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EP 695 351 Ein Patent auf die Züchtung des Menschen ...

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<strong>EP</strong> <strong>695</strong> <strong>351</strong><br />

<strong>Ein</strong> <strong>Patent</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong> <strong>Züchtung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong>.<br />

Menschliche Keimbahn im Visier der Gen-Konzerne<br />

Die Entnahme von Zellen aus menschlichen Embryonen, <strong>die</strong> gentechnische Manipulation<br />

<strong>die</strong>ser Zellen und <strong>die</strong> <strong>Züchtung</strong> gentechnisch manipulierter <strong>Menschen</strong> aus <strong>die</strong>sen Zellen - das<br />

sind <strong>die</strong> Zukunftsvisionen der Gen-Konzerne. Dies wird nur allzu deutlich offenbart durch das<br />

<strong>Patent</strong> <strong>EP</strong> <strong>695</strong> <strong>351</strong>, das das Europäische <strong>Patent</strong>amt in München am 8. Dezember 1999 erteilt<br />

hat. Nach der <strong>Patent</strong>ierung von Pflanzen, Tieren und menschlichen Genen, Zellen und Organen<br />

wurde nun auch der <strong>Ein</strong>griff in das Genom der menschlichen Keimbahn patentiert. <strong>Ein</strong><br />

Tabubruch und eine Missachtung der <strong>Menschen</strong>würde.<br />

Die Brisanz <strong>die</strong>ses <strong>Patent</strong>es erschließt sich erst <strong>auf</strong> den zweiten Blick. Was sich zunächst wie ein<br />

Verfahren zur gentechnischen Veränderung an Tieren liest, entpuppt sich beim genaueren Lesen als<br />

ein <strong>Patent</strong>, das den <strong>Menschen</strong> eindeutig mit einschließt.<br />

Die <strong>Patent</strong>inhaber verweisen ausdrücklich dar<strong>auf</strong>, dass von ihrem <strong>Patent</strong> der Mensch mit betroffen ist.<br />

So heißt es zur Bedeutung der Worte "tierische Zellen", <strong>die</strong> laut <strong>Patent</strong>schrift genmanipuliert und zur<br />

Aufzucht von Embryonen verwendet werden sollen: "In Zusammenhang mit <strong>die</strong>ser Erfindung soll der<br />

Begriff tierische Zelle alle Zellen von Tieren, insbesondere von Säugetieren, einschließlich <strong>des</strong><br />

<strong>Menschen</strong>, bedeuten."<br />

Das <strong>Patent</strong> umfasst demnach auch <strong>die</strong> Entnahme von Zellen aus menschlichen Embryonen, <strong>die</strong><br />

gentechnische Manipulation <strong>die</strong>ser Zellen und <strong>die</strong> "<strong>Züchtung</strong>" gentechnisch veränderter <strong>Menschen</strong><br />

aus <strong>die</strong>sen Zellen.<br />

Als unmittelbares Ergebnis <strong>des</strong> patent-geschützten Verfahrens sind auch <strong>die</strong> gentechnisch<br />

manipulierten menschlichen Embryonen und sich daraus möglicherweise entwickelnde <strong>Menschen</strong><br />

betroffen. Durch <strong>die</strong> Formulierung der Ansprüche wird der gentechnisch veränderte Mensch eindeutig<br />

selbst zum patentierten Produkt.<br />

Bereits das Verfahren zur Bereitstellung der Ausgangszellen bedeutet eine weitreichende<br />

Kommerzialisierung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong>, vor allem von menschlichen Embryonen, beispielsweise aus in<br />

vitro Befruchtungen oder von abgetriebenen Babys.<br />

Wirtschaftlich interessant kann <strong>die</strong> Aufzucht menschlicher Embryonen sowohl für <strong>die</strong> Bereitstellung<br />

von Organgewebe als auch für den <strong>Ein</strong>stieg in <strong>die</strong> "Keimbahnveränderung" sein: Für viele Forscher ist<br />

inzwischen <strong>die</strong> Manipulation der Keimbahn zum erklärten Ziel geworden. Dabei könnten sowohl<br />

"unerwünschte" Erbanlagen ausgeschaltet, als auch neue erwünschte Gene eingebaut werden.<br />

Gentechniker träumen davon, mit <strong>die</strong>ser Methode nicht nur den Körper (z.B. Größe, Geschlecht,<br />

Sportlichkeit), sondern auch den Geist (z.B. Intelligenz, Aggressivität) bestimmen zu können.<br />

Diese <strong>Ein</strong>griffe würden auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> nächste Generation vererbt: Da <strong>die</strong> Gene in Keimzellen (Eizellen<br />

oder Spermien) eingebaut werden, finden sie sich anschließend in allen Zellen, einschließlich der<br />

Keimzellen wieder. Der im Labor produzierte und patentierte Mensch ist damit in greifbare Nähe<br />

gerückt.<br />

<strong>Ein</strong> juristischer Skandal<br />

Jenseits der Frage, ob <strong>die</strong> <strong>Patent</strong>inhaber tatsächlich an der "<strong>Züchtung</strong>" gentechnisch<br />

veränderter <strong>Menschen</strong> arbeiten, handelt es sich um einen handfesten juristischen Skandal: Die<br />

genetische Veränderung der Erbanlagen <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> wird nicht nur durch verschiedene<br />

Gesetze verboten. Auch im <strong>Patent</strong>recht gibt es ausdrückliche Verbote der <strong>Patent</strong>ierung von<br />

Verfahren zur genetischen Manipulation <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> ("Keimbahnveränderung"). Die<br />

Bedeutung <strong>die</strong>ses Falles ist eine grundsätzliche: Das <strong>Patent</strong> ist nur <strong>die</strong> Spitze <strong>des</strong> Eisberges.<br />

Längst hat das Europäische <strong>Patent</strong>amt bei der <strong>Patent</strong>ierung von Pflanzen und Tieren, von<br />

menschlichen Genen und Teilen <strong>des</strong> menschlichen Körpers seine gesetzlichen Grundlagen<br />

überschritten. Völlig missachtet wird unter anderem <strong>die</strong> Vorschrift, dass keine <strong>Patent</strong>e erteilt


werden dürfen, <strong>die</strong> gegen - so wörtlich - <strong>die</strong> "guten Sitten" und <strong>die</strong> "öffentliche Ordnung"<br />

verstoßen (Art. 53a, Europäisches <strong>Patent</strong>übereinkommen), dass es also ethische Grenzen der<br />

<strong>Patent</strong>ierbarkeit geben muss.<br />

Die Juristen verstehen darunter "das Anstands- und Gerechtigkeitsgefühl aller billig und gerecht<br />

Denkenden". Gemeint ist eine in der Gesellschaft vorherrschende Rechts- und Sozialmoral. Mit<br />

<strong>Patent</strong>en <strong>auf</strong> Leben ist <strong>die</strong>ser Begriff von Moral grundsätzlich nicht in <strong>Ein</strong>klang zu bringen.<br />

Wirtschaftliche Verflechtungen <strong>des</strong> <strong>Patent</strong>inhabers<br />

Das <strong>Patent</strong> wurde für <strong>die</strong> Universität von Edinburgh erteilt. Nutznießer <strong>des</strong> <strong>Patent</strong>es ist <strong>die</strong><br />

australische Firma Stem Cell Sciences (SCS), <strong>die</strong> einen Exklusiv-Vertrag mit der Universität<br />

geschlossen hat. SCS arbeitet derzeit vor allem an der <strong>Züchtung</strong> von menschlichen<br />

Stammzellen, das heißt Zellen, <strong>die</strong> vor allem aus embryonalem Gewebe stammen und <strong>die</strong> noch<br />

nicht voll ausdifferenziert sind.<br />

Die entnommenen Zellen können gentechnisch verändert und zur <strong>Züchtung</strong> von Organen oder<br />

auch menschlicher Embryonen verwendet werden. SCS arbeitet hier eng mit der USamerikanischen<br />

Firma BioTransplant zusammen. BioTransplant hält einen Anteil von 30% an<br />

SCS. Gemeinsam arbeiten <strong>die</strong> Firmen an der Erschließung von neuen Quellen für Organe.<br />

Dabei werden Tiere gentechnisch so verändert, dass ihre Organe für den menschlichen Körper<br />

nicht mehr als fremd erkennbar sein sollen. <strong>Ein</strong>e andere Möglichkeit ist <strong>die</strong> <strong>Züchtung</strong><br />

menschlicher Organe aus embryonalen Zellen. BioTransplant unterhält seit Jahren eine enge<br />

Kooperation mit Novartis. Novartis war in den letzten Jahren einer der wichtigsten Geldgeber<br />

für BioTransplant.<br />

Die <strong>Patent</strong>ierung von <strong>Menschen</strong>, <strong>die</strong> kommerzielle Verwertung von <strong>Menschen</strong>, von menschlichen<br />

Embryonen, führt zu einer modernen Leibeigenschaft und zu einer völligen wirtschaftlichen<br />

Verfügbarkeit der menschlichen Existenz, <strong>des</strong> menschlichen Körpers und seiner Organe, <strong>die</strong> mit dem<br />

Begriff der <strong>Menschen</strong>würde unvereinbar ist.<br />

Kein <strong>Ein</strong>zelfall - <strong>die</strong> Salamitaktik <strong>des</strong> <strong>Patent</strong>amtes<br />

Das Europäische <strong>Patent</strong>amt hat durch seine Entscheidungen in den letzten Jahren <strong>die</strong> <strong>Patent</strong>ierung<br />

von Lebewesen systematisch ausgeweitet. Auch <strong>die</strong> Grenze zur <strong>Patent</strong>ierbarkeit <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> wird<br />

vom <strong>Patent</strong>amt systematisch überschritten:<br />

Schon 1981 wurden <strong>Patent</strong>e <strong>auf</strong> menschliche Gene beim Europäischen <strong>Patent</strong>amt angemeldet und<br />

einige Jahre später ohne jede öffentliche Diskussion erteilt (z.B. <strong>EP</strong> 0034306).<br />

Auch <strong>Patent</strong>e <strong>auf</strong> Teile <strong>des</strong> menschlichen Körpers, <strong>auf</strong> menschliche Zellen und Organe wurden bereits<br />

erteilt. <strong>Ein</strong> bekanntes Beispiel ist das <strong>Patent</strong> <strong>EP</strong> 343217, das Blut aus menschlichen Föten, aus<br />

Nabelschnur und Plazenta umfasst. Auch nach <strong>Ein</strong>schätzung <strong>des</strong> <strong>Patent</strong>amtes beinhaltet <strong>die</strong>ses<br />

<strong>Patent</strong> u.a. <strong>die</strong> wirtschaftliche Verwertung von menschlichen Embryonen und Föten. Dies ist nach der<br />

Auffassung der Prüfer aber kein Grund, das <strong>Patent</strong> zu widerrufen.<br />

Schließlich wurden bereits min<strong>des</strong>tens zwei <strong>Patent</strong>e erteilt, <strong>die</strong> auch genmanipulierte <strong>Menschen</strong> nicht<br />

explizit ausschließen:<br />

<strong>EP</strong> 563144 umfasst <strong>Menschen</strong> mit bestimmten Genen für Stressanfälligkeit. In Reaktion <strong>auf</strong> einen<br />

<strong>Ein</strong>spruch musste das <strong>Patent</strong>amt bekannt geben, dass der Mensch hier "durchgerutscht" wäre. <strong>EP</strong><br />

771874 umfasst Frauen, <strong>die</strong> gentechnisch so verändert sind, dass in ihrer Muttermilch bestimmte<br />

Arzneimittel gebildet werden.<br />

In <strong>die</strong>sen <strong>Patent</strong>en wurden Formulierungen gewählt, <strong>die</strong> es für nicht sachkundige Leser schwer<br />

machen zu erkennen, dass auch <strong>Menschen</strong> betroffen sind. Zunehmend werden in den <strong>Patent</strong>schriften<br />

Begriffe wie "Tiere", "Organismen" oder auch "Wirte" (d.h. Träger eines neuen Genes) gewählt, <strong>die</strong> <strong>auf</strong><br />

den ersten Blick nicht immer klar erkennen lassen, ob <strong>Menschen</strong> vom <strong>Patent</strong> betroffen sind.<br />

<strong>Patent</strong>rechtlich ist es aber unstrittig, dass in <strong>die</strong>sen Fällen immer <strong>die</strong> breiteste, d.h. <strong>die</strong> weitest<br />

gehende Auslegung gilt. Das bedeutet, dass der Mensch in <strong>die</strong>sen Fällen tatsächlich Gegenstand von<br />

<strong>Patent</strong>ansprüchen ist.<br />

Das <strong>Patent</strong> der Universität von Edinburgh hat aber eine neue Qualität: Ausdrücklich wird von Seiten<br />

der <strong>Patent</strong>inhaber dar<strong>auf</strong> hingewiesen, dass <strong>Menschen</strong>, <strong>die</strong> aus genmanipulierten menschlichen


embryonalen Zellen gezüchtet werden, im <strong>Patent</strong> beansprucht werden. Von unbeabsichtigtem<br />

"Durchrutschen" kann hier daher keine Rede mehr sein.<br />

<strong>Patent</strong>e <strong>auf</strong> <strong>Menschen</strong> - auch in Zukunft im Visier<br />

Das <strong>Patent</strong> zur <strong>Züchtung</strong> von <strong>Menschen</strong> ist zwar das erste derartige erteilte europäische <strong>Patent</strong>, aber<br />

andere sind bereits beantragt: Auch das <strong>Patent</strong> für <strong>die</strong> Klonierung von "Dolly" (WO 97/07669) schließt<br />

nach Auffassung der <strong>Patent</strong>inhaber unter der Formulierung "Tiere" den <strong>Menschen</strong> ein. Dieses in der<br />

Öffentlichkeit stark diskutierte <strong>Patent</strong> wurde unter <strong>die</strong>ser Vorgabe in England bereits erteilt, beim<br />

Europäischen <strong>Patent</strong>amt wurde der Antrag bereits eingereicht.<br />

Ebenfalls beim Europäischen <strong>Patent</strong>amt eingereicht wurde <strong>Patent</strong>antrag WO 93/00353 der Universität<br />

von Pennsylvania, der <strong>die</strong> gentechnische Veränderung menschlicher Spermien zum Inhalt hat.<br />

Es ist leider anzunehmen, dass das <strong>Patent</strong>amt gemeinsam mit der Industrie <strong>die</strong> Strategie verfolgt,<br />

möglichst alle Ausnahmen von der <strong>Patent</strong>ierbarkeit abzuschaffen. Nachdem <strong>die</strong> Große<br />

Beschwerdekammer am 20. Dezember 1999 <strong>die</strong> <strong>Patent</strong>ierung von Pflanzen und Tieren entgegen dem<br />

Wortlaut <strong>des</strong> Europäischen <strong>Patent</strong>übereinkommens für "rechtmäßig" erklärt hat, werden jetzt auch <strong>die</strong><br />

letzten Grenzen bei der <strong>Patent</strong>ierung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> zielgerichtet unterhöhlt.<br />

Greenpeace fordert:<br />

• Keine <strong>Patent</strong>e <strong>auf</strong> menschliche Gene, Zellen, Gewebe, Organe oder gar ganze <strong>Menschen</strong>.<br />

Teile von <strong>Menschen</strong> dürfen nicht zu Waren degra<strong>die</strong>rt werden, es darf keine Besitzansprüche<br />

<strong>auf</strong> <strong>Menschen</strong> geben.<br />

• Leben - auch das von Pflanzen und Tieren - ist keine Erfindung der Gen-Industrie und darf<br />

<strong>des</strong>wegen grundsätzlich nicht patentiert werden. Gen-Konzerne dürfen keine Besitzansprüche<br />

<strong>auf</strong> das gemeinsame Naturerbe, <strong>die</strong> biologische Vielfalt erheben. Die Manipulation von<br />

Mensch und Tier darf nicht zum Geschäft werden.<br />

Stand: Februar 2000

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