Brüder nach 1951 eine neue Ästhetik des immateriel - Die Deutsche ...
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Schwerpunkt t 37<br />
Bedeutung der Arbeit am dreidimensionalen<br />
Bühnenmodell, wesentliche<br />
Anregungen vermittelt hatte. 22<br />
So zählte auch das Auskleiden der Bühne<br />
mit schwarzem oder dunkelblauem<br />
Samt zu den vielen ausstattungstechnischen<br />
Details, etwa in Wieland Wagners<br />
„Ring“-Szene der fünfziger Jahre,<br />
als auch die optische Neuerung (ab<br />
1956) – die Beleuchtung erfolgte ausschließlich<br />
von der Seite mit scharf begrenzten<br />
Lichtkegeln – die Plastizität<br />
der Figuren im „mythischen“, dunklen<br />
Raum noch stärker zu akzentuieren<br />
vermochte. 23<br />
Als exemplarisches Beispiel für die<br />
symbolische Lichtführung ist u.a. der<br />
3. Aufzug aus „Siegfried“ anzuführen:<br />
In der Erweckungsszene „liegt die Liebende<br />
im Bannkreis <strong>des</strong> Lichtes, das<br />
die ganze Plattform überflutet hat. Das<br />
Dreiviertelrund <strong>eine</strong>s Sonnenwolken-<br />
Kranzes, das <strong>eine</strong>n zärtlich blauen Himmel<br />
auf dem Rundhorizont umschließt,<br />
schwingt wie ein umgekehrter Regenbogen<br />
der Rundung <strong>des</strong> Plateaus entgegen,<br />
die Vereinigung der Liebenden in<br />
den sich berührenden und wieder divergierenden<br />
Kreisen symbolisierend.“ 24<br />
Unterschiedliche Ausdrucksformen<br />
und Interpretationsvarianten prägten<br />
sein progressives „archetypisches Theater“<br />
und sein Bestreben, im Medium<br />
szenischer Entsprechungen für das<br />
Archetypische, Einsichten in das kollektive<br />
Unbewusste in die Helle <strong>des</strong><br />
Bewusstseins zu heben. Von zunächst<br />
diffuser Ausleuchtung <strong>des</strong> leeren Raumes<br />
bis hin zu „abstrakten, plastischen<br />
Formen und ,moderner‘ Farbigkeit“<br />
im Sinne <strong>eine</strong>r Verbindung der r<strong>eine</strong>n<br />
Symbolik mit der „Topik <strong>des</strong> jeweiligen<br />
Ortes.“ 25 <strong>Die</strong>se Modifikation wurde in<br />
den sechziger Jahren besonders evident<br />
in den „Tristan-“ und „Ring“-Inszenierungen,<br />
aber auch in „Tannhäuser“<br />
1961 in der Projektion <strong>eine</strong>r rot-braunen<br />
Struktur im Hintergrund der als<br />
archetypische magna mater konzipierten<br />
Venus-Figur.<br />
<strong>Die</strong> spezifische Lichtkunst hatte im<br />
Theater Wieland Wagners weder abstrakt-virtuose<br />
noch rein performative,<br />
sondern dramaturgische Funktion im<br />
Sinne s<strong>eine</strong>r Absicht, Musik und Szene<br />
spannungsvoll neu zu definieren. Indem<br />
er in s<strong>eine</strong>r <strong>Ästhetik</strong> die essentiellen<br />
Elemente <strong>des</strong> Theaters fokussierte,<br />
sah sich Wieland Wagner im Einklang<br />
mit Protagonisten der europäischen<br />
„Neo-Avantgarde“ wie Peter<br />
Brook und Maurice Béjart. 26<br />
Anmerkungen<br />
01 Claus-Henning Bachmann, Zit. aus: „Bayreuther<br />
Inszenierungen. Wanderer, kommst<br />
du <strong>nach</strong> Bayreuth...“, in: Bayreuth 1956,<br />
Richard-Wagner-Festspiele. Hrsg. von der<br />
Festspielleitung.<br />
02 <strong>Die</strong> Anlage hat schon seit 25 Jahren den Sicherheitsstandards<br />
nicht mehr entsprochen,<br />
bot aber seit der Modernisierung von 1927,<br />
im Zuge der Anschaffung vollautomatischer<br />
Projektionsapparate in Verbindung mit <strong>eine</strong>m<br />
Rundhorizont immerhin „die Voraussetzungen<br />
für <strong>eine</strong> Lichtregie in ihren Anfängen“,<br />
während bislang die Lichtquellen ausschließlich<br />
im Bühnenraum positioniert gewesen<br />
waren. Vgl. Carl-Friedrich Baumann: Bühnentechnik<br />
im Festspielhaus Bayreuth, München<br />
1980, S. 216ff.<br />
03 Wieland Wagner: Brief an Hans Knappertsbusch<br />
(4. 5. <strong>1951</strong>). Bayerische Staatsbibliothek<br />
München, Sign.: Ana 505.<br />
04 Vgl. Udo Bermbach: Richard Wagner in<br />
Deutschland. Rezeption – Verfälschungen.<br />
Stuttgart/Weimar 2011.<br />
05 Zit. aus: „Bayreuth – Beginn <strong>eine</strong>r Weltdiskussion“.<br />
Fränkische Abendzeitung. 24. 7. <strong>1951</strong>.<br />
06 Zit. aus: Nordbayrische Zeitung, 18. 8. <strong>1951</strong>.<br />
07 Vgl. Claude Lust: Wieland Wagner et la survie<br />
du théâtre lyrique. Lausanne 1969, S. 114f.<br />
08 Vgl. Fritzdieter Gerhards: Sprache <strong>des</strong> Lichts.<br />
Ihr Wandel von der Antike bis zur Gegenwart.<br />
Wien, Diss. 1906, S. 147. Baumann, a.a.O., S.<br />
222.<br />
09 Wieland Wagner/Heinrich Neumayer, Interview,<br />
Neue Wiener Tageszeitung, 31. Juli 1952.<br />
10 Baumann, a.a.O., S. 222.<br />
11 Baumann, a.a.O., S. 83.<br />
12 Wieland Wagner in <strong>eine</strong>m Brief an den Vicomte<br />
de Couray, 2. Oktober 1964. Zit. aus:<br />
WWSD, S. 120.<br />
13 Wie der mit Wieland Wagner befreundete<br />
Germanist Hans Mayer in Anlehnung an<br />
Richard Wagners 1882 formulierten paradoxen<br />
Wunsch sie bezeichnete. Hans Mayer<br />
(1998): Richard Wagner. Im Gedenken an Ernst<br />
Bloch und Wieland Wagner. Frankfurt/M.,<br />
S. 383.<br />
14 Adolphe Appia (1899): <strong>Die</strong> Musik und die Inszenierung<br />
[La musique et la mise en scène,<br />
1897]. München 1899, S. 84.<br />
15 Wieland Wagner/Egloff Schwaiger (1963), Interview,<br />
a.a.O., S. 78.<br />
16 Wieland Wagner: Brief an Paul Eberhardt,<br />
erschienen im Programmheft Rheingold der<br />
Bayreuther Festspiele 1966, zit. aus WWSD, S.<br />
56f, hier S. 56.<br />
17 Paul Eberhardt, geboren 1897 in Elberfeld /<br />
Wuppertal im Rheinland, begann bereits 1913<br />
als Techniker an der Komischen Oper in Berlin<br />
und war, <strong>nach</strong> einigen Stationen andernorts,<br />
ab 1933 bei den Bayreuther Festspielen tätig,<br />
zunächst als Beleuchter, bevor ihm 1936 die<br />
technische Gesamtleitung übertragen wurde,<br />
die er bis 1944 und <strong>1951</strong>, 1954-1960 und<br />
von 1962-66 inne hatte.<br />
18 Wieland Wagner an Paul Eberhardt (1966),<br />
a.a.O.<br />
19 Während <strong>des</strong> zehnjährigen Privatstudiums<br />
(1940-1950) bei dem Dirigenten und Komponisten<br />
Kurt Overhoff konnte Wieland Wagner<br />
kompetenten Boden für s<strong>eine</strong> Arbeit als Er<strong>neue</strong>rer<br />
der Wagner-Szene als <strong>1951</strong>gewinnen.<br />
Basierend auf <strong>eine</strong>r ersten, profunden theoretische<br />
Grundlage widmete er sich 1943/44 am<br />
Lan<strong>des</strong>theater Altenburg im Zuge der ersten<br />
eigenen (Ring-) Inszenierung unter Overhoffs<br />
musikalischer Leitung ausführlich den<br />
beleuchtungstechnischen Möglichkeiten zur<br />
szenischen Visualisierung der musikalischen<br />
Vorgänge.<br />
20 Wieland Wagner (<strong>1951</strong>): Überlieferung und<br />
Neugestaltung. Erschienen in: Das Bayreuther<br />
Festspielbuch <strong>1951</strong>: Hrsg. von der Festspielleitung.<br />
Zit. aus: WWSD, S. 19-23, hier S. 22.<br />
21 Nike Wagner: Zeitläufe. [Vorworttext]. In: Ingrid<br />
Kapsamer: Wieland Wagner. Wegbereiter<br />
und Weltwirkung. Wien 2010, S. 7-11, hier S. 10.<br />
22 Vgl. „Der <strong>neue</strong> Bayreuther Stil und die Raumkunst<br />
der Moderne“. In: ebda., Kapitel 3, S.<br />
99ff.<br />
23 Vgl. Ingvelde Müller: Der Ring <strong>des</strong> Nibelungen<br />
in Bayreuth. Wandlungen der Szene von <strong>1951</strong>-<br />
1957. Bühnentechnische Rundschau 1957/6,<br />
S. 14-19, hier S. 15.<br />
24 Ebda., Zitat S. 18.<br />
25 Zit. aus Antoine Goléa: Gespräche mit Wieland<br />
Wagner. [1966] Salzburg 1968, S. 34.<br />
26 „[...] aber diese Tendenz ist ja nicht nur <strong>eine</strong><br />
Bayreuther Tendenz, sondern ob man nun<br />
<strong>nach</strong> Frankreich sieht oder <strong>nach</strong> England zu<br />
dem jungen Regisseur Peter Brook z.B. oder zu<br />
dem genialen Béjart. Es ist ja <strong>eine</strong> Grundtendenz.<br />
Das ist <strong>eine</strong> graphische Tendenz unserer<br />
Zeit, die knapp, klar, präzise ist im Gegensatz zu<br />
dem unverbindlichen Operntheater der früheren<br />
Zeit.“ Wieland Wagner / Egloff Schwaiger,<br />
Interview, a.a.O., hier S. 78f.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> Bühne 5 I 2012