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Nephrotisches Syndrom im Kindesalter - Hauner Journal

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Dr. von Hau nersche s K i nderspit a l–L M U<br />

|<br />

<strong>Nephrotisches</strong> <strong>Syndrom</strong> <strong>im</strong> <strong>Kindesalter</strong><br />

Dr. med. Marcus R. Benz<br />

WAS IST EIN NEPHROTISCHES SYNDROM?<br />

Das nephrotische <strong>Syndrom</strong> <strong>im</strong> <strong>Kindesalter</strong> ist definiert durch<br />

die Symptome große Proteinurie (große Eiweißausscheidung)<br />

über 1 g/m2 x d und Hypoalbuminämie (erniedrigtes Albumin<br />

<strong>im</strong> Serum) unter 2,5 g/dl. Zusätzlich bestehen meist Ödeme<br />

(Wassereinlagerung) und eine Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte),<br />

diese Befunde sind nicht obligat, jedoch bei Erstmanifestation<br />

fast <strong>im</strong>mer vorhanden.<br />

Das nephrotische <strong>Syndrom</strong> beschreibt demnach einen Symptomenkomplex.<br />

Diesem können verschiedenste Erkrankungen<br />

und Ursachen zugrunde liegen. Nach den Ursachen lässt sich<br />

das so genannte idiopathische (pr<strong>im</strong>äre) nephrotische <strong>Syndrom</strong><br />

von symptomatischen (sekundären) Formen des nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>s <strong>im</strong> Rahmen anderer Grunderkrankungen (z.B. <strong>im</strong>munologische<br />

Systemerkrankungen, metabolische Erkrankungen,<br />

chronische Infektionen, Intoxikationen,...) und den seltenen Formen<br />

des kongenitalen (angeborenen) nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s<br />

abgrenzen. Die eigentliche pathoanatomische Diagnose ist nur<br />

durch eine Nierenbiopsie zu stellen. Im Folgenden wird sich<br />

dieser Artikel mit der idiopathischen Form des nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>s befassen, die <strong>im</strong> <strong>Kindesalter</strong>s mit ca. 90% deutlich<br />

überwiegt.<br />

IN WELCHEM ALTER TRITT EIN NEPHROTISCHES SYNDROM<br />

VORWIEGEND AUF?<br />

Das idiopathische nephrotische <strong>Syndrom</strong> betrifft überwiegend<br />

Kinder in einem Alter zwischen 2 - 5 Jahren und hat eine<br />

leichte Knabenwendigkeit (Jungen:Mädchen = 2:1). Interessanterweise<br />

betrifft die Erkrankung asiatische Kinder wesentlich<br />

häufiger als Kinder europäischen Ursprungs und tritt bei afrikanischen<br />

Kindern seltener auf.<br />

WIE ZEIGT SICH EIN NEPHROTISCHES SYNDROM?<br />

Im Vordergrund stehen die sich innerhalb von Tagen bis<br />

Wochen entwickelnden Ödeme (Wassereinlagerungen). Diese<br />

werden erkennbar sobald die Flüssigkeitseinlagerung ca.3 - 5%<br />

des Körpergewichts beträgt. Da die Ödeme der Schwerkraft<br />

folgen, sind sie stark lageabhängig. Typisch ist das Auftreten von<br />

Lidödemen am Morgen und Unterschenkelödemen am Abend.<br />

Sie hinterlassen Spuren be<strong>im</strong> Eindrücken der Haut (z.B. auch<br />

durch Kleidungsstücke wie z. B. Strümpfe). Im Verlauf können<br />

sich die Flüssigkeitseinlagerungen auch an Rücken oder in der<br />

Genitalregion (Hoden) bemerkbar machen und Flüssigkeitsansammlungen<br />

in Körperhöhlen (Aszites, Pleuraerguss,...) entstehen.<br />

Parallel kommt es zu einer raschen Gewichtszunahme<br />

und Abnahme der Urinausscheidung. Häufige Begleitsymptome<br />

sind Inappetenz, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und<br />

Diarrhöe.<br />

WIE KOMMT ES ZUR ERHÖHTEN EIWEISSAUSSCHEIDUNG UND<br />

ZU ÖDEMEN?<br />

In jeder Niere gibt es ca. 1 Million Nephrone (Nierenkörperchen),<br />

die das Blut filtrieren und Urin produzieren. Die glomeruläre<br />

Wand (Filtermembran) ist nur für Moleküle bis zu einer<br />

best<strong>im</strong>mten Größe passierbar. Be<strong>im</strong> nephrotischen <strong>Syndrom</strong> ist<br />

der Filter durchlässiger und Proteine wie Albumin, die normalerweise<br />

vom Filter zurückgehalten werden, erscheinen nun <strong>im</strong><br />

Urin und fehlen <strong>im</strong> Blut. Die Aufgabe von Albumin <strong>im</strong> Blut ist<br />

es unter anderem, den onkotischen Druck aufrecht zu erhalten,<br />

d.h. Flüssigkeit <strong>im</strong> Gefäßsystem zu binden. Ist zu wenig Albumin<br />

<strong>im</strong> Blut vorhanden, tritt Flüssigkeit ins Gewebe über und<br />

Ödeme entstehen. Warum es be<strong>im</strong> idiopathischen nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong> zur erhöhten Durchlässigkeit der Glomeruli kommt, ist<br />

nicht geklärt. Auslösende Faktoren können Infektionen, Allergene<br />

und Impfungen sein, aber ein ursächlicher Zusammenhang<br />

kann nur in wenigen Fällen nachgewiesen werden.<br />

WELCHE KOMPLIK ATIONEN KÖNNEN BEIM NEPHROTISCHEN<br />

SYNDROM AUFTRETEN?<br />

Weitere klinische Symptome und Komplikationen sind mit<br />

dem Verlust von Proteinen (Eiweiß) und dem Auftreten der<br />

Ödeme zu erklären:<br />

• Bauchschmerzen be<strong>im</strong> nephrotischen <strong>Syndrom</strong> sind vieldeutig.<br />

Sie können durch Ödeme <strong>im</strong> Magen-Darm-Trakt<br />

bedingt sein, können aber auch Hinweise auf eine spontane<br />

bakterielle Peritonitis (Bauchfellentzündung), eine Thromboembolie,<br />

eine Pankreatitis oder einen hypovolämischer<br />

Schock sein.<br />

• Infektionen sind aufgrund des Verlustes von Immunglobulinen<br />

über die Niere typisch für das nephrotische<br />

<strong>Syndrom</strong>. Sie betreffen hauptsächlich den<br />

oberen Respirationstrakt, die Lunge, das subkutane<br />

Gewebe oder den Harntrakt. Selten, aber sehr<br />

gefährlich ist die Peritonitis und die Sepsis, weshalb<br />

Patienten mit starken Ödemen sorgfältig überwacht<br />

werden sollten. Die wichtigsten Erreger sind Pneumokokken,<br />

Staphylokokken, Streptokokken, gramnegative<br />

Ke<strong>im</strong>e und Viren.<br />

• Dyspnoe (Atemnot) entsteht durch Einlagerung von<br />

Flüssigkeit in die Lunge.<br />

• Trophische Störungen der Haut sind einerseits durch<br />

die Ödeme selbst, anderseits durch den Mangelernährungszustand<br />

bei lange andauernder Proteinurie<br />

bedingt.<br />

• Thromboembolien haben ihre Ursache be<strong>im</strong> nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong> in einer Hyperkoagulabilität<br />

(erhöhte Gerinnungsneigung) durch Verlust von<br />

gerinnungshemmenden Faktoren wie Antithrombin<br />

III über die Niere, in erhöhter Blutviskosität und<br />

in Immobilisierung. Thromboembolien treten vor<br />

allem <strong>im</strong> Bein- und Beckenbereich, seltener in Lunge,<br />

Gehirn und Niere auf.<br />

• Hypovolämischer Schock ist meist Folge eines plötzlichen<br />

intravasalen Hypovolämiezustandes und kann<br />

konsekutiv zu einem akuten Nierenversagen führen.<br />

Bedingt durch die zahlreichen möglichen Komplikationen<br />

empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische<br />

Nephrologie (APN) jedes Kind mit der Erstmanifestation<br />

eines nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s stationär in einer Klinik<br />

mit nephrologischem Zentrum aufzunehmen.


| Dr. von Hau nersche s K i nderspit a l–L M U<br />

Kind mit nephrotischen <strong>Syndrom</strong> – vor<br />

Therapie<br />

Kind mit nephrotischem <strong>Syndrom</strong> – nach<br />

Therapie<br />

Durch Schlafen auf der rechten Seite<br />

bedingtes Ödem der rechten Gesichtshälfte<br />

Unterschenkelödem bei nephrotischem<br />

<strong>Syndrom</strong><br />

WELCHE LABORDIAGNOSTIK IST NOTWENDIG?<br />

Bei klinisch sichtbaren Ödemen ist der erste Screeningtest die<br />

Überprüfung der Proteinurie mittels geeignetem Urinteststreifen<br />

und gelegentlich der Nachweis eines schaumigen Urins. Zur<br />

Sicherung der Diagnose sollte der Urin über 24 Stunden gesammelt<br />

werden und die quantitative Eiweißausscheidung respektive<br />

Albuminausscheidung berechnet werden. Eine Blutentnahme<br />

dient der weiteren Sicherung der Diagnose. Die Höhe des Albumins<br />

<strong>im</strong> Serum zeigt das Ausmaß des Verlustes über die Niere<br />

an. Es findet sich außerdem eine Hyperlipidämie mit betonter<br />

Hypercholesterinämie und bei schwerem nephrotischen <strong>Syndrom</strong><br />

auch einer Hypertriglyceridämie. Oft liegt eine Aktivierung<br />

des Gerinnungssystems mit Erhöhung des Fibrinogens und<br />

fast aller Gerinnungsfaktoren und gleichzeitiger Erniedrigung<br />

des Antithrombins III vor. Das Ausmaß des Volumenmangels<br />

<strong>im</strong> Gefäßsystem lässt sich anhand des Hämatokrits gut abschätzen.<br />

Circa eine Drittel aller Kinder mit nephrotischem <strong>Syndrom</strong><br />

haben bei Krankheitsbeginn eine leichte Kreatininerhöhung.<br />

WIE WIRD DAS NEPHROTISCHE SYNDROM THERAPIERT?<br />

Die Therapie des idiopathischen nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s<br />

besteht in einer symptomatischen und in einer <strong>im</strong>munsuppressiven<br />

Therapie.<br />

1. Symptomatische Therapie:<br />

Die symptomatische Therapie ist um so wichtiger, je schwerer<br />

das nephrotische <strong>Syndrom</strong> ausgeprägt ist und je länger es<br />

besteht. In erster Linie ist der Rückgang der Ödeme Ziel der<br />

Behandlung. Außerdem sollen Komplikationen verhindert oder<br />

therapiert werden.<br />

Leichte Ödeme sind gut durch eine mäßige Einschränkung<br />

der Flüssigkeits- und Natriumzufuhr (natriumarme Kost) zu therapieren.<br />

Lediglich stärkere Ödeme und Aszites sollten mit Diuretika<br />

therapiert werden. Wegen der Gefahr einer Hypokaliämie<br />

müssen dann regelmäßige Elektrolytkontrollen durchgeführt<br />

werden. Nur bei äußerst schweren Ödemen, eindeutigen Hypovolämiezeichen<br />

oder vitaler Bedrohung ist die intravenöse Gabe<br />

von humanem Albumin 20% mit anschließender Furosemidgabe<br />

indiziert, um Flüssigkeit aus den Ödemen in das Gefäßbett zu<br />

mobilisieren und in der Folge auszuschwemmen. Da hierbei die<br />

Gefahr einer plötzlichen Hypervolämie mit hypertensiven Krise<br />

oder eines Lungenödems besteht, darf Albumin nur unter engmaschiger<br />

Überwachung gegeben werden.<br />

Eine Ernährung mit eiweißreicher Kost ist be<strong>im</strong> nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong> nicht sinnvoll, da hierdurch das Eiweiß <strong>im</strong> Blut<br />

nicht ansteigt, sondern die Eiweißausscheidung zun<strong>im</strong>mt und<br />

der Eiweißkatabolismus eher erhöht wird. Anderseits führt eine<br />

eiweißarme Kost über längere Zeit zu einer Mangelernährung, so<br />

dass be<strong>im</strong> nephrotischen <strong>Syndrom</strong> auf eine normale Eiweißzufuhr<br />

und ausreichende Kalorienzufuhr zu achten ist.<br />

Der erhöhten Infektanfälligkeit bei Kindern mit nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong> sollte Rechnung getragen werden, indem beginnende<br />

Infektionen großzügig antibiotisch therapiert werden. Eine<br />

generelle antibiotische Prophylaxe ist meist nicht notwendig.<br />

Die wirksamste Prophylaxe gegen Thromboembolien ist die<br />

frühzeitige Mobilisierung der Patienten. Bei schweren Verläufen<br />

oder Verdacht auf eine Thromboembolie ist eine antikoagulatorische<br />

Therapie angezeigt.<br />

2. Immunsuppressive Therapie:<br />

Nachdem in den 50iger Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt<br />

wurde, dass die Proteinurie durch die Verabreichung von Glukokortikoiden<br />

therapierbar ist, stellt diese Substanzklasse auch


|<br />

Skrotalödem be<strong>im</strong> nephrotischen <strong>Syndrom</strong><br />

Neugeborenes mit angeborenen<br />

nephrotischen <strong>Syndrom</strong><br />

Aszites be<strong>im</strong> nephrotischen <strong>Syndrom</strong><br />

heute noch den Standard in der Initialtherapie des idiopathischen<br />

nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s dar. In der Arbeitsgemeinschaft<br />

für pädiatrische Nephrologie wurden zur Opt<strong>im</strong>ierung der Therapie<br />

mehrere Studien durchgeführt. Das Standardschema zur<br />

Initialtherapie des idiopathischen nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s in<br />

den deutschsprachigen Ländern besteht aus der Gabe von Prednison<br />

60mg/m2 (max<strong>im</strong>al 80 mg) jeden Tag in 3 Einzeldosen<br />

(ED) über 6 Wochen, gefolgt von Prednison 40 mg/m2 (max<strong>im</strong>al<br />

60 mg) als Einzeldosis jeden zweiten Tag (= alternierende Gabe)<br />

über 6 Wochen. Nach den 12 Wochen wird die Therapie ohne<br />

Ausschleichen abgesetzt.<br />

Da in circa 5% der Fälle eine Spontanremission vorkommt,<br />

kann gegebenenfalls mit dem Beginn der <strong>im</strong>munsuppressiven<br />

Therapie gewartet werden.<br />

Besteht die große Proteinurie 4 Wochen nach Beginn der<br />

Therapie fort, werden 3 intravenöse Bolusgaben von Methylprednisolon<br />

gegeben (1g/1,73m2 jeden 2. Tag). Ist eine Remission 14<br />

Tage nach Ende der letzten Gabe nicht eingetreten, spricht man<br />

von einem pr<strong>im</strong>är steroidresistenten nephrotischen <strong>Syndrom</strong>.<br />

Dies betrifft ca. 5-10% der Patienten mit idiopathischem nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>. Bei diesen Patienten ist eine Nierenbiopsie<br />

und eine Therapie mit anderen Immunsuppressiva (Cyclosporin,<br />

MMF,...) indiziert.<br />

WIE IST DIE PROGNOSE FÜR KINDER MIT EINEM<br />

IDIOPATHISCHEN NEPHROTISCHEN SYNDROM?<br />

Sehr wichtig bei der Aufklärung der Patienten und der<br />

Eltern über das nephrotische <strong>Syndrom</strong> ist der Hinweis, dass<br />

diese Erkrankung in ca. 50% erneut auftreten kann (Rezidiv).<br />

Ungefähr 30% aller Kinder haben häufige Rezidive („frequent<br />

relapser“). Im Einzelfall ist es nicht möglich die Prognose zu<br />

best<strong>im</strong>men, doch spricht das Auftreten von Rezidiven in den<br />

ersten 6 Monaten nach Initialtherapie für einen weiteren rezidivierenden<br />

Verlauf in der Folge.<br />

Ein Rezidiv wird mit dem Standardrezidivschema therapiert.<br />

Dies beinhaltet eine Therapie mit 60mg/m2 (max<strong>im</strong>al 80 mg)<br />

jeden Tag in 3 ED bis der Urin an drei aufeinander folgenden<br />

Tagen per Urinteststreifen eiweißfrei ist. Anschließend Prednison<br />

40 mg/m2 (max<strong>im</strong>al 60 mg) als Einzeldosis jeden zweiten<br />

Tag (= alternierende Gabe) über 4 Wochen.<br />

Die Langzeitprognose des idiopathischen nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s<br />

ist insgesamt sehr gut, denn ca. 90-95% der erkrankten<br />

Kinder verlieren dies während der Pubertät. Von den steroidsensiblen<br />

Patienten haben nach 10 Jahren lediglich 1% eine terminale<br />

Niereninsuffizienz.<br />

WIE K ANN EIN REZIDIV FRÜHZEITIG ENTDECKT WERDEN?<br />

Ein Rezidiv früh zu erkennen, ist sehr wichtig, da dann die<br />

Therapie begonnen werden kann, bevor sich schwere Ödeme<br />

entwickeln und so <strong>im</strong> Einzelfall die Dauer der hochdosierten<br />

Steroidtherapie verkürzt werden kann. Deshalb wird bei jedem<br />

Kind mit nephrotischen <strong>Syndrom</strong> täglich Albumin <strong>im</strong> Urin per<br />

Urinteststreifen gemessen und in ein Protokollheft eingetragen.<br />

Der verwendete Urinteststreifen (z.B. Albustix®) unterscheidet 6<br />

Grade der Albuminausscheidung /<br />

Negativ:<br />

15-20 mg/dl,<br />

30 mg/dl,<br />

100 mg/dl,<br />

300 mg/dl,<br />

2000 mg/dl


| Dr. von Hau nersche s K i nderspit a l–L M U<br />

Dabei zählen negativ und 15-20 als keine, 30 und 100 als<br />

leichte und 300 und 2000 als große Albuminausscheidung. Wird<br />

an drei aufeinander folgenden Tagen eine Albuminausscheidung<br />

>100 mg/dl gemessen, liegt ein Rezidiv vor. In diesem Fall nehmen<br />

die Eltern Kontakt mit den betreuenden Ärzten aus der<br />

nephrologischen Ambulanz auf und besprechen die weitere Therapie<br />

je nach Klinik, ob direkt mit dem Standardrezidivschema<br />

begonnen wird oder zunächst ein abwartendes Verhalten gegebenenfalls<br />

mit diuretischer Therapie angezeigt ist.<br />

Außerdem wird bei Patienten mit nephrotischen <strong>Syndrom</strong><br />

täglich das Gewicht best<strong>im</strong>mt, um die Höhe der Wassereinlagerung<br />

beurteilen zu können.<br />

WIE WIRD DAS HÄUFIG REZIDIVIERENDE NEPHROTISCHE<br />

SYNDROM THERAPIERT?<br />

Ein Kind, bei dem das nephrotische <strong>Syndrom</strong> innerhalb von<br />

6 Monaten nach der Initialtherapie 2 und/oder mehr wieder<br />

auftritt oder aber es 4 oder mehr Rezidive innerhalb eines Jahres<br />

hat, wird als „frequent relapser“ bezeichnet. Bei Kindern, die die<br />

Kriterien eines „frequent relapser“ erfüllen und eine nicht tolerable<br />

Steroidtoxizität entwickeln, ist der Einsatz von Zytostatika<br />

gerechtfertigt. Mittel der Wahl ist Cyclophosphamid. Nach einer<br />

Therapie mit Cyclophosphamid haben ca. 30% eine dauerhafte<br />

Remission, bei ca. 30% wird die Zeitdauer bis zum Eintreten des<br />

nächsten Rezidivs deutlich verlängert und ca. 30% sprechen auf<br />

diese Therapie nicht an.<br />

Dann aber ist die Durchführung einer Nierenbiopsie indiziert<br />

und die Therapie mit anderen Immunsuppressiva wie Cyclosporin<br />

oder Mycophenalatmofetil (MMF) opt<strong>im</strong>al. Während<br />

der Therapie mit Cyclophosphamid muss der Patient wegen möglicher<br />

toxischer Nebenwirkungen regelmäßig überwacht werden.<br />

In Therapiestudien bei Patienten mit häufigen Rezidiven wurde<br />

als weitere Option der steroidsparende Effekt des <strong>im</strong>munst<strong>im</strong>ulatorisch<br />

wirkenden Levamisol nachgewiesen.<br />

WIE WIRD DAS STEROIDRESISTENTE NEPHROTISCHE SYNDROM<br />

THERAPIERT?<br />

Spricht das nephrotische <strong>Syndrom</strong> bei Erstmanifestation<br />

nicht auf eine Therapie mit Steroiden an (siehe oben), ist eine<br />

Nierenbiopsie indiziert. Diese zeigt meist, nicht wie bei der steroidsensiblen<br />

idiopathischen Form min<strong>im</strong>ale Glomerulusveränderungen<br />

(„min<strong>im</strong>al change Glomerulonephritis“), sondern Veränderungen<br />

<strong>im</strong> Sinne einer fokal-segmentalen Glomerulosklerose<br />

(FSGS). Jedoch ist auch ein kleiner Anteil der Patienten mit der<br />

histologischen Diagnose „min<strong>im</strong>al change Glomerulonephritis“<br />

steroidresistent. Häufig haben diese Patienten genetische Veränderungen,<br />

die zur Entwicklung eines nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s<br />

führen. Eine molekulargenetische Untersuchung sollte erfolgen<br />

(s.u.). Leider sind diese Patienten meist gegen zytostatische<br />

Medikamente resistent. Die opt<strong>im</strong>ale Therapie dieser Kinder ist<br />

derzeit Thema der Diskussion. Ein potentieller Nutzen <strong>im</strong>munsuppressiver<br />

Therapie muss gegen toxische Nebenwirkungen<br />

abgewogen werden. Aktuell werden diese Kinder meist mit einer<br />

Kombination aus Cyclosporin und Prednison therapiert.<br />

WANN IST EINE NIERENBIOPSIE INDIZIERT?<br />

Die Erstmanifestation eines idiopathischen Nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>s ist keine Indikation zur Nierenbiopsie.<br />

Liegen jedoch klinische Hinweise vor, die untypisch sind für<br />

das idiopathische nephrotische <strong>Syndrom</strong>, ist über eine Nierenbiopsie<br />

zu diskutieren:<br />

• Alter bei Erstmanifestation < 12 Monate oder > 8-10<br />

Jahre<br />

• Makrohämaturie<br />

• Ausgeprägte arterielle Hypertonie<br />

• Erniedrigte Komplementfaktoren <strong>im</strong> Serum (C3)<br />

• Nicht prärenal bedingte akute Niereninsuffizienz<br />

• Schleichender Beginn über Monate<br />

• Verdacht auf eine sekundäre Form des nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>s (z.B. <strong>im</strong> Rahmen einer Systemerkrankung:<br />

systemischer Lupus erythematodes, Purpura<br />

Schoenlein-Henoch,...)<br />

Wie bereits oben erwähnt stellt das fehlende pr<strong>im</strong>äre Ansprechen<br />

des nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s auf Steroide (pr<strong>im</strong>äre Steroidresistenz)<br />

eine Biopsieindikation dar. Patienten mit häufigen<br />

Rezidiven („frequent relapser“) werden nach individueller<br />

Entscheidung, und in Abhängigkeit vom Verlauf vor einer<br />

zytostatischen Therapie oder nach Misslingen einer solchen<br />

nierenbiopsiert.<br />

WELCHEN STELLENWERT HAT DIE MOLEKULARGENETIK IN DER<br />

DIAGNOSTIK DES NEPHROTISCHEN SYNDROMS?<br />

Be<strong>im</strong> angeborenen nephrotischen <strong>Syndrom</strong> vom finnischen<br />

Typ ist schon lange eine autosomal rezessive Vererbung bekannt.<br />

Durch Studien in den letzten Jahren sind mehrere Mutationen<br />

bekannt, die zu Veränderungen von Molekülen (Podocin,<br />

Nephrin,...) in der glomerulären Filtermembran führen und<br />

diese dann durchlässiger für Proteine machen.<br />

Insbesondere bei Patienten mit häufigen Rezidiven oder Steroidresistenz<br />

konnten diese Mutationen nachgewiesen werden.<br />

Somit ist es vor allem bei Patienten, die nicht oder unzureichend<br />

auf Steroide ansprechen, erforderlich eine molekulargenetische<br />

Analyse zu veranlassen. Dies ist um so wichtiger, da diese Patienten<br />

häufig auch nicht auf eine zytostatische oder verstärkte<br />

<strong>im</strong>munsuppressive Therapie ansprechen.<br />

WAS SIND DIE ZIELE DER THERAPIE:<br />

An der in den meisten Fällen sehr guten Langzeitprognose<br />

des idiopathischen nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s (Verlust der<br />

Erkrankung in der Pubertät) orientieren sich die Ziele Therapie:<br />

• Remission der Proteinurie bei Erstdiagnose oder<br />

Rezidiv zur Verminderung der damit verbundenen<br />

möglichen Komplikationen<br />

• Verhinderung von Rezidiven<br />

• Verhinderung einer Niereninsuffizienz<br />

• Vermeiden toxischer Nebenwirkungen der eingesetzten<br />

Medikamente<br />

FAZIT:<br />

Das idiopathische nephrotische <strong>Syndrom</strong> <strong>im</strong> <strong>Kindesalter</strong><br />

erfordert eine differenzierte Therapie. Die Erstmanifestation<br />

eines nephrotischen <strong>Syndrom</strong>s sollte aufgrund der<br />

möglichen Komplikationen stationär in einem pädiatrischnephrologischen<br />

Zentrum betreut werden. Zur Früherkennung<br />

und adäquaten Therapie von Rezidiven des nephrotischen<br />

<strong>Syndrom</strong>s ist eine Kooperation zwischen Patient,<br />

Eltern, Kinderarzt und pädiatrisch-nephrologischen Zentrum<br />

unabdingbar.

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