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Marquesas-Archipel<br />
Zu den entlegensten<br />
Inseln der Welt<br />
Text und Bilder: Carolin Thiersch Alle drei Wochen macht sich der mit mehreren Tonnen beladene Frachter «Aranui» im<br />
Südpazifik auf den Seeweg von Tahiti zur Inselgruppe der Marquesas. Carolin Thiersch hat die Gelegenheit genutzt und ist<br />
mitgefahren. Unterwegs zu den abgelegenen Inseln hat sie von der Schiffscrew viel über Land und Leute erfahren.<br />
Es ist zehn Uhr morgens. Während<br />
sich die Sonne langsam<br />
ihren Weg durch die dünne<br />
Wolkendecke bahnt und die<br />
letzten Regentropfen der<br />
Nacht verdunsten lässt, wird<br />
unser Schiff, die «Aranui»,<br />
am Frachthafen von Papeete auf Tahiti bereits<br />
seit Stunden beladen. Mein Vater und ich – wir<br />
haben unsere gemütliche Kabine bereits bezogen<br />
– stehen auch schon eine ganze Weile an<br />
der Reling und beobachten gespannt das bunte<br />
Treiben und die eintrudelnden Passagiere, mit<br />
denen wir die nächsten zwei Wochen an Bord<br />
verbringen werden. Zufrieden stelle ich fest,<br />
dass es eine bunte Mischung in Bezug auf Alter<br />
und Nationalitäten ist.<br />
Der Frachtraum ist bis in den letzten Winkel<br />
gefüllt und, zur Abfahrt bereit, verschlossen.<br />
Aber auch an Deck wurde jeder Zentimeter<br />
Platz ausgenutzt. Zwischen die grossen gelben<br />
Kräne gesellt sich ein weisses Motorboot zu<br />
zwei alten Autos, mehreren Kühlcontainern,<br />
einem rot funkelnden Kajak, einem Moped,<br />
diversen Kisten und Boxen und den beiden<br />
Gabelstaplern.<br />
Nun ist es soweit. Der Anker wird rasselnd<br />
eingeholt, ein lautes Horn hallt durch den Hafen<br />
und die «Aranui» macht sich auf in nordöstlicher<br />
Richtung, auf ihre 1500 Kilometer<br />
lange Reise zu den Marquesas-Inseln. Erleichtert<br />
stelle ich fest, dass der Dieselgeruch vom<br />
Gegenwind weggetragen wird, während unser<br />
Schiff auf das offene Meer zusteuert.<br />
Verbindung zur Welt. «Aranui» bedeutet in<br />
der maorischen Sprache «Grosse Strasse».<br />
Denn die «Aranui» ist für die Einwohner der<br />
Marquesas bereits seit 1959 die Nabelschnur<br />
zur zivilisierten Welt. Alle drei Wochen<br />
kommt der mit bis zu 2500 Tonnen beladene<br />
Frachter auf die entlegene Inselgruppe im<br />
Südpazifik. Seit einigen Jahren können auch<br />
Passagiere in einer Grosskabine mit Stockbetten<br />
für 30 Personen oder in einfachen bis lu-<br />
68
SÜDSEE rubrik<br />
xuriösen Doppelkabinen die Reise miterleben.<br />
Nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische<br />
nutzen das Schiff als Transportmittel.<br />
Mit uns an Bord ist beispielsweise eine junge<br />
Marquesanerin, die im Krankenhaus von Papetee<br />
ihr Kind entbunden hat und nun mit<br />
dem Kleinen auf dem Rückweg nach Hause<br />
ist.<br />
Die Gruppe der Marquesas umfasst insgesamt<br />
zwölf Inseln. Knapp 9000 Menschen leben<br />
dort, verteilt auf die sechs bewohnten Inseln,<br />
die Ziel unserer Reise sind. Keine Inselgruppe<br />
liegt so weit von allen Kontinenten entfernt wie<br />
die Marquesas.<br />
Bevor der Genuss der Schiffsreise aber so<br />
richtig losgehen kann, steht die obligatorische<br />
Rettungsübung an. Mit wackeligem Gang, in<br />
grellorangen Schwimmwesten, meistern wir<br />
die ersten Schritte auf dem in sanften Dünungen<br />
schwankenden Schiff. Es dauert aber eine<br />
ganze Weile, bis jeder seinen Notfalltreffpunkt<br />
gefunden hat. Ein Glück, dass es sich nur um<br />
eine Übung handelt.<br />
<br />
<br />
<br />
«Aranui». Der mit mehreren Tonnen beladene<br />
Frachter transportiert auch Passagiere ins<br />
Inselparadies.<br />
Die stolze Crew. Ganzkörpertätowierungen<br />
sind eine alte Tradition.<br />
Fakarava-Atoll. Delfine begleiten das Schiff<br />
bei der Einfahrt in die Lagune.<br />
Traumhaftes Atoll. Unser erster Stopp am<br />
zweiten Tag ist die Insel Fakarava im Tuamotu-Archipel.<br />
Wunderschöne Sandstrände und<br />
türkisblaues Wasser leuchten im Sonnenlicht.<br />
Die Inselgruppe besteht aus 78 Atollen, die auf<br />
über 2000 Kilometern verstreut liegen. Bei der<br />
Einfahrt in die Lagune werden wir von mehreren<br />
Delfinen begleitet, die elegant durchs Wasser<br />
gleiten.<br />
Die Schiffsmannschaft hat hier auf Fakarava<br />
nicht sehr viel zu tun, nur etwas Obst wird<br />
ein- und ausgeladen. Trotzdem bleibt der<br />
Frachter eine Weile im Hafen, und wir haben<br />
Gelegenheit, von Bord zu gehen. Ich nutze die<br />
Zeit ausgiebig zum Schnorcheln, in der Hoffnung,<br />
dass sich ein paar grosse Fische vor<br />
herBST 2012 GLOBETROTTER-MAGAZIN 69
meine Unterwasserkamera verirren.<br />
Aber das Grösste, das ich durch<br />
meine Linse ausmachen kann, sind<br />
meine schnorchelnden Weggefährten.<br />
Am Abend lenkt Kapitän Francis<br />
Chougues das Schiff weiter<br />
durch die Wellentäler des Ozeans.<br />
Die morgendlichen Wolken haben<br />
sich verzogen, und die Sonne<br />
brennt vom Himmel. Heute verbringen<br />
wir den ganzen Tag auf See.<br />
Langweilig wird es uns aber keineswegs.<br />
Peter Crawford hält eine Diashow<br />
zu seiner für die BBC produzierte<br />
Fernsehserie «Nomaden des<br />
Windes». Sie handelt von Polynesien<br />
in der Zeit vor der Entdeckung<br />
durch die Europäer. Und der Ethnologe<br />
und Sprachwissenschaftler<br />
Michael Koch gibt einen tiefen Einblick<br />
in die Geschichte der Marquesas.<br />
Besonders interessant finde ich,<br />
dass die polynesische Sprache nur<br />
aus 600 Wörtern besteht. Die deutsche<br />
Standardsprache beispielsweise besteht<br />
aus 75 000 Wörtern. Dafür kann im Polynesischen<br />
ein Wort bis zu neun verschiedene Bedeutungen<br />
haben. Man sollte also nicht nur<br />
Worte aufschnappen und nachsprechen, da die<br />
Bedeutung durch eine minimal veränderte Intonation<br />
eine ganz andere sein kann – vielleicht<br />
ein schönes Fettnäpfchen.<br />
Land in Sicht! Man hört ein aufgeregtes<br />
Sprachwirrwarr der Passagiere, und der Frühstücksraum<br />
leert sich blitzschnell. Ich habe<br />
meine Kamera schon dabei und renne schnell<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Fracht. Alle drei Wochen trifft das Schiff mit<br />
neuer Ware auf den Inseln ein.<br />
Mangos. Leckere Zwischenverpflegung.<br />
Ausflüge. Während die Crew den Frachter<br />
ent- oder belädt, bleibt Zeit für Inseltouren.<br />
Genuss. Sonniger Abend auf dem Oberdeck.<br />
Tikifiguren. Wächter der marquesanischen<br />
Kultur.<br />
an Deck, denn wir haben – am vierten Reisetag<br />
– die Marquesas erreicht. In der Ferne<br />
zeichnen sich bereits die steil aufragenden<br />
Bergspitzen des Mont Oave auf Ua Pou ab, die<br />
mit ihren über 1200 Metern den dicken weissen<br />
Wolken darüber in den Bauch zu piksen<br />
scheinen. Sattgrüne Bäume und andere Pflanzen<br />
neben diesen beeindruckenden kargen<br />
Felsformationen runden das Bild ab.<br />
Recht wenig erinnert hier an unser Klischee<br />
der Südsee als Dreiklang aus Sonne, weissem<br />
Sandstrand und Kokospalmen, wie wir es<br />
auf dem Tuamoto-Archipel oder auf Tahiti gesehen<br />
haben. Denn die Marquesas sind nicht<br />
von schützenden Aussenriffen umgeben. Steilküsten<br />
und schwarze Strände vulkanischen Ursprungs<br />
prägen hier das Bild. Fregattvögel<br />
überfliegen neugierig unser Schiff und begleiten<br />
uns in Richtung des kleinen Hafens, wo der<br />
Frachter bereits sehnsüchtig von den Einheimischen<br />
erwartet wird.<br />
Baströcke und bunte Blumenhemden flattern<br />
im leichten Wind. Kinder rennen aufgeregt<br />
umher. Fast alle Einwohner von Ua Pou, der mit<br />
etwa 105 Quadratkilometern drittgrössten Insel<br />
der Marquesas, stehen schon gespannt bereit,<br />
um das Anlegemanöver der «Aranui» im Hafen<br />
zu beobachten. Langsam und ächzend öffnet<br />
sich die grosse Luke des Frachtraums, und wie<br />
Spielzeug schweben die Gabelstapler, ein Auto,<br />
Paletten mit Baumaterialien, ein Fahrrad und<br />
verschiedenste Lebensmittel unter unseren<br />
staunenden Blicken am Kran verzurrt über die<br />
Reling. Sanft werden die Güter auf der kleinen<br />
Hafenmole abgesetzt. Auf laute Kommandos<br />
unter den Frachtarbeitern wartet man vergebens.<br />
Die Crew ist eingespielt, unscheinbare<br />
Handzeichen regeln die Kommunikation.<br />
Zu Besuch bei Tata Rosalie. Endlich dürfen<br />
auch wir an Land. Herzlich werden wir von<br />
den lebenslustigen Insulanern empfangen,<br />
um mit ihnen gemeinsam das Eintreffen der<br />
neuen Waren aus Tahiti zu feiern. Während<br />
einige noch staunend dem Frachtbetrieb zusehen<br />
und speziell die weiblichen Passagiere –<br />
mich eingeschlossen – erste schüchterne Bli-<br />
70
sÜdsee<br />
cke auf die traditionell tätowierten Oberkörper<br />
der männlichen Einwohner werfen, erforschen<br />
andere bereits das nahegelegene Dorf<br />
und bewundern das Kunsthandwerk, für das<br />
die Marquesas bekannt sind. Die ersten Pazifischen<br />
Francs verlassen die Portemonnaies,<br />
während dafür eifrig kleine Tikifiguren, Knochenschnitzereien<br />
und Ketten eingepackt<br />
werden.<br />
Auch ich ergattere die ersten kleinen Souvenirs<br />
und freue mich darüber, dass die Marquesaner<br />
offensichtlich keine Berührungsängste<br />
mit Kameras haben und entweder ihre<br />
Arbeit verrichten, als wäre ich gar nicht da, oder<br />
fröhlich in meine Kamera lächeln.<br />
Zum Mittagessen gehen mein Vater und<br />
ich ins Restaurant von Tata Rosalie in die Bucht<br />
von Hakahau. Sie wartet immer sehnsüchtig<br />
auf die «Aranui», denn nur dann ist ihr Restaurant<br />
geöffnet, und sie kann die hungrigen<br />
Reisenden mit Spezialitäten wie Poisson<br />
Cru – rohem Thunfisch mariniert in Zitrone<br />
mit Kokosmilch und Gemüse –, Popoi – einem<br />
Brei aus Brotfrucht –, Schweinefleisch aus dem<br />
Erdofen oder gebackenen Bananen verwöhnen.<br />
Dazu bekommen wir tropische Früchte wie<br />
Mango, Passionsfrucht und Papaya gereicht.<br />
Ein wahres Festmahl!<br />
Alte Traditionen. Zurück an Bord<br />
werden wir über die Route der<br />
nächsten Tage informiert. Alle bewohnten<br />
Inseln werden angefahren.<br />
Während sich die «Aranui»<br />
durch das vom Vollmond glitzernde<br />
Wasser ihren Weg zur<br />
nächsten Insel bahnt, gehe ich<br />
zur Bar, denn hier gibts abends<br />
Musik. Die selbsternannte Aranui-Band,<br />
die sich aus einem<br />
Koch, einem Tourguide, einem<br />
Mechaniker und einem Zimmermädchen<br />
zusammensetzt, sorgt<br />
mit polynesischer Musik für Stimmung.<br />
Wer klassische Kreuzfahrten<br />
gewöhnt ist, merkt hier am<br />
schnellsten, dass die «Aranui»<br />
nicht in dieses Galadinner- und<br />
Champagner-Klischee passt. In der Bar vermischt<br />
sich die Frachtcrew mit den Passagieren<br />
und Dresscode gibt es an Bord sowieso<br />
keinen. Auch Mahalo Pahuatini ist wieder da.<br />
Der Kranfahrer mit seinen furchteinflössenden<br />
Gesichtstätowierungen und der rauen<br />
Stimme ist das Urgestein der «Aranui». Er arbeitet<br />
hier seit 30 Jahren und liebt die gemeinsamen<br />
Abende in der Bar. Besonders wenn die<br />
Gäste in Tanzlaune sind und er mit wechselnden<br />
Tanzpartnerinnen sein Können unter Beweis<br />
stellen kann.<br />
Auf der Insel Nuku Hiva beginnen wir den<br />
Tag mit einem Besuch der 1977 fertiggestellten<br />
Kathedrale von Taiohae. Sie ist Symbol dafür,<br />
dass sich die katholische Kirche nach zwei Jahrhunderten<br />
erfolgloser Missionarsversuche<br />
letztlich doch behaupten konnte. Durch die<br />
herBST 2012 GLOBETROTTER-MAGAZIN 71
andauernde Missionierung wurden leider<br />
überlieferte Riten, traditionelle Tätowierungen,<br />
Schädelpräparation, Tanz und traditionelle<br />
Musik zum Grossteil komplett aus der marquesanischen<br />
Kultur verbannt. Allerdings haben<br />
es die Missionare auch erfolgreich geschafft,<br />
Kannibalismus und die ständigen Stammeskriege<br />
zu unterbinden. Heute besinnen sich die<br />
Marquesaner mit grossem Stolz zunehmend<br />
wieder auf ihre alten Traditionen wie Ganzkörpertätowierungen<br />
sowie Kriegs- und Fruchtbarkeitstänze.<br />
Gauguins Zauberwelt. Der nächste Tag beginnt<br />
aufregend, denn die Mole von Hiva Oa<br />
ist zu klein für die «Aranui». So werden die<br />
Frachtgüter per Millimeterarbeit auf Flösse<br />
geladen.<br />
Paul Gauguin war besonders von dieser<br />
grössten Insel der Marquesas angetan. Hier beendete<br />
er seine Suche nach einer unberührten<br />
Inselwelt und malte, inspiriert von Landschaft<br />
und Leuten, seine letzten Meisterwerke. Auch<br />
wenn er bei den Dorfbewohnern und der Kirche<br />
aufgrund seines exzentrischen Lebensstils<br />
nicht gerade auf Gegenliebe stiess.<br />
Wunderschöne Wanderwege durch die hügelige,<br />
schier unberührte Natur mit sattgrünen<br />
Bäumen, unzähligen Blütenarten und dem<br />
dritthöchsten Wasserfall der Welt, dem Te<br />
Vaipo, prägen das Bild. Gemeinsam mit einer<br />
amerikanischen Kriegsfotografin, die nur für<br />
ein paar Tage auf der «Aranui» mit dabei ist,<br />
unternehme ich einen Ausflug zu einer archäologischen<br />
Fundstätte mit riesigen Tiki – Wächterfiguren,<br />
die eines der Hauptsymbole der<br />
marquesanischen Kultur darstellen. Denn die<br />
Marquesaner hatten keine Götter. Die Tiki mit<br />
ihren übergrossen Köpfen stellen ihre Vorfahren<br />
dar. Ein unglaublich mystischer Ort, wenn<br />
man nur noch den Wind in den grossen Bäumen<br />
rauschen hört.<br />
Am Abend wird es diesmal besonders lustig<br />
im grossen Saal unseres Schiffs. Karaoke<br />
steht auf dem Programm. Und da die Auswahl<br />
an Liedern sehr beschränkt ist, werden von den<br />
ROUTE DER «ARANUI»<br />
RANGIROA<br />
TAHITI<br />
FAKARAVA<br />
M A<br />
NUKU HIVA<br />
UA POU<br />
R Q<br />
U E<br />
S A S<br />
Paul Gauguin. Am Grab des legendären<br />
Malers auf der Insel Hiva Oa.<br />
Fati Barsinas. Beim besten Tätowierer der<br />
Marquesas auf der Insel Tahuata.<br />
An Bord. Carolin Thiersch, die Autorin.<br />
Ua Pou. Ausflug zum Aussichtspunkt.<br />
verschiedenen Nationalitäten immer wieder<br />
die gleichen Klassiker und Evergreens zum<br />
Besten gegeben. Der Abend wird lang und während<br />
die meisten schon im Bett liegen, gebe ich<br />
im Duett mit der Französin Sandra lauthals<br />
einen Song von Celine Dion zum Besten. Völkerverständigung<br />
mal ganz anders.<br />
TAHUATA<br />
FATU HIVA<br />
- I N S<br />
E L N<br />
Kokosnüsse. Am nächsten Morgen steigen<br />
wir in Fatu Hiva, der Insel der Tapa, aus. Tapa<br />
ist gehärtete und bemalte Baumrinde, die früher<br />
auch als Kleidung genutzt wurde. Dass die<br />
Damen schon seit Jahrhunderten versuchen,<br />
Männer mit Düften zu betören, zeigen die traditionellen<br />
«Umo Hei». Das sind Haarkränze,<br />
die aus verschiedensten duftenden Gräsern<br />
und Blumen zusammengesteckt werden. Leider<br />
etwas sperrig im Gepäck, daher bleibe ich<br />
doch lieber bei meiner Parfumflasche in Reisegrösse.<br />
Nach einem kleinen Dorfbesuch machen<br />
wir uns sogleich auf eine knapp vierstündige<br />
Wanderung. Der Weg ist steil und führt entlang<br />
schroffer Felswände mit engen<br />
Spalten und dicht mit tropischem<br />
Regenwald bewachsenen<br />
UA HUKA<br />
Basaltkegeln. Tiefe Schluchten<br />
HIVA OA bilden tiefe Einschnitte zum<br />
Meer hinunter. An einigen<br />
Taleinschnitten haben sich<br />
kleine Strände aus schwarzem<br />
Sand gebildet, wo wir dank unserer<br />
aufmerksamen Weggefährtin<br />
Michèle eine grosse<br />
Gruppe von Delfinen entdecken.<br />
Beim Abstieg ins Tal von<br />
Hanavave sehen wir, dass die<br />
«Aranui» auch schon auf der anderen<br />
Seite der Insel angekommen<br />
ist und die Crew bereits mit<br />
dem Einladen des zum Export<br />
vorbereiteten Copra beschäftigt<br />
ist. Das getrocknete Kokosnussfleisch<br />
zählt zu den Haupteinnahmequellen der<br />
Marquesas und wird in Kokosölfabriken weiterverarbeitet.<br />
Im Tal angekommen, warten wir im Schatten<br />
eines grossen Feuerbaumes, bis wir wieder<br />
an Bord dürfen. Der Baum ist umringt von üppiger<br />
Vegetation aus Bougainvillea, Hibiskusbüschen<br />
und duftenden Papayabäumen, an deren<br />
Fallobst sich mehrere Ziegen erfreuen. Ein<br />
erfrischendes Bad im Meer, mit ein bisschen<br />
Sonnen am Strand, wäre jetzt schön. Aber viele<br />
der Strände auf den Marquesas sind mit Vorsicht<br />
zu geniessen, denn sie werden von Nonos<br />
bevölkert, kleinen flohartigen Sandfliegen.<br />
Schwimmen ist zwar kein Problem, in den<br />
Sand sollte man sich aber nicht legen.<br />
Fröhliche Kavarunde. Als Nächstes steuert<br />
das Schiff die Insel Tahuata an, die Insel der<br />
Knochenschnitzereien. Hier im Dorf Vaitahu<br />
arbeitet auch Fati Barsinas, der beste Tätowierer<br />
der Marquesas. Unsere Crew kommt immer<br />
wieder zu ihm, um die Geschichten, die<br />
ihre Körper über ihre Kultur und ihre eigene<br />
Vergangenheit erzählen, fortzuführen. Auch<br />
der Franzose Oliver ist mutig. Er lässt sich einen<br />
Mantarochen auf seine Wade tätowieren.<br />
Ich beobachte Fati bei der Arbeit und Oliver<br />
mit seinem schmerzverzerrten Gesicht und<br />
bin mir ganz sicher, dass diese Prozedur<br />
nichts für meine Haut ist.<br />
Beim Friedhof des kleinen Örtchens Hapatoni<br />
führt uns Michael in die Tradition des Kava<br />
ein. Kava ist eine aus Wurzeln erzeugte alte polynesische<br />
Droge. Ihre Wirkung ist vor allem<br />
72
sÜdsee<br />
entspannend. Aber sie führt ebenfalls zu leichter<br />
Euphorie und Gesprächigkeit und wird auch<br />
heute noch in Gesellschaft getrunken. Zu acht<br />
setzen wir uns in einen Halbkreis unter ein paar<br />
grosse Bäume, während Michael in einer Holzschale<br />
das Kava mit Wasser anrührt. Die Tradition<br />
besagt, dass man vor dem Trinken in die<br />
Hände klatscht. Die Schale wird im Kreis weitergereicht.<br />
Ich habe bereits nach zwei Runden<br />
genug, da sich bei mir ein leichtes Taubheitsgefühl<br />
im Hals bemerkbar macht – wie<br />
nach dem Lutschen einer Halswehtablette.<br />
Die anderen scheint das weniger<br />
zu stören, und so wird weiter fröhlich<br />
geklatscht und getrunken, bis es<br />
wieder heisst «Alle Mann an Bord!».<br />
Zum Barbecue. Unser nächster<br />
Stopp ist Ua Huka. Die nördlichste<br />
und trockenste Insel der Marquesas.<br />
Die Einfahrt zum kleinen Hafen ist<br />
abenteuerlich, denn der Kapitän<br />
muss das Schiff nur wenige Meter<br />
entlang steil aufragender Felswände<br />
manövrieren und sein ganzes Können<br />
unter Beweis stellen. Ziemlich<br />
amüsant ist der Besuch des botanischen<br />
Gartens, der eher an eine verdorrte<br />
Wiese mit ein paar verirrten<br />
Bäumen und Pflanzen erinnert. Aber<br />
wie ich lerne, handelt es sich hierbei<br />
um zahlreiche Exoten aus der Pflanzenwelt.<br />
Heute Abend habe ich Glück. Ich<br />
wurde zusammen mit drei weiteren<br />
Gästen zum Crew-Barbecue draussen auf dem<br />
Unterdeck eingeladen. Saftige Fleischspiesse<br />
und verschiedenste Fische schmoren auf dem<br />
kleinen verrosteten Grill, während mir Tino,<br />
der Frachtkoordinator, eine klebrige Bierdose<br />
in die Hand drückt. Nur die krächzende 80er-<br />
Jahre Musik aus dem kleinen CD-Rekorder, der<br />
seine besten Jahre bereits hinter sich hat, stört<br />
etwas die Pfadfinderidylle unter dem reich besäten<br />
Sternenhimmel.<br />
Das Fett bahnt sich langsam seinen Weg von<br />
den Spiessen über meine Finger hin zum Arm,<br />
während ich mit der anderen Hand versuche,<br />
meinen Pappteller samt Krautsalat und die Bierdose<br />
zu balancieren. Serviette? Fehlanzeige!<br />
Egal: Finger ablecken und sich nichts anmerken<br />
lassen. Schliesslich bin ich nicht die Touristin,<br />
die mit weisser Stoffserviette und Weinglas im<br />
Essenssaal auf den nächsten Gang wartet. Und<br />
ich bin froh darüber. Den spannenden Geschichten<br />
der zumeist marquesanischen Schiffscrew<br />
lauschen zu können und mehr über ihr<br />
Land und Leben zu erfahren, erfüllt mich mehr.<br />
Plitschplatsch macht es, und ich sehe Backbord<br />
einen Fisch gegen die Kombüsenwand<br />
klatschen. Eine willkommene Einladung zur<br />
Flucht in Richtung Manaarii, der sich mit einer<br />
Angel um das nächste Abendessen kümmert.<br />
Denn langsam kann ich mich vor den Aufforderungen<br />
zum Paartanz nicht mehr drücken.<br />
Meine beiden Mitstreiterinnen haben sich<br />
schon breitschlagen lassen und werden von ihren<br />
ständig wechselnden Tanzpartnern gekonnt<br />
zwischen Grill, Tauwerk und Reling im Kreis<br />
umhergewirbelt. Eh ich mich versehe, drückt<br />
mir Manaarii eine Angel in die Hand. Hochmotiviert<br />
schleudere ich den glänzenden Blinker<br />
in die schwarze Nacht. Doch statt einem<br />
Platschen in weiter Ferne ertönt nur ein metallenes<br />
Geräusch. Ups – zu früh die Spule gesperrt<br />
und leider nur das Heck der «Aranui» erwischt.<br />
Manaarii unterdrückt höflich ein Lachen und<br />
ermuntert mich zum nächsten Versuch. Zaghaft<br />
probiere ich es erneut, und es klappt. Der Blinker<br />
versinkt gurgelnd etwa drei Meter hinter<br />
dem Schiff. Während mein neuer Angelkumpel<br />
neben mir einen Fisch nach dem anderen aus<br />
dem Meer zieht, bleiben mir von der Aktion<br />
statt Trophäen nur Muskelkater im Arm und<br />
schöne Erinnerungen an einen tollen Abend.<br />
Nach einem kurzen Zwischenstopp zum<br />
Einladen von Fracht auf Nuku Hiva und Ua<br />
Pou ist es dann leider so weit. Acht ereignisreiche<br />
und spannende Tage auf der kleinen Inselgruppe<br />
sind vorüber. Und während sich die<br />
«Aranui» mit uns Passagieren auf den Rückweg<br />
Richtung Tahiti macht und wir in wundervollen<br />
Erinnerungen schwelgen, kehrt auf den<br />
Marquesas für die nächsten zwei Wochen wieder<br />
Ruhe ein – bis zum nächsten Besuch der<br />
«Aranui».<br />
carolin@thiersch.com<br />
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herBST 2012 GLOBETROTTER-MAGAZIN 73
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