Dr. Gerd Habermann Leiter des Unternehmerinstituts der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V., Dozent an der Universität Potsdam, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung. Verfasser zahlreicher Bücher und Essays, darunter: l Der Wohlfahrtsstaat. Die Geschichte eines Irrwegs (bei Ullstein), l Der Weg zum Wohlstand. Ein Adam-Smith-Brevier (Ott-Verlag 2002). 44 HARTING tec.News 10-II-2002
tec. T o p t h e m a MANAGEMENT Ethik und Unternehmertum Dr. Gerd Habermann E s war die Entdeckung der schottischen Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts, der Ferguson, Adam Smith, David Hume und vor ihnen des französischen Arztes Mandeville, dass gerade der durch Moral, Recht, Wettbewerb und Streben nach Anerkennung gebändigte Eigennutz der stärkste Motor für das Allgemeinwohl sei. Allgemeinwohl verstanden als bestmögliche Versorgung der Gesellschaft mit Gütern und Dienstleistungen durch umfassende Handlungsfreiheit der Bürger. Das „wohlverstandene Eigeninteresse“ wurde bei diesen Theoretikern zu einer ethischen Kategorie. Es gibt die bekannte Geschichte vom fränkischen Ritter Martin, der, als er einen frierenden Bettler am Wegesrande sah, seinen Mantel mit dem Schwerte teilte und dem Bettler die eine Hälfte davon herunterreichte. Für diese Tat wurde er heilig gesprochen. Aber ist dieses Teilen wirklich die bestmögliche Antwort auf ein ökonomisches oder soziales Problem? Ein unternehmerisch gesinnter Martin würde wohl eher hingehen, eine Mantelfabrik gründen, Mäntel produzieren und dem Bettler einen Arbeitsplatz anbieten, so dass er sich nun einen Mantel kaufen könnte statt darum zu betteln. Dies ist die Ethik und das Ethos des Unternehmers! Welche Ethik stiftet einen größeren Nutzen? Denn dafür ist ja alle Ethik da. Sie soll dazu beitragen, die menschliche Wohlfahrt zu vermehren. Hier der Bettler mit dem halben Mantel auf der Straße, dort ein neu geschaffener Arbeitsplatz, mit einem Arbeitnehmer, der von seiner Arbeit leben kann und darum nicht mehr betteln muss. Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein. Im Falle Martins haben wir nur einen Heiligen mehr, aber keinen Armen weniger. DIE PFLICHT DES UNTERNEHMERS Das, was für den Unternehmer wie für den Arbeitnehmer subjektiv nützlich ist, ist es auch für die Gesamtheit: Eigeninteresse wird in allgemeinen Vorteil verwandelt. Es ist darum die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Unternehmers, ein „guter“ Unternehmer in dem Sinn zu sein, dass er nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Prinzips, den Mitmenschen eine möglichst nützliche Leistung erweist, sein Unternehmen fit hält und produziert. Die zentrale ethische Bedeutung des Unternehmers liegt darin, dass er, aus wohlverstandenem Eigennutz die Bedürfnisse anderer Menschen befriedigt, d. h. deren Knappheiten vermindert und ihre Freuden steigert. So ist es seine erste Pflicht und Schuldigkeit, die vorhandenen Güter nicht zu „teilen“, sondern sie zu vermehren. Durch das „Teilen“ des Vorhandenen kommt nicht ein zusätzliches Brot auf den Markt. DIE EINHALTUNG MORALISCHER REGELN ALS HANDLUNGS- PRÄMISSE UNTERNEHMERISCHEN WIRKENS Es ist nicht nur verwerflich, moralische Regeln zu verletzen. Es ist auch außerordentlich dumm – zumindest auf längere Sicht. So ist ja nicht nur die ökonomische Machtstellung, die ein Unternehmer auf den Märkten innehat und die auf den guten Meinungen der Kunden beruht, ein Wettbewerbsfaktor; mitentscheidend für seinen Erfolg ist vielmehr auch die Reputation. Es gibt auch einen Reputationswettbewerb. Vielleicht kann man Laufkundschaft oder den Kunden am orientalischen Basar ungestraft übervorteilen. Bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen – und diese charakterisieren die heutige Wirtschaftswelt – rächt sich unternehmerisches Fehlverhalten bald. Das Ethos des guten Unternehmers zeigt sich in allen unternehmerischen Situationen: in der Führung der Mitarbeiter, im Umgang mit seinen Gesellschaftern, in der Publizitätspolitik, bei Rationalisierungen, bei der Gründung wie bei dem Ende eines Unternehmens, bei allen Maßnahmen zur Sicherung des Unternehmensbestandes durch Gesellschaftsvertrag, bei der Nachfolgeregelung, bei der Entscheidungsoptimierung durch die Bildung eines Beirates. Und selbst im Untergang, wenn rechtzeitiges Aufgeben nicht möglich war: Wer in dieser Situation „Haltung“ gegenüber Gläubigern, der allgemeinen Öffentlichkeit und speziell auch den Mitarbeitern bewahrt, wer nicht die Fassung verliert, der hat bereits die Grundlage für den kommenden Wiederaufstieg gelegt. Aufgabe des Unternehmers ist es, Nachfrage nach Produkten und Leistungen auf wirtschaftlichste Weise zu befriedigen und dabei Arbeit und Kapital wettbewerbsfähig zu verzinsen. Damit dient er dem Gemeinwohl und damit bedient er sowohl Shareholder- als auch Stakeholderinteressen optimal. Denn, wenn es den Unternehmen gut geht und nur dann kann es auch den Mitarbeitern, den Aktionären, dem Staat und der Gesellschaft insgesamt gut gehen. 45 people | power | partnership