November 2009 - Gossner Mission
November 2009 - Gossner Mission
November 2009 - Gossner Mission
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Indien<br />
in der Kunst. Akbar liebte Bilder,<br />
insbesondere illustrierte<br />
Handschriften, und unterhielt<br />
ein ganzes Atelier von Hofmalern,<br />
die Manuskripte abschrieben<br />
und in einer Art Fließbandarbeit<br />
mit Bildern versahen. Einer<br />
war für Gesichter zuständig,<br />
der andere für den Farbauftrag,<br />
der dritte für das Mischen der<br />
Farben aus Edelsteinen und natürlichen<br />
Stoffen …<br />
Akbar und später sein Nachfolger<br />
Jehangir ließen sich von<br />
den Mönchen ausführlich die<br />
biblischen Geschichten erklären,<br />
die in den Kupferstichen dargestellt<br />
waren, und sie gaben ihrem<br />
Atelier den Auftrag, Miniaturen<br />
zu malen. Außer Madonnen<br />
wurden besonders viele<br />
Miniaturen mit Szenen der Geburt<br />
Christi hergestellt. Der<br />
Geist von Weihnachten ist in einer<br />
berühmten Miniatur, die<br />
nicht nur abgemalt, sondern<br />
ein eigenständiges Kunstwerk<br />
ist, brillant erfasst. Alle kommen<br />
zum Christuskind in den Moguls-<br />
Palast, die Portugiesen mit ihren<br />
Hüten, die Prinzessinnen und<br />
die weisen Männer, die die<br />
Sterne befragen mit ihren Büchern.<br />
Selbst der islamische<br />
Herrscher schaut aus einem Bild<br />
an der Wand auf das Jesuskind.<br />
Die Themen wurden übernommen,<br />
aber die Figuren wurden<br />
indisch angezogen und in einen<br />
indischen Kontext versetzt.<br />
Nach dieser Phase des Dialogs<br />
und der nicht geplanten Einheimischwerdung<br />
des Christentums<br />
in der indischen Kunst kamen<br />
die Briten nach Indien. Nun war<br />
westlicher Kitsch an der Tagesordnung,<br />
der bis heute als Basarkunst<br />
den indischen Markt beherrscht.<br />
Im Zuge des Kampfes<br />
um die nationale Eigenständigkeit<br />
Indiens begannen führende<br />
Christen jedoch daran zu<br />
zweifeln, ob westliche weiße<br />
Christusbilder und Weihnachtskarten<br />
mit schneebedeckten<br />
Tannenbäumen für Indien das<br />
Richtige seien. Indische Christen<br />
fühlten sich ihrer eigenen<br />
Kultur entfremdet. Damals entstanden<br />
zwei Bräuche, die bis<br />
heute in Indien existieren.<br />
Der erste Brauch ist das Aufstellen<br />
von Krippen in einem<br />
Stall vor der Kirche, so dass<br />
Menschen aller Religionen das<br />
Christuskind besuchen können<br />
– ohne Schwellenängste. Allerorten<br />
sieht man teilweise menschengroße<br />
Figuren samt Königen<br />
und Kamelen, die zur Krippe<br />
kommen und viele Menschen<br />
aller Religionen, die die Freude<br />
über die Geburt des Christuskindes<br />
mit den Christen teilen.<br />
Der andere Brauch ist leider<br />
nur bei einem kleinen Teil der<br />
Christen verbreitet: der Versand<br />
von Weihnachtskarten mit der<br />
Weihnachtsgeschichte, dargestellt<br />
von indischen Künstlern<br />
im indischen Kontext. Besonders<br />
beliebt sind bis zum heutigen<br />
Tag die farbenfrohen Weihnachtskarten<br />
der katholischen<br />
Nonne Schwester Claire aus<br />
Bangalore. Ausgebildet wurde<br />
sie von einer bereits verstorbenen<br />
französischen Mitschwester,<br />
Schwester Geneviève, die<br />
bekannt wurde für ihre Bibelillustrationen<br />
sowie ihre Fresken<br />
in verschiedenen Kirchen.<br />
Auf ihren Bildern wird die Weihnachtsfreude<br />
deutlich und<br />
greifbar. Jesus wird dargestellt<br />
als jemand, der in Indien einer<br />
der ihren wurde. In der Darstellung<br />
fehlt häufig Josef, da Geburt<br />
in Indien reine Frauensache<br />
ist.<br />
Eindrückliche Farben bereichern<br />
die Bilder von Schwester Geneviéve<br />
(links) und Schwester<br />
Claire (oben).<br />
Obwohl Schwester Claire sicherlich<br />
hundert Weihnachtsszenen<br />
gemalt hat, ist jede anders.<br />
Ganz selbstverständlich fließen<br />
ihr die indischen Marien, Josefs<br />
und Jesuskinder aus dem Pinsel.<br />
Und die Lichter und die Farbigkeit<br />
auf ihren Bildern machen<br />
es leicht, die tiefe Freude über<br />
die Geburt Jesu auch anderen<br />
mitzuteilen.<br />
Dr. Gudrun Löwner,<br />
Neu Delhi<br />
Mehr dazu: Gudrun Löwner,<br />
Christliche Themen in der<br />
indischen Kunst. Von der<br />
Mogulzeit bis heute.<br />
Lembeck Verlag, Frankfurt<br />
am Main <strong>2009</strong><br />
Information 4/<strong>2009</strong> 11