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Gewissen

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<strong>Gewissen</strong><br />

Für die Entscheidung zum sittlichen Handeln spielt<br />

das <strong>Gewissen</strong> eine wesentliche Rolle. Der Begriff<br />

wurde um 1000 in die deutsche Sprache eingeführt<br />

als Lehnwort für das lat. conscientia. Die gemeinte<br />

Sache findet sich aber schon im AT (Herz als Sitz<br />

des Denkens und Fühlens); im NT findet sich vor<br />

allem bei Paulus der Begriff "syneidesis", den er aus<br />

der griechischen Philosophie übernimmt, und der<br />

"das sittlich urteilende Selbstbewusstsein" meint.<br />

<strong>Gewissen</strong> - Umschreibungsversuche<br />

Sokrates (469-399)<br />

Das <strong>Gewissen</strong> ist etwas Göttliches, eine Stimme die dem<br />

Menschen von Jugend an innewohnt und ihn von Schlechtem<br />

abhält.<br />

Thomas von Aquin (1226-1274):<br />

Das <strong>Gewissen</strong> (synteresis) kann niemals irren und stimmt<br />

immer mit dem göttlichen Naturgesetz<br />

überein; es will immer das Gute und verurteilt das Böse.<br />

Mit dieser Anlage ist jeder Mensch natürlicherweise ausgestattet.<br />

Die Vernunft verarbeite dann die Grundsätze<br />

des <strong>Gewissen</strong>s zu logischen und richtigen Schlüssen; der<br />

Wille unterwerfe sich dann meistens den Schlüssen der<br />

Vernunft, manchmal aber auch nicht. Jetzt erst trete das<br />

handelnde <strong>Gewissen</strong> (conscientia) in Aktion in dreifacher<br />

Anwendung: es bezeugt, was getan oder nicht getan wurde;<br />

es entschuldigt oder klagt an; es warnt oder ermuntert.<br />

Immanuel Kant (1724-1804)<br />

Das <strong>Gewissen</strong> ist das Bewusstsein vom inneren Gerichtshof<br />

im Menschen<br />

Karl Marx (1818-1883)<br />

Das <strong>Gewissen</strong> ist das Ergebnis der historischen Entwicklung.<br />

„Ein Republikaner hat ein anderes <strong>Gewissen</strong> als ein<br />

Royalist, ein Besitzender ein anderes <strong>Gewissen</strong> als ein<br />

Besitzloser, ein Denkender ein anderes als ein Gedankenloser".<br />

Friedrich Nietzsche (1844-1900)<br />

„Das <strong>Gewissen</strong> ist die tiefste Erkrankung des Menschen,<br />

deshalb weg mit dem Wahn von Schuld und <strong>Gewissen</strong>.“<br />

Adolf Hitler (1889-1945)<br />

„Das <strong>Gewissen</strong> ist eine jüdische Erfindung, eine Verstümmelung<br />

des menschlichen Wesens. ... Ich befreie den<br />

Menschen von... der schmutzigen und erniedrigenden<br />

Selbstpeinigung einer <strong>Gewissen</strong> und Moral genannten<br />

Chimäre (=Ungeheuer)... An die Stelle des Dogmas von<br />

dem stellvertretenden Leiden und Sterben des göttlichen<br />

Erlösers tritt das stellvertretende Leben und Handeln des<br />

neuen Führergesetzgebers, der die Hasse der Gläubigen<br />

von der Last der freien Entscheidung entbindet.“<br />

Seit dem 19. Jh ist eine neue Grundlegung und Erforschung<br />

des <strong>Gewissen</strong>s geschehen, vor allem mit dem Aufkommen<br />

der Psychologie. Wichtige Theorien vom <strong>Gewissen</strong><br />

stammen z.B. von S. Freud, E. Fromm, C. G. Jung,<br />

Kohlberg<br />

Nach S. FREUD ist das <strong>Gewissen</strong>. weitgehend identisch<br />

mit dem Über-Ich, welches wiederum am Ende der frühen<br />

Kindheit entsteht. Den Triebwünschen des Kindes wurde<br />

von außen (z.B. durch die Eltern) mit Geboten und Verboten<br />

entgegengetreten. Das Kind übernimmt diese fremden<br />

Sichtweisen und verinnerlicht sie.<br />

Sprichwörter<br />

•Ein gutes <strong>Gewissen</strong> ist ein sanftes Ruhekissen.<br />

•Wenn man nicht froh ist, dann deshalb, weil mit dem <strong>Gewissen</strong><br />

etwas nicht in Ordnung ist.<br />

•Böses <strong>Gewissen</strong>, böser Gast, du hast weder Ruhe noch Rast.<br />

•Ein dürres Blatt kann ein böses <strong>Gewissen</strong> erschrecken.<br />

Welches der folgenden Bilder kommt deiner Einstellung zum<br />

<strong>Gewissen</strong> am nächsten?<br />

<strong>Gewissen</strong> ist wie ...<br />

- ein Gummiband, das immer länger wird<br />

- ein Wegweiser an einer Kreuzung<br />

- ein Code ohne Schlüssel<br />

- ein Paket, das ich noch nicht geöffnet habe<br />

- ein Schlachtfeld<br />

- ein Lotse<br />

- ein nagender Wurm<br />

- ein Hammer auf den Kopf<br />

- eine Verkehrsampel, die Unfällen vorbeugt<br />

- ........................................<br />

Stufen der <strong>Gewissen</strong>sentfaltung<br />

(nach Ernst Cloer)<br />

1.Anlage<br />

2.Gewöhnungsgewissen - die prä-morale Zeit, Zeit der<br />

total-autoritären häuslichen <strong>Gewissen</strong>sbildung (0-3 Jahre)<br />

3.Das Belehrungs- oder Identifikationsgewissen (4-10 J.)<br />

4.Das vorkritische Verantwortungsgewissen (zuerst als<br />

führungsbedürftiges, dann als ratsuchendes; 10-18 J.)<br />

5.Das selbstkritische Verantwortungsgewissen, das mündige<br />

<strong>Gewissen</strong><br />

<strong>Gewissen</strong> - in der Lehre der Kirche<br />

"Im Inneren seines <strong>Gewissen</strong>s entdeckt der Mensch ein<br />

Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen<br />

muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und<br />

zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen aufruft<br />

und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies,<br />

meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von<br />

Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen<br />

eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden<br />

wir. Nicht selten jedoch geschieht es, dass das <strong>Gewissen</strong><br />

aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne dass es dadurch<br />

seine Würde verliert. Das kann man aber nicht sagen,<br />

wenn der Mensch sich zu wenig darum bemüht, nach<br />

dem Wahren und Guten zu suchen, und das <strong>Gewissen</strong><br />

durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind<br />

wird." (Vaticanum II, Gaudium et spes n. 16)<br />

"Der Mensch hat das Recht, in Freiheit seinem <strong>Gewissen</strong><br />

entsprechend zu handeln, und sich dadurch persönlich sittlich<br />

zu entscheiden. Er darf also nicht gezwungen werden,<br />

gegen sein <strong>Gewissen</strong> zu handeln. Er darf aber auch nicht<br />

daran gehindert werden, gemäß seinem <strong>Gewissen</strong> zu handeln,<br />

besonders im Bereiche der Religion." (Kath. Katech.<br />

n 1782).<br />

Hilfen zur <strong>Gewissen</strong>sbildung:<br />

• Information über Sachverhalte<br />

• Kritisches Hinterfragen dessen, was "man" sagt und tut<br />

• Religiöse Information, Vorträge, Bücher, RU,<br />

• Gespräche<br />

• Bewusst Entscheidungen treffen (gut und böse abwägen)<br />

• Sachkundige und erfahrene Menschen fragen<br />

• Richtige Vorbilder wählen<br />

• Selbstkritik üben<br />

• Buße und Umkehr<br />

• Bibel und Geistliche Bücher<br />

• .....<br />

• ......<br />

• ......


Das <strong>Gewissen</strong> und die kirchliche Autorität:<br />

* Das Lehramt der Kirche formt das <strong>Gewissen</strong> der Gläubigen.<br />

Im Konfliktfall muss der einzelne - nach gründlichen Überlegungen<br />

- dem <strong>Gewissen</strong> folgen.<br />

* Das kirchliche Lehramt kann nicht jeder moralischen Situation<br />

und jedem Umstand gerecht werden.<br />

* Die Lehren der Kirche sind historisch bedingt.<br />

* Der einzelne sollte offen sein für das Lehramt, das aus einem<br />

gewissen Weitblick der historischen Erfahrung und aus<br />

den Quellen der Offenbarung ihre moralischen Hilfen formuliert.<br />

Der <strong>Gewissen</strong>skonflikt<br />

Der Einzelne kann in Ordnungen und Rechtssystemen (Staat)<br />

in seiner Entscheidung mit seinem <strong>Gewissen</strong> in Konflikt geraten<br />

(z.B. Abtreibung, Euthanasie, Jugendschutz, Jägerstätter).<br />

Kriterien zur Lösung von <strong>Gewissen</strong>skonflikten<br />

* Das persönliche <strong>Gewissen</strong> ist die letzte Entscheidungsinstanz<br />

* Allgemein anerkannte Normen kommen aus ethischen Urteilen,<br />

letztlich also aus dem <strong>Gewissen</strong>. Sie müssen beachtet<br />

und als Entscheidungshilfe gesehen werden.<br />

* Die Wertordnung ermöglicht eine Entscheidung. Man unterscheidet<br />

zwischen fundamental-höheren, sozialen und materiellen<br />

Werten.<br />

* Das Urteil der anderen unterstützt die Überlegungen. Es gilt<br />

zu fragen, ob der einzelne gegen das Urteil vieler oder aller<br />

anderen steht.<br />

Epikie (Abweichen vom Buchstaben, um den vom Gesetzgeber<br />

intendierten Sinn zu verwirklichen)<br />

Einige Regeln zur christlichen <strong>Gewissen</strong>sbildung<br />

- Die <strong>Gewissen</strong>sbildung muss zum Gebrauch der Freiheit führen<br />

- sie muss in Vertrauensatmosphäre geschehen<br />

- sie muss zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen führen<br />

- sie muss zur personalen Bindung an Christus führen<br />

- <strong>Gewissen</strong>sbildung muss auch Erziehung zur Vergebung und<br />

Umkehr sein.<br />

ALS CHRIST HANDELN<br />

Als Christ leben beinhaltet nicht nur den Glauben an Gott,<br />

sondern auch die Verwirklichung dieses Glaubens im alltäglichen<br />

Leben. Einheit von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe.<br />

Gottes Offenbarung an den Menschen:<br />

Schöpfung, Bibel, geistvolle Mitmenschen<br />

⇓<br />

Glaube, Hoffnung und Liebe als Antwort des<br />

Menschen, der Orientierung für die<br />

Lebensverwirklichung sucht;<br />

der Christ soll Heil und Sinn in diesem Leben<br />

erfahren.<br />

⇓<br />

Reaktion des Menschen durch Gottesdienst und Handeln<br />

aus dem Glauben.<br />

Bezeugen und Leben des Glaubens<br />

in allen Lebensbereichen<br />

⇓<br />

Zusammenleben der Menschen, Gemeinschaft, Familie,<br />

Ehe, Sexualität, Nachbarschaft, Staat, Arbeit, Freizeit,<br />

Erziehung, Bildung, Gewalt, Frieden, Strafe,<br />

Wahrheit, Medien, Gerechtigkeit;<br />

Fortschritt, Schöpfung, Umwelt, Gentechnik, Atom;<br />

das eigene Leben: Gesundheit, Schutz des Lebens<br />

am Anfang und Ende, Drogen, Sport, u.a.m.<br />

Grundlegende Modelle: Dekalog, Bergpredigt (vgl. dort)<br />

Soziale Steuerung<br />

menschlichen Verhaltens<br />

Das Handeln des Menschen wird mitbestimmt von<br />

den psychischen Motiven und auch von sozialen Einflüssen.<br />

Einen besonderen Einfluss auf das Handeln<br />

haben:<br />

1. Normen<br />

Sittennormen sind Regeln für das zwischenmenschliche<br />

Verhalten; sie ermöglichen Kooperation und entlasten<br />

den einzelnen von einer jeweils neuen Problemstellung;<br />

ihre Beobachtung zieht die Zustimmung,<br />

ihre Missachtung die Ablehnung nach sich<br />

(a-normal). Funktion der Normen:<br />

- Normen sind ein Ersatz für die mangelnde Instinktgebundenheit<br />

und -sicherheit des Menschen. Sie geben<br />

Orientierung, die zur Gestaltung des Lebens im<br />

sozialen Zusammenleben notwendig sind. Sie beruhen<br />

auf starken Erfahrungen, die sich bewährt haben.<br />

2. Die Rolle<br />

ist ein System von Erwartungen, welche die Gesellschaft<br />

(oder eine Gruppe) bestimmten Individuen entgegenbringt<br />

und die es diesen ermöglicht, in stabile<br />

und gesellschaftlich anerkannte Formen zwischenmenschlichen<br />

Verhaltens einzutreten. Die Rolle bedeutet<br />

eine soziale Einordnung des einzelnen (und<br />

somit Entlastung), sie kann aber auch zur Unfreiheit<br />

werden.<br />

3. Das Gesetz<br />

Das Gesetz ist eine Sittennorm, die durch eine Autorität<br />

aufgestellt und aufgrund der Macht der Autorität<br />

angenommen wird.<br />

Gesetze werden fragwürdig, wenn der Pflichtgedanke<br />

nicht mehr wirksam ist und die Beziehung zur Autorität<br />

fragwürdig ist.<br />

4. Macht<br />

Macht ist die Fähigkeit eines Menschen, seinen Willen<br />

gegenüber anderen Menschen durchzusetzen.<br />

Macht ist nicht von vornherein böse, kann aber leicht<br />

missbraucht werden.<br />

5. Die Autorität<br />

Autorität kommt von lat.: auctor, bzw. augere =<br />

Schöpfer, Vermehrer, Bürge. Autorität stellt eine soziale<br />

Grundfunktion dar, durch die Zusammenleben und<br />

Kommunikation in einer Gruppe ermöglicht und gefördert<br />

wird.<br />

Man unterscheidet heute:<br />

Sachautorität (sozial anerkannte Überlegenheit in<br />

Wissen, Klugheit und Können) - ihr entspricht die<br />

Bereitschaft sich Orientierung und Rat geben zu lassen.<br />

Persönliche Autorität (sozial anerkannte Überlegenheit<br />

in personalen und ethischen Qualitäten) - ihr entspricht<br />

Bewunderung, Nachahmung.<br />

Soziale (Amts- oder Leitungs-)Autorität (sozial anerkannte<br />

Leitungsfunktion aufgrund rechtlicher Ermächtigungen)<br />

ihr entspricht Gehorsam.<br />

Autorität richtig gehandhabt berücksichtigt:<br />

- Subsidiarität und Delegation (Partizipation)<br />

- Transparenz und Kommunikation<br />

- Information


WERTE<br />

1. Wertrelativismus<br />

Werte entstehen durch Wertungen:<br />

Subjektive Erfahrungen<br />

⇓<br />

Emotionale Reaktionen<br />

⇓<br />

verbale Bewertungen (Werturteile)<br />

⇓<br />

ähnliche Erfahrungen führen zu ähnlichen Wertungen<br />

diese werden zu einem intersubjektiven Maßstab<br />

(System)<br />

2. Wertabsolutismus<br />

Werte existieren und werden als gegeben angenommen.<br />

Es gibt unbedingte allgemeingültige Werte<br />

⇓<br />

diese können innerlich eingesehen werden (Intuition)<br />

⇓<br />

ihre Annahme ist ein irrationaler Akt, Glaubensakt<br />

⇓<br />

kritischer Einwand:<br />

verschiedene Weltanschauungen und Ideologien vertreten<br />

verschiedene absolute Werte<br />

∗<br />

Jede Gesellschaft begründet Grundwerte (z.B Freiheit,<br />

Gerechtigkeit und Solidarität). Solche Grundwerte, die<br />

von allen akzeptiert werden sind notwendig, damit eine<br />

Gesellschaft ein Rechtssystem begründen und aufbauen<br />

kann.<br />

Zu den Grundwerten zählen:<br />

∗ individuelle (Freiheit, Recht auf Leben, Religion)<br />

∗ soziale (Gleichheit, Brüderlichkeit, Rechtsstaatlichkeit,<br />

Mitbestimmung)<br />

ökonomische (Teilhabe an den Gütern der Erde, Arbeit,<br />

Eigentum)<br />

Grundrechte, die aus den Grundwerten abgeleitet werden,<br />

sind jene Rechte, die jedem Menschen aufgrund<br />

seiner Menschenwürde zustehen. Der Staat kann sie<br />

nicht bestimmen, nur garantieren. Sie sind in den Menschenrechten<br />

verankert.<br />

DAS GUTE<br />

Beschreibungen dessen, was „gut“ ist:<br />

Ehrfurcht vor allem Lebendigen (Schweitzer)<br />

Übereinstimmung mit der kosmischen Harmonie (Pythagoras)<br />

Vernunft, welche überall die rechte Mitte findet (Aristoteles)<br />

Vereinigung mit dem Göttlichen in der Seele (Mystik)<br />

Führung eines „naturgemäßen“ vernünftigen Lebens (Stoa)<br />

maßvoll genossene körperliche und geistige Freuden (Epikur)<br />

möglichst viel sinnliche Lust (Hedonismus).<br />

In der christlichen Tradition wird das sittlich Gute personal<br />

verstanden. Es besteht darin, dass sich der Mensch<br />

zu einer bejahenden, hörenden Haltung gegenüber dem<br />

Willen Gottes entscheidet; das Böse gründet in einer<br />

entsprechenden negativen Entscheidung. Dabei vermittelt<br />

sich die Entscheidung gegenüber Gott immer auch<br />

in einer innerweltlichen Stellungnahme, gegenüber den<br />

Mitmenschen und der Schöpfung und in der Haltung zu<br />

sich selbst (Einheit von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe).<br />

Das Gute der Person liegt in ihrem Geliebt-Sein und in<br />

ihrer Liebenswürdigkeit, die im Vollzug der Beziehung<br />

verwirklicht wird.<br />

Entscheidend für das sittlich Gute ist nicht primär die<br />

Richtigkeit und Normgemäßheit der äußeren Handlung,<br />

sondern das nach bestem Wissen und <strong>Gewissen</strong> getroffene<br />

<strong>Gewissen</strong>surteil und damit die Stellungnahme der<br />

handelnden Person.<br />

Tugend<br />

Tugend (vom Wort taugen, tauglich sein) bedeutete in<br />

der Antike, alles was hervorragend ist, sei es im physischen<br />

oder ethischen Leben eines Menschen. Bei den<br />

Römern bezeichnete man mit Tugend (virtus - Mannbarkeit)<br />

militärische Haltungen wie Kühnheit und Ausdauer<br />

in einer Schlacht. Heute verstehen wir unter Tugend eine<br />

innere Haltung, durch die wir unsere guten Ideale in<br />

das praktische Alltagsleben umsetzen.<br />

Unter Beachtung der Gegenstandsbereiche spricht man<br />

von göttlichen und von sittlichen Tugenden.<br />

Als göttlichen Tugenden (virtutes theologicae) werden<br />

jene bezeichnet, die sich unmittelbar auf Gott erstrecken<br />

, nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe: Durch<br />

den Glauben nehmen wir Gott als unsere letzte Bestimmung<br />

an, durch die Hoffnung werden wir zu ihm hingezogen,<br />

durch die Liebe vereinigen wir uns mit ihm.<br />

Jene Tugenden, die sich unmittelbar auf Geschöpfliches<br />

beziehen, werden als sittliche Tugenden (virtutes morales)<br />

bezeichnet.<br />

Schon in der vorchristlichen Zeit wurden vier wichtige<br />

sittlichen Tugenden zusammen genannt, um die sich das<br />

ganze sittliche Leben wie um Türangeln (lat. cardines)<br />

dreht, die Kardinal-Tugenden.<br />

• Klugheit - prudentia (sachgerecht das Gute verwirklichen)<br />

• Gerechtigkeit - justitia (jedem das Seine geben, wie<br />

es ihm zusteht)<br />

• Tapferkeit - fortitudo (auch unter Schwierigkeiten<br />

dem Guten treu bleiben)<br />

• Zucht, Maß - temperatia (stark sein gegen ungezügeltes<br />

Haben- und Genießenwollen).<br />

In der Bibel: In seinem Brief an die Galater zählt Paulus<br />

Tugenden und Laster auf (Gal 5,16-26).<br />

Die vier Kardinaltugenden werden meist durch Frauengestalten<br />

(mit Symbolen) dargestellt.<br />

Klugheit: Gestalt mit Spiegel und Schlange;<br />

Stelle bei Matthäus "Seid klug wie die<br />

Schlangen"; der kluge Mensch hält sich<br />

selbst den Spiegel vor, er denkt über sich<br />

nach<br />

Gerechtigkeit: Schwert und Waage;<br />

Schwert steht für Autorität - wer Recht<br />

spricht, muss Autorität haben; Waage für<br />

das Abwägen der guten und schlechten Taten;<br />

oft sind die Augen der Frau zugebunden<br />

- steht für Unparteilichkeit<br />

Mäßigkeit: zwei Gefäße zum Mischen<br />

von Wasser und Wein; dabei<br />

ist das richtige Maß wichtig; manchmal<br />

auch Zügel zum Einbremsen<br />

Tapferkeit: mit Säule; eine Säule<br />

muss zum Tragen stark sein<br />

Symbole für die drei göttlichen Tugenden:<br />

Glaube: Kreuz oder Kelch; blaue<br />

Farbe;<br />

Liebe: brennendes Herz, manchmal<br />

auch Mutter mit Kindern<br />

(Mutterliebe); rote Farbe;<br />

Hoffnung: Anker; grüne Farbe;


Moderne Tugenden<br />

„Zu den Tugenden, die den Menschen heute<br />

wahres menschsein möglich machen, zählen<br />

neben den klassischen Kardinaltugenden solche<br />

Grundhaltungen wie Aufgeschlossenheit, Zuverlässigkeit,<br />

Ehrfurcht, Toleranz, Friedensliebe<br />

und Solidarität. Die innere Gesinnung wird<br />

glaubwürdig, wenn sie sich in konkretem Tun<br />

bewährt: in der Gemeinschaft der Glaubenden<br />

und in der weltlichen Gesellschaft, im sozialen,<br />

politischen, wirtschaftlichen und ökologischen<br />

Handeln“. (Kath. Erwachsenenkatechismus Bd<br />

II, BRD S. 75)<br />

Tauglichkeitstest<br />

1. Verantwortungsbewusstsein; gekoppelt mit<br />

der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.<br />

2. Toleranz (das ist Wahrheitsliebe und Wahrung<br />

der Nächstenliebe).<br />

3. Friedensliebe, Bereitschaft zum Kompromiss<br />

und - notwendigerweise - auch zum<br />

Verzicht.<br />

4. Sachlichkeit (rechter Umgang mit Sachen<br />

und Sachverhalten als moderne Form der<br />

Frömmigkeit).<br />

5. Aufgeschlossenheit (das ist Streben nach<br />

geistigem Jungbleiben).<br />

6. Vorurteilslosigkeit.<br />

7. Ehrfurcht.<br />

8. Tapferkeit; d.h. Eintreten für die eigene Ü-<br />

berzeugung oder für den Schwächeren, dem<br />

Unrecht geschieht, ohne sich von Mächtigeren<br />

einschüchtern zu lassen.<br />

9. Kollegialität (gute Zusammenarbeit unter<br />

Zurückstellung persönlicher Ambitionen<br />

und gleichberechtigtes Verantwortlichsein<br />

gegenüber einer gemeinsam zu leistenden<br />

Aufgabe im Beruf).<br />

10.Geselligkeit (Kultivierung von Freizeit und<br />

Kurzweil statt Zeitvertreib, Griesgrämigkeit<br />

oder Possenreißertum).<br />

11.Diskretion (kluge Zurückhaltung im Reden<br />

und vor der Privatsphäre jedes anderen).<br />

12.Wiedergutmachung (Mitwirken an der Beseitigung<br />

von Schuldfolgen).<br />

13.Mitfreude als notwendige Ergänzung des<br />

Mitleids.<br />

14.Freundlichkeit (Ansprechbarkeit).<br />

15.Gelassenheit (verstanden als temperamentvolle<br />

innere Freiheit gegenüber dem Sog der<br />

Realität).<br />

16.Dankbarkeit (als freiwillige personale Antwort<br />

auf verpflichtungsfreies Helfen und<br />

Geben, wozu auch freies Bitten gehört).<br />

17.Zuverlässigkeit (versachlichte Treue).<br />

18.Selbstbeherrschung.<br />

19.Geduld (nach innen verlegte Tapferkeit).<br />

20.Demut (als wache Dienstbereitschaft).<br />

21.Glaubwürdigkeit (Leben nach meinen Worten).<br />

(nach R. Baumann).<br />

Wie sehe ich meine Tugenden?<br />

Wie sieht sie mein Freund/meine Freundin?<br />

Wie sehen sie meine Eltern?<br />

Wie sehen sie Menschen, die mich nur flüchtig<br />

kennen?<br />

Grundbegriffe der Ethik (vgl. Philosophie 8. Kl.)<br />

Ethik (griech.: ethos = Sitte, Charakter, Gewohnheit, Brauch, Leben<br />

nach der polis) ist ein Teil der praktischen Philosophie, die sich mit<br />

menschlicher Praxis, mit dem richtigen Handeln befasst.<br />

Moral (lat.: mores = Sitte, Brauch, Charakter) meint in der Tradition<br />

eine in einer gewissen Situation verwirklichte Ethik. Zur Moral gehören<br />

Normen, Standarts und Verhaltensweisen, die Kulturen und Gesellschaften<br />

dem Individuum verinnerlichen oder mit innerlichen Sanktionen<br />

durchsetzen.<br />

Die Moraltheologie (Theologische Ethik) versteht sich als Versuch,<br />

aus dem christlichen Glauben Konsequenzen für christliches Handeln<br />

zu ziehen. Für die katholische Moraltheologie sind dabei drei Quellen<br />

der Erkenntnis maßgebend:<br />

• die Vernunfteinsicht (ähnlich der Philosophie)<br />

• die biblischen Schriften<br />

• die Tradition der Glaubensgemeinschaft, z.B. Lehramt.<br />

VERSCHIEDENE ETHISCHE SYSTEME<br />

• Einteilung nach dem Ziel des Handelns<br />

1. Hedonismus (griech.:hedone = Lust; z.B.Epikur)<br />

2. Eudaimonismus (griech.: eudaimonia = Glück; z.B. Aristoteles, NT -<br />

Seligpreisungen, Thomas v.A.,...)<br />

3. Utilitaristische Ethik (lat.: utilis = nützlich)<br />

(Vgl. Philosophischer Einführungsunterricht)<br />

• Einteilung nach dem Ursprung der Verpflichtung des Handelns<br />

1. Autonome Ethik: Selbstbestimmung des sittlichen Handelns aus Einsicht<br />

in die Vernunftgemäßheit. (Z.B. Kant: Kategorischer Imperativ).<br />

2. Heteronome Ethik: Jede Ethik, in der Normen ohne Rücksicht auf<br />

vernünftige Einsicht von außen (aus naturhafter, sozialer, politischer<br />

Abhängigkeit) auferlegt werden.<br />

3. Theonome Ethik (griech.: theos - nomos = Gottes-Gebot). Das sittliche<br />

Sollen liegt im Gottesgebot begründet. Der Wille Gottes ist erkennbar<br />

und im Leben vollziehbar.<br />

− philosophisch theonom: aufgrund natürlicher Gotteserkenntnis<br />

− theologisch theonom: aufgrund der göttlichen Offenbarung.<br />

−<br />

• Situationsethik - Wesensethik<br />

Situationsethik: Die jeweilige Situation mit ihrer Einzigartigkeit und<br />

Unwiederholbarkeit wird als der entscheidende Maßstab für das sittliche<br />

Handeln angesehen. Sie leugnet allgemeine und zu jeder Zeit gültige<br />

sittliche Normen. (Gefahr: reiner Subjektivismus, Relativismus).<br />

Wesensethik<br />

− im engeren Sinn jede ewig gültige, unveränderbare, weder auf geschichtliche<br />

noch konkrete Situation des einzelnen Rücksicht nehmende<br />

Sittenlehre, da sie aus dem Wesen der Sache abgeleitet<br />

wird.<br />

− im weiteren Sinn jede Ethik, die auf ein allgemeingültiges Fundament<br />

von Normen aufbaut. (z.T. Naturrecht)<br />

• Naturrecht<br />

Aus den in der Natur wahrgenommenen Ordnungen und Gesetzmäßigkeiten<br />

folgerte man, dass die Welt und das menschliche Leben durch<br />

eine ihr zu Grunde liegende Setzung strukturiert sei. Aus derartigen<br />

Einsichten schließen die Naturrechtsethiker auf das Wesen des Menschen<br />

und gewinnen daraus allgemeingültige Normen.<br />

Das Christentum hat diese ursprünglich griechische Theorie weitgehend<br />

übernommen, indem es die Natur auf einen Schöpfergott zurückführte.<br />

Damit wurden Normen, die - mit Hilfe der Vernunft - aus der<br />

Natur gewonnen wurden, zugleich als Äußerungen des göttlichen Willens<br />

verstanden. Heute wird dieses Denken stark in Frage gestellt.<br />

• Teleologische und deontologische Ehtik<br />

Teleologische (telos griech. - der Zweck, das Ziel) Ethik bewertet die<br />

Richtigkeit der Handlung aus ihren vorhersehbaren Folgen. Handlungen<br />

sind dann gut, wenn die guten Folgen größer sind als die schlechten.<br />

Die deontologische (deon, griech.: die Pflicht) Ethik behauptet, dass<br />

es zumindest einige Handlungen gibt, die ohne Berücksichtigung ihrer<br />

möglichen Folgen immer und unter allen Umständen als sittlich falsch<br />

zu beurteilen sind, weil die gebotene Pflicht nicht erfüllt würde.

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