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Der Sprung ins Ungewisse: Pheromonverwirrung 2003 ... - DLR

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<strong>Der</strong> <strong>Sprung</strong> <strong>ins</strong> <strong>Ungewisse</strong>:<br />

<strong>Pheromonverwirrung</strong> <strong>2003</strong><br />

Sieghard Spies und Georg Hill<br />

Was zu den Agrartagen <strong>2003</strong> noch niemand erwartet hatte, ist inzwischen eingetreten:<br />

Die Hälfte der rheinhessischen Rebfläche liegt in <strong>Pheromonverwirrung</strong>sverfahren<br />

mit RAK. Etwa 70% der rheinhessischen Weinbaubetriebe sind dabei ganzflächig<br />

oder in Teilparzellen in RAK-Gebieten belegen. Während 2002 der Pheromone<strong>ins</strong>atz<br />

nur auf etwa 280 ha praktiziert wurde, sind wir mit einem Schlag auf 11540<br />

ha angelangt. Weshalb kam es jetzt zu dieser unerwartete Umstellung, zumal das<br />

RAK-Verfahren bereits seit 15 Jahren zugelassen ist? ? Ursächlich sind drei Hauptursachen<br />

zu nennen:<br />

- Auslaufen der Zulassung der Phosphorsäureester-Insektizide im Jahr <strong>2003</strong><br />

- Erhöhung der Zuschüsse für die Biotechnische Bekämpfung auf 180 €/ha<br />

- Zeitlich letzte E<strong>ins</strong>tiegsmöglichkeit in die Förderung<br />

Harte Auseinandersetzungen<br />

Für die Teilnahme an den biotechnischen Projekten wurden von der EU sehr hohe<br />

Ansprüche gesetzt: Verpflichtung auf 5 Jahre, strenge katastermäßige Abgrenzung<br />

der teilnehmenden Flächen, strikte Vorgaben über Behandlung von Wegen und<br />

Randgebieten.<br />

Angesichts der Tatsache, dass rheinhessische Rebgemarkungen oftmals Ausmärker<br />

aus mehr als 10 anderen Ortschaften aufweisen, war anfangs die Chance ziemlich<br />

gering, diese Vielzahl von Winzern „unter einen Hut“ zu bekommen. <strong>Der</strong> Datenschutz<br />

verhinderte in der Vorbereitungsphase die Ermittlung von nicht ortsbekannten<br />

Bewirtschaftern auf der Basis der bestehenden Weinbaukartei. Die aktiven Vorstände<br />

der Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften erbrachten einen ungeheuren persönlichen E<strong>ins</strong>atz,<br />

um die Berufskollegen zu überzeugen. Dies war keineswegs einfach, zumal zunächst<br />

nicht einmal bindende Verwaltungsbestimmungen vorlagen und die Höhe der<br />

Förderung, wie die überraschende Streichung des Zuschusses für die Wegeflächen<br />

zeigt, bis zum Schluss noch nicht bindend feststand. Wer bis Anfang Februar den für<br />

5 Jahre bindenden Beitritt zu einer Anwendergeme<strong>ins</strong>chaft unterschrieb, tat wirklich<br />

einen <strong>Sprung</strong> <strong>ins</strong> <strong>Ungewisse</strong>, nur abgesichert durch Zusagen auf „einen guten Ausgang“<br />

aus der Politik. Weiterhin stellte der Hersteller von RAK in Frage, ob überhaupt<br />

alle Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften noch im April <strong>2003</strong> mit Dispensern beliefert<br />

werden könnten.<br />

Dominoeffekt<br />

Mit zunehmender Zahl von Gemeinden, die sich für RAK verpflichteten, schlug die<br />

vorher oft kritische Stimmung langsam <strong>ins</strong> Gegenteil um. Wer bereits mit irgendwel-<br />

Teilflächen im RAK-Bereich lag, strebte an, mit den übrigen Rebflächen ebenfalls<br />

beizutreten, um nicht unterschiedliche Spritzbrühemischungen e<strong>ins</strong>etzen zu müssen.<br />

Nunmehr kamen ihrerseits die Ausmärker als treibende Kraft für die Gründung von<br />

Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften hinzu. So weiteten sich die ursprünglich auf bestimmte<br />

Lagen beschränkte RAK-Gebiete auf die ganze Gemarkung und sogar Teile der<br />

Nachbargemeinden aus. Couragierte Organisationsgenies „adoptierten“ sogar<br />

Nachbargemeinden, weil sich dort kein Vorstand konstituierte. Diese Angebote wurden<br />

meist angenommen und erwiesen sich oft als Ideallösung, da die Verwaltung<br />

durch Ortsfremde bestehende Rivalitäten innerhalb der Winzerschaft bekanntlich


wirksam neutralisiert. Letztendlich konstituierten sich 45 Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften,<br />

die 61 Gemarkungen umfaßten. Mitten in diesem Getriebe gaben die Berater der<br />

Lehranstalt, der BASF, des Bauernverbandes sowie die Partner von den Kreisverwaltungen,<br />

der Landwirtschaftskammer und des Wirtschaftsm<strong>ins</strong>teriums in den zahllosen<br />

Informationsversammlungen vor Ort Entscheidungshilfen.<br />

Großangriff<br />

Als dann ab Ende März die abschließenden Schulungen für die RAK-Obleute in<br />

Rheinhessen stattfanden, ging es fast „nur“ noch um technische Probleme, denn<br />

nach Gründung der Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften waren die Würfel endgültig gefallen.<br />

Das folgende Aushängen von ca. 6 Millionen Dispensern innerhalb der Osterferien<br />

<strong>2003</strong> glich einer militärischen Offensive. Mobilisiert wurden vor Ort neben den Winzern<br />

alle möglichen Gruppen, von Schulklassen über die Feuerwehr bis zu Sportvereinen.<br />

Alles in allem ergaben unsere Erhebungen, dass etwa 3000 Personen im E<strong>ins</strong>atz<br />

waren. Ende April wurden zusätzlich noch etwa 700 Kontrollfallen <strong>ins</strong>talliert,<br />

mit denen der Mottenflug zu überwachen war. Im Laufe der Saison wurde vielen<br />

Winzern erst angesichts der Fallenfänge bewußt, was sich alles in unseren Weinbergen<br />

so tummelt. Große Unsicherheit herrschte angesichts der Bedeutung der Zahl<br />

der gefangenen Motten. Im Phermongebiet sollen nicht mehr als 10 Motten pro Einzelfalle<br />

auftreten. Andernfalls ist anzunehmen, dass die Pheromonwolke Lücken<br />

aufweist und Befall auftritt. Im Umstellungsjahr waren Wirkungsprobleme in Einzelparzellen<br />

zu erwarten, da im Falle von hohen Populationen die Wirkung vermindert<br />

ist.<br />

Positive Bilanz<br />

Von der Beratung wurden 12 Parzellen in RAK-Gebieten regelmäßig auf Eier und<br />

Larven des Traubenwicklers überwacht, wobei dies vornehmlich in bekannten Problembereichen<br />

erfolgte. Nur an zwei Standorten wurde die Schadschelle überschritten.<br />

Auffällig war dabei, dass die Eiablage im Pheromongebiet stark verringert war<br />

und etwa eine Woche später stattfand als außerhalb, vermutlich weil dort die Geschlechtspartner<br />

länger brauchen, bis zufällig Männchen auf Weibchen treffen.<br />

Insgesamt haben nur 8 von 45 AWG’s Ausnahmegenehmigungen für zusätzlichen<br />

Insektizide<strong>ins</strong>atz wegen Wurmbefall über der Schadschwelle bei den Kreisverwaltungen<br />

beantragt. In drei Gemarkungen, die nur das Einbindige Pheromon RAK-1<br />

ausgehängt hatten, trat zusätzlich lokal unerwartet stark der bekreuzte Traubenwickler<br />

auf und verursachte sichtlich Befall. Alles in allem fiel die Bilanz des ersten<br />

Jahres für Rheinhessen unerwartet positiv aus. Beigetragen hierzu hat ganz sicher<br />

auch die trocken-heiße Witterung im Juli, welche viele Traubenwicklereier abgetötet<br />

hat. Witterung und Pheromone haben also zusammengewirkt, was auf eine deutliche<br />

Verminderung der Population für 2004 hinausgelaufen ist.<br />

Kostenvergleich Pheromone - Insektizide<br />

Die Zuzahlung nach Abzug der Aushängungskosten betrugen <strong>2003</strong> pro Hektar Rebfläche<br />

für RAK 1 Neu zwischen 10 und 30 €/ha und für RAK 1 + 2 zwischen 90 und<br />

125 €/ha. Demgegenüber liegen schon die Mittelkosten allein nur für die Sauerwurmbekämpfung<br />

(Standard Mimic / Steward/Runner : RAK-1 Gebiet: 1x ca. 55.-<br />

€/ha; RAK1+2: 2x ca. 108.- €/ha) deutlich höher. Weitere Mehrkosten beim Insektizide<strong>ins</strong>atz<br />

entstehen durch zusätzliche Spritztermine, da diese nicht in jedem Fall<br />

mit den Routinespritzungen gegen Peronospora kombiniert werden können. Die zur<br />

Verfügung stehenden chemischen Insektizide Steward, Mimic und Runner wie auch


Bth-Mittel verlangen außerdem eine erstklassige Benetzung der Trauben, was nur<br />

durch Befahren jeder Gasse gewährleistet werden kann.<br />

Insektizide : Bescheidene Wirkung<br />

Die noch verfügbaren Insektizide weisen ein relativ enges E<strong>ins</strong>atzfenster auf<br />

Wie aus der Tabelle ersichtlich, war <strong>2003</strong> aufgrund der raschen Verdampfung die<br />

Wirkung von ME605, nach Schlupf aller Larven am 11.7. eingesetzt, wenig befriedigend.<br />

Bei den Fraßgiften ergaben nur ganz frühe E<strong>ins</strong>atztermine guten Erfolg, da<br />

die Eiraupen sich sofort einbohrten, um der Austrocknung zu entgehen. Spritzungen<br />

kurz nach Beginn des Larvenschlupfes brachten nur noch Wirkungsgrade um 60%.<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

1.<br />

TW - Mottenflug <strong>2003</strong><br />

Westhofen - Gundersheim<br />

2.<br />

2<br />

Motten_Etw<br />

Motten_Btw<br />

3.<br />

Traubenwickler <strong>2003</strong> - Sauerwurm<br />

Guntersblum - Müller-Thurgau<br />

Wirkungsgrad<br />

%<br />

Unbehandelt 0,0<br />

Runner 26.6. 85,1<br />

Runner 1.7. 61,9<br />

ME605 11.07. 57,1<br />

0<br />

21.04.<strong>2003</strong><br />

05.05.<strong>2003</strong><br />

19.05.<strong>2003</strong><br />

02.06.<strong>2003</strong><br />

16.06.<strong>2003</strong><br />

30.06.<strong>2003</strong><br />

14.07.<strong>2003</strong><br />

28.07.<strong>2003</strong><br />

11.08.<strong>2003</strong><br />

25.08.<strong>2003</strong><br />

08.09.<strong>2003</strong><br />

Da 70-80% der Traubenwicklereier im Juli <strong>2003</strong> durch die trocken-heiße Witterung<br />

zugrunde gingen, wurde auch von den <strong>ins</strong>ektizidbehandelten Parzellen außerhalb<br />

von RAK überall zufriedenstellende Wirkung gemeldet. In anderen Jahren sind diese<br />

Wirkungsgrade sicher nicht mehr ausreichend. Grundsätzlich gilt für 2004, dass die<br />

verbleibenden chemischen Insektizide mit guter Dauerwirkung (Mimic, Runner und<br />

Steward) eher 3 Tage zu früh als nur einen Tag zu spät eingesetzt werden sollten.<br />

Das Manko aller dieser Präparate ist das Fehlen von Tiefenwirkung, was immer eine<br />

erstklassige Applikation in der Traubenzone erfordert.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Erweiterung von 280 ha RAK im Jahr 2002 auf 11540 ha <strong>2003</strong> war ein Kraftakt,<br />

der gezeigt hat, welche Dynamik in der rheinhessischen Winzerschaft steckt. Nur 7<br />

der 45 Anwendergeme<strong>ins</strong>chaften stellten Ausnahmeanträge für lagenweisen Insektizide<strong>ins</strong>atz.<br />

Je nach verwendetem Pheromon und den Gemarkungsverhältnissen<br />

ergaben sich Zuzahlungen der Bewirtschafter zwischen 10 und 125 €/ha. Wo außerhalb<br />

von RAK Insektizide eingesetzt wurden, konnte für Mimic, Runner und Steward<br />

aufgrund des raschen Larvenschlupfes der optimale Termin 2004 oft nicht eingehalten<br />

werden. Auch Phosphorsäureester zeigten in der Regel keine befriedigende<br />

Wirkung aufgrund der verminderten Wirkungsdauer als Folge hoher Temperaturen.<br />

Da die trockene Hitze bereits Anfang Juli viele Traubenwicklereier abtötete, blieb die<br />

Zahl der überlebenden Larven jedoch meist unter der Schadschwelle.

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