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Zur Bedeutung von Strafe im Kontext struktureller Gewalt

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kommen könne. Nun soll hier nicht naturwissenschaftlich untersucht<br />

werden, was an dieser Behauptung wahr ist, ich erinnere mich aber, dass<br />

auch ich in meiner Kindheit nicht mit den Haustieren gemeinsam etwas<br />

essen durfte mit einer ähnlichen Begründung. Die <strong>Strafe</strong> und das Vergehen<br />

stehen in einem direkten Zusammenhang, der klar sichtbar gemacht<br />

wird. Die <strong>Strafe</strong> für die Autorin liegt in dem gezwungenen Verzicht auf<br />

das Eis und den damit verbundenen Genuss. Ihr ein neues Eis zu kaufen,<br />

beabsichtigt niemand.<br />

Obwohl der Zusammenhang zwischen „Vergehen" und „<strong>Strafe</strong>" klar ersichtlich<br />

ist, konstruiert die Autorin einen anderen. Nicht die vermuteten<br />

Würmer, die sie auf diese Weise nicht bekommen kann, lassen sie die <strong>Strafe</strong><br />

akzeptieren, sondern die Wiederholung des Verbotes: Weil die Mutter<br />

ihr bereits mehrfach verboten habe, die Katze an ihrem Eis schlecken zu<br />

lassen und weil die Autorin das Verbot nicht befolgt hat, hat sie ihrer Darstellung<br />

nach <strong>Strafe</strong> verdient. Das heißt konkret, dass die Akzeptanz der<br />

<strong>Strafe</strong> nicht über die Begründung des Verbotes erfolgt, sondern vielmehr<br />

über die Häufigkeit seiner Artikulationen. Die Autorin sieht etwas als<br />

<strong>Strafe</strong> an, was sie <strong>im</strong> Erziehungskonzept der Mutter vor größerer Pein (vor<br />

den Würmern) schützen soll. Und zugleich zählt das wiederholte Verbieten<br />

mehr als die verhinderte Pein. <strong>Strafe</strong>, so die Botschaft der Szene, hat<br />

man verdient, wenn man auf mehrfache Verbote nicht hört. Schon die<br />

Wiederholung einer mehrfach verbotenen Tat rechtfertigt <strong>Strafe</strong>, wie<br />

nachvollziehbar oder unnachvollziehbar ein Verbot auch sein mag. Hier<br />

befinden wir uns gedanklich schon fast <strong>im</strong> Bereich der üblichen Strafgesetzgebung,<br />

worin WiederholungstäterInnen <strong>im</strong> Allgemeinen auch härter<br />

bestraft werden als erstmalige TäterInnen. In dieser Erinnerungsszene<br />

deutet sich schon eine Abkoppelung der <strong>Strafe</strong> vom Inhalt des „Vergehens“<br />

an, die in den folgenden Szenen aus der Schule deutlich werden. 9<br />

9 Nun ist es bei dieser Geschichte schwierig geschlechtsspezifische Momente herauszuarbeiten.<br />

Festgehalten werden kann, dass die Tat und die <strong>Strafe</strong> in einem Rahmen geschehen, der in späteren<br />

Arbeitsteilungen eher den Frauen vorbehalten ist, dem Schutz der Kinder vor mangelnder Hygiene<br />

oder vielleicht auch falscher Ernährung.<br />

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