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Lernen kann schön sein - der HTL Saalfelden

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<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong><br />

Eine Zusammenstellung von Ulf Wenk<br />

1. Vom <strong>Lernen</strong>, Merken und Vergessen<br />

Was passiert, wenn wir Dinge nur oberflächlich gelernt haben und uns nicht<br />

darum gekümmert haben, sie zu verstehen, hat <strong>der</strong> Psychologe Hermann<br />

Ebbinghaus schon vor einigen Jährchen erforscht: Wir vergessen, und das<br />

schneller und gründlicher, als uns lieb ist.<br />

Blöd, o<strong>der</strong>?<br />

Eigentlich nicht, denn unser Gehirn <strong>kann</strong> und will sich nicht all das merken, von<br />

dem es glaubt, es nicht mehr zu brauchen – es muss die Informationsflut filtern:<br />

aus <strong>der</strong> CD-ROM: Der LernCoach, Reinhilde Beck (FH München), Waltraud Birkle, Interaktive<br />

Medien Verlag, o.J. (2005?)<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 1 Ulf Wenk


Unser Gedächtnis hat – vereinfacht gesagt – 3 Ebenen, zwischen denen immer<br />

wie<strong>der</strong> gefiltert wird, nämlich Wahrnehmungsspeicher, Kurzzeitgedächtnis und<br />

Langzeitgedächtnis. Von dem, was wir mit unserem Wahrnehmungsspeicher<br />

aufnehmen, gelangt nur ein kleiner Teil überhaupt ins Kurzzeitgedächtnis, wo es<br />

zwischen einigen Minuten und ca. 14 Tagen vorrätig bleibt, ehe wie<strong>der</strong> ein<br />

kleiner Teil davon dauerhaft im Langzeitgedächtnis gespeichert wird.<br />

aus <strong>der</strong> CD: Der LernCoach<br />

Was speichert aber unser Langzeitgedächtnis beson<strong>der</strong>s leicht? Natürlich die<br />

Dinge, die es als sinnvoll erkennt und die es für beson<strong>der</strong>s wichtig hält!<br />

Es ist also ungeheuer wichtig, sich für den Lernstoff<br />

wirklich zu interessieren und in sinnvollen<br />

Zusammenhängen zu lernen. Das heißt auch, nicht<br />

mechanisch dahin zu lernen, son<strong>der</strong>n neu<br />

erworbenes Wissen mit dem Wissen zu verknüpfen,<br />

das wir bereits haben, es also gleichsam als neue<br />

Fäden in unserem Wissensnetz zu verankern.<br />

aus <strong>der</strong> CD: Der LernCoach<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 2 Ulf Wenk


Jetzt gibt es aber auch Lernstoff, <strong>der</strong> knochentrocken ist und mit dem wir uns<br />

wirklich schwer tun. Was hilft?<br />

• Wie<strong>der</strong>holen, wie<strong>der</strong>holen, wie<strong>der</strong>holen … im Idealfall in zeitlich<br />

zunehmenden Abständen<br />

• Wir versuchen Assoziationen (gedankliche Verbindungen) mit schon<br />

Be<strong>kann</strong>tem herzustellen, zB Gemeinsamkeiten o<strong>der</strong> Unterschiede zu finden<br />

und Bil<strong>der</strong> aller Art entstehen zu lassen<br />

• In beson<strong>der</strong>s hartnäckigen Fällen helfen uns Eselsbrücken aller Art, wie wir sie<br />

aus <strong>der</strong> Mnemotechnik kennen (vgl. www.mnemotechnik.info o<strong>der</strong> die CD: Der<br />

LernCoach, zB zur Loci-Methode)<br />

Zusammenhänge, für die wir uns wirklich interessieren, die wir als sinnvoll erleben<br />

und die daher für uns von Bedeutung sind, merken wir uns leicht. Die meisten<br />

Dinge, für die das nicht gilt, müssen wir oftmals wie<strong>der</strong>holen, um sie zu speichern,<br />

und selbst dann vergessen wir sie oft leicht. Wir sollten also reines Stofflernen<br />

vermeiden, wo immer es geht.<br />

Strukturieren:<br />

Generell ist es wichtig, den Lernstoff in verdaubare Einheiten zu zerlegen (wir<br />

essen ja auch nicht die Mahlzeiten einer ganzen Woche auf einmal), bei<br />

beson<strong>der</strong>s schwierigen Dingen sogar in regelrechte Mikroportionen.<br />

Wir gehen so vor:<br />

• Zuerst schaffen wir uns einen Überblick über den Lernstoff<br />

• Dann teilen wir ihn in geeignete Portionen, die wir einzeln lernen<br />

• Zum Schluss müssen wir das Ganze wie<strong>der</strong> zu einer Einheit zusammenführen<br />

und mit unserem bisherigen Wissen vernetzen<br />

Zusammenfassung:<br />

• Wir lernen in sinnvollen Zusammenhängen, unser <strong>Lernen</strong> ist auf<br />

Erkenntnisgewinn gerichtet<br />

• Wir strukturieren / portionieren (und vernetzen anschließend wie<strong>der</strong>)<br />

• Wir wie<strong>der</strong>holen regelmäßig<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 3 Ulf Wenk


2. Unser Alltag ist mitentscheidend für unseren Lernerfolg<br />

Die Lernforschung <strong>der</strong> letzten Jahre zeigt: Ein großer Teil unseres Lernerfolgs<br />

entscheidet sich in <strong>der</strong> Zeit, in <strong>der</strong> wir gar nicht lernen. Das ist enorm wichtig zu<br />

wissen. Zu den entscheidenden Faktoren gehören:<br />

Schlaf<br />

Da wir im Schlaf Gelerntes festigen, ist ausreichen<strong>der</strong> Schlaf von großer<br />

Bedeutung. Das deklarative Gedächtnis (das ist jenes, mit dem wir den üblichen<br />

Lernstoff speichern, im Unterschied zum prozeduralen Gedächtnis, mit dem wir zB<br />

Bewegungsabläufe speichern) festigt Lerninhalte vor allem während <strong>der</strong><br />

Tiefschlafphasen – diese sind in den ersten Stunden unseres Schlafs (bis ca. 3 Uhr<br />

morgens) beson<strong>der</strong>s ausgeprägt. Die Hirnregion Hippocampus spielt dabei<br />

übrigens eine große Rolle. Auch ein Mittagsschläfchen (10 – 60 Minuten)<br />

unterstützt deutlich unsere Gedächtnisleistung – schade, dass wir oft nicht dazu<br />

kommen.<br />

Alkohol<br />

hemmt – in größeren Mengen genossen – den so wichtigen Tiefschlaf und<br />

schädigt damit unsere Gedächtnisleistung. Harte Getränke (dazu gehören auch<br />

Alkopops) schädigen unsere Gesundheit beson<strong>der</strong>s.<br />

Bildschirmmedien: TV und Computer<br />

Viele neue Studien belegen (u.a.Prof. Manfred Spitzer, Universitätsklinik Ulm, in: Psychologie<br />

Heute, 01/2006), dass ein ausgiebiger Konsum von Bildschirmmedien ausgesprochen<br />

schädlich ist. Als Grenzwert gilt ein Durchschnitt von ca. einer Stunde pro Tag!<br />

Statistisch führt ein größerer Konsum von Bildschirmmedien auch zu einem<br />

schlechteren Bildungsabschluss. Computerspiele behin<strong>der</strong>n durch ihre spezielle<br />

Lenkung <strong>der</strong> Aufmerksamkeit auf Details gerade das <strong>Lernen</strong> in Zusammenhängen.<br />

Aggressionsspiele <strong>der</strong> neueren Generation för<strong>der</strong>n darüber hinaus aufgrund ihres<br />

hohen Realitätsgrades nachweislich die Bereitschaft zur Gewalt.<br />

Ernährung<br />

Dass du voll gefressen o<strong>der</strong> völlig hungrig nicht gut lernen <strong>kann</strong>st, dürfte dir<br />

be<strong>kann</strong>t <strong>sein</strong>. Es ist aber auch nicht egal, was du isst. Unser Gehirn braucht<br />

verdammt viel Energie aus unserer Nahrung. 2% unseres Körpergewichts<br />

verbrauchen dabei 20-25% <strong>der</strong> dem Körper durch Energie zugeführten Nahrung<br />

(vgl. CD: Der Lerncoach).<br />

Schnelllösliche Kohlehydrate (gezuckerte Drinks, Süßigkeiten, raffiniertes Mehl,<br />

polierter Reis, Pommes, Fastfood …) wirken durch ihren massiven Eingriff in den<br />

Blutzuckerhaushalt kurzfristig aufputschend, langfristig ermüdend<br />

(Leistungsabfall) und erhöhen die Auftrittswahrscheinlichkeit von Diabetes. Iss<br />

daher, so gut es geht, viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukte. Sie för<strong>der</strong>n<br />

dauerhafte Konzentration.<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 4 Ulf Wenk


Fastfood im Übermaß ist ein Vitamin- und Mineralstoffräuber! Ein Mangel an<br />

bestimmten Mineralstoffen aber <strong>kann</strong> deinen Lernerfolg sehr trüben. Achte auch<br />

auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr!<br />

3. Unser Körper hilft uns lernen<br />

Alles, was wir in diesem Leben tun, tun wir auch mit unserem Körper. Wenn es<br />

uns zum Beispiel gut o<strong>der</strong> schlecht geht, wirkt sich das auf unsere Haltung,<br />

unsere Mimik und unser Körpergefühl aus. Diesen Zusammenhang können wir<br />

auch in die umgekehrte Richtung nutzen:<br />

Bodyfeedback – die Leistungsför<strong>der</strong>er<br />

Bestimmte Körperhaltungen signalisieren dem Gehirn über körperinterne<br />

Rückmeldeschleifen (das geht über Muskulatur und Nervenverbindungen)<br />

Leistungsbereitschaft und dass alles in Ordnung ist. Im Einzelnen sind das:<br />

• ein freundliches Gesicht mit leichtem Lächeln und glatter Stirn<br />

• ein gera<strong>der</strong> Rücken (gar nicht so leicht bei unserer sitzenden Lebensweise!)<br />

• gebeugte Ellenbogen<br />

Wenn du lieber Misserfolg hast, runzle einfach die Stirn, lass Mundwinkel und<br />

Arme hängen und beuge den Rücken (wie oft sitzen nicht Schüler so da?)!<br />

Du <strong>kann</strong>st positives Bodyfeedback noch unterstützen, indem du, sooft es geht,<br />

die Zunge leicht an den oberen Gaumen drückst (das allein sparte im<br />

psychologischen Großversuch beim Vokabellernen bis zu 30% an Lernzeit!).<br />

Wechsle beim <strong>Lernen</strong> öfter die Körperhaltung. Bewege dich, beson<strong>der</strong>s beim<br />

Auswendiglernen (zB Vokabeln), unterstütze die Einprägung durch Bewegungen<br />

<strong>der</strong> Arme und / o<strong>der</strong> dadurch, dass du leise mitsprichst – diese feinen<br />

Muskelbewegungen unterstützen dein Gehirn, das Gelernte zu speichern. Das<br />

Gleiche gilt, wenn du mitschreibst o<strong>der</strong> das zu <strong>Lernen</strong>de bildhaft darstellst.<br />

Deine Bücher gehören dir. Verschone sie nicht mit Bleistift & Co! Mache dir<br />

möglichst übersichtliche Notizen.<br />

Schau, dass du genügend Bewegung (Sport!) machst, am besten in frischer Luft.<br />

Auch aktives Musizieren (Singen, Instrument spielen) för<strong>der</strong>t den Lernerfolg.<br />

4. An<strong>der</strong>e Menschen helfen uns lernen<br />

Über bestimmte Nervenzellen, so genannte Spiegelneuronen, <strong>kann</strong> unser Gehirn<br />

spüren und nachempfinden, wie es an<strong>der</strong>en Menschen geht und was sie tun.<br />

Das bedeutet auch, dass wir uns mit einer guten Arbeitsatmosphäre gegenseitig<br />

helfen können – eine positive Grundhaltung, in <strong>der</strong> wir uns etwas zutrauen, ist<br />

ansteckend (das Gegenteil lei<strong>der</strong> auch!). Das gilt auch für deine Einstellung zum<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 5 Ulf Wenk


Lehrer: Siehst du deinen Lehrer ais Feind, dann hast du eben auch in dir<br />

feindliche Gefühle und die hemmen deinen Lernerfolg. Ergebnis: ein schönes<br />

Eigentor! Trau dich auch, deinen Lehrer zu fragen, wenn du Hilfe brauchst.<br />

Literaturtipp: Joachim Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst. Hoffman u. Campe 2005<br />

Du <strong>kann</strong>st dir auch viel helfen, indem du mit an<strong>der</strong>en Menschen den Lernstoff<br />

besprichst – Motto: Besser persönlich als unpersönlich – o<strong>der</strong> gar an<strong>der</strong>en hilfst.<br />

Es gibt kaum eine bessere Methode, etwas noch genauer zu verstehen, als es<br />

an<strong>der</strong>en zu erklären; daraus wurde sogar eine eigene Unterrichtsmethode<br />

entwickelt – sie heißt auch so: <strong>Lernen</strong> durch Lehren.<br />

5. Von Arbeitsplatz und Arbeitsplan<br />

Arbeitsplatz<br />

Du weißt: Du brauchst genügend Platz und genügend Licht (bei künstlicher<br />

Beleuchtung 2 Lichtquellen, um harte Schatten, die die Augen ermüden, zu<br />

vermeiden). Ideal ist ein Arbeitsplatz, bei dem du genug Platz zum Herumgehen<br />

hast.<br />

Keine Musikberieselung (Ausnahme: leise entspannende Musik zB beim<br />

Planzeichnen, manchen hilft sie auch beim Vokabellernen).<br />

Arbeitsplan<br />

Die meisten von uns brauchen, wenn sie viele Dinge koordinieren müssen, einen<br />

Arbeitsplan. Mach dir einen eigenen – es gibt aber auch gute vorgefertigte<br />

Pläne im Handel (zB Mein Lernplaner, Verlag Manz). Kontrolliere, wie weit es dir<br />

gelingt, dich an deinen eigenen Plan zu halten und ziehe daraus die<br />

Konsequenzen. Das muss nicht immer heißen, mehr zu tun. Es <strong>kann</strong> ja auch <strong>sein</strong>,<br />

dass du dir zuviel zugemutet hast und kürzere Einheiten und / o<strong>der</strong> größere<br />

Erholungspausen brauchst.<br />

Zum Problem <strong>der</strong> Zeit<br />

Nur wenn wir uns ohne Hektik einer Sache widmen, uns für sie Zeit nehmen<br />

können, ist die Arbeitszeit keine verlorene Zeit, son<strong>der</strong>n ein lebendiger Teil<br />

unseres Lebens. Nur dann verstehen wir wirklich, denn echtes Verstehen braucht<br />

Zeit. Dass das in unserer Welt sehr schwierig ist und wir regelrecht in Datenmüll zu<br />

ersticken drohen, ist eine traurige Tatsache.<br />

Wenn es nur irgendwie geht: Schau, dass du dich dem Lernstoff ohne Hektik<br />

nähern <strong>kann</strong>st, und: Verteidige mit großem Nachdruck deinen persönlichen<br />

Freiraum – du brauchst ausreichend Auszeit vom Büffeln (stopfe diesen Freiraum<br />

aber nicht sofort wie<strong>der</strong> bis auf die letzte Sekunde zu).<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 6 Ulf Wenk


Vom Wert <strong>der</strong> Pausen<br />

Unser Gehirn braucht immer wie<strong>der</strong> kleinere und größere Pausen, um Lernstoff zu<br />

verarbeiten. Versuche je nach Lernaufgabe deinen eigenen Rhythmus aus<br />

<strong>Lernen</strong> und Pausen herauszufinden.<br />

Merkformel: Arbeitszeit = Lernzeit + Pausen (nur die große Pause zählen wir nicht<br />

zur Arbeitszeit)<br />

Folgende Pausentypen sollen zu deiner Orientierung dienen:<br />

Typ wann wie lange was tun<br />

große Pause nach ca. 3 h 1-1,5 h was ganz an<strong>der</strong>es tun …<br />

mittlere Pause nach ca. 1,5 h 15-20 min Arbeitsplatz verlassen,<br />

Bewegung, Frischluft, trinken …<br />

Minipause alle 15-30 min wenige min Bewegung, Frischluft …<br />

Mikropause alle paar min unter 1 min Blick lösen, durchschnaufen …<br />

6. Von Angst und Stress<br />

Angst und Stress wirken sich auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ziemlich<br />

gleich aus und werden deshalb hier gemeinsam behandelt.<br />

Zuerst zum Stress<br />

Stress <strong>kann</strong> uns in einem gewissen Ausmaß wach und leistungsfähig halten – das<br />

ist <strong>der</strong> gute, <strong>der</strong> so genannte Eustress. Zuviel Stress – Distress (auch Disstress<br />

geschrieben; griech. eu=gut, dis=schlecht) – aber lässt unsere Leistungsfähigkeit<br />

dramatisch sinken. Die Yerkes-Dodson-Kurve zeigt diesen Zusammenhang:<br />

Bei einer gewissen mittleren Belastung sind wir also am leistungsfähigsten –<br />

allerdings sind wir Menschen hier nicht gleich gebaut. So, wie es in Sport<br />

„Trainingsweltmeister“ und Wettkampftypen gibt, gibt es auch beim <strong>Lernen</strong> und<br />

bei Prüfungssituationen Nervöse und Leute, die nichts aus <strong>der</strong> Ruhe bringt. Das<br />

hängt mit einer biologischen Voreinstellung zusammen, gegen die wir nicht viel<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 7 Ulf Wenk


machen können: Ein bestimmter Botenstoff unseres Nervensystems liegt in 2<br />

Varianten vor. Was wir aber machen können: uns langsam an stressende, Angst<br />

auslösende Situationen herantasten – und uns die Arbeit gut einteilen.<br />

Keine Angst vor <strong>der</strong> Angst<br />

Angst ist ein ernst zu nehmendes Problem beim <strong>Lernen</strong> und in Prüfungssituationen.<br />

Lass dir nicht von Ratgebern aller Art einreden, dass du sie mit ein paar Tricks<br />

einfach weg bringst.<br />

Lerne in guter Stimmung, soweit es dir möglich ist, akzeptiere aber auch deine<br />

Angst, sie gehört zu dir; wenn du versuchst, gegen sie zu arbeiten, erzeugst du noch<br />

mehr Druck – und Druck erzeugt Angst! Arbeite also mit deiner Angst, nicht gegen<br />

sie!<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Geist und Körper mit <strong>der</strong> Angst zu arbeiten.<br />

Übungen werden im Idealfall auf jeden Einzelnen individuell abgestimmt .<br />

Geeignete Entspannungstechniken zu erlernen ist sehr sinnvoll.<br />

Beispiele für allgemein gut verträgliche Übungen:<br />

• „Bauchstütze“: funktioniert im Stehen, Liegen, Sitzen. Beide Handflächen übereinan<strong>der</strong> auf<br />

den Unterbauch – unterhalb des Nabels – legen (Rumpfmuskeln ganz leicht vorgespannt,<br />

gera<strong>der</strong> Rücken, Augen geschlossen o<strong>der</strong> halb geschlossen, Zunge leicht am oberen<br />

Gaumen). Spüre deinen Ausatem unter deinen Händen in deinem energetischen Zentrum.<br />

Du wirst ruhig.<br />

• Variante: Lasse nach einigen Minuten eine Hand am Unterbauch, löse die an<strong>der</strong>e, lasse sie<br />

herunterhängen (im Liegen: Lege sie auf den Boden) – Handfläche offen; stelle dir vor, dass<br />

aller Stress und alle negative Gefühle durch diese Hand abfließen, während du mit deiner<br />

am Unterbauch liegenden Hand neue Energie tankst (zusammengestellt U.W.).<br />

Wichtig ist in jedem Fall<br />

• dass du dich durch ausreichendes <strong>Lernen</strong> gründlich auf eine<br />

Prüfungssituation vorbereitest – das <strong>Lernen</strong> bleibt dir also nicht erspart<br />

• dass du dich ganz auf die zu lösende Aufgabe konzentrierst und nicht auf<br />

deine Angst<br />

• und dass du vor Prüfungssituationen nicht davon läufst – akzeptiere, dass es<br />

sie gibt<br />

Arbeite an Abenden vor einer Prüfung nicht mehr viel, sorge für einen<br />

entspannenden Abend (plau<strong>der</strong>n, entspannende Musik hören …), vermeide<br />

langes Fernsehen o<strong>der</strong> Computerspielen.<br />

7.Denkblockaden<br />

Einige Denkblockaden resultieren aus falschem Lernverhalten und sind daher<br />

leicht zu vermeiden.<br />

Unser Gehirn hört nicht sofort mit dem Ende einer Lerneinheit auf den Lernstoff zu<br />

verarbeiten (es lernt nach), halte dich daher an folgende Regeln:<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 8 Ulf Wenk


• Mache Pausen zwischen den einzelnen Gegenständen (siehe oben), sie<br />

stören sich sonst gegenseitig (eine Art von Interferenz)<br />

• Vermeide es, ähnliche Stoffe (zB Mathematik, Physik) hinter einan<strong>der</strong> zu<br />

lernen, sie „reiben“ sich beson<strong>der</strong>s gern aneinan<strong>der</strong>: „Ähnlichkeitshemmung“<br />

• Nütze die Tagesrän<strong>der</strong>: Am Morgen ist noch alles frisch; eine kurze<br />

Stoffwie<strong>der</strong>holung am Abend und du lernst im Schlaf weiter<br />

• Lerne nicht unmittelbar vor Prüfungen<br />

An<strong>der</strong>e Blockaden sind da schon hartnäckiger: Sie sind darauf zurückzuführen,<br />

dass die einzelnen Teile unseres Gehirns nicht richtig miteinan<strong>der</strong> kommunizieren<br />

können, zum Beispiel das limbische System und das Großhirn o<strong>der</strong> die beiden<br />

Großhirnhälften. Ursachen können alte und neue Ängste, Stress, Energielosigkeit,<br />

aber auch genetische Faktoren <strong>sein</strong>.<br />

Ein Beispiel für eine Übung, die unter an<strong>der</strong>em ausgleichend zwischen<br />

limbischem System und Großhirn wirkt und beson<strong>der</strong>s vor einer Leistung / Prüfung<br />

gegen emotionalen Stress hilft:<br />

• Lege eine Hand auf deinen Hinterkopf (an die Schädelbasis) – die an<strong>der</strong>e großflächig auf<br />

deine Stirn. Gehe in dich, atme ruhig aus, bis du ein regelmäßiges Pulsieren in <strong>der</strong> Stirn<br />

(beidseitig an den Stirnbeinhöckern) spüren <strong>kann</strong>st (nach Charles Krebs, Vortrag BG<br />

<strong>Saalfelden</strong>, Herbst 2005, siehe auch: Charles Krebs und Jenny Brown, Lernsprünge, VAK, 4.<br />

Aufl. 2004, S 216f).<br />

Literaturtipp: Charles Krebs und Jenny Brown, Lernsprünge, VAK, 4. Aufl. 2004<br />

Wende dich bei hartnäckigen Blockaden an geschulte Fachleute.<br />

Anhang: Ganz wenig über unser Gehirn<br />

Unser Gehirn ist ein unglaublich komplexes Gebilde, es ist nicht möglich, in<br />

wenigen Zeilen einen Überblick über <strong>sein</strong>en Aufbau und <strong>sein</strong>e Funktionsweise zu<br />

geben. Einige Dinge, die mit dem <strong>Lernen</strong> zusammenhängen, seien aber doch<br />

hier angedeutet:<br />

Unser Gehirn besteht aus stammesgeschichtlich sehr unterschiedlich alten<br />

Schichten, von innen nach außen und unten nach oben werden sie immer<br />

jünger:<br />

London Scientific Films/Oxford Scientific Films (aus: Encarta Enzyklopädie)<br />

Hirnstamm (unten Mitte), rechts davon das Kleinhirn (das<br />

sich ebenfalls über einen langen Zeitraum entwickelt hat).<br />

Der Hirnstamm erweitert sich zum Zwischenhirn (Mitte) mit<br />

dem limbischen System.<br />

Darüber das Großhirn (Kortex) mit <strong>der</strong> Großhirnrinde<br />

(lei<strong>der</strong> werden in <strong>der</strong> Literatur unterschiedliche Begriffe und<br />

Einteilungen für den Aufbau des Gehirns verwendet).<br />

Deutlich zu sehen (horizontal) ist in diesem Schnitt auch <strong>der</strong><br />

Balken (Corpus callosum), <strong>der</strong> die Gehirnhälften miteinan<strong>der</strong><br />

verbindet.<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 9 Ulf Wenk


www.monochrom.at<br />

Speziell beim Menschen haben sich die beiden Hemisphären<br />

(Großhirnhälften), die durch den erwähnten Balken<br />

miteinan<strong>der</strong> verbunden sind, spezialisiert; bei fast allen<br />

Menschen arbeitet die linke Gehirnhälfte eher analytisch,<br />

digital und in zeitlicher Abfolge (und steuert die rechte<br />

Körperseite), die rechte eher ganzheitlich und in Bil<strong>der</strong>n sowie<br />

„zeitlos“ ( und steuert die linke Körperseite). Die beiden<br />

Gehirnhälften müssen natürlich ständig miteinan<strong>der</strong> und mit<br />

an<strong>der</strong>en Gehirnbereichen zusammen arbeiten. Gelingt das nicht ausreichend,<br />

sind Denkblockaden oft die Folge. Übrigens: Viele Rechtschreibschwache sind<br />

rechtsseitig dominant, ihre linke Gehirnhälfte arbeitet nicht richtig mit (Schwierige<br />

Umsetzung sprachlicher Strukturen / Bil<strong>der</strong> in digitale Buchstabenfolgen …), bei einigen ist es<br />

aber umgekehrt.<br />

Ein Großteil <strong>der</strong> Arbeit unseres Gehirns erfolgt völlig unbewusst – das gilt auch für<br />

Lernvorgänge.<br />

Je nach zu bewältigen<strong>der</strong> Aufgabe arbeiten<br />

verschiedenste Areale dezentral und<br />

vernetzt zusammen, dabei werden immer<br />

wie<strong>der</strong> neue Verbindungen zwischen den<br />

unzähligen Nervenzellen (Neuronen)<br />

geknüpft und bestehende Verbindungen<br />

werden dicker (zB wenn neue Inhalte ins<br />

Langzeitgedächtnis integriert werden),<br />

während an<strong>der</strong>erseits zB weniger benützte<br />

www.dpo.uab.edu<br />

Verbindungen verloren gehen. Die Verknüpfungen zwischen den Neuronen<br />

heißen Synapsen, über sie wird Information chemisch mit Hilfe von Botenstoffen<br />

(Neurotransmittern wie Acetylcholin und Noradrenalin) übertragen.<br />

Eine wichtige Aufgabe erfüllt auch die Schaltstelle zwischen Nervensystem und<br />

Hormonhaushalt, das limbische System, für unsere Affekte und Emotionen.<br />

Limbisches System, Ruhr-Uni Bochum<br />

Die Amygdala (Mandelkern,<br />

doppelt angelegt) spielt eine<br />

große Rolle in <strong>der</strong><br />

gefühlsmäßigen Bewertung<br />

unseres Erlebens. Eine ihrer<br />

Aufgaben ist es (natürlich in<br />

Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en<br />

Teilen des Gehirns), uns zu<br />

schützen, indem sie<br />

Situationen auf mögliche<br />

Gefahren hin untersucht (im<br />

Notfall gilt oft: erst „flüchten“,<br />

dann denken). Dabei<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 10 Ulf Wenk


vergleicht sie ständig mit Situationen, die bereits einmal Angst ausgelöst haben –<br />

bei ausreichen<strong>der</strong> Ähnlichkeit wird diese Angsterinnerung abgerufen und <strong>kann</strong><br />

uns bei <strong>der</strong> Erfüllung unserer Aufgaben blockieren. Die Amygdala lernt übrigens<br />

nur sehr zögernd um. Ihre Erinnerung an gefühlsmäßig positive Situationen ist da<br />

schon viel angenehmer für uns.<br />

Zentrale Schaltstelle des limbischen Systems ist <strong>der</strong> Hypothalamus: Er kontrolliert<br />

u.a. das vegetative Nervensystem und steuert über die Hypophyse, die<br />

Hirnanhangdrüse, den Hormonhaushalt.<br />

Der Hippocampus (auch er ist paarig angelegt) ist – wie schon erwähnt – von<br />

großer Bedeutung für die Speicherung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis.<br />

Gelingt die enorm vielschichtige Zusammenarbeit <strong>der</strong> verschiedenen Teile unseres<br />

Gehirns so, wie sie soll, <strong>kann</strong> man davon sprechen, dass unser Gehirn gut integriert<br />

ist. Wir sind meist erfolgreich – und Erfolg motiviert und führt zu neuem Erfolg.<br />

Mangelnde Gehirnintegration <strong>kann</strong> an<strong>der</strong>erseits leicht dazu führen, dass wir –<br />

beson<strong>der</strong>s unter Stressbedingungen – versagen. Eine Misserfolgsspirale <strong>kann</strong> die<br />

Folge <strong>sein</strong>. Es ist eine große Herausfor<strong>der</strong>ung, diese Spirale zu durchbrechen<br />

(Literatur: Krebs, Brown, Lernsprünge).<br />

Die Aktivität des Gehirns <strong>kann</strong> man durch mo<strong>der</strong>ne bildgebende Verfahren (PET,<br />

MRI …) sehr schön darstellen.<br />

PET-Scan, Encarta Enzyklopädie<br />

Zum Begriff Stress: Die Begriffe Stress, Eustress, Distress gehen auf Hans Selye zurück, <strong>der</strong> seit<br />

1936 in diesem Bereich forschte und bereits die Zusammenhänge zwischen Stress, Nervensystem<br />

und Hormonhaushalt er<strong>kann</strong>te (Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) – siehe oben: limbisches<br />

System / Hypothalamus.<br />

Dank<br />

Ich danke meinen Kollegen Wilfried Rohm, Heinrich Schmidhuber und Hans-<br />

Dieter Nerbl herzlich für ihren fachlichen Rat.<br />

Die Verantwortung für etwaige Fehler im Text trage ich.<br />

U.W.<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>kann</strong> schön <strong>sein</strong> 11 Ulf Wenk

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