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Gut vernetzt<br />

Smart Business Networks bieten neue<br />

Chancen für Energieversorger<br />

Die digitale Transformation führt zu starken Veränderungen der Geschäftsmodelle in vielen Branchen,<br />

einschließlich der Energiewirtschaft. Ein erfolgreicher Ansatz, diesen Herausforderungen zu begegnen,<br />

ist die Bildung neuer Partnerschaften zu Wertschöpfungsnetzwerken: den Smart Business Networks.<br />

D<br />

ie digitale Transformation bewirkt seit einiger Zeit massive<br />

Veränderungen in zahlreichen Industrien. Telekommunikations-,<br />

Medien- und Handelsunternehmen waren als erste dem<br />

Innovationsdruck von Internetunternehmen wie Skype, Google<br />

und Amazon ausgesetzt. Zunehmend greifen die neuen Geschäftsmodelle<br />

auf Branchen wie Banken und Versicherungen,<br />

Touristik, Automobil und auch die Energiewirtschaft über.<br />

Ein wesentliches Element der Veränderungen ist die Umgestaltung<br />

einfacher Wertschöpfungsketten in Richtung komplexer<br />

Wertschöpfungsnetzwerke. Damit einher geht die Auflösung<br />

von Branchengrenzen. Es entstehen neue, dynamische Verbindungen<br />

zwischen bisher branchenfremden Unternehmen. Diese<br />

so genannten Smart Business Networks (SBNs) sind darauf aus-<br />

gerichtet, unterschiedliche Geschäftskompetenzen durch den<br />

Einsatz „smarter“ Technologien zusammenzuführen.<br />

So verbinden sich im gerade entstehenden Markt für intelligente<br />

Haushaltslösungen, der üblicherweise mit den Begriffen<br />

„Smart“ oder „Connected Home“ bezeichnet wird, derzeit Unternehmen<br />

aus vormals klar getrennten Branchen wie zum Beispiel<br />

Energie, Unterhaltungselektronik, Gebäudesystemtechnik<br />

und Telekommunikation. In ähnlicher Weise entstehen Partnerschaften<br />

zwischen Automobilherstellern oder -zulieferern<br />

mit Energieversorgern und Telekommunikationsunternehmen,<br />

um im neuen Geschäftsfeld der Elektromobilität (E-Mobility)<br />

Produkte und Lösungen gemeinsam auf den Markt zu bringen.<br />

38 <strong>Detecon</strong> Management Report blue • 1 / 2013


Anpassung der Geschäftsmodelle als Voraussetzung<br />

für den Erfolg<br />

In den neuen Märkten kann sich der Erfolg nur über eine gemeinschaftliche<br />

Wertschöpfung innerhalb eines komplexen<br />

Netzwerks einstellen. Dafür werden alle Beteiligten ihre<br />

bisherigen Geschäftsmodelle verändern müssen. Werden<br />

Energieversorgungsunternehmen ein subventioniertes Auto als<br />

Dreingabe zur Stromlieferung anbieten, so wie Telekommunikationsunternehmen<br />

heute bei Vertragsabschluss kostenfrei<br />

Handys ausgeben? Werden Automobilhersteller Stromverträge<br />

als Teil des Wartungspakets anbieten? Oder werden neue<br />

Dienstleister Gesamtpakete aus Fahrzeug, Energie, Parkplatz<br />

und Wartung vertreiben? Allen diesen Szenarien ist gemeinsam,<br />

dass Produkte und Dienstleistungen aus heute unterschiedlichen<br />

Branchen gebündelt durch ein Partnernetzwerk angeboten<br />

werden.<br />

Andere, für Energieversorger relevante Märkte, in denen wir<br />

ähnliche Konstellation erwarten, sind Städte oder Regionen mit<br />

intelligenten Infrastrukturen („Smart Cities“), die Bereiche Gebäude-<br />

und Energiemanagement sowie der Ausbau dezentraler<br />

Infrastrukturen, Versorgungs- und Kommunikationsnetze sowie<br />

Stromerzeugung, beispielsweise mit Blockheizkraftwerken.<br />

Smart Business Networks<br />

in drei Rollen<br />

In verschiedenen Studien und Analysen haben wir herausgefunden,<br />

dass Unternehmen in Smart Business Networks häufig<br />

eine von drei grundlegenden Rollen einnehmen: die des Infrastrukturbetreibers,<br />

die des Orchestrators, der eine Plattform<br />

bereitstellt, die es wiederum anderen Unternehmen ermöglicht,<br />

intensive Kundenbeziehungen einzugehen und die Kunden des<br />

Netzwerks durch Innovationen zu begeistern.<br />

Die Rolle der Infrastrukturanbieter: Infrastrukturanbieter (Infrastructure<br />

as a Service, IaaS) stellen für nachgelagerte Anbieter<br />

grundlegende, typischerweise wenig differenzierte Basisdienstleistungen<br />

(„Commodities“) bereit. Hierzu zählen wir<br />

Energie- sowie auch Kommunikations- und IT-Infrastrukturen.<br />

Geschäftsmodelle im Infrastrukturbereich sind häufig kapitalintensiv,<br />

zeichnen sich durch hohe Effizienz anforderungen und<br />

Skaleneffekte aus und erfordern ausgeprägte Trans aktions- und<br />

Betriebskompetenzen.<br />

Die Rolle des Plattformanbieters: Eine zentrale Rolle in Smart<br />

Business Networks spielen Plattformanbieter (Business as a<br />

Service, BaaS). Diese stellen Geschäftsprozess-Artefakte bereit,<br />

39 <strong>Detecon</strong> Management Report blue • 1 / 2013


die es anderen Unternehmen ermöglichen, komplette Wertschöpfungsstrukturen<br />

mit geringem Aufwand zu komponieren.<br />

Häufig beteiligt sich der Plattformanbieter an der Orchestrierung<br />

des Wertschöpfungsnetzes. Aufgrund dieser Rolle nennen<br />

wir das Geschäftsmodell von Plattformanbietern „Business as a<br />

Service“. Häufig ist der Plattformanbieter das dominante Unternehmen<br />

in einem Wertschöpfungsnetz, das vielen kleineren<br />

Marktteilnehmern erst ihre Geschäfts modelle ermöglicht. Bekannte<br />

Plattformgeschäftsmodelle finden sich in der IT-Industrie,<br />

das bekannteste Beispiel ist Apple, das über den App Store<br />

unzähligen kleinen Software- und Spiele-Unternehmen einen<br />

unkomplizierten Marktzugang ermöglicht. Ein Plattformanbieter<br />

sorgt für die notwendige Standardisierung von Schnittstellen<br />

und Architekturen. Die Partnermodelle müssen dabei so gestaltet<br />

sein, dass sie den Akteuren genügend Flexibilität für andere<br />

Kooperationsformen oder eigenständige Geschäftsaktivitäten<br />

bieten.<br />

Die Rolle an der Schnittstelle zum Verbraucher: Am Ende der meisten<br />

Wertschöpfungsketten und -netze stehen Konsumenten,<br />

auf die Erfüllung deren Bedürfnisse die gesamte Leistungserbringung<br />

ausgerichtet ist oder sein sollte. Bei zunehmender<br />

technischer Komplexität vieler Produkte und Dienstleistungen<br />

kommt der „Übersetzung“ des technischen Produkts an die Bedürfnis-<br />

und Erlebniswelt der Verbraucher eine im Wettbewerb<br />

entscheidende Rolle zu („Consumer Interface“). Unternehmen,<br />

die besondere Fähigkeiten im Bereich Innovation, Dienstleistungsqualität<br />

(„Customer Experience“) und Markenführung<br />

ausprägen, sind besonders erfolgreich, die Schnittstelle zum<br />

Kunden zu besetzen und damit die Kundenbeziehung zu managen.<br />

Amazon als „Best Practice“-Beispiel<br />

Betrachtet man Unternehmen unterschiedlichster Branchen im<br />

Rahmen des oben skizzierten Modells, so stellt man fest, dass<br />

die meisten nur eine der Rollen erfolgreich ausgestalten können<br />

und sich dementsprechend auf diese fokussieren. Das ist häufig<br />

dann auch genau die richtige strategische Entscheidung. Bei<br />

einigen wenigen Unternehmen stellen wir jedoch fest, dass es<br />

Best practice<br />

Kernfähigkeiten<br />

EVU 2020<br />

Quelle: <strong>Detecon</strong><br />

• Waren/Produkte<br />

• Digitale Güter<br />

(Medien, App Store)<br />

• Endgeräte (Kindle)<br />

• Marktplatz<br />

• Auslieferung<br />

• Abrechnung/Bezahlung<br />

• Logistik<br />

• EC2/S3<br />

• Cloud Drive<br />

Amazon hat sein auf Einzelhandel und Verbraucher<br />

ausgerichtetes Geschäftsmodell bis hin zu Infrastrukturleistungen<br />

ausgedehnt. Der Mechanismus lag in<br />

der Bereitstellung von Schnittstellen und Plattformen<br />

(“Enabling”) und in Wholesale-Geschäftsmodellen.<br />

Informationen<br />

Innovationen<br />

(Kunden-)Service<br />

Consumer Interface (Einzelhandel)<br />

Informationen<br />

Vertrauen (B2B)<br />

Partnerschaften<br />

Business as a Service<br />

Transaktionen<br />

Skaleneffekte<br />

Finanzierung<br />

Infrastruktur<br />

• Endgeräte (Smart Home, Smart Meters)<br />

• Lösungen (Anwendungen)<br />

• Dienstleistungen<br />

(Privathaushalte, Gebäude)<br />

• Kundendienst (Field Force)<br />

• Marktplatz (App Store)<br />

• Abrechnung/Bezahlung<br />

• Demand/Response, Virtual Power Plants<br />

• Beratung, Roll-out und Betrieb<br />

• Gas und Strom<br />

• Distribution/Verteilnetze<br />

• Infrastruktur-/Grid Management<br />

• Erzeugung und Handel<br />

Energieversorger können ihre bestehenden<br />

Geschäftsfelder durch Dekomposition ihrer Wertschöpfungskette<br />

und durch den Aufbau interner<br />

und externer Wertschöpfungsnetzwerke ausbauen.<br />

40 <strong>Detecon</strong> Management Report blue • 1 / 2013


ihnen gelingt, zwei oder sogar alle drei der oben beschriebenen<br />

Rollen einzunehmen. Diese Unternehmen sind dann insgesamt<br />

besonders erfolgreich, so dass eine Analyse ihres Erfolgsrezepts<br />

wichtige Hinweise auch für andere Unternehmen liefern kann.<br />

Ein besonders geeignetes Beispiel ist Amazon. Das ursprünglich<br />

als Internet-Versandbuchhändler gestartete Unternehmen<br />

hat sich über Verkaufsplattformen und Zahlungslösungen<br />

(„Business as a Service“) zu einem weltweit führenden Infrastrukturanbieter<br />

entwickelt. Mit Blick auf die Kompetenzfelder<br />

ist es Amazon gelungen, sein Geschäftsmodell von einem reinen<br />

Internet-Versandhändler für Konsumentenprodukte („Consumer<br />

Interface“) durch zusätzliche Plattformdienste signifikant<br />

auszuweiten. Amazon bietet seit einiger Zeit mit dem Marktplatz<br />

und damit verbundenen Diensten wie Fulfillment und<br />

Payment Plattformdienste im B2B- Bereich für Partner an.<br />

Kleine Händler können damit sowohl ihre Verkaufsplattform<br />

(„Shop“), als auch ihre Logistik und die Zahlungsabwicklung<br />

von Amazon durchführen lassen und sich dadurch vor allem auf<br />

Vertrieb, Produktauswahl und Einkauf konzentrieren. Zusätzlich<br />

profitieren sie von dem Vertrauen, dass hinter der Marke<br />

Amazon steht. Mit seiner Sparte Amazon Web Services hat sich<br />

Amazon dann in einem zweiten Schritt als Infrastrukturanbieter<br />

im Bereich Cloud Computing etabliert. Das grundlegende<br />

Prinzip, das dieser Entwicklung zugrunde liegt, ist die strategische<br />

Entscheidung, alle intern genutzten Dienste wie Logistik<br />

oder auch die Rechenzentrumsinfrastruktur Dritten zugänglich<br />

zu machen.<br />

Zukünftige Rollen für Energieversorgungsunternehmen<br />

Was bedeuten nun diese Erkenntnisse und die zunehmend<br />

komplexer werdenden Wertschöpfungsnetzwerke für EVUs?<br />

Ohne Zweifel werden sie weiterhin einen wesentlichen Teil ihrer<br />

Erträge aus dem angestammten Infrastrukturgeschäft realisieren<br />

und auf eine investitionsintensive Erzeugungs- und Netzbasis<br />

zurückgreifen. Dieses Geschäft steht jedoch bereits heute unter<br />

einem sehr großen Kosten- und Finanzierungsdruck. Wie in den<br />

Beispielen am Anfang des Artikels erläutert, liegen Wachstumspotenziale<br />

vor allem in den komplexeren Geschäftsmodellen,<br />

die auf Basis von Partnerschaften realisiert werden. Die werthaltigste<br />

Rolle ist die des Platt formanbieters, der als zentraler Player<br />

des Netzwerks „Business as a Service“-Dienstleistungen für<br />

andere Unternehmen bereitstellt. Für Energieversorger bieten<br />

sich dementsprechend Chancen, durch die Öffnung von bereits<br />

heute existierenden Leistungselementen zentraler Player bei energiebezogenen<br />

Wertschöpfungsnetzen zu werden. Hierzu sind<br />

allerdings auch neue Kompetenzen erforderlich, die rechtzeitig<br />

aufgebaut werden müssen. Neben den Fähigkeiten, Partnerund<br />

Kundenbeziehungen zu gestalten, gehören dazu insbesondere<br />

der Umgang mit Informationen im Wertschöpfungsnetz<br />

und der gezielte Aufbau und die Monetarisierung von Vertrauen<br />

in ihre Marke.<br />

Dies sei abschließend noch einmal am Beispiel Smart Cities<br />

illustriert. Getrieben von der Urbanisierung – 2050 werden<br />

70 Prozent aller Menschen in Städten wohnen – werden<br />

nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte essentiell sein, um die<br />

Lebensqualität der Stadtbewohner sicherzustellen. Wird heute<br />

das Thema Smart City noch stark von Unternehmen wie IBM<br />

oder Siemens besetzt, bieten sich hier insbeson dere für EVUs<br />

Chancen für neue Geschäftsmodelle. Sie können ihr Know-how<br />

in den Bereichen Energieerzeugung, dem Energiemanagement<br />

und der Energieeffizienz einbringen und ihre Managementkompetenz<br />

Städten, Bürgern und weiteren Dienstleistern anbieten.<br />

Innerhalb der Aktionsfelder intelligente Energieversorgung, integrierte<br />

Verkehrssysteme, Gebäudetechnik, Gesundheitswesen,<br />

Sicherheit und Bildung können Energieversorgungsunternehmen<br />

sich als Partner der Bürger und Kommunen etablieren.<br />

Partnerschaften führen zum Erfolg<br />

Nach der vertikalen Desintegration, das heißt dem Aufbrechen<br />

der linearen Wertschöpfungskette – Stichwort: Unbundling –,<br />

steht die Energiebranche nun vor der Herausforderung, neue<br />

Wertschöpfungskonstellationen zu schaffen. Der Ansatz der<br />

Smart Business Networks liefert ein Modell, das neue Möglichkeiten<br />

in Verbindung mit der digitalen Transformation<br />

aufzeigt. Den Energieversorgungsunternehmen bietet sich dabei<br />

die Chance, durch eine intelligente Ausdehnung ihres Geschäftsmodells<br />

über die Bildung partnerschaftlicher Netzwerke<br />

mit Unternehmen anderer Branchen neue Kunden und neues<br />

Wertschöpfungspotenzial zu erschließen. Je aktiver EVUs diese<br />

Rolle für sich entwickeln, desto höher kann ihr Anteil an der<br />

Wertschöpfung des Netzwerks sein.<br />

Dr. Volker Rieger, Managing Partner, berät Klienten aus<br />

den Energie- und Telekommunikationssektoren zu neuen<br />

Geschäftsmodellen im Rahmen der digitalen Transformation.<br />

41 <strong>Detecon</strong> Management Report blue • 1 / 2013

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