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Die Entstehung des Norddeutschen Beckens, ein Metamorphose ...

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<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong> –<br />

<strong>ein</strong> <strong>Metamorphose</strong>-Modell<br />

H.-J. Brink, Hannover<br />

Zusammenfassung<br />

In <strong>ein</strong>er integrativen Analyse werden <strong>Metamorphose</strong>prozesse in der aggregierten Kruste,<br />

Potentialfeldanomalien, Temperaturfeld sowie die Subsidenzgeschichte zu <strong>ein</strong>em Modell für die<br />

<strong>Entstehung</strong> <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong> zusammengefasst, das beobachtete Phänomene wie<br />

Stickstoffreichtum in Erdgasen permischer Sandst<strong>ein</strong>e und die Struktur der Kruste mit theoretischen<br />

Ableitungen verknüpft. Das so entstandene neue Modell zur Erklärung von „Geosynklinalen“, bei<br />

dem geochemisch/ petrophysikalische Prozesse in der Unterkruste <strong>ein</strong>e entscheidende Rolle spielen,<br />

sch<strong>ein</strong>t global anwendbar zu s<strong>ein</strong>. Es kann die Anwendung existierender tektonischer<br />

Dehnungsmodelle zur Erklärung der Subsidenz von Sedimentbecken um <strong>ein</strong>e intrinsische Variante<br />

ergänzen.<br />

Abb. 1: Zentraleuropäisches <strong>Beckens</strong>ystem mit variszischem Vorlandbecken (gestrichelt mit Markierung der<br />

Beckenachse), Norddeutschem (Südl.) Permbecken (durchgezogene Linie, mit Markierung der<br />

Beckenachse), Niedersachsen Becken (gepunktete Line) und Nordseebecken (~Nordseeküste). Weitere<br />

geographische Merkmale sind die Elbe, der Glückstädter Triastrog, das Dänisch-Norwegische (Nördl.)<br />

Permbecken, die Variszische Deformationsfront, das Variszische Orogen, die Niederlande (NL), Dänemark<br />

(DK) und Polen (PL).<br />

Einleitung<br />

Der deutsche Teil <strong>des</strong> zentraleuropäischen <strong>Beckens</strong>ystems (Abb. 1) wird von den sich<br />

überlagernden SW-NO-streichenden ober-karbonischen Senken <strong>des</strong> variszischen Vorlandbeckens,<br />

unter denen Schelfgebiete mit Plattformkarbonaten <strong>des</strong> Unterkarbons und Devons vermutet werden


[1], [2], vom darüberliegenden elbparallel verlaufenden (südlichen) Perm(-Trias)becken<br />

(Norddeutsches Becken), vom südlich angrenzenden Ost-West-streichenden Niedersachsen Becken<br />

und vom Nord-Süd-streichenden Nordseebecken gebildet.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Karbonbeckens wird der Flexur der Kruste als Folge der variszischen<br />

Orogenese zugeschrieben, vergleichbar der Genese <strong>des</strong> süddeutschen Molassebeckens, das der<br />

alpidischen Gebirgsbildung zugeordnet wird. <strong>Die</strong> Ursache <strong>des</strong> Permbeckens wird von den meisten<br />

Autoren in Riftprozessen (transtensives Pull-apart-Becken, [3], [4]) <strong>des</strong> Rotliegenden gesehen und<br />

mit <strong>ein</strong>er Dehnung der Kruste verknüpft, die von magmatischen und vulkanischen Aktivitäten<br />

begleitet wurde. Das spektakuläre, in der Oberkreide invertierte mesozoische Niedersachsenbecken<br />

gilt ebenfalls als Dehnungsbecken [5], genauso wie das Nordseebecken [2]. In den Sedimenten aller<br />

vier Becken wurden wirtschaftliche Mengen von Kohlenwasserstoffen gefunden.<br />

Allerdings wurden nördlich <strong>ein</strong>er elbparallel streichenden Linie in den Sedimenten <strong>des</strong><br />

Rotliegenden bisher nur unwirtschaftliche stickstoffreiche Gase nachgewiesen (Abb. 2). <strong>Die</strong><br />

Ursachen dieser hohen Stickstoffgehalte wurden vielfältig diskutiert (u.a. [6], [7]) und führten im<br />

Endeffekt zur Aufgabe der Erdgasexploration <strong>des</strong> in Schleswig-Holst<strong>ein</strong> liegenden<br />

Beckenzentrums, das wegen der großen Tiefe als übermatur charakterisiert oder bar jeder<br />

kohlehaltigen (terrestrischen!) karbonischen Muttergest<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>geschätzt wurde.<br />

Abb.2: Isopachen <strong>des</strong><br />

sedimentären Rotliegenden<br />

(Intervallmaxima in m)<br />

Das auf die Basis <strong>des</strong> Oberrotliegenden reduzierte Schwerefeld Norddeutschlands, das über<br />

formationsabhängige Temperaturgradienten abgeleitete und für die Tiefe berechnete<br />

Temperaturfeld sowie die gemessenen Anomalien <strong>des</strong> Magnetfel<strong>des</strong> gestatten nun in <strong>ein</strong>er<br />

integrativen Betrachtung <strong>ein</strong>e Analyse der Evolution <strong>des</strong> norddeutschen Permbeckens.<br />

Modellierbare Ursachen und beobachtete Wirkungen wie Subsidenzgeschichte und Stickstoffgenese<br />

werden dabei mit<strong>ein</strong>ander verknüpft und Beobachtungen aus dem Westsibirischen Becken, das wie<br />

das Norddeutsche Becken auf <strong>ein</strong>er aggregierten Kruste liegt [8], berücksichtigt. Darüber wird im<br />

Folgenden berichtet.<br />

<strong>Die</strong> Potentialfeldanomalien<br />

<strong>Die</strong> von Brink et al.1994 [9] publizierte Karte der auf die Zechst<strong>ein</strong>basis reduzierten Schwere<br />

Norddeutschlands enthält für den Bereich Schleswig-Holst<strong>ein</strong> noch die gravitative Wirkung <strong>des</strong><br />

mächtigen, salzreichen und daher gering dichten Oberrotliegendsedimentes. Unter


Berücksichtigung <strong>ein</strong>er mächtigkeitsabhängigen Dichtefunktion (ρ in gr/cm³ = 2.70 - 0.25∆z, ∆z =<br />

Mächtigkeit in km) sowie der Isopachen <strong>des</strong> Oberrotliegenden (Abb. 2), in die vorhandene<br />

Bohrungsdaten und die Interpretation seismischer Profile <strong>ein</strong>bearbeitet wurden, war <strong>ein</strong>e<br />

Berechnung der Schwerewirkung dieser Schicht und <strong>ein</strong>e Reduktion der Bouguerschwere auf die<br />

Basis <strong>des</strong> Oberrotliegenden möglich (Abb. 3). Da die durchschnittliche Dichte der in großer Tiefe<br />

liegenden Oberkarbonsedimente bei ca. 2,7 gr/cm³ liegt und sich daher kaum von der der liegenden<br />

oberkrustalen Gest<strong>ein</strong>en unterscheidet, sind die verbleibenden Schwerefeldanomalien (Abb. 4) nicht<br />

mehr dem Sedimentpaket, sondern den Gest<strong>ein</strong>sschichten darunter zuzuordnen.<br />

Abb.3: Basis <strong>des</strong><br />

sedimentären<br />

Rotliegenden<br />

Abb.4: Reduzierte<br />

Schwere für Basis sed.<br />

Perm (Intervallmaxima<br />

in mgal)<br />

Der Vergleich dieses reduzierten Schwerefel<strong>des</strong> mit dem Magnetfeld (Abb. 5) [s.a.10] zeigt, dass es<br />

unterschiedliche Ursachen für beide Potentialfelder geben muss, da in der Punktwolke der ortstreu<br />

über<strong>ein</strong>andergetragenen Anomalienwerte k<strong>ein</strong>e Beziehung nachzuweisen ist (Abb. 6). <strong>Die</strong> Ursache<br />

der Magnetfeldanomalien liegt mit Sicherheit oberhalb der Curietiefe, die durch die


Curietemperatur von 578°C für Magnetit definiert werden kann. Einige Lokationen im<br />

<strong>Norddeutschen</strong> Becken mit Magnetfeldanomalien weisen wie in Bramsche oder Pritzwalk auch<br />

entsprechende gravimetrische Anomalien auf [11], doch für die großräumige gravimetrische<br />

Anomalie nördlich der Elbe, die von der Nordsee über Schleswig-Holst<strong>ein</strong> bis nach Ostdeutschland<br />

reicht, gibt es k<strong>ein</strong> magnetisches Pendant. <strong>Die</strong> Ursache dieser gravimetrischen Anomalie muss<br />

demnach mit hoher Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit in den Gest<strong>ein</strong>sschichten unterhalb der Curietiefe zu suchen<br />

s<strong>ein</strong>. Wie sieht nun die Tiefenlage der Curietemperatur aus?<br />

Abb.5:<br />

Magnetfeldanomalien<br />

(Intervallmaxima in rel.<br />

Abb. 6: Relative Werte der magnetischen Anomalien <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong>, ortstreu aufgetragen über<br />

die Werte der auf die Basis <strong>des</strong> sedimentären Perms reduzierten Bouguerschwere - strukturlose Punktwolke


langwellig gefilterter Daten (20 km Gitter, kl<strong>ein</strong>räumige Anomalien geglättet), die k<strong>ein</strong>e Beziehung<br />

zwischen gravimetrisch und magnetisch wirksamen regionalen Körpern erkennen lässt.<br />

Das Temperatur- und Druckfeld<br />

Mit den vorliegenden regionalen Tiefenkarten wichtiger geologischer Formationen<br />

Norddeutschlands und den an Bohrungen gemessenen und dann gemittelten Temperaturgradienten<br />

für jede Formation (Tabelle I) kann das stationäre Temperaturfeld an der Basis <strong>des</strong><br />

Oberrotliegenden abschätzungsweise berechnet werden (Abb. 7). Mit <strong>ein</strong>em Temperaturgradienten<br />

von 20-22.5°C/km für die darunter liegenden Gest<strong>ein</strong>sschichten, der auch der Annahme <strong>ein</strong>es<br />

durchschnittlichen Wärmeflusses von 45 mW/m² und <strong>ein</strong>er Wärmeleitfähigkeit von 2-2.25 W/m°C<br />

entspricht, kann bei <strong>ein</strong>er Vorgabe von 578°C für die Curietemperatur deren Tiefenlage ermittelt<br />

werden. Analog dieser Berechnung kann ebenfalls unter Berücksichtigung von<br />

Formationsmächtigkeiten und den zugehörigen Dichten (Tabelle I) der lithostatische Druck für jede<br />

beliebige Grenzfläche berechnet werden.<br />

Tabelle I<br />

Schicht<br />

Temperatu Wärmeleitf. Dichte Seismische<br />

rgradient W/m°C bei (gr/cm³) Geschwindigke<br />

°C/km Wärmefluss von 45 (tw. it (m/s)<br />

mW/m²<br />

tiefenabh.)<br />

Tertiär 30.60 1.47 1.95 - 2.50<br />

Basis Tertiär bis Basis 19.74 2.28 2.35 - 2.53<br />

Kreide<br />

Basis Kreide bis Basis Trias 24.73 1.82 2.48 - 2.70<br />

Salzstöcke 17.65 2.55 2.35<br />

Zechst<strong>ein</strong> 17.65 2.55 2.2<br />

Rotliegen<strong>des</strong> 22.25 2.00 2.2 - 2.7<br />

Paläozoikum (Karbon) 22.25 2.00 2.7 4500<br />

Grünschiefer Fazies 22.25 2.00 2.7 6200<br />

Amphibolit Fazies 20.00 2.25 3 6900<br />

Granulit Fazies 20.00 2.25 3.3 (7800)<br />

Erdmantel 20.00 2.25 3.3 (8000)


Abb.7: Temperatur an der<br />

Basis <strong>des</strong> sed. Perms<br />

(Intervallmaxima in C°)<br />

Abb.8: Tiefenlage der<br />

Curietemperatur (578°C) (<br />

Intervallmaxima in m)<br />

<strong>Die</strong> Curie-Tiefe<br />

Für die auf Magnetitbasis berechnete Tiefenlage der Curietemperatur, die magnetisch wirksames<br />

von magnetisch unwirksamem Gest<strong>ein</strong> trennt, ergibt sich <strong>ein</strong> Verlauf, wie er in Abbildung 8<br />

dargestellt ist. Ein Vergleich dieser Karte mit der Karte der auf Basis <strong>des</strong> Oberrotliegenden<br />

reduzierten Schwere zeigt <strong>ein</strong>e generelle Über<strong>ein</strong>stimmung. Das Gebiet nördlich der Elbe mit s<strong>ein</strong>er<br />

positiven Schwereanomalie weist <strong>ein</strong>e Hochlage der Curietiefe auf, die ca. 2-3 km oberhalb <strong>des</strong><br />

Niveaus südlich der Elbe liegt. In <strong>ein</strong>er Graphik, in der das reduzierte Schwerefeld und die<br />

Curietiefe über<strong>ein</strong>ander aufgetragen sind, werden <strong>ein</strong>deutige Korrelationen sichtbar (Abb. 9), die<br />

auf <strong>ein</strong>e 'physikalische' Beziehung beider Größen hindeuten. Hohe Schwerewerte korrelieren mit<br />

geringen Curietiefen und umgekehrt. <strong>Die</strong> Gest<strong>ein</strong>e unterhalb der Curietiefe müssen <strong>ein</strong>e höhere<br />

Dichte aufweisen, die die Ursache der positiven Schwerefeldanomalie nördlich der Elbe ist. Wie<br />

kann diese Beobachtung erklärt werden?


<strong>Metamorphose</strong>prozesse in der Unterkruste<br />

Abb. 9: Relative Werte der<br />

gravimetrischen Anomalien<br />

<strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong><br />

(auf die Basis <strong>des</strong><br />

sedimentären Perm<br />

reduzierte Bouguerschwere),<br />

ortstreu auf-getragen über<br />

die abgeleiteten Tiefenwerte<br />

der Curietemperatur von<br />

578°C (20 km Gitter,<br />

kl<strong>ein</strong>räumige Anomalien<br />

geglättet) - strukturierte<br />

Punktverteilung, die <strong>ein</strong>e<br />

Beziehung zwischen<br />

gravimetrisch wirksamen<br />

regionalen Körpern und dem<br />

Temperaturverlauf in der<br />

Kruste erkennen lässt (hohe<br />

Schwerewerte korrelieren<br />

überwiegend mit geringen<br />

Aus der plattentektonischen Rekonstruktion für den zentraleuropäischen Raum ist bekannt [4], dass<br />

sich die Krustenschicht im Liegenden <strong>des</strong> Devons aus kaledonisch aggregierten altpaläozoischen<br />

Gest<strong>ein</strong>en zusammensetzen muss, eventuell auch unter der Einbindung kl<strong>ein</strong>erer Terrane wie Ost-<br />

Avalonia [12]. Da das Gesamtbecken seit dem Devon im Durchschnitt etwa 10 km abgesunken ist<br />

und k<strong>ein</strong>e Auffüllung <strong>ein</strong>es tiefen ozeanischen <strong>Beckens</strong> vorliegt, wie aus der Existenz von<br />

überwiegend kontinentalen oder im Flachwasser abgelagerten Sedimenten abzulesen ist, sind<br />

Gest<strong>ein</strong>e, die während <strong>des</strong> Devons in 10km Tiefe lagen, heute in ca. 20km Tiefe bei höheren<br />

Drücken und Temperaturen anzutreffen und dürften zu Grünschieferfazies mit <strong>ein</strong>er Dichte von ca.<br />

2.7 gr/cm³ metamorphisiert s<strong>ein</strong>. Äquivalentes muss für alle darunter liegenden Gest<strong>ein</strong>e der<br />

tieferen Kruste in <strong>ein</strong>em ebenfalls von Temperatur und Druck abhängigen <strong>Metamorphose</strong>grad<br />

zutreffen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Metamorphose</strong> dürfte in Norddeutschland in Tiefen bis ca. 30 km allerdings weniger vom<br />

Druck als vielmehr von der Temperatur abhängig s<strong>ein</strong> (Abb.10) [13]. Auffälligerweise liegt bei der<br />

Curietemperatur von 578°C die Transformationsgrenze in der <strong>Metamorphose</strong> von<br />

Grünschieferfazies zu Amphibolitfazies vor, verbunden mit <strong>ein</strong>er Gest<strong>ein</strong>sdichtenzunahme um ca.<br />

10% von 2.7 gr/cm³ auf 3.0 gr/cm³ und <strong>ein</strong>er subsequenten Volumenreduktion um ebenfalls ca.<br />

10%. Als Ursache der positiven gravimetrischen Anomalie nördlich der Elbe lässt sich somit ohne<br />

weiteres die der temperaturabhängigen Undulation der Curietiefe folgende Transformation von<br />

Grünschieferfazies in Amphibolitfazies zuschreiben.<br />

Nach Boyd 2001 [14] tritt bei dieser <strong>Metamorphose</strong> <strong>ein</strong>e Abgabe größerer Volumina von Stickstoff<br />

mit <strong>ein</strong>em hohen δ 15 N %o Wert auf (Abb.11), was die Isotopenverhältnisse <strong>des</strong> Stickstoffs in den<br />

Permsedimenten der südlichen deutschen Nordsee [7] erklären könnte. Wenn im Beckenzentrum<br />

<strong>ein</strong> großer Teil <strong>des</strong> beobachteten Stickstoffs aus der Krustenmetamorphose stammt, kann durchaus<br />

darauf geschlossen werden, dass k<strong>ein</strong> organisches Muttergest<strong>ein</strong> vorliegen muss, das in <strong>ein</strong>em<br />

übermaturen Zustand ebenfalls als Stickstoffquelle in Frage kommen könnte. Dann gäbe es auch<br />

k<strong>ein</strong>e frühe Generationsphase für Kohlenwasserstoffe zur Zeit der Trias, deren Migrationsprodukte<br />

heute noch nördlich der Elbe zu explorieren wären [15]. Wie ist die heute vorliegende Undulation<br />

der Curietiefe zu erklären und was hat sie mit der Subsidenz <strong>des</strong> <strong>Beckens</strong> zu tun, <strong>des</strong>sen Zentrum<br />

mit der Aufwölbung der beschriebenen <strong>Metamorphose</strong>grenze zusammenfällt?


Abb. 10: Generalisierte<br />

Grenzen metamorpher Fazies (<br />

nach Yardley, 1989 [13]) mit<br />

Temperaturtiefenverlauf <strong>des</strong><br />

<strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong>,<br />

Curietemperatur und Druckund<br />

Temperatur-Moho<br />

Projektionen. Auffällig sind<br />

die hohe Temperatur- und<br />

geringe Druckabhängigkeit der<br />

<strong>Metamorphose</strong> für die Kruste<br />

<strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong>.<br />

Abb. 11: Anteil und<br />

Isotopenzusammens<br />

etzung <strong>des</strong><br />

Stickstoffs in<br />

kontinentalen<br />

metasedimentären<br />

Gest<strong>ein</strong>en ( nach<br />

S.R. Boyd, 2001<br />

[14] ). <strong>Die</strong><br />

Stickstoffisotopenw<br />

erte im<br />

<strong>Norddeutschen</strong><br />

Becken lassen sich<br />

ohne weiteres dem<br />

<strong>Metamorphose</strong>proze<br />

ss in der<br />

Unterkruste, wo die<br />

Grünschiefer Fazies<br />

in Amphibolit<br />

Fazies konvertiert<br />

wird zuordnen<br />

Der Subsidenzprozess<br />

Vor der eigentlichen Bildung <strong>des</strong> nord-deutschen Permbeckens wurde die aggregierte Kruste als<br />

Folge <strong>ein</strong>er Zunahme <strong>des</strong> Wärmeflusses durch magmatische Intrusionen und Vulkanismus alteriert<br />

[2]. <strong>Die</strong> damit verknüpften Riftprozesse sind allerdings in den Daten anders wiederzufinden als<br />

theoretisch gefordert. Nach den üblichen Modellen über Krustendehnungsprozesse müsste als


Vorgänger der großflächigen beckenbildenden thermischen Subsidenz <strong>ein</strong> Grabensystem oder Pullapart-Becken<br />

parallel zur Achse <strong>des</strong> <strong>Beckens</strong> entstanden s<strong>ein</strong>. <strong>Die</strong>s wird zwar postuliert [3], [4] aber<br />

nicht beobachtet. Vielmehr gibt es <strong>ein</strong> Netz von kl<strong>ein</strong>eren Rotliegendgräben, die eher orthogonal<br />

zur Achse <strong>des</strong> <strong>Beckens</strong> streichen [16].<br />

Für das an Kohlenwasserstoffen reiche Westsibirische Becken, das wie das Norddeutsche Becken<br />

ebenfalls auf <strong>ein</strong>er aggregierten Kruste gebildet wurde, lässt sich die abgeleitete 'tektonische'<br />

Subsidenz mit den herkömmlichen Modellen nicht erklären, da die entsprechende Tiefenlage der<br />

'Moho' (Krusten-Mantel-Grenze) nicht beobachtet wird [8]. Wenn also die geforderten<br />

Dehnungsprozesse nicht oder anders als postuliert abgelaufen sind, welche Prozesse können dann<br />

die Subsidenz beider Becken verursacht haben? Für das Norddeutsche Becken lässt sich aus dem<br />

weiter oben Beschriebenen <strong>ein</strong> wirksames Modell ableiten. Greifen wir dafür auf zwei wichtige<br />

Beobachtungen zurück. <strong>Die</strong> <strong>ein</strong>e ist der Wärmeimpuls zu Beginn <strong>des</strong> Rotliegenden, die andere die<br />

10%-ige Volumenreduktion durch <strong>Metamorphose</strong> von Grünschiefer- in Amphibolitfazies. Schon<br />

<strong>ein</strong>e eher geringfügige Zunahme <strong>des</strong> Wärmestromes um 10% ist in der Lage, die Tiefenlage der<br />

Curietemperatur um ca. 2.5km anzuheben. Wenn diese Zunahme für den heutigen Raum nördlich<br />

der Elbe zu Beginn <strong>des</strong> Rotliegenden <strong>ein</strong>mal angenommen wird, hat sich die <strong>Metamorphose</strong>grenze<br />

von ca. 578°C in geringere Tiefen verschoben, was durch Reduktion <strong>des</strong> betroffenen<br />

Gest<strong>ein</strong>svolumens um ca. 10% zu <strong>ein</strong>er Absenkung der Erdoberfläche von ca. 250m geführt hat.<br />

<strong>Die</strong>se Depression wird subsequent mit Sediment aufgefüllt, das nach dem Airy-Prinzip die Kruste<br />

weiter nach unten drückt und damit bisher nicht metamorphisierten Grünschiefer unterhalb der<br />

Curietiefe und der <strong>Metamorphose</strong>grenze schiebt, was wiederum <strong>ein</strong> Nachsinken der Erdoberfläche<br />

mit <strong>ein</strong>er nachfolgenden Sedimentation bedingt. <strong>Die</strong>ser im Laufe der Zeit abklingende Prozess<br />

greift auch auf den Übergang von Unterkruste zu oberen Mantel über und muss dort <strong>ein</strong>en<br />

<strong>Metamorphose</strong>-prozess bei ca. 700°C in Gang setzen, bei dem die Amphibolitfazies bei <strong>ein</strong>er auch<br />

hier 10%-igen Volumenreduktion mit Gest<strong>ein</strong>sdichten von ca. 3.3 gr/cm³ granulitisch wird. Ob die<br />

Granulitfazies noch zur Unterkruste oder schon zum oberen Mantel gehört, kann hier nicht geklärt<br />

werden. Dazu bedarf es unter anderem <strong>ein</strong>gehender Untersuchungen der seismischen<br />

Geschwindigkeitsvariationen der Moho.


Abb. 12: Verknüpfung von<br />

<strong>Metamorphose</strong>- und<br />

Subsidenzprozess für <strong>ein</strong>e<br />

aggregierte Kruste unter<br />

Einfluss <strong>ein</strong>er<br />

Wärmestromanomalie<br />

Der <strong>Metamorphose</strong>- und Subsidenzprozess lässt sich im Detail und mathematisch wie folgt<br />

beschreiben (Abb 12):<br />

- vor 290 Mio. Jahren Wärmestromzunahme um ca. 10%, verbunden mit<br />

Aufschmelzungsprozessen, Magmatismus und Vulkanismus,<br />

- Curietiefe für Magnetit (578°C) steigt in <strong>ein</strong>er ersten vorläufigen Abschätzung um ~2.5 km,


- Parallel Einsetzen der <strong>Metamorphose</strong> von Grünschieferfazies zu Amphibolitfazies<br />

(Dichtezunahme von ca. 2.7 auf ca. 3.0 gr/cm³) und weiter auf 3.3 gr/cm³ (Granulitfazies) für die<br />

~700°-Isotherme,<br />

- Durch Dichtezunahme Volumenreduktion um ca. 2 x 10% und Subsidenz (Y) von 2 x ~250m,<br />

- Auffüllung der Depression mit Sediment, mittlere Dichte 2.35 gr/cm³,<br />

- Durch Sedimentauflast zusätzliche (Airy-) Subsidenz von 2 x ~625m (= 2 x 250m x 2.35/(3.3-<br />

2.35), (~ 2.5 x 2 x 250 m) mit Manteldichte = 3.3gr/cm³),<br />

- <strong>Metamorphose</strong> von ~625 m Kruste (2.7 nach 3.0 gr/cm³) und ca. ~625 m Unterkruste/Mantel (3.0<br />

nach 3.3 gr/cm³),<br />

- Volumenreduktion von betroffener Kruste und Unterkruste/Mantel um jeweils ~10% ( 2 x 62.5<br />

m),<br />

- Auffüllung mit weiteren Sedimenten von ~125m Mächtigkeit,<br />

- Durch diese Sedimentauflast weitere Subsidenz von ~437.5m (2 x (~ 2.5 x 62.5m),<br />

- <strong>Metamorphose</strong> von ~437.5 m (Kruste und Unterkruste/Mantel zusammen)<br />

...Reduktion...Auflast...Subsidenz...usw...,<br />

Mit Anstieg Curie- ( <strong>Metamorphose</strong>-) Tiefe = h (m), Volumenreduktion durch Dichtezunahme = k<br />

(%),<br />

- Faktor für <strong>Beckens</strong>ubsidenz (S*) f = ~3.5 (<strong>Metamorphose</strong>subsidenz (Y n ) + 2.5 x Y n (Airy)),<br />

- a = 2 x k x h (k ~ 0.1 jeweils für Kruste und Unterkruste/Mantel, 2.7 gr/cm³ Grünschieferfazies -<br />

3.0 gr/cm³ Amphibolitfazies - 3.3 gr/cm³ Granulitfazies),<br />

- b = f x 2 x k ,<br />

folgt:<br />

- Gesamtsubsidenz durch <strong>Metamorphose</strong> Y = Σ Y n = a x ( 1 + b + b² + b³ +....b n ) für Kruste und<br />

Unterkruste/Mantel zusammen und als Funktion der normierten Zeit 'n',<br />

- S* = 3.5 x Y = 3.5 x a x (1-b n )/(1-b),<br />

- n → ∝, S* = 7 x k x h /(1 - 7 x k) = 2.33 x h (für k = 0.1),<br />

- h = 0.43 x S* bzw. h = z x ∆ Q / Q (Q= Wärmefluss, ∆ Q = Wärmeflusszunahme, z =<br />

ursprüngliche Curietiefe),<br />

- für die repräsentativ genommene Subsidenztiefe <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong> von 5500 m bedeutet<br />

das <strong>ein</strong> Anstieg von Curietiefe und 700°C-Isotherme um jeweils 2400 m und bei <strong>ein</strong>er<br />

ursprünglichen Curietiefe von vielleicht 26 km (siehe Abb. 8 und 9) <strong>ein</strong>e erforderliche<br />

Wärmeflusszunahme von ca.9 %.<br />

Im Endeffekt führt der durch <strong>ein</strong>e initiale Wärmeflusszunahme verursachte <strong>Metamorphose</strong>prozess<br />

in Kruste und im oberen Mantel zu <strong>ein</strong>er vergleichsweise exponentiellen Subsidenz (Abb. 13), wie<br />

sie vielerorts beobachtet und bis dato nur den Folgen von Dehnungsprozessen der Kruste<br />

zugeschrieben wird. Aus dem exponentiellen Subsidenzverlauf <strong>ein</strong>zelner Sedimentbecken (Abb. 14)<br />

mit aggregierter Kruste als Unterlage lassen sich die Halbwertszeiten der Beckenbildung und die als<br />

ursächlich angenommene Anhebung der Curie- und <strong>Metamorphose</strong>tiefe abschätzen. <strong>Die</strong>s ist in<br />

Tabelle II wiedergegeben. Dass metamorphe Reaktionen vor allem im oberen Mantel die<br />

<strong>Beckens</strong>ubsidenz be<strong>ein</strong>flussen können, haben auch Petrini et al. 2002 [17] beschrieben.<br />

Tabelle II


Sedimentbecken Beginn der repräsentative Halbwertsze Exponentialfakt Anstieg der<br />

Subsidenz maximale it in Mio. or 'a'<br />

Curie-Tiefe<br />

vor Mio. Versenkung Jahren (Subsidenz S = (=0.43 x S*) in<br />

Jahren S* in m<br />

S*e -at ) m<br />

Norddeutsches 290 5500 70 0.01 ~2400<br />

Perm-Becken<br />

[18]<br />

Dänisch- 260 6000 70 0.01 ~2600<br />

Norwegisches<br />

Becken, nach [2]<br />

Westsibirisches 230 5500 55 0.012 ~2400<br />

Becken [8]<br />

Songliao- 160 10000 28 0.025 ~4300<br />

Becken (China)<br />

[19]<br />

Ghaba Salz 630 10000 140 0.005 ~4300<br />

Becken (Oman)<br />

[20]<br />

Turpan-Becken<br />

(China) [21]<br />

255 11000 70 0.01 ~4700<br />

Abb. 13: Subsidenzmodell <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong> mit erfolgreicher Anpassung <strong>des</strong> <strong>Metamorphose</strong>-<br />

Airy-Versenkungsprozesses durch <strong>ein</strong>e exponentielle Funktion. <strong>Die</strong> ermittelte Halbwertszeit von ca. 70<br />

Millionen Jahren wird nach <strong>ein</strong>er normierten <strong>Metamorphose</strong>zeit von t = 1.8 (::n) erreicht ( ca. 2 Schritte der<br />

abklingenden sich wiederholenden Abfolge: Volumenreduktion durch <strong>Metamorphose</strong> - Auflast durch neue<br />

Sedimente -Airy- Subsidenz ). Sie gestattet die Abschätzung der initialen Reaktionsgeschwindikeit der<br />

ablaufenden <strong>Metamorphose</strong> mit ~7oom / 70 Mio. Jahre = ~1cm / 1000 Jahre.


Abb. 14: Beobachtete repräsentative Subsidenz (S) <strong>des</strong> <strong>Norddeutschen</strong> <strong>Beckens</strong> (bezogen auf Tiefenniveau<br />

heute = 0 m), die exponentiell modellierte Absenkung ( S = S* x e -at ) und die Differenz. <strong>Die</strong> ins Präperm<br />

bis in das Devon hin<strong>ein</strong> modellierte Subsidenz (Maximum bei 10600m), die im Wesentlichen der Flexur der<br />

Kruste durch das variszische Orogen zugeschrieben wird, passt sich der folgenden modellierten<br />

<strong>Metamorphose</strong>-Airy-Subsidenz nahtlos und mit gleicher Halbwertszeit an. <strong>Die</strong> Differenzkurve repräsentiert<br />

überlagernde kurzzeitigere diskontinuierlich ablaufende metamorphe Reaktionen bzw. regionaltektonische<br />

oder geodynamische Prozesse (u.a. extensionales Triadisches Rifting und hoher oberkretazischer<br />

Meeresspiegel, beide verknüpft mit <strong>ein</strong>er Zunahme <strong>des</strong> zur Verfügung stehenden Sedimentationsraumes).<br />

Abb.15. Tiefenlage (m)<br />

der 700°C Isotherme<br />

(Temperatur-Moho!? )


<strong>Die</strong> Moho<br />

Zum Verständnis der <strong>Beckens</strong>ubsidenz kann, wie oben beschrieben, <strong>ein</strong>e Analyse der<br />

Informationen über die Moho beitragen. <strong>Die</strong> wichtigsten Informationen über die Moho sind ihre<br />

Tiefenlage sowie die Dichten und seismischen Geschwindigkeiten der Gest<strong>ein</strong>e oberhalb und<br />

unterhalb dieser Grenze. Für die Moho in Norddeutschland gibt es allerdings widersprüchliche<br />

Aussagen, je nachdem, ob auf die Ergebnisse der Refraktionsseismik, der Reflexionsseismik und<br />

manchmal auch eher spekulativ auf die Gravimetrie zurückgegriffen wird [22], [23], [24]. Nach<br />

dem oben skizzierten <strong>Metamorphose</strong>modell dürfte die Moho in Norddeutschland primär <strong>ein</strong>e<br />

geochemische Grenze darstellen, die durch temperatur- und druckabhängige Prozesse <strong>ein</strong>gestellt<br />

wird, die u.a. von den physikalischen Eigenschaften <strong>des</strong> gesamten komplexen Oberbaus abhängen.<br />

Sollte die Moho der 700°C Isotherme entsprechen, ergäbe sich <strong>ein</strong>e Tiefenlage in Norddeutschland<br />

wie in Abbildung15 dargestellt. Entspricht sie eher <strong>ein</strong>er Druckgrenze, hier von ca. 973 MPa wie<br />

für die stabilen Verhältnisse der West-Schleswig-Holst<strong>ein</strong>ischen Plattform [25] abgeleitet, so wird<br />

auch die Tiefenlage der Curietemperatur mit ihrem <strong>Metamorphose</strong>effekt wichtig und es ergibt sich<br />

unter der Annahme der verschiedenen Gest<strong>ein</strong>sdichten der Kruste <strong>ein</strong> Mohoverlauf wie in<br />

Abbildung 16 wiedergegeben. Beide Karten zeigen unter<strong>ein</strong>ander und zur seismisch abgeleiteten<br />

Mohokarte [23] signifikante Abweichungen. Auffällig ist, das die im Zentrum <strong>des</strong> Glückstädter<br />

Triastroges in Schleswig-Holst<strong>ein</strong> interpretierte Moho-Hochlage, der <strong>ein</strong> reflexionsseismisches<br />

Profil zu Grunde liegt [3], weder in der Temperatur- noch in der Druck-Moho ersch<strong>ein</strong>t und dort<br />

eher <strong>ein</strong>e lokale Depression zeigt. Da auch die seismische Moho nicht <strong>ein</strong>deutig definierbar zu s<strong>ein</strong><br />

sch<strong>ein</strong>t [22], ist die Vermutung durchaus gerechtfertigt, dass die Moho in Norddeutschland <strong>ein</strong>e<br />

petrophysikalische Prozessgrenze mit zeitlicher Abhängigkeit darstellt und nicht durch <strong>ein</strong>e<br />

stationäre, zeitlich invariante Grenzfläche definiert werden kann (Abb.17a,b).<br />

Der Wärmespot<br />

Abb.16: Tiefenlage (m)<br />

der 973 MPa Isobare<br />

(Druck-Moho!? )<br />

Wenn schon <strong>ein</strong>e eher geringe Änderung <strong>des</strong> Wärmestromes die Entwicklung <strong>ein</strong>er Geosynklinale<br />

wie die Beckenbildung in Norddeutschland bzw. Zentraleuropa zur Folge haben kann, sollte die<br />

Spur der Wärmestromanomalie, die während <strong>des</strong> Perms gewirkt hat, <strong>ein</strong>gehender untersucht<br />

werden. Bei der Großräumigkeit der Anomalie, die von England bis Polen und von Norwegen bis<br />

Norddeutschland gereicht hat, darf <strong>ein</strong>e tiefe Ursache bis weit in den Erdmantel hin<strong>ein</strong> vermutet<br />

werden. <strong>Die</strong> Zeitlichkeit dieser großräumigen Ursache war sicherlich nicht nur auf das Perm


eschränkt, sondern dehnte sich in den geologischen Zeiträumen davor und danach aus. Um ihre<br />

Spur zu finden, muss auf plattentektonische Rekonstruktionen zurückgegriffen werden. Unter der<br />

Annahme, dass die Wärmeanomalie ähnlich wie <strong>ein</strong> vulkanischer Hot-Spot oder 'Plume' im<br />

Erdmantel relativ fest verankert ist, können die darüber gewanderten lithosphärischen Platten<br />

Informationsträger über deren länger dauernde Existenz s<strong>ein</strong>. Mit plattentektonischen<br />

Rekonstruktionen [4], [26] lässt sich, wie in Abbildung 18 dargestellt, für das heutige Europa und<br />

Afrika die Spur der permischen Wärmeanomalie verfolgen. Sie begann im Devon im nördlichen<br />

Rußland, erreichte im Perm Norddeutschland bei damals ca. 20° Nord, wanderte über den alpinenmediterranen<br />

Raum nach Nordafrika, verweilte von Jura bis Kreide im Bereich der Syrte-Bucht,<br />

und liegt heute dort, wo im Tschad der Tibesti-Hot-Spot [27] bei heute ca. 20° Nord lokalisiert<br />

wird. Entlang der Spur traten neben der Beckenbildung in Norddeutschland, das vermutlich<br />

bedeutenste Ergebnis dieser Anomalie, impulsartig ca. alle 60 Millionen Jahre magmatische<br />

Aktivitäten auf [4], [28]. Liegt die entscheidende Ursache der Entwicklung <strong>des</strong> norddeutschen<br />

(südlichen) Permbeckens, das mit der dem Dänisch-Norwegischen (nördlichen) Permbecken <strong>ein</strong>e<br />

genetische Einheit bildet [2], in dem Wirken <strong>des</strong> 'Wärmespots' nach s<strong>ein</strong>em Übergang vom stabilen<br />

baltischen Schild zur aggregierten zentraleuropäischen Kruste, könnten der Spur auch weitere<br />

morphologische Einheiten zugewiesen werden. <strong>Die</strong>se wären durch Veränderungen krustaler<br />

Eigenschaften früh angelegte geologisch/tektonische Merkmale, die u.a. die Ostsee mitgestaltet<br />

haben. <strong>Die</strong> Spur <strong>des</strong> Ostafrikanischen-Rift-Hotspots zur Gegenprobe verfolgt, liefert <strong>ein</strong>en<br />

ähnlichen Verlauf. Im Devon hat die Position <strong>des</strong> heutigen Hot-Spots die Lokation <strong>des</strong> Pripyat-<br />

Dniepr-Donets - <strong>Beckens</strong> passiert. <strong>Die</strong>ses Becken und der ursächliche Graben gelten als <strong>ein</strong><br />

Beispiel für <strong>ein</strong> kontinentales Riftbecken, <strong>des</strong>sen Post-Rift-Versenkung allerdings nicht all<strong>ein</strong> mit<br />

<strong>ein</strong>em konventionellen Dehnungsmodell erklärt werden kann [29]. Hier könnte zusätzlich <strong>ein</strong>e<br />

<strong>Metamorphose</strong>-Komponente wirksam gewesen s<strong>ein</strong>, wie die Unterkrustenstruktur vermuten lässt.<br />

Abb 17a: Norddeutsche Kruste zur Zeit <strong>des</strong><br />

Perm, West-Ost-Modellschnitt<br />

entlang der Nord- und Ostseeküste mit<br />

- (1) Karbonsenken im Westen und<br />

Osten<br />

- (2) bei flacher Moho (~ 30 km)<br />

isostatischer Ausgleich der<br />

Beckenhochlage nördlich der Elbe<br />

durch mächtige Mittelkruste<br />

(Grünschiefer)<br />

- (3) Wärmeflusszunahme bedingt<br />

Anstieg der Moho mit<br />

Aufschmelzungsprozessen in<br />

Kruste und Mantel und<br />

subsequentem Magmatismus (4)<br />

und Vulkanismus (5)<br />

- (6) Beginn <strong>des</strong> Anstiegs der<br />

Curietiefe um ca. 5 km,<br />

<strong>Metamorphose</strong> von Grünschiefer<br />

Fazies zu Amphibolit Fazies,<br />

Freisetzung von Stickstoff


Abb 17b: Norddeutsche Kruste heute,<br />

West-Ost-Modellschnitt<br />

entlang der Nord- und Ostseeküste mit<br />

- (1) Karbonsenken im Westen<br />

und Osten<br />

- (2) Permisches Beckenzentrum<br />

im Bereich der Elbe<br />

- (3) Glückstädter Triastrog im<br />

Zentrum<br />

- (4) Reste magnetisch<br />

wirksamer magmatischer<br />

Intrusionen auf den<br />

Hochschollen <strong>des</strong> Troges<br />

oberhalb der Curietiefe<br />

- (5) Permische Curietiefe zur<br />

ungefähren heutigen Moho<br />

konvertiert<br />

- (6) isostatische Moho im<br />

Beckenzentrum (Glückstädter<br />

Triastrog) in Tiefenposition!?<br />

- (7) Permische Moho zu <strong>ein</strong>er<br />

Grenzfläche zwischen<br />

metamorphen und<br />

ursprünglichem Mantel<br />

k i !?<br />

Abb. 18 <strong>Die</strong> Spuren (?)<br />

<strong>des</strong> Tibesti-Hot Spots<br />

(Tschad Mantel `Plume`,<br />

heute ca. 20° Nord) [26],<br />

[27] mit permischem<br />

Vulkanismus in<br />

Norddeutschland (Paläo<br />

20° Nord) und <strong>des</strong><br />

Ostafrikanischen Rift-Hot-<br />

Spots mit devonischem<br />

Vulkanismus im Donetsder<br />

Graben nach<br />

plattentektonischen<br />

Rekonstruktionen und<br />

Angabe vulkanischer<br />

Ereignisse [4], [28], die<br />

sich im Durchschnitt ca.<br />

alle 60 Millionen Jahre<br />

impulsartig wiederholen.<br />

Auffälliger Weise<br />

sch<strong>ein</strong>en die Spuren auch<br />

auf den heute vorliegenden<br />

Küstenverlauf wichtiger<br />

Meere Einfluss gehabt zu<br />

haben, will man den<br />

Wegen entlang der Ostsee<br />

und <strong>des</strong> Roten Meeres<br />

k<strong>ein</strong>en Zufall zuordnen


Ausblick<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit zeigt, dass die Erkenntnisse über das zentraleuropäische<br />

<strong>Beckens</strong>ystem noch unzureichend sind und weitere intensive Forschung nötig ist, um die<br />

komplexen Bildungsbedingungen und die globale Bedeutung der wichtigsten Prozesse zu<br />

verstehen. <strong>Die</strong> für das Verständnis der Erdöl- und Erdgasgenese erforderliche Analyse der<br />

Temperaturgeschichte lässt mit dem skizzierten <strong>Metamorphose</strong>ansatz für das <strong>ein</strong>e oder andere<br />

Sedimentbecken sicherlich Variationen zu, die <strong>ein</strong>e Erweiterung der bestehenden Modelle<br />

darstellt. Wie im <strong>Norddeutschen</strong> Becken vorliegend, bietet die Analyse der auf die<br />

Sedimentbeckenbasis reduzierten Schwere sowie <strong>des</strong> krustalen Temperaturaufbaues <strong>ein</strong>en<br />

Einstieg in die Evaluation der Subsidenzgeschichte. Ähnliche Analysen sind sicherlich auch<br />

für andere Regionen der Erde möglich, wie der Vergleich unterschiedlichster Sedimentbecken<br />

belegt.<br />

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