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Dudo von Eckardstein Wie Manager und Betriebsräte bei der ...

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114 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

<strong>Dudo</strong> <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong> *<br />

<strong>Wie</strong> <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> <strong>Betriebsräte</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong><br />

Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme miteinan<strong>der</strong><br />

umgehen **<br />

Der Autor referiert die Ergebnisse einer explorativen Studie über die Ausprägungen<br />

<strong>der</strong> Kooperation zwischen Management <strong>und</strong> Betriebrat <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung betrieblicher<br />

Entlohnungsmodelle in Österreich. Folgende Muster werden herausgestellt:<br />

Co-Management, Experten-Modell, Zwei-Parteien-Modell. Die Leistungen <strong>und</strong> Probleme<br />

dieser Muster werden beschrieben. Abschließend diskutiert <strong>der</strong> Verfasser Konsequenzen<br />

<strong>der</strong> Ergebnisse für die Gestaltung <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Management <strong>und</strong><br />

Betriebsrat <strong>und</strong> für die betriebliche Mitbestimmung.<br />

The author presents the main findings of a research study on patterns of cooperation<br />

between managers and representatives of the works council referring to the<br />

development of pay schemes in Austria. He describes three patterns of cooperation:<br />

co-management, an „expert-model“ in which the development of pay schemes is<br />

delegated to specialists in time study methods, and a „two-parties-model“. He<br />

evaluates the performance and the risks of these patterns within the Austrian<br />

industrial relations system. Finally the impact of different cooperation patterns<br />

on co-determination at company level is discussed.<br />

______________________________________________________________________<br />

* Dr. <strong>Dudo</strong> <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong> (Jg. 1939) ist Universitätsprofessor an <strong>der</strong> Wirtschaftsuniversität<br />

<strong>Wie</strong>n, Abteilung für Personalwirtschaft, Althanstraße 51, A-1090 <strong>Wie</strong>n.<br />

Ar<strong>bei</strong>tsgebiete: Personalmanagement, Unternehmensführung, Management <strong>von</strong> Non-Profit-<br />

Organisationen.<br />

** Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, den <strong>der</strong> Autor im Herbst 1996 <strong>bei</strong>m Workshop <strong>der</strong><br />

Kommission „Personalwesen“ des Verbandes <strong>der</strong> Hochschullehrer für Betriebswirtschaft<br />

e.V. in Bamberg gehalten hat.<br />

Artikel eingegangen <strong>und</strong> akzeptiert: 2.4.97.


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 115<br />

1. Einführung <strong>und</strong> Zielsetzung<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Struktur- <strong>und</strong> Anpassungskrise sehen sich viele Unternehmen veranlaßt,<br />

ihre bisherigen Strategien zu überprüfen. Schlagworte wie Lean Management,<br />

Qualitätsmanagement, Business Reengineering stehen als Kürzel für Bemühungen, die<br />

Leistungsprozesse in Unternehmen neu zu organisieren, um dadurch wettbewerbsfähiger<br />

zu werden. Bei dieser strategischen Umgestaltung wird <strong>von</strong> Unternehmensvertretern<br />

<strong>und</strong> Unternehmerverbänden auch die Frage nach <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit <strong>der</strong> Beibehaltung<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Regelungen <strong>der</strong> Austauschbeziehungen mit den Beschäftigten gestellt,<br />

die im Laufe <strong>der</strong> langanhaltenden Expansionsphase <strong>der</strong> Nachkriegswirtschaft entwickelt<br />

wurden. Die Frage wird gleichermaßen auf gesetzliche, tarifliche <strong>und</strong> betriebliche Regelung<br />

des Ar<strong>bei</strong>tslebens bezogen. Anschauliche Beispiele für die Schwierigkeit <strong>von</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ungen in diesem Feld bilden in Deutschland die Auseinan<strong>der</strong>setzung um die<br />

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall <strong>und</strong> in Österreich die Debatte um die Flexibilisierung<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tszeitregelungen.<br />

Mit dem folgenden Beitrag wird ein kleiner Ausschnitt aus diesem umfassenden<br />

Umstrukturierungsprozeß im Bereich <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen herausgegriffen. Es geht<br />

um die Frage, wie personalverantwortliche <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> <strong>Betriebsräte</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Anpassung<br />

<strong>von</strong> betrieblichen Entlohnungsmodellen, die nahezu zwangsweise <strong>von</strong> betrieblichen<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsprozessen berührt werden, miteinan<strong>der</strong> umgehen. In explorativer<br />

Absicht sollen die Beziehungen zwischen Management <strong>und</strong> Betriebsrat <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Überprüfung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung betrieblicher Entlohnungsmodelle beschrieben, zu Kooperationsmustern<br />

verdichtet <strong>und</strong> in Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> Grenzen vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen untersucht werden. Der vorliegende<br />

Beitrag stellt eine vorläufige Kurzfassung einer Untersuchung dar, die <strong>der</strong>zeit<br />

abgeschlossen <strong>und</strong> in Kürze veröffentlicht wird. 1<br />

2. Verortung <strong>der</strong> Beziehungen Management-Betriebsrat im System <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen<br />

2.1 Überblick<br />

Verhandlungsprozesse zwischen Management <strong>und</strong> Betriebsrat sind <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Arena des Systems für Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen zuzuordnen. Eine weitere Arena ist die<br />

kollektive, in <strong>der</strong> in Österreich die Kammern <strong>und</strong> Verbände als Vertretungen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer angesiedelt sind. Hier werden die Kollektivverträge (in<br />

Deutschland: Tarifverträge) zwischen <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftskammer<br />

ausgehandelt. Die dritte Arena ist die des Staates. Bei einer vereinfachten Betrachtungsweise<br />

kann man sagen, daß in <strong>der</strong> staatlichen Arena <strong>der</strong> Handlungsrahmen konstituiert<br />

wird, <strong>der</strong> das politische Handeln in <strong>der</strong> kollektiven <strong>und</strong> in <strong>der</strong> betrieblichen Arena<br />

kanalisiert. Die kollektive Arena steckt ihrerseits das Feld <strong>der</strong> politischen Prozesse in<br />

1<br />

<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>, D., Janes, A., Prammer, K., Wildner, Th.: Muster betrieblicher Kooperation<br />

zwischen Management <strong>und</strong> Betriebsrat. Die Entwicklung <strong>von</strong> Lohnmodellen im System<br />

österreichischer Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen, erscheint in Kürze.


116 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Arena ab <strong>und</strong> normiert – neben <strong>der</strong> staatlichen Arena – Mindeststandards<br />

<strong>der</strong> Austauschbeziehungen. Tatsächlich sind Arenen nicht strikt <strong>von</strong>einan<strong>der</strong> abgegrenzt,<br />

son<strong>der</strong>n über Kommunikationsprozesse <strong>und</strong> zum Teil über die Personalunion<br />

<strong>von</strong> Akteuren, die auf mehreren Ebenen in unterschiedlichen Rollen tätig werden, miteinan<strong>der</strong><br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

Die zu untersuchende Fragestellung bezieht sich schwerpunktmäßig auf die betriebliche<br />

Arena. Die betrieblichen Akteure haben <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung betrieblicher<br />

Entlohnungsmodelle auf die Vorgaben <strong>der</strong> Kollektivverträge als Begrenzungsfaktor<br />

Bedacht zu nehmen. Da in Österreich die Ar<strong>bei</strong>tgeber durch die Wirtschaftskammer <strong>bei</strong><br />

den Kollektivvertragsverhandlungen vertreten werden, <strong>der</strong> die Unternehmen als<br />

Pflichtmitglie<strong>der</strong> angehören, kommt den Kollektivverträgen quasi automatisch Allgemeinverbindlichkeitscharakter<br />

zu. Die ar<strong>bei</strong>tspolitische Option eines Unternehmens,<br />

aus dem Ar<strong>bei</strong>tgeberverband <strong>und</strong> dadurch aus <strong>der</strong> Verpflichtung des Tarifvertrags auszutreten,<br />

existiert hier somit nicht.<br />

2.2 Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen in <strong>der</strong> betrieblichen Arena<br />

Untersuchungen über die Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen in <strong>der</strong> betrieblichen Arena sind bislang<br />

eine Domäne industriesoziologischer Forschung (z.B. Weltz 1977; Kotthoff 1981;<br />

Kotthoff 1994; Müller-Jentsch 1986; Hildebrandt-Seltz 1989); wirtschaftswissenschaftliche<br />

Studien zum Verhalten <strong>von</strong> Management <strong>und</strong> Betriebsrat finden sich nur ausnahmsweise<br />

(Staehle/Osterloh 1985; Osterloh 1993). Demgegenüber erhalten in <strong>der</strong> betriebswirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> speziell personalwirtschaftlichen Literatur Aspekte <strong>der</strong> Mitbestimmung<br />

(z.B. Wächter 1983) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Partizipation wesentlich mehr Aufmerksamkeit,<br />

wo<strong>von</strong> nicht zuletzt auch das vorliegende Heft zeugt. Die Entwicklung <strong>von</strong> Lohnsystemen<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> betrieblicher Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen wurde meines Wissens<br />

bislang nicht untersucht, jedoch eine Schwächung <strong>der</strong> Betriebsratsposition im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Entlohnungssystemen festgestellt (Hirsch-<br />

Kreinsen 1995, S. 374). In methodischer Hinsicht herrscht Vielfalt vor. Typisch für die<br />

Untersuchungen zur Muster- bzw. Typenbildung scheint aber <strong>der</strong> qualitative Zugang zu<br />

sein (F<strong>und</strong>er 1995, S.85).<br />

Typologien <strong>von</strong> <strong>Betriebsräte</strong>n finden sich z.B. <strong>bei</strong> Bamberg u.a. (1984) <strong>und</strong> Kern/<br />

Schumann (1986), <strong>Manager</strong>typologien wurden z.B. <strong>von</strong> Böhle (1985; 1986) <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

Kern/Schumann (1986) aufgestellt. Typologien <strong>von</strong> Interaktionsmustern zwischen <strong>Betriebsräte</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>Manager</strong>n stammen insbeson<strong>der</strong>e <strong>von</strong> Brötz u.a. (1983) <strong>und</strong> Kotthoff<br />

(1981; 1994), Osterloh (1993), Schmidt/Trinczek (1989). Unsere Untersuchung gehört<br />

in den Zusammenhang <strong>von</strong> Interaktionsmustern zwischen Management <strong>und</strong> Betriebsrat.<br />

2.3 Das lohnspezifische Verhandlungssystem<br />

In formaler Hinsicht wird das Verhandlungssystem, dem unsere Untersuchung gilt,<br />

aus personalverantwortlichem <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>terbetriebsrat gebildet. Bei dem personalverantwortlichen<br />

<strong>Manager</strong> handelt es sich in größeren Unternehmen um den Personalleiter/die<br />

Personalleiterin <strong>und</strong> in kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen um eine<br />

Führungskraft, die das Personalressort neben an<strong>der</strong>en Aufgaben mitvertritt. Die Ein-


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 117<br />

schränkung auf den Ar<strong>bei</strong>terbetriebsrat, <strong>der</strong> in Deutschland als Institution nach dem Betriebsverfassungsgesetz<br />

nicht bekannt ist, wird deshalb vorgenommen, weil sich Entlohnungsregelungen<br />

typischerweise auf Ar<strong>bei</strong>ter beziehen. Für die <strong>von</strong> uns nicht betrachteten<br />

Gehaltsregelungen für die Angestelltenschaft wäre dem gegenüber <strong>der</strong> Angestelltenbetriebsrat<br />

in das Verhandlungssystem einzubeziehen.<br />

Personalverantwortliche <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>terbetriebsrat stehen in relativ enger<br />

Beziehung zu den im jeweiligen Entlohnungssystem tätigen Ar<strong>bei</strong>tern, zu den Führungskräften,<br />

die diesen Ar<strong>bei</strong>tern zugeordnet sind, <strong>und</strong> generell zu den übrigen Vertretern<br />

des Managements. Diese drei Gruppen werden <strong>der</strong> internen Umwelt des Verhandlungssystems<br />

zugerechnet, während die überbetrieblichen Interessensvertretungsorganisationen<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer zur externen Umwelt des Verhandlungssystems<br />

gerechnet werden. Die Beziehungen <strong>der</strong> Akteure des Verhandlungssystems<br />

untereinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> ergänzend zu <strong>der</strong> internen <strong>und</strong> <strong>der</strong> externen Umwelt sind<br />

Gegenstand unserer Untersuchung. Anhand dieser Beziehungen lassen sich Unterschiede<br />

in den gef<strong>und</strong>enen Mustern <strong>der</strong> Verhandlungssysteme deutlich machen.<br />

2.4 „Verbetrieblichung“ im System <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen.<br />

Ergänzend zu dieser formalen Verortung des Verhandlungssystems sind auf <strong>der</strong><br />

inhaltlichen Ebene Entwicklungen anzusprechen, die für die weitere Entwicklung betrieblicher<br />

Verhandlungssysteme <strong>von</strong> großer Bedeutung sind.<br />

Unternehmen, die dem Regelungsbereich ein <strong>und</strong> dessselben Kollektivvertrags unterliegen,<br />

unterscheiden sich oft u.a. hinsichtlich <strong>der</strong> unternehmensspezifischen Absatzmärkte,<br />

so daß sie zum Teil sehr unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt<br />

sind. Gerade am Beispiel <strong>von</strong> Lohn- <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tszeitregelungen läßt sich zeigen,<br />

daß einheitliche branchenweite o<strong>der</strong> gar landesweite Regelungen <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Vielfalt <strong>der</strong> Wettbewerbsstrukturen auf den verschiedenen Märkten, in denen die Unternehmen<br />

jeweils agieren, kaum mehr gerecht werden. Deshalb bemühen sich viele<br />

Unternehmen <strong>der</strong>zeit um die Entwicklung unternehmensspezifischer Lohn- <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tszeitmodelle.<br />

Als Ergebnis ist eine zunehmende Differenzierung betrieblicher Regelungssysteme<br />

insbeson<strong>der</strong>e im Ar<strong>bei</strong>tszeitbereich zu verzeichnen (Schmidt/Trinczek 1989).<br />

Der Bedarf an spezifischen Lösungen bedeutet eine Herausfor<strong>der</strong>ung für die kollektive<br />

Arena, da sie nach ihrem bisherigen Selbstverständnis auf die Schaffung einheitlicher<br />

Regelungssysteme für jeweils ganze Branchen ausgerichtet ist. Die Vereinheitlichung<br />

<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen ist ein wesentliches Ziel auf dieser Regelungsebene <strong>und</strong><br />

dient einerseits <strong>der</strong> Regulierung des Wettbewerbs, an<strong>der</strong>erseits wird sie als Ausdruck<br />

<strong>von</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Solidarität verstanden <strong>und</strong> soll im übrigen die Durchsetzungsmacht<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaft bündeln helfen. Die Diskrepanz zwischen betrieblichen Erwartungen<br />

nach spezifischen <strong>und</strong> dem überbetrieblichen Angebot allgemeiner Regelungen<br />

führt in <strong>der</strong> Tendenz zu einer Verlagerung <strong>von</strong> Entscheidungen über Gegenstände beson<strong>der</strong>er<br />

betrieblicher Relevanz (insbeson<strong>der</strong>e Lohnsysteme <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tszeitregelungen)<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> kollektiven auf die betriebliche Ebene. Die Unternehmensvertreter bemühen<br />

sich, die Entscheidungen in die betriebliche Arena zu ziehen, <strong>von</strong> <strong>der</strong> sie glauben, daß<br />

sie den betrieblichen Problemstellungen am nächsten steht.


118 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

Die Verlagerung <strong>von</strong> Entscheidungen in die betriebliche Arena erweitert <strong>der</strong>en<br />

Aufgabenspektrum <strong>und</strong> trägt zu ihrer Aufwertung <strong>bei</strong>. Zugleich stellt diese Tendenz die<br />

bisherige, über längere Zeit wenig bestrittene Aufgabenteilung zwischen den Arenen<br />

des Systems <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen in Frage. Es versteht sich <strong>bei</strong>nahe <strong>von</strong> selbst, daß<br />

eine <strong>der</strong>artige Verlagerungstendenz auch starke Gegenkräfte auslöst. Insbeson<strong>der</strong>e gilt<br />

dies für die kollektive Arena: Werden ihre Kompetenzen ausgehöhlt? Bedeutet dieser<br />

Prozeß eine Schwächung für sie <strong>und</strong> ihre Mitglie<strong>der</strong>? Welche Gegenstrategien werden<br />

die Akteure in dieser Arena, <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e die Gewerkschaften, ergreifen, um auf<br />

diese Entwicklung zu reagieren? In <strong>der</strong> Frage flexibler Ar<strong>bei</strong>tszeitregelungen zeichnen<br />

sich gegenwärtig neue Antworten auf diese Fragen ab. Doch insgesamt erscheint die<br />

Tendenz zur Verbetrieblichung in Österreich im Verhältnis zu den deutschen Entwicklungen<br />

geringer ausgeprägt zu sein. Der kollektiven Arena kommt hier insofern noch<br />

immer eine Sperrklinkenfunktion zu, als sie die Zustimmung zu unerwünschten betrieblichen<br />

Entlohnungs- <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tszeitregelungen über die Rückkoppelung <strong>von</strong> Betriebsrat<br />

<strong>und</strong> Gewerkschaft verhin<strong>der</strong>n kann.<br />

3. Methodisches Vorgehen<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Erhebungsmethode orientierten wir uns an <strong>der</strong> Kodelphi-Methode<br />

(Tschischej 1988). Das Kodelphi stellt eine Kombination <strong>von</strong> Brainstorming, schriftlicher<br />

Befragung <strong>und</strong> Diskussion im Rahmen eines Workshops dar. Anstelle einer schriftlichen<br />

Befragung führten wir teilstandardisierte Interviews mit betrieblichen <strong>und</strong> überbetrieblichen<br />

Akteuren auf <strong>der</strong> Basis eines in mehreren Brainstormingsitzungen des Projektteams<br />

erar<strong>bei</strong>teten Leitfadens durch.<br />

In den Interviews wurden ergänzend Elemente <strong>der</strong> zirkulären Fragetechnik angewandt<br />

(Königswieser/u.a. 1994, S. 25 f.; Conecta o.J., S. 8). Dadurch sollten Selbst<strong>und</strong><br />

Fremdsichten <strong>der</strong> Interviewpartner in das Interview miteinbezogen werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> betrieblichen Gesprächspartner wurde auf eine Streuung hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> in den Unternehmen praktizierten Entlohnungsmodelle<br />

geachtet. Zum an<strong>der</strong>en wurde auf persönliche Bekanntheit <strong>und</strong> Zugangsmöglichkeit abgestellt.<br />

Im einzelnen wurden jeweils ein personalverantwortlicher <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> ein<br />

Vertreter des Ar<strong>bei</strong>terbetriebsrats (in 5 <strong>von</strong> 6 Fällen <strong>der</strong> Betriebsratsvorsitzende, in einem<br />

Fall <strong>der</strong> stellvertretende Vorsitzende) aus 6 Unternehmen befragt, weiterhin je 3<br />

Vertreter <strong>der</strong> überbetrieblichen Interessenvertretungen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer bzw. <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />

(2 Vertreter <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terkammer, 1 Vertreter <strong>der</strong> Gewerkschaft Metall, Bergbau,<br />

Energie, 1 Vertreter <strong>der</strong> Wirtschaftskammer, 1 ehemaliger Vertreter <strong>der</strong> Wirtschaftskammer<br />

<strong>und</strong> 1 Vertreter <strong>der</strong> Vereinigung österreichischer Industrieller). Sämtliche Gesprächspartner<br />

sind – folgt man <strong>der</strong> gewerkschaftlichen Organisations-Klassifikation – dem Bereich<br />

Metall, Bergbau, Energie zuzurechnen bzw. stehen diesem nahe.<br />

Die Interviews wurden aufgezeichnet <strong>und</strong> transkribiert. Die Auswertung zur versuchsweisen<br />

Bildung vorläufiger Muster erfolgte in mehreren Klausuren <strong>der</strong> Projektmitglie<strong>der</strong>.<br />

In einem interaktiven Prozeß wurden zunächst mögliche Dimensionen zur<br />

Abgrenzung <strong>der</strong> Kooperationsmuster überprüft <strong>und</strong> nach weiterer Analyse des Datenmaterials<br />

schließlich festgelegt. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage wurden drei vorläufige Muster


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 119<br />

definiert. Ein Muster ist für uns eine typische Kombination <strong>von</strong> Ausprägungen <strong>der</strong> zuvor<br />

festgelegten Dimensionen. Die Zuordnung eines Unternehmens zu einem Muster<br />

gründeten wir jeweils auf die Aussagen eines „Tandems“, d.h. eines personalverantwortlichen<br />

<strong>Manager</strong>s <strong>und</strong> des interviewten Betriebsratsmitglieds desselben Unternehmens.<br />

Die Interviews mit den Vertretern <strong>der</strong> überbetrieblichen Interessensorganisationen<br />

dienten zur Schärfung <strong>und</strong> Abr<strong>und</strong>ung <strong>der</strong> Muster sowie zur Erfassung <strong>von</strong> Außensichten<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Verhandlungssysteme. Ergänzend wurde gegebenenfalls bestehendes<br />

Erfahrungswissen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Projektgruppe, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den<br />

hauptsächlich als Berater tätigen Mitglie<strong>der</strong>, in die Auswertung aufgenommen.<br />

Die gebildeten Muster wurden sodann im Rahmen eines Feedback-Workshops den<br />

daran teilnehmenden Interviewpartnern vor- <strong>und</strong> zur Diskussion gestellt. Dieser Rückkoppelung<br />

<strong>der</strong> vorläufigen Ergebnisse hatten wir folgende Funktion zugeschrieben: Einerseits<br />

wollten wir den Interviewpartnern für ihre Bereitschaft zur Teilnahme an diesem<br />

Projekt eine Art Gegenleistung anbieten, an<strong>der</strong>erseits sollte die Möglichkeit zur<br />

konzeptionellen Kritik an unserer Typologie eröffnet <strong>und</strong> zusätzliche Informationen<br />

eingeholt werden. In einem abschließenden Schritt wurden die Korrekturvorschläge <strong>und</strong><br />

Zusatzinformationen des Workshops verar<strong>bei</strong>tet, das Datenmaterial nochmals analysiert<br />

<strong>und</strong> die im folgenden vorzustellenden Kooperationsmuster definitiv festgelegt.<br />

4. Ergebnisse<br />

Im folgenden beschreibe ich zunächst die <strong>von</strong> uns herausgear<strong>bei</strong>teten Kooperationsmuster<br />

anhand mehrerer Kriterien. In einem zweiten Schritt beleuchte ich sie unter<br />

dem Aspekt, welche Leistungen sie <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung <strong>von</strong> Entlohnungssystemen<br />

vornehmlich erbringen <strong>und</strong> mit welchen Risiken sie behaftet sind.<br />

Nach unserer Einschätzung eignen sich die folgenden Kriterien zur Abgrenzung<br />

<strong>der</strong> Kooperationsmuster:<br />

Das Selbstverständnis <strong>von</strong> personalverantwortlichem <strong>Manager</strong> <strong>und</strong> Betriebsrat,<br />

die dem Lohnmodell zugeschriebene Funktion,<br />

die Initiative <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Konzeption eines Entlohnungssystems,<br />

die Akteure <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> konzeptionellen Ar<strong>bei</strong>t,<br />

die Charakterisierung des als Ergebnis <strong>der</strong> Verhandlungen vereinbarten Lohnmodells,<br />

die Form <strong>der</strong> Mitwirkung <strong>der</strong> überbetrieblichen Akteure,<br />

<strong>der</strong> Stellenwert, den die Akteure dem Kollektivvertrag <strong>bei</strong>messen.<br />

4.1 Drei Kooperationsmuster


120 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

Im Muster des Co-Managements 2 gehen die Akteure da<strong>von</strong> aus, daß sie durch gemeinsame<br />

Abstimmungsprozesse am ehesten ihre spezifischen, einerseits unternehmensbezogenen,<br />

an<strong>der</strong>erseits belegschaftsbezogenen Ziele realisieren können. Da<strong>bei</strong><br />

bringt je<strong>der</strong> Akteur Verständnis für die Ziele des jeweils an<strong>der</strong>en Verhandlungspartners<br />

auf <strong>und</strong> bezieht diese in seine eigenen Überlegungen <strong>und</strong> Vorschläge ein. Beide Seiten<br />

weisen einem Lohnmodell die Funktion zu, gleichermaßen einen Beitrag zur Effizienzsteuerung<br />

des Unternehmens <strong>und</strong> zur Einkommensverteilung zu leisten. Die Effizienz<br />

des Unternehmens wird auch vom Betriebsrat als unerläßliche Voraussetzung für die<br />

Realisierung belegschaftsbezogener Interessen eingeschätzt <strong>und</strong> findet <strong>von</strong> ihm entsprechende<br />

Beachtung. Unter dem Aspekt <strong>der</strong> Verteilung geht es um den Anteil <strong>der</strong> Belegschaft<br />

an <strong>der</strong> Wertschöpfung des Unternehmens gesamt.<br />

Die Initiative für Verän<strong>der</strong>ungen ergriff in den <strong>von</strong> uns untersuchten Fällen nicht<br />

regelmäßig eine Seite, son<strong>der</strong>n es gab sowohl Initiativen <strong>von</strong> Seiten des Managements<br />

als auch des Betriebsrats. Die konzeptionelle Ar<strong>bei</strong>t führten personalverantwortlicher<br />

<strong>Manager</strong> <strong>und</strong> Betriebsrat gemeinsam durch, wo<strong>bei</strong> sie in manchen Fällen Unterstützung<br />

<strong>von</strong> an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n aus dem Unternehmen hatten. Das jeweils entwickelte Ergebnis<br />

erscheint uns als eine pragmatische <strong>und</strong> problembezogene Lösung für die <strong>von</strong> <strong>bei</strong>den<br />

Seiten eingebrachten Interessen. Die Beteiligten scheuen sich nicht, hier<strong>bei</strong> gegebenfalls<br />

auch unkonventionelle, bislang noch nicht erprobte Wege zu gehen<br />

(v.<strong>Eckardstein</strong>/Janes 1995). Die überbetrieblichen Akteure sind in den Lösungsprozeß<br />

kaum eingeschaltet. Sie nehmen im wesentlichen das gef<strong>und</strong>ene Ergebnis zur Kenntnis,<br />

„segnen es ab“, bzw. in einem Fall verweigerte die Gewerkschaft ihre Zustimmung. In<br />

unseren Fällen gab es deutliche Unterschiede hinsichtlich <strong>der</strong> Art <strong>und</strong> Intensität <strong>der</strong><br />

Kommunikation zwischen „co-managendem“ Betriebsrat <strong>und</strong> Gewerkschaft. Der vorhandene<br />

Kollektivvertrag wird <strong>von</strong> den Akteuren des Verhandlungssystems als ein<br />

Rahmen begriffen, <strong>der</strong> entsprechend den spezifischen Interessen vor Ort genutzt werden<br />

muß <strong>und</strong> den man sich möglichst offen wünscht, damit genügend Optionen für eigene<br />

Reglungen möglich sind.<br />

Typisch für das Kooperationsmuster Expertenmodell erscheint uns die Auffassung<br />

<strong>der</strong> Akteure des Verhandlungssystems, daß betriebliche Entlohnungsmodelle einer starken<br />

Stützung durch die vorhandene ar<strong>bei</strong>tswirtschaftliche Methodenlehre bedürfen. Die<br />

Akteure vertrauen darauf, daß Experten <strong>bei</strong><strong>der</strong> Seiten sich als Fachleute am ehesten auf<br />

ein Entlohnungssystem verständigen können. Einem auf die ar<strong>bei</strong>tswirtschaftliche Methodenlehre<br />

gestützten Entlohnungsmodell wird die Aufgabe des Interessenausgleichs<br />

zwischen Effizienzsteuerung einerseits <strong>und</strong> Verteilungsinteressen an<strong>der</strong>erseits zugewiesen.<br />

Die Initiative zu Verän<strong>der</strong>ungen geht hier entwe<strong>der</strong> <strong>von</strong> Experten o<strong>der</strong> <strong>von</strong> Teilbetrieben<br />

des Unternehmens aus, wenn sie mit den bislang praktizierten Lösungen nicht<br />

mehr einverstanden sind. Die Ausar<strong>bei</strong>tung des Konzepts wird einem unternehmensinternen,<br />

paritätisch besetzten Expertenkreis zugewiesen, in dem im wesentlichen vom<br />

2<br />

Im Gegensatz zu manchen gewerkschaftsnahen Autoren verstehen wir diesen Begriff nicht<br />

abwertend <strong>und</strong> ideologisch belastet <strong>und</strong> verzichten auf die <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en Autoren gern verwendeten<br />

Anführungszeichen, z.B. Hirsch-Kreinsen (1995, S. 84).


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 121<br />

Management entsandte Ar<strong>bei</strong>tswirtschaftler sowie fachlich versierte Mitglie<strong>der</strong> des Betriebsrats<br />

vertreten sind. Die gef<strong>und</strong>enen Lösungen erscheinen eher konservativ <strong>und</strong><br />

weisen ein hohes Maß an Elaboriertheit auf. Zu den überbetrieblichen Akteuren besteht<br />

über die Mitwirkung <strong>der</strong> unternehmensinternen Experten in überbetrieblichen Gremien<br />

<strong>und</strong> Diskussionsforen eine gute Verbindung. Es gelingt den Experten oftmals, auf die<br />

Ar<strong>bei</strong>t im kollektiven Rahmen Einfluß zu nehmen. Die betrieblichen Akteure erwarten<br />

sich vom Kollektivvertrag einen Handlungsrahmen, an dem sie sich in Hinblick auf die<br />

Entwicklung betrieblicher Lohnmodelle orientieren können.<br />

Das Kooperationsmuster Zwei-Parteien-Modell sieht im Selbstverständnis <strong>der</strong> Akteure<br />

eine deutliche Rollentrennung vor: Den Vertretern <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeberseite obliegt es,<br />

Initiativen <strong>und</strong> Konzepte für die Entwicklung <strong>von</strong> Lohnmodellen zu entwickeln <strong>und</strong><br />

den <strong>Betriebsräte</strong>n vorzulegen. Diese sehen sich in einer Begutachterrolle. Sie überprüfen<br />

die Vorlagen des personalverantworlichen <strong>Manager</strong>s in Hinblick auf ihre Vereinbarkeit<br />

mit ihren eigenen Zielvorstellungen <strong>und</strong> weisen sie gegebenenfalls zurück, ohne<br />

sich selbst wesentlich an eventuellen Verän<strong>der</strong>ungsvorschlägen zu beteiligen. Der Betriebsrat<br />

läßt sich in konzeptionellen Ar<strong>bei</strong>ten nicht einbinden <strong>und</strong> geht an Vorlagen mit<br />

<strong>der</strong> kritischen Erwartung heran, daß Verän<strong>der</strong>ungen primär <strong>der</strong> ihn wenig interessierenden<br />

Effizienzsteuerung dienen sollen. Die Lösungen, so sie überhaupt zustandekommen,<br />

liegen dicht an den im Kollektivvertrag vorgesehenen Standardregelungen. Der<br />

Betriebsrat, <strong>der</strong> sich als Verlängerung <strong>der</strong> gewerkschaftlichen Organisation im Betrieb<br />

begreift, ar<strong>bei</strong>tet entsprechend eng mit Gewerkschaftsvertretern zusammen <strong>und</strong> stimmt<br />

jeden Schritt genau mit ihnen ab. Beide Seiten erwarten, daß <strong>der</strong> Kollektivvertrag unmittelbar<br />

anwendbare Lohnsysteme bereitstellt, so daß in <strong>der</strong> betrieblichen Arena <strong>der</strong><br />

Verhandlungsaufwand gering gehalten werden kann.<br />

5. Leistungen <strong>und</strong> Risiken <strong>der</strong> Kooperationsmuster<br />

Die Interviews <strong>und</strong> das Rückmelde-Workshop erbrachten eine Fülle <strong>von</strong> Informationen<br />

zu <strong>der</strong> Frage, welche Leistungs<strong>bei</strong>träge bzw. Chancen die betrieblichen <strong>und</strong><br />

überbetrieblichen Akteure den jeweiligen Kooperationsmustern zurechnen <strong>und</strong> worin<br />

sie ihre Risiken bzw. die Probleme sehen. Diese Einschätzungen werden nun in verdichteter<br />

Form zusammenfassend dargestellt. Sie vermitteln manche Hinweise zu einer<br />

weitergehenden Reflexion <strong>der</strong> Verhandlungssysteme. Ergänzend fragen wir, welche<br />

Bedeutung die Existenz <strong>der</strong> jeweiligen Kooperationsmuster für die Akteure auf <strong>der</strong> kollektiven<br />

Ebene aufweist.<br />

5.1. Leistungen <strong>und</strong> Risiken des Co-Managements<br />

Die beson<strong>der</strong>e Leistungsfähigkeit scheint darin zu bestehen, daß die betrieblichen<br />

Akteure auf einer partnerschaftlichen Ebene, die aus <strong>der</strong> wechselseitigen Anerkennung<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Positionen <strong>und</strong> Interessen erwächst <strong>und</strong> weniger auf formal-rechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen beruht, betriebsspezifische Entlohnungsmodelle entwickeln können, die<br />

nach Einschätzung <strong>der</strong> Beteiligten einen befriedigenden Ausgleich <strong>der</strong> Effizienz- <strong>und</strong><br />

Verteilungsinteressen <strong>der</strong> Beteiligten ermöglichen. Der Betriebsrat bringt aktiv eigene<br />

Lösungskompetenzen ein <strong>und</strong> erweitert dadurch die informatorische Basis, auf die sich


122 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

die Akteure <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung des Entlohnungsmodells stützen. In den <strong>von</strong> uns untersuchten<br />

Unternehmen gelang es dadurch, die Entlohnung jeweils in die personalpolitische<br />

Gesamtstrategie zu integrieren. Die Akteure verstehen es, die kollektivvertraglichen<br />

Spielräume voll zu nutzen. Es wurde deutlich, daß Co-Management ergänzend zu<br />

<strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> jeweiligen Rollen auch auf persönlicher Wertschätzung <strong>der</strong> handelnden<br />

Personen beruht <strong>und</strong> daß diese durch vertrauensvolle Beziehungen miteinan<strong>der</strong><br />

verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Hierin könnte aber zugleich auch eine Bruchstelle dieses Kooperationsmusters liegen:<br />

Sollten Ereignisse eintreten, die einen Akteur an <strong>der</strong> Aufrechterhaltung einer vertrauensvollen<br />

Beziehung zweifeln lassen, z.B. wenn ein Vertrauensbruch auf <strong>der</strong> emotionalen<br />

Ebene wahrgenommen wird, wenn ein Akteur sich im gef<strong>und</strong>enen Interessensausgleich<br />

überfahren fühlt, ist das Co-Management gefährdet. Angesichts <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Bedeutung <strong>der</strong> persönlichen Dimension reagiert dieses Verhandlungssystem sensibel<br />

auf den Austausch <strong>der</strong> handelnden Personen innerhalb des Verhandlungssystems<br />

bzw. in den kollektiven Organen, denen die Akteure des Verhandlungssystems zugehören<br />

(mehrköpfige Geschäftsleitung <strong>und</strong> Betriebsratkörperschaft). Darüber hinaus<br />

scheint eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Funktionieren dieses Kooperationsmusters<br />

auch darin zu bestehen, daß die Akteure sehr zurückhaltend mit dem Einsatz<br />

<strong>von</strong> gegebenenfalls verfügbaren Machtmitteln in <strong>der</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t umgehen. Das<br />

kann für „Mächtige“ als Schwäche wahrgenommen werden. Sowohl <strong>von</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeberseite<br />

wie <strong>von</strong> Betriebsratseite wurde auf die Gefahr hingewiesen, daß die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

eigenen Bezugsgruppen in <strong>der</strong> engen Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>der</strong> Akteure auch den Keim <strong>von</strong><br />

interessenpolitischer Illoyalität erblicken könnten, so daß die Akteure riskieren, den<br />

Rückhalt im eigenen Lager zu verlieren.<br />

Für die Akteure auf <strong>der</strong> kollektiven Ebene könnte Co-Management insbeson<strong>der</strong>e<br />

die folgenden Vorteile mit sich bringen: Es ermöglicht die Erprobung <strong>von</strong> Innovationen<br />

auf einzelbetrieblicher Basis gewissermaßen als Insellösung <strong>und</strong> vermittelt dadurch Erfahrungen<br />

bzw. Referenz<strong>bei</strong>spiele für die Fortentwicklung <strong>der</strong> Kollektivvertragspolitik.<br />

Es för<strong>der</strong>t gegebenenfalls die betriebsspezifische Adaption kollektiver Regelungen <strong>und</strong><br />

ermöglicht somit eine wechselseitige Ergänzung.<br />

Die daraus entstehende Lösungsvielfalt wird auf <strong>der</strong> kollektiven Ebene allerdings<br />

oft als problematisch für die Formulierung <strong>und</strong> Umsetzung einer einheitlichen Verbandspolitik<br />

empf<strong>und</strong>en. Dies gilt in beson<strong>der</strong>er Weise für die Ar<strong>bei</strong>tnehmerseite, die<br />

eine mögliche Verwässerung ihrer Positionen auf betrieblicher Ebene befürchtet. Das<br />

eher selbständige Agieren <strong>der</strong> Akteure im Co-Management wird darüber hinaus sehr<br />

schnell als Aufkündigung <strong>der</strong> Solidarität gegenüber dem eigenen Lager interpretiert.<br />

Sowohl für die Ar<strong>bei</strong>tnehmer- wie für die Ar<strong>bei</strong>tgeberseite erscheint es „verdächtig“,<br />

wenn sich die Akteure auf <strong>der</strong> betrieblichen Ebene zu enger Zusammenar<strong>bei</strong>t mit dem<br />

Ergebnis eigenständiger Lösungen zusammenfinden, wenn sie sich z.B. gar duzen. Es<br />

stellt sich dann die Frage, wie weit die betrieblichen Akteure noch „zu uns“ stehen.<br />

Diese Gefahr wird jedoch nicht gesehen, wenn die betrieblichen Akteure zugleich auch<br />

eine maßgebliche Position in <strong>der</strong> Meinungsbildung <strong>der</strong> kollektiven Arena einnehmen.<br />

In diesem Fall besteht die Chance, daß die auf <strong>der</strong> betrieblichen Ebene gef<strong>und</strong>enen Lö-


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 123<br />

sungen in das Repertoire kollektivvertraglicher Regelungen aufgenommen werden<br />

(B<strong>und</strong>esmann-Jansen/Frerichs 1995, S. 94 ff.).<br />

5.2 Leistungen <strong>und</strong> Risiken des Expertenmodells<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> vergleichsweise starken Methodenorientierung, die wir als typisch<br />

für dieses Verhandlungssystem bezeichnet haben, trägt dieses Modell zu einer „Versachlichung“<br />

betrieblicher Verteilungskonflikte <strong>bei</strong>. Dadurch lassen sich politische Fragen,<br />

die um die Steuerung <strong>von</strong> Effizienz bzw. um Verteilungsinteresssen kreisen, auf<br />

eine fachliche Ebene transportieren <strong>und</strong> sich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Autorität <strong>der</strong> Experten entscheiden.<br />

Deren fachliche Kompetenz erscheint im übrigen auch als nützlich, um möglicherweise<br />

noch nicht voll ausgereifte Entlohnungssysteme, <strong>der</strong>en Anwendung unerwartete<br />

Schwierigkeiten bereiten könnte, zu vermeiden. Freilich bewirkt die Betrauung<br />

<strong>der</strong> Experten <strong>bei</strong><strong>der</strong> Seiten auch eine gewisse disziplinäre Eigenständigkeit <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Lohngestaltung.<br />

Auf diese Weise führt die betriebliche Lohngestaltung ein Eigenleben <strong>und</strong> ist mit<br />

<strong>der</strong> ansonsten verfolgten Personalstrategie schwer abzustimmen. Im übrigen beruht dieses<br />

Verhandlungssystem auf <strong>der</strong> Verfügbarkeit spezialisierter Experten. Diese werden<br />

sich in kleineren <strong>und</strong> mittleren Betrieben kaum finden, so daß die praktische Bedeutung<br />

dieses Kooperationsmuster allenfalls für große Unternehmen gegeben ist, wo wir es<br />

konstatiert haben. Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> häufig behaupteten Starrheit des ar<strong>bei</strong>tswirtschaftlichen<br />

Methodenapparats ist im übrigen zu fragen, wie weit <strong>der</strong> Methodenf<strong>und</strong>us,<br />

auf den sich die Experten stützen <strong>und</strong> auf dessen Anwendung ihre berufliche<br />

Sozialisation <strong>und</strong> ihre Identität oftmals beruhen, in <strong>der</strong> Lage ist, die Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

den Produktionsverfahren aufzugreifen. Damit im Zusammenhang steht auch die Überlegung,<br />

daß <strong>der</strong> ar<strong>bei</strong>tswirtschaftliche Methodenapparat im wesentlichen inhaltlich bestimmt<br />

ist, aber für die Gestaltung des Prozesses <strong>und</strong> <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>von</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />

kaum Instrumente enthält. Für die überbetriebliche Ebene ist <strong>von</strong> <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>t verschiedener<br />

Experten in kollektiven Gremien ein höheres Maß an Elaboriertheit für die<br />

kollektiven Regelungen zu erwarten. Darüber hinaus för<strong>der</strong>t die Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>von</strong><br />

Experten <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Seiten sicherlich auch das wechselseitige Verständnis. Jedoch können<br />

wir nicht einschätzen, welche Bedeutung diesen Auswirkungen im Gesamtzusammenhang<br />

kollektiver Politik zukommt, zumal die Betonung des methodischen Apparates<br />

auch die Anpassungsgeschwindigkeit kollektiver Regelungen beeinträchtigen <strong>und</strong><br />

Erstarrungstendenzen för<strong>der</strong>n könnte. Gleichfalls ist zu fragen, ob die Betonung <strong>der</strong><br />

Methoden auch die Vielfalt <strong>von</strong> Lösungsmöglichkeiten verringert, die für unterschiedliche<br />

Teilbetriebe großer Unternehmen sinnvoll sein könnte.<br />

5.3 Leistungen <strong>und</strong> Risiken des Zwei-Parteien-Modells<br />

Die Leistungen dieses Kooperationsmuster ergeben sich quasi aus einer spiegelbildlichen<br />

Betrachtung des Co-Managements: Das Zwei-Parteien-System als Abbild <strong>der</strong><br />

kollektiven Verhandlungssysteme trägt dazu <strong>bei</strong>, die kollektiven Vereinbarungen auf


124 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Ebene zu realisieren. Die Rollen <strong>der</strong> betrieblichen Akteure im Verhandlungssystem<br />

sind eindeutig geklärt <strong>und</strong> <strong>von</strong>einan<strong>der</strong> abgegrenzt. Sie gelten unabhängig<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Besetzung mit konkreten Personen. Insofern erscheint das Zwei-<br />

Parteien-Verhandlungssystem als recht stabil gegenüber <strong>der</strong> Neubesetzung <strong>der</strong> Akteursrollen<br />

auf betrieblicher Ebene <strong>und</strong> gegenüber <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Politiken in den jeweiligen<br />

betrieblichen Kollektivorganen. Da es hier wenig auf persönliches Vertrauen<br />

zwischen den Akteuren ankommt, ist es für <strong>bei</strong>de Seiten auch möglich, <strong>bei</strong> sich bieten<strong>der</strong><br />

Gelegenheit Macht zur Realisierung <strong>der</strong> eigenen Interessen einzusetzen, ohne die<br />

Stabilität des Verhandlungssystems zu gefährden.<br />

Diese Stärken sind aber auch Schwächen: So dürften betriebsspezifische Lösungen<br />

für die Entlohnung weithin verhin<strong>der</strong>t werden. Da sich Anpassungen <strong>der</strong> Entlohnung an<br />

betriebsspezifische Situationen schwierig gestalten, werden notwendige Anpassungsprozesse<br />

eher dorthin verlagert, wo eine geringere Regelungsdichte sie zuläßt. Auch<br />

dürfte es schwerfallen, die Lohnmodelle mit <strong>der</strong> spezifischen betrieblichen Personalstrategie<br />

zu verbinden, sie folgen eher einer überbetrieblichen Logik. Die Nutzung <strong>der</strong><br />

Lösungskompetenz des Betriebsrats wird we<strong>der</strong> nachgefragt noch <strong>von</strong> diesem angeboten,<br />

so daß eine vorhandene Ressource verlorengeht. Per Saldo sehen wir das Problem<br />

vor allem darin, daß betriebliche Anfor<strong>der</strong>ungen in den Entlohnungsmodellen nur<br />

schwer aufgenommen werden können.<br />

Als Leistung für die überbetriebliche Ebene kann das Zwei-Parteien-System eine<br />

nahezu buchstabengetreue Umsetzung <strong>von</strong> Kollektivverträgen ermöglichen <strong>und</strong> die kollektive<br />

Ebene auf diese Weise vor Spannungen durch eine unübersichtliche, einen einheitlichen<br />

Kurs <strong>der</strong> Kollektivparteien in Frage stellende Lösungsvielfalt abschirmen,<br />

wie sie sich <strong>bei</strong> Verbetrieblichungtendenzen ergeben. Damit wird die Vereinheitlichung<br />

kollektiver Regelungen begünstigt, was jedoch angesichts differenzierter Bedingungen<br />

auf betrieblicher Ebene auch als Nachteil gewertet werden kann. Zu übersehen ist auch<br />

nicht die Möglichkeit einer gewissen Orthodoxie auf <strong>der</strong> kollektiven Ebene. Erfahrungslernen<br />

<strong>und</strong> kreative Fortentwicklung kollektiver Politik lassen sich unter diesen<br />

Umständen kaum erwarten.<br />

6. Fazit <strong>und</strong> weiterführende Überlegungen<br />

1. Die Ausführungen zu Leistungen <strong>und</strong> Risiken <strong>der</strong> drei Kooperationsmuster zeigen,<br />

daß eine allgemein verbindliche Bewertung angesichts unterschiedlicher Ziel- <strong>und</strong><br />

Situationskriterien unmöglich ist. Sowohl die Interviews wie die Diskussionen auf<br />

dem Rückmelde-Workshop lassen erkennen, daß es in allgemeinem Sinne gute<br />

o<strong>der</strong> schlechte Verhandlungssysteme nicht gibt. Im übrigen darf die vorgetragene<br />

Beurteilung in Hinblick auf die jeweiligen Kriterien nicht verabsolutiert werden.<br />

Vielmehr ist <strong>von</strong> Wirkungstendenzen auszugehen; ob daraus Wirkungen werden<br />

<strong>und</strong> wie diese im konkreten Fall beschaffen sind, ist jeweils eine Frage <strong>der</strong> Situation<br />

<strong>und</strong> des Verhaltens <strong>der</strong> Akteure.<br />

2. Die dargestellten Kooperationsmuster, die aufgr<strong>und</strong> einer explorativen Studie definiert<br />

wurden, haben den Charakter <strong>von</strong> Hypothesen. Eine breiter angelegte Studie<br />

könnte ein größeres Spektrum <strong>von</strong> Mustern erbringen. Wegen <strong>der</strong> Heterogeni-


<strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97) 125<br />

tät in unseren Fällen des Co-Managements, was die Beziehung Betriebsrat – Gewerkschaft<br />

anbelangt, wäre es eventuell möglich gewesen, die Muster weiter zu<br />

differenzieren <strong>und</strong> eine größere Zahl auszuweisen (wie stark die Einzelfälle <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Bildung <strong>von</strong> Mustern aggregiert werden, ist auch eine Frage des Ermessens <strong>der</strong><br />

Forscher). Immerhin bleibt festzuhalten, daß sich unterschiedliche Muster unter<br />

identischen rechtlichen <strong>und</strong> kollektivvertraglichen Regelungen entwickeln konnten.<br />

Dieses Ergebnis besagt u.a., daß die Gestaltung <strong>der</strong> Beziehungen zwischen<br />

den Akteuren auf <strong>der</strong> betrieblichen Ebene <strong>von</strong> außen nur im beschränkten Umfang<br />

normiert werden kann. Bemühungen um eine wie auch immer geartete Verän<strong>der</strong>ung<br />

rechtlicher Vorgaben finden ihre Begrenzung im Selbstverständnis <strong>und</strong> in <strong>der</strong><br />

wahrgenommenen Autonomie betrieblicher Akteure. In diesem Sinn plädiere ich<br />

für Zurückhaltung in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach neuen rechtlichen Normierungen, wie sie<br />

etwa Oechsler nachhaltig erhebt (Oechsler 1993, S. 709 ff sowie die hierzu 1994<br />

geführte Diskussion). „Erfolgreiche“ Kooperationsmuster scheinen mindestens<br />

ebenso <strong>von</strong> den Beziehungen <strong>und</strong> Sichtweisen <strong>der</strong> betrieblichen <strong>und</strong> überbetrieblichen<br />

Arena sowie <strong>von</strong> den Beziehungen <strong>der</strong> Akteure zwischen diesen Arenen abzuhängen<br />

wie <strong>von</strong> rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />

3. In diesem Sinne kann die Ausgestaltung <strong>von</strong> betrieblichen Kooperationsmustern<br />

zwar vorgegeben, aber nicht erzwungen werden. Wenn sie im wesentlichen autonom<br />

entstehen, werden sie aber zu einer strategischen Option für die betrieblichen<br />

Akteure. Aus unserer Untersuchung erwächst für sie die Konsequenz, das Kooperationssystem,<br />

in dem sie selbst agieren, zu reflektieren <strong>und</strong> über Alternativen<br />

nachzudenken, damit sie sich, unter bewußter Abwägung alternativer Optionen,<br />

proaktiv für ein Muster entscheiden können. Dieser Aspekt scheint eher neu zu<br />

sein: Bislang wurde die bewußte Gestaltung eines Kooperationsmusters zwischen<br />

den betrieblichen Akteuren in Hinblick auf die Entwicklung <strong>von</strong> Entlohnungsmodellen<br />

kaum als Entscheidungsproblem gesehen, für das die Akteure gemeinsam<br />

Verantwortung tragen. Eine Ausnahme stellt die gemeinsame Schrift <strong>der</strong> Bertelsmann-Stifung<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Hans Böckler-Stiftung zur Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>von</strong> Unternehmensführung<br />

<strong>und</strong> Betriebsrat dar, in <strong>der</strong> mehrere Autoren <strong>bei</strong><strong>der</strong> Seiten die Thematik<br />

diskutieren <strong>und</strong> über eigene Praxiskonzepte berichten (vgl. z.B. Schölzel<br />

1996; Rothenbacher/Horn 1996). Soweit die Thematik <strong>der</strong> Beziehungsgestaltung<br />

innerhalb <strong>von</strong> betrieblichen Verhandlungssystemen überhaupt angesprochen wird,<br />

geschieht dies vornehmlich in dem Sinn, daß eine Seite sich über das Verhalten<br />

o<strong>der</strong> die Strategie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beklagt. Wenig wird über den eigenen Beitrag zur<br />

Herausbildung eines Kooperationsmusters nachgedacht <strong>und</strong> darüber, was man im<br />

Rahmen eines Verhandlungssystems selbst tun kann, um eventuell ein an<strong>der</strong>es<br />

Muster zu erreichen (allgemeiner auch Wächter 1992, S. 336).<br />

4. Die vorgestellte Untersuchung bezieht sich auf einen eng gewählten Gegenstand,<br />

auf betriebliche Kooperationsmuster in Unternehmen einer bestimmten Branche in<br />

Österreich mit Blick auf betriebliche Entlohnungsmodelle. Eine weitere Einengung<br />

ergibt sich aus <strong>der</strong> Methode, indem nur eine relativ kleine Zahl <strong>von</strong> Unternehmen<br />

in die Betrachtung einbezogen <strong>und</strong> entsprechend ein kleiner Ausschnitt <strong>der</strong> Ar-


126 <strong>von</strong> <strong>Eckardstein</strong>: Entwicklung <strong>und</strong> Einführung betrieblicher Entlohnungssysteme (ZfP 2/97)<br />

<strong>bei</strong>tsbeziehungen ohne Anspruch auf Repräsentativität ausgeleuchtet wurde. Aufgr<strong>und</strong><br />

unserer Erfahrungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> angeführten Studien vermuten<br />

wir jedoch, daß die <strong>von</strong> uns formulierten Kooperationsmuster auch als Hypothesen<br />

für an<strong>der</strong>e Branchen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Regelungsgegenstände wie z.B. Ar<strong>bei</strong>tszeit<br />

in Österreich gelten können. In Anbetracht mancher Parallelen zwischen den Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen<br />

in Österreich <strong>und</strong> Deutschland halten wir es auch für zulässig,<br />

unsere Kooperationsmuster als Hypothesen auf Deutschland zu beziehen.<br />

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