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"Hier waren wir. Spuren jüdischen Lebens in Polen und der Ukraine"

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mentarische Dimension; sie lehrt Geschichte <strong>und</strong> das <strong>in</strong> dem<br />

höchst sensiblen Bereich <strong>der</strong> zivilisatorischen Folgen des Holocaust.<br />

Die Fotografien gelten ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>maligen Tagesereignissen, son<strong>der</strong>n<br />

sie beziehen sich auf langfristig <strong>wir</strong>kende, dauerhafte Folgeersche<strong>in</strong>ungen<br />

e<strong>in</strong>er existentiellen <strong>und</strong> zivilisatorischen Katastrophe,<br />

die nicht nur den e<strong>in</strong>en Ort berührte, dem die konkrete<br />

Fotografie gewidmet ist, son<strong>der</strong>n weite Bereiche Ost- <strong>und</strong> Mitteleuropas<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch die gesamte europäische<br />

Kultur <strong>und</strong> Zivilisation. Sie beziehen sich auf e<strong>in</strong>e Katastrophe,<br />

die zur Ausrottung e<strong>in</strong>er ganzen Kultur samt ihrer Sprache<br />

führte.<br />

Metaphorisch gibt die Dimension dieser Katastrophe das Schicksal<br />

des Jiddischen wi<strong>der</strong>, das bis zum Holocaust zehn Millionen<br />

Menschen sprachen <strong>und</strong> das – abgesehen von e<strong>in</strong>igen Enklaven<br />

– <strong>in</strong>nerhalb von drei Jahren vor den Augen e<strong>in</strong>er Generation zur<br />

toten Sprache wurde, wie das Late<strong>in</strong>. Das Schicksal des Jiddischen,<br />

das nach <strong>der</strong> klassischen Tradition hauptsächlich auf e<strong>in</strong>en<br />

west-mitteldeutschen Dialekt zurückgeht, wurde demnach<br />

von Menschen aus dem Land besiegelt, aus dem es stammte. In<br />

eben jenen Gegenden, <strong>in</strong> denen die Fotografien entstanden, war<br />

die jiddische Sprache das Verständigungsmittel <strong>der</strong> meisten dort<br />

lebenden Juden.<br />

An<strong>der</strong>s als beim Late<strong>in</strong>ischen war das Verschw<strong>in</strong>den des Jiddischen<br />

als e<strong>in</strong>es Massenverständigungsmittels – vor 1939 erschienen<br />

<strong>in</strong> <strong>Polen</strong> etwa 420 Periodika <strong>in</strong> dieser Sprache – nicht<br />

das Ergebnis e<strong>in</strong>es langsamen <strong>und</strong> schrittweise sich vollziehenden<br />

zivilisatorischen Wandels. Das Late<strong>in</strong> ist bekanntlich<br />

nicht gänzlich verschw<strong>und</strong>en; nicht nur, weil es bis vor kurzem<br />

noch die liturgische Sprache <strong>der</strong> römisch-katholischen Kirche<br />

war, son<strong>der</strong>n auch <strong>und</strong> vor allem deswegen, weil sich m<strong>in</strong>destens

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