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Odessa vs.<br />
little Odessa<br />
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weiter<br />
odessa, ukraine<br />
Erst knapp über zweihundert Jahre alt: odessa,<br />
die Perle am schwarzen Meer. In meterhohen<br />
Pumps stolzieren Matrosinen in kurzen<br />
Röcken mit Flasche Bier in der Hand vorbei an<br />
charmant heruntergekommenen Fassaden der<br />
zweihundert Jahre alten Innenstadt. Überall<br />
wimmelt es von wilden Kötern in Rudeln, die<br />
genauso wie verarmte Babuschkas auf den<br />
Straßen nach Essbarem suchen. Die Schwarzmeerbrise<br />
riecht nach Fisch und Wodka, nach<br />
Reichtum und Armut. Es ist laut, der Verkehr<br />
chaotisch. Das Stiletto-Stakkato der großgewachsenen<br />
schönen Damen klingelt auf dem<br />
löchrigen Asphalt wie ein weiblicher Lockruf in<br />
den ohren der kahlgeschorenen, schmächtigen<br />
und ständig alkoholisierten Trainingsanzugträger.<br />
Genauso wie das lebendige Treiben<br />
auf odessas Straßen reizen mich aber auch die<br />
einfachen und billigen Kellerkneipen, odessas<br />
Untergrund. Mein guter Freund und odessit<br />
Sergej begleitet mich in die übelsten Schanklöcher,<br />
von außen kaum sichtbaren düsteren<br />
Kaschemmen. Auf geht’s – Treppe runter in die<br />
zwielichtigen Schuppen:<br />
Im ehemaligen jüdischen Arbeiterviertel Moldovanka<br />
zieht es uns ins „Dali“, raus aus der<br />
wärmenden Nachmittagssonne, rein ins Dunkle.<br />
Wir bestellen Schampanskaje, um den Kater<br />
von gestern zu kurieren. Die üppige, mit Pumps<br />
auf Seite 10<br />
aufgebockte Schönheit bringt uns eine zimmerwarme<br />
Flasche aus dem Regal. Ihre knalloranlittle<br />
ukraine, new york/usa<br />
„Saugeil, Alter, du kommst nach New york! Klar<br />
pennst du bei mir. Ich wohne in Little Ukraine,<br />
St. Mark’s, Alter, yeah ey!“, prophezeit mir mein<br />
alter Kumpel Jule, kurz bevor er sich von seiner<br />
Freundin trennt. Da 10 qm in Manhattan gute<br />
1300 $ im Monat kosten, müssen die beiden<br />
aber weiterhin zusammen pennen und ich<br />
würde dabei stören. Ich steh also vor der Tür<br />
und überdenke meine Alternativen. Eine alte<br />
Frau vietnamesischer Herkunft schiebt einen<br />
Trolly selstgebastelter Zigaretten an mir vorbei.<br />
„you wanna Marlboro, Mister?“ Nein, danke.<br />
Jan wanna Schlafplatz in New york. Als Jule<br />
mir irgendwann die Tür aufmacht, damit ich<br />
zumindest meine Koffer bei ihm abladen kann,<br />
kommt sein ukrainischer Vermieter spontan<br />
vorbei, um einen fettel Stapel Cash abzuholen.<br />
„Die Miete“, flüstert Jule, „der Typ ist oldschool.“<br />
Warum wir Deutschen nicht endlich die<br />
Nato-ost-Erweiterung zulassen, fragt er uns,<br />
aber das kann ich ihm nicht beantworten. Wenn<br />
ich dann auch so Miete zahlen muss, finde ich<br />
die Nato ganz o.k. so wie sie ist.<br />
Irgendwie schafft es Jule, mich bei einem Kumpel<br />
unterzubringen der auch Cash will, aber so<br />
läufts hier halt. Koffer fünf Stockwerke runtertragen,<br />
zwei Blöcke laufen, Koffer wieder fünf<br />
Stockwerke hochtragen, Kippe in die Fresse und<br />
schnell zur Happy Hour, weil „New york ohne<br />
saufen geht nicht“, meint Jule.<br />
weiter auf Seite <strong>11</strong>