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Reader zur Aktionswoche - Armut bedroht alle

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<strong>Reader</strong> <strong>zur</strong> Liga-<strong>Aktionswoche</strong> 2013<br />

Dritte Phase<br />

20<br />

Aber nicht nur in den Bereichen Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe wird es mit dem Recht und dem Respekt<br />

vor dem Recht nicht immer so ganz genau genommen. Auch im Renten- und Krankenversicherungsrecht<br />

scheint das Einsparen von Geld in vielen Fällen prioritär zu sein. So berichten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter von Sozialberatungsstellen immer wieder, dass die Deutsche Rentenversicherung<br />

Bund auch Anträge von gesetzlich Rentenversicherten auf Erwerbsminderungsrente ablehnen, die so<br />

schwer erkrankt sind, dass sie nach Ansicht ihrer behandelnde Ärzte auf unabsehbare Zeit keiner Erwerbstätigkeit<br />

mehr nachgehen können. Oft ist ein Widerspruch oder eine Klage vor dem Sozialgericht<br />

notwendig, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung lässt man anscheinend bei den Kuren, bei den Rehabilitationsleistungen<br />

und beim Krankengeld häufig Sparsamkeit vor Recht ergehen. Kurberaterinnen und<br />

Kurberater der freien Wohlfahrtspflege berichten ebenso wie das Müttergenesungswerk regelmäßig<br />

darüber, dass gesetzliche Krankenkassen Kuranträge von Müttern, für deren Gesundung Ärzte ihres<br />

Vertrauens eine Kur für unabdingbar halten, ablehnen und häufig erst nach einem Widerspruch genehmigen.<br />

Auch der Bundesrechnungshof hatte die Verwaltungspraxis der Kassen bei der Entscheidung<br />

über Kuranträge als „nicht transparent“ beanstandet. 41 Selbst der ehemalige Bundesgesundheitsminister<br />

Philipp Rösler hatte den Umgang der Kassen mit Anträgen auf Mutter- Kind- Kuren als „verbesserungswürdig“<br />

bezeichnet. 42<br />

Die Behörde hat <strong>alle</strong> für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten<br />

günstigen Umstände zu berücksichtigen (§20, Absatz 2 Sozialgesetzbuch X).<br />

Bei den medizinischen Diensten der Krankenversicherungen scheint das Ziel, Geld zu sparen, manches<br />

Mal die Ergebnisse von Begutachtungen mit zu beeinflussen. Es sind mir verschiedene Berichte bekannt,<br />

dass Krankenkassen ihre medizinischen Dienste anweisen, länger kranke Versicherte auch schon einmal<br />

trotz weiterer Arbeitsunfähigkeit für arbeitsfähig zu erklären, um kein Krankengeld mehr zahlen zu müssen.<br />

Oder die Krankenkassen fordern Langzeiterkrankte auf, ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen und Erwerbsminderungsrente<br />

zu beantragen.<br />

Auch im Bereich der Rehabilitation wird anscheinend nicht in jedem Einzelfall die Rechtslage beachtet.<br />

Mir liegt ein Bericht einer Krankenhaussozialarbeiterin vor, dass es Krankenkassen gibt, die die überwiegende<br />

Mehrzahl von Rehabilitationsanträgen ablehnen, auch wenn eindeutig ein Rechtsanspruch darauf<br />

besteht. Im Münchner Gesundheitsladen hat man ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Ablehnung von<br />

Leistungen durch die Krankenkassen ist nach der Beobachtung einer der dort tätigen Beraterinnen ein<br />

wachsendes Problem. Epd sozial zitiert sie mit folgenden Worten: „In den letzten Jahren verweigern die<br />

Krankenkassen immer häufiger Leistungen.“ 43<br />

In welchen Sozialrechtsbereich man schaut: Fast überall gibt es ähnliche Erfahrungen. „Immer häufiger<br />

greifen Kommunen zu offenen oder verdeckten Formen der Budgetierung und unterlaufen damit die<br />

gesetzlichen Garantien von Rechtsansprüchen und objektiv- rechtlichen Verpflichtungen“, schreibt zum<br />

Beispiel Reinhardt Wiesner, einer der namhaftesten Experten im Kinder- und Jugendhilferecht. Er beo-<br />

41 bm/db: Mehr Mütterkuren per Gesetz erzwingen. SPD und Sozialverbände fordern verbindliche Regeln für die Krankenkassen,<br />

epd sozial Nr.24, 17.06.2011.<br />

42 Rainer Woratschka: Moralischer Druck in der Arztpraxis, Tagesspiegel.de, 15.03.2011.<br />

43 Sebastian Stoll: Wie Kassen an Patienten sparen. Trotz Milliardenüberschüssen werden Gesundheitsleistungen oft verweigert,<br />

epd sozial Nr.20, 18.05.2012, S.7.

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