was guten Unterricht kennzeichnet
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Arbeitsplatz Schule<br />
<strong>Unterricht</strong>sentwicklung<br />
Was <strong>guten</strong> <strong>Unterricht</strong> <strong>kennzeichnet</strong><br />
Wenn wie in Gemeinschaftsschulen unterschiedlich leistungsstarke Schüler/innen gemeinsam lernen,<br />
wird individualisiertes Lernen vorausgesetzt. Studien zeigen allerdings, dass Individualisierung<br />
für einen wirksamen <strong>Unterricht</strong> nicht an erster Stelle steht. Lernförderung kann nur gelingen, wenn<br />
bestimmte Grundlagen vorhanden sind und mehrere <strong>Unterricht</strong>smerkmale gut zusammenspielen.<br />
Ob und wie gut <strong>Unterricht</strong> gelingt, lässt<br />
sich gut anhand einzelner Schlüsselmerkmale<br />
von <strong>Unterricht</strong>squalität festmachen.<br />
So liegen bereits seit einigen<br />
Jahren sowohl in der Schulpädagogik<br />
(Meyer, 2004) als auch der pädagogischen<br />
Psychologie (Helmke, 2006) empirisch<br />
begründete Kriterienkataloge vor,<br />
die Hinweise darauf geben, <strong>was</strong> aufseiten<br />
von <strong>Unterricht</strong> und Lehrkraft positiv<br />
zu Lernentwicklungen beitragen kann.<br />
Neue und verstärkte Bedeutung erfahren<br />
haben diese Merkmale jüngst durch<br />
die Arbeiten des Australiers John Hattie<br />
(2009), der Befunde zur Wirksamkeit<br />
von <strong>Unterricht</strong> aus mehr als 60000<br />
Einzelstudien zusammengefasst und<br />
systematisiert hat. Anhand der Lernfortschritte<br />
von mehr als 88 Millionen Schülerinnen<br />
und Schülern konnte so gezeigt<br />
werden, welche Merkmale eher lernförderlich<br />
sind als andere. Alle diese Arbeiten<br />
verdeutlichen, dass es in der Regel<br />
tiefenstrukturelle Merkmale des <strong>Unterricht</strong>s<br />
– und weniger Oberflächenmerkmale,<br />
wie z.B. bestimmte Lehrmethoden<br />
oder Sozialformen – sind, die zu einer<br />
Verbesserung von Lernergebnissen von<br />
Schülerinnen und Schülern beitragen.<br />
<strong>Unterricht</strong>smerkmale, die demnach<br />
einen besonders positiven Einfluss auf<br />
die Lernentwicklung von Schülerinnen<br />
und Schülern haben, sind z.B. regelmäßiges<br />
Feedback oder selbstreguliertes<br />
Lernen. Merkmale wie „individualisiertes“<br />
oder „entdeckendes Lernen“ sind<br />
hingegen für sich selbst genommen nur<br />
wenig wirksam.<br />
Auf das Zusammenwirken von <strong>Unterricht</strong>smerkmalen<br />
kommt es an!<br />
In der <strong>Unterricht</strong>srealität kommen<br />
diese einzelnen Merkmale in der Regel<br />
jedoch nicht isoliert vor, sondern stehen<br />
immer miteinander in Verbindung.<br />
Effektiver, lernwirksamer <strong>Unterricht</strong> ist<br />
Ausgewählte Merkmale effektiven <strong>Unterricht</strong>s nach Hattie (2009)<br />
Was hilft ein wenig?<br />
(d zwischen 0.2 und 0.4)<br />
Was hilft et<strong>was</strong> mehr?<br />
(d zwischen 0.4 und 0.6)<br />
Was Hilft Sehr<br />
(d größer als 0.6)<br />
Individualisiertes <strong>Unterricht</strong>en Genutzte <strong>Unterricht</strong>szeit Feedback der Lehrkraft<br />
Entdeckendes Lernen<br />
Direkte Instruktion<br />
Problemlösender<br />
<strong>Unterricht</strong><br />
Regelmäßige Tests Kooperatives Lernen Formative Evaluation<br />
Hausaufgaben Klassenmanagement Klarheit der Instruktion<br />
Störungsprävention Zielerreichendes Lernen Selbstreguliertes Lernen<br />
daher weniger vom Einsatz eines einzelnen<br />
<strong>Unterricht</strong>smerkmals an sich<br />
geprägt als vielmehr vom bestmöglichen<br />
Zusammenwirken vieler Merkmale, der<br />
Orchestrierung bzw. der Choreografie<br />
des <strong>Unterricht</strong>s (Oser & Baeriswyl, 2001).<br />
Zeigen lässt sich dieses Problem z.B. gut<br />
anhand des Merkmals „individualisiertes<br />
<strong>Unterricht</strong>en“ (individualized instruction),<br />
das der Hattie-Analyse zufolge<br />
nur einen geringen positiven Einfluss<br />
auf die Lernentwicklung von Schülerinnen<br />
und Schülern hat (d=0.23). Dabei<br />
meint individualisiertes <strong>Unterricht</strong>en im<br />
Sinne Hatties eine bestimmte, oberflächliche<br />
Methode im Rahmen eines adaptiven<br />
Verständnisses von <strong>Unterricht</strong>.<br />
Ein solches Lehr- bzw. Lernverständnis<br />
geht einerseits davon aus, dass Lehrkräfte<br />
Schülerinnen und Schüler individualisiert<br />
instruieren, andererseits jedoch<br />
auch, dass das Lernen aus Sicht der einzelnen<br />
Lernenden betrachtet wird und<br />
Lehrkräfte eine auf das Individuum und<br />
die Lerngruppe abgestimmte Lernbegleitung<br />
und die Nutzung variierender<br />
Lehrmethoden innerhalb von Klassen<br />
auf fundierten empirischen Diagnosen<br />
gründen (Waxmann, Alford & Brown,<br />
2013).<br />
Wirft man nun einen Blick in die Originalarbeiten,<br />
die der Hattie-Untersuchung<br />
zugrunde liegen, dann zeigt sich,<br />
dass eine ausschließlich oberflächliche<br />
Individualisierung im <strong>Unterricht</strong>, z.B.<br />
durch das Verteilen differenzierender<br />
Aufgaben ohne eine weitere individuelle<br />
Begleitung der einzelnen Schülerinnen<br />
und Schüler, nahezu keine positiven<br />
Lerneffekte nach sich zieht (Bangert,<br />
Kulik & Kulik, 1983). Solche Oberflächenmerkmale<br />
werden erst dann wirksam,<br />
wenn Lehrkräfte zusätzlich eine<br />
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Arbeitsplatz Schule<br />
kognitive Stimulation, aktive Führung,<br />
individuelle Unterstützung und eine<br />
Rahmung des Themas sowie der Lernziele<br />
gewährleisten (Bangert, Kulik &<br />
Kulik, 1983). In einem auf das Individuum<br />
ausgerichteten <strong>Unterricht</strong> ist es<br />
besonders wichtig, dass Lehrkräfte die<br />
Lernziele klar benennen, eine regelmäßige<br />
formative Evaluation der Lernstände<br />
und Lernfortschritte sicherstellen<br />
und den Schülerinnen und Schülern<br />
hierzu fundierte Rückmeldungen geben<br />
(Waxman et al., 1985).<br />
Erst dann also, wenn solche tiefenstrukturellen<br />
Merkmale des <strong>Unterricht</strong>ens<br />
orchestriert eingesetzt werden, die, wie<br />
wiederum Hattie zeigt, für sich selbst<br />
genommen die Lernentwicklung von<br />
Schülerinnen und Schülern mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit stark positiv beeinflussen<br />
(formative Evaluation d=0.90,<br />
Klarheit der Instruktion d=0.75, Feedback<br />
d=0.73), kann individualisiertes<br />
<strong>Unterricht</strong>en die beabsichtigten Effekte<br />
nach sich ziehen.<br />
Studien der letzten Jahre haben jedoch<br />
deutlich gemacht, dass die meisten<br />
Merkmale, die zu einem effektiven<br />
<strong>Unterricht</strong> führen, wiederum in drei<br />
basale Bereiche (auch Basisdimensionen<br />
genannt) zusammenfassen lassen: Klassenmanagement,<br />
schülerorientiertes,<br />
unterstützendes <strong>Unterricht</strong>sklima sowie<br />
kognitive Aktivierung (Klieme & Rakoczy,<br />
2008). Ein gelingender <strong>Unterricht</strong><br />
ist entsprechend dadurch charakterisiert,<br />
dass a) die zur Verfügung stehende<br />
Lernzeit möglichst effizient und störungsfrei<br />
genutzt wird, b) die Lehrkraft<br />
Schülerinnen und Schüler beim aktiven<br />
Lernen konstruktiv unterstützt und c)<br />
Schülerinnen und Schüler Arbeitsaufträge<br />
erhalten, die sie zum Nachdenken<br />
und der aktiven mentalen Auseinandersetzung<br />
mit den jeweiligen <strong>Unterricht</strong>sgegenständen<br />
anregen.<br />
Dabei ergänzen sich diese Bereiche,<br />
d.h. lernförderlicher <strong>Unterricht</strong> muss in<br />
allen drei Basisdimensionen ausgewiesen<br />
sein, da jede Dimension mit Blick<br />
auf die Lernentwicklung von Schülerinnen<br />
und Schülern unterschiedliche<br />
Funktionen erfüllt (vgl. Abb. 1).<br />
Darüber hinaus bedingen sich die einzelnen<br />
Dimensionen wechselseitig; so<br />
wurde bereits im Rahmen der ersten<br />
TIMSS-Untersuchung Mitte der 1990er<br />
Jahre festgestellt, dass ein störungspräventives<br />
Verhalten der Lehrkraft eine<br />
notwendige Grundvoraussetzung für<br />
kognitiv aktivierende Instruktionsprozesse<br />
und das damit verbundene fachliche<br />
Verstehen von Schülerinnen und<br />
Schüler darstellt ( Klieme et al., 2001).<br />
Aktuelle Untersuchungen zeigen auch<br />
eine klare Hierarchie in der Struktur<br />
von <strong>Unterricht</strong>smerkmalen auf, d.h.<br />
Basis ist Klassenmanagement, unterstützendes<br />
<strong>Unterricht</strong>sklima und kognitive<br />
Aktivierung<br />
Zwar ist für einzelne Merkmale durchaus<br />
bekannt, welche weiteren Bedingungen<br />
gewährleistet werden müssen, damit<br />
sie im <strong>Unterricht</strong> wirksam werden.<br />
Gleichwohl ist es schwierig, alle Einzelmerkmale<br />
effektiven <strong>Unterricht</strong>ens<br />
– Hattie z.B. benennt 59 Merkmale von<br />
<strong>Unterricht</strong> und Lehrkraft, die mehr oder<br />
weniger relevant für den Lernerfolg von<br />
Schülerinnen und Schülern sein können<br />
– miteinander in Verbindung zu bringen.<br />
Ihre Zahl ist theoretisch unbegrenzt<br />
und ihre inhaltliche Bedeutung beliebig<br />
ausdifferenzierbar (Helmke, 2006).<br />
Abb.1: Basisdimensionen des <strong>Unterricht</strong>s, ihre unterschiedlichen Funktionen und ihre vermutete<br />
Wirkung<br />
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Arbeitsplatz Schule<br />
es konnte wiederholt gezeigt werden,<br />
dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />
bestimmtes Merkmal gewinnbringend<br />
im <strong>Unterricht</strong> eingesetzt wird, systematisch<br />
davon abhängt, ob weitere Merkmale<br />
ebenfalls nachzuweisen sind (Klieme,<br />
2011; Pietsch, 2010; Sommer, 2011).<br />
Dabei lassen sich auch hier die einzelnen<br />
Merkmale derart in Kategorien zusammenfassen,<br />
dass eine empirisch fassbare<br />
und inhaltlich gehaltvolle Stufung möglich<br />
ist (vgl. Abb. 2).<br />
Grundsätzlich zeigen diese Befunde,<br />
dass ein evaluativ ausgerichteter <strong>Unterricht</strong>,<br />
der die Lernfortschritte einzelner<br />
Schülerinnen und Schüler in den Fokus<br />
rückt und dabei kompetenzorientiert<br />
und individuell differenzierend erfolgt,<br />
hohe Ansprüche an weitere <strong>Unterricht</strong>smerkmale<br />
stellt. Ein solcher <strong>Unterricht</strong><br />
wird in der Regel erst dann erfolgreich<br />
sein, wenn das Lernklima in einer Klasse<br />
gut ist, Effizienz und Klarheit im<br />
Klassenmanagement gewährleistet werden<br />
und darüber hinaus aktives Lernen<br />
der Schülerinnen und Schüler ermöglicht<br />
wird. Im Sinne der vorgestellten<br />
Basisdimensionen stellt ein gelingendes<br />
Klassenmanagement entsprechend<br />
die erforderliche Voraussetzung für ein<br />
gutes schülerorientiertes, unterstützendes<br />
<strong>Unterricht</strong>sklima dar, welches wiederum<br />
eine notwendige Voraussetzung für eine<br />
erfolgreiche kognitive Aktivierung von<br />
Schülerinnen und Schülern und eine<br />
darauf aufbauende Lernautonomie ist.<br />
Welche Grundsätze lassen sich hieraus<br />
für die <strong>Unterricht</strong>sentwicklung ableiten?<br />
A) Den Fokus auf Merkmale der unterrichtlichen<br />
Tiefenstruktur legen.<br />
Es sind besonders tiefenstrukturelle<br />
Merkmale des <strong>Unterricht</strong>s, die einen<br />
Einfluss auf die Lernentwicklung von<br />
Schülerinnen und Schülern haben. D.h.<br />
weniger bestimmte Methoden, Strukturen<br />
oder pädagogische Settings sind<br />
für einen Lernerfolg relevant, sondern<br />
lernpsychologisch fundierte Merkmale,<br />
die Kognition, Motivation und Volition<br />
(Willenskraft) in den Blick nehmen.<br />
Den „<strong>guten</strong> <strong>Unterricht</strong>“ im Sinne idealer<br />
Methoden, Sozialformen und Settings<br />
gibt es demnach nicht. <strong>Unterricht</strong>sentwicklung<br />
muss sich daher darauf ausrichten,<br />
tiefenstrukturelle Merkmale zu<br />
optimieren.<br />
B) Merkmale bündeln und auf Wechselwirkungen<br />
achten.<br />
Einzelmerkmale sind in ihrer Wirksamkeit<br />
jedoch äußerst begrenzt. D.h. für<br />
die <strong>Unterricht</strong>squalität ist vor allem das<br />
Zusammenwirken einzelner Merkmale<br />
relevant und weniger, ob ein bestimmtes<br />
Merkmal im <strong>Unterricht</strong> vorkommt oder<br />
nicht. Ein lernförderlicher <strong>Unterricht</strong> ist<br />
entsprechend ein solcher, der in allen<br />
Bereichen eine bestmöglich abgestimmte<br />
Qualität aufweist. Eine Auseinandersetzung<br />
mit empirischen Befunden zum<br />
Zusammenwirken einzelner Merkmale<br />
ist für eine gelingende <strong>Unterricht</strong>sentwicklung<br />
daher ebenso unerlässlich wie<br />
die Bildung von Hypothesen darüber,<br />
<strong>was</strong> bei Veränderung eines Merkmales<br />
mit anderen Merkmalen vermutlich<br />
geschehen wird, und die empirische<br />
Prüfung, ob sich diese Annahmen letztlich<br />
bewahrheiten. Da die Anzahl an<br />
einzelnen Merkmalen beliebig ausdifferenzierbar<br />
ist, bietet es sich an, Basisdimensionen<br />
zu nutzen, die die zu entwickelnden<br />
Bereiche greifbar und somit<br />
bearbeitbar machen.<br />
C) Prioritäten setzen und Schritt für<br />
Schritt vorgehen.<br />
<strong>Unterricht</strong>, der kompetenzorientiert<br />
erfolgt, Schülerinnen und Schülern<br />
Autonomie gewährt und auf ihre individuellen<br />
Bedürfnisse und Lernerfahrungen<br />
eingeht, setzt vieles voraus. Sinnvoll<br />
ist es daher, in einem ersten Schritt<br />
zu bestimmen, auf welchem Stand sich<br />
die <strong>Unterricht</strong>squalität befindet, und<br />
sich dann realistisch erreichbare Ziele<br />
zu setzten. Die inhaltlichen Abstufungen<br />
von <strong>Unterricht</strong>squalität bieten hier<br />
eine Möglichkeit, Prioritäten zu setzen<br />
und somit Entwicklungsbestrebungen<br />
effektiver zu gestalten. An einer Schule<br />
beispielsweise, in der das Klassenmanagement<br />
in der Regel bereits recht gut<br />
gelingt, kognitive Aktivierung bzw. aktives<br />
Lernen der Schülerinnen und Schüler<br />
jedoch noch nicht besonders weit<br />
entwickelt ist, dürfte es eine sehr große<br />
Herausforderung sein, zu individualisieren<br />
bzw. auf Lernautonomie zu setzen.<br />
Stattdessen bietet es sich an, in einem<br />
ersten Schritt bereits gelingende Facetten<br />
des <strong>Unterricht</strong>s zu stabilisieren und<br />
Abb.2: Stufenmodell zur <strong>Unterricht</strong>squalität der Schulinspektion Hamburg; Beschreibung der Abstufungen mit charakteristischen Beispielitems<br />
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Arbeitsplatz Schule<br />
Merkmale der nächsthöheren Ebene –<br />
allesamt solche, die Aufschluss darüber<br />
geben, in wie weit es Lehrkräften gelingt,<br />
das Lernen aus Sicht von Schülerinnen<br />
und Schülern zu betrachten und diese<br />
zum Lernen zu motivieren – weiterzuentwickeln.<br />
Erst sollte das Lernengagement<br />
der Schülerinnen und Schüler<br />
gestärkt, bevor Maßnahmen der Autonomieunterstützung<br />
wie die Gewährung<br />
von Handlungsspielräumen und<br />
die kognitive Aktivierung im <strong>Unterricht</strong><br />
großflächig umgesetzt werden.<br />
Umsetzung in der Praxis<br />
Für die Praxis lässt sich daraus folgende<br />
Strategie ableiten: In einem ersten<br />
Schritt sollten Stärken und Schwächen<br />
im <strong>Unterricht</strong> an der Schule festgestellt<br />
werden. Behilflich sein können<br />
einerseits Ergebnisse aus der externen<br />
Fremdevaluation, aber auch der internen<br />
Selbstevaluation. Instrumente, die<br />
genutzt werden können, um die Qualität<br />
von Merkmalen der unterrichtlichen<br />
Tiefenstruktur selbständig zu bestimmen,<br />
liegen vor und finden sich z.B.<br />
unter: www.unterrichtsdiagnostik.info.<br />
Sobald die empirischen Ergebnisse vorliegen,<br />
gilt es in einem zweiten Schritt<br />
zu prüfen, ob einzelne Merkmale, die<br />
den jeweiligen Basisdimensionen zugeordnet<br />
werden können, in ihrer Qualität<br />
unterschiedlich bewertet werden.<br />
So können Hypothesen darüber aufgestellt<br />
und schulintern diskutiert werden,<br />
warum et<strong>was</strong> bislang nicht so funktioniert,<br />
wie erwartet. Hierbei sollte immer<br />
auch beachtet werden, dass einzelne<br />
Merkmale wiederum Voraussetzungen<br />
für die gelingende Umsetzung anderer<br />
Merkmale von <strong>Unterricht</strong>squalität sind.<br />
So kann es sein, dass bestimmte höherwertige<br />
<strong>Unterricht</strong>smerkmale wirkungslos<br />
bleiben, weil Grundlagen fehlen. Es<br />
ist beispielsweise unwahrscheinlich, dass<br />
Schülerinnen und Schüler im <strong>Unterricht</strong><br />
durch die Lehrkraft zu motivieren sind,<br />
wenn bereits das Lernklima in der Klasse<br />
nicht stimmt oder mit Schülerfehlern<br />
unangemessen, z.B. autokratisch oder<br />
geringschätzend umgegangen wird.<br />
Darauf aufbauend können dann, in<br />
einem dritten Schritt, realistische Ziele<br />
geplant und praktisch angegangen werden,<br />
die auch und vor allem ebenjene<br />
vertikalen und horizontalen Zusammenhänge<br />
zwischen <strong>Unterricht</strong>smerkmalen<br />
berücksichtigen. Sind beispielsweise<br />
Schwächen in Teilen der<br />
Klassenführung bekannt – es gelten beispielsweise<br />
Regeln und mit Störungen<br />
wird angemessen umgegangen, jedoch<br />
wird die <strong>Unterricht</strong>szeit nicht effizient<br />
genutzt – sollte primär das Thema<br />
„Nutzung der <strong>Unterricht</strong>szeit“ angegangen<br />
werden (horizontaler Zusammenhang).<br />
Sind hingegen alle Merkmale<br />
einer <strong>guten</strong> Klassenführung bereits von<br />
hoher Qualität, kann verstärkt die Motivierung<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
durch vermehrte individuelle Unterstützung,<br />
einen Ausbau der Lehrer-Schüler-<br />
Beziehung und der Schaffung von Freiräumen<br />
in den Blick genommen werden<br />
(vertikaler Zusammenhang). So wird<br />
der Blick bei der Weiterentwicklung<br />
des <strong>Unterricht</strong>s weniger auf einzelne<br />
Merkmale als auf dessen Orchestrierung<br />
gelenkt. Dies sollte auch helfen,<br />
einen falsch verstandenen Aktionismus<br />
zu vermeiden, bevor die entsprechenden<br />
Grundlagen gelegt wurden.<br />
Eine wichtige Rolle dürften dabei Schulleitungen<br />
spielen. Denn auch das zeigt<br />
die Studie von John Hattie: An Schulen,<br />
an denen sich Schulleitungen als<br />
Expert/innen für das Lernen und das<br />
Lehren verstehen und Lehrkräfte aktiv<br />
mit Blick auf ihren <strong>Unterricht</strong> beraten,<br />
fördern und fordern (z.B. durch <strong>Unterricht</strong>sbesuche,<br />
regelmäßiges Feedback<br />
zum <strong>Unterricht</strong> und gezielte, individuell<br />
abgestimmte Fortbildungsmaßnahmen)<br />
fallen die Lernzuwächse von Schülerinnen<br />
und Schülern flächendeckend<br />
besonders positiv aus (d=0.84).<br />
Prof. Dr. Marcus Pietsch<br />
Leibniz-Institut für die Pädagogik<br />
der Naturwissenschaften und<br />
Mathematik (IPN), Zentrum für<br />
internationale Bildungsvergleichstudien<br />
(ZIB), Institut für Bildungsmonitoring<br />
und Qualitätsentwicklung<br />
(IfBQ)<br />
Literaturhinweise<br />
zum Text:<br />
www.gew-bw.de/<br />
Dezember_2013_2.html<br />
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