diagnostik + therapie - Frauenarzt
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DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
TUBENSTERILISATION<br />
Schwangerschaften nach laparoskopischer<br />
bipolarer Tubensterilisation<br />
Ergebnisse einer retrospektiven Pilotstudie an zwei Laparoskopiezentren<br />
K. Kolmorgen 1 , R. Lueken 2 , A. Pfeiffer 1<br />
Trotz verbesserter Möglichkeiten der Langzeitkontrazeptiva<br />
besteht bei vielen Frauen mit abgeschlossener Reproduktion<br />
der Wunsch nach einer Sterilisation – etwa 50.000 bis 60.000<br />
solche Eingriffe werden pro Jahr in Deutschland vorgenommen.<br />
Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der laparoskopischen<br />
Tubensterilisation ist die nach der Versagerquote,<br />
die wahrscheinlich deutlich höher angesetzt werden muss als<br />
bisher, wie die im Folgenden beschriebene Pilotstudie andeutet.<br />
Nach der letzten gesamtdeutschen<br />
Pelviskopieerhebung (1994–1998)<br />
wurden an 282 Kliniken 67.975 Sterilisationen<br />
ausgeführt (1). Im Komplikationsregister<br />
der AGE wurden<br />
1999 und 2000 insgesamt 42.658 Laparoskopien<br />
aus 42 bzw. 41 Kliniken<br />
oder Tageskliniken erfasst. Davon<br />
entfielen 7.060 (16,6 %) auf laparoskopische<br />
Sterilisationen (9).<br />
1<br />
Klinik für Geburtshilfe und<br />
Gynäkologie, Klinikum Südstadt<br />
Rostock<br />
2<br />
Tagesklinik Altonaer Straße,<br />
Hamburg<br />
Hirsch und Mitarbeiter (2) gaben<br />
1983 über einen Beobachtungszeitraum<br />
von acht Jahren bei 6.885 Patientinnen<br />
eine Schwangerschaftsrate<br />
von 2,3 pro 1.000 an. 1987 veröffentlichten<br />
Stoz und Mitarbeiter (10)<br />
eine Versagerquote von 0,34 % bei<br />
1.771 Sterilisationen mit einem<br />
Nachuntersuchungszeitraum von vier<br />
bis 14 Jahren. Angaben zur Versagerquote<br />
der letzten Jahre in Deutschland<br />
wurden überwiegend den Pelviskopiestatistiken<br />
von Riedel und Mitarbeitern<br />
entnommen, die durch retrospektive<br />
Befragungen der einzelnen<br />
Kliniken und Belegabteilungen entstanden<br />
(8). Bei der vorletzten Studie<br />
(1989–1993) lag die Rate der Sterilisationsversager<br />
in den Kliniken bei<br />
1,6 ‰ und in den Belegabteilungen<br />
bei 3,3 ‰ und entsprach damit weitestgehend<br />
den Angaben der Vorjahre.<br />
Nach der letzten Statistik von<br />
1994 bis 1998 wurde mit 2,58 ‰ für<br />
Kliniken und 4,18 ‰ für Belegabteilungen<br />
erstmals eine etwas höhere<br />
Versagerquote angegeben.<br />
Gegenüber diesen relativ geringen<br />
Versagerquoten im Promillebereich<br />
ermittelten Petersen et al. (6) 1996<br />
in der US-amerikanischen CREST-Studie<br />
– einer multizentrischen, prospektiven<br />
Kohortenstudie – eine kumulative<br />
Zehnjahres-Wahrscheinlichkeit<br />
eines Sterilisationsversagens<br />
von 2,48 %.<br />
Diese großen Unterschiede in den<br />
Häufigkeitsangaben der Gesamtversager<br />
nach einer Tubensterilisation,<br />
die selbstverständlich noch methoden-<br />
und altersabhängig zu sehen<br />
sind und bei denen auch zwischen<br />
intra- und extrauterinen Versagerschwangerschaften<br />
zu differenzieren<br />
ist, führten in der letzten Zeit zu einer<br />
erheblichen Verunsicherung, insbesondere<br />
bei der Aufklärung von Patientinnen<br />
über die Versagerhäufigkeit<br />
und bei der Beantwortung forensischer<br />
Fragen im Zusammenhang<br />
mit Schwangerschaften nach einer<br />
Sterilisation.<br />
Wünschenswerte prospektive Daten<br />
zur Versagerquote nach Tubensterilisation<br />
ähnlich den amerikanischen<br />
Erhebungen von Petersen liegen in<br />
Deutschland nicht vor. Aus diesem<br />
Grunde wurde eine retrospektive Pilotstudie<br />
bei Patientinnen, die in der<br />
Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie<br />
im Klinikum Südstadt Rostock<br />
und in der Tagesklinik Altonaer Straße<br />
in Hamburg sterilisiert wurden,<br />
gestartet und ausgewertet.<br />
Material und Methode<br />
In beiden endoskopischen Zentren<br />
bestehen hinsichtlich der operativen<br />
Erfahrung und der angewandten Sterilisationsmethoden<br />
vergleichbare<br />
Verhältnisse. Ausgewertet wurden<br />
nur bipolare Tubenkoagulationen, die<br />
zwei- bis dreimal überlappend im<br />
proximalen Tubendrittel jeweils mit<br />
einer Leistung von 20–30 Watt über<br />
5–10 Sekunden ohne zusätzliche<br />
Durchtrennung in Vollnarkose vorgenommen<br />
wurden. Im Klinikum Südstadt<br />
Rostock wurden alle Sterilisationen<br />
von erfahrenen Fach- bzw.<br />
Oberärzten oder Ärzten in Weiterbildung<br />
unter fachärztlicher Anleitung<br />
und in der Tagesklinik Hamburg nur<br />
von erfahrenen Fachärzten ausgeführt.<br />
Um auch Spätversager zu erfassen,<br />
sollte der Nachbeobachtungszeitraum<br />
möglichst zehn Jahre betragen.<br />
Unter Einhaltung dieses Zeitraumes<br />
konnten in Rostock 900 Krankenblätter<br />
und Krankenblattunterlagen<br />
von Patientinnen gesichtet werden,<br />
die von November 1985 bis März<br />
1991 nach der oben genannten Methode<br />
sterilisiert worden waren. Ob-<br />
674<br />
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 6
Versager nach bipolarer Tubensterilisation – Rostock<br />
Alter bei Zeitabstand Art Ausgang<br />
Sterilisation zur Sterilisation der<br />
der<br />
Fall (Jahre) (Monate) Gravidität Gravidität<br />
1 38 2 intrauterin Abruptio<br />
2 35 17 intrauterin Abruptio<br />
3 36 6 Tubargravidität Salpingektomie<br />
rechts<br />
rechts und<br />
Adnexexstirpation<br />
links (Kystom)<br />
4 37 19 Tubargravidität Salpingektomie<br />
rechts<br />
bds.<br />
Tab. 1: In der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinikum Südstadt Rostock, kam es<br />
unter 254 Fällen nach bipolarer Tubensterilisation zu vier Sterilisationsversagern (1,57 %).<br />
wohl das Rostocker Melderegister zur<br />
Hilfe genommen wurde, konnten nur<br />
für 331 (37 %) dieser Patientinnen<br />
die gegenwärtigen Adressen zur<br />
Aussendung eines speziellen Fragenbogens<br />
ermittelt werden.<br />
Um eine größere Anzahl Patientinnen<br />
zu erfassen bzw. postoperativ zu befragen,<br />
wurde in der Hamburger Tagesklinik<br />
ein späterer Zeitpunkt gewählt<br />
(Juli 1993 bis Dezember<br />
1995), da ab 1.7.93 die Patientinnenadressen<br />
elektronisch archiviert<br />
worden waren. Insgesamt waren in<br />
diesem Zeitraum 2.732 Frauen nach<br />
der oben genannten Methode sterilisiert<br />
worden, von denen alle den<br />
gleichen Fragebogen wie die in Rostock<br />
sterilisierten Frauen erhielten.<br />
Die Befragung wurde in Rostock im<br />
Oktober 2000 und in Hamburg im<br />
Juni 2001 vorgenommen.<br />
Analysiert wurde unter anderem<br />
■ das Alter der Patientin bei der<br />
Sterilisation und zum Zeitpunkt<br />
der Befragung,<br />
■ der Nachbeobachtungszeitraum,<br />
■ die exakte Zyklusanamnese,<br />
■ gegebenenfalls der Zeitpunkt<br />
der Menopause,<br />
Versager nach bipolarer Tubensterilisation – Hamburg<br />
Alter bei Zeitabstand Art Ausgang<br />
Sterilisation zur Sterilisation der<br />
der<br />
Fall (Jahre) (Monate) Gravidität Gravidität<br />
1 32 23 intrauterin Abort<br />
2 32 31 intrauterin Abort<br />
3 36 7 extrauterin Salpingektomie<br />
+ Re-Sterilisation<br />
4 36 15 extrauterin Salpingektomie bds.<br />
5 30 27 extrauterin Salpingektomie<br />
+ Re-Sterilisation<br />
6 29 38 extrauterin Salpingektomie<br />
+ Re-Sterilisation<br />
7 33 62 extrauterin Re-Sterilisation bds.<br />
8 30 71 extrauterin Adnexexstirpation<br />
+ Re-Sterilisation<br />
Tab. 2: In der Tagesklinik Hamburg – Altonaer Straße kam es unter 1.158 Fällen nach<br />
bipolarer Tubensterilisation zu acht Sterilisationsversagern (0,69%).<br />
■ die Häufigkeit von Operationen,<br />
die die Fertilität zusätzlich<br />
beeinflussen könnten (Hysterektomie,<br />
beidseitige Adnexentfernung)<br />
und<br />
■ der genaue Zeitpunkt und die<br />
Art einer eventuell eingetretenen<br />
Schwangerschaft sowie deren<br />
Ausgang.<br />
Ergebnisse<br />
Von 331 angeschriebenen Patientinnen<br />
in Rostock antworteten 254<br />
(76,7 %). Von den 2.732 ausgesandten<br />
Fragebögen in Hamburg standen<br />
1.158 auswertbare Antworten zur Verfügung.<br />
Dies entsprach einer Rücklaufquote<br />
von 42,4 %. Insgesamt war<br />
es bei den 1.412 befragten Frauen<br />
mit Rückantwort zu 14 (0,99 %)<br />
Schwangerschaften gekommen, wobei<br />
es sich in zwei Fällen aus Hamburg<br />
um eine Lutealphasenschwangerschaft<br />
gehandelt hat, ohne deren<br />
Berücksichtigung die Gesamtversagerquote<br />
0,85 % beträgt. Von diesen<br />
zwölf echten Versagern waren vier<br />
intrauterine und acht extrauterine<br />
Graviditäten.<br />
Bei den 254 auswertbaren Fällen aus<br />
Rostock mit einem durchschnittlichen<br />
Nachuntersuchungszeitraum von 9,7<br />
Jahren war es zu vier Schwangerschaften<br />
(zwei intrauterine und zwei<br />
extrauterine) gekommen, was einer<br />
Versagerquote von 1,57 % bei einem<br />
Pearl-Index von 0,16 entspricht<br />
(s. Tab. 1).<br />
Unter den 1.158 auswertbaren Fällen<br />
aus der Tagesklinik in Hamburg<br />
war es bei einem durchschnittlichen<br />
Beobachtungszeitraum von 6,2<br />
Jahren zu acht nachgewiesenen<br />
Schwangerschaften (zwei intrauterine<br />
und sechs extrauterine) gekommen<br />
(s. Tab. 2). Dies entspricht einer Versagerquote<br />
von 0,69 % bei einem<br />
Pearl-Index von 0,11.<br />
Zwei weitere Frauen aus Hamburg<br />
machten im ausgesandten Fragebogen<br />
unklare Angaben über eine eventuelle<br />
Schwangerschaft nach Sterili-<br />
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 6 675
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
Zyklusanamnese zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung<br />
bei sterilisierten Patientinnen<br />
Angaben Rostock Hamburg<br />
zum Menstruationszyklus n % n %<br />
noch bestehender Zyklus 105 42,0 923 80,3<br />
Menopause 85 34,0 146 12,7<br />
Zustand nach Hysterektomie und/ 60 24,0 81 7,0<br />
oder beidseitiger Adnexentfernung<br />
Summe 250 100,0 1150 100,0<br />
Tab. 3: Angaben zum Menstruationszyklus bei sterilisierten Patientinnen ohne eingetretene<br />
Schwangerschaft.<br />
sation. Trotz Erkundigungen beim betreuenden<br />
Gynäkologen konnte für<br />
diese Fälle, bei denen es sich einmal<br />
um ein angenommenes Abortgeschehen<br />
handelte und einmal um eine angebliche<br />
Schwangerschaft, deren<br />
Ausgang nicht kontrollierbar war,<br />
kein eindeutiger Nachweis für eine<br />
Schwangerschaft erbracht werden,<br />
sodass beide Fälle nicht als Versager<br />
gewertet werden konnten. Würden<br />
diese Fälle mit berücksichtigt, ergäbe<br />
sich für die Tagesklinik in Hamburg<br />
eine Erhöhung der Versagerquote<br />
von 0,69 % auf 0,86 %.<br />
In Tabelle 3 finden sich Angaben zur<br />
Zyklusanamnese der befragten Frauen<br />
ohne eingetretene Schwangerschaft<br />
nach der Sterilisation. Dabei<br />
fällt auf, dass von den Hamburger<br />
Patientinnen fast doppelt so viele<br />
(80,3 %) wie von denen aus Rostock<br />
(42,0 %) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung<br />
noch in der Geschlechtsreife<br />
waren und damit potenziell<br />
auch noch ein Sterilisationsversagen<br />
möglich ist.<br />
Demgegenüber war der Anteil Frauen,<br />
die schon in der Menopause waren,<br />
in Rostock (34,0 %) deutlich höher<br />
als in Hamburg (12,7 %). Auffällig<br />
war auch der unterschiedliche Anteil<br />
von Frauen mit Zustand nach<br />
Hysterektomie und/oder Adnexexstirpation<br />
beidseits, deren Häufigkeit<br />
in Rostock 24,0 % und in Hamburg<br />
nur 7,0 % betrug.<br />
bestehendem Menstruationszyklus<br />
war für die kontrollierten Frauen aus<br />
Rostock mit durchschnittlich 12,2<br />
Jahren fast doppelt so lang wie für<br />
die befragten Frauen aus Hamburg,<br />
bei denen dieser Zeitraum nur 6,6<br />
Jahre betrug (s. Tab. 4).<br />
Diskussion<br />
Die Langzeiteffektivität der bipolaren<br />
Tubenkoagulation ist in verschiedenen<br />
retrograden Studien nachgewiesen.<br />
Entgegen den kürzlich von Kleinstein<br />
(4) publizierten Zahlen zur<br />
kontrazeptiven Sicherheit der laparoskopischen<br />
Tubensterilisation in<br />
Deutschland, die sich fast ausschließlich<br />
auf die retrospektiven Befragungen<br />
von Riedel und Mitarbeitern an<br />
Kliniken und Belegabteilungen in den<br />
letzten Jahren beziehen und nach deren<br />
Endaussage von Kleinstein mit ein<br />
bis zwei Versagern auf 1.000 Eingriffe<br />
in Deutschland auszugehen ist,<br />
liegt die Versagerquote nach den von<br />
uns vorgenommenen gezielten Befragungen<br />
betroffener Frauen mit 0,85 %<br />
deutlich höher.<br />
Angaben zum Nachbeobachtungszeitraum<br />
bei sterilisierten Patientinnen<br />
Die Meinung von Kleinstein, dass<br />
die relativ hohe Versagerquote von<br />
2,48 %, wie sie aus der amerikanischen<br />
Publikation von Petersen et. al<br />
(6) aus dem Jahre 1996 angegeben<br />
wird, für Deutschland nicht nachvollziehbar<br />
ist, kann durch uns nicht bestätigt<br />
werden. Obgleich es sich bei<br />
den von uns vorgelegten Untersuchungen<br />
um eine für exakte statistische<br />
Aussagen relativ kleine Pilotstudie<br />
handelt, glauben wir, dass die<br />
bisher angenommene Versagerquote<br />
in Deutschland als zu gering angegeben<br />
wird und insbesondere unter Berücksichtigung<br />
forensischer Fragestellungen<br />
bei Aufklärungen vor einer<br />
Sterilisation die Versagerquote mit 1–<br />
2 % und nicht wie bisher im Promillebereich<br />
benannt werden sollte.<br />
Die exakte Ermittlung einer Versagerquote,<br />
die für alle Abteilungen zutrifft,<br />
ist aus vielerlei Gründen – von<br />
denen nur die unterschiedlichen Sterilisationsmethoden<br />
und der nicht<br />
einheitliche Ausbildungs- und Erfahrungsstand<br />
der Operateure genannt<br />
werden sollen – nicht möglich. Dies<br />
zeigt sich auch in der CREST-Studie<br />
(6), in der das relative Risiko eines<br />
Versagens unter den 15 beteiligten<br />
Studienorten zwischen 3,46 % und<br />
0,55 % signifikant differierte. Die von<br />
uns ermittelten deutlich höheren Versagerquoten<br />
als die von Riedel und<br />
Mitarbeitern angegebenen stellen<br />
kein unerwartetes Resultat dar. Unsere<br />
Befragungen waren direkt an die<br />
betroffenen Patientinnen gerichtet.<br />
Bei den von Riedel et al. erstellten<br />
Statistiken handelt es sich um retrospektive<br />
Befragungen über größere<br />
Klinik Anzahl Durchschnitts- Nachbeobachtungsalter<br />
(Jahre) zeitraum (Jahre)<br />
Rostock 105 47,1 12,2<br />
(41,3 %) (30–56) (9,6–14,9)<br />
Hamburg 923 42,7 6,7<br />
(79,7 %) (31–54) (5,1–8,1)<br />
Der Nachbeobachtungszeitraum bei<br />
sterilisierten Patientinnen und noch<br />
Tab. 4: Durchschnittsalter und Nachbeobachtungszeitraum bei sterilisierten Patientinnen mit<br />
noch bestehendem Menstruationszyklus in Rostock und Hamburg.<br />
676<br />
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 6
Zeitabschnitte an operierenden Abteilungen,<br />
die ganz sicher nicht immer<br />
von allen Versagern Kenntnis erhalten.<br />
Eine größere Sicherheit bezüglich der<br />
Größe der Versagerquote nach laparoskopischer<br />
Tubensterilisation in<br />
Deutschland ist nur über eine prospektive<br />
Langzeitstudie unter Teilnahme<br />
mehrerer Kliniken und ambulanter<br />
Zentren möglich, mit der ausreichende<br />
Zahlen für eine exakte Statistik<br />
erlangt werden können. Hierbei<br />
sollte die am häufigsten angewandte<br />
Methode der bipolaren Tubenkoagulation<br />
nach standardisierter Vorgabe –<br />
eventuell in einer Unterteilung in Fälle<br />
mit und ohne gleichzeitiger Durchtrennung,<br />
deren Wertigkeit auch von<br />
Experten teils konträr eingeschätzt<br />
wird (2, 4) – exakt beurteilt werden.<br />
Die unterschiedliche Versagerquote<br />
der beiden Zentren in der vorliegenden<br />
Pilotstudie ist nach unserer Meinung<br />
überwiegend durch die große<br />
Differenz der Anzahl befragter Frauen<br />
und der Differenz der Nachbeobachtungszeiträume<br />
(Rostock 12,2 Jahre<br />
und Hamburg 6,7 Jahre) zu sehen.<br />
Potenziell ergibt sich für die Hamburger<br />
Gruppe durch die kürzeren Beobachtungszeiten<br />
und die deutlich größere<br />
Anzahl Frauen, die noch nicht in<br />
der Menopause sind, eine größere<br />
Wahrscheinlichkeit von noch eintretenden<br />
Versagern. Eindeutig bestätigt<br />
wird in unserer Erhebung die hohe<br />
Rate an ektopen Schwangerschaften<br />
nach Tubenkoagulation, auf deren<br />
Häufigkeitsabhängigkeit von der Sterilisationsmethode,<br />
dem Alter der<br />
Frauen zum Zeitpunkt der Sterilisation<br />
und dem Zeitabstand nach der Sterilisation<br />
von Kleinstein (3) ausführlich<br />
eingegangen wird. Von insgesamt 14<br />
Versagern bei 1.412 befragten Frauen<br />
waren bei unser Pilotstudie zehn<br />
(71,4 %) ektope Schwangerschaften<br />
aufgetreten. In der CREST-Studie betrug<br />
der Anteil extrauteriner Graviditäten<br />
32,9 % (7).<br />
Auf diesen Sachverhalt wird nach unserer<br />
Auffassung beim Aufklärungsgespräch<br />
vor einer Sterilisation zu wenig<br />
hingewiesen. Dies gilt auch für die<br />
Wiederholungsrisiken eines Sterilisationsversagens.<br />
Auch wenn z.B. bei einer<br />
ektopischen Schwangerschaft<br />
nach Sterilisation die betroffene Tube<br />
entfernt und die verbliebene Tube sogar<br />
„nachkoaguliert“ wird, besteht<br />
keine 100%ige Sicherheit. Auch in<br />
diesen Fällen muss die Frau auf die<br />
Möglichkeit eines erneuten Versagens<br />
hingewiesen werden.<br />
Literatur<br />
1. Brosche T, Riedel HH: Die Entwicklung der<br />
gynäkologischen Endoskopie in Deutschland<br />
unter besonderer Berücksichtigung<br />
der Komplikationen – eine statistische<br />
Erhebung der Jahre 1994 bis 1998. Endoskopie<br />
heute 3 (2000) 95–102.<br />
2. Hirsch HA et al.: New Trends in Female<br />
Sterilization. Year Book Medical Publishers<br />
1983.<br />
3. Keckstein J, Hucke J: Die endoskopischen<br />
Operationen in der Gynäkologie. Urban &<br />
Fischer, München 2000.<br />
4. Kleinstein J: Stellungnahme zur kontrazeptiven<br />
Sicherheit der Tubensterilisation.<br />
<strong>Frauenarzt</strong> 42 (2001) 958–966.<br />
5. Neis KJ, Brandner D, Wagner S: Die laparoskopischen<br />
Operationsverfahren in der Gynäkologie.<br />
Gynäkologe 32 (1999) 393–407.<br />
6. Peterson HB, Xia Z, Hughes JM et al.: The<br />
risk of pregnancy after tubal sterilization:<br />
Findings from the U.S. collaborative review<br />
of sterilization. Am J Obstet Gynecol 174<br />
(1996) 1161–1170.<br />
7. Peterson HB, Xia Z, Hughes JM et al.: The<br />
risk of ectopic pregnancy after tubal sterilisation.<br />
N Engl J Med 336 (1997) 762–767.<br />
8. Riedel HH, Brosche T, Fielitz J et al.:<br />
Die Entwicklung der gynäkologischen<br />
Endoskopie in Deutschland – eine statistische<br />
Erhebung der Jahre 1989 bis 1993.<br />
Zentralbl Gynäkol 117 (1995) 402–412.<br />
9. Schmidt EH, Frank V: Aktuelle Aspekte des<br />
Komplikationsregisters der AGE 9. Jahrestagung<br />
der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische<br />
Endoskopie (AGE), Köln 13.–15.<br />
9.2001<br />
10. Stoz E, Schuhmann RH, Staber AE: Pelviskopische<br />
Tubenkoagulation. Geburtsh<br />
Frauenheilk 47 (1987) 547–556.<br />
Für die Autoren<br />
Prof. Dr. med.<br />
Klaus Kolmorgen<br />
Klinikum Rostock Südstadt<br />
Klinik für Gynäkologie und<br />
Geburtshilfe<br />
Südring 81<br />
18059 Rostock<br />
Tel. (03 81) 4 40 12 00<br />
Fax. (03 81) 4 40 12 14<br />
E-Mail klaus.kolmorgen<br />
@kliniksued-rostock.de<br />
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
Stellungnahme<br />
der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie (AGE)<br />
Für die in der vorstehenden Arbeit<br />
aufgeworfenen Fragen zur laparoskopischen<br />
Tubensterilisation, insbesondere<br />
für die wichtige Frage der<br />
Versagerquote nach Tubensterilisation<br />
in Deutschland, wird vom Vorstand<br />
der AGE wie folgt Stellung genommen:<br />
■ Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
anzunehmen, dass die Versagerquote<br />
nach laparoskopischer Tubensterilisation<br />
in Deutschland höher<br />
liegt, als bisher angenommen<br />
wurde. Bei der derzeit bestehenden<br />
Verunsicherung in dieser Frage wird<br />
empfohlen, vor einer beabsichtigen<br />
Sterilisation im Aufklärungsgespräch<br />
mit schriftlicher Fixierung eine Versagerquote<br />
von 1–2 % anzugeben.<br />
■ Besonders hinzuweisen ist im Aufklärungsgespräch<br />
vor einer Sterilisation<br />
mit gleichzeitig schriftlicher Fixierung<br />
auf das mögliche Auftreten<br />
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 6 677
DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />
einer ektopen Schwangerschaft, deren<br />
Häufigkeit mit ca. 50 % aller Versager<br />
angenommen werden sollte.<br />
■ Auch nach dem Auftreten einer<br />
Schwangerschaft nach einer Sterilisation<br />
mit nachfolgender zweiter Sterilisation<br />
sollte darüber aufgeklärt<br />
werden, dass es auch jetzt noch zu einer<br />
Gravidität kommen kann.<br />
■ Das Versagerrisiko korreliert mit<br />
dem Alter der Patientin zum Zeitpunkt<br />
der Sterilisation. Jüngere Frauen<br />
haben einer höhere Versagerwahrscheinlichkeit,<br />
die bei Sterilisationen<br />
im Alter unter 30 Jahren bis zu 3 %<br />
betragen kann.<br />
■ Es sollte generell in der ersten Zyklushälfte<br />
sterilisiert werden, da in<br />
der zweiten Zyklushälfte eine bestehende<br />
Lutealphasenschwangerschaft<br />
nie sicher auszuschließen ist.<br />
Vorstand der AGE<br />
■ Prof. Dr. med.<br />
Diethelm Wallwiener<br />
■ Prof. Dr. med. Thomas Römer<br />
■ Prof. Dr. med. Jürgen Hucke<br />
■ Prof. Dr. med. Rudy L. De Wilde<br />
■ Dr. med. Percy Brandner<br />
■ Dr. med. Edgar Dewitt<br />
■ Die bevorzugte Methode der laparoskopischen<br />
Tubensterilisation ist<br />
die bipolare Tubenkoagulation. Hierbei<br />
ist überlappend an zwei bis drei<br />
Stellen (2–3 cm) im mittleren isthmischen<br />
Tubenanteil über 5–10 Sekunden<br />
bei einer Leistung von 20–30<br />
Watt mit modernen Instrumenten und<br />
Elektrochirurgiegeräten zu sterilisieren.<br />
Die Koagulation sollte so erfolgen,<br />
dass die Mukosa destruiert wird.<br />
■ Die Wertigkeit der gleichzeitigen<br />
Durchtrennung der Tube bei bipolarer<br />
Koagulation mit Distanzierung der<br />
Tubenenden ist zur Zeit nicht eindeutig<br />
bestimmbar. Bei korrekter<br />
Technik sind beide Möglichkeiten<br />
vertretbar. Möglicherweise ist mit<br />
Durchtrennung eine etwas höhere<br />
EU-Rate im Falle des Versagens zu erwarten.<br />
■ Beim Vorliegen pathologisch veränderter<br />
Tuben, wie z.B. bei einer<br />
Sactosalpinx, sollte wegen der größeren<br />
Gefahr einer sekundären Erkrankung<br />
wie Hydrosactosalpinx, Tubentorsion<br />
oder Abszessbildung nicht<br />
koaguliert, sondern eher die Tube<br />
entfernt werden.<br />
Past Präsidenten<br />
■ Prof. Dr. med.<br />
Klaus-Jürgen Neis<br />
■ Prof. Dr. med. Liselotte Mettler<br />
■ Prof. Dr. med. Ernst H. Schmidt<br />
■ Prof. Dr. med. Klaus Kolmorgen<br />
678<br />
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 6