag</strong>es<br />
www.kuppelkucker.de<br />
www.mitmischen.de<br />
Das Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />
als Download (1949-1999) und als PDF (1994-2003)<br />
www.bundestag.de Rubrik Dokumente & Recherche<br />
Das Parlamentsfernsehen bietet die Möglichkeit, Plenarsitzungen<br />
über das Internet mitzuverfolgen<br />
www.bundestag.de Rubrik Presse<br />
Die Internetseite der politischen Wochenzeitung<br />
Das Parlament<br />
www.das-parlament.de<br />
Die Internetseite der Zeitschrift für Parlamentsfragen mit<br />
einem Einblick in die aktuelle Ausgabe, den Inhaltsverzeichnissen<br />
aller Hefte seit 1969 und einer Übersicht der Autoren<br />
und ihrer Beiträge<br />
www.zparl.de<br />
Die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung<br />
mit Berichten, Publikationen und einer umfangreichen<br />
»Wissen«-Rubrik<br />
www.bpb.de<br />
100
laufender Kolumnentitel Service<br />
Literatur (Auswahl)<br />
Kürschners Volkshandbuch <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> 17. Wahlperiode.<br />
Rheinbreitbach: NDV Neue Darmstädter Verlagsanstalt,<br />
2010.<br />
Linn, Susanne und Sobolewski, Frank: So arbeitet der Deutsche<br />
<strong>Bundestag</strong>. Organisation und Arbeitsweise. Die Gesetzgebung<br />
des Bundes (17. Wahlperiode). Rheinbreitenbach: NDV Neue<br />
Darmstädter Verlagsanstalt, 2010.<br />
Kessel, Wolfgang u. a.: Der Deutsche <strong>Bundestag</strong> im Reichstagsgebäude.<br />
Berlin: <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>, 2007.<br />
Ismayr, Wolfgang u. a.: Der Deutsche <strong>Bundestag</strong>. Schwalbach:<br />
Wochenschauverlag, 2007.<br />
Marschall, Stefan: Parlamentarismus: eine Einführung.<br />
Baden-Baden: Nomos, 2005.<br />
Marschall, Stefan: Das politische System Deutschlands.<br />
Stuttgart: UTB, 2007.<br />
Wefing, Heinrich: Dem Deutschen Volke. Der <strong>Bundestag</strong> im<br />
Berliner Reichstagsgebäude. Bonn: Bouvier, 2002.<br />
Feldkamp, Michael: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong>es 1994 bis 2003. Baden-Baden: Nomos,<br />
2005.<br />
Zeitschrift für Parlamentsfragen, Baden-Baden: Nomos.<br />
101
<strong>Stichwort</strong> Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
In dieser Reihe erscheinen folgende Titel:<br />
Der Deutsche <strong>Bundestag</strong><br />
Gesetzgebung<br />
Ausschüsse<br />
Untersuchungsausschüsse<br />
Enquetekommissionen<br />
Petitionen<br />
Der Wehrbeauftragte<br />
Geschichte des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es<br />
Wahlen<br />
Die Bundesversammlung<br />
102
Herausgeber<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong><br />
Referat Öffentlichkeitsarbeit<br />
Platz der Republik 1<br />
11011 Berlin<br />
Koordination<br />
Herbert Fleischhauer,<br />
Referat Öffentlichkeitsarbeit<br />
Konzept<br />
Georgia Rauer und<br />
Marc Mendelson, Berlin<br />
Text<br />
Stefan Marschall, Siegen<br />
Redaktion und Lektorat<br />
Georgia Rauer, Berlin<br />
Gestaltung und Bildredaktion<br />
Marc Mendelson, Berlin<br />
Druck<br />
Wachter GmbH & Co. KG,<br />
Bönnigheim<br />
2. Auflage 2010<br />
Stand: Juni 2010<br />
Diese Publikation wird vom<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong> im Rahmen<br />
der parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit<br />
herausgegeben.<br />
Eine Verwendung für die eigene<br />
Öffentlichkeitsarbeit von Parteien,<br />
Fraktionen, Mandatsträgern<br />
oder Wahlbewerbern – insbesondere<br />
zum Zwecke der Wahlwerbung<br />
– ist grundsätzlich<br />
unzulässig.<br />
Die Veröffentlichungen in der<br />
Schriftenreihe »<strong>Stichwort</strong>« stellen<br />
keine rechtsverbindlichen Aussagen<br />
des Herausgebers dar; sie<br />
dienen lediglich der Information<br />
und Urteilsbildung.<br />
Bildnachweis<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>: Titel- und<br />
Rückseite, S. 9, 11, 16, 17, 19, 26,<br />
40, 54, 56, 59, 61, 65 oben, 67,<br />
69, 74, 75, 77, 86, 88; Presseund<br />
Informationsamt der Bundesregierung:<br />
S. 10, 84; picturealliance:<br />
S. 12, 14, 15, 18, 31, 37,<br />
47, 50, 51, 53, 58, 65 unten, 72,<br />
92, 93, 94, 95, 96–97
Der <strong>Bundestag</strong> ist das Zentrum des politischen Lebens und das<br />
oberste demokratische Staatsorgan in Deutschland. Als einziges<br />
Staatsorgan wird er direkt vom Volk gewählt. Wie aber funktioniert<br />
der parlamentarische Alltag? Was tun Abgeordnete,<br />
wenn sie nicht im Plenarsaal unter der Kuppel sitzen? Warum<br />
braucht das Parlament Fraktionen? Und was hat es mit Hammelsprung,<br />
Überhangmandaten oder dem Ältestenrat auf sich?<br />
Antworten gibt es in dieser Broschüre.<br />
Fotos © Umschlag <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong>/studio kohlmeier