download (PDF, 20,4 KB) - Fachgebiet Energiesysteme - TU Berlin
download (PDF, 20,4 KB) - Fachgebiet Energiesysteme - TU Berlin
download (PDF, 20,4 KB) - Fachgebiet Energiesysteme - TU Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
HyFLEET:CUTE – Wasserstoffbusse im <strong>Berlin</strong>er Personennahverkehr<br />
Burkhard Eberwein / Georg Erdmann / Henning Niemeyer<br />
Weltweit einmalig sind die Aktivitäten, die in zehn Metropolen, darunter <strong>Berlin</strong>, als EU-<br />
Projekt gestartet wurden, um mit dem Einsatz von Wasserstoffbussen die<br />
Nachhaltigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs und damit die innerstädtische<br />
Mobilität in Zeiten von Ressourcenverknappung und Klimawandel sicherzustellen.<br />
Das von der EU-Kommission geförderte Projekt HyFLEET: CUTE umfasst den Betrieb von<br />
47 Wasserstoffbussen im regulären öffentlichen Nahverkehr in zehn Städten auf drei<br />
Kontinenten. Das Ziel des dreijährigen Projekts ist die Entwicklung und Demonstration der<br />
Vorteile von Wasserstoffantriebskonzepten für Stadtbusse sowie von Technologien und<br />
Verfahren für die Produktion und Abgabe von Wasserstoff. Auf europäischer Ebene<br />
kooperieren 31 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft, darunter auch die <strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Die wichtigsten in <strong>Berlin</strong> beteiligten Unternehmen sind neben unserer Universität die <strong>Berlin</strong>er<br />
Verkehrsbetriebe BVG, MAN-Neoman, Total Deutschland und die Vattenfall Europe.<br />
Die Aufgaben der <strong>Berlin</strong>er Projektpartner umfassen den Aufbau einer leistungsfähigen<br />
Wasserstofftankstelle sowie den regulären Einsatz von insgesamt 14 mit Wasserstoff<br />
betriebenen Omnibussen im öffentlichen Nahverkehr der Stadt <strong>Berlin</strong>. Die <strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong> ist mit<br />
einer Konzeptstudie für DME-Wasserstofferzeugung (aus Dimethylether), Brennstoffzellen-<br />
Messprogrammen, deren Auswertung sowie einem sozialwissenschaftlichen<br />
Akzeptanzprojekt beteiligt.<br />
Wasserstoff tanken<br />
Bereits kurz nach dem Start des ambitionierten Projekts wurde im März <strong>20</strong>06 die von der<br />
TOTAL Deutschland betriebene Wasserstofftankstelle an der Heerstraße in <strong>Berlin</strong>-Spandau<br />
eröffnet. Der Wasserstoff wird hier sowohl tiefkalt-flüssig als auch als Druckgas (CGH 2 ) für<br />
Betankungen bis 350 bar bereitgestellt. Die Anlieferung von Flüssigwasserstoff (LH 2 ) erfolgt<br />
mit Tankfahrzeugen aus Ingolstadt. Die H 2 -Betankungseinrichtungen verfügen jeweils über<br />
Zapfsäulen für flüssigen und gasförmigen Wasserstoff im öffentlichen Teil der Tankstelle<br />
sowie auf dem angrenzenden BVG-Betriebshof. Damit ist die Möglichkeit gegeben, sowohl<br />
PKW im öffentlichen Bereich als auch Busse der <strong>Berlin</strong>er Verkehrsbetriebe auf deren eigenen<br />
Betriebshof zu betanken.<br />
Der Wasserstoff wird vor Ort durch die Reformierung von LPG (Liquefied Petroleum Gas =<br />
Autogas) erzeugt. Ein Dampfreformer produziert mit einer Erzeugungsleistung von 100m³/h<br />
durch thermische Spaltung von LPG Wasserstoff von so hoher Reinheit, dass dieser auch in<br />
Brennstoffzellen eingesetzt werden kann.<br />
Daneben kann CGH 2 durch Verdampfung von LH 2 erzeugt werden. Der Flüssigwasserstoff,<br />
welcher bei 2 bar in einem 17.600 l fassenden Tank gelagert wird, wird über einen<br />
luftbeheizten Verdampfer in die Gasphase überführt und einem Vorverdichter, der zwischen<br />
Verdampfer und High-Booster-Verdichter installiert ist, zugeführt. Hier wird mittels eines<br />
Kreiselverdichters der Druck auf ca. 25 bar erhöht, ehe das Gas an den Hauptverdichter<br />
weitergeführt wird.<br />
Sobald die Wasserstoffnachfrage die Reformerkapazität übersteigt, können beide<br />
Erzeugungspfade parallel beschritten werden. Die Anlagensteuerung ist so gestaltet, dass<br />
Abdampfungen im LH 2 -Tank dem Vorverdichter zugeführt werden. Die Anlage kann hiermit<br />
nahezu verlustfrei arbeiten.<br />
Zusätzlich hat TOTAL gemeinsam mit Vattenfall Europe zwei Brennstoffzellen installiert, die<br />
aus überschüssigen Abdampfungen elektrischen Strom und Wärme für den Tankstellenshop<br />
erzeugen. Die elektrische Leistung der Brennstoffzellen beträgt jeweils 5 kW. Die
Brennstoffzelle des Herstellers Axane ist luftgekühlt und wird nur zur Stromerzeugung<br />
genutzt während die Brennstoffzelle des Herstellers EPS wassergekühlt ist und neben<br />
elektrischem Strom auch Wärme bereitstellt.<br />
Für größere Busflotten stößt aber die verfügbare Technik schnell an ihre Leistungsgrenze, so<br />
dass die Installation eines innovativen Ionenverdichters in <strong>20</strong>07 geplant ist. Dieser Verdichter<br />
arbeitet ähnlich einem Kolbenverdichter, nutzt aber anstelle des Kolbens eine ionische<br />
Flüssigkeit zur Trennung von Hydraulikflüssigkeit und Wasserstoff. Die Vorteile sind ein<br />
deutlich gesenkter Reibungsverlust im Verdichter und eine damit einhergehende deutliche<br />
Leistungserhöhung. Aufgrund der geringeren mechanischen Belastungen wird von einer<br />
höheren Zuverlässigkeit dieser Technologie ausgegangen.<br />
Mit Wasserstoff fahren<br />
Die von Neoman im Rahmen des Projekts aufgebaute Busflotte setzt sich aus vier Bussen mit<br />
Saugmotorantrieb und zehn mit aufgeladenen Turbo-Motoren zusammen. Die grundlegende<br />
Funktionsweise der MAN-Wasserstoffverbrennungsmotoren entspricht weitgehend den<br />
bewährten Erdgasmotoren. Obwohl Wasserstoff keine Kohlenstoffatome enthält emittiert der<br />
Motor Kohlenwasserstoffverbindungen, Kohlenmonoxid, Stickoxide und Partikel in sehr<br />
geringem Maße. Diese Mengen sind auf den beim Verbrennungsmotor unvermeidlichen<br />
Ölverbrauch sowie die Verbrennung mit der Umgebungsluft zurückzuführen.<br />
Die Abgasemissionen des Wasserstoffmotors liegen weit unterhalb der ab <strong>20</strong>08 geltenden<br />
Euro-5-Norm und erfüllen damit bereits heute zukünftige Abgasstandards.<br />
Der Saugmotor leistet 150 kW, der Turbomotor <strong>20</strong>0 kW. Bei den bereits im Einsatz<br />
befindlichen vier Omnibussen sind die wasserstoffrelevanten Ventile im Motorraum<br />
untergebracht. Dazu gehört ein Hochdruckregler, der hinter einem Magnetsperrventil<br />
angeordnet ist, und den Wasserstoff vom maximalen Tankspeicherdruck von 350 bar auf 5,5<br />
bar entspannt.<br />
Anschließend folgt ein Niederdruck-Sicherheitsventil, das bei 10 bar Überdruck öffnet und<br />
das Gas über eine Rohrleitung über dem Fahrzeugdach ins Freie ableitet. Dadurch wird<br />
verhindert, dass bei einem fehlerhaft arbeitenden Hochdruckregler Beschädigungen am<br />
Niederdruckteil auftreten.<br />
Der für den Betrieb des Wasserstoffverbrennungsmotors benötigte gasförmige Wasserstoff<br />
wird in zehn auf dem Dach des Busses montierten Druckbehältern mit jeweils <strong>20</strong>5 Litern<br />
Fassungsvermögen gespeichert. Der maximale Betriebsdruck beträgt 350 bar bei einer<br />
Nenntemperatur von 15 °C, die Gasamtkapazität beträgt 2.050 l (= rd. 45 kg) Wasserstoff.<br />
Die zugehörige Betankungseinheit ist zentral unter einer Klappe neben der vorderen Tür<br />
angebracht. Nachdem der Befüllungsstutzen auf den Füllanschluss aufgesetzt und der<br />
Absperrhahn zum Speichersystem geöffnet wurde, kann der Wasserstoff in die Druckbehälter<br />
strömen. Der Befüllzustand kann über ein zugehöriges Manometer kontrolliert werden.<br />
Zur Instandsetzung der Busse dient eine speziell für die Wasserstoffbusse konzipierte<br />
Werkstatt. Die dort durchzuführenden Wartungsarbeiten werden grundsätzlich unterschieden<br />
in Arbeiten am Gassystem und sonstigen Arbeiten. Nur bei Schweißarbeiten wird das<br />
Gassystem zusätzlich inertisiert, die Anlage von Wasserstoff entleert und mit Stickstoff<br />
gespült.<br />
Bei sonstigen Wartungsarbeiten werden keine Vorkehrungen getroffen, da mit gasförmigem<br />
Wasserstoff betriebene Omnibusse als betriebsmäßig dichtes System gelten. Für das<br />
Werkstattpersonal wird durch Hinweis-, Verbots- und Gefahrenschilder im Bereich der<br />
allgemeinen Anlagentechnik auf die einschlägigen Gefahren im Umgang mit brennbaren<br />
Gasen hingewiesen. Sollte im Havariefall Wasserstoff austreten, spricht das Schutzkonzept<br />
der Gebäudetechnik über die Wasserstoffsensorik an. Die Reparaturhalle wird kontinuierlich,<br />
auch zu Nachtzeiten, durch eine Be- und Entlüftungsanlage einer natürlichen dreifachen<br />
Luftwechselrate je Stunde unterzogen. Der Steuerung der Lüftungsanlage vorgeschaltet, sind
in der Halle befindliche Gassensoren, die bei erhöhter Wasserstoffkonzentration (80 Prozent<br />
unter Explosionsschwellenwert) das Signal zu einer Erhöhung der Luftwechselrate auf den<br />
fünffachen Faktor je Stunde anheben. Somit wird dem Entstehen einer explosionsfähigen<br />
Atmosphäre entgegengewirkt.<br />
Akzeptanz von Wasserstoffbussen<br />
Für die Betreiber von Wasserstoffbussen ist die Akzeptanz der Kunden natürlich von zentraler<br />
Bedeutung. Die allgemeine Akzeptanz von Wasserstofftechnologien in der Bevölkerung ist<br />
für eine zukünftige Nutzung entscheidend. Nur wenige Experten verfügen über ein<br />
grundlegendes Verständnis zu Wasserstofftechnologien und können entsprechend die mit<br />
dieser Innovation verbundenen Technikfolgen beurteilen. Demgegenüber hat die<br />
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ein nur begrenztes Wissen über Wasserstoff-<br />
Techniken. Zwar haben derzeit nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung negative Assoziationen<br />
mit Wasserstoff, doch kann sich aus dem fehlenden Wissen leicht eine gefühlsmäßige und<br />
irrationale Beurteilung der Sicherheit und Verlässlichkeit entsprechender Technologien<br />
entwickeln.<br />
Ein Forschungsteam der <strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong> hat sich deshalb in einer bereits abgeschlossenen<br />
Untersuchung gezielt der Frage zugewendet, welche Faktoren die Einstellungsdynamik der<br />
Bevölkerung beeinflussen. Im empirischen Teil der Studie wurden rund 3.400 Personen in<br />
acht HYFLEET:CUTE-Städten aus sechs Ländern befragt und die Ergebnisse in eine<br />
Datenbank abgelegt. Bei der Auswertung dieser Datensätze stellte sich heraus, dass es neben<br />
Personen mit bereits weitgehend stabilen Einstellungen gegenüber dem Energieträger<br />
Wasserstoff auch etwa 30 Prozent von Befragten gibt, die ihre heute zumeist positive<br />
Einstellung durch extreme Ereignisse, beispielsweise Störfälle, plötzlich ändern könnten. Im<br />
Rahmen der Untersuchung wurden soziale, ökonomische und kulturelle Merkmale dieser<br />
Personengruppe identifiziert. Außerdem ist untersucht worden, wie sich dieser Personenkreis<br />
insgesamt politisch informiert und welche Medien dabei besonders wichtig sind.<br />
Messprogramm zur Kalibrierung<br />
Das inzwischen begonnene Messprogramm der stationären Brennstoffzellen-Aggregate dient<br />
dem Ziel, ein an der <strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong> entwickeltes Modell über den Markteintritt von<br />
Brennstoffzellen-Heizgeräten zu kalibrieren. Im Zentrum stehen das wirtschaftliche Potenzial<br />
von stationären Brennstoffzellen sowie die Auswirkungen der Marktpenetration dieser<br />
Technik auf die Elektrizitäts- und Wärmemärkte. Dabei geht es nicht nur um die klassischen<br />
Fragen der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Umweltbilanzen, sondern auch darum,<br />
Akteure zu identifizieren, die aus dieser innovativen KWK-Technik (Kraft-Wärme-Kopplung)<br />
einen so großen Vorteil erwarten können, dass sie sich für die Markteinführung einsetzen<br />
werden, wenn der Zeitpunkt der Marktreife gekommen ist.<br />
Die von der <strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong> übernommenen Arbeiten im Rahmen dieses weltweit einzigartigen<br />
Projekts werden vom <strong>Fachgebiet</strong> <strong>Energiesysteme</strong> der Fakultät III mit großem Engagement<br />
durchgeführt. Besonders hervorzuheben ist aber neben der wissenschaftlichen Bedeutung des<br />
HYFLEET:CUTE-Projekts auch die hervorragende Zusammenarbeit der <strong>Berlin</strong>er Partnern.<br />
Burkhard Eberwein<br />
<strong>Berlin</strong>er Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
burkhard.eberwein@bvg.de<br />
Prof. Dr. Georg Erdmann<br />
Dipl.-Ing. Boris Heinz<br />
<strong>TU</strong> <strong>Berlin</strong>
Institut für Energietechnik – FG <strong>Energiesysteme</strong><br />
Einsteinufer 25, 10587 <strong>Berlin</strong><br />
georg.erdmann@tu-berlin.de<br />
http://www2.tu-berlin.de/~energiesysteme/<br />
Henning Niemeyer<br />
MVV Consulting GmbH, <strong>Berlin</strong><br />
h.niemeyer@consultants.mvv.de<br />
Abbildungen:<br />
Wasserstoffbusse in <strong>Berlin</strong>.<br />
Die weltweit größte Wasserstofftankstelle wurde im März <strong>20</strong>06 in <strong>Berlin</strong>-Spandau in Betrieb<br />
genommen.<br />
Fotos: BVG