Katholisches Wort in die Zeit 41. Jahr Juni 2010 - Der Fels
Katholisches Wort in die Zeit 41. Jahr Juni 2010 - Der Fels
Katholisches Wort in die Zeit 41. Jahr Juni 2010 - Der Fels
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>in</strong> der sich das Göttliche so oft <strong>in</strong> unwürdigen<br />
Händen präsentiert, <strong>in</strong> der<br />
das Göttliche immer nur <strong>in</strong> der Form<br />
des Dennoch anwesend ist, den Gläubigen<br />
e<strong>in</strong> Zeichen für das Dennoch<br />
der je größeren Liebe Gottes. Das erregende<br />
Ine<strong>in</strong>ander von Treue Gottes<br />
und Untreue der Menschen, welches<br />
<strong>die</strong> Struktur der Kirche kennzeichnet,<br />
ist gleichsam <strong>die</strong> dramatische Gestalt<br />
der Gnade, durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Realität der<br />
Gnade als Begnadigung der an sich<br />
Unwürdigen fortwährend <strong>in</strong> der Geschichte<br />
anschaulich gegenwärtig<br />
wird. Man könnte von da aus geradezu<br />
sagen, eben <strong>in</strong> ihrer paradoxalen<br />
Struktur aus Heiligkeit und Unheiligkeit<br />
sei <strong>die</strong> Kirche <strong>die</strong> Gestalt der<br />
Gnade <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Welt.“ 4<br />
Die Heiligkeit Christi „äußerte<br />
sich gerade als Vermischung mit den<br />
Sündern, <strong>die</strong> Jesus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Nähe zog;<br />
als Vermischung bis dah<strong>in</strong>, dass er<br />
selbst »zur Sünde« gemacht wurde,<br />
den Fluch des Gesetzes <strong>in</strong> der H<strong>in</strong>richtung<br />
trug – vollendete Schicksalsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
mit den Verlorenen<br />
(vgl. 2 Kor 5,21; GaI3,13). Er hat <strong>die</strong><br />
Sünde an sich gezogen, zu se<strong>in</strong>em<br />
Anteil gemacht und so offenbart, was<br />
wahre »Heiligkeit« ist: nicht Absonderung,<br />
sondern Vere<strong>in</strong>igung, nicht<br />
Urteil, sondern erlösende Liebe. Ist<br />
nicht <strong>die</strong> Kirche e<strong>in</strong>fach das Fortgehen<br />
<strong>die</strong>ses Sich-E<strong>in</strong>lassens Gottes <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> menschliche Erbärmlichkeit; ist<br />
sie nicht e<strong>in</strong>fach das Fortgehen der<br />
Tischgeme<strong>in</strong>schaft Jesu mit den Sündern,<br />
se<strong>in</strong>er Vermischung mit der Not<br />
der Sünde, sodass er geradezu <strong>in</strong> ihr<br />
unterzugehen sche<strong>in</strong>t? Offenbart sich<br />
nicht <strong>in</strong> der unheiligen Heiligkeit der<br />
Kirche gegenüber der menschlichen<br />
Erwartung des Re<strong>in</strong>en <strong>die</strong> wahre Heiligkeit<br />
Gottes, <strong>die</strong> Liebe ist, Liebe, <strong>die</strong><br />
sich nicht <strong>in</strong> der adeligen Distanz des<br />
unberührbar Re<strong>in</strong>en hält, sondern sich<br />
mit dem Schmutz der Welt vermischt,<br />
um ihn so zu überw<strong>in</strong>den? Kann von<br />
da aus <strong>die</strong> Heiligkeit der Kirche etwas<br />
anderes se<strong>in</strong> als das E<strong>in</strong>ander-Tragen,<br />
das freilich für alle davon kommt, dass<br />
alle von Christus getragen werden?“<br />
Ratz<strong>in</strong>ger schreibt weiter: „Ich gestehe<br />
es: Für mich hat gerade <strong>die</strong> unheilige<br />
Heiligkeit der Kirche etwas<br />
unendlich Tröstendes an sich. Denn<br />
müsste man nicht verzagen vor e<strong>in</strong>er<br />
Heiligkeit, <strong>die</strong> makellos wäre und <strong>die</strong><br />
nur richtend und verbrennend auf uns<br />
wirken könnte? Und wer dürfte von<br />
Papst Johannes Paul II., der <strong>die</strong> Vergebensbitte für das Versagen von Gläubigen<br />
im Verlauf der Kirchengeschichte ausgesprochen hat.<br />
sich behaupten, dass er es nicht nötig<br />
hätte, von den anderen ertragen, ja<br />
getragen zu werden? Wie aber kann<br />
jemand, der vom Ertragenwerden seitens<br />
der anderen lebt, selbst das Ertragen<br />
[der anderen] aufkündigen? Ist<br />
das nicht <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Gegengabe, <strong>die</strong><br />
er anbieten kann; der e<strong>in</strong>zige Trost,<br />
der ihm bleibt, dass er erträgt, so wie<br />
auch er ertragen wird?“ 5<br />
„Das will nicht sagen, dass man<br />
immer alles beim Alten lassen und es<br />
so ertragen muss, wie es nun e<strong>in</strong>mal<br />
ist. Das Ertragen kann auch e<strong>in</strong> höchst<br />
aktiver Vorgang se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>gen darum,<br />
dass <strong>die</strong> Kirche immer mehr<br />
selbst <strong>die</strong> tragende und ertragende<br />
werde. Die Kirche lebt ja nicht anders<br />
als <strong>in</strong> uns, sie lebt vom Kampf<br />
der Unheiligen um <strong>die</strong> Heiligkeit, so<br />
wie freilich <strong>die</strong>ser Kampf von der<br />
Gabe Gottes lebt, ohne <strong>die</strong> er nicht<br />
se<strong>in</strong> könnte. Aber fruchtbar, aufbauend<br />
wird solches R<strong>in</strong>gen nur, wenn es<br />
vom Geist des Ertragens beseelt ist,<br />
von der wirklichen Liebe. Und hier<br />
s<strong>in</strong>d wir zugleich bei dem Kriterium<br />
angelangt, an dem sich jenes kritische<br />
R<strong>in</strong>gen um <strong>die</strong> bessere Heiligkeit jederzeit<br />
messen lassen muss, das dem<br />
Ertragen nicht nur nicht widerspricht,<br />
sondern von ihm gefordert wird. Dieser<br />
Maßstab ist das Aufbauen. E<strong>in</strong>e<br />
Bitterkeit, <strong>die</strong> nur destruiert, richtet<br />
sich selbst. E<strong>in</strong>e zugeschlagene Tür<br />
kann zwar zum Zeichen werden, das<br />
<strong>die</strong> aufrüttelt, <strong>die</strong> dr<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d. Aber<br />
<strong>die</strong> Illusion, als ob man <strong>in</strong> der Isolierung<br />
mehr aufbauen könnte als im<br />
Mite<strong>in</strong>ander, ist eben e<strong>in</strong>e Illusion genau<br />
wie <strong>die</strong> Vorstellung e<strong>in</strong>er Kirche<br />
der »Heiligen« anstatt e<strong>in</strong>er »heiligen<br />
Kirche«, <strong>die</strong> heilig ist, weil der Herr<br />
<strong>in</strong> ihr <strong>die</strong> Gabe der Heiligkeit schenkt<br />
ohne Ver<strong>die</strong>nst.“ 6<br />
Zur Vertiefung:<br />
Katechismus der katholischen Kirche,<br />
Nr. 823-829; 867;<br />
Leo Card.Scheffczyk / Anton Ziegenaus:<br />
Katholische Dogmatik, Siebter Band:<br />
Die Heilsgegenwart <strong>in</strong> der Kirche / Sakramentenlehre;<br />
S. 48-57.<br />
DER FELS 6/<strong>2010</strong> 167