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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Gustav Bergmann und Gerd Meurer 1<br />
Best Patterns im Management<br />
Erfolgsmuster vitaler Unternehmen<br />
1. Einleitung<br />
Vitale, florierende Unternehmen entstehen nicht zufällig. Sie unterscheiden<br />
sich signifikant von weniger erfolgreichen Unternehmen. In diesem Beitrag<br />
wollen wir die Erfolgsmuster vorstellen, empirische wie theoretische<br />
Grundlagen beschreiben und Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen.<br />
Noch vor einigen Monaten euphorisch bewertete Stars der New Economy<br />
stürzen ins Bodenlose ab und sind von Insolvenz gefährdet. Der „Firmentod“<br />
droht jedoch nicht nur den „künstlich beatmeten“ Unternehmen des<br />
Neuen Marktes, sondern auch einigen ehemaligen Zugpferden der Old Economy.<br />
Dass es sich bei der neuerlichen Krise nicht um eine auf die aktuelle<br />
Situation begrenzte Momentaufnahme handelt, belegt eine bei Shell durchgeführte<br />
Studie. Dort fand man heraus, „dass in der gesamten nördlichen<br />
Hemisphäre die mittlere Lebenserwartung von Unternehmen deutlich unter<br />
20 Jahren lag. Nur Großunternehmen, die nach ihrer „Kindheit“ - in der die<br />
Sterblichkeit besonders hoch ist - kräftig expandierten, lebten im Durchschnitt<br />
20 -30 Jahre länger.“ 2<br />
Die Symptome scheinen sich momentan zu verstärken, da die Unternehmensumfelder<br />
stärker als bisher von Turbulenz gekennzeichnet sind. Die<br />
rasante Entwicklung des Wissens, neue Technologien und die Globalisierung<br />
sind einige Gründe für diese dynamische Komplexität. Hoch komplexe<br />
Märkte entwickeln sich dynamisch und unüberschaubar. Entscheidungen<br />
1 Dr. Gustav Bergmann ist Professor für systemisches Marketing an der Universität Siegen. Gerd Meurer ist<br />
geschäftsführender Gesellschafter von CoinCo- die Unternehmerberatung GmbH in Köln.<br />
2 Zitiert nach Arie de Geus 1997(a).<br />
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und Eingriffe führen nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Hinzu kommt,<br />
dass sich Produktlebenszyklen und Innovationsraten stetig verkürzen.<br />
Auswege wurden vorwiegend in Rationalisierungen gesucht. Doch die Steigerung<br />
der betrieblichen Effizienz durch Rationalisierung bedeutet eine einseitige<br />
Binnenorientierung des Unternehmens. Dieses Vorgehen kann<br />
mittelfristig erfolgreich sein, wird auf lange Sicht jedoch in eine Sackgasse<br />
führen, da die Kostensenkungspotenziale endlich sind und eine defizitäre<br />
Politik weniger Möglichkeiten zur Weiterentwicklung eröffnet. Dabei handelt<br />
es sich um die Behandlung von Symptomen. Es mangelt an requisite<br />
variety 3 , an der entsprechenden Mannigfaltigkeit und Komplexität interner<br />
Lösungsansätze, um den Anforderungen der Umfelder gerecht werden zu<br />
können. Zudem wächst die Gefahr, dass externe Entwicklungen nicht wahrgenommen<br />
oder fehlinterpretiert werden.<br />
Trotz der beschriebenen Probleme existieren Unternehmen, deren Alter die<br />
derzeitige mittlere Lebenserwartung von Unternehmen deutlich übertrifft.<br />
Als eindrucksvolle Beispiele nennt der ehemalige Shell-Manager Arie de<br />
Geus die japanische Sumitomo-Gruppe, die ihren Ursprung im Jahre 1590<br />
in einer kleinen Kupferschmelze hat, oder die Firma Stora, die vor mehr als<br />
700 Jahren als Kupfermine in Zentralschweden begann.<br />
Auffällig ist die Kluft zwischen durchschnittlicher Lebenserwartung und<br />
realisiertem Alter einiger als allgemein erfolgreich geltender Unternehmen.<br />
Es stellt sich die Frage, wie es gerade diesen Unternehmen gelungen ist,<br />
langfristig Erfolg zu erzielen, wobei andere Firmen, die in ähnlichen Kontexten<br />
in Bezug auf Raum und Zeit standen, frühzeitig „starben“. Die Shell-<br />
Studie vermutet auf Grund der beschriebenen Diskrepanz, dass die überwiegende<br />
Zahl der Unternehmen ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen. 4 Dieses<br />
Überlebenspotenzial nennen wir Vitalität. Das ist die Fähigkeit sich durch<br />
3 Vgl. W. R. Ashby, 1974<br />
4 Nach Arie de Geus ist daher der Entwicklungsstand der Spezies Unternehmen verglichen mit der Spezies<br />
Mensch bezogen auf den Abstand zwischen durchschnittlicher Lebenserwartung und potenzieller Lebenszeit<br />
dem Zeitalter der Neandertaler entsprechend.<br />
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Wandel und Vielfalt zu erhalten. Wir integrieren dabei erheblich mehr als<br />
Überlebensfähigkeit. 5 Vitale Unternehmen erzeugen einen positiven Beitrag<br />
für alle Stakeholder. Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge beschreiben<br />
wir nochmals die Kernprobleme und Folgen:<br />
- Die wahrgenommene Turbulenz der Unternehmensumwelt nimmt zu.<br />
Eine grundsätzliche Orientierung wird schwieriger. Märkte, Zielgruppen<br />
und Konkurrenten sind einem ständigen Wandel unterworfen und kaum<br />
noch zu identifizieren oder in ihrem Verhalten zu prognostizieren. Unternehmen<br />
und Märkte sind beeinflussbar, aber nicht steuerbar. Mit der<br />
wachsenden Dynamik des Umfeldes wird es schwieriger, zukünftige<br />
Attraktoren zu bestimmen und für sich nutzbar zu machen.<br />
- Die Unternehmen schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Die rein monetäre<br />
Betrachtung verdeutlicht die Möglichkeiten nur unzureichend. Ein Unternehmen<br />
darf nicht auf die Funktion einer „geldproduzierenden Maschine“<br />
(A. de Geus) reduziert werden, weil es sich sonst seiner<br />
Legitimität beraubt. Soll heißen: Eine Unternehmung, die sich auf finanzielle<br />
Ziele konzentriert, verliert den Zuspruch und die Akzeptanz der<br />
Stakeholder. Sie handelt sich auf lange Sicht Probleme ein, weil die ü-<br />
bervorteilten Stakeholder versuchen werden, ihre Ansprüche später<br />
durchzusetzen. Macht- und Hierarchiedenken haben zu verkrusteten<br />
starren Strukturen geführt, die einer Verständigung und Entwicklung im<br />
Wege stehen. Mit Hilfe analytischer Planungsmethoden und Problemlöseverfahren<br />
wird versucht, Probleme zerlegend zu erfassen und zu beherrschen.<br />
Dieses Vorgehen ist jedoch sehr ressourcen- und<br />
zeitaufwendig und stellt keineswegs sicher, dass - bei komplexen und<br />
5 Überlebensfähig sind auch Systeme, die auf Kosten anderer oder der Natur existieren, z.B- die Mafia, Drogendealer<br />
oder Diktatoren. Vitalität bedeutet für uns, dass sich ein Unternehmen auf Dauer entwickelnd stabilisiert<br />
und dabei nicht auf Kosten anderer arbeitet. Die Vitalität der Umfelder wird mit einbezogen, weil jedes<br />
soziale System nur in der Koexistenz überlebensfähig ist.<br />
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unstrukturierten Entscheidungssituationen 6 - eine angemessene Lösung<br />
gefunden werden kann.<br />
Die Folgen sind:<br />
- Der Analyse- und Planungsaufwand wird im Hinblick auf die verfügbaren<br />
Ressourcen größer, die Relevanz der Planungsergebnisse nimmt jedoch<br />
ab. Es wird schwieriger, konkrete Zielvorgaben zu formulieren,<br />
viele Ziele werden nicht erreicht oder sind nicht mehr „erreichenswert“,<br />
weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Die Wege zur Zielerreichung<br />
sind nicht gangbar, die Strategien greifen nicht. Scheinbar Bewährtes<br />
funktioniert plötzlich nicht mehr.<br />
- Hinzu kommt die zeitliche Komponente: da die Problemstellungen immer<br />
komplexer werden, wird mehr Bearbeitungszeit benötigt - die<br />
wachsende Dynamik des Umfeldes erfordert dagegen immer kürzere<br />
Reaktionszeiten. Resultat dieser Kluft ist der Verfall in operative Hektik<br />
und schließlich in Orientierungslosigkeit.<br />
- Klassische Planungsmodelle und -methoden - wenn überhaupt vorhanden<br />
und nutzbar - sind der Komplexität und dem Vernetzungsgrad der<br />
Umfelder nicht gewachsen und gaukeln Plausibilität vor. Der hohe informationstechnologische<br />
Aufwand trägt zusätzlich zur „Verfremdung“<br />
bei und steht in einer sehr ungünstigen Relation zum Nutzen.<br />
- Durch eine fehlende oder unzureichende Einbindung der Stakeholder in<br />
die Planungs- und Entscheidungsprozesse können wichtige Informationen<br />
- insbesondere soft factors - nicht berücksichtigt werden. Darüber<br />
hinaus resultiert aus dem „Nicht-Dazwischensein“ der Betroffenen fehlendes<br />
Engagement und Interesse. Diese lähmende, einengende Atmosphäre<br />
schwächt das Innovationspotenzial des Unternehmens.<br />
Die daraus resultierenden zentralen Fragestellungen lauten:<br />
- Worin unterscheiden sich vitale von eher starren Systemen?<br />
6 Vgl. zu einer detaillierten Darlegung G. Bergmann, 1996.<br />
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- Sind Gemeinsamkeiten im Handeln vitaler Unternehmen zu erkennen,<br />
die systemübergreifend gelten?<br />
- Wie können diese Muster im Management sinnvoll eingesetzt werden?<br />
2. Best Patterns – Muster erfolgreicher Unternehmen<br />
Erfolgreich ist, wer Erfolg bewirkt. Wer als erfolgreich gilt und welche<br />
Verhaltensmuster als erfolgreich bewertet werden, hängt vom Beobachter<br />
ab. Daher empfiehlt es sich, möglichst viele verschiedene Perspektiven in<br />
die Betrachtung zu integrieren. Um zu beurteilen, ob ein Unternehmen als<br />
erfolgreich bezeichnet werden kann, sollten daher neben der Geschäftsführung<br />
und den Mitarbeitern auch Kunden, Lieferanten und Wettbewerber<br />
nach ihrer Einschätzung befragt werden. Das Erkennen erfolgreicher Verhaltensmuster<br />
setzt die Integration unterschiedlicher Perspektiven voraus,<br />
um eine intersubjektiv nachprüfbare Bewertungsgrundlage zur Aufstellung<br />
von Erfolgsmustern zu schaffen.<br />
2.1 Vorgehensweise<br />
In unserem Konzept bringen wir verschiedene wissenschafts-theoretische<br />
Konzeptionen zusammen. Induktiv gehen wir mit der vergleichenden Diagnose<br />
von Best Patterns vor. Dabei bedienen wir uns auch erfahrungswissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse. Diese Beobachtungen versuchen wir ergänzend<br />
aus der Systemtheorie zu deduzieren.<br />
Aus den empirischen und theoretischen Erkenntnissen formulieren wir Erfolgskriterien,<br />
die wiederum empirisch untersucht (Mustererkennung) und<br />
theoretisch reflektiert (Theoriereflexion) werden.<br />
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Best Patterns<br />
Theoretischer Bezugsrahmen<br />
Mustererkennung<br />
Kriterien<br />
Theoriereflexion<br />
Diagnose<br />
- Empirische Untersuchungen<br />
- Beobachtungen nach Interventionen<br />
Abbildung: Vorgehensweise<br />
Zusätzlich fließen Erkenntnisse zur Validierung aus der praktischen Beratung<br />
in das Forschungsdesign ein.<br />
2.2 Von vitalen Systemen lernen<br />
Der Erfolg eines sozialen Systems (Unternehmen, Organisation) lässt sich<br />
unseres Erachtens nicht an rein monetären Größen messen, die für sich alleine<br />
betrachtet bestenfalls eine relativ kurze Episode der Unternehmensentwicklung<br />
bewerten können, jedoch keine hinreichenden Aufschlüsse<br />
über die Gesamtentwicklung zulassen. 7 Wir definieren als Erfolgskenngröße<br />
die Vitalität des Systems und haben ein dauerhaftes Erfolgsmaß zugrunde<br />
gelegt, das die Zukunftsfähigkeit des betrachteten Systems beschreiben soll.<br />
Letztlich weisen unsere Untersuchungen nur einen Weg für Akteure und<br />
Unternehmen, die sich dieser Erfolgsdefinition in etwa anschließen können<br />
oder wollen. Wenn andere Ziele (wie reine kurzfristige Rendite ohne Be-<br />
7 Die monetären Kennzahlen (ROI, Cash Flow, u.a.) können als hard factors durchaus sehr wertvolle Hinweise<br />
auf die Unternehmensentwicklung liefern, spiegeln für sich alleine betrachtet jedoch nur einen Teil des unternehmerischen<br />
Potenzials bzw. Erfolgs wider.<br />
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rücksichtigung der externen Effekte) verfolgt werden, dann sind die hier<br />
skizzierten Erfolgskriterien nur bedingt geeignet.<br />
Bei den Best Patterns handelt es sich um metasystemische, d.h. vom spezifischen<br />
Systemumfeld unabhängige, Muster, die als normative Leitlinien die<br />
Wahrscheinlichkeit einer langfristig erfolgreichen Entwicklung erhöhen.<br />
Um Orientierungsmuster erkennen zu können, wurde mittels Beobachtung<br />
nach Gemeinsamkeiten zwischen sozialen Systemen gesucht, die sich in<br />
verschiedenen Umfeldern erfolgreich weiterentwickeln konnten.<br />
Zur Formulierung dieser Erfolgsmuster haben wir ausgehend von der Erfolgskenngröße<br />
„Vitalität“ unseren Untersuchungshorizont nicht nur auf<br />
Wirtschaftsunternehmen beschränkt, sondern auf soziale Systeme erweitert,<br />
die sich in unterschiedlichen Kontexten und Zeiten bewähren mussten. 8<br />
Die Best Patterns 9 finden wir aus dem Vergleich erfolgreicher sozialer Systeme<br />
untereinander und mit weniger erfolgreichen Systemen. Es tauchen<br />
dabei signifikante Ähnlichkeiten und Unterschiede auf. Erfolgreiche verwenden<br />
andere Regeln und Muster. Diese vergleichende Mustererkennung<br />
umgeht dabei die Schwierigkeit und Problematik der Ursachenerklärung.<br />
Wir glauben, dass in sozialen Kontexten das Phänomen zirkulärer Kausalität<br />
auftritt und eine hohe Komplexität zudem kausale Attributionen erschwert,<br />
wenn nicht unmöglich macht. Es geht weniger darum, Probleme zu erklären,<br />
sondern Hinweise für Lösungswege zu extrahieren.<br />
Die durch die Erweiterung des Untersuchungshorizonts angewachsene<br />
Komplexität wird durch Modelle der Mustererkennung sinnvoll reduziert. 10<br />
„Als Muster werden solche Abbildungen verstanden, die einen Beobachter<br />
8 Besonders erhellend sind beispielsweise historische Beobachtungen vom Aufstieg und Fall von Gesellschaften<br />
und Staaten. Aus methodischer Sicht werden neben empirischen Studien auch Erkenntnisse aus biologischen,<br />
ethnologischen und soziologischen Analysen in die Forschung integriert. Vgl. bspw. M. Harris, 1990.<br />
9 Dauerhafte Kurzzeitlösungen, Spielregeln, Orientierungsmuster und Best Patterns werden als ähnliche Begriffe<br />
benutzt. Best Patterns sind allgemeine Erfolgsmuster, die der Orientierung dienen. Sie werden im konkreten<br />
Kontext zu handlungsleitenden Spielreglen geformt und gemeinsam vereinbart. Vergleiche zur Differenzierung<br />
Erläuterungen bei G. Bergmann, 2001.<br />
10 Vgl. C. Alexander, der als prominentes Beispiel innerhalb der Architekturwissenschaft mit seinem Buch „A<br />
Pattern Language“ („Eine Mustersprache“) versucht hat, die Komplexität des architektonischen Planens und<br />
Entwerfens zu reduzieren, indem er für verschiedene Planungsgegenstände mehr oder weniger allgemeingültige<br />
Muster formuliert hat (Vgl. C. Alexander, 1977).<br />
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eine gute Vorhersage über einen ihm unbekannten Ausschnitt des betrachteten<br />
Systems erlauben.“ 11 Die Muster sind allgemeine Lösungen, die<br />
handlungsorientierenden Charakter aufweisen. Wenn Sie angewendet werden,<br />
ergeben sich wahrscheinliche Verbesserungen. Neben dem Lösungscharakter<br />
beinhalten Sie auch erste Erklärungen, da durch die vergleichende<br />
Extraktion Hinweise auf kausale Zusammenhänge gegeben werden.<br />
Durch vergleichende Diagnose erhalten wir Best Patterns 12 , die als allgemeine,<br />
metasystemische Muster charakterisiert werden können und in einem<br />
letzten Schritt in kontext- und zeitbezogenen Handlungsanweisungen (Spielregeln)<br />
für ein spezifisches Unternehmen konkretisiert werden müssen. 13<br />
Diese Vorgehensweise beugt zudem der Gefahr unzulässiger Vereinfachungen<br />
vor, da nicht die Handlungsanweisungen als Patentrezepte kopiert werden,<br />
sondern zunächst nach den hinter den „erfolgsversprechenden“<br />
Merkmalen stehenden Mustern gesucht wird, um schließlich sehr spezifische<br />
Handlungsanweisungen zu formulieren.<br />
Die Regeln, die ein erfolgreiches Überleben der Unternehmen sichern, sollen<br />
in Folge systematisiert werden. 14<br />
Das Wechselspiel von ökonomisch expansivem und ökologisch rekursiven<br />
und reduktiven Handeln (Syntropie) gilt universell. Ökonomische Entwicklungen<br />
dienen in erster Linie der entropischen Erweiterung. Ökologisch gesehen<br />
sind Prozesse zu entschleunigen, Kreisläufe zu bilden, Langlebigkeit<br />
zu erzeugen, syntropische Werte zu schaffen und Dinge zu immaterialisieren.<br />
Vielfalt und Reduktion sind soweit die universellen Regeln der Evolution.<br />
Alle Muster sind in ihrer Beziehung untereinander zu untersuchen und<br />
auszubalancieren<br />
11 M. Grothe in Anlehnung an den Ordnungsbegriff nach F. A. von Hayek 1990. Dabei sind stereotype von<br />
orientierenden Mustern zu unterscheiden. Die ersten verstetigen Zustände, die zweiten Mustertypen erhöhen<br />
die Wahrscheinlichkeit des Gelingens und Lernens.<br />
12 Die Best Patterns zeigen z.T. Übereinstimmungen mit den Erkenntnissen des Shell-Managers Arie de Geus<br />
(vgl. Arie de Geus: Living Company, 1997 (b)), der folgende Faktoren betont: Konservatives Finanzgebaren,<br />
Sensibilität gegenüber dem Umfeld, Bewusstsein der eigenen Identität, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen<br />
Ideen, lockere Steuerung und Kontrolle, für Lernen sorgen, gestalten der menschlichen Gemeinschaft.<br />
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In Balance gelangt ein Unternehmen nur durch das Auspendeln dieser<br />
wichtigen Prinzipien. Visionen öffnen den Horizont, der Rahmen erlegt eine<br />
sinnvolle Selbstverpflichtung auf. Menschen bedürfen der Faszination und<br />
Sinnstiftung auf der einen und der Grenzsetzung auf der anderen Seite. Diese<br />
beiden Pole durchziehen die Regeln auch auf der strategischen und operativen<br />
Ebene. Neben Visionen und Rahmen sind zum Beispiel auch<br />
Struktur und Prozess, interne und externe Kommunikation, Orientierung<br />
und Gestaltung in einem spannungsreichen Verhältnis auszupendeln.<br />
Die Regeln werden damit in einen Gesamtzusammenhang gebracht. Gemeinsam<br />
angewandt dienen sie der ganzheitlichen Zielerfüllung und stärken<br />
die Vitalität des Systems. Es wird eine Atmosphäre geschaffen, in der tolerant<br />
und engagiert der Begriff der „Vitalen Organisation“ mit Leben gefüllt<br />
wird. Vordringlich ist eine Prozessbetrachtung bei den Musterbereichen. Es<br />
geht um das „Wie“, die Erkennung und Anwendung der Regeln. Die einzelnen<br />
Regeln wurden in die einzelnen Teilbereichen differenziert. Es handelt<br />
sich dabei um die Bereiche der Orientierung in turbulenter Welt, der Interaktion<br />
(soziale Austauschprozesse, Kommunikation, Beziehungen), der Organisation<br />
(Struktur), der Gestaltung und Innovation (Produktdesign,<br />
Konzepte), der Entscheidungs- und Handlungsebene (Prozesse) und des<br />
Lernens: 15<br />
Um Orientierung in dem durch dynamische Komplexität gekennzeichneten<br />
Kontext zu finden, gilt es das Unternehmensumfeld hinsichtlich Bedürfnisarten,<br />
Wahrnehmungsarten und Persönlichkeitsbildern möglichst zeitstabil<br />
zu segmentieren. Neben den hard factors kommt den soft factors (qualitative<br />
Informationen) eine wachsende Bedeutung zu, und es gilt, die Wahrnehmung<br />
in diesem Sinne zu erweitern. Darüber hinaus sollten zukünftige<br />
Entwicklungen durch Musternutzung und im Dialog erkannt werden, da<br />
13 Z, B. in Form des hinten beschriebenen Modells des Balanced Strategy Management.<br />
14 Vgl. Bergmann G.,2001 und 1996<br />
15 Hier eine erweiterte Darstellung aus G. Bergmann, 1996.<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
aktuelle „Situationsschnappschüsse“ keine hinreichende Orientierungsgrundlage<br />
darstellen.<br />
Bei der Kommunikation ist der Weg über die Empathie zur Verständigung,<br />
Kooperation und Koevolution (Beziehung) aufgezeigt. Die Zusammenarbeit<br />
wird letztlich geprägt von interdependenter Vernetzung (synergetische Konvergenz)<br />
und nicht von egoistischer Autonomie. Die Verständigung wird<br />
durch geeignete Interventionsformen ermöglicht. Auf der Basis ausgewogener<br />
Kommunikation können dauerhafte Beziehungen entstehen. 16<br />
Die Organisationstruktur sollte an selbstorganisationalen Vorgängen ansetzen.<br />
Vorteilhaft ist, wenn in einer Organisation ein hohes Maß an selbstverantwortlichem<br />
autonomen Handeln ermöglicht und verantwortet werden<br />
kann. Der Abbau von Status und Hierarchie und die Einbindung in Entscheidungsprozesse<br />
in pluralen Gruppen steigert die Effektivität. Strukturen<br />
bilden sich wie „Trampelpfade“ (Footpathing): Da wo Wege der Kommunikation<br />
genutzt werden, bilden sich sinnvolle Verbindungen. Es entsteht eine<br />
Organisation mit netzartigen Koalitionen zwischen Akteuren, die gute Beziehungen<br />
zueinander aufbauen und gegebenenfalls Verträge schließen. Ziel<br />
ist die lernende und vitale Organisation.<br />
Die Produkt- und Innovationsregeln sehen ebenfalls einen Prozess vor. Zunächst<br />
wird versucht, das Objekt zu immaterialisieren, also als Dienst oder<br />
Software anzubieten, oder das Bedürfnis zu hinterfragen. Wenn ein materielles<br />
Produkt benötigt wird, steht die Langlebigkeit im Vordergrund. Besonders<br />
bei Verbrauchsgütern empfiehlt es sich an Kreisläufe und die<br />
Reduktion des Energie- und Materieverbrauchs zu denken. Immaterielle<br />
Angebote weisen den Vorteil auf, nicht kopierbar zu sein. Je höher der immaterielle<br />
Anteil, desto wahrscheinlicher ist der dauerhafte Erfolg.<br />
16 Vgl. dazu G. Bergmann, 2001 S. 119ff und die dort angegebene Literatur. Zur Kommunikation speziell E.<br />
Marc, D. Picard, 2000.<br />
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Vielgestaltig sind die Prozessregeln, die ein „Surfen“ auf der Welle der E-<br />
volution ermöglichen sollen. Eine lösungsorientierte Vorgehensweise wird<br />
analytischem Denken und Handeln vorgezogen, wobei Entscheidungen<br />
möglichst reversibel gestaltet werden sollten. Kleinigkeiten ist größere Beachtung<br />
zu schenken, das behutsame Vorgehen deutet auf die homöopathische<br />
Dosierung hin. Es ist darauf zu achten, was den Systemen fehlt, wo<br />
Nuancen fein dosiert verstärkt werden müssen. Man sollte stets in kleinen<br />
überschaubaren Schritten vorgehen. Es genügt schon, die Unternehmung in<br />
Veränderung zu bringen, indem beispielsweise nur eine 5%ige Verbesserung<br />
im Hinblick auf die genannten Regeln angestrebt wird. Es geht weniger<br />
um Patentrezepte und „wuchtige“ Einmallösungen, sondern um Impulse<br />
und Ansatzpunkte für eine dauerhafte Entwicklung. Gemeinsames Lernen<br />
und Entlernen und eine initiative Handlungsfreude sind weitere wichtige<br />
Grundbedingungen für den Erfolg. 17 Der Solution Cycle dient als Muster<br />
des problemlösenden und lernenden Vorgehens bei allen Formen von Projekten<br />
und Vorhaben. 18<br />
17 Vgl. D. Dörner, 1990 zu den Formen der Intelligenz als Eigenschaft, Probleme unterschiedlicher Art sinnvoll<br />
zu lösen. Unseres Erachtens können auch die Persönlichkeitsbilder als Intelligenzspezialisierungen betrachtet<br />
werden. Somit existieren dann 9 Haupttypen der Intelligenz.<br />
18 Vgl. insbesondere G. Bergmann, 2001.<br />
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Vitalität<br />
Vielfalt<br />
universell<br />
Reduktion<br />
Visionen<br />
normativ<br />
Rahmen<br />
Orientierung<br />
Multiple<br />
Realitäten<br />
Kommunikation Struktur Prozess Produkt<br />
Empathie<br />
Initiative<br />
Selbstorganisation<br />
Immaterialisierung<br />
Lernen<br />
Veränderung<br />
Soft Factors<br />
Verständigung<br />
Hierarchiefreiheit<br />
Reversibilität<br />
Langlebigkeit<br />
Synrefernzen<br />
Früherkennung<br />
Kooperation Partizipation Lösungsorientierung<br />
Kreisläufe<br />
Reflexion<br />
Koevolution<br />
Dezentralität<br />
Beobachtung<br />
2. Ordnung<br />
Reduktion<br />
Mustererkennung<br />
Wissenssystematisierung<br />
Abbildung: Das Best Patterns Konzept<br />
Die Lernfähigkeit von Unternehmen hat entscheidenden Einfluss auf ihre<br />
Entwicklungsfähigkeit. Immer mehr geht es darum zu lernen, sich auf neue<br />
unstrukturierte Situationen einzustellen, effizient zu reagieren, effektiv zu<br />
agieren, Probleme dauerhaft zu lösen und die Erfahrungen zu systematisieren.<br />
In der Reflexion der Unternehmensprozesse und der dabei gemachten<br />
Lernerfahrungen wird das Lernen gelernt und das Wissen verdichtet. Eine<br />
Voraussetzung sind qualifizierte Mitarbeiter, denen die Möglichkeit zur<br />
internen und externen Weiterbildung gegeben werden sollte. Kommunizierte<br />
„Fehlerfreundlichkeit“ trägt dazu bei, die Bereitschaft zu erhöhen, alte<br />
eingefahrene Muster aufzubrechen und kreativen Ideen eine Chance zu geben.<br />
Hinter den hier nur verkürzt skizzierten Best Patterns steht jeweils eine detaillierte<br />
Musterbildung, die kontinuierlich erweitert wird. Beispielsweise<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
sagt der Begriff Kommunikation allein wenig aus; er dient mehr als Platzhalter.<br />
Es geht hier um Formen der Verständigung, die durch Anwendung<br />
konkreter Muster der Intervention wahrscheinlicher wird. Dahinter stehen<br />
Aussagen zu verständigungsorientierter Kommunikation, zur Beziehungsentwicklung<br />
und zur Anwendung konkreter Dialogtechniken.<br />
Die Anwendung der Best Patterns ermöglichen die stetige Weiterentwicklung.<br />
Sie sind nur bedingt einsetzbar, wenn akute Probleme und Krisen auftauchen,<br />
die die Folge lange aufgehaltener Entwicklungen sind und durch<br />
eher kurzfristige Sofortmaßnahmen behoben werden müssen. Hierarchiefreiheit<br />
beispielsweise ist keine sinnvolle Spielregel des „Fire Fighting“<br />
oder des Krisenmanagements. Allerdings sollte vor und nach den akuten<br />
Situationen zu hierarchiefreien Dialogen zurückgekehrt werden, um daraus<br />
zu lernen und weitere Aktionen vorzubereiten. Andere Regeln wie die<br />
Selbstorganisation gelten gerade auch in diesen hektischen Situationen.<br />
In minimalorientierten Unternehmen werden viele Energien aus Angst,<br />
Neid, Konkurrenzdenken und Misstrauen zurückgehalten, und es entstehen<br />
negative Effekte bei einigen Beteiligten. 19<br />
2.3 Prozess der Mustererkennung<br />
Die Best Patterns sind grundsätzlich aus der guten Erfahrung zu ermitteln.<br />
Das können Berichte, Erfolgsgeschichten, eigene Erinnerungen oder auch<br />
Erlebnisse sein. Diese Methode wurde von der lösungsorientierten Therapie<br />
inspiriert. Vor allem Steve de Shazer 20 hat bemerkenswerte Konzepte zur<br />
Verbesserung von Problemsituationen erarbeitet. Wichtigste Grundsätze<br />
sind die konsequenten Lösungsorientierungen mit der spürbaren Veränderung<br />
zum „lösenden“ Zustand sowie die Erzeugung von weiteren Wahlmöglichkeiten.<br />
Es stehen weniger Ursachenanalysen im Vordergrund als<br />
Unterscheidungen, denn Kausalitäten sind in komplexen Kontexten rekursiv<br />
19 Vgl. ausführliche Darlegung der Organisationskulturen bei G. Morgan, 1986.<br />
20 Vgl. S. de Shazer, 1994 u. 1995, S. 20ff sowie zum Überblick J. Hesse, 1997.<br />
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vernetzt und unübersichtlich. Auch wenn man die Ursachen und Schuldigen<br />
ermitteln könnte, ist damit noch wenig zum Besseren bewegt. Wer ein<br />
Problem erklärt, hat noch keine Lösung. Erklärungen können lösend wirken<br />
und tragen zur Problembewältigung bei. Nur unser wissenschaftlich dominiertes<br />
Denken ist auf Analysen konzentriert: Psychoanalyse, Unternehmensanalyse,<br />
Bilanzanalyse, Unfallanalyse, Fallanalyse etc. Wenn aber<br />
Ursachen nur eingeschränkt mit viel Aufwand ermittelt werden können, ist<br />
es vielleicht sinnvoller, direkt Lösungen anzustreben. Das erfolgt mit einem<br />
genialen Fokuswechsel: 21 Es wird ein Problem vielschichtig aus verschiedenen<br />
Perspektiven beschrieben. Daraufhin wird nach einer problem- oder<br />
beschwerdefreien Zeit oder Situation gesucht, in der die Schwierigkeiten<br />
weniger oder gar nicht auftraten oder eine erfolgreiche Situation vorlag.<br />
Dann wird danach gesucht, was in dieser Situation anders war im Vergleich<br />
zum problematischen Normalzustand. Auf einer allgemeinen Musterebene<br />
werden Bedingungen und Verhaltensweisen der Ausnahmesituation erforscht.<br />
Wenn diese anderen Muster erkannt sind, kann versucht werden,<br />
daraus Best Patterns zu entwickeln, die daraufhin multipliziert werden können.<br />
Die „lösende“ Ausnahme wird zur Regel gemacht und damit ein Lösungsansatz<br />
geboten. Zuweilen reicht es aus, überhaupt leichte Veränderungen<br />
einzuleiten, um Verbesserungen zu erzielen. In der Regel erscheint es<br />
aber ratsam, die Problemsituation ganzheitlich zu beschreiben, um dann<br />
Umkehrungen vorzunehmen. Ein Problem enthält meistens seine Lösung, da<br />
Probleme individuell konstruierte Wirklichkeiten darstellen und somit auch<br />
„dekonstruiert“ werden können. Wenn nachhaltig keine Lösungen gefunden<br />
werden, dann kann es sein, dass das Problem nicht umfassend beschrieben<br />
wurde oder ein Nebenproblem behandelt wird.<br />
Die Lösungsorientierung bietet aber bis dahin den Vorteil, dass die Beteiligten<br />
durch schnelle Erfolge „genährt“ werden. Erste Lösungen entstehen<br />
und die Selbstwirksamkeit wird erlebt. Gerade im eher hektischen Kontext<br />
21 Vgl. insbes. S. de Shazer, 1995 S. 20ff.<br />
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der Wirtschaft sind schnell erreichbare Veränderungen oft zwingend. Zudem<br />
kann die Entdeckung einer gewissen Selbstwirksamkeit aus der Aussichtslosigkeit<br />
herausführen. Auch hierbei gilt das „Und“, Kurz- und<br />
Langzeittherapie können sich ergänzen. Die Debatte um die „richtige“ Vorgehensweise<br />
ist eher unnötig. Nachdem erste positive Entwicklungen eingeleitet<br />
sind, können tiefgründige Analysen nach Bedarf angeschlossen<br />
werden. Es erscheint uns sinnvoll, alle Versionen wertfrei auf Nützlichkeit<br />
zu testen.<br />
Die Lösungssuche vollzieht sich in folgenden Schritten:<br />
- Die Probleme ganzheitlich definieren:<br />
Das Problemfeld wird ganzheitlich beschrieben. Das heißt, es werden<br />
nicht nur sachliche, sondern besonders emotionale Beziehungsaspekte e-<br />
ruiert. Die multiplen Wahrnehmungen durch unterschiedliche Akteure<br />
werden zu einer gemeinsamen „Problemfeldrealität“ verschmolzen. Dabei<br />
ist behutsam, hierarchiefrei und entschleunigt vorzugehen. Wenn das<br />
Problem wirklich erfasst ist, kann die Lösung aus den wesentlichen Unterschieden<br />
gewonnen werden. 22 Die gemeinsame Problementdeckung<br />
(field detection) kann in sozialen Prozessen mit Dialogtechniken und Visualisierungen<br />
(mind maps, Collagen) erfolgen. 23<br />
- Ausnahmen positiver Art suchen (problemfreie Zeit):<br />
Es wird dann nach einer problemfreien Ausnahme gesucht. Es werden<br />
Episoden ermittelt, in denen das Problem schon einmal gelöst war oder<br />
wo andere das Problem gelöst hatten. Erfolgreiche Projekte, Unternehmen<br />
oder Prozesse unterscheiden sich in signifikanten Bereichen von<br />
weniger erfolgreichen. Diese Unterschiede sind besonders relevant und<br />
erkenntnisreich. Die Ursachen von Problemen sind demhingegen oft nur<br />
22 Interessanterweise kann eine Lösung ohne dazugehöriges Problem ebenfalls problematisch wirken. Z. B.<br />
können Lottogewinner oft nichts Sinnvolles mit ihren Gewinnen anfangen und geraten in Probleme. Hatten<br />
sie aber vorher ein bestimmtes Ziel oder gar Schulden, ergibt sich der Sinn von selbst.<br />
23 Vgl. dazu genauer G. Bergmann, 2001 S. 29ff<br />
15PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
schwierig zu ermitteln, vielschichtig und unklar, zudem tragen sie kaum<br />
zur Lösungsfindung und Verbesserung der Situation bei. Was nützt es<br />
schon, zu wissen, warum man nicht erfolgreich war, wenn daraus keine<br />
Empfehlungen abgeleitet werden können, die eigene Situation zu<br />
verbessern.<br />
- Muster im Verhalten erkennen und Lösung generalisieren:<br />
Dann werden die systemübergreifenden (metasystemischen) Merkmale<br />
der Lösung generalisiert. Dabei wird an die Regeln der Durchhaltbarkeit<br />
(sustainability) angeknüpft. Und es ist zu beachten, wirkliche Meta -<br />
Regeln und Orientierungsmuster zu finden, nicht einfach das konkrete<br />
Verhalten anderer zu kopieren: Auf dem Ozean ist es besser, sich nicht<br />
an den Positionslichtern der anderen Schiffe, sondern an den Fixsternen<br />
zu orientieren.<br />
- Ausnahmen normal werden lassen und multiplizieren:<br />
Die Lösungskomponenten können für die konkrete Problembewältigung<br />
genutzt werden. Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Lösung<br />
lebbar zu machen und die sogenannten settings (Team, Gruppe, Freundeskreis,<br />
peers) mit einzubeziehen.<br />
Bei allen Schritten sind die Betroffenen in die Lage zu versetzen, die Lösung<br />
selbstverantwortlich aufzuspüren und zu realisieren. In einem akteursorientierten<br />
Ambiente werden die Lösungen eher engagiert mitgestaltet,<br />
angenommen und akzeptiert.<br />
Wer ein Problem hat, kann auch die Lösung kennen. Lösungen sind gefundene<br />
Nützlichkeiten. Die Lösungen müssen sich dabei nicht auf die indizierten<br />
Probleme beziehen und müssen nicht aus der Ursachenanalyse<br />
hervorgehen. Manchmal existieren effektive Lösungen, ohne dass erkenntlich<br />
wird, wie sie ursächlich mit dem Problem zusammenhängen. Sie wirken,<br />
ohne dass es erklärt werden könnte. Es ist deshalb sinnvoll, einen<br />
Zusammenhang zwischen dem Ziel und der gefundenen Ausnahme herzustellen.<br />
Es wird gesucht, was funktioniert und nützt. Gerade die ansonsten<br />
16PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
übliche Ursachenanalyse mündet oft in Schuldzuweisungen an einzelne Personen<br />
oder aber das Problem wird wenigen gerade passenden beziehungsweise<br />
opportunen Ursachen zugeordnet (unzulässige Vereinfachung). Es<br />
finden sogenannte Trivial- oder Fehlattributionen statt, weil einige dominante<br />
Akteure die wirklichen Zusammenhänge nicht deutlich werden lassen<br />
wollen (Machteingriff) oder die vollständige Analyse angesichts der Komplexität<br />
zu viele Ressourcen beanspruchen würde.<br />
2.4 Systemtheoretische Reflexion<br />
Die im Folgenden skizzierten Patternbereiche lassen sich theoretisch herleiten<br />
und begründen. Als Basis dient uns die Systemtheorie zweiter Ordnung<br />
(Theorie selbstreferenzieller Systeme) in Verbindung mit<br />
Erkenntnissen der Evolutions- und Komplexitätstheorie sowie des Konstruktivismus.<br />
24<br />
Unternehmen und Marktbeziehungen sind als soziale Systeme zu interpretieren,<br />
die sich aus ihren Komponenten immer wieder selbst erschaffen. Die<br />
Komponenten sozialer Systeme sind in der Theorie selbstreferenzieller<br />
Systeme kommunikative Handlungen. Eine bestimmte Form der Kommunikation<br />
erzeugt danach die ähnliche Kommunikation wieder. 25 Das System<br />
stabilisiert sich auf gegebenem Niveau und kann durch die Störung der gewohnten<br />
kommunikativen Handlungen in Veränderung gebracht werden. In<br />
synreferenziellen Systemen fungieren Akteure als Komponenten, die ein<br />
gemeinsames Wissen und Interaktionsmuster ausprägen (Synreferenzen)<br />
und daraus sich immer wieder neu erschaffen. In beiden Modellen betont<br />
man den „konservativen“ Charakter der sozialen Systeme.<br />
Soziale Systeme benötigen zur Selbsterhaltung die Grenzsetzung zur Umwelt,<br />
weil sie erst durch Unterscheidung Identität erlangen. Es ist aber auch<br />
24 Vgl. eingehende Erläuterung der Theorien bei G. Bergmann, 2001, S. 233ff<br />
25 Diese Theorie basiert auf dem Konzept der Selbstgestaltung (Autopoiese) von H. R. Maturana, F. J. Varela,<br />
1987, 54ff. Sie wurde von N. Luhmann auf soziale Systeme bezogen. Vgl. dazu N. Luhmann, 1985 und 1985.<br />
P. M. Hejl hat dieses Konzept wiederum weiterentwickelt und handlungstheoretisch fundiert. Vgl. P. M. Hejl,<br />
H. K. Stahl, 2000.<br />
17PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
der Ausgleich mit der Mitwelt notwendig, da sich Systeme ohne Erhalt der<br />
Umwelt selbst auflösen. Soziale Systeme benötigen Umfelder zur Unterscheidung.<br />
Identität und Abgrenzung auf der einen und Verständigung und<br />
Koevolution mit der Umwelt auf der anderen Seite gilt es auzubalancieren<br />
Ihre Struktur erhalten sie durch Entwicklung. In sozialen Systemen bilden<br />
sich sogenannte „dissipative Strukturen“, die ihre Existenz der Veränderung<br />
verdanken, insofern nur im fluiden Zustand überleben. 26 Soziale Systeme<br />
erhalten sich insofern durch Veränderung. Mit diesen Strukturen verselbstständigen<br />
sich die Systeme. D. h. die spezifischen Interaktionsmuster und<br />
Kommunikationsformen der Akteure erzeugen den spezifischen Charakter<br />
und zugleich findet Austausch mit den Umfeldern statt. Diese kommunikativen<br />
Beziehungen sind wiederum als spezifische soziale Systeme zu interpretieren.<br />
Systemtheoretisch gesehen sind die Identitätsentwicklung und -erhaltung,<br />
das Lernen und die Entwicklung, die kommunikativen Beziehungen, die<br />
internen Prozesse (zum Beispiel der Entscheidungsfindung) und die Kultur<br />
(Formen des Umgangs, Ökologie) entscheidende Kriterien zur Bewertung<br />
von Unternehmen in Hinsicht auf ihre Vitalität.<br />
Insofern resultieren die wesentlichen Patternbereiche nicht nur aus empirisch<br />
multiversalen Beobachtungen, sondern lassen sich auch deduzieren.<br />
Wir beschreiben in Folge die Ergebnisse einer umfangreichen empirischen<br />
Studie, wo wir die angedeuteten Patternbereiche prüften.<br />
3. Empirische Untersuchungsergebnisse<br />
Unser Vorgehen bei der empirischen Diagnose basiert auf dem prinzipiellen<br />
Vorgehen der Erfolgsfaktorenforschung. Die Erfolgsfaktorenforschung untersucht<br />
mittels Empirie die gemeinsamen Merkmale der Untersuchungsgegenstände<br />
(z.B. Unternehmen, Strategische Geschäftseinheiten), die in<br />
26 Anschaulich ist zum Beispiel der Wasserstrudel. Zur Theorie vgl. I. Prirogine, I. Stengers, 1981, S.21f.<br />
18PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Korrelation zu den vorher definierten Erfolgskenngrößen (z.B. cash flow,<br />
ROI) stehen, um schließlich ein System von Erfolgsfaktoren (z.B. Marktanteil,<br />
Marktwachstum) zu formulieren. 27 Die Erfolgsfaktorenforschung<br />
basiert damit auf der Annahme eines gesetzmäßigen Zusammenhangs (Ursache-Wirkungs-Beziehung)<br />
zwischen Unternehmens- und Umfeldfaktoren<br />
einerseits und dem Unternehmenserfolg andererseits. Implizit wird dabei<br />
vorausgesetzt, dass die vergangenheitsorientierten Erfolgskriterien vollständig<br />
erfassbar und zeitlich stabil sind. Zudem handelt es sich bei der Zahlenbasis<br />
um Vergangenheitsdaten. Eine Ableitung zukünftiger Erfolgsfaktoren<br />
ist daher problematisch. Die Komplexität und Dynamik der Erfolgsbedingungen<br />
lassen die Wahrscheinlichkeit einer zeitstabilen und vollständigen<br />
Erfassung aller relevanten Einflüsse, unrealistisch erscheinen. Hinzu<br />
kommt, dass umso detaillierter Erfolgskritierien inhaltlich beschrieben werden,<br />
desto unwahrscheinlicher wird ihre systemübergreifende Gültigkeit.<br />
Eine besondere Bedeutung kommt hier der Formulierung von Kennzahlen<br />
zum Zweck der Komplexitätsreduzierung und Operationalisierung zu. Die<br />
Erfolgsfaktorenforschung ist technisch mathematisch geprägt und basiert<br />
zumeist auf der multiplen Regressionsrechnung. Im Fokus steht die statistische<br />
Exaktheit, die von einer starken „Zahlengläubigkeit“ geprägt ist. Wirklichkeit<br />
wird in diesem Kontext mit Zahlen beschrieben. Darüber hinaus<br />
stellt sich die Integration der sogenannten weichen Faktoren als noch nicht<br />
hinreichend gelöstes Problem dar. Beispielsweise beschreiben die Ausgaben<br />
für Weiterbildung und Schulung nur unzureichend das Qualifikationsniveau<br />
der Mitarbeiter, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) und<br />
die Anzahl der angemeldeten Patente dokumentieren nicht die Innovativität<br />
des Unternehmens, denn man verharrt bei quantitativen Messungen.<br />
Grundlage der klassischen Erfolgsfaktorenforschung sind stets individuell<br />
geäußerte Einschätzungen oder Beobachtungen, die Exaktheit nur vortäu-<br />
27 Vgl. Steinle, C., 1996. Weitere Erfolgsfaktorenanalysen sind zu finden bei: E. Laszlo, 1992; J. M Kobi, 1994,<br />
C. Steinle, C. Schmidt, D. Lawa, 1995.<br />
19PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
schen. Nicht thematisiert wird die aus systemischer Sicht interessante Frage<br />
nach der Struktur und dem Prozess der Datenerhebung, d.h. welche Personen<br />
in den Unternehmen in welcher Form von wem befragt oder beobachtet<br />
werden. Damit setzt die Erfolgsfaktorenforschung implizit voraus, dass die<br />
Bewertungsperspektive keinen Einfluss auf die Bewertung der Erfolgsfaktoren<br />
hat. Unsere Erfahrungen aus der Beratung sprechen jedoch eindeutig<br />
dagegen. Geschäftsführung, FuE-Abteilung, Marketing und Fertigung besitzen<br />
sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Wirklichkeit. Auch theoretisch<br />
ist die Bedingung „objektiv“ bestimmbarer Faktoren für den<br />
Unternehmenserfolg nicht haltbar.28<br />
Wenn es gelingt, die folgenden Anforderungen zu erfüllen, kann das prinzipielle<br />
Vorgehen bei der Erfolgsfaktorenforschung wertvolle Ergebnisse für<br />
das Management liefern. Der Vorteile der Methode liegt in der relativ einfachen<br />
Operationalisierung. Die Voraussetzungen im Einzelnen:<br />
- ein ganzheitliches Erfolgsmaß als Zielgröße<br />
- metasystemische Erfolgsmuster als Orientierungen<br />
- zirkuläre Ursache – Wirkungsketten auf allgemeiner Ebene<br />
- Eine multiversale Bewertung durch heterogene Personengruppen<br />
- Die Berücksichtigung von soft factors<br />
In der nachfolgend beschriebenen Studie haben wir die beschriebenen Erfolgsmuster<br />
„Best Patterns“ und die Erfolgsgröße „Vitalität“ operationalisiert.<br />
29<br />
Wenn Aussagen zu Erfolgsfaktoren getroffen werden und Auswahlentscheidungen<br />
anstehen, müssen zielorientierte Kriterien entwickelt und somit Unterscheidungen<br />
vorgenommen werden. Dabei ist das, was erfolgen soll,<br />
immer rein subjektiv zu bewerten. Auch die Kriterien, an denen der Erfolg<br />
gemessen wird, können individuell sehr differieren. Die Differenzierung der<br />
28 Vgl. z. B. P. M. Hejl, H. K. Stahl, 2001, S. 14ff.<br />
29 Beteiligt waren 80 teilweise namhafte Unternehmen unterscheidlicher Branchen und Größen. Z.B. Bayer,<br />
Hoesch, Ford, Henkel, Colonia, Gerling, Kaufhof, Otto Versand, Messe Düsseldorf, Messe Hamburg, Messe<br />
Hannover, Grey, Conrad & Bernett, Sat 1, WDR, o.tel.o, HEWI usw.<br />
20PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Unternehmen nach Erfolgserwartungen gestaltet sich schwierig. Bisherige<br />
konventionelle Untersuchungen innerhalb der Erfolgsfaktorenforschung<br />
beschränken sich auf die Abfrage monetärer Kennzahlen oder nehmen ausschließlich<br />
die erreichte Lebensdauer des Unternehmens als Grundlage.<br />
Trotz der Schwierigkeit der Differenzierung müssen allgemeine Kategorien<br />
des Erfolgs entworfen werden.<br />
Es genügt unseres Erachtens nicht, den Return of Investment (ROI) abzufragen,<br />
und damit die wesentliche Unterscheidung vorzunehmen. Der ROI ist<br />
das Produkt aus den Größen Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag, beschreibt<br />
letztlich die Kapitalrentabilität des Unternehmens und damit eine<br />
„klassische“ monetäre Kennzahl für den Unternehmenserfolg, basierend auf<br />
Vergangenheitswerten. Die zugrundeliegenden Größen Gewinn, Kapital und<br />
Umsatzerlöse vermitteln den Eindruck, objektiv meßbar zu sein und eindeutigen<br />
Charakter zu haben. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich,<br />
dass diese Größen sehr stark von subjektiven Einschätzungen abhängig sind<br />
und damit der Gefahr der Manipulierbarkeit und mangelnden Eindeutigkeit<br />
ausgesetzt sind. 30 Als (Formal-) Zielgröße besitzt der ROI zudem die Tendenz<br />
zur eher kurzfristigen Gewinnmaximierung. So können mittelfristig<br />
und insbesondere langfristig für die dauerhafte Gewinnsituation eines Unternehmens<br />
bedeutende Einflussgrößen ausgeblendet werden.<br />
Aussagekräftiger sind da schon Kriterien der Dauerhaftigkeit, wie sie die<br />
Gruppe um Arie de Geus 31 mit Untersuchungen zur Langlebigkeit von Unternehmen<br />
verwendet hat. Hier werden die gemeinsamen Eigenschaften von<br />
langlebigen Organisationen untersucht, wobei der Rahmen der „klassischen“<br />
Unternehmensziele und damit der „klassischen“ Erfolgsfaktorenforschung<br />
eindeutig verlassen wird. Die Langlebigkeit, als alleiniges<br />
Erfolgsmaß, erscheint uns jedoch ebenfalls nicht als hinreichendes Gütekri-<br />
30 Vgl. H. Steinmann/G. Schreyögg, 1997.<br />
31 A. de Geus, 1996.<br />
21PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
terium. Zudem ist dieses Erfolgsmaß kaum innerhalb der Unternehmensplanung<br />
zu operationalisieren.<br />
Wir schlagen die realistische Vision eines vitalen Unternehmens vor, in dem<br />
Erfolg nicht auf wenige Personen und Inhalte verkürzt wird.<br />
In der Studie „Das zukunftsfähige Unternehmen“ bezeichnen wir Unternehmen<br />
als erfolgreich, die eine ganzheitliche und zugleich langfristige<br />
Zielerfüllung für alle Stakeholder ermöglichen und die negativen externen<br />
Effekte minimieren. Wir haben das ROI-Konzept zum Response on Innovation<br />
(RoIn-Konzept) erweitert. Die Akteure - so kann man erwarten - wollen<br />
auf lange Sicht lukrative Engagements aufbauen, ihr Image positiv gestalten<br />
und vertrauensvolle soziale Sphären entwickeln. Diesen Zielgrößen stehen<br />
Inputs in Form von monetärem Investment und persönlichem Einsatz (Ideen,<br />
Engagements, Innovation) gegenüber.<br />
RoIn = Image, Money, Trust/ Investment, Engagement, Innovation<br />
Dieses Erfolgsmaß verbindet die Erkenntnisse aus der klassischen Erfolgsfaktorenforschung<br />
auf Basis monetärer Erfolgsgrößen mit den Erkenntnissen<br />
aus der ganzheitlichen Beobachtung langlebiger Unternehmen auf Basis<br />
eher „weicher“ Faktoren. Wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass hier<br />
nicht vergangene Erfolge betrachtet werden, sondern eine Zukunftserwartung<br />
abgefragt wird. Diese Einschätzung, die unterschiedliche Perspektiven<br />
der Stakeholders des Unternehmen integriert, beruht natürlich auch auf Erfahrungen<br />
und angesammeltem Wissen, bleibt jedoch nicht auf die Vergangenheit<br />
reduziert. Emotionale Aspekte und allgemeine Wertvorstellungen<br />
fließen in die Bewertung des Unternehmen oder besser des beobachtbaren<br />
Teilsystems ein. Dabei ist zu beachten, dass jeder Beobachter, beispielsweise<br />
Geschäftsführer, Mitarbeiter, Unternehmer, Externe, usw., unterschiedliche<br />
Teilsysteme beobachten und benennen kann. Erst durch die integrierte<br />
Betrachtung unterschiedlicher Perspektiven kann ein gemeinsames Bild<br />
entstehen.<br />
22PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Der RoIn kann mit Fragen zu den Erwartungen der Akteure näherungsweise<br />
eingeschätzt werden. Zumindest wird deutlich, welche relative Wertschätzung<br />
eine Unternehmung genießt.<br />
Beispiele hierfür sind:<br />
- Sie haben einen größeren Geldbetrag gewonnen. Wieviel Prozent davon<br />
würden Sie in Ihr Unternehmen auf 10 Jahre investieren? Gibt es ein anderes<br />
Unternehmen, in das Sie mehr investieren würden?<br />
- Wieviel Prozent Ihres persönlichen Engagements sind Sie bereit, in dieses<br />
Unternehmen zu investieren?<br />
In diesen Fragestellungen bündelt sich die ganzheitliche Bewertung und<br />
Zukunftseinschätzung des Unternehmens. Darüber hinaus wird der individuelle<br />
Einsatz oder Beitrag in Relation gesetzt.<br />
Zudem kann mit Metaphern gearbeitet werden:<br />
- Bitte charakterisieren Sie das Unternehmen als Person. Stellen Sie sich<br />
dabei vor, Sie treffen die Unternehmung als Freund oder Bekannten in<br />
einem Café.<br />
Diese Darstellung fördert weitere Einschätzungen zutage, die die Vitalität<br />
des Systems beschreiben.<br />
Zusammengefasst können folgende „Best Patterns“ als metasystemische<br />
Erfolgsmuster vitaler Unternehmen formuliert werden. Vitale Unternehmen<br />
- entwickeln im Dialog mit möglichst allen Stakeholdern erreichbare Unternehmensvisionen,<br />
- formulieren klare Unternehmensleitlinien und kommunizieren diese, um<br />
intern und extern identifizierbar zu sein und Identifikation auszulösen,<br />
- besitzen die Fähigkeit, sich in turbulenten Umfeldern zu orientieren und<br />
effektiv zu planen,<br />
- ermöglichen Verständigung und kooperative Lösungen, knüpfen vertrauensvolle<br />
interne und externe Kommunikationsbeziehungen,<br />
- zeichnen sich durch ein hohes Maß an Hierarchiefreiheit, Pluralität und<br />
Selbst-Organisation aus,<br />
23PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Wie würden Sie Ihre Unternehmung symbolisch (Bild, Metapher etc.) charakterisieren?<br />
(Max. drei Nennungen möglich)<br />
25,0<br />
20,0<br />
15,0<br />
in %<br />
10,0<br />
5,0<br />
0,0<br />
Familie Fluß Computer Maschine Acker<br />
Baum Garten Zeltlager Palast Pyramide Gehirn Kultur<br />
v00 15,4 4,3 1,7 7,7 4,3 22,2 6,0 7,7 7,7 0,0 6,0 6,0 8,5 2,6<br />
in %<br />
- schaffen langlebige Produkte und Dienstleistungen mit immateriellen<br />
Werten,<br />
- treffen durch ein hohes Maß an Partizipation effektive Entscheidungen,<br />
- begreifen Probleme als Anlässe zum Lernen und verbessern kontinuierlich<br />
ihre Lern- und Problemlösungsfähigkeit.<br />
Zwei Visualisierungsinstrumente haben sich in unseren Forschungen als<br />
sehr anschaulich erwiesen: Metaphern und Sprachbilder, die sich besonders<br />
zur Beschreibung des Lebensgefühls in Unternehmen eignen, sowie das<br />
Diagnose-Profil, in dem die Spielregeln Vitaler Systeme zusammengefasst<br />
sind. Die einzelnen Akteure können sich so über ihre Sichtweise verständigen<br />
und zudem entstehen weitere interessante Informationen für die Diagnose.<br />
Organismus<br />
Sonstiges<br />
Abbildung: Metaphorische Beschreibung des Unternehmens<br />
Die meisten Unternehmen sehen sich als Organismen oder Familie. Beide<br />
Nennungen haben uns nicht sehr überrascht. Die dynamische Komplexität<br />
24PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
bewirkt bei vielen Beobachtern den Eindruck, es handele sich um ein lebendiges<br />
System, das Organe neu bildet und andere verändert oder abstösst.<br />
Besonders die Unternehmen, die die meisten Erfolgsmuster erfüllten, beurteilten<br />
sich als organisch. In anderen Fällen zeigte sich eher ein ambivalentes<br />
Bild, in dem das eigene Unternehmen vorrangig als „Maschine“ oder<br />
„Pyramide“ bezeichnet wurde. Dies deutet eher auf eine problematische<br />
Situation innerhalb des Unternehmens hin. Kleinere Unternehmen - besonders<br />
aus dem Dienstleistungsfeld - sehen sich als Familie und zuweilen als<br />
Gehirn oder Computer. Das erinnert daran, dass die meisten Firmen (KMU)<br />
aus Familien entstanden sind und zumeist auch familiär geführt werden.<br />
„Gehirn“ und „Computer“ sind auch Metaphern die gerne von Beratungsunternehmen<br />
genannt wurden. Insgesamt überwiegen die eher fluiden und<br />
organischen Nennungen, was auf die Änderungs- und Entwicklungsfähigkeit<br />
hindeutet.<br />
Einen deutlichen Nachholbedarf brachte die Studie bei der Entwicklung<br />
zukunftsweisender innovativer Ansätze und zukunftsorientierter Planungsinstrumente<br />
zutage. Viele Unternehmen konzentrieren sich zwar sehr stark<br />
auf ihre Kernkompetenzen, vernachlässigen dabei jedoch stark die Visionsentwicklung<br />
und Zukunftsplanung (siehe Grafik, Ausprägungen: 0 = überhaupt<br />
nicht, 1 = in geringem Maße, 2 = mäßig, 3 = überwiegend, 4 = in<br />
hohem Maße, 5 = in sehr hohem Maße)<br />
25PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Beispielunternehmen A<br />
Unternehmensvisionen<br />
5<br />
Lernen<br />
4<br />
Unternehmensleitlinien<br />
2,94<br />
2,21<br />
3<br />
2<br />
2,82<br />
2,55<br />
2,73<br />
3,41<br />
1<br />
Entscheidung<br />
3,11<br />
2,31<br />
0<br />
2,52 3,33<br />
Orientierung und Planung<br />
Beispielunternehmen A<br />
Mittelwert<br />
3,43<br />
3,24<br />
2,23<br />
2,28<br />
3,42<br />
Gestaltung<br />
3,06<br />
Interaktion<br />
Organisation<br />
Abbildung: Diagnose-Profil der Zukunftsfähigkeit<br />
Zudem werden die Visionen größtenteils im Führungskreis und weniger in<br />
Rückkopplung mit den Mitarbeitern und weiteren Stakeholdern erarbeitet.<br />
So wird kreatives Potenzial verschenkt und die Akzeptanz zur Umsetzung<br />
innovativer Maßnahmen ist eher gering einzuschätzen.<br />
Die Abbildung zeigt die Durchschnittswerte der Gesamtstichprobe (80 Unternehmen<br />
aus unterschiedlichen Branchen) und Durchschnittswerte eines<br />
Beispielunternehmens. Aus dem Vergleich mit der Gesamtstichprobe lassen<br />
sich die Stärken und Schwächen des betrachteten Unternehmens erkennen<br />
und wirksame Ansatzpunkte zur verbessernden Veränderung ableiten.<br />
Bei dem Beispielunternehmen handelt es sich um ein Unternehmen, dass<br />
wir schon vor ca. acht Jahren in vergleichbarer Weise untersuchen durften.<br />
Insofern sind hier Aussagen über den Entwicklungsverlauf möglich. Zudem<br />
haben viele unterschiedliche Personen ihre Sichtweise geschildert. Ferner<br />
hatten wir seit mehreren Jahren einen guten Einblick in das Unternehmensgeschehen.<br />
Auf dieser Basis konnte neben der Diagnose der Ist-Situation<br />
26PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
aus Fremd- und Eigensicht eine zeitliche Perspektive integriert werden.<br />
Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich das Bild des Unternehmens in allen<br />
Belangen leicht verschlechtert hat. Schätzten die internen wie externen Akteure<br />
das Unternehmen vor Jahren als überdurchschnittlich zukunftsfähig<br />
ein, so ergibt sich nach den Ergebnissen dieser Studie ein anderes Bild. Lediglich<br />
im Bereich Gestaltung kann das betrachtete Unternehmen ein im<br />
Vergleich zur Gesamtstichprobe annähernd durchschnittlichen Wert erzielen.<br />
Nun kann sicherlich gesagt werden, dass die kritische Selbstbeobachtung<br />
und der Beginn von Lern- und Veränderungsprozessen zu einer<br />
vorsichtigen Einschätzung führen, wahrscheinlich wirken sich aber auch<br />
schon erste Frustrationen über verpasste Chancen oder die Trägheit der<br />
Wandlungsprozesse aus. Hier zeigt sich das Gefahrenpotenzial negativ attributierter<br />
zukünftiger Wirklichkeiten. Interessanterweise wurden unsere Erkenntnisse<br />
nicht angemessen berücksichtigt und gewürdigt. Die bereits 1994<br />
angebotenen Lösungswege wurden nicht beschritten. Stattdessen glaubte<br />
das Management, sich bei „kapitalistischen“ Beratungsfirmen 32 gute Unterstützung<br />
holen zu können. Diese Berater gingen klassisch konventionell vor,<br />
analysierten nochmals aufwendig nach ihren Schemata und verschärften mit<br />
ihren vehementen Interventionen die Probleme. Erst kürzlich wurde uns<br />
vom Management dieser Firma eingestanden, dass die Ergebnisse von 1994<br />
zutreffend gewesen seien und man jetzt die damals vorgeschlagene Politik<br />
wieder aufgreifen wolle.<br />
Gravierende Probleme können im Bereich Visionen und hier insbesondere<br />
in der fehlenden Inspiration, der internen und externen Kommunikation, der<br />
Entscheidung, der Partizipation und Delegation sowie im Bereich Lernen<br />
benannt werden.<br />
32 Das ist ein wörtliches Zitat des Geschäftsführers. Gemeint sind konventionelle Beratungsfirmen, die sich<br />
besonders auf hard factors berufen und den Eindruck von Kompetenz durch vehemente Maßnahmen und arrogantes<br />
Auftreten vermitteln wollen.<br />
27PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
Insgesamt zeichnet sich in fast allen Bereichen ein „schizoides“ Bild. Geschäftsleitung<br />
und führende Mitarbeiter beurteilen das Unternehmen höchst<br />
unterschiedlich.<br />
4. Anwendung im Management<br />
Im Folgenden stellen wir ein Managementmodell vor, das auf dem vorher<br />
skizzierten Konzept der „Best Patterns“ basiert. Als Entwicklungsbasis dient<br />
uns die Balanced Scorecard, ein in den letzten Jahren im Management häufig<br />
angewendetes Managementwerkzeug.<br />
4.1 Balanced Strategy Management<br />
Angemessen bewertet und gesteuert wird ein soziales System mittels der<br />
von uns modifizierten balanced scorecard (balanced strategy management).<br />
Einzelinteressen werden dem Systemziel „Aufrechterhaltung der Vi<br />
Identität<br />
Ökologie<br />
Visionen<br />
Rahmen<br />
Orientierung<br />
Multiple<br />
Realitäten<br />
Soft<br />
Factors<br />
Kommunikation<br />
Empathie<br />
Immaterialisierung<br />
Langlebigkeit<br />
Verständigung<br />
Kooperation<br />
Struktur Prozess Produkt<br />
Kreisläufe<br />
Koevolution<br />
Dezentralität<br />
Reversibilität<br />
Wissenssystematisierung<br />
Selbstorganisation<br />
Hierarchiefreiheit<br />
Partizipation<br />
Initiative<br />
Lösungsorientierung<br />
Beobachtung<br />
2. Ordnung<br />
Reduktion<br />
Lernen<br />
Früherkennung<br />
Mustererkennung<br />
Veränderung<br />
Synrefernzen<br />
Reflexion<br />
Beziehung<br />
Organisation<br />
Wissen<br />
Finanzen<br />
28PAGE
Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
talität“ untergeordnet. Alle Stakeholder werden in die Entwicklung und<br />
Anwendung des Modells eingebunden. Die Kriterien ergeben sich aus den<br />
Best Patterns. 33<br />
Abbildung: Zusammenhang zwischen dem Best Patterns Konzept und<br />
dem Balanced Strategy Management<br />
Im Balanced Strategy Management kommt die ganzheitliche und rekursive<br />
Bewertung und Planung von Strategien zum Ausdruck. Die Best Patterns<br />
dienen als Grundlage und werden in Dialogen der verschiedenen Stakeholder<br />
zu einem gemeinsamen Bild zusammengefügt.<br />
Die Integration aller relevanten Stakeholder hat gerade in systemischer Hinsicht<br />
große Bedeutung, da hier Realität aus verschiedenen Perspektiven beschrieben<br />
wird. Die einzelnen Stakeholder (Kunden, Lieferanten,<br />
Mitarbeiter, Manager, Unternehmer und sonstige Anspruchsträger) bringen<br />
ihre spezielle Sichtweise bezüglich der folgenden Bereiche in einen Dialog<br />
ein und versuchen den Ausgleich der Interessen. Diese gegenseitige und<br />
gleichberechtigte Bewertung muss als wesentliche Komponente integriert<br />
werden, um einer einseitigen Bewertung und Trivialattribution zu entgehen.<br />
Die folgenden Dimensionen (Performances) werden jeweils aus der Sicht<br />
der unterschiedlichen Stakeholder bewertet:34<br />
- Die „finanzwirtschaftliche Perspektive“ (Finanzen) mit der cash - flow<br />
und Rentabilitäts-Betrachtung, die als Ergebnis- und Ressourcenbereich<br />
geleichermaßen zu betrachten ist.<br />
- Die Überprüfung des Beitrags zur Identität (Identität) als Auspendlung<br />
der öffnenden Visionen (Philosophie, Kultur) und der Rahmensetzung<br />
(Regeln, Strategien, Grenzen).<br />
33 Vgl. G. Bergmann, 1999 und G. Bergmann, G. Meurer, 2001.<br />
34 Vgl. Modell von Kaplan und Norton zur Balanced Scorecard. Wir haben dieses Modell aus systemischer<br />
Perpektive erweitert und verändert. Vgl. G. Bergmann u.a. 2001b.<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
- Die Diagnose der Wissensperspektive (Wissen), das heißt der Entwicklungs-<br />
und Lernprozesse, der Stärke der Kernkompetenzen (Domänen)<br />
und der Kreativität.<br />
- Die Organisations-Perspektive (Organisation) mit der Klärung der internen<br />
Leistungsprozesse und Organisationsstrukturen.<br />
- Die Beziehungs-Perspektive (Beziehung) dient der Überprüfung der<br />
Bindungsintensität und –qualität sowie der Kommunikationsfähigkeit<br />
intern und extern (besonders bezogen auf Mitarbeiter und Kunden).<br />
- Die ökologische Perspektive (Ökologie) beinhaltet Fragen der Ressourcennutzung,<br />
des Arbeitsklimas (Atmosphäre) und der Gesundheit.<br />
Die Bereiche werden aus der Sicht der unterschiedlichen Akteure (Stakeholders)<br />
bewertet und interaktiv in Balance gebracht. Es bieten sich ganzheitliche<br />
Indikatoren zur strategischen Steuerung komplexer sozialer<br />
Systeme.<br />
Jeweils wird überprüft, ob die notwendigen Kenntnisse und Ressourcen<br />
vorhanden oder beschaffbar sind und inwieweit spezielle Beiträge durch die<br />
zu bewertende Strategie zu erwarten sind.<br />
Konsequenzen haben diese Betrachtungen auf alle weiteren Unternehmensstrategien,<br />
wie Investitionsentscheidungen, Personalentwicklung usw. Bisher<br />
werden in erster Linie Tätigkeiten und Produkte statisch, vorwiegend<br />
quantitativ und aus einer Sichtweise bewertet, und damit wesentliche (insbesondere<br />
psycho-soziale) Aspekte verdrängt und ausgeblendet. In dem hier<br />
skizzierten Modell werden ungenaue Bewegungsdaten und bestenfalls auch<br />
die nicht sachlichen, emotionalen, intuitiven und instinktiven Aspekte berücksichtigt.<br />
So wird jedes Projekt, jede Investition, aber auch die Performance<br />
jedes Akteurs aus den Sichtweisen der verschiedenen Stakeholder<br />
bezogen auf die einzelnen Scorecard Kriterien bewertet.<br />
Die interpretative Betrachtungsweise, die weiche Faktoren durch qualitative,<br />
wertende Vorgehensweisen messen, gewinnt an Bedeutung. Controlling<br />
wird mehr die qualitativen Elemente integrieren und weniger Ergebnisse als<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
vielmehr Prozesse, mehr das „Wie“ als das „Was“ beachten. Ausgangspunkt<br />
sind die Kunden und deren Bedürfnisse. Es sind die Kommunikationsprozesse<br />
und die Kultur des Umgangs zu prüfen und zu fördern. Die gemeinsam<br />
vereinbarten Ziele und Vorgaben müssen konsistent, einfach und<br />
wandlungsfähig sein. Die Selbstverantwortung entlastet vom Kontrollaufwand<br />
und stärkt die Organisation umfassend.<br />
Identität<br />
Wissen<br />
Ökologie<br />
Balance<br />
Organisation<br />
Finanzen<br />
Beziehung<br />
Abbildung: Die Perspektiven des Balanced Strategy Management<br />
4.2 Prozess des Balanced Strategy Management<br />
Das Balanced Strategy Management bietet seine Vorteile nur, wenn die<br />
Bewertungsgrößen und die Bewertung selbst interaktiv in Dialogen festgelegt<br />
und durchgeführt werden. Partizipation erzeugt Erkenntnisse und Engagement.<br />
Alle Akteure, die bewerten, werden auch von denen bewertet, die<br />
sie bewerten. Es ist gewährleistet, dass alle Perspektiven und Geltungsansprüche<br />
integriert werden und keine einseitigen Sichtweisen auftauchen.<br />
Das System gewinnt mehr Erkenntnisse und fördert das Engagement aller<br />
Beteiligten. Auch egozentrische Verhaltensweisen, die nicht der Weiterentwicklung<br />
des Systems genügen, werden sichtbarer. Der Blick richtet sich<br />
auf Wege in die Zukunft, auf den Unternehmenswert in einigen Jahren, eben<br />
die ganzheitliche Erfolgsposition. Handlungsweisen und Projekte werden<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
bezüglich ihres Beitrages zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems bewertbar.<br />
In der Balanced Scorecard Diskussion wird häufig eine Auseinandersetzung<br />
über die „richtigen“ Kriterien geführt. Die objektiv richtigen Bewertungsmaßstäbe<br />
kann es aber kaum geben, wenn man von unterschiedlichen Erlebniswirklichkeiten<br />
ausgeht. Besondere Bedeutung erfahren die<br />
Einführungs- und Anwendungsbedingungen. Es sollten die Chancen einer<br />
partizipativen und wechselseitigen Verwirklichung genutzt werden. Es bietet<br />
sich hierzu an, ein erfolgreiches Prozesssdesign wie den Solution Cycle<br />
zu nutzen. Bei der Anwendung erscheint es sinnvoll die Grundhaltung des<br />
gleichberechtigten Dialogs zu sichern. Alle Beteiligten sollten den Eindruck<br />
gewinnen können, dass die Ergebnisse und Vorgehensweisen so gestaltet<br />
werden, dass ihre Belange und Geltungsansprüche berücksichtigt werden. 35<br />
Begonnen wird mit dem Erkennen und austauschen verschiedener Sichtweisen<br />
und Wirklichkeiten im Dialog. Dann wird versucht die verschiedenen<br />
„Bilder“ zu einem zu formen. Es ist zum Beispiel wichtig, einen Hauptansatzpunkt<br />
zur Einführung des Systems zu gewinnen. Auch ist gemeinsam<br />
eine Vision zu entwickeln.<br />
Auf dieser Basis können Ideen zur Verwirklichung des Modells kreiert werden.<br />
Es folgt die Priorisierung und Planung der Einführung und die Realisation<br />
an einem überschaubaren Beispiel. Hier lauert die sogenannte Implementierungsfalle.<br />
Die Pläne und Strategien werden nicht umgesetzt. Oft wird das<br />
auf zu ungenaue Planung zurückgeführt. Wir denken, dass gerade die mangelnde<br />
Einbindung zuwenig Interesse (lat. dazwischen-sein) erzeugt. Wenn<br />
alle Stakeholder beteiligt wurden und keine einseitigen Machteingriffe des<br />
Top Management erfolgten, ist es hoch wahrscheinlich, dass mit der Einführung<br />
großes Engagement ausgelöst wird und die Erkenntnisse des Gesamtsystems<br />
deutlich erweitert wurden.<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
4.3 Balanced Knowledge Management<br />
Dann kann das Projekt reflektiert werden, um daraus zu lernen. Es geht hier<br />
um die Ermöglichung eines effektiven Wissenmanagements (Knowledge<br />
Management). Es gilt, den Rahmen zu schaffen, in dem individuelles Wissen<br />
hoch wahrscheinlich weitergegeben und damit nutzbar wird.<br />
Auch jede weitere Bewertung und Steuerung über die Balanced Scorecard<br />
sollte sinnvollerweise diesem Prozessdesign folgen. Rekursiv und wechselseitig<br />
werden die Bewertungen vorgenommen. Alle Beteiligten unterstützen,<br />
steuern und informieren sich gegenseitig. Der in den Projekten und Aktivitäten<br />
gewonnene Wissenszuwachs wird schließlich dem Knowledge Systemen<br />
zugeführt. Jede Erfahrung bietet eine Chance, etwas zu lernen.<br />
In unserem Modell der BSC werden im Bereich Lernen und Entwicklung<br />
(Knowledge) die Best Patterns geordnet und den verschiedenen Bewertungsdimensionen<br />
zugeführt. Entlang der BSC Kriterien vereinbaren alle<br />
Akteure, kurze Berichte zu schreiben, in denen die gemeinsamen Erfahrungen<br />
in Bezug auf die Dimensionen niedergelegt werden. Ein Projekt gilt erst<br />
dann als abgeschlossen, wenn diese „Mikroartikel“ in das gemeinsame Wissens-<br />
und Lernsystem eingeben wurden. Was hatte das Projekt für eine<br />
Lernwirkung? Wie rentabel war es? Welcher Beitrag wurde für die Effektivität<br />
geleistet? Wie wurden die Kundenbeziehungen verbessert?<br />
Die Würdigung aller Beteiligten und eine rituelle Beendigung sind wichtig,<br />
um Energie für das nächste eventuell erweiterte Projekt zu mobilisieren.<br />
5. Fazit<br />
In einer kurzatmigen turbulenten Welt, erscheint eine auf Dauerhaftigkeit<br />
ausgerichtete Unternehmensentwicklung fast unmöglich. Es existieren jedoch<br />
sehr vitale Unternehmen zum Teil über Jahrhunderte. Wir haben untersucht,<br />
welche strategischen, strukturellen Ähnlichkeiten diese sozialen<br />
Systeme aus der Sicht unterschiedlicher Beobachter aufweisen. Diese meta-<br />
35 Vgl. zur Entscheidungsfindung im Dialog besonders G. Bergmann, 2001.<br />
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Erschienen in G. Rusch (Hg.): Konstruktivismus im Management, Metropolitan 2006<br />
systemischen Muster nennen wir Best Patterns und versuchen, diese für die<br />
Unternehmenssteuerung nutzbar zu machen. Eine Integration dieser Orientierungsgrößen<br />
in den praktischen Steuerungssystemen ermöglicht ein ausgewogenes<br />
und wirksames Management.<br />
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