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DAS WAHRE GESICHT DES KÄNGURUH

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<strong>DAS</strong> <strong>WAHRE</strong> <strong>GESICHT</strong><br />

<strong>DES</strong> <strong>KÄNGURUH</strong><br />

Eine Erkundungsreise zur<br />

Goldmine der 'AURUL S.A.' in Baia Mare, Rumänien,<br />

und entlang des Fluss-Systems von Lapus, Somes und<br />

Theiss in Rumänien und Ungarn .<br />

GREENPEACE MÄRZ 2000


Seit dem letzten Jahr kann man an der Goldmine<br />

AURUL in Baia Mare, Rumänien, 120 Männer - 115<br />

Einheimische und 5 Australier – in dunkelgrünen<br />

Jacken bei der Arbeit sehen. Auf der Brust tragen sie<br />

ein goldenes Känguruh. Das ist das Zeichen der<br />

australisch beherrschten Firma AURUL, deren Name<br />

nach einer der schlimmsten Flusskatastrophen Europas<br />

im Februar 2000 um die Welt ging.<br />

Autoren<br />

Andreas Bernstorff<br />

Judit Kanthak<br />

Bearbeitung der deutschen Fassung: Manuel Fernandez<br />

Herausgegeben von<br />

Greenpeace Deutschland<br />

Große Elbstraße 39<br />

D-22767 Hamburg<br />

Tel.: ++49-40-30618-0, fax: -130<br />

andreas.bernstorff@greenpeace.de<br />

judit.kanthak@t-online.de<br />

manuel.fernandez@greenpeace.de<br />

2


Nach dem Zyanidunfall, der in der ungarischen Theiss nahezu sämtliches<br />

Leben zerstörte, schickte Greenpeace ein internationales Team an den<br />

Ursprungsort der Katastrophe in Rumänien. Wir führten Interviews mit<br />

Ortsansässigen und dokumentierten die Situation durch Fotos und<br />

Videoaufnahmen. Die Untersuchung wurde von örtlichen rumänischen<br />

Nichtregierungs-Organisationen unterstützt.<br />

Das Team nahm auch die ungarische Theiss-Region in Augenschein und führte<br />

Gespräche mit regionalen Behörden.<br />

Die Reise fand zwischen dem 21. und 27. Februar 2000 statt.<br />

INHALT<br />

WICHTIGSTE BEOBACHTUNGEN<br />

AURUL<br />

SCHLUSSFOLGERUNG<br />

HINTERGRUND<br />

RUMÄNIENS NEUER GOLDRAUSCH<br />

UKRAINE<br />

GOLDGEWINNUNG<br />

NEUE SITUATION NACH AURULS INBETRIEBNAHME<br />

Vorfälle im Einzelnen<br />

Andere Minenunfälle<br />

Zlatna<br />

Brad<br />

Baia de Aries<br />

DER GROSSE UNFALL...<br />

...UND DIE KONSEQUENZEN<br />

ZURÜCK IN RUMÄNIEN<br />

3


POLITISCHE REAKTIONEN<br />

MACHT AURUL WEITER ?<br />

WICHTIGSTE BEOBACHTUNGEN<br />

Unsere wichtigsten Beobachtungen und Befunde sind die folgenden:<br />

AURUL hat nicht nur das Leben in der Theiss zerstört, sondern auch Schäden in<br />

Rumänien angerichtet. Die Mine birgt noch erhebliche Risiken:<br />

- Giftschlamm liegt immer noch auf den Feldern neben dem geborstenen Becken und<br />

entlang des ”Mühlenkanals”, der in das Flüsschen Lapus führt.<br />

- Das Grundwasser und mindestes zehn Trinkwasserbrunnen sind mit Zyanid<br />

verseucht.<br />

Nach der Schneeschmelze ist eine weitere Welle mit Giften zu erwarten, die jetzt durch<br />

Frost gebunden und in Schneeschichten eingelagert sind.<br />

Einwohner der Nachbardörfer und der Region von Baia Mare leben angesichts<br />

bestehender und drohender Gefahren in ständiger Alarmbereitschaft. Es war nicht die<br />

erste giftige Welle, die von AURUL ausging und zur jetzigen Katastrophe führte. Immer<br />

wieder haben die Menschen das Sterben von Rindern und Wildtieren beobachtet. Jetzt<br />

fürchten sie um ihre eigene und die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder.<br />

Der Boden entlang der Rohrsysteme ist einer kontinuierlichen Verseuchung ausgesetzt.<br />

In welchem Umfang und mit welchen Auswirkungen, darüber herrscht allgemein<br />

Unsicherheit, die es den Menschen unmöglich macht, ihr Leben und ihre<br />

landwirtschaftlichen Aktivitäten zu planen.<br />

Von der Vogelwelt entlang der Flüsse Lapus, Somes und Tisza war nichts zu sehen.<br />

Selbst die Bachstelzen und Krähen an den Flussufern waren verschwunden. Noch in der<br />

selben Woche konnte man beispielsweise auf der Donau bei Budapest, Schwärme von<br />

Möwen, Kormoranen, Reihern, und Blässgänsen beobachten.<br />

Regionale Behörden in Rumänien werden offensichtlich von zentralen Regierungsstellen<br />

daran gehindert, die bestehenden Probleme offen anzusprechen.<br />

AURUL<br />

1. Der Goldabbau in der Region wird bereits seit über 2.500 Jahren betrieben. Die<br />

Mine wurde jahrzehntelang von der staatlichen Gesellschaft REMIN betrieben, wobei<br />

die Flusssysteme einer stetigen, allmählichen Verschmutzung ausgesetzt waren,<br />

jedoch ohne grössere Unfälle. Die Zyanid-Methode bei der Goldgewinnung wird seit<br />

den 60er Jahren angewendet.<br />

Die ESMERALDA EXPLORATIONS Ltd. aus Perth, Australien, vereinte die<br />

Goldabbau-Aktivitäten im April 1999 unter dem australisch-rumänischen joint venture<br />

4


„AURUL“ (rumänisch: gold) und begann mit der erneuten Ausbeutung alter<br />

Abfallberge, die REMIN hinterlassen hatte und die eine Konzentration von weniger<br />

als 1 Gramm Gold pro Tonne aufweisen.<br />

(Details in Mining Journal of Romania: www.esmeralda.com.au/3_com/main3c3.html)<br />

Seither ist die Lage schlimmer als je zuvor. Das Ergebnis ist eine der schwersten<br />

Fluss-Katastrophen, die Europa je gesehen hat.<br />

2. Die zahlreichen Vorfälle seit dem Sommer 1999 sind Beweis dafür, dass AURUL<br />

nicht in der Lage ist, die Situation zu kontrollieren und offensichtlich mit strukturellen<br />

Problemen zu kämpfen hat. Das Leitungssystem von der Fabrikanlage zum<br />

Rückstandsbecken und zurück zur Fabrik ist nicht sicher und leckt immer wieder.<br />

Der Damm um das Becken ist nicht stabil genug und wurde aus Erdreich und Sand<br />

gebaut anstatt aus solideren Materialien. Einen zweiten Sicherheitsdamm sucht man<br />

vergebens.<br />

3. Die dort lebenden Menschen werden von AURUL zu Opfern gemacht und von den<br />

Behörden schlecht informiert. Berichte über die Folgen der Luft- und<br />

Trinkwasserverschmutzung, die zu Gesundheitsproblemen, Missernten und<br />

Verlusten an Vieh- und Wildbeständen führten, gibt es seit dem Frühling 1999.<br />

SCHLUSSFOLGERUNG<br />

Es gibt keine Möglichkeit, eine Verbesserung der Situation zu erreichen, solange die<br />

Zyanid-Methode angewendet wird. Dieser Vorgang muss gestoppt werden, will man<br />

künftige Schäden verhindern.<br />

Der Präsident der Umweltorganisation Eco-Carpatica, Isidor Sefciuc, sagte gegenüber<br />

Greenpeace, dass die Organisation „keine Möglichkeit sieht, das Problem durch<br />

Verfahrensänderungen zu lösen und daher für die Einstellung aller Goldabbau-<br />

Aktivitäten in Baia Mare plädiert ... Es war ein Fehler ESMERALDA Ltd. überhaupt eine<br />

Genehmigung erteilt zu haben. Es wäre schön gewesen diese alten Becken für eine<br />

weitere Ausbeutung zu nutzen, aber nicht um diesen Preis.“<br />

AURUL muss Firmengelände und Umland sanieren und für den in Rumänien, Ungarn<br />

und Serbien entstandenen Schaden finanziell haftbar gemacht werden.<br />

HINTERGRUND<br />

Baia Mare – die „Große Mine“ – ist traditionell ein Zentrum für Bergbau, Goldgewinnung<br />

und Metallindustrie mit derzeit 150.000 Einwohnern. Ein Bleiproduzent, aber auch<br />

chemische Industrie spielen eine wichtige ökonomische und politische Rolle im Bezirk<br />

Maramures, dessen Hauptstadt Baia Mare ist. Diese Industrien haben ihre giftigen<br />

Spuren bei Menschen und in der Umwelt hinterlassen.<br />

5


Die durchschnittliche Lebenserwartung in Baia Mare liegt 12 Jahre unter dem<br />

Landesdurchschnitt in Rumänien.<br />

(Quelle: Joszef Szaniszlo, Vize Bürgermeister von Baia Mare in der Ungarischen<br />

Wochenzeitung ‘Heti Vilaggazdasag‘ 19-02-00)<br />

Die Sterblichkeitsrate bei Kindern ist alarmierend hoch. Eine 25-jährige Mutter,<br />

Domnita Covacs, berichtet vom Tod ihrer 4-jährigen Tochter aufgrund einer<br />

Lungenerkrankung, an der auch ihre restlichen 3 Kinder leiden.<br />

Vor dem Bau eines 350 m hohen Schornsteins lebte die ganze Stadt in einer<br />

Staubwolke. In der Vergangenheit wurde, jedesmal wenn der damalige „conducator“<br />

Nicolae Ceaucescu einen Besuch ankündigte, die Goldproduktion bereits mehrere<br />

Tage vorher eingestellt.<br />

(Quelle: Stefan Petrenau, ein Fahrer aus Baia Mare, zitiert in: MTI-Online (Ungarische<br />

Nachrichtenagentur), Dossier „CIANSZENNYEZÖ<strong>DES</strong>“ März 2000)<br />

In der Umwelt und in den Flusssystemen der Region haben sich schwer abbaubare<br />

organische Gifte (POPs) über Jahrzehnte und Jahrhunderte angesammelt.<br />

RUMÄNIENS NEUER GOLDRAUSCH<br />

Ausser ESMERALDA haben sich Ende der 90er Jahre auch zahlreiche andere global<br />

operierende Bergbauunternehmen Forschungslizenzen für Gold (und Silber) und die<br />

entsprechenden Abbau-Konzessionen gesichert. Dies geschieht üblicherweise über<br />

joint ventures mit ehemals staatlichen, rumänischen Unternehmen. Auf diese Weise wird<br />

versucht, die brachliegenden Aktivitäten der neuen Partner, auf neuer technologischer<br />

und organisatorischer Basis, wiederzubeleben oder die hinterlassenen Müllberge erneut<br />

auszubeuten – so wei bei ESMERALDA / AURUL.<br />

Die meisten Aktivitäten und Pläne konzentrieren sich auf das Gebiet der Westkarpaten,<br />

genauer der Muntii Apusani, Muntii Metaliferi („Metall-tragende Berge“) und Rosia<br />

Montana („roter Berg“) um die Städte Deva und Alba Iulia. Zu den involvierten Firmen<br />

gehört die kanadische GABRIEL RESOURCES mit ihrem joint venture EURO GOLD /<br />

MINVEST.<br />

EURO GOLD ist der Überzeugung, die größten europäischen Goldvorkommen in Rosia<br />

Montana entdeckt zu haben: 100-150 Mio Tonnen Erz mit einem Goldgehalt von 1,9 g/t<br />

(und 10 g/t Silber). Das Ergebnis wäre mehr als 200 Tonnen Gold.<br />

Das US-Unternehmen GOLD DISCOVERY COMPANY (GDC) operiert gegenwärtig an<br />

7 verschiedenen Stellen in Maramures und in den östlichen Karpaten.<br />

Das britische Unternehmen SAMAX EXPLORATION hat bereits Angebote eingeholt.<br />

Die britisch geführte ROMANIAN MINING AND EXPLORATION (RME) hat bereits<br />

Serviceverträge mit der weltweit führenden RIO TINTO geschlossen.<br />

MINERA AN<strong>DES</strong> (Vancouver) hat zwei Stellen in den östlichen Karpaten erworben.<br />

6


Die australische Gesellschaft BROKEN HILL PROPRIETORIES COMPANY Ltd. (BHP)<br />

hat sich den Titel für eine große Lagerstatt, 50 km südwestlich von Deva, gesichert.<br />

(Quellen: Gerry Johnstone: Going for Gold, in:<br />

www.investromania.ro/magazine/last_issue/14gold.html und Gabriel Nitulescu: Romaian gold<br />

Rush, in: www.investromania.ro/business/articoe/5goana.html)<br />

UKRAINE<br />

In der Ukraine gibt es ähnliche Tendenzen. Hier gestaltet sich aber die Beschaffung von<br />

Informationen weitaus schwieriger, zumal die jeweiligen Standorte als<br />

Staatsgeheimnisse gelten.<br />

(Quelle: Jerome Simpson: Gold and Diamonds in Ukraine, in: http://ecoluinfo.unige.ch/archives/envcee97/0163.html)<br />

Bekannt ist der Standort der Goldmine Muzhievskoye, oberhalb der Theiss-Quelle, die<br />

eine mögliche Gefahr für den von dem Aurul-Unfall unberührten ersten Streckenabschnitt<br />

des Flusses darstellt. Nach ukrainischen Behördenangaben wurde die Mine 1998<br />

geschlossen, unklar ist aber der Zustand der gelagerten Rückstände.<br />

GOLDGEWINNUNG<br />

In der Region von Baia Mare hat der Goldabbau eine über 2.500-jährige Tradition. Der<br />

Abbau von Nichteisen-Metallen ist niemals ein „sauberer“ Prozess. Alle Edelmetalle im<br />

Erdreich werden von einer Reihe anderer, giftiger Schwermetalle begleitet wie Blei,<br />

Cadmium, Kupfer, Zink und Arsen. Während der 60er Jahre, führte die staatliche<br />

Gesellschaft REMIN das extrem giftige und gefährliche „Zyanid-Laugungsverfahren“ ein.<br />

Hierbei werden geringe Konzentrationen an Gold oder anderen Edelmetallen mittels<br />

einer Zyanidlösung aus dem Erdreich oder dem Erz extrahiert. Nach Gebrauch ist die<br />

Lösung 20 mg/l stark und wird mit Sodiumhypochlorid auf 4 mg/l neutralisiert. Das dabei<br />

entstehende Produkt wird absichtlich in den „Mühlenkanal“ entlassen, der in das<br />

Flusssystem von Lapus, Somes (ungarisch: Szamos) und Theiss fließt.<br />

Zwei von den drei großen Becken neben dem Unternehmen in Baia Mare sind eine<br />

Hinterlassenschaft ehemaliger REMIN-Aktivitäten. Diese Becken sind vergleichsweise<br />

stabil und geeignet, um den meteorologischen Bedingungen in der Region<br />

standzuhalten, d.h. schwere Regenfälle sowie Frost und Schnee im Winter.<br />

Becken 3 jedoch, 90 Hektar groß und mit einer Polyethylen-Folie ausgelegt, wurde in<br />

1998 im Schnellverfahren von australischen Ingenieuren gebaut.<br />

(Quelle: Heti Vilaggazdasag 19-02-00)<br />

Dabei ignorierte man lokale Faktoren wie besagte Wetterbedingungen, aber auch die<br />

wertvollen Erfahrungen rumänischer Kollegen und setzte leichte Materialien mit einem<br />

hohen Sandanteil für den Bau ein.<br />

(Quelle: Ilie Mihut, wohnhaft in Bozinta Mare und einziger Stellvertreter seines Dorfes in der<br />

Bezirksversammlung in Tautii Magherus, wo er sich für die Schadensersatzforderungen der<br />

Bauern an AURUL einsetzte.; Mihut war jahrelang bei REMIN angestellt. Nepszabadsag<br />

online, 09-02-00; Greenpeace Foto- und Videomaterial)<br />

7


Obwohl der Damm weder hoch noch stabil genug war, wurde am 8. April mit dem<br />

Goldabbau begonnen.<br />

Das in Becken 3 angewendete australische Verfahren, wurde für die Ausbeutung<br />

sekundären Materials (früher schon von REMIN ausgebeutet) mit einer Konzentration<br />

von weniger als 1 g/t konzipiert, wobei eine sehr starke Zyanid-Lösung zur Anwendung<br />

kam (zwischen 1 und 2 kg/t). Diese Konzentrationen sind sofort tödlich für Lebewesen<br />

und sollten niemals in offenen Systemen angewendet werden. Trotzdem wurden diese<br />

hohe Risiken beim Bau des Dammes schlicht ignoriert.<br />

(Quelle: Ausführliche Beschreibung der Technik in: „Baia Mare Tailings Treatment Project“:<br />

www.esmeralda.com.au/2_act/main2a.html, ohne Datum, aber nach August 1999, S. 4-6)<br />

Die Kunststoffolie sollte bei routinemässigem Betrieb das Grundwasser schützen, war<br />

aber keineswegs für Notfälle geeignet. Für den Schutz von Oberflächengewässer<br />

während und nach einem Leck existierten keinerlei Pläne. Aus diesen Gründen gab es<br />

von den rumänischen Behörden nur eine vorläufige Betriebsgenehmigung, verbunden<br />

mit der Auflage, die Bedingungen zu verbessern. Diese Genehmigung wurde nach dem<br />

Unfall zurückgezogen und AURUL musste die Arbeit einstellen. Die Behörden verlangen<br />

nun einen vollständigen Notfallplan, inklusive Vorsorgemassnahmen.<br />

(Quelle: Istvan Padar, Chef der Deutsch-Rumänischen Wasserkommission in: MIT-Online<br />

Dossier „CIANSZENNYEZÖ<strong>DES</strong>“ März 2000)<br />

Ein zweiter Damm leckte ebenfalls. Es gab keine Pläne für das Auspumpen des<br />

Beckens nach schweren Regenfällen, geschweige denn für Reparaturmassnahmen an<br />

Schwachstellen des Dammes.<br />

Rumänische Journalisten versuchen derzeit herauszufinden, warum die Behörden ihrer<br />

Pflicht bei der Durchsetzung geltender Vorschriften nicht nachkamen. War es<br />

Nachlässigkeit oder hat Bestechung eine Rolle bei der Übertretung geltenden Rechts<br />

gespielt?<br />

Erst jetzt, nach der größten Katastrophe, beabsichtigt der rumänische Bauminister, von<br />

AURUL den kompletten Neubau des Beckens zu fordern – aus Sicherheitsgründen.<br />

Andere behördliche Stellen fürchten, dass die fehlenden Sicherheitsmassnahmen<br />

jederzeit zur Auslösung einer neuen Katastrophe führen könnten.<br />

(Quelle: Ungarische Wochenzeitung ‘Hetek/mit‘ 26-02-00)<br />

NEUE SITUATION NACH AURULS INBETRIEBNAHME<br />

Seit dem Sommer 1999 klagten zahlreiche Einwohner der Stadt Zazar erstmals über<br />

„süsslich riechende und atemraubende Geruchswellen, die bei Tiefdruck-Wetterlagen<br />

kommen und gehen“. Die Behörden antworteten es handle sich dabei um „Ozon“.<br />

Landwirtschaftliche Produkte wie Gemüse, Obst und Milch sind seit dem letzten<br />

Sommer schwer verkäuflich. Die Kunden sagen „Sie sind aus Zazar (oder Bozinta<br />

Mare). Alles was von dort kommt ist verseucht.“<br />

Wasservögel wie Gänse und Enten sterben unmittelbar, nachdem sie mit dem Wasser<br />

aus dem Becken in Berührung gekommen sind.<br />

8


Vorfälle im Einzelnen<br />

Alles in allem wurden sechs bis sieben Unfälle registriert, davon vier Rohrbrüche: ein<br />

Bruch an der Rohrleitung vom Werk zum Becken und 3 an der Leitung für „sauberes<br />

Wasser“ vom Becken zum Werk, jeweils im Mai, September und Dezember ´99.<br />

Der Vorfall im Mai wird von Esmeralda folgendermaßen beschrieben:<br />

„Im Mai gab es einen Riss in der Rückleitung (zum Werk). Der Grund war ein<br />

hydraulischer Schock, ausgelöst durch ein sich plötzlich schließendes automatisches<br />

Ventil. Eine kleinere Menge Wasser trat aus und konnte größtenteils innerhalb des<br />

gepachteten Geländes zurückgehalten werden. Nur ein geringer Teil davon gelangte auf<br />

ein benachbartes Feld....<br />

Sowohl ökologische Verbände als auch die Öffentlichkeit zeigten lebhaftes Interesse.<br />

Einige politische Gruppierungen nutzten die Gunst der Stunde um sich medienwirksam<br />

in Szene zu setzen, indem sie den Produktionsprozess an sich scharf verurteilten.<br />

Ungeachtet des feindseligen Umfeldes ging das Zulassungsverfahren befriedigend<br />

vonstatten, d.h. die meisten benötigten Genehmigungen wurden von den zuständigen<br />

Behörden erteilt ...“.<br />

(Quelle: „Baia Mare Tailings Treatment Project“: www.esmeralda.com.au/2_act/main2a.html,<br />

ohne Datum, aber nach August 1999, S. 3ff)<br />

Es folgten Hautausschläge, beispielsweise bei einem 9 Jahre alten Mädchen aus<br />

Zazar, nachdem sie neben dem Becken gespielt hatte. Die Ärzte sagten es „käme aus<br />

der Luft“, im Zusammenhang mit dem Leck von Mai ´99.<br />

Während des Vorfalls im September desselben Jahres, brach ein Mann bewusstlos<br />

zusammen, der in unmittelbarer Nähe des Beckens Mais erntete.<br />

Fünf Kühe starben - zwei davon waren zuvor erblindet - am 27./28. September ´99<br />

„nachdem sie zyanidverseuchtes Wasser aus einer beschädigten Leitung getrunken<br />

hatten“, so berichteten die Besitzer.<br />

Als die Leute aus Zazar, bei Baia Mare, die in der Nähe des Leitungssystems der Mine<br />

leben, die Behörden zur Kontrolle des Trinkwasers aufforderten, schickten diese<br />

Wissenschaftler von AURUL, um die Proben zu analysieren. Danach versuchten die<br />

AURUL-Betreiber, die Kosten von 250 US-Dollar für die Analysen von den betroffen<br />

Familien einzutreiben.<br />

Andere Minenunfälle<br />

Rumänische Behörden haben in den letzten Jahren die Gefahrenpotentiale aus<br />

rumänischen Goldminen erkannt:<br />

Laut Berichten, die dem Umweltausschuss des rumänischen Parlaments seit 1998<br />

vorliegen, sowie Äußerungen verantwortlicher Beamter (Romica Tomescu, Octavien<br />

Patrascu) gibt es in Rumänien 40-60 extrem gefährdete Regionen mit massiven<br />

Grenzwertüberschreitungen, Störfällen und Katastrophenrisiken. Die betroffenen<br />

Industriebetriebe müssten nach geltendem Recht geschlossen werden.<br />

9


An erster Stelle werden die Gold-Minen und die damit gekoppelte Erzverarbeitung in<br />

Baia Mare, Zlatna, Abrud und Brad genannt.<br />

(Quelle : Tibori Szabo Zoltan in Nepszabadsag, am 23.02.00)<br />

Vermutlich aufgrund des „neuen Goldrausches“ (siehe oben) haben sich in den letzten<br />

zwei Jahren bereits mehrere Unfälle ereignet, die zu Fischsterben und zur Bedrohung<br />

der Trinkwasserversorgungen führten.<br />

Zlatna<br />

Am 8. Februar 1998 verseuchten Schwefeloxyde aus der Edelmetallverarbeitung<br />

„Ampelum“ bei Zlatna 43 ha Ackerland. Allein im ungarischen Bezirk Feher wurde das<br />

Leben in Flüssen auf einer Gesamtlänge von 193 km volllständig zerstört. Im Ompoly-<br />

Fluss, der bei Gyulafehervar in die Mures fließt, starben alle Fische und<br />

Mikroorganismen. Der Mures, ungarisch Marosz, fließt bei Szeged in Ungarn in die<br />

Theiss.<br />

(Quelle : Tibori Szabo Zoltan in der ungarischen Tageszeitung Nepszabadsag, Budapest, am<br />

23.02.00; die rumänischen Tageszeitungen Adevarul and Romania Libera, beide Bukarest<br />

31.12.99)<br />

Brad<br />

Aus dem Auffangbecken einer Goldmine bei Brad wurden im Mai 1998 große Mengen<br />

zyanid- und schwermetallhaltige Wasser und Schlämme in den Fluss Crisul Alb<br />

abgeleitet. "Veraltete Rohrleitungen" war die Erklärung. Rumänische Stellen räumten<br />

ein, die Abwässer hätten Schwermetalle enthalten, jedoch keine Zyanide. Der Fluss<br />

fließt als Feher Körös in Ungarn, bei Csongrad in die Theiss.<br />

(Quelle : Tibori Szabo Zoltan in Nepszabadsag, am 23.02.00; auch die beiden<br />

Tageszeitungen Adevarul und Romania Libera erwähnen, es seien aus “einer anderen dem<br />

Bergbauunternehmen Abrud gehörenden Mine säurehaltige Abwässer ausgetreten”, 31.12.99)<br />

Baia de Aries<br />

Am 28.Dezember 1999 sind aus der Goldmine in Baia de Aries mehrere tausend<br />

Kubikmeter zyanid- und schwermetallhaltige Wasser und Schlämme in den Aries-Fluss<br />

ausgelaufen. Die Zyanidkonzentration im Fluss lag bei 0,55 bis 0,72 mg/ l (55 bzw. 70<br />

mal höher, als erlaubt). Alle zuvor noch vereinzelt vorhandenen Fische sind gestorben.<br />

Die Trinkwasserversorgung der Stadt Turda war unterbrochen. Die Behörden hatten die<br />

Information zunächst unterdrückt.<br />

10


(Adevarul and Romania Libera, beide 31.12.99; Tibori Szabo Zoltan in Nepszabadsag, am<br />

23.02.00)<br />

Der Aries-Fluss fließt in den Mures, der wiederum mündet bei Szeged, Ungarn, in die<br />

Theiss.<br />

Für den Betrieb in Zlatna hatte die kanadische Firma GABRIEL RESOURCES mit<br />

ihren joint-venture-Firmen EURO GOLD und DEVA GOLD von der rumänischen<br />

Regierung eine Explorationslizenz ab November 1998 in Aussicht gestellt bekommen.<br />

(Quelle: www.newswire.ca/releases/August 1998/07c1225.html)<br />

Ob GABRIEL zur Zeit des Unfalls für Brad und/oder Baia de Aries verantwortlich war,<br />

muss noch geklärt werden.<br />

DER GROSSE UNFALL...<br />

Nach schweren Regenfällen brach die Dammkrone am 20. Januar um 10:20 Uhr auf<br />

einer Länge von 25 Metern und entließ innerhalb von 11 Stunden, schätzungsweise<br />

100.000 m³ kontaminiertes Wasser in die Umwelt. Der Damm war in den Jahren 1998<br />

und ´99 von AURUL gebaut worden. Nach eingehender Analyse der Situation haben<br />

ungarische Behörden errechnet, dass insgesamt 120 Tonnen Zyanid, auf einem<br />

Streckenabschnitt von 45,4 km, in den Fluss Szamos (rumänisch: Somes) gelangten.<br />

Die Wasser- und Schlammwelle brach sich mit Urgewalt ihre Bahn auf staubigen<br />

Straßen durch die Stadt Bozinta Mare und über Felder hinweg in das Flusssystem von<br />

Lapus, Somes, Tisza und Donau, die ihrerseits im Schwarzen Meer mündet. Es<br />

brauchte den Einsatz von 70 Arbeitern und mehreren Planierraupen über 51 Stunden,<br />

um die Bresche zu reparieren.<br />

Ein Geländewagen von AURUL wurde in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar von der<br />

Welle erfasst und umgekippt. Der Produktions-Vorarbeiter Les Thomas konnte sich mit<br />

Hilfe örtlicher Bauern aus dem Schlamm freikämpfen. Er hatte zwar nichts von dem Gift<br />

geschluckt, war jedoch schwer verletzt. Der Mann wurde zunächst in ein Krankenhaus in<br />

Baia Mare gebracht, später aber in ein unbekanntes Gästehaus auf dem Land<br />

transportiert und vor der Öffentlichkeit versteckt. Danach verschwand er ganz und<br />

AURUL zögerte seine Identität und seinen Verbleib preiszugeben. AURUL teilte am 6.<br />

März mit, Thomas würde „in der nächsten Woche“ aus Australien zurückkehren.<br />

(Quelle: Ungarisches Umweltministerium: Elözetes Környezevedelmi...(vorläufige<br />

Evaluation), 23-03-00, www.ktm.hu: Einwohner aus Bozinta und Zazar, Isidor Sefciuc,<br />

Präsident der regionalen NRO „Eco-Carpatica“ und „der Stern“, Hamburg, 24-02-00)<br />

Am 28. Januar, als der Wasserspiegel im Becken sichtbar stieg, versäumte es<br />

AURULS Geschäftsführer, Phil(ipp) J. Evers, die offensichtlich notwendigen<br />

Maßnahmen einzuleiten:<br />

- das Wasser auspumpen und/oder<br />

- den Damm verstärken<br />

- die Öffentlichkeit, technische Einrichtungen, Armeeeinheiten etc. zu alarmieren<br />

um notwendige Hilfe zu erhalten<br />

11


Auf diese Weise ignorierte er auch die internationale Katastrophe, die er gerade dabei<br />

war, auszulösen.<br />

Stattdessen – am selben Tag, am 28. Januar, und während er den Wasserspiegel in<br />

Becken 3 steigen sah – teilte er seinem Arbeitgeber ESMERALDA in Perth, Australien,<br />

mit, dass er kündigen werde. Brett Montgomery, ESMERAL<strong>DAS</strong> leitender Manager, bat<br />

ihn, noch 4 Wochen zu bleiben.<br />

Als das Greenpeace-Team Baia Mare erreichte, erzählten uns Anwohner, Evers wäre<br />

gerade dabei seine Abreise vorzubereiten.<br />

... UND DIE KONSEQUENZEN<br />

Dieser Vorfall führte praktisch zur Ausrottung allen Lebens im „Mühlen-Kanal“ neben<br />

Becken 3, in den Flüssen Lapus und Somes als auch in der Theiss auf einer Länge von<br />

525 km in Ungarn und auf dem 150 km langen Streckenabschnitt von der ungarischjugoslawischen<br />

Grenze bis zur Mündung in die Donau in Serbien. Die Giftwelle bewegte<br />

sich im Fluss mit einer Geschwindigkeit von 3 bis 4 km/h. Immer dann, wenn die Flut<br />

ungarische Ortschaften passierte, registrierte das Labor der regionalen<br />

Aufsichtsbehörde für die obere Theiss – der führenden wissenschaftlichen Institution<br />

des Landes auf diesem Gebiet -, mit Sitz in Nyiregyhaza, die Abwesenheit jeglicher<br />

Mikroorganismen.<br />

(Quelle: Dr. Erdelics Barnabacs, Chefberater, und Sandor Szöke, Direktor der<br />

Aufsichtsbehörde im Gespräch mit Greenpeace am 25. Februar, 2000)<br />

Glücklicherweise gibt es aus Ungarn bisher keine Hinweise auf Gesundheitsschäden in<br />

der Bevölkerung. Das liegt an den bewundernswert gut koordinierten Maßnahmen zur<br />

Sperrung der Trinkwasserzufuhr entlang der Theiss und Versorgung mit frischem<br />

Wasser aus anderen Regionen in Kunststoffbehältern und Tankwagen. Voraussetzung<br />

hierfür war die frühzeitige Warnung seitens der rumänischen Regionalbehörden am 31.<br />

Januar, um 6:20 Uhr, 10 Stunden nach dem Dammbruch.<br />

Fast der gesamte Fischbestand der Theiss ist ausgerottet. 200 Tonnen – geschätzte<br />

15% des Gesamtbestandes im ungarischen Teil der Theiss – wurden u.a. aus dem<br />

Fluss gezogen, zum Beispiel Karpfen, Welse und Störe. Insgesamt 38 Arten wurden<br />

identifiziert, die zunächst in einer Sondermüllverbrennungsanlage in Dorog, im Westen<br />

Ungarns, verbrannt werden sollten. Die Behörden haben sich dann aber für die<br />

Einlagerung in Kühlhäuser entschieden, um die nötigen Beweismittel für ihre juristischen<br />

Auseinandersetzungen an der Hand zu haben.<br />

200 Tonnen (nochmal 15% vom geschätzten Gesamtbestand) wurden mit dem Strom<br />

nach Serbien getragen, der Rest ist vermutlich auf das Flussbett abgesunken. 900 -<br />

1.000 Tonnen verwesender Kadaver können, besonders im Frühling bei steigenden<br />

Temperaturen, zu einer erneuten Verpestung des Flusses und zu einer Gefährdung der<br />

Trinkwasserversorgung im südlichen Ungarn und in Serbien führen.<br />

(Quelle: der ungarische Umweltminister Pepo Pal in der Tageszeitung Kelet Magyarhorszag,<br />

26.02.2000)<br />

12


Alles in allem bietet die Theiss Lebensraum für 62 bekannte Fischarten, davon sind 20<br />

in ihrem Bestand gefährdet und geschützt. Einige davon sind endemisch, kommen also<br />

nur hier vor.<br />

(Quelle: MTI-Online (ungar. Nachrichtenagentur): Dossier „Cianszennyezödes“ vom März<br />

2000, http://www.mti.hu)<br />

Die Frage ist nun: wieviel Leben kann aus dem unberührten Oberlauf der Theiss und<br />

ihren Nebenflüssen in den Hauptstrom zurückkehren?<br />

Fischfressende Vögel haben am meisten gelitten, aber auch der Wildbestand und das<br />

Vieh. An den Plätzen, die Greenpeace zwischen 22. und 25. Februar besucht hat, war<br />

kein Leben zu sehen, nicht einmal die sonst allgegenwärtigen Krähen, Sperlinge und<br />

Bachstelzen hielten sich am Flussufer auf. Alle Otter und Biber im Fluss sollen getötet<br />

worden sein. Man hat tote Möwen, Reiher, Kormorane, Höckerschwäne und auch<br />

Füchse eingesammelt. Ende Februar wurden tote Esel und Pferde aus dem Wasser<br />

gezogen. Im Hortobagy-Nationalpark, das zum Flussgebiet der Theiss gehört, wurden<br />

jeweils ein toter und ein gelähmter Seeadler aufgefunden. Die Adler waren dort in<br />

einem zeit-, arbeits-, und kostenaufwendigen Programm über die letzten 15 Jahre<br />

wieder angesiedelt worden und hatten sich zu einer kleinen Population von 20 Tieren<br />

entwickelt.<br />

Wiederholte Fälle von Flussverunreinigungen weltweit haben gezeigt, wie sich das<br />

Leben in aquatischen Systemen im Laufe der Jahre wieder erholen kann. Experten<br />

bezweifeln jedoch, dass die ehemalige Qualität der Nahrungskette wieder voll<br />

hergestellt werden kann. Das künftige Leben in den Flüssen wird ärmer sein als zuvor,<br />

endemische Arten können aussterben und für immer verloren gehen.<br />

UND NOCH EINE GIFTWELLE<br />

Am 6. Februar 2000, landeten 1500 m³ Abwässer mit einer Zyanidkonzentration von 7<br />

mg/l (i.e. 10,5 Liter) aus einem Becken der REMIN-Gesellschaft bei Bozinta Mare<br />

(ungarisch: Nagybozinta) im Fluss Lapus. Ursachen hierfür waren die Fehlfunktion einer<br />

Neutralisations-Vorrichtung und nachlässige Handhabung. Die zuständige rumänische<br />

Behörde wertete dies als „kleineren Zwischenfall“ und die Betreiber wurden zu einer<br />

Geldstrafe von 16 Mio Lei verurteilt (900 US-Dollar).<br />

(Quelle: MTI-Online: Dossier „Cianszennyezödes“ vom März 2000, http://www.mti.hu)<br />

ZURÜCK IN RUMÄNIEN<br />

Familien aus den Ortschaften Bozenta Mare (ungarisch: Nagybozinta) wurden von den<br />

Behörden angewiesen, keinen Gebrauch von ihren Trinkwasserbrunnen zu machen.<br />

Zehn Familien erhielten Kunststofftanks mit frischem Wasser für ihre Rinder und es<br />

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wurden Flaschen für den persönlichen Bedarf verteilt. Eine ankommende Greenpeace-<br />

Gruppe wurde von den Bewohnern mit hochgehaltenen toten Fischen in Plastikbeuteln<br />

begrüßt. Fische werden dort traditionell verwendet, um die Qualität des Wassers in<br />

privaten Brunnen zu testen.<br />

Kinder mussten sich drei Tage lang immer wieder erbrechen, nachdem die giftige Flut<br />

an ihrem Ort vorbeigezogen war. Ein Tag nach der Katastrophe verließen die Frösche<br />

ihre Winterquartiere und starben auf der Straße. Hunde, die von den toten Fröschen<br />

gefressen hatten, waren einen Tag lang unfähig zu bellen oder sich zu bewegen.<br />

Bewohner aus Zazar hatten potentiell zyanid-verseuchtes Wasser, das im September<br />

und Dezember ´99 aus dem Rohrsystem der AURUL-Mine ausgetreten war,<br />

aufgesammelt und zuhause aufgehoben weil sie sich nicht trauten, die Proben in<br />

Rumänien analysieren zu lassen. Diese waren in halbgefrorenem Zustand als man sie<br />

an Greenpeace übergab. Die in Ungarn durchgeführten Analysen am 25. Februar<br />

wiesen einen Zyanid-Gehalt im Wasser von jeweils über 110 und 130 mg/l auf.<br />

Ungarische Behörden verbieten den Gebrauch von Trinkwasser bereits bei einem<br />

Gehalt von mehr als 0,1 mg/l in der Theiss. Die ursprünglichen Abwässer aus dem<br />

deffekten Becken hatten eine Konzentration von 405 mg/l.<br />

(Quelle: Analysebericht Nr. 188-20/200 des Labors der Umweltbehörde Obere Theis in<br />

Niregyhaza, Ungarn)<br />

Der Grenzwert der US EPA für Trinkwasser ist 0,005 mg/l, in Ungarn 0,01 mg/l, der<br />

Interventionswert, bei dem der Gebrauch von Flusswasser als Trinkwasser gestoppt<br />

wird, liegt bei 0,1 mg/l.<br />

Die höchste Konzentration in der Szamos (rum.: Somes) am 1. Februar um 8.30 Uhr lag<br />

bei 32,6 mg/l und verursachte ein massenhaftes Sterben von Fischen und anderen<br />

Tieren.<br />

(Quelle: Ungarisches Umweltministerium: Elözetes Ertekeles (Vorläufige Einschätzung)<br />

23.02.2000, http://ktm.hu)<br />

POLITISCHE REAKTIONEN<br />

Die ungarische Regierung hat formell Klage auf Schadensersatz wegen Verlusten und<br />

Schäden gegen Rumänien bei einem Gericht in Baia Mare eingereicht. Es gibt<br />

allerdings keine Haftungs-Klauseln in den relevanten bi- und multilateralen,<br />

internationalen Abkommen. Multilaterale Abkommen sind die von Bern (1979), Szeged<br />

(1986), Espoo (1991), Helsinki (1992) und Luganao (1993, noch nicht in Kraft).<br />

Bilaterale zwischen Ungarn und Rumänien wurden in Bukarest (1986,1997) und<br />

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Temesvar (1996) abgeschlossen. Bukarest 1997 wurde von Rumänien noch nicht<br />

ratifiziert.<br />

(Quelle: Heti Vilaggazdasag 19.02.00)<br />

Budapest plant auch einen legalen Prozess in Australien. Der australische<br />

Rechtsexperte Adam Bisits wies darauf hin, dass ein ähnlicher Vorfall in Australien bis<br />

zu 7 Jahren Gefängnis und 1 Mio Dollar Strafe für die verantwortliche Person oder das<br />

gesamte Management bedeuten könnte.<br />

(Quelle: Ungarisches Wochenblatt „Nepszabadsag“, 26.02.2000, S. 7)<br />

Das rumänische Bauministerium beabsichtigt, aus Sicherheitsgründen den kompletten<br />

Neubau des Rückhaltebeckens von AURUL zu fordern. Andere rumänische Behörden<br />

weisen darauf hin, dass sich eine solche Katastrophe jederzeit wiederholen könnte weil<br />

die Sicherheitsmaßnahmen ungenügend seien.<br />

(Quelle: ungarisches Wochenblatt „Hetek/mti“, 26.02.2000)<br />

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen AURUL aufgenommen und ist dabei<br />

die Arbeiter zu befragen.<br />

Nichtsdestotrotz haben sowohl der rumänische Umweltminister, wie auch das<br />

auswärtige Amt in Bukarest damit begonnen, das Ausmaß der Katastrophe<br />

herunterzuspielen und unterstützen AURUL/ESMERALDA bei der Abwehr von<br />

Schadensersatzansprüchen. Sowohl rumänische Politiker, als auch Manager der<br />

Goldmine behaupten, dass nur eine geringe Menge an toxischen Substanzen<br />

ausgetreten und eine direkte Verbindung zur Zerstörung von Leben in Ungarn somit<br />

nicht herstellbar sei.<br />

Die infamsten Vorwürfe kommen von Prof. Marcian Bleahu, ein gewählter Senator im<br />

rumänischen Parlament, der eine kleine Gruppe konservativer „Grüner“ anführt. Er teilte<br />

mit: „Ich kann nur tote Karpfen sehen, die möglicherweise von einer Fischfarm stammen<br />

und von den ungarischen Behörden den Medien vorgeführt werden.“<br />

Bleahu war Rumäniens Umweltminister in den frühen 90er-Jahren. Aufgrund massiver<br />

persönlicher Verstrickungen in mehreren Fällen von Giftmüllhandel mit westlichen<br />

Ländern, die von Greenpeace aufgedeckt wurden, musste er damals zurücktreten.<br />

(Quelle: Dutzende von Medienberichten in Rumänien und auf der ganzen Welt in 1992/93 und<br />

„RUMÄNIEN: THE TOXIC ASSAULT – (Toxic) Waste Imports 1986-92. A Greenpeace<br />

Report“, 100 Seiten, von Andreas Bernstorff et. Al., Hamburg und Amsterdam, Nov. 1992)<br />

Rumänische Quellen äußerten auch die Vermutung, Natriumhypochlorit könnte die<br />

mögliche Ursache für das Sterben von Fischen und anderen Tieren gewesen sein und<br />

wiesen deshalb jede Verantwortung von sich. In der Tat wird Natriumhypochlorit zur<br />

Neutralisation von Zyanid in den AURUL-Becken verwendet.<br />

Andererseits warf die politische Opposition den nationalen ungarischen Behörden vor,<br />

es versäumt zu haben eben diese oder eine andere chemische Substanz (Eisen-IIsulfat)<br />

zur Neutralisation des Zyanids zu verwenden. Stattdessen ließ die Umwelt-<br />

Aufsichtsbehörde der oberen Theiss, in Abstimmung mit dem Umweltministerium in<br />

Budapest, verlauten: „der Fluss ist kein Reagenzglas“. Dem Wasser wurden keine<br />

zusätzlichen toxischen Chemikalien beigemischt und es wird betont: „das Flusssystem<br />

kann nur aus eigener Kraft regenerieren“ mit etwas Unterstützung von aussen.<br />

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Der ungarische Premier Viktor Orban berief sich auf Experten als er feststellte, dass<br />

eine Behandlung mit Eisen-II-Sulfat nur am Ausgangspunkt der Katastrophe sinnvoll<br />

gewesen wäre, nämlich in Rumänien.<br />

(Quelle: Interview mit Magyar Radio, 15.02.00)<br />

Darüber hinaus erklärte der Unterstaatssekretär im ungarischen Umweltministerium,<br />

Janos Borbely, es wären - unter Berücksichtigung von Temperatur und<br />

Fließbedingungen in der Theiss – insgesamt 400 Tonen Eisen-II-sulfat in fester Form,<br />

jedoch aufgeteilt in 10.000 verschiedene Lösungen, nötig gewesen um die Zyanide zu<br />

neutralisieren – ein hoffnungsloses Unterfangen.<br />

(Quelle: MTI-Online Dossier „CIANSZENNYEZÖ<strong>DES</strong>“ vom März 2000)<br />

Zusätzlich kursieren noch Gerüchte in den rumänischen Medien, die fremde Mächte wie<br />

Serbien, Ungarn und den US-Fernsehsender CNN der Konspiration gegen das Land<br />

verdächtigen.<br />

(Quellen u.a.: Der bekannte rumänische Autor Dinescu in der Frankfurter Allgemeine Zeitung,<br />

18. Februar, 2000)<br />

Darüber hinaus werden ungenannte ungarische Unternehmen beschuldigt, die Gunst der<br />

Stunde zur Einleitung toxischer Rückstände in die Theiss genutz zu haben. Untermauert<br />

werden diese Anschuldigungen durch den wiederholten Hinweis, es habe auf<br />

rumänischer Seite kein Fischsterben in Lapus und Somes gegeben.<br />

Verschwiegen wird dabei, dass dort seit Jahrzehnten praktisch keine Fische mehr<br />

beobachtet wurden. Dieser Umstand wiederum ist den ehemaligen Aktivitäten der<br />

rumänisch-staatlichen Partner-Gesellschaft von ESMERALDA, REMIN zu verdanken,<br />

die bereits seit den 60er Jahren ein „offenes System“ der Zyanid-Auslaugung von Erzen<br />

für die Goldgewinnung betrieben hatte, wobei kleine Mengen an toxischen Substanzen<br />

kontinuierlich in den Fluss geleitet wurden (siehe oben).<br />

Die aggressive Haltung rumänischer Politiker auf internationaler Ebene wird besser<br />

verständlich, wenn man weiß, dass REMIN die jährliche Ausbeute von 1.6 Tonnen Gold<br />

und 9 Tonnen Silber ausschließlich an die Rumänische Nationalbank in Bukarest<br />

verkauft.<br />

(Quelle: „Hetek/MTI“ 26.02.00)<br />

Sieht man einmal von der internationalen Auseinandersetzung ab, muss andererseits<br />

darauf hingewiesen werden, dass die rumänischen Behörden ihre ungarischen<br />

Nachbarn verlässlich über das Unglück informiert haben. Dadurch war Ungarn in der<br />

Lage, rechtzeitig zu reagieren und die betroffene Bevölkerung vor vergiftetem<br />

Trinkwasser zu schützen (siehe oben).<br />

Macht AURUL weiter ?<br />

Am 29.Februar meldete die Deutsche Presseagentur dpa, die acht wichtigsten<br />

Anteilseigner von Esmeralda hätten beschlossen, nach Investitionen von zwei Millionen<br />

australischen Dollar, den Betrieb in Baia Mare wieder aufzunehmen.<br />

- ENDE -<br />

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Siehe hiernach die aktualisierenden Texte bei www.greenpeace.de<br />

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