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Schulsozialarbeit - CVJM-Hochschule

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struktion, so habe ich Werner Lindner<br />

verstanden, muss bewusst gemacht<br />

werden. Wenn dieser verstehende Zugang,<br />

dieser nachvollziehende Blick<br />

bewusst umgesetzt wird, also zum reflektiven<br />

Handwerkszeug wird, dann<br />

sind die PädagogInnen in der Praxis<br />

forschend tätig<br />

Zwischen dem praktischen und dem<br />

forschenden Handeln besteht ein Unterschied.<br />

Das Verstehen der Praktiker,<br />

das unterliegt aufgrund des gegebenen<br />

Handlungsdrucks Verkürzungen.<br />

Für den Forschungsprozess besteht<br />

ein derartiger Handlungsdruck nicht.<br />

Studierende jedoch können sich als<br />

ForscherInnen in der Praxis bewegen,<br />

wenn sich von den Handlungszwängen<br />

lösen, also beobachtend an der Praxis<br />

in ihren Praktika oder Forschungsprojekten<br />

teilnehmen.<br />

Schulz: Mit der <strong>CVJM</strong>-<strong>Hochschule</strong><br />

möchten wir die Professionalität in<br />

Kinder- und Jugendarbeit voran zu<br />

bringen. Was würden Sie uns raten,<br />

worauf müssen wir aufpassen?<br />

Thole: Sie haben jetzt fast 60 Studierende.<br />

Ihre <strong>Hochschule</strong> kann aufgrund<br />

der überschaubaren Studierendenzahl<br />

nach kreativen Lösungen<br />

suchen, also versuchen, Formen des<br />

forschenden Lernens und Lehrens zu<br />

implementieren. Eine Gefahr sehe ich<br />

darin, wenn die Qualifizierungsphase<br />

zu eng auf ein sozialpädagogisches<br />

Handlungsfeld zugeschnitten wird.<br />

Dies können wir beispielsweise in Bezug<br />

auf Studiengänge beobachten,<br />

die direkt und konkret für ein sozialpädagogisches<br />

Handlungsfeld zu<br />

qualifizieren wünschen. Ich denke,<br />

Studiengänge, die lediglich für Tätigkeiten<br />

in der Pädagogik der Kindheit,<br />

in der Kinder- und Jugendarbeit oder<br />

im Bereich des Management qualifizieren,<br />

können den Studierenden<br />

keine ausreichend breit genug angelegte<br />

Qualifizierung mitgeben – einerseits.<br />

Andererseits fordern Stimmen<br />

aus dem Arbeitsmarkt der Sozialen<br />

Arbeit, die AbsolventInnen für bestimmte<br />

Tätigkeiten in der Praxis zu<br />

qualifizieren. Aus den Handlungsfeldern<br />

der Erzieherischen Hilfen und<br />

der Kinder- und Jugendarbeit sind<br />

entsprechende Voten zu vernehmen.<br />

Schulz: Das war ja für uns ein Motiv,<br />

unser Studienangebot zu konzipieren.<br />

Thole: Ich kann dieses Motiv nachvollziehen,<br />

bin jedoch skeptisch, ob es<br />

langfristig dazu beiträgt, das sozialpädagogische<br />

Professionalisierungsprojekt<br />

voran zu bringen. Strukturell<br />

und inhaltlich plädiere ich für breit<br />

angelegte, auf die Gesamtpalette der<br />

sozialpädagogischen Arbeitsfelder hin<br />

ausgerichtete Bachelor-Studiengänge.<br />

Auf der Master-Ebene solle dann die<br />

Spezialisierung, forschungs- oder professionsbezogen,<br />

erfolgen. Da argumentiere<br />

ich natürlich partiell gegen<br />

unsere eigenen Forschungserkenntnisse,<br />

denn breit angelegte Studiengänge<br />

haben auch ihre Schattenseite.<br />

Im Studium ermöglicht eine breit angelegte<br />

Qualifizierung keine vertiefende<br />

Auseinandersetzung mit konkreten<br />

Handlungsfeldern. Jedoch eine gute<br />

akademische Qualifizierung vermittelt<br />

die Kompetenz, abstrakte, auch handlungsfeldunabhängiges<br />

Wissen in der<br />

beruflichen Praxis auf die jeweiligen<br />

Arbeitsaufgaben hin zu zuschneiden.<br />

Existieren in Ihrem Studiengang Module,<br />

die die Studierenden insgesamt<br />

in die Soziale Arbeite einführen?<br />

Schulz: Ja, sicher! Theorien, Geschichte<br />

und Handlungsfelder, Forschungsmethoden<br />

der Sozialen Arbeit<br />

usw. Wie könnten wir sonst für<br />

unsere Absolventen anschlussfähig<br />

ausbilden? Wir wissen, dass Jugendarbeit<br />

in der Regel die Sache einer relativ<br />

kurzen Lebensphase ist. Danach<br />

geht es woanders und anders beruflich<br />

weiter. Darum muss das Studium<br />

bei uns auch breit aufgestellt sein<br />

Thole: Warum haben Sie dann die Titulatur<br />

Ihres Studienganges so eng<br />

geschnitten, wenn Sie doch die Breite<br />

der Sozialen Arbeit berücksichtigen?<br />

Gibt es dafür taktische oder strategische<br />

Gründe?<br />

Schulz: Aus strategischen Gründen,<br />

weil der <strong>CVJM</strong> als internationaler<br />

Jugendverband dieses Handlungsfeld<br />

auch erschließen möchte und<br />

der <strong>CVJM</strong> sich auch als Institution<br />

darstellen will, die über den Tellerrand<br />

hinaussieht und nicht nur<br />

Kinder- und Jugendarbeit macht,<br />

sondern anschlussfähige Studiengänge<br />

anbietet, wenn auch mit einem<br />

Schwerpunkt.<br />

Thole: Das ist nachvollziehbar, jedoch<br />

aus einer beobachtenden Außenperspektive<br />

würde ich das mit den genannten<br />

Gründen weiterhin scharf kritisieren.<br />

Zudem kann es nicht sein, dass<br />

im evangelischen Milieu beispielsweise<br />

das renommierte Stephansstift<br />

in Hannover schließ, eine etablierte<br />

Fachhochschule mit einer hohen Akzeptanz,<br />

und die keine 150 km weiter<br />

südlich eine neue Fachhochschule ihren<br />

Betrieb aufgemacht.<br />

Schulz: Nun ja, man darf nicht übersehen,<br />

dass der <strong>CVJM</strong> international<br />

ausgerichtet ist.<br />

Thole: Ja, ich weiß, diesbezüglich sind<br />

Sie gut aufgestellt. Aber trotzdem ist es<br />

irritierend, dass in Hannover das Studienangebot<br />

abgebaut, eingestellt wird<br />

und hier, quasi auf einer doch relativ<br />

grünen Wiese eine neue Studiengangs-<br />

struktur aufgebaut<br />

wird.<br />

Schulz: Ich denke,<br />

das ist auch eine Frage<br />

des Milieus und<br />

der Atmosphäre. Die<br />

evangelischen Fachhochschulen<br />

haben ja<br />

das „Evangelische“<br />

in der Vergangenheit<br />

zurückgehalten, zumindest<br />

in der Wahrnehmung<br />

der Studierenden.<br />

Da versuchen<br />

wir dagegenzuhalten,<br />

indem wir mit Entschiedenheit<br />

das Religiöse<br />

und das wissenschaftliche<br />

Moment<br />

zusammenführen und<br />

zusammenhalten wollen.<br />

Thole: Gut, aber auch<br />

die existierenden evangelischen<br />

Fachhochschulen präsentieren<br />

ja auch durchaus religionspädagogische<br />

Ausbildungen. Da hat man<br />

durchaus große Nähe zu religiösen und<br />

spirituellen Fragen. Sie wissen auch,<br />

es gab eine Phase, wo es Vorbehalte<br />

gegen Absolventen der evangelischen<br />

Fachhochschulen gab. Die vollzogenen<br />

Öffnungen waren auch eine Reaktion<br />

auf die veränderten Erwartungen der<br />

Studierenden und des Arbeitsmarktes.<br />

Schulz: Ja, das bleibt wohl eine offene<br />

Frage. Studiengänge klug zu konzipieren,<br />

ist eine Herausforderung.<br />

Thole: Ja, da stimme ich mit Ihnen überein.<br />

Die Bedingungen selbst sind auch<br />

an der Universität Kassel nicht einfach.<br />

Im Fachbereich Sozialwesen haben wir<br />

einen Bachelorstudiengang mit 380<br />

Studenten, der schließt nach sechs<br />

Semestern ab. Nicht allen Absolventen<br />

dieses Studienganges können wir<br />

anschließend die Möglichkeit anbieten,<br />

einen Masterstudiengang zu studieren.<br />

Obwohl das politisch wünschenswert<br />

wäre. Dazu fehlen die notwendigen personellen<br />

und strukturellen Kapazitäten.<br />

Insgesamt steht, nicht nur an der Universität<br />

Kassel, eine Reformierung der<br />

Studienstrukturen an. Eindeutig sind<br />

deutlich mehr professionsorientierte<br />

Masterstudiengänge erwünscht und<br />

notwendig. In Bezug auf erziehungswissenschaftliche<br />

und sozialpädagogische<br />

Studiengänge ist zudem die Formulierung<br />

von standortunabhängigen Kerninhalten<br />

notwendig, um Studierenden<br />

Studienortswechsel zu erleichtern.<br />

Insgesamt, so ist glaube ich feststellen<br />

zu können, ist das sozialpädagogische<br />

Professionalisierungsprojekt mit den<br />

neuen Studiengängen nicht einfacher<br />

geworden.<br />

Herr Thole, ich danke Ihnen für<br />

dieses Gespräch.<br />

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