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Pflegeberatung – ein neues Arbeitsfeld gut besetzen - DVSG

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Titelthema<br />

<strong>Pflegeberatung</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>neues</strong><br />

<strong>Arbeitsfeld</strong> <strong>gut</strong> <strong>besetzen</strong><br />

Soziale Arbeit im Gesundheitswesen bietet sehr <strong>gut</strong>e<br />

Voraussetzungen und Kompetenzen für diese Aufgabe<br />

Als Leistung für Betroffene und Angehörige ist <strong>Pflegeberatung</strong> erstmals<br />

seit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz in <strong>ein</strong>em Sozialgesetzbuch<br />

verortet, ebenso wie die Einrichtung von Pflegestützpunkten.<br />

Der Gesetzgeber hat in diesem Gesetz neue Leistungen, neue Strukturen<br />

und <strong>ein</strong>en neuen Ansatz zur Multiprofessionalität festgeschrieben.<br />

Ziel des Gesetzes ist <strong>ein</strong>e verbesserte Beratung und Betreuung von<br />

pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen. Dabei sollen die<br />

Leitsätze „ambulant vor stationär“ und „Reha vor Pflege“ Anwendung<br />

finden. Ohne Einbeziehung der Sozialen Arbeit ist das undenkbar!<br />

Heike Ulrich<br />

■<br />

Bereits im ersten Gesetzentwurf<br />

des am 1. Juli 2008 in Kraft<br />

getretenen Gesetzes zur strukturellen<br />

Weiterentwicklung der Pflegeversicherung<br />

und in der dazugehörigen<br />

Begründung lasen sich die Abschnitte<br />

über <strong>Pflegeberatung</strong> (§ 7a SGB XI)<br />

und Pflegestützpunkte (§ 92c SGB X)<br />

wie aus <strong>ein</strong>em Fachbuch der Sozialen<br />

Arbeit im Gesundheitswesen. Die<br />

<strong>Pflegeberatung</strong> ist als Leistung für<br />

Betroffene und deren Angehörige<br />

konzipiert, die sich auch schon im<br />

Vorfeld von <strong>ein</strong>getretener Pflegebedürftigkeit<br />

präventiv beraten lassen<br />

können. Einen Anspruch darauf haben<br />

alle gesetzlich und privat Versicherten.<br />

Sie können die <strong>Pflegeberatung</strong><br />

bei Pflegekassen, in Pflegestützpunkten<br />

(wenn vorhanden) oder bei<br />

sich zu Hause erhalten und sie soll<br />

unabhängig, neutral, umfassend und<br />

kostenlos erfolgen.<br />

Gleichzeitig wurde mit der Einführung<br />

von Pflegestützpunkten <strong>ein</strong> vorgegebenes<br />

Verfahren zur Installation<br />

dieser neuen Einrichtung in das Gesetz<br />

geschrieben. Die Entscheidung,<br />

ob Pflegestützpunkte errichtet werden<br />

sollen, fällt in die Kompetenz der<br />

Länder <strong>–</strong> aber wie sie organisiert werden<br />

und arbeiten, ist die Verantwortung<br />

der Pflegekassen. Diese sind gehalten,<br />

sich an bestehenden Strukturen<br />

zu orientieren, haben die Pflicht<br />

darauf hinzuwirken, dass <strong>ein</strong>e kommunale<br />

Beteiligung erfolgt, sollen die<br />

Selbsthilfe und Bürgerschaftliches<br />

Engagement <strong>ein</strong>beziehen <strong>–</strong> und das<br />

alles innerhalb von sechs Monaten<br />

nach Entscheidung der Landesregierung.<br />

Das ist für alle Beteiligten k<strong>ein</strong>e<br />

leichte Aufgabe, denn die Pflegekassen<br />

müssen sich erstmalig mit fachlichen<br />

Inhalten aus<strong>ein</strong>andersetzen und<br />

andere Beteiligte in die Planung und<br />

Organisation <strong>ein</strong>beziehen. In den Verhandlungen<br />

sitzen auf Seiten der<br />

Kassen nicht nur die vor Ort vertretenen<br />

Pflegekassen am Tisch, sondern<br />

auch <strong>–</strong> vertreten durch ihre Verbände<br />

<strong>–</strong> immer alle Pflegekassen der<br />

Bundesrepublik. In Flächenländern<br />

kommt erschwerend hinzu, dass die<br />

im Gesetz genannten Verhandlungspartner<br />

nicht immer in gleicher Weise<br />

regional organisiert sind, was die Verhandlungen<br />

häufig erschwert.<br />

In der Begründung des Gesetzentwurfs<br />

vom 17. Oktober 2007 heißt es:<br />

„Die Arbeitsgruppen des Runden<br />

Tisches Pflege haben Probleme der<br />

Gesundheits- und Sozialsysteme bei<br />

der zielgerichteten und angemessenen<br />

Unterstützung Pflegebedürftiger<br />

beschrieben. … Diese Schwierigkeiten<br />

resultieren aus der bisher erfolgten<br />

Konzentration auf körperliche<br />

Probleme oder <strong>ein</strong>zelne Episoden im<br />

Krankheitsverlauf bei der Vernachlässigung<br />

psychischer und sozialer<br />

Belange sowie <strong>ein</strong>er ganzheitlichen<br />

und auf Dauer ausgerichteten Gesamtversorgungsstruktur.“<br />

Diese Beschreibung<br />

greift auf, was die im Gesundheitswesen<br />

arbeitenden Sozialarbeiterinnen<br />

und Sozialarbeiter<br />

schon seit langem wissen, nämlich<br />

die häufige Vernachlässigung der<br />

psycho-sozialen Belange, die für <strong>ein</strong>e<br />

individuelle und stabile nachstationäre<br />

Versorgung in der Regel viel entscheidender<br />

sind als medizinische<br />

oder pflegerische Diagnosen. Vor<br />

diesem Hintergrund hat die <strong>DVSG</strong> bereits<br />

unmittelbar nach Verabschiedung<br />

der Pflegereform in ihrem Konzept<br />

zu <strong>Pflegeberatung</strong> und Fallmanagement<br />

in Pflegestützpunkten die<br />

Ziele des Gesetzgebers aufgegriffen.<br />

In <strong>ein</strong>em Raster sind die Aufgaben,<br />

die Inhalte und die Voraussetzungen<br />

für <strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e <strong>Pflegeberatung</strong> dargestellt.<br />

Das Konzept unterscheidet zwischen<br />

der Einzelfallarbeit, der Vernetzungs-<br />

und Koordinierungsarbeit<br />

und weiteren Elementen, die Aufgaben<br />

von Pflegestützpunkten s<strong>ein</strong><br />

sollten.<br />

6 Forum sozialarbeit + gesundheit 4/2010


Umfassende Beratung im Einzelfall<br />

gehört zu den Kernaufgaben der Sozialen<br />

Arbeit im Gesundheitswesen<br />

Kernstück der im Gesetz definierten<br />

Leistung „<strong>Pflegeberatung</strong>“ ist die Erstellung<br />

<strong>ein</strong>es individuellen Versorgungsplans,<br />

der Leistungen der Gesundheitsförderung,<br />

Prävention, Behandlung,<br />

Rehabilitation und sonstige<br />

medizinische, pflegerische und<br />

soziale Hilfen b<strong>ein</strong>haltet. Hier wird<br />

deutlich, dass <strong>Pflegeberatung</strong> <strong>ein</strong>e<br />

weitgehende und umfassende Leistung<br />

ist, die auch bereits die Beratung<br />

im Vorfeld von Pflegebedürftigkeit gewährleisten<br />

soll.<br />

Die Beratung von betroffenen Menschen<br />

und ihren Angehörigen oder<br />

Bezugspersonen gehört für Soziale<br />

Arbeit im Gesundheitswesen zum beruflichen<br />

Alltag: in Akutkrankenhäusern,<br />

Rehabilitationskliniken, Beratungsstellen,<br />

Pflege<strong>ein</strong>richtungen und<br />

weiteren Einrichtungen des Gesundheits-<br />

und Sozialwesens. Der Umfang<br />

und die Art und Weise der Beratung<br />

richtet sich immer nach den Bedingungen<br />

des Einzelfalles, berücksichtigt<br />

vorhandene Ressourcen, finanzielle<br />

Gegebenheiten sowie die soziale und<br />

familiäre Situation.<br />

Diese Vielfältigkeit des Klientels<br />

kommt in der Beschreibung des <strong>DVSG</strong>-<br />

Konzeptes zum Ausdruck: Die Anliegen<br />

der Ratsuchenden liegen zwischen<br />

gewünschten <strong>ein</strong>fachen Auskünften<br />

und Informationen und <strong>ein</strong>er hochkomplexen<br />

Fallbegleitung. Dabei unterscheidet<br />

das Konzept die <strong>Pflegeberatung</strong><br />

in drei Stufen. Stufe I bedeutet<br />

kurzfristige, auf pflegerische<br />

Probleme ausgerichtete Begleitung<br />

oder Unterstützung von Pflegebedürftigen<br />

und ihren Angehörigen/Bezugspersonen.<br />

Hier liegt der Schwerpunkt<br />

bei gezielter, auf die Versorgung<br />

ausgerichteter Hilfe. Die Stufen<br />

II und III umfassen Einzelfälle mit<br />

komplexen Problemlagen, die mittelund<br />

langfristig <strong>ein</strong>e Begleitung und<br />

Unterstützung im Sinne <strong>ein</strong>es Fallmanagements<br />

brauchen. Dem <strong>DVSG</strong>-<br />

Konzept zur <strong>Pflegeberatung</strong> liegen<br />

die fachlichen Grundlagen des Fachverbandes<br />

zu Grunde. Es ist insbesondere<br />

an den Leistungen des Produkt-<br />

und Leistungskataloges der klinischen<br />

Sozialarbeit orientiert, in dem<br />

umfangreiche standardisierte Tätigkeitsbeschreibungen<br />

zusammengefasst<br />

sind (<strong>DVSG</strong> 2007).<br />

Vernetzung der Leistungen<br />

und Angebote ist unabdingbar<br />

Dort, wo Pflegestützpunkte <strong>ein</strong>gerichtet<br />

wurden, haben sie laut Gesetz <strong>ein</strong>en<br />

weit über die Einzelfallarbeit hinaus gehenden<br />

Auftrag. Sie sollen alle wohnortnahen<br />

Dienste und Leistungen, <strong>ein</strong>schließlich<br />

der sozialen Hilfe- und Unterstützungsleistungen<br />

koordinieren und<br />

sollen auf<strong>ein</strong>ander abgestimmte pflegerische<br />

und soziale Versorgungs- und Betreuungsangebote<br />

vernetzen. Darüber<br />

hinaus sind Selbsthilfegruppen, ehrenamtlich<br />

tätige Personen und Organisationen,<br />

interessierte kirchliche, religiöse<br />

sowie gesellschaftliche Träger und Einrichtungen<br />

in die Arbeit der Pflegestützpunkte<br />

<strong>ein</strong>zubinden.<br />

Es ist zukunftsweisend, dass der<br />

Gesetzgeber erkannt hat, dass <strong>ein</strong>e<br />

noch so <strong>gut</strong>e Beratung all<strong>ein</strong> k<strong>ein</strong>e<br />

Verbesserung der Situation von Pflegebedürftigen<br />

bedeutet, sondern dass<br />

die Beratungs- und Versorgungslandschaft<br />

auch gestaltet werden muss.<br />

Zur Weiterentwicklung der Infrastruktur<br />

würde auch die Entwicklung von<br />

regionalen Qualitätskriterien für den<br />

ambulanten, teilstationären und stationären<br />

Sektor beitragen, die sowohl<br />

Anbieter aus den Bereichen der pflegerischen<br />

als auch der sozialen Versorgung<br />

umfassen. Die Einrichtung<br />

und verantwortliche Organisation<br />

von Gremien und Arbeitsgruppen gehört<br />

ebenso dazu wie das Aufdecken<br />

von Versorgungslücken und die Mit-<br />

Krankenhaus<br />

Rehabilitaionsklinik<br />

PSP<br />

(Pflegestützpunkt)<br />

Ambulante<br />

Versorgung<br />

Stationäre<br />

Versorgung<br />

Kurzzeitpfelge<br />

4/2010 Forum sozialarbeit + gesundheit 7


Titelthema<br />

gestaltung neuer Angebote. Diese<br />

Aufgaben ermöglichen <strong>ein</strong>en hohen<br />

Grad an sozialplanerischer Gestaltung<br />

der pflegerischer Infrastruktur.<br />

Koordinierung und Vernetzung als<br />

<strong>ein</strong>e gesetzlich definierte Aufgabe für<br />

Pflegestützpunkte bedeutet aber auch,<br />

dass dafür personelle Ressourcen bereit<br />

gestellt werden müssen, damit<br />

diese Aufgabe auch tatsächlich erfüllt<br />

werden kann. In vielen Feldern der<br />

Sozialen Arbeit ist Vernetzung und<br />

Kooperation gewollt und gewünscht,<br />

ohne dass dies Auswirkungen auf den<br />

Personalschlüssel hat.<br />

<strong>DVSG</strong> sieht noch weitere<br />

Aufgaben für Pflegestützpunkte<br />

Rund um das Thema Pflege gibt es<br />

über die Arbeit der <strong>Pflegeberatung</strong><br />

und Pflegestützpunkte weitere Aufgaben,<br />

die nach Vorstellung des<br />

<strong>DVSG</strong>-Konzeptes in Pflegestützpunkten<br />

wahr genommen werden sollten.<br />

Dazu zählen die Durchführung von<br />

Schulungs- und Pflegekursen für pflegende<br />

Angehörige oder die Organisation<br />

von Fortbildungsveranstaltungen<br />

für professionell Pflegende und<br />

andere Professionen zu Themen aus<br />

dem Gesundheits- und Sozialbereich.<br />

Pflegestützpunkte sollten auch die<br />

vom Gesetzgeber geforderten Beratungsbesuche<br />

nach § 37 Abs. 3 SGB<br />

XI durchführen, um Betroffenen und<br />

Angehörige zu beraten, die das Pflegegeld<br />

in Anspruch nehmen.<br />

Als regionale Anlaufstelle könnten<br />

Pflegestützpunkte aber auch die Aufgaben<br />

der Gem<strong>ein</strong>samen Servicestellen<br />

nach SGB IX (Recht der Rehabilitation<br />

und Teilhabe) wahrnehmen<br />

oder Initiator für Modellversuche zum<br />

Thema Persönliches Budget oder andere<br />

Modelle im Rahmen von Versorgungsentwicklung<br />

s<strong>ein</strong>. Zur Weiterentwicklung<br />

der Infrastruktur würde<br />

auch die Entwicklung von regionalen<br />

Qualitätskriterien für den ambulanten,<br />

teilstationären und stationären<br />

Sektor beitragen, die sowohl Anbieter<br />

aus den Bereichen der pflegerischen<br />

als auch der sozialen Versorgung umfassen.<br />

In <strong>ein</strong>em funktionierenden und<br />

abgestimmten System kann der Pflegestützpunkt<br />

darüber hinaus die Erfordernisse<br />

und Bedürfnisse im zuständigen<br />

Bezugsraum erfassen und<br />

den Abschluss regionaler Verträge<br />

zur Integrierten Versorgung initiieren<br />

und fördern.<br />

Soziale Arbeit bietet ideale fachliche<br />

Voraussetzung für <strong>Pflegeberatung</strong><br />

Auch wenn die Bezeichnung <strong>Pflegeberatung</strong><br />

impliziert, dass es um <strong>ein</strong>e<br />

r<strong>ein</strong> auf Pflege bezogene Beratung<br />

der Betroffenen geht, m<strong>ein</strong>t der Gesetzgeber<br />

<strong>ein</strong>e allumfassende Beratung,<br />

in der die konkrete Pflege an der<br />

Person <strong>ein</strong>en Teil des Gesamtkonzeptes<br />

darstellt. In den Qualifizierungsempfehlungen<br />

des Spitzenverbandes<br />

Bund der Gesetzlichen Krankenkassen<br />

müssen Pflegeberater/-innen <strong>ein</strong>e<br />

berufliche Grundausbildung im Bereich<br />

Pflege, <strong>ein</strong> abgeschlossenes Studium<br />

der Sozialen Arbeit oder <strong>ein</strong>e<br />

Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten<br />

erfolgreich abgeschlossen<br />

haben. Zusätzlich müssen<br />

sie als Zulassungsvoraussetzung<br />

Kenntnisse in Kommunikation und<br />

Gesprächsführung, Moderation und<br />

Verhandlungstechniken nachweisen.<br />

Die Qualifizierungsmaßnahmen für<br />

Pflegeberater umfassen insgesamt<br />

100 Stunden Pflegefachwissen, 180<br />

Stunden Case Management und 120<br />

Stunden Recht. Ferner gehören zu<br />

<strong>ein</strong>em erfolgreichen Abschluss <strong>ein</strong>er<br />

Qualifizierung zum Pflegeberater <strong>ein</strong><br />

<strong>ein</strong>wöchiges Praktikum in <strong>ein</strong>em ambulanten<br />

Pflegedienst und zwei Tage<br />

als Praktikum in <strong>ein</strong>er teilstationären<br />

Einrichtung.<br />

Deutlich wird, dass <strong>ein</strong>e berufliche<br />

Qualifikation all<strong>ein</strong> nicht ausreicht, um<br />

dem hohen Anspruch <strong>ein</strong>er ganzheitlichen<br />

<strong>Pflegeberatung</strong> gerecht zu<br />

Soziale Arbeit ist für die Aufgabe<br />

der <strong>Pflegeberatung</strong> prädestiniert.<br />

Viele Inhalte sind Bestandteile<br />

des grundständigen Studiums Sozialer Arbeit.<br />

werden. Jede Profession benötigt ergänzende<br />

Qualitäten, wobei <strong>ein</strong>zelne<br />

Module der Maßnahme je nach vorhandener<br />

Grundqualifizierung erlassen<br />

werden können. Hier wird deutlich,<br />

dass Soziale Arbeit für diese Aufgabe<br />

prädestiniert ist, da viele Inhalte<br />

der <strong>Pflegeberatung</strong> Bestandteile des<br />

grundständigen Studiums der Sozialen<br />

Arbeit sind. In der Regel wird als ergänzende<br />

Qualifikation für Fachkräfte<br />

der Sozialen Arbeit nur das zusätzliche<br />

Pflegefachwissen erforderlich s<strong>ein</strong>.<br />

Die <strong>DVSG</strong> geht davon aus, dass sich<br />

die <strong>ein</strong>zelnen Professionen <strong>–</strong> auch bei<br />

erfolgter Zusatzqualifikation <strong>–</strong> im Pflegestützpunkt<br />

sinnvoll ergänzen müssen.<br />

Ähnlich wie im Krankenhaus haben<br />

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

unterschiedliche Beratungskompetenzen,<br />

die sich im multiprofessionellen<br />

Team ergänzen. So kann<br />

auf die Vielfalt der Beratungsfälle individuell<br />

reagiert und die Verantwortung<br />

für die Fallbearbeitung festgelegt<br />

werden <strong>–</strong> ohne bei Bedarf auf die<br />

anderen Berufsgruppen verzichten zu<br />

müssen. Eine ähnliche Konstellation<br />

ist beispielsweise auch in den unabhängigen<br />

Patientenberatungsstellen<br />

vorzufinden, in denen regelmäßig<br />

Ärzte, Juristen und Soziale Arbeit<br />

zum Beratungsteam gehören.<br />

Kooperation und Vernetzung sind<br />

bisher in diesem <strong>Arbeitsfeld</strong> vorwiegend<br />

auf kommunaler Ebene angesiedelt,<br />

im Rahmen der Altenhilfe<br />

nach § 71 SGB XII. In Form von kommunalen<br />

Sozialdiensten, in Seniorenberatungsstellen,<br />

in Gesundheitsoder<br />

Sozialämtern sind diese Dienste<br />

in vielen Städten und Landkreisen<br />

über die Einzelfallarbeit hinaus mit<br />

diesen Aufgaben betraut. Durch die<br />

8 Forum sozialarbeit + gesundheit 4/2010


Beteiligung der kommunalen Träger<br />

an den Pflegestützpunkten kann auch<br />

das entsprechende Personal aus diesen<br />

Diensten abgeordnet werden, um<br />

die bisherigen Aufgaben, ergänzt um<br />

den Auftrag der Pflegestützpunkte,<br />

wahrzunehmen.<br />

Ausblick<br />

Dort, wo Pflegestützpunkte neu entstehen,<br />

werden sie von vielen skeptisch<br />

beobachtet, auch von vielen Sozialdiensten<br />

in Krankenhäusern und<br />

Rehabilitationsklinken. Neue Strukturelemente<br />

beleben die Infrastruktur<br />

<strong>–</strong> aber die etablierten Dienste und<br />

Einrichtungen neigen dazu „ihre<br />

Pfründe zu sichern“.<br />

Betrachtet man aber den Auftrag<br />

der Pflegestützpunkte ohne Vorbehalte,<br />

eignen sie sich bei entsprechend<br />

multiprofessioneller Ausstattung hervorragend<br />

zur Ergänzung der Sozialdienste<br />

in den Krankenhäusern.<br />

Durch die immer kürzeren Liegezeiten<br />

erfolgt die Beratung der Patientinnen<br />

und Patienten in immer enger werdenden<br />

Zeitkorridoren; sie bleibt gerade<br />

in Zeiten personeller Engpässe<br />

beschränkt auf die notwendigsten<br />

Themen, für die Entscheidungen erarbeitet<br />

werden müssen. Der Anspruch<br />

auf <strong>ein</strong>e ganzheitlich angelegte<br />

und umfassende Beratung kann im<br />

Krankenhaus nicht immer umgesetzt<br />

werden. Eine entsprechende Verweisung<br />

oder Fallübergabe an die im<br />

Pflegestützpunkt arbeitenden Fachkräfte<br />

der Sozialen Arbeit kann hier<br />

<strong>ein</strong>e <strong>gut</strong>e Lösung s<strong>ein</strong>. Dies insbesondere<br />

bei komplexen Fällen, wenn<br />

die weitergehende Versorgung oder<br />

der Grad und die Dauer der bei Entlassung<br />

bestehenden Pflegebedürftigkeit<br />

nicht <strong>ein</strong>deutig sind und wenn<br />

familiäre Lösungen gesucht werden,<br />

die immer Zeit brauchen, weil sie in<br />

der Regel mit gravierenden Veränderungen<br />

und Unsicherheiten verbunden<br />

sind. Aus dem Krankenhaus können<br />

diese Patienten und Angehörigen<br />

nicht mehr begleitet werden <strong>–</strong> sowohl<br />

aufgrund der Zuständigkeit, die mit<br />

der Entlassung endet, als auch aufgrund<br />

der personellen Ressourcen.<br />

Bisher stellte sich oft die Frage, wohin<br />

Sozialdienste zur weitergehenden<br />

Der vielfältige Auftrag von Pflegestützpunkten geht über Einzelfallarbeit hinaus.<br />

qualifizierten Beratung verweisen<br />

können.<br />

Wenn betroffene Menschen und<br />

ihre Angehörigen nach dem Krankenhaus<br />

k<strong>ein</strong>e kompetenten Ansprechpartner<br />

finden, die weiter mit<br />

ihnen an Entscheidungen arbeiten,<br />

die Entwicklung beobachten, Ressourcen<br />

aktivieren und weiterhin<br />

qualifizierte psycho-soziale Beratung<br />

und Unterstützung bei der Neugestaltung<br />

und Planung der Lebenssituation<br />

anbieten, entscheiden sich erfahrungsgemäß<br />

viele Familien für<br />

<strong>ein</strong>e schnelle und bequeme Lösung,<br />

nämlich die stationäre Dauerpflege.<br />

Damit werden häufig die Beratungsansätze<br />

der Sozialdienste in den<br />

Krankenhäusern wirkungslos. Diese<br />

schnellen Lösungen entsprechen oft<br />

weder den Interessen der betroffenen<br />

Pflegebedürftigen noch sind sie<br />

unter volkswirtschaftlichen Aspekten<br />

betrachtet für das Sozial- und Gesundheitssystem<br />

sinnvoll.<br />

Pflegestützpunkte sind neue Elemente<br />

in der Beratungslandschaft, so<br />

neu, dass sie bundesweit noch nicht<br />

überall etabliert sind. Soziale Arbeit<br />

im Gesundheitswesen findet sowohl<br />

in den Krankenhäusern und Rehabilitations<strong>ein</strong>richtungen,<br />

in Gesundheitsämtern<br />

und Beratungsstellen<br />

statt wie auch in den Pflegestützpunkten.<br />

Dort, wo sie bereits bestehen,<br />

sollten alle Parteien offen auf<strong>ein</strong>ander<br />

zugehen und im Sinne der betroffenen<br />

pflegebedürftigen Menschen und<br />

deren Angehörigen und Bezugspersonen<br />

über Zusammenarbeit und<br />

Kooperationsformen verhandeln.<br />

Auch der Sachverständigenrat zur<br />

Be<strong>gut</strong>achtung der Entwicklung im Gesundheitswesen<br />

bewertet in s<strong>ein</strong>em<br />

Gutachten von 2009 (Koordination<br />

und Integration <strong>–</strong> Gesundheitsversorgung<br />

in <strong>ein</strong>er Gesellschaft des<br />

längeren Lebens) die Einrichtung von<br />

Pflegestützpunkten positiv: „Beratung<br />

kann <strong>ein</strong>en wichtigen Beitrag zur Stärkung<br />

der Nutzerposition und zu mehr<br />

Lebensqualität leisten. Aus dieser Perspektive<br />

bietet sich die Einrichtung<br />

der Pflegestützpunkte als <strong>neues</strong><br />

Strukturelement <strong>ein</strong>er qualitativ <strong>gut</strong>en<br />

ambulanten Pflege und Versorgung<br />

an.“ Die Soziale Arbeit ist somit aufgerufen,<br />

dieses neue <strong>Arbeitsfeld</strong> kompetent<br />

zu <strong>besetzen</strong> und <strong>ein</strong>en wichtigen<br />

Beitrag zur Entwicklung der Versorgungsstrukturen<br />

zu leisten.<br />

■ Heike Ulrich ist Dipl.-Sozialarbeiterin.<br />

Sie ist im Referat Ältere<br />

Menschen der Senatorin für Arbeit,<br />

Frauen, Gesundheit, Jugend und<br />

Soziales in Bremen zuständig für<br />

Häusliche Pflege und Koordination<br />

Sozialdienst im Krankenhaus und<br />

2. Vorsitzende der <strong>DVSG</strong>,<br />

6 heike.ulrich@soziales.bremen.de<br />

Foto: christophe papke, fotolia.com, Composing: C. Kozsir<br />

4/2010 Forum sozialarbeit + gesundheit 9

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