Mai 2013 - Österreichischer Journalisten Club
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Mai 2013 - Österreichischer Journalisten Club
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Ausgabe <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien, Österr. Post AG | Sponsoringpost | 02Z032364S | Preis: € 3,90<br />
Kopfgeldjagd<br />
auf <strong>Journalisten</strong><br />
Körberlgeld<br />
für Verleger<br />
310 Jahre<br />
Wiener<br />
Zeitung<br />
© Rachel Gold
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ÖSTERREICHISCHER<br />
JOURNALISTEN CLUB<br />
AUSTRIAN<br />
JOURNALISTS CLUB
[]<br />
Man wird doch<br />
noch fragen dürfen …<br />
[Kommentar]<br />
Warum Politiker so nervös auf die Veröffentlichungen investigativer <strong>Journalisten</strong> auf der ganzen<br />
Welt reagieren, die 2,5 Millionen Dokumente von über 130.000 Personen aus mehr als 170<br />
Ländern zusammengetragen haben, um ein internationales Netzwerk von Steuerbetrügern<br />
zu entlarven. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble verlangte von der Süddeutschen Zeitung<br />
und vom NDR sogar den Bruch des Redaktionsgeheimnisses und die Herausgabe der Namen von Oligarchen,<br />
Waffenhändlern und Finanzjongleuren. Internationale Medienpartner sind unter anderem die<br />
Washington Post in den USA, der Guardian in Großbritannien und Le Monde in Frankreich.<br />
Meine sehr geehrten Damen und Herren Politiker und Strafverfolger. Eine der wichtigsten Aufgaben<br />
des Journalismus ist die Aufdeckung von Missständen in der Gesellschaft. Dazu gehören auch die<br />
Steuerprofiteure, die versuchen, über die Macht des Geldes auch die politische Macht zu übernehmen.<br />
Dem gilt es mit allen Möglichkeiten im Journalismus entgegenzuwirken. Der Datenjournalismus wird<br />
und muss hier eine neue Qualität der journalistischen Recherche erreichen. Dies geling aber nur global.<br />
Deshalb wurde auch das Internationale Konsortium für investigative <strong>Journalisten</strong> (ICIJ) in Washington<br />
geschaffen.<br />
Zur Pressefreiheit gehört aber auch, dass die Informanten der Presse durch das Redaktionsgeheimnis<br />
geschützt werden und geschützt bleiben. „Eine Weitergabe der Daten an Ermittlungsbehörden würde<br />
diesen Schutz gefährden und weitere Recherchen infrage stellen. Die Presse ist kein Hilfsorgan der<br />
Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung. Würde sie diese Rolle einnehmen, könnte sie<br />
ihren ureigenen Aufgaben – für die es das Grundrecht der Pressefreiheit gibt – nicht mehr nachkommen“,<br />
schreibt die Süddeutsche Zeitung.<br />
Dem ist nichts mehr hinzu zufügen, meint Ihr<br />
Fred Turnheim<br />
[]<br />
Brief aus der Redaktion<br />
Kriegsreporter leben gefährlich.<br />
Jedes Jahr werden Kriegsberichterstatter<br />
verletzt oder getötet.<br />
Erst vor rund vier Wochen wurde<br />
der ehemalige ARD-Nahost-Korrespondent<br />
Jörg Armbruster<br />
(65) bei Dreharbeiten<br />
im nordsyrischen Aleppo von<br />
einem Heckenschützen schwer<br />
verwundet. Seit Kurzem sind<br />
in Syrien sogar Kopfgelder auf<br />
<strong>Journalisten</strong> ausgesetzt worden,<br />
„Sniper“, Heckenschützen, machen<br />
gezielt Jagd auf Kolleginnen<br />
und Kollegen. Das ist wohl eine<br />
neue „Qualität“ des Kriegs- und<br />
Krisenjournalismus.<br />
Damit befasst sich unsere Titelgeschichte<br />
„Kopfgeldjagd auf<br />
<strong>Journalisten</strong>“.<br />
Welche schweren seelischen<br />
Wunden jahrelanges Ertragen oft<br />
unsäglicher Mühen und Gefahren<br />
schlagen kann, schildert der<br />
langjährige ORF-Kriegsreporter<br />
Fritz Orter unter dem Titel „Das<br />
Trauma der Kriegsreporter“.<br />
Dass wir die „Grand Old Lady“<br />
des heimischen Blätterwalds, die<br />
Wiener Zeitung, bekanntlich älteste<br />
täglich erscheinende Zeitung<br />
der Welt, zum 310. Geburtstag<br />
ausführlich würdigen, versteht<br />
sich ja von selbst.<br />
Nicht vergessen: Der 3. <strong>Mai</strong><br />
ist – gemäß Art. 19 Menschenrechtsdeklaration<br />
– der Tag der<br />
Pressefreiheit, die jeden Tag neu<br />
erkämpft werden muss.<br />
Ihre Chefredakteure<br />
Oswald M. Klotz und<br />
Fred Turnheim<br />
chefredaktion@oejc.at<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 3
[Inhalt]<br />
Die Zeitung<br />
der Republik<br />
06<br />
10 []<br />
Kopfgeldjagd<br />
auf <strong>Journalisten</strong><br />
Körberlgeld für<br />
Verleger<br />
14<br />
Die Frau hinter<br />
Woman<br />
16<br />
Das Assad-Regime soll Kopfgeld auf <strong>Journalisten</strong><br />
ausgelobt haben.<br />
Journalismus<br />
in Südafrika<br />
18<br />
03 Kommentar:<br />
Man wird doch noch fragen dürfen …<br />
06 Zeitungsgeschichte:<br />
Die Zeitung der Republik<br />
10 Medien:<br />
Kopfgeldjagd auf <strong>Journalisten</strong><br />
12 Medien:<br />
Das Trauma der Kriegsreporter<br />
14 Urheberrecht:<br />
Körberlgeld für Verleger<br />
16 Portrait:<br />
Euke Frank – die Frau hinter Woman<br />
18 Ausland:<br />
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit<br />
20 Ausland:<br />
Knebelung der Medien in Montenegro<br />
22 Medien:<br />
Leben lernen mit „Postern“<br />
4 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Inhalt]<br />
[]<br />
Das Trauma<br />
der Kriegsreporter<br />
12<br />
22<br />
Leben lernen<br />
mit „Postern“<br />
25<br />
Narrativer<br />
Journalismus<br />
Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten<br />
ist eine verstörende Arbeit.<br />
28<br />
Die gekauften<br />
Medien<br />
24 Medien:<br />
Schwarm im Netz finanziert Medienprojekte<br />
25 Medien:<br />
Storytelling im narrativen Journalismus<br />
26 Ratgeber:<br />
Verstorbene haben Rechte/Neuerungen bei Pendlerförderung<br />
28 Österreich:<br />
Die gekauften Medien<br />
30<br />
New Media:<br />
Zwitschern aus dem Gerichtssaal<br />
32<br />
Zwitschern aus<br />
dem Gerichtssaal<br />
31 Bildung:<br />
Fernsehen für mehr Demokratie<br />
32 Kommentar:<br />
Was Journalismus nicht leistet<br />
33 Erwachsenenbildung:<br />
Lernen für die Zukunft<br />
34<br />
Das letzte Wort:<br />
Vorschau/Impressum/Das letzte Wort<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 5
[Zeitungsgeschichte]<br />
[ ]<br />
Die Zeitung der Republik<br />
Vor 310 Jahren erschien die Wiener Zeitung erstmals als Wiennerisches<br />
Diarium. Sie ist damit die weltweit älteste, noch täglich erscheinende<br />
Zeitung. Die Geschichte des Blattes ist ähnlich spannend wie jene des<br />
Landes Österreich. Heute versteht sich die Wiener Zeitung als öffentlichrechtliches<br />
Medium, das ob seiner Qualitäten mehr Beachtung verdiente.<br />
Von Fritz Hausjell<br />
Blickt man ganz genau hin, dann<br />
wird die Wiener Zeitung heuer<br />
„erst“ 305 Jahre alt. Denn von<br />
Februar 1940 bis 1945 durfte diese<br />
Tageszeitung nicht erscheinen. Das<br />
NS-Regime stellte, ein Jahr nach<br />
dem „Anschluss“, den redaktionellen<br />
Teil der Wiener Zeitung ein, und<br />
im Februar 1940 dann auch den<br />
verbliebenen Amtsteil.<br />
Nach der Befreiung erschien ab<br />
dem 21. September 1945 die Zeitung<br />
wieder. Im Besitz der Republik<br />
Österreich befindlich, hatte diese<br />
Tageszeitung in den ersten Jahren<br />
einen sehr geringen Umfang, der<br />
in den 1950er-Jahren nur einen<br />
bescheidenen Ausbau erfuhr, während<br />
andere Blätter deutlich an<br />
Masse zulegten. Ab den 1960er-<br />
Jahren kam es zu einer gewissen<br />
Modernisierung, dennoch hinkte<br />
das Blatt der Entwicklung der Konkurrenz<br />
journalistisch wie auch<br />
technologisch hinterher.<br />
Die Geschichte der Wiener Zeitung<br />
im 20. Jahrhundert muss allerdings<br />
erst geschrieben werden.<br />
Die Forschung hat vor allem das<br />
letzte Jahrhundert dieses Blatts<br />
viel zu wenig beachtet. Wie stark<br />
das Blatt von den wechselnden<br />
Regierungskonstellationen ab den<br />
1960er-Jahren geprägt wurde, ist<br />
zwar eine spannende Frage, aber<br />
wissenschaftlich nicht erforscht.<br />
In den 1980er-Jahren jedenfalls<br />
kam Dynamik in das Blatt. Thomas<br />
Pluch, der renommierte Buch- und<br />
TV-Drehbuchautor („Das Dorf an<br />
der Grenze“), war damals stellvertretender<br />
Chefredakteur. Er<br />
begründete 1984 die Feuilleton-<br />
Beilage Extra zum Wochenende, für<br />
die er nicht nur viele namhafte Autorinnen<br />
und Autoren gewinnen<br />
konnte. Pluch war ebenso erfolgreich<br />
bei der Förderung des Nachwuchses.<br />
Auf Pluchs Konto geht<br />
auch die Literaturbeilage Lesezirkel<br />
1989/90 drohte das Aus,<br />
die Rettung erfolgte im<br />
letzten Moment.<br />
(1983–1996). Nach dem frühen<br />
und jähen Tod Thomas Pluchs im<br />
Jahr 1992 übernahm sein Mitarbeiter<br />
Franz Zauner die Leitung der<br />
Wochenend-Beilage. Heute leitet<br />
sie Gerald Schmickl.<br />
Diesen Jahren des journalistischen<br />
Aufbruchs folgen ökonomisch und<br />
politisch bedrohliche. 1989/90<br />
drohte sogar das Aus, die Rettung<br />
erfolgte im letzten Moment.<br />
Die Wiener Zeitung war zentrales<br />
amtliches Veröffentlichungsorgan<br />
der Republik Österreich, mit Kundmachungen<br />
über Ausschreibungen<br />
von wichtigen Dienststellen<br />
und Leistungen des Bundes, mit<br />
sämtlichen Eintragungen in das Firmenbuch<br />
bis hin zu Insolvenznachrichten,<br />
Bilanzen, Ö-Normen, Aufsichtsratsveränderungen,<br />
Anleihen<br />
und vielen anderen wirtschaftsrelevanten<br />
Informationen. Durch diese<br />
Pflichtveröffentlichungen finanzierte<br />
sich die Republik-Zeitung<br />
wesentlich. Mit der europaweit ab<br />
6 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Zeitungsgeschichte]<br />
den 1980er-Jahren zunehmenden<br />
Neoliberalistismus-Debatte kam es<br />
auch in Österreich dazu, dass das<br />
Monopol der Wiener Zeitung auf<br />
diese Pflichtveröffentlichungen in<br />
ihrem Amtsblatt von konservativen<br />
Politikern und Konkurrenzblättern<br />
infrage gestellt wurde. Zeitungen<br />
wie Die Presse begehrten mehrmals<br />
die ertragreichen Pflichtinserate.<br />
Doch das Blatt kann sich behaupten.<br />
Das Redaktionsteam will<br />
zudem unabhängigen Journalismus<br />
betreiben. Als das Blatt 2003<br />
seinen 300. Geburtstag feiert,<br />
beansprucht der damalige Chefredakteur<br />
Peter Bochskanl, „eine<br />
überparteiliche Tageszeitung mit<br />
Berichten und Analysen zu den<br />
wichtigsten politischen, wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Ereignissen<br />
und Entwicklungen in Österreich“<br />
zu sein. Bochskanl in der Festschrift<br />
weiter: „Einen besonderen Raum<br />
nehmen dabei das parlamentarische<br />
Geschehen und die Arbeit<br />
der Bundesregierung ein. Aufgrund<br />
dieser vollständigen Information ist<br />
die Wiener Zeitung ein Garant für<br />
objektive und von privaten Herausgeberinteressen,<br />
aber auch von<br />
Parteien unbeeinflusste, freie Berichterstattung.“<br />
Die Tageszeitung spiegelte<br />
die politische Richtung<br />
der Bundesregierung<br />
wider<br />
Bochskanl, der lange Zeit führend<br />
in der Öffentlichkeitsarbeit der<br />
ÖVP tätig war, stieg im Jahr 2000<br />
nach Beginn der schwarz-blauen<br />
Regierung zum Chefredakteur<br />
auf, gleichwohl sein Vorgänger, die<br />
© Wiener Zeitung (2)<br />
Schiedsrichter-Legende Heinz<br />
Fahnler, noch etliche Jahre bis zur<br />
regulären Pension vor sich gehabt<br />
hätte, aber als „Roter“ galt.<br />
Bochskanl indes ging 2005 mit 65<br />
in Pension. Ihm folgte unter der<br />
Regierung Schüssel II Andreas<br />
Unterberger als Chefredakteur.<br />
Unterberger hatte im Jahr davor bei<br />
der Presse seinen Chefredakteurs-<br />
Posten verloren. Mit ihm wirkte<br />
an der Spitze des Blattes nicht nur<br />
jemand, der dieser Zeitung davor<br />
die Pflichtinserate wegnehmen<br />
und damit die Existenzgrundlage<br />
rauben wollte, sondern er brachte<br />
auch eine markante Riege von Mitte<br />
bis sehr weit rechts positionierter<br />
Kommentatoren ins Blatt. Eine<br />
öffentlich-rechtliche Ausgewogenheit<br />
in der Kommentierung des<br />
politischen Zeitgeschehens bedeutete<br />
dies jedenfalls nicht.<br />
Als 2006 Schüssel die Wahl verlor<br />
und wieder eine SPÖ-geführte<br />
Koalitionsregierung ans Ruder<br />
kam, konnte Unterberger bleiben.<br />
Er wurde erst 2009 mit dem Auslaufen<br />
seines Vertrages nicht ver-<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 7
[Zeitungsgeschichte]<br />
längert. Sein Nachfolger ist seither<br />
Reinhard Göweil, der davor das<br />
Wirtschaftsressort des Kurier geleitet<br />
hatte. Seither begreift sich die<br />
Wiener Zeitung zumindest inhaltlich<br />
als explizit öffentlich-rechtliches<br />
Medium, das eine unabhängige<br />
und vielfältige Berichterstattung<br />
leisten will. Strukturell ist das Blatt<br />
inzwischen eine GmbH, die zu 100<br />
Prozent der Republik Österreich<br />
gehört.<br />
Seit 2009 kann die Wiener Zeitung<br />
als besonderes Experimentierfeld<br />
für Qualitätsjournalismus begriffen<br />
werden. Es hat als einzige Tageszeitung<br />
eine tägliche Seite, die sich<br />
vielfältig dem Thema „Integration“<br />
widmet. Der Umfang des Feuilletonteils<br />
ist größer als bei allen anderen<br />
Blättern, ebenso der internationale<br />
Teil: Im ersten Buch sind<br />
sechs Seiten dem Ressort „Europa@Welt“<br />
gewidmet. Innovativ<br />
ist auch die neue Ressortstruktur,<br />
die dem Rechnung tragen möchte,<br />
Die Wiener Zeitung ist<br />
besonders experimentierfreudig.<br />
dass vieles miteinander zu tun hat,<br />
weshalb es in einer traditionellen<br />
Tageszeitungs-Ressortaufteilung<br />
nicht angemessen behandelt werden<br />
könne. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal<br />
ist die Abteilung<br />
„Zeitreisen“, eine Geschichtsbeilage,<br />
an deren Gestaltung sich viele<br />
Leserinnen und Leser intensiv und<br />
akribisch beteiligen.<br />
Dennoch ist die Wiener Zeitung<br />
– was Verbreitung und Auflage betrifft<br />
– eine der kleinsten Tageszeitungen<br />
im Land. Wochentags werden<br />
22.000 Stück täglich gedruckt<br />
und damit jeweils 57.000 Leser<br />
erreicht. Mit der Samstag-Auflage<br />
von 50.000 Stück wird das Blatt von<br />
112.000 Menschen gelesen, wovon<br />
rund 72 Prozent in Wien und Niederösterreich<br />
leben.<br />
Bereits 1995 war die Wiener Zeitung<br />
erstmals online, womit sie<br />
zur Pioniergeneration zählt. Seit<br />
1997 leitet der stellvertretende<br />
Chefredakteur, Franz Zauner, des<br />
Blattes den innovationsfreudigen<br />
Online-Bereich. Dies wird auch<br />
vom Publikum belohnt: Laut ÖWA<br />
© Wiener Zeitung<br />
verzeichnete das Online-Angebot<br />
der Wiener Zeitung 2012 im Jahresschnitt<br />
527.000 Visits mit insgesamt<br />
1.206.000 Page Impressions.<br />
Als Reaktion auf die Krise der Zeitungen<br />
und als Antwort auf die<br />
Frage nach der künftigen Finanzierbarkeit<br />
von Qualitätsmedien durch<br />
den Markt formulierten – beginnend<br />
mit Jürgen Habermas 2007 in<br />
der Süddeutschen Zeitung – einige<br />
Autoren die Idee von öffentlichrechtlichen<br />
Printmedien. Die Wiener<br />
Zeitung ist dies bereits jetzt<br />
mehr oder weniger.<br />
Ein genauer Blick in die ältere<br />
Geschichte des Blattes lohnt. Die<br />
Wiener Zeitung hat ein bewegtes<br />
Leben hinter sich. Auf Initiative Kaiser<br />
Leopolds I. gegründet, erschien<br />
die Wiener Zeitung erstmals am 8.<br />
August 1703, zunächst unter dem<br />
Namen Wiennerisches Diarium.<br />
1780, im Todesjahr Maria Theresias,<br />
erhielt sie den Namen Wiener<br />
Zeitung.<br />
Zu Beginn des Blattes, im frühen<br />
18. Jahrhundert, war das Lesepublikum<br />
nicht nur wegen der hohen<br />
Analphabetenrate, sondern auch<br />
aufgrund des hohen Zeitungspreises<br />
noch sehr klein. In den ersten<br />
Jahren dürfte die Auflage des Diariums<br />
etwa zwischen 800 und 1.500<br />
Stück gelegen sein. 1714 lag das<br />
Blatt in elf Wiener Caféhäusern auf.<br />
Alle Blätter waren damals „Hofzeitungen“<br />
in dem Sinne, dass es nur<br />
vom jeweiligen Hof sanktionierte<br />
(„privilegierte“) Gazetten gab. Pressefreiheit<br />
war noch Zukunftsmusik.<br />
Zeitungsmacher waren von der<br />
Gnade des Landesherrn abhängig.<br />
Zu unterscheiden ist allerdings<br />
zwischen den tatsächlich vom Hof<br />
herausgegebenen Zeitungen und<br />
denen, die von Privatunternehmen<br />
geführt wurden. Der private Drucker<br />
konnte dem Blatt doch eine gewisse<br />
Eigenständigkeit geben. Denn<br />
bei Hof vermochte er immerhin<br />
darauf zu verweisen, dass die Zeitung<br />
nur mit einer verkauften Mindestauflage<br />
rentabel war und daher<br />
Rücksicht nicht nur auf die Interessen<br />
der Obrigkeit, sondern auch auf<br />
das gemeine Publikum zu nehmen<br />
war. Das Wiennerische Diarium bzw.<br />
die Wiener Zeitung befand sich von<br />
1703 bis 1857 in privater Hand der<br />
Gehlenschen Druckerei.<br />
Die Alleinherrschaft Josephs II.<br />
(1780–1790) brachte Verleger wie<br />
Redaktion dann in eine schwierige<br />
Lage. Das Blatt durfte als einziges<br />
von den neuen Freiheiten des<br />
„Volkskaisers“ nicht profitieren.<br />
Während der Monarch die Zensurbestimmungen<br />
zunächst lockerte,<br />
beharrte er darauf, dass die Wiener<br />
Zeitung in erster Linie ihm selbst für<br />
Veröffentlichungen zur Verfügung<br />
stehen müsse.<br />
Ein neuer Redakteur, Conrad Dominik<br />
Bartsch, der in ärmlichen Verhältnissen<br />
aufgewachsen und vom<br />
großen Reformer und Gelehrten<br />
Joseph von Sonnenfels gefördert<br />
worden war, bescherte neue Akzente:<br />
Er sorgte für die schnellste<br />
Verbreitung der 1789 im revolutionären<br />
Frankreich verkündeten Erklärung<br />
der Menschenrechte („Freiheit,<br />
Gleichheit, Brüderlichkeit!“).<br />
Der Text erschien im vollen Wortlaut.<br />
Bartsch hatte enge Kontakte<br />
zu österreichischen Demokraten,<br />
die von Kaiser Franz und dessen<br />
Behörden als angebliche Jakobiner<br />
verfolgt wurden. Redakteur Bartsch<br />
entging im Juli 1794 nur knapp der<br />
Verhaftung.<br />
Manchmal ist Nicht-Berichten<br />
fast ein Kommentar.<br />
Am 8. Jänner 1795 wird der führende<br />
„Jakobiner“ Franz von Hebenstreit<br />
hingerichtet und Kaiser<br />
Franz benutzt dies zu intensiver<br />
Propaganda gegen die Verfechter<br />
der Ideen Josephs II. Doch die<br />
Wiener Zeitung, Chronistin aller<br />
politisch bedeutsamen Vorgänge im<br />
Land, bringt nicht eine Zeile über<br />
die Exekution. Manchmal ist Nicht-<br />
Berichten fast ein Kommentar. Für<br />
Bartsch wurde die Situation in der<br />
Redaktion unhaltbar. Wegen eines<br />
angeblich revolutionsfreundlichen<br />
Artikels aus Holland wird er vom<br />
Monarchen persönlich gerügt. Sein<br />
Verleger hielt vorerst zu ihm. 1799<br />
musste Bartsch dann für ein Jahrzehnt<br />
den Hut nehmen und sich als<br />
Textilhändler versuchen.<br />
Die Fortsetzung der weiteren<br />
wechselvollen Geschichte der Wiener<br />
Zeitung bietet „Statement“ in<br />
der Juni-Ausgabe.<br />
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8 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
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Kopfgeldjagd auf <strong>Journalisten</strong><br />
In Syrien herrscht Ausnahmezustand. Regimetreue Assad-Truppen und Aufständische liefern sich<br />
blutige Gemetzel um die Macht im Land. Und immer öfter geraten auch <strong>Journalisten</strong>, Fotografen und<br />
Kameraleute zwischen die Fronten und somit direkt in die Schusslinie.<br />
VON [Statement]-korrespondent<br />
Jon Mendrala Aus Hamburg<br />
Selten war wohl die Nachricht<br />
eines Krankenhausaufenthalts<br />
mit mehr Aufatmen verbunden<br />
als diese. Bei „ARD-aktuell“,<br />
der Nachrichtenzentrale des Gemeinschaftsprogramms,<br />
ist die Erleichterung<br />
noch immer spürbar,<br />
seit bekannt ist: Der in Syrien von<br />
einem Heckenschützen angeschossene<br />
ARD-Reporter Jörg Armbruster<br />
(65) wurde nach einer Notoperation<br />
in die Türkei ausgeflogen und<br />
kann sich jetzt in seiner Heimat von<br />
seinen schwersten Verletzungen erholen.<br />
ARD-aktuell-Chefredakteur Kai<br />
Gniffke erinnert sich im Gespräch<br />
mit [Statement] an die bangen<br />
Stunden des Wartens im sicheren<br />
Hamburg: „Natürlich waren alle<br />
in der Redaktion sehr erschüttert,<br />
dass es einen so klugen und umsichtigen<br />
Kollegen wie Jörg Armbruster<br />
getroffen hat. Deshalb gibt<br />
es nun bei uns eine große Solidaritätswelle<br />
mit Jörg. Der Vorfall hat<br />
uns aber auch noch einmal sensibilisiert,<br />
dass wir den Krisenherd<br />
Syrien nicht aus dem Blick verlieren<br />
dürfen, auch wenn man sich schon<br />
an den Bürgerkrieg dort beinahe zu<br />
gewöhnen droht.“<br />
wilde Gerüchte, denn nach dem<br />
Fall Armbruster treibt nun viele<br />
<strong>Journalisten</strong> in Syrien die Frage um:<br />
Hat das Assad-Regime tatsächlich<br />
ein Kopfgeld auf <strong>Journalisten</strong> ausgelobt,<br />
wie berichtet wurde? Das<br />
wäre nicht nur ein Verstoß gegen<br />
die Genfer Konvention, sondern<br />
vermutlich eine ganz neue und unverhohlene<br />
Gefahrenlage.<br />
Hat das Assad-Regime<br />
ein Kopfgeld auf <strong>Journalisten</strong><br />
ausgelobt?<br />
Michael Konken, Vorsitzender des<br />
Deutschen <strong>Journalisten</strong>-Verbandes<br />
(DJV), zeigt sich gegenüber [Statement]<br />
schockiert: „<strong>Journalisten</strong> als<br />
Freiwild? Das darf nicht sein. Wenn<br />
die Meldung stimmt, zeigt sie vor<br />
allem eines: Keiner Seite ist daran<br />
gelegen, dass die Öffentlichkeit die<br />
Wahrheit über den Bürgerkrieg<br />
erfährt.“<br />
Die NGO Press Emblem Campaign<br />
(PEC) erklärte bereits im Dezember<br />
in Genf, dass im vergangenen<br />
Jahr weltweit mindestens 139 <strong>Journalisten</strong><br />
bei oder wegen der Ausübung<br />
ihres Berufs getötet wurden.<br />
Vor allem durch die Tötung von<br />
mindestens 36 Medienbeschäftigten<br />
im syrischen Bürgerkrieg sei<br />
damit ein trauriger Rekord erreicht<br />
worden, so PEC-Generalsekretär<br />
Blaise Lempen. Damit ist Syrien<br />
– nach dem Irak zwischen 2003<br />
und 2006 – mittlerweile zu einem<br />
der gefährlichsten Einsatzgebiete<br />
für Reporter seit Jahrzehnten geworden.<br />
Auch vor ziemlich genau zehn Jahren,<br />
mitten im Irak-Krieg, schwappte<br />
die Empörungswelle durch den<br />
Beschuss des „Hotel Palestine“,<br />
von dem aus al-Jazeera sendete,<br />
hoch: Erstmals schien das systematische<br />
Töten von <strong>Journalisten</strong> Teil<br />
der Kriegsmaschinerie zu sein. Und<br />
dann wurde sogar zurückgeschossen:<br />
CNN-Reporter Brent Sadler<br />
erlangte traurige Berühmtheit, als<br />
er als erster westlicher Journalist<br />
aus Tikrit berichtete. Das konnte er<br />
nur, weil er mit bewaffneten Leibwächtern<br />
unterwegs war. Die Bilder<br />
konnten auf Sendung gehen – dafür<br />
wurde Sadler selber zur Kriegspartei.<br />
Fernsehmann Armbruster und<br />
sein Team hatten sich laut Südwestrundfunk<br />
(SWR) eine knappe<br />
Woche im Gebiet der „Freien Syrischen<br />
Armee“ aufgehalten, um<br />
eine Reportage über die Rebellen<br />
zu drehen. Armbruster ist im nordsyrischen<br />
Aleppo angeschossen<br />
und am Ostersamstag nach einer<br />
Notoperation mit einem Krankenwagen<br />
über die türkische Grenze<br />
gebracht worden.<br />
Das ist die dürftige Faktenlage:<br />
Doch im Hintergrund kursieren<br />
© SWR-Pressestelle/Fotoredaktion Co<br />
ARD-Reporter Jörg Armbruster<br />
ARD-Korrespondent Jörg Armbruster<br />
kannte die Gefahr: Der<br />
Nahost-Experte hatte bis Jänner<br />
<strong>2013</strong> mehrere Jahre als Leiter des<br />
ARD-Studios in Kairo über die<br />
arabische Welt berichtet – und er<br />
war bei der ägyptischen Revolution<br />
während des Bürgerkriegs in Libyen<br />
das Fernsehgesicht für die Nachrichtenflaggschiffe<br />
,Tagesschau‘ und<br />
,Tagesthemen‘.<br />
Für ARD-Nachrichtenchef Kai Gniffke<br />
hat die Gewalt gegen <strong>Journalisten</strong><br />
nun auch eine andere Qualität er-<br />
10 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Medien]<br />
© Stephen Dock/Agence Vu picturedesk.com<br />
reicht: „Die Todesdrohungen setzen<br />
darauf, dass unabhängige <strong>Journalisten</strong><br />
nicht mehr in die Krisenregion<br />
gelangen. Hier müssen wir nüchtern<br />
einräumen, dass dieses Kalkül gelegentlich<br />
aufgeht, denn niemand von<br />
uns möchte leichtfertig das Leben<br />
einer Kollegin oder eines Kollegen<br />
aufs Spiel setzen.“<br />
Keiner Seite ist daran<br />
gelegen, dass die Öffentlichkeit<br />
die Wahrheit über<br />
den Bürgerkrieg erfährt.<br />
Vielleicht ist dies nicht die ganze<br />
Wahrheit: Denn oftmals ist der<br />
Druck für die Kriegsreporter aus<br />
der Stammredaktion im sicheren<br />
Europa hoch, Bilder und O-Töne<br />
vor Ort zu bekommen, auch wenn<br />
das Risiko für den Einzelnen unkalkulierbar<br />
ist. Am Lerchenberg in<br />
<strong>Mai</strong>nz (Sitz des ZDF) oder im Vierscheibenhaus<br />
in Köln (Verwaltungssitz<br />
des Westdeutschen Rundfunks<br />
WDR) sehen es Chefredakteure<br />
und Programmchefs ungern, wenn<br />
die Konkurrenz die Bilder ausstrahlt,<br />
die man selber gern hätte.<br />
Für die ARD gelten auch nach dem<br />
Vorfall keine neuen, allgemeinverbindlichen<br />
Regeln. Grundsätzlich<br />
legt jeder einzelne ARD-Sender die<br />
Sicherheitsrichtlinien für das von<br />
ihm betreute Auslandsstudio fest.<br />
Auch ein ZDF-Team unter Führung<br />
des TV-Korrespondenten Dietmar<br />
Ossenberg ist erst kürzlich in Syrien<br />
unter Beschuss geraten. ZDF-Pressesprecher<br />
Rainer Stumpf zu [Statement]:<br />
„Kein Bild ist das Leben unserer<br />
Mitarbeiter wert. Dennoch gilt<br />
es gerade in Krisenregionen, sich ein<br />
eigenes Bild zu machen, um objektiv<br />
berichten zu können. Wenn möglich<br />
und von den Risiken her abschätzbar,<br />
versuchen wir dies durch eigene<br />
Drehs vor Ort zu realisieren.“ Mittlerweile<br />
sind Kameramann, Tontechniker<br />
und Reporter des ZDF wieder<br />
aus Syrien abgereist.<br />
Der DJV hofft nun, dass dieses Beispiel<br />
Schule macht. Die Rundfunkanstalten<br />
und Agenturen dürften<br />
vor allem nicht vergessen, dass sie<br />
für „ihre“ Korrespondenten verantwortlich<br />
seien. Was bedeute,<br />
dass die Sender und Agenturen im<br />
Zweifel ihre <strong>Journalisten</strong> auffordern<br />
müssten, das Land zu verlassen,<br />
wenn die Risiken nicht mehr überschaubar<br />
seien.“<br />
Die Medienhäuser dürfen<br />
nicht vergessen, dass sie<br />
für ihre Korrespondenten<br />
verantwortlich sind.<br />
Auch Christoph Dreyer, Nahost-<br />
Experte bei der deutschen Sektion<br />
von „Reporter ohne Grenzen“,<br />
ist um die Sicherheit der Kollegen<br />
besorgt: „Sollten die entsprechenden<br />
Berichte stimmen, dann wäre<br />
das ein Aufruf zu einem Kriegsverbrechen,<br />
der mit aller Konsequenz<br />
juristisch verfolgt werden müsste:<br />
<strong>Journalisten</strong> in Krisengebieten gelten<br />
nach dem Kriegsvölkerrecht als<br />
Zivilisten, sofern sie keine Waffen<br />
tragen und sich nicht an Kampfhandlungen<br />
beteiligen.“<br />
Jörg Armbruster kann sich nun in<br />
seiner Heimat erholen, teilt die ARD<br />
mit. Doch auch wenn er wieder ganz<br />
gesund wird, werden Wunden bleiben,<br />
denn der Krieg kennt nur Verlierer<br />
und Opfer. Für <strong>Journalisten</strong> macht<br />
er da keine Ausnahme. <br />
© Dennis Williamson<br />
Zum Autor<br />
Jon Mendrala<br />
Der 31-Jährige arbeitet<br />
seit 2009 beim NDR in<br />
Hamburg als Autor, Gestalter<br />
und Reporter. Als<br />
Deutschlandkorrespondent<br />
für [Statement] hat er die<br />
Trends am deutschen<br />
Medienmarkt im Blick.<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 11
[Medien]<br />
[ ]<br />
Das Trauma der Kriegsreporter<br />
Kriegsreporter? Ein dummes Wort. Vorbelastet und geschändet durch<br />
ideologische Rattenfänger jeglicher Schattierung.<br />
Kommentar VON FRIEDRICH ORTER<br />
Natürlich gibt es sie: die Bruce<br />
Willis- und Sylvester Stallone-Imitate,<br />
die Filmaction<br />
mit Kriegsreportage verwechseln.<br />
P.M. war so einer, im Bosnien-Krieg<br />
der frühen 1990er-Jahre: In schwarzem<br />
Outfit, mit Strohhut, fuhr er<br />
den Sarajevoer Todesstreifen, die<br />
sogenannte Sniper Alley vom Flughafen<br />
zum Kriegsreporter-Hotel<br />
„Holiday Inn“ entlang – am Auto<br />
ein Schild mit der Aufschrift: „Don´t<br />
shoot, I am immortal.“<br />
Seine Unsterblichkeit war begrenzt<br />
– spätestens, seitdem ihm<br />
ein Scharfschütze die Hand zerfetzt<br />
hatte. Vor einigen Jahren starb er.<br />
Nicht auf dem Schlachtfeld, sondern<br />
ganz banal. An Alkoholismus.<br />
Eine Kriegsreporter-Krankheit.<br />
Einer meiner Kameramänner aus<br />
14 Kriegen, aus und von denen ich<br />
berichtete, war F.A., ein Haudegen,<br />
bis er eines Nachts schweißgebadet<br />
träumte, er halte inmitten von Leichenhaufen<br />
seine Kamera verkehrt<br />
und müsse sich bei mir für verwackelte<br />
Bilder entschuldigen. Ein<br />
klassischer Fall für eine notwendige<br />
psychotherapeutische Betreuung,<br />
ein Opfer der Posttraumatischen<br />
Belastungsstörung (PTBS).<br />
Ein guter Tag für den<br />
Reporter kann der letzte<br />
für seinen Interviewpartner<br />
sein.<br />
Laut Fachliteratur ist das traumatische<br />
Ereignis „das direkte persönliche<br />
Erleben einer Situation, die mit<br />
dem Tod oder der Androhung des<br />
Todes, einer schweren Verletzung<br />
oder einer anderen Bedrohung der<br />
körperlichen Unversehrtheit zu tun<br />
hat“ (DSM-IV, 1998, S.487). Kriegsund<br />
Krisenberichterstatter sind oft<br />
in Gegenden im Einsatz, wo Menschen<br />
in lebensgefährliche Situationen<br />
geraten sind. Ein guter Tag für<br />
den Reporter kann der letzte für<br />
seinen Interviewpartner sein.<br />
Berichterstattung aus Kriegs- und<br />
Krisengebieten ist eine verstörende<br />
Arbeit. Es ist eine Arbeit über Menschen<br />
in ihren schlimmsten Augenblicken.<br />
Die einzige Rechtfertigung<br />
für diese Arbeit ist die Wahrhaftigkeit<br />
unserer Berichterstattung als<br />
Ausdruck des Respekts.<br />
Auf dem Norfolk Place, in der<br />
Nähe der Paddington Station, ist<br />
Londons auffälligster <strong>Club</strong> untergebracht,<br />
der „Front Cine <strong>Club</strong>“,<br />
gegründet von Kriegsberichterstattern<br />
während der Wirren der<br />
Revolution in Rumänien. Hier dis-<br />
Kriegsreporter Fritz Orter im Irak<br />
12 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Medien]<br />
© Friedrich Orter (2)<br />
Fritz Orter inmitten totaler Zerstörung im Libanon<br />
kutieren jene, die weltweit von<br />
den Frontlinien zurückkehren und<br />
der Ansicht sind, dass die Verantwortung<br />
von Kriegsberichterstattern<br />
keineswegs endet, wenn „die<br />
Story im Kasten ist“. Ein Treffpunkt,<br />
wo nicht nur über die Opfer von<br />
Kriegen gesprochen wird, sondern<br />
auch Spendenaktionen für sie initiiert<br />
werden. Ein Treffpunkt für jene,<br />
die über die Opfer berichtet haben:<br />
Für <strong>Journalisten</strong>, die nach schwierigen<br />
und lebensgefährlichen Einsätzen<br />
die Narben ihrer wunden<br />
Seelen spüren.<br />
dem Kanonenrohr, dann ein Flimmern:<br />
Der Augenblick, in dem Schana<br />
getroffen wird. Der Augenblick seines<br />
Todes. Gestorben durch ein irrtümlich<br />
abgefeuertes Geschoss.<br />
Sein Name ist auch auf dem Denkmal<br />
in Bayeux eingemeißelt, das<br />
„Reporter ohne Grenzen“ errichtete,<br />
um an all jene <strong>Journalisten</strong> zu<br />
erinnern, die sich in Kampf- und<br />
Gefahrenzonen wagten.<br />
Bayeux war 1944 die erste französische<br />
Stadt, die von den Alliierten von<br />
der Nazibesatzung befreit wurde.<br />
Als ich zuletzt das Memorial besuchte,<br />
waren dort die Namen von<br />
2.000 Reportern aufgelistet, die seit<br />
1944 in Ausübung ihres Berufs getötet<br />
wurden.<br />
Es werden jährlich mehr.<br />
<br />
Kriege, Krisen und<br />
Katastrophen verändern<br />
<strong>Journalisten</strong>.<br />
Fadel Schana spürt nichts mehr.<br />
16. April 2008 auf einer Straße<br />
im Gazastreifen in der Nähe von<br />
Al-Bureidsch. Neun Leichen, neun<br />
Palästinenser.<br />
Einer der Toten ist der 23jährige Fadel<br />
Schana, Kameramann für die britische<br />
Nachrichtenagentur Reuters. Auf<br />
seiner letzten Aufnahme hört man<br />
kurz das Zischen einer israelischen<br />
Panzergranate, die auf ihn zudonnert,<br />
sieht zwei Sekunden lang Rauch aus<br />
© Jewel Samad/AFP/picturedesk.com<br />
Verwundete <strong>Journalisten</strong> in Syrien<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 13
[Urheberrecht]<br />
[]<br />
Körberlgeld für Verleger<br />
© goldbany/Fotolia.com<br />
Deutschland hat sein umstrittenes Leistungsschutzrecht bereits beschlossen, in Österreich kämpfen<br />
die Verleger um zusätzliche Einnahmen – auf Kosten der Autoren. Sie werden aber durch die Finger<br />
schauen.<br />
VON FRED TURNHEIM<br />
Die Novellierung des bundesdeutschen<br />
Urheberrechts<br />
Anfang März <strong>2013</strong> im Bundestag<br />
und kurz darauf im Bundesrat<br />
wird die deutschen Gerichte<br />
beschäftigen. Darüber sind sich Kritiker<br />
und Befürworter einig. Denn<br />
der Berliner Gesetzgeber sorgte<br />
mit seinem durchgepeitschten Leistungsschutzrecht<br />
für Unsicherheit<br />
in allen Lagern.<br />
Kaum hatten die Deutschen ihr<br />
Leistungsschutzrecht beschlossen,<br />
traten auch die österreichischen<br />
Verleger mit ihrem Lobbyisten-<br />
Verein Verband <strong>Österreichischer</strong><br />
Zeitungen (VÖZ) auf den Plan.<br />
„Das deutsche Leistungsschutzrecht<br />
schiebt nicht zuletzt jenen<br />
Konzernen, die bisher ungeniert<br />
fremdes Eigentum ohne Zustimmung<br />
der Rechteinhaber für ihre<br />
gewerblichen Zwecke nutzten,<br />
einen Riegel vor“, kommentierte<br />
VÖZ-Geschäftsführer Gerald<br />
Grünberger den Beschluss des<br />
deutschen Bundesrats zur Einführung<br />
des Leistungsschutzrechtes für<br />
Presseverlage. Damit hätten Österreichs<br />
Nachbarn Neuland beschritten<br />
und den Weg für weitere faire<br />
urheberrechtliche Lösungen zum<br />
Schutz journalistischer Inhalte in<br />
Europas Nationalstaaten geebnet,<br />
so der VÖZ.<br />
Das Leistungsschutzrecht<br />
stärkt die Urheberrechte<br />
der Medienhäuser, nicht<br />
aber die der Autoren.<br />
Das Leistungsschutzrecht stärkt in<br />
Deutschland, so wie auch in Österreich<br />
geplant, die Urheberrechte<br />
der Medienhäuser, nicht aber<br />
die der Autoren. Das Geld soll von<br />
Google und Co. kommen. Während<br />
man in Deutschland und Österreich<br />
eher auf Konfrontationskurs<br />
mit dem Internetriesen geht,<br />
suchten die belgischen Verleger<br />
eine andere Lösung: Sie einigten<br />
sich mit Google und wollen das<br />
Problem so lösen, dass Google<br />
den Zeitungen helfen soll, Reichweite<br />
aufzubauen – auch für<br />
„Bezahl“-Inhalte. In Frankreich bekamen<br />
die Verleger einmalig 60<br />
Millionen Euro vom Suchmaschinengiganten.<br />
Google Austria-Unternehmenssprecher<br />
Wolfgang Fasching-Kapfenberger<br />
gegenüber [Statement]<br />
„Wenn Suchmaschinen und ähnliche<br />
Dienste Suchergebnisse freiwillig<br />
ins Netz gestellter Medien-Artikel<br />
nicht mehr verwenden dürfen,<br />
wird das Suchen und Finden im Internet<br />
massiv gestört. Das bedeutet<br />
weniger Informationen für die<br />
Nutzer und höhere Kosten für Unternehmen.“<br />
Schon jetzt kann sich<br />
jeder Verlag durch eine einfache<br />
Programmierzeile aus der Google-<br />
Suche herausnehmen – dafür bedarf<br />
es keines neuen Gesetzes.<br />
Allein durch Google werden weltweit<br />
pro Minute 150.000 Klicks an<br />
Verlagsseiten weitergeleitet, die<br />
diese für sich nutzen können. „Beim<br />
Leistungsschutzrecht geht es aber<br />
nicht nur um Google; es trifft alle<br />
gewerblichen Anbieter im Internet<br />
und letztendlich jeden Internetnutzer<br />
und jede Internetnutzerin in<br />
Österreich“, konstatiert der Google-Sprecher.<br />
Besonders die ÖVP macht sich in<br />
Österreich stark für das zusätzliche<br />
Körberlgeld für Verleger. Gegen einen<br />
vorauseilenden Gehorsam der<br />
Politik spricht sich der Österreichische<br />
<strong>Journalisten</strong> <strong>Club</strong> – ÖJC aus.<br />
Für die größte unabhängige <strong>Journalisten</strong>organisation<br />
des Landes ist ein<br />
Leistungsschutzrecht nur dann sinnvoll,<br />
wenn die Autoren als die geistigen<br />
Urheber ebenfalls von der<br />
Mehrfachverwertung ihrer Werke<br />
finanziell profitieren können. „Dass<br />
nur die Verleger die Kohle kassieren<br />
können, ist einfach ungerecht und<br />
die Contentlieferanten durch die<br />
Finger schauen“, so der ÖJC. <br />
14 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
Goldener Hahn <strong>2013</strong><br />
kreativität (er)leben<br />
Werbegala am 20. Juni<br />
www.goldenerhahn.or.at
[Portrait]<br />
[<br />
Euke<br />
<br />
Frank:<br />
]<br />
Die Frau hinter Woman<br />
© Daniel Hinterramskogler<br />
„Ich finde,<br />
‚Karrierefrau‘ ist<br />
ein seltsames Wort.<br />
Sagt denn irgend<br />
jemand Karrieremann?“<br />
16 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Portrait]<br />
Die Chefredakteurin des auflagenstärksten Frauenmagazins des Landes heißt Euke Frank.<br />
Ihr Fachgebiet sind Frauenthemen. Sie kann aber über mehr schreiben, als nur über Rocklängen<br />
und Fingernägel. Die zweifache Mutter schrieb auch Bücher über spätes Babyglück und prominente<br />
Quereinsteiger in der Politik.<br />
von Nina Bayer<br />
Euke Frank lässt sich am liebsten<br />
außerhalb ihrer Büroräumlichkeiten<br />
interviewen. Sie sagt,<br />
Caféhäuser seien für sie der ideale<br />
Platz, um in Ruhe ein Gespräch<br />
führen zu können. Zum Interview<br />
erscheint sie ganz in Schwarz: „Ich<br />
trage sehr oft schwarz, da es unkompliziert<br />
ist und ich nicht lang überlegen<br />
muss.“ Privat erlaube sie sich<br />
aber auch gern farbenfrohe Muster.<br />
Frank liebt Chronik-Geschichten<br />
und Politik. „Ich habe schon in jungen<br />
Jahren mit meinem Großvater<br />
viel über Politik gesprochen, meine<br />
Eltern haben den Stern und den<br />
Spiegel gelesen“, erinnert sie sich.<br />
Ihre Leidenschaft für Politik lebt sie<br />
heute durch Lesen und vor allem in<br />
Diskussionen auf Twitter aus.<br />
Journalismus hat meiner<br />
Ansicht nach viel mit<br />
Leidenschaft zu tun.<br />
Journalismus hat ihrer Ansicht nach<br />
viel mit Leidenschaft zu tun. Von<br />
älteren <strong>Journalisten</strong> fordert sie<br />
vielfach mehr Einsicht: „Anstellungen<br />
sind schwierig geworden; das<br />
liegt an den enormen Kosten, die<br />
auch durch die besonderen Privilegien<br />
von <strong>Journalisten</strong> entstanden<br />
sind.“ Unter 44 Mitarbeitern zählt<br />
Woman fünf männliche. „Ich freue<br />
mich immer, wenn neue Mitarbeiter<br />
gut ins Team passen. Die Kollegenschaft<br />
ist bunt gemischt, wir sind<br />
zwischen 19 und 67 Jahre alt und<br />
dieser Mix macht Spaß“, so Frank,<br />
die Praktikumsplätze und Volontariate<br />
auch an Männer vergibt.<br />
Die typische Woman-Leserin ist zwischen<br />
20 und 60 Jahre und durchschnittlich<br />
39,2 Jahre alt, weiß Frank.<br />
„Vor ein paar Jahren fragte mich<br />
eine Journalistin, ob ich mit 50 auch<br />
noch Woman-Chefredakteurin sein<br />
werde“, erzählt die 46-jährige gebürtige<br />
Oberösterreicherin. „Wichtig<br />
ist, dass man seine Leserschaft<br />
kennt, weiß, was sie interessiert und<br />
bewegt. Ich habe zwei Angebote<br />
abgelehnt, für die hätte ich nach<br />
Deutschland gehen müssen. Der Job<br />
hier macht mir Spaß und ich lasse<br />
alles, wie schon seit Langem in meinem<br />
Leben, auf mich zukommen.“<br />
Das einzige, was ihr heute in ihrer<br />
Position sehr fehle, sei das Schreiben<br />
selbst, fügt sie hinzu.<br />
Für Frank ist es ein Muss, dass<br />
Woman über Mode, Lippenstift<br />
und Frisuren hinaus „weit mehr“<br />
bieten kann. Als Chefin fordere sie<br />
viel, „aber ich lobe auch, was das<br />
Zeug hält. Die Themen kommen<br />
zum Großteil von meinen Kollegen<br />
selbst, hier wird gute Arbeit geleistet.<br />
Ich bin ja leider eine Mikromanagerin,<br />
aber ich vermeide es, mich<br />
überall einzumischen.“ Auch wenn<br />
sie die Arbeit nie ganz loslässt, versucht<br />
Frank, am Wochenende loszulassen:<br />
„Ich entspann mich schon,<br />
wenn ich einfach nur auf der Couch<br />
liege, in die Luft schau und nichts<br />
tue. “<br />
Geboren wurde Frank am 17. Dezember<br />
1967 in Linz. Ihre Wurzeln<br />
liegen in einem kleinen Dorf im<br />
Mühlviertel. „Ich habe viel Zeit im<br />
Schrebergarten meiner Großeltern<br />
verbracht und dort mit meinem<br />
Opa an der Werkbank gebastelt.“<br />
Aufgewachsen ist sie in Wien und<br />
eigentlich wollte sie immer Detektivin<br />
werden: „Ich liebte die<br />
Geschichten von ‚Nick Knatterton’<br />
und ‚Miss Marple’“. Heute liest sie<br />
lieber Biografien: „Wieso entscheiden<br />
sich Menschen für einen gewissen<br />
Weg und wie entwickelte sich<br />
ihr Leben? Das finde ich spannend. “<br />
Gleich nach der Matura ist Frank<br />
von zu Hause ausgezogen und<br />
musste Geld verdienen; beim Wirtschaftsverlag<br />
in Wien bekam sie die<br />
Gelegenheit dazu: „Ich schrieb über<br />
ergonomisch richtige Büromöbel;<br />
das habe ich damals nur getan, um<br />
Geld zu verdienen.“ Das Interesse<br />
für den „wahren Journalismus“ war<br />
aber geweckt: „Ich begann Publizistik<br />
zu studieren. Bei profil war ein<br />
Volontariat zu vergeben und das<br />
habe damals zu meiner Überraschung<br />
ich bekommen.“ Nach dem<br />
Volontariat wechselte Frank zur<br />
Zeitschrift Basta und kam 1993 zur<br />
Verlagsgruppe News, wo sie für das<br />
Wochenmagazin News von 1994<br />
bis 1999 als Ressortleiterin Chronik<br />
tätig war. Das Studium hängte Frank<br />
schließlich an den Nagel. 1991 kam<br />
eine Tochter zur Welt, im Jahr 2000<br />
ein Sohn. Arbeitspausen gab es<br />
aber so gut wie nie.<br />
Wichtig ist, dass man<br />
seine Leserschaft kennt,<br />
weiß, was sie interessiert<br />
und bewegt.<br />
Im Frühjahr 2001 begann Frank<br />
ihre Karriere bei Woman. Sie war<br />
dort von Beginn an als Mitglied<br />
der Chefredaktion für die Ressorts<br />
Aktuell, Karriere, Kultur und Society<br />
zuständig. Seit 2006 ist sie nun<br />
Chefredakteurin und zusätzlich<br />
auch für das Online-Portal ‚mywoman.at‘<br />
verantwortlich, das von ihr<br />
vor Jahren konzipiert wurde. 2007<br />
gründete und leitete sie nebenbei<br />
ein Jahr lang das Magazin First.<br />
Frank sieht sich als Familienmensch:<br />
„Ich liebe meine Familie über alles<br />
und schöpfe viel Kraft aus ihr.“ Seit<br />
2008 ist sie mit dem „ZiB2“-Moderator<br />
und Fernseh-<strong>Journalisten</strong><br />
Armin Wolf verheiratet. „Wir haben<br />
ein Wochenendhaus im Waldviertel,<br />
dort koche ich viel, gehe<br />
spazieren und verbringe Zeit mit<br />
Freunden“, erzählt Frank, die allerdings<br />
für ihren Geschmack zu wenig<br />
Zeit für Hobbies hat. Reisen würde<br />
sie spannend finden, „doch ich<br />
hasse das Kofferpacken; es ist keine<br />
gute Einstimmung auf das Reisen.“<br />
Eine Bezeichnung, welche die Rolle<br />
der modernen Frau treffend<br />
beschreibt, hat die Woman-Chefin<br />
noch nicht gefunden: „Viele Namen<br />
sind negativ behaftet, andere stellen<br />
die Frauen oft als kaltblütig hin oder<br />
bezeichnen sie als ‚Heimchen am<br />
Herd’. Ich finde, ‚Karrierefrau‘ ist ein<br />
seltsames Wort. Sagt denn irgendjemand<br />
‚Karrieremann‘?“<br />
Auch für Chefredakteurin Frank<br />
sind Vollzeitjob und Kinder nicht<br />
leicht unter einen Hut zu bringen,<br />
denn „man bleibt selbst oft auf der<br />
Strecke“. Ihre Energie holt sie sich<br />
durch Gespräche mit ihrem Mann,<br />
bei ihren Kindern und Freunden. Für<br />
die Kinder habe sie nie Unterstützung<br />
rund um die Uhr gebraucht:<br />
„Ich wurschtle mich genauso durch<br />
wie viele unserer Leserinnen. Jeder<br />
Tag ist eine Herausforderung. Ein<br />
gutes Netzwerk ist wichtig. Aber<br />
jeder von uns kann sich doch aussuchen,<br />
ob er den Tag mit einem<br />
herzhaften ‚Das krieg ich schon hin’,<br />
oder mit ‚Schrecklich, wie werde<br />
ich das nur schaffen?’, beginnt. Ich<br />
hab mich für ‚Ich schaffe das schon<br />
irgendwie’ entschieden.“ <br />
© Privat<br />
Zur Autorin<br />
Nina Bayer<br />
Geboren1978 in Wels, lebt<br />
als freie Journalistin in Wien.<br />
Schon mit 20 war sie in Linz<br />
journalistisch tätig, danach<br />
für APA, Ö1 Campus, medianet<br />
Verlag, u.a. Sie besuchte<br />
die OÖ <strong>Journalisten</strong>akademie<br />
und lebte in Schottland,<br />
wo sie ein Mediencollege<br />
absolvierte und für den erfolgreichen<br />
Filmproduzenten<br />
Bob Last tätig war.<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 17
[Ausland]<br />
[<br />
Zwischen<br />
<br />
Anspruch<br />
]<br />
und Wirklichkeit<br />
Im aktuellen „Press Freedom Index“, den „Reporter ohne Grenzen“ erst unlängst veröffentlichte, ist<br />
Südafrika um zehn Plätze auf den 52. Rang zurückgefallen. Grund dafür ist ein Gesetzesentwurf, der<br />
investigativen Journalismus schon bald unmöglich machen könnte. Ein strukturelles Problem Südafrikas<br />
ist die ausgeprägte Medienkonzentration.<br />
VON LISA BRAUNEDER<br />
Wirft man einen Blick auf<br />
die südafrikanische Verfassung<br />
von 1997, so<br />
scheint es um die Pressefreiheit des<br />
Staats an der Südspitze Afrikas eigentlich<br />
recht gut bestellt zu sein:<br />
Das Kapitel zwei der Verfassung garantiert<br />
das Recht auf freie Meinungsäußerung<br />
und die Pressefreiheit.<br />
So weit, so gut. Die Realität<br />
präsentiert sich jedoch in einem<br />
anderen Licht.<br />
Südafrika droht in den nächsten<br />
Monaten die Umsetzung eines<br />
umstrittenen Gesetzesentwurfs:<br />
Der von der regierenden Partei,<br />
dem African National Congress<br />
(ANC), eingebrachte Protection<br />
of State Information Bill. Dieses<br />
Gesetz soll es Ministern und Behörden<br />
ermöglichen, staatliche<br />
Staatliche Informationen<br />
will die Regierung nach<br />
Gutdünken als geheim<br />
klassifizieren.<br />
Informationen nach eigenem Ermessen<br />
als geheim zu klassifizieren<br />
und damit der Öffentlichkeit vorzuenthalten.<br />
Wer solche Informationen<br />
weitergibt, kann mit bis zu<br />
zehn Jahren Haft bestraft werden,<br />
wer sie veröffentlicht, mit bis zu 20<br />
Jahren.<br />
Kritiker dieses Gesetzesentwurfs,<br />
allen voran Zivilrechtsorganisationen,<br />
versammeln sich seit 2010 unter<br />
dem Schlagwort „Right2Know“.<br />
Ihnen zufolge würden politisch unangenehme<br />
Informationen durch<br />
das Gesetz verschleiert, was ein<br />
massiver Angriff auf die Pressefreiheit<br />
sei. Seit 2008 wurde der Gesetzesentwurf<br />
etwas entschärft. Daran,<br />
dass von offizieller Seite jede Art<br />
von Information als geheim klassifiziert<br />
werden darf, änderte sich<br />
aber nichts. Noch bis 20. Juni hat ein<br />
Komitee des Unterhauses Zeit zur<br />
Bearbeitung des Gesetzesentwurfs;<br />
kommt es zu einer Einigung, wird<br />
das sogenannte Geheimhaltungsgesetz<br />
Realität.<br />
Der südafrikanische Botschafter<br />
in Wien, Xolisa Mabhongo, ebenfalls<br />
ANC-Mitglied, findet den<br />
Gesetzentwurf unproblematisch:<br />
„Die südafrikanische Verfassung<br />
garantiert die Pressefreiheit“, die<br />
durch das Gesetz „keinesfalls angegriffen<br />
wird“, versichert der<br />
Diplomat. In der südafrikanischen<br />
Verfassung ist aber nicht nur die<br />
Pressefreiheit, sondern auch das<br />
Recht auf Zugang zu staatlichen Information<br />
verankert. Inwiefern das<br />
sogenannte Geheimhaltungsgesetz<br />
mit der Verfassung vereinbar ist,<br />
bleibt fraglich.<br />
Politisch unangenehme<br />
Informationen werden<br />
verschleiert.<br />
Abgesehen von diesem akuten<br />
Problem hat die südafrikanische<br />
Medienlandschaft auch mit strukturellen<br />
Defiziten zu kämpfen: Eine<br />
Handvoll Unternehmen dominiert<br />
den Markt, der Medienkonzern<br />
Naspers ist ein solcher Konzern.<br />
Im Laufe seiner Geschichte vollzog<br />
Naspers den Wandel von einem<br />
klassischen Medienunternehmen<br />
zu einem verzweigten Firmenkom-<br />
18 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Ausland]<br />
© Hermine Haslinger (2)<br />
Südafrikas Botschafter in Wien, Xolisa Mabhongo, mit Redakteurin Brauneder<br />
plex, dessen oberstes Ziel Profit<br />
ist. Das Tochterunternehmen MIH<br />
Holdings kontrolliert Naspers’ elektronische<br />
Medien wie Pay-TV und<br />
Internetplattformen und entwickelt<br />
und verbreitet damit verbundene<br />
Technologien. Dies umfasst nicht<br />
nur Südafrika, sondern auch Beteiligungen<br />
in ganz Afrika, Griechenland,<br />
Zypern, Russland, Thailand,<br />
Brasilien, Mexiko und China. MIH<br />
besitzt Internet-Auktionshäuser in<br />
Österreich, Norwegen, Großbritannien,<br />
Tschechien, Slowakei, Ungarn,<br />
Rumänien, Dänemark und in der<br />
Schweiz.<br />
Die Printmedien des Konzerns sind<br />
dem Subunternehmen Media24<br />
untergeordnet, welches für Zeitungen<br />
und Magazine und deren<br />
Internetauftritte zuständig ist. Der<br />
Printsektor ist besonders stark von<br />
Ein strukturelles Problem<br />
Südafrikas ist die<br />
ausgeprägte Medienkonzentration.<br />
der Medienkonzentration betroffen,<br />
wird er doch von vier großen<br />
Akteuren geprägt: Naspers, Avusa,<br />
Independent Newspapers Group<br />
und CTP/Caxton, die zusammen<br />
95 Prozent der südafrikanischen<br />
Printmedien besitzen. Allein Media24<br />
veröffentlicht mehr als 100<br />
verschiedene Titel, zwei Drittel aller<br />
südafrikanischen Magazine und den<br />
Großteil der führenden Tageszeitungen,<br />
wie etwa Südafrikas meistverkauftes<br />
Tagesmedium, die Daily<br />
Sun.<br />
Im Gegensatz zu den anderen<br />
Medienkonzernen publiziert Naspers<br />
vor allem Tageszeitungen, zum<br />
Großteil auf Afrikaans. Dies hat Tradition:<br />
Ab der Gründung 1915 hatte<br />
Naspers stets Kontakte zur National<br />
Party, die für die Apartheid<br />
eintrat und die Interessen der europäischstämmigen,<br />
weißen Afrikaner<br />
vertrat. Ihren Höhepunkt erreichte<br />
das unter Piet Cillié, Herausgeber<br />
von Die Burger von 1954 bis 1985.<br />
In unzähligen Leitartikeln machte<br />
er sich für die Segregation der Völker<br />
stark. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission,<br />
die politisch<br />
motivierte Verbrechen während<br />
der Zeit der Apartheid untersucht,<br />
berichtete 1998, dass afrikaanssprachige<br />
Medien in Form von Kampagnenjournalismus<br />
wesentlichen<br />
Anteil an der Aufrechterhaltung der<br />
Apartheid hatten. Naspers zählt zu<br />
diesen Medien, eine Stellungnahme<br />
zu den Vorwürfen gibt es bis heute<br />
nicht. SACIS (South African Civil<br />
Society Information Service), eine<br />
Non Profit-Nachrichtenagentur,<br />
bezeichnete Naspers erst 2009 als<br />
„das wiedergeborene Propagandainstrument<br />
des Apartheidstaats“.<br />
Bürgerinitiativen und<br />
Communities sollen ihre<br />
eigenen kleinen kommerziellen<br />
Medien aufbauen.<br />
Naspers verfolge heute keine bestimmte<br />
politische Linie mehr, betont<br />
Botschafter Mabhongo zum<br />
[Statement]: „Genauso wie alle anderen<br />
Medien können auch die Zeitungen<br />
von Naspers schreiben, was<br />
sie wollen. Natürlich gibt es <strong>Journalisten</strong>,<br />
die eine bestimmte Einstellung<br />
haben. Aber weder die Regierung<br />
noch die Investoren nehmen<br />
Einfluss auf den Inhalt“, verteidigt<br />
Mabhongo den mächtigen Medienkonzern.<br />
Dass die aktuelle Situation<br />
mit einigen wenigen großen Medienunternehmen<br />
nicht ideal ist, gibt er<br />
aber zu: „Es stimmt, dass die Medienvielfalt<br />
in den nächsten Jahren<br />
zunehmen muss.“ Grund zur Sorge<br />
gebe es dennoch keine, zur Lösung<br />
des Problems sei bereits 2002 die<br />
Media Diversity and Development<br />
Agency (MDDA) gegründet worden.<br />
Diese soll benachteiligten<br />
und unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen<br />
die Schaffung von<br />
Medien ermöglichen. Ziel ist, dass<br />
Bürgerinitiativen und Communities<br />
ihre eigenen kleinen kommerziellen<br />
Medien aufbauen. So könne man<br />
den suboptimalen Zustand der Dominanz<br />
großer Konzerne beenden,<br />
meint Botschafter Mabhongo. <br />
© privat<br />
Zur Autorin<br />
Lisa Brauneder<br />
Geboren 1992, studiert<br />
Politikwissenschaft und<br />
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.<br />
Sie<br />
absolviert derzeit die Lehrredaktion<br />
2020 des ÖJC.<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 19
[Ausland]<br />
[]<br />
Knebelung der Medien<br />
in Montenegro<br />
© Georgi Licovsky/EPA/picturedesk.com<br />
Protestierende <strong>Journalisten</strong> in der Skopje<br />
Die montenegrinischen Präsidentschaftswahlen am 7. April sind höchstwahrscheinlich manipuliert<br />
worden. Ein neues Mediengesetz soll die Pressefreiheit massiv einschränken. Kritische <strong>Journalisten</strong><br />
landen im Gefängnis oder müssen um ihr Leben fürchten.<br />
VON OSWALD M. KLOTZ<br />
Schon vor der Wahl hieß es in<br />
den wenigen kritischen Medien<br />
Montenegros, Anhänger<br />
des Amtsinhabers seien in den<br />
Wahllisten doppelt geführt worden.<br />
Nach der Wahl scheint sich dieser<br />
Verdacht zu bestätigen. Erst vor<br />
Kurzem bezeichnete eine US-Zeitschrift<br />
Montenegro als „Mafia-<br />
Staat“, finanziert vom Drogen- und<br />
Zigarettenschmuggel. Und längst ist<br />
es kein Geheimnis mehr: Investigative<br />
<strong>Journalisten</strong> werden eingeschüchtert<br />
oder ermordet, die Medienverbände<br />
des Landes schlagen<br />
Alarm.<br />
<strong>Journalisten</strong> werden<br />
eingeschüchtert oder<br />
ermordet.<br />
Nikola Marković, stellvertretender<br />
Chefredakteur der Tageszeitung<br />
Dan, ist einer dieser investigativen<br />
<strong>Journalisten</strong>. Ihm wurden unlängst<br />
Tonbandaufnahmen zugespielt, auf<br />
denen, mit Stimmen von Staatsund<br />
Regierungsspitzen, zu hören<br />
ist, wie die Regierung die Präsidentschaftswahlen<br />
manipuliert<br />
hat. „Da ist alles zu hören: Wie<br />
die Regierung für jeweils 50 Euro<br />
Stimmen gekauft hat, wie Chefs<br />
von Staatsbetrieben angewiesen<br />
wurden, das Wahlverhalten ihrer<br />
Mitarbeiter – notfalls mit Kündigungsdrohungen<br />
– zu steuern“,<br />
berichtete Marković vor Kurzem<br />
dem TV-Sender Arte.<br />
Regierungschef Milo Djukanović,<br />
seit mehr als zwei Jahrzehnten der<br />
alles bestimmende Mann in Montenegro,<br />
bestreitet weder die Echtheit<br />
der Aufnahmen noch deren Inhalt,<br />
er hat sogar die Unverfrorenheit,<br />
im Staats-TV zu erklären: „Erlauben<br />
Sie doch, dass wir als Partei erst<br />
einmal unsere Anhänger bevorzugen,<br />
das ist unsere Erfolgsformel.“<br />
Die Präsidentenwahlen gingen<br />
dann auch wunschgemäß über die<br />
Bühne, Amtsinhaber Filip Vujanović<br />
startete vor wenigen Tagen in seine<br />
dritte Amtszeit.<br />
Die Pressefreiheit ist in<br />
Gefahr.<br />
Zu gerichtlichen Schritten gegen<br />
einen der Mächtigen kam es bislang<br />
nicht. Es scheint, dass in diesem<br />
Balkanland sowohl kritische<br />
Berichte als auch entlarvende Tonaufnahmen<br />
wirkungslos bleiben.<br />
Dem Aufdecker Marković drohen<br />
hingegen bis zu acht Jahre Gefängnis.<br />
Er hat ja „Staatsgeheimnisse“<br />
verraten. Inzwischen hat die Polizei<br />
offenbar die Telefone leitender<br />
Dan-Redakteure angezapft, um so<br />
an die Namen von Informanten zu<br />
kommen.<br />
Der Entwurf des neuen Mediengesetzes<br />
setzt der Einschränkung der<br />
Pressefreiheit die Krone auf: Mit<br />
Argwohn wird vor allem die Bildung<br />
einer Medienbehörde – offenbar<br />
nach ungarischem Muster – verfolgt,<br />
die Sendelizenzen vergeben und<br />
auch Strafen verhängen können soll.<br />
Das wäre sozusagen die Lizenz zum<br />
Knebeln unbotmäßiger Medien. Der<br />
mazedonische <strong>Journalisten</strong>verband<br />
ZNM, die <strong>Journalisten</strong>gewerkschaft<br />
und andere Medienorganisationen<br />
befürchten deshalb auch eine sehr<br />
extensive Deutung der Gesetzesbestimmung.<br />
Dasselbe gilt auch für<br />
eine Bestimmung im Gesetzesentwurf,<br />
die die Einschränkung der Medienfreiheit<br />
im Namen der „Wahrung<br />
von Gesundheit und Moral“<br />
vorsieht. Dazu passt, dass in der umstrittenen<br />
Agentur Medienvertreter<br />
mit nur einem Mitglied (von sieben)<br />
vertreten sein sollen.<br />
In der Rangliste von „Reporter<br />
ohne Grenzen“ belegt Montenegro<br />
Platz 116 von 179 Staaten. Montenegro<br />
verhandelt seit etwa einem<br />
Jahr mit der Europäischen Union<br />
über seinen EU-Beitritt. <br />
20 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
Wien – der Duft der Stadt.<br />
Spritzig, belebend, spontan. Inspiriert von der Vielfalt.<br />
Wiener Weinpreis<br />
Film Festival<br />
Silvesterpfad<br />
Wiener Eistraum<br />
www.wien-event.at<br />
stadt wien marketing gmbh im Auftrag der Stadt Wien
[Medien]<br />
[ ]<br />
Leben lernen mit „Postern“<br />
Er weiß alles und er weiß alles immer besser. Er formuliert selten freundlich,<br />
meistens zynisch. Seine oberste Prämisse lautet, niemals zu schweigen: Der<br />
anonyme Kommentator hat sich längst in den Newsplattformen festgekrallt.<br />
Wie halten es Onliner eigentlich mit diesem ungemütlichen Gesellen aus?<br />
VON KLAUS PUTZER<br />
Niemals zuvor in der Geschichte<br />
wurde so breitflächig<br />
wie heute öffentlich<br />
Meinung geäußert, wurden Inhalte<br />
„geliked“, Standpunkte via „Shitstorm“<br />
in den Boden gestampft.<br />
Das Internet hat den publizistischen<br />
Zugang zur Öffentlichkeit radikal<br />
demokratisiert. Klassische Meinungsmacher<br />
müssen zur Kenntnis<br />
nehmen, dass ihre Stimme nur<br />
mehr eine unter vielen ist – wenn<br />
auch nach wie vor eine privilegierte.<br />
Daneben haben Herr und Frau<br />
Müller reichlich Gelegenheit, sich<br />
zu äußern – egal, ob auf Facebook<br />
oder Twitter, im eigenen Blog oder<br />
via Kommentar in einem Online-<br />
Medium. Jeder darf und kann meinen,<br />
es kostet nichts.<br />
So ist das Sich-Empören, Besserwissen,<br />
Loben, Gutheißen, Sich-Lustig-Machen,<br />
Belehren, Wuchteln-<br />
Schieben, Streiten, Richtigstellen,<br />
Abkanzeln, Appellieren und Beschimpfen<br />
auf öffentlich zugänglichen<br />
Kanälen epidemisch geworden.<br />
Wogen der Erregung bauen<br />
sich blitzartig auf, um kurz darauf<br />
ebenso rasch wieder abzuflachen.<br />
Jüngstes Beispiel dafür: die #aufschrei-Debatte<br />
in Twitter.<br />
Medien, die User einbinden,<br />
werden einen Wettbewerbsvorteil<br />
haben.<br />
Als Transmissionsriemen für die<br />
Diskussionen dienen immer noch<br />
die klassischen Medien: Sie tragen<br />
Themen erst in die Breite. Das<br />
Resultat ist eine wechselseitige<br />
Abhängigkeit: Hier der nach öffentlicher<br />
Artikulation gierende<br />
User, dort das für dieses Begehren<br />
offene Online-Medium. Alle großen<br />
österreichischen Nachrichten-<br />
Plattformen bieten Raum zur Leserbeteiligung<br />
bereitwillig an. Denn<br />
alle haben erkannt, dass der aktive<br />
User zum harten Umsatzfaktor geworden<br />
ist: Viele Kommentare unter<br />
Artikeln – oft sind es Hunderte<br />
– treiben die Klickraten der Site in<br />
die Höhe. Mehr „Page Impressions“<br />
und „Unique Clients“ wiederum<br />
schlagen sich in größeren Renditen<br />
aus Werbeschaltungen nieder.<br />
Die so geartete Symbiose scheint<br />
auf den ersten Blick erfolgreich.<br />
Zahlen der Österreichischen Web-<br />
Analyse ÖWA beweisen, dass die<br />
Zugriffe auf heimische Nachrichtenseiten<br />
mehr oder weniger steil<br />
nach oben zeigen. Peter Zeilinger,<br />
Leiter der Community-Abteilung<br />
von „Krone.at“, beobachtet ein<br />
„stetig wachsendes“ Kommentare-Aufkommen.<br />
Christian Burger,<br />
Community-Manager von „der-<br />
Standard.at“, ist sich sicher, dass die<br />
Bedeutung des „User Generated<br />
Content“ künftig weiter steigen<br />
wird: „Medien, die User intelligent<br />
in die Nachrichtenvermittlung<br />
einbinden, werden einen Wettbewerbsvorteil<br />
haben.“ Sein Ziel sei<br />
es, sagt Burger, „unsere Position als<br />
eine Plattform für lebendige, interessante<br />
und einladende Dialoge<br />
auszubauen“.<br />
Dies allerdings dürfte eine Herkulesaufgabe<br />
werden. Die Realität sieht<br />
bis auf Weiteres wenig einladend<br />
aus. Eine Online-Redakteurin, die<br />
namentlich nicht genannt werden<br />
will, meint gegenüber [Statement]:<br />
„Wir sind von unseren Häusern<br />
angehalten, Foren gut zu finden und<br />
offiziell an den emanzipatorischen<br />
Impetus der Vielstimmigkeit im<br />
Forum zu glauben. Ich glaube nicht<br />
daran. In Wahrheit ist es so, dass viele<br />
<strong>Journalisten</strong> begonnen haben, ihr<br />
Publikum regelrecht zu verachten.<br />
Foren bringen in ihrer jetzigen Form<br />
das Schlechteste im Menschen<br />
hervor. Denn dieser Raum ist dazu<br />
angetan, dass die Menschen dort<br />
unsachlich zuspitzen, polemisieren,<br />
skandalisieren und verkürzen.“<br />
Nicht alle Journalistinnen und <strong>Journalisten</strong>,<br />
die einem (nicht repräsen-<br />
22 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Medien]<br />
© Hannes Hochmuth (2)<br />
Der neue Newsroom des Standard und von „derStandard.at“<br />
tativen) Rundruf von [Statement]<br />
geantwortet haben, formulieren es<br />
so drastisch. Doch allen fällt es leicht,<br />
eine Reihe Kritikpunkte an ihren<br />
Kommentatoren aus dem Ärmel zu<br />
schütteln: fehlender sachlicher Bezug<br />
zum Artikel; „Stänkern“; Untergriffigkeit;<br />
Besserwisserei; „Trollverhalten“;<br />
„Kampfposten“; Wehleidigkeit, wenn<br />
verunglimpfende Aussagen nicht<br />
veröffentlicht werden; abwertende<br />
Bemerkungen zum Aussehen von<br />
Interviewpartnern, usw.<br />
Forscher der University of Wisconsin-Madison<br />
haben sich die<br />
Foren-Dynamiken jetzt genauer<br />
angesehen; sie ließen 1.183 Probanden<br />
einen Artikel über eine<br />
relativ risikoreiche Nanotechnologie<br />
lesen. Dann legten sie den<br />
Teilnehmern fiktive User-Kommentare<br />
zum Artikel vor und stellten<br />
daraufhin inhaltliche Fragen.<br />
Eine Hälfte der Kommentare war<br />
höflich-zivilisiert formuliert, die<br />
andere mit unfeinen Wendungen<br />
(„Ein Idiot, wer die Risiken nicht<br />
erkennt…“) gespickt. Das Ergebnis<br />
des Tests nennen zwei der Studien-Autoren,<br />
Dominique Brossard<br />
und Dietram A. Scheufele, in einem<br />
Beitrag für die New York Times<br />
den „Nasty Effect“. Ihre Erkenntnis:<br />
Kommentare, die einen rauen<br />
Ton anschlagen, beeinflussten das<br />
Verständnis des Artikels und die<br />
Risikoeinschätzung der Technologie<br />
weit stärker, als die zivilisiert<br />
formulierten. Oder anders gesagt:<br />
Der Ton macht die Musik, nicht das<br />
bessere Argument. „Unsere sich<br />
entwickelnde Onlinemedien-Landschaft<br />
hat ein neues öffentliches<br />
Forum geschaffen, ohne die althergebrachten<br />
sozialen Normen und<br />
Selbstregulationen, die typischerweise<br />
zwischenmenschlichen Austausch<br />
kennzeichnen – und dieses<br />
Medium legt in zunehmender Weise<br />
fest ,,was wir wissen und was<br />
wir glauben, zu wissen“, schreiben<br />
Brossard und Scheufele in der New<br />
York Times.<br />
Community-Manager Burger ist<br />
sich der Problematik bewusst. Die<br />
soziale Selbstkontrolle in den Foren<br />
will er künftig stärken; ob das<br />
gelingen kann, scheint fraglich. Ein<br />
Versuch des „Kurier Online“, nur<br />
noch Klarnamen in seinen Foren<br />
zuzulassen, scheiterte, die User<br />
meldeten sich einfach mit Fantasienamen<br />
an. An das Abdrehen der<br />
Kommentarfunktion denkt indes<br />
niemand. Für Werbekunden zählt<br />
die diskursive Qualität der Foren<br />
einer Plattform nicht zu den Buchungskriterien,<br />
wie die Verantwortlichen<br />
übereinstimmend klarstellen.<br />
Die von [Statement] befragten<br />
Kolleginnen und Kollegen wissen<br />
das und haben sich mit der Meinungsflut<br />
unterhalb ihrer Artikel<br />
arrangiert, auch wenn sie zugeben,<br />
dass die Kommentare bisweilen<br />
arg an den Nerven zerren. Was<br />
dagegen hilft: Sich eine dicke Haut<br />
zulegen, die User nicht immer für<br />
voll nehmen und die Erkenntnis,<br />
dass die Postings keine Mehrheitsmeinung<br />
repräsentieren. Denn<br />
nur ein Bruchteil aller User kommentiert<br />
überhaupt. In seltenen<br />
Fällen, heißt es, dürfe man sich<br />
sogar freuen über Lob, konstruktive<br />
Kritik oder über Hinweise, die<br />
Anstoß für eine neue Geschichte<br />
geben.<br />
Manche Onliner pflegen auch einen<br />
affirmativeren Zugang zur Lesermeinung.<br />
So beteiligt sich Tom<br />
Schaffer, Redakteur bei „derStandard.at“,<br />
„immer“ aktiv auch am<br />
Forum: „Ein Artikel ist nicht mit<br />
der Veröffentlichung abgeschlossen,<br />
sondern erst mit der darunter entstehenden<br />
Diskussion.“ Die Auseinandersetzung<br />
mit den Lesern begreift<br />
Schaffer als Teil seines Jobs, als<br />
„zwingend erforderlich“. Gäbe es<br />
die Kommentarfunktion nicht mehr,<br />
würde das seine Arbeit zwar weniger<br />
„nervenaufreibend“, aber auch<br />
„freudloser“ machen. <br />
Webtipps:<br />
http://onlinelibrary.wiley.com/<br />
doi/10.1111/jcc4.12009/full)<br />
http://www.nytimes.com/<strong>2013</strong>/03/<br />
03/opinion/sunday/this-story-stinks.<br />
html?_r=2&<br />
© Stephan Schütz<br />
Zum Autor<br />
Klaus Putzer<br />
Der in Wien lebende<br />
Südtiroler ist Redakteur des<br />
Fachmediums Compliance<br />
Praxis (www.compliancepraxis.at).<br />
Zuvor war er<br />
in mehreren Verlagen als<br />
leitender Redakteur im<br />
Magazinbereich beschäftigt<br />
bzw. als freier Journalist und<br />
Texter tätig.<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 23
[Medien]<br />
[]<br />
Schwarm im Netz<br />
finanziert Medienprojekte<br />
© hainichfoto/Fotolia.com<br />
Crowdfunding, auf Deutsch „Schwarmfinanzierung“, hat sich im Netz etabliert. Es ist ein<br />
wachsender Markt. Diese unabhängige Finanzierungsmethode birgt neue Möglichkeiten für den<br />
unabhängigen und investigativen Journalismus.<br />
VON NAUREEN KIMBACHER<br />
Durch Crowdfunding, sind<br />
vielfältige Projekte realisierbar.<br />
So berichtete Die Presse<br />
am 21. März von einer Kampagne<br />
auf der Plattform www.startnext.at:<br />
„Leitungswasser soll sexy werden“,<br />
lautete die Überschrift. Paul Kupfer<br />
(24) aus Wien will „Soulbottels“<br />
produzieren, wiederverwendbare<br />
Designerglasflaschen. So soll Leitungswasser<br />
attraktiver werden als<br />
Mineralwasser in Plastikflaschen.<br />
Wer das Projekt mit 25 Euro unterstützt,<br />
bekommt eine Glasflasche<br />
als Gegenleistung. Abnehmer gibt es<br />
bereits. Der gesamte Erlös soll an<br />
Trinkwasserprojekte in der ganzen<br />
Welt gehen.<br />
Aktuell ist Crowdfunding zur Unternehmensfinanzierung<br />
auch in Österreich<br />
angekommen, vor allem für<br />
Start-ups. Auf Internetplattformen<br />
sind in den Bereichen Literatur, Fotografie,<br />
Design, Musik und Film österreichische<br />
Projekte zu finden.<br />
In der Kategorie „Journalismus“ tut<br />
sich jedoch wenig. Dabei bedeutet<br />
Crowdfunding eine Chance,<br />
Geschichten zu erzählen, die kein<br />
Medium finanzieren will oder kann.<br />
Die „Crowd“, die Unterstützer, entscheiden,<br />
was wichtig ist, nicht ein<br />
Medium. Der Konsument ist dabei<br />
kein passiver Rezipient mehr, sondern<br />
auch aktiver Gestalter. „Partizipation,<br />
Transparenz und Interaktivität<br />
werden in Crowdfunding-Prozessen<br />
noch wichtiger“, ist in einem Interview<br />
auf der Website von David<br />
Röthler zu lesen. Der Journalist aus<br />
Salzburg hält selbst Vorträge und<br />
Kurse zum Thema.<br />
Voraussetzungen sind<br />
Partizipation, Transparenz<br />
und Interaktivität.<br />
Bis vor Kurzem konnte eine<br />
„Crowd“ nach amerikanischem<br />
Modell ein Projekt nur mittels<br />
PayPal unterstützen. Die neue Plattform<br />
„Die Krautreporter“ bietet<br />
nun zusätzlich die Möglichkeit, mit<br />
Banküberweisung oder Kreditkarte<br />
Unterstützungen zu leisten. <strong>Journalisten</strong><br />
stellen dort ihre Themen für<br />
Österreich, Deutschland und die<br />
Schweiz vor.<br />
Auch das österreichische Onlinemagazin<br />
„Paroli“ ist auf „Krautreporter“<br />
vertreten. [Statement] berichtete in<br />
der Februarausgabe über die jungen<br />
Redakteure und ihre Suche nach<br />
neuen Wegen im Web. Fabian Lang<br />
von „Paroli“ hat durch „Krautreporter“<br />
seinen Dokumentarfilm „Kopf<br />
oder Zahl“ mit 4.071 Euro erfolgreich<br />
finanziert. „Arbeitslosenzahlen<br />
& Migrationsströme treffen auf Einzelschicksale<br />
& konkrete Geschichten<br />
– multimediale Webdoku über<br />
das junge Europa“, lautet die Projektbeschreibung.<br />
Sein Thema ist nicht<br />
speziell österreichbezogen, aber es<br />
ist hierzulande eines der ersten Projekte<br />
im Bereich Journalismus. Je bekannter<br />
Crowdfunding in Österreich<br />
wird, desto wahrscheinlicher wird<br />
die Finanzierung regionaler Themen.<br />
Die Scheu davor, ewig mit einem<br />
gescheiterten Projekt im Netz<br />
zu sein, sehen Experten gelassen:<br />
„Es ist wichtig, Crowdfunding nicht<br />
nur dann als Erfolg zu begreifen,<br />
wenn man das Geld bekommen<br />
hat; auch wenn man das Projekt abbrechen<br />
muss, ist es trotzdem ein<br />
Lernerfolg“, sagt der freiberufliche<br />
Berater für Social Media, Karsten<br />
Wenzlaff von der Plattform „Ikosom“.<br />
Anlegern müsse aber klar sein,<br />
„dass Crowdfunding Risikokapital<br />
ist“, warnt Markus Roth, Bundesvorsitzender<br />
der Jungen Wirtschaft. <br />
Webtipps:<br />
http://politik.netzkompetenz.at<br />
www.krautreporter.de<br />
www.startnext.at<br />
www.ununi.tv<br />
24 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Medien]<br />
[]<br />
Storytelling im<br />
narrativen Journalismus<br />
© Brown/Interfoto&picturedesk.com<br />
Mitte der 1960er-Jahre entstand in den USA eine neuer Reportagestil, dem Tom Wolfe, einer der<br />
herausragenden Vertreter, 1973 im Vorwort einer Anthologie den Begriff „The New Journalism“<br />
verpasste – der narrative Journalismus war geboren.<br />
VON ARNO ASCHAUER<br />
Mit seinem 1965 erschienenen<br />
Buch „The Kandy Kolored<br />
Tangerine-Flake Streamline<br />
Baby“, einer Sammlung von<br />
22 Reportagen, die Tom Wolfe zwischen<br />
1963 und 1965 für den Magazinteil<br />
des Herald Tribune verfasste,<br />
schuf er auch einen der<br />
Grundsteine für die folgende Entwicklung.<br />
Dieser neue Schreibstil,<br />
beeinflusst von der aufkommenden<br />
Pop-Kultur, ist eine gelungene<br />
Mischung aus Facts & Fiction.<br />
Eine neue Form des<br />
Journalismus wurde<br />
geboren.<br />
In der praktischen Anwendung setzten<br />
die Autoren stark auf literarische<br />
Stilmittel bei korrekter Beibehaltung<br />
aller Fakten. Deswegen wird diese<br />
Art zu schreiben inzwischen auch<br />
als narrativer oder literarischer Journalismus,<br />
im englischen Sprachraum<br />
als Storytelling, bezeichnet. Bekannte<br />
Vertreter waren in der Anfangszeit,<br />
neben Tom Wolfe Norman <strong>Mai</strong>ler<br />
und Truman Capote. Dazu gesellte<br />
sich noch Hunter S. Thompson, der<br />
die persönliche Handschrift im Mix<br />
mit recherchierten Fakten, aus einer<br />
Notsituation heraus, erfolgreich auf<br />
die Spitze trieb. Das Resultat: der sogenannte<br />
Gonzo-Journalismus.<br />
Als Hunter S. Thompson es nicht<br />
schaffte, einen Artikel bis Redaktionsschluss<br />
fertigzustellen, griff er zu<br />
einer radikalen Lösung. Er riss die<br />
handschriftlichen Notizen aus seinem<br />
Block und schickte sie unredigiert<br />
der Redaktion. Sein Kollege Bill<br />
Cardoso kommentierte die Aktion<br />
stilbildend: „I don‘t know what the<br />
fuck you‘re doing, but you‘ve changed<br />
everything. It‘s totally gonzo.“<br />
In dieser wortgewaltigen Männerriege<br />
steht Joan Didion furchtlos<br />
ihre Frau. Obwohl sie sich selbst<br />
dem „New Journalism“ nicht so<br />
nahe sieht, ist sie doch durch<br />
ihre scharfe Beobachtung sowie<br />
schmerzhafte Analyse über das<br />
Amerika der 1960er-Jahre, insbesondere<br />
Kalifornien, Teil dieser Bewegung<br />
und hat heute ihren festen<br />
Platz in der Literaturszene.<br />
Dieser Schreibstil ist eine<br />
gelungene Mischung aus<br />
Facts & Fiction.<br />
Die Wurzeln dieses ‚American<br />
Way of Writing’ liegen diesseits des<br />
großen Teichs, im k.u.k. Vielvölker-<br />
Biotop, vor allem in dessen jüdischer<br />
Intelligenz. Herausragend der<br />
ungarischstämmige Journalist und<br />
Zeitungsverleger Joseph Pulitzer<br />
und der in Prag geborene ‚rasende<br />
Reporter’ Egon Erwin Kisch – beide<br />
praxisbezogene Visionäre, die in der<br />
Verschmelzung von investigativem<br />
Journalismus und literarischer Formensprache<br />
keinen Widerspruch<br />
sahen. Vergleicht man zudem die<br />
beiden Essay-Sammlungen, Egon<br />
Erwin Kischs „Marktplatz der Sensationen“<br />
und Tom Wolfes „Hooking<br />
Up – Neuigkeiten aus dem<br />
Weltdorf“’, so ist die Verwandtschaft<br />
unüberlesbar.<br />
„Da war eine sommersprossige<br />
kleine Beamtin aus dem Städtchen<br />
Podiebrad zum Wochenende nach<br />
Prag gekommen, um sich einmal<br />
unkontrolliert von den Bewohnern<br />
Podiebrads zu amüsieren“, heißt<br />
es bei Kisch. Und bei Wolfe lesen<br />
wir: „Es fing damit an, dass ich eines<br />
Nachmittags zu einer Hot Rod &<br />
Custom Car Show ins New Yorker<br />
‚Coliseum’ ging. Ein seltsamer Nachmittag!“<br />
Beide eröffnen ihre Geschichten<br />
scheinbar belanglos. Dahinter steht<br />
jedoch eine in Worte geronnene,<br />
gemeißelte Wirklichkeit. <br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 25
[Ratgeber]<br />
[]<br />
Ratgeber Recht<br />
Auch Verstorbene haben Rechte<br />
Dass Urheberrechte 70 Jahre lang gelten, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt<br />
ist aber, dass Persönlichkeitsrechte eines Menschen auch nach seinem Tod gewahrt<br />
bleiben, wenn auch in beschränktem Umfang. So können strafrechtliche Privatanklagen<br />
wegen Beleidigung oder Übler Nachrede, einen Verstorbenen betreffend,<br />
lt. Gesetz auch von seinen nächsten Familienangehörigen eingebracht werden.<br />
Ruf und Ehre eines Verstorbenen stehen also unter strafrechtlichem Schutz.<br />
Auch zivilrechtlich kann die Verletzung postmortaler Rechte auf Ehre und Privatsphäre<br />
gerichtlich geltend gemacht werden. So wurde ein Medium nach Klage<br />
einer Witwe dazu verpflichtet, weitere Veröffentlichungen über die sexuelle Orientierung<br />
eines verstorbenen Politikers zu unterlassen. Auch der Eingriff in das Recht<br />
des Verstorbenen auf sein eigenes Bild ist denkbar.<br />
Bemerkenswert ist demgegenüber der fehlende Schutz des Verstorbenen im<br />
Medienrecht: Bekanntlich kann ein Medium dazu verpflichtet werden, dem von<br />
der Berichterstattung Betroffenen eine Entschädigung für eine erlittene Kränkung<br />
zu zahlen. Dieser Anspruch besteht aber nicht, wenn die Berichterstattung einen<br />
Verstorbenen betrifft. Dessen Verwandte können keine Entschädigung wegen<br />
der Kränkung des Verstorbenen verlangen. Das mag noch einleuchten. Weniger<br />
verständlich ist, dass bei Berichterstattung über Verstorbene auch kein Recht auf<br />
Veröffentlichung einer Gegendarstellung besteht.<br />
Zusammenfassend gesagt, kann die Berichterstattung über Verstorbene wohl<br />
Gegenstand straf- und zivilrechtlicher Verfahren sein, unterliegt jedoch nicht der<br />
Kontrolle nach dem Mediengesetz.<br />
© Privat<br />
Zum Autor<br />
Josef Lachmann<br />
Dr. jur., Master phil.,<br />
Studium in Wien und<br />
Cambridge (GB). Nach<br />
mehrjähriger Forschungstätigkeit<br />
an der<br />
Universität Wien seit<br />
1993 selbstständiger<br />
Rechtsanwalt in Wien<br />
mit Schwerpunkten im<br />
Zivilrecht und im Grundrechtsschutz.<br />
Umfassende<br />
Zusatzausbildungen<br />
im Bereich außergerichtlicher<br />
Streitbeilegung<br />
(Mediation).<br />
[]<br />
Ratgeber Steuer<br />
Neuerungen bei der Pendlerförderung<br />
In dieser Ausgabe möchten wir einen Überblick über die wichtigsten Änderungen<br />
für angestellte <strong>Journalisten</strong> durch die Reform der Pendlerförderung geben.<br />
© cSt<br />
Zur Autorin<br />
Claudia Stadler<br />
Die Grazerin, Jahrgang<br />
1961, ist seit 2006 geschäftsführende<br />
Gesellschafterin<br />
der cSt Steuerberatungs<br />
GmbH in Wien.<br />
Ursprünglich studierte sie<br />
Jus, wechselte dann aber<br />
zu den Wirtschafts- und<br />
Sozialwissenschaften,<br />
Schwerpunktfächer waren<br />
Marketing, Finanzierung<br />
und Preispolitik. Sie<br />
spricht Englisch, Italienisch,<br />
Portugiesisch und<br />
– Latein.<br />
Hatten teilzeitbeschäftigte <strong>Journalisten</strong> bisher keinen Anspruch auf eine Pendlerpauschale,<br />
so kann sie jetzt aliquot auch von Arbeitnehmern geltend gemacht<br />
werden, die nur ein oder zwei Mal pro Woche die notwendige Entfernung zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsplatz zurücklegen. Wer an mehr als elf Tagen im<br />
Kalendermonat an seinen Arbeitsplatz pendelt, dem steht das volle Pendlerpauschale<br />
zu. Die Höhe oder die nötigen Entfernungen haben sich nicht geändert.<br />
Zusätzlich können Pendler zwei Euro pro Kilometer der Strecke zwischen<br />
Wohn- und Arbeitsstätte im Jahr geltend machen. Dieser „Pendlereuro“ steht<br />
auch Teilzeitkräften aliquot zu. Durch eine Anhebung der Negativsteuer können<br />
auch Bezieher geringerer Einkommen von den Neuerungen profitieren;<br />
sie bekommen eine höhere Steuergutschrift, auch wenn sie keine Lohnsteuer<br />
bezahlt haben.<br />
Außerdem kann ein „Jobticket“ für öffentliche Verkehrsmittel, das der Arbeitgeber<br />
für die Fahrt zur Arbeit bezahlt, unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und<br />
sozialversicherungsfrei behandelt werden, und zwar auch für Arbeitnehmer, die<br />
keinen Anspruch auf ein Pendlerpauschale haben.<br />
Der Wermutstropfen der Reform: Arbeitnehmern, die den Weg zur Arbeit<br />
mit einem Dienstwagen zurücklegen, steht ab <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> kein Pendlerpauschale<br />
mehr zu.<br />
26 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
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[Österreich]<br />
[ ]<br />
Die gekauften Medien<br />
Das Superwahljahr <strong>2013</strong> lässt die Kassen der Medien klingeln. Das von Rot<br />
und Grün geführte Wien war in den ersten Monaten <strong>2013</strong> der größte<br />
Inserent bei politischer Werbung, wovon besonders Tageszeitungen<br />
profitieren. Die ÖVP investierte bis jetzt am meisten.<br />
VON HANS-PETER JAUK<br />
Millionen fließen in die<br />
politische Werbung. und<br />
in Inserate.<br />
Eine Woche vor den Landtagswahlen<br />
in Kärnten und Niederösterreich<br />
sorgte der Sender<br />
Puls 4 für Aufregung: Er zeigte<br />
ein exklusives Interview mit Neo-<br />
Parteichef Frank Stronach. Zusätzlich<br />
wurde eine abendfüllende und<br />
wenig kritische Dokumentation mit<br />
dem Titel „Die große Frank Stronach<br />
Story“ ausgestrahlt. Das Team<br />
Stronach reagierte auf die massive<br />
Kritik: „‚Puls 4‘ beweist im Unterschied<br />
zum ORF echte Unabhängigkeit<br />
mit dem ‚Frank Stronach-Day‘.<br />
So muss Fernsehen sein.“ Nach der<br />
Ausstrahlung hat Stronachs Partei<br />
jedoch eingeräumt, für die Bewerbung<br />
der Doku gezahlt zu haben.<br />
„Das würden wir jederzeit wieder<br />
machen, wenn ein Sender eine tolle<br />
Doku über Frank Stronach macht“,<br />
meint dazu Rudolf Fußi, inzwischen<br />
Stronachs Ex-Berater. Außerdem<br />
hat sich die Bewegung die Rechte<br />
auf das Bildmaterial für Werbespots<br />
gesichert. Das Geld, das im<br />
Zuge des Wahlkampfs eingesetzt<br />
wurde, soll zwar ausschließlich aus<br />
der Privatkasse des Parteigründers<br />
stammen, aber auch dem Team<br />
Stronach stehen 1,424 Millionen<br />
Klubförderung zu. „Doch dieses<br />
Geld darf nicht mehr an die Partei<br />
weitergegeben werden“, meint<br />
dazu Politikwissenschafter Hubert<br />
Sickinger.<br />
Für Politikredakteure bedeutet ein<br />
Wahljahr zwar ein hohes Arbeitspensum,<br />
doch durch die Werbemillionen<br />
der Parteien werden auch<br />
ihre Jobs gesichert. In den ersten<br />
beiden Monaten des Jahres sind<br />
die Bruttowerbeausgaben nach<br />
Berechnung von Focus Research<br />
Für Politikredakteure<br />
bedeutet ein Wahljahr ein<br />
hohes Arbeitspensum.<br />
gegenüber dem Vorjahreszeitraum<br />
um 7,7 Prozent gestiegen. Auf Parteien<br />
entfallen davon 27,4 Millionen<br />
Euro. Der Hauptgrund dafür sind<br />
die Wahlkämpfe für die Landtagswahlen,<br />
für die Volksbefragungen<br />
zur Wehrpflicht und für jene in<br />
Wien. Kommunikativste Partei war<br />
die ÖVP, die allein um 2,9 Millionen<br />
Euro geworben hat, vor dem Team<br />
Stronach mit 2,1 Millionen und den<br />
Freiheitlichen, die 1,5 Millionen investiert<br />
haben. ÖVP-Parteimanager<br />
Hannes Rauch korrigiert dabei: „Für<br />
mich sind die Zahlen nicht nachvollziehbar.<br />
Ich weiß nicht, wie ‚Focus‘<br />
auf diese Zahlen kommt, wir liegen<br />
weit darunter.“ Auch Fußi bestreitet<br />
die Zahlen: „Die Zahlen sind si-<br />
© Hermine Haslinger (2)<br />
Politikwissenschafter Hubert Sickinger.<br />
ÖVP-Parteimanager Hannes Rauch<br />
28 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Österreich]<br />
© isoPix/picturedesk.com<br />
cher nicht korrekt. Die ÖVP hat im<br />
niederösterreichischen Wahlkampf<br />
mindestens 15 bis 20 Millionen investiert.“<br />
In puncto politiknaher Werbung<br />
erwies sich die Stadt Wien zu Beginn<br />
des Jahres mit 3,8 Millionen<br />
Euro Ausgaben als stärkste werbetreibende<br />
Institution, gefolgt von<br />
den „Frauen für ein Berufsheer“<br />
mit 1,9 Millionen Euro und der<br />
niederösterreichischen Landesregierung,<br />
die 900.000 Euro für ihre<br />
Wahlkampagne locker machte.<br />
Im Zuge der Werbung von Rot-<br />
Grün für die Volksbefragung in<br />
Wien wurden von der Stadt zwar<br />
Millionen in einen Zwischenwahlkampf<br />
investiert, doch aus der Wiener<br />
SPÖ heißt es, man habe zwar<br />
geworben, doch um darüber zu<br />
sprechen sei es zu früh. Auf Anfrage<br />
bezifferte der ehemalige SPÖ-<br />
Generalsekretär Günther Kräuter<br />
die Kosten für Werbemaßnahmen<br />
für den Berufsheer-Zwischenwahlkampf<br />
auf „unter eine Million Euro“.<br />
[Statement] erfuhr von ÖVP-<br />
Parteisekretär Rauch, dass seine<br />
Partei einige Hundertausend Euro<br />
dafür investiert habe. Der aktuelle<br />
Wahlkampfleiter der SPÖ, Norbert<br />
Darabos, war für [Statement] nicht<br />
zu erreichen.<br />
Österreichische Parteien<br />
bekommen die höchsten<br />
Förderungen pro Wähler.<br />
Woher kommt nun dieses Geld?<br />
Zum Teil auch aus der Erhöhung<br />
der Parteienförderung auf Bundesebene<br />
in Höhe von 15 Prozent,<br />
der auch die Grünen zustimmten.<br />
Gegenüber der Tageszeitung Die<br />
Presse gab der Wahlkampfleiter der<br />
Grünen ein Budget von vier Millionen<br />
für <strong>2013</strong> an. Mit dieser Investition<br />
wollen es die Grünen nach drei<br />
Bundesländern auch im Bund in die<br />
Regierung schaffen. Die österreichischen<br />
Parteien erhalten jährlich<br />
insgesamt 187,7 Millionen Euro aus<br />
Steuergeld. „Damit bekommen die<br />
heimischen Parteien die höchsten<br />
Förderungen pro Wähler in der<br />
EU“, kritisiert Sickinger. Das im Vorjahr<br />
beschlossene Transparenzpaket<br />
sieht zwar vor, dass eine Partei pro<br />
Wahlkampf nicht mehr als sieben<br />
Millionen ausgeben darf, doch mit<br />
Tricks wie dem Vorzugsstimmen-<br />
Prinzip in Niederösterreich oder<br />
mit Inseraten, die in Kärnten von<br />
Die Werbebranche<br />
wächst in den nächsten<br />
Monaten um 2,1 Prozent.<br />
Landesgesellschaften geschaltet<br />
wurden, die zwar an Inserate der<br />
FPK erinnerten, aber vom Gesetz<br />
nicht erfasst waren, überschreiten<br />
die Parteien teilweise die erlaubten<br />
Grenzen. Für Hubert Sickinger ist<br />
klar, dass auch diese Gelder offengelegt<br />
werden müssen. „Wir halten<br />
uns an diese sinnvolle Obergrenze.<br />
In den sieben Millionen ist alles enthalten,<br />
auch Werbekosten für Spitzenkandidaten“,<br />
so ÖVP-Werber<br />
Rauch.<br />
Während Parteien im ORF nicht<br />
werben dürfen, floss knapp eine<br />
Million in den Bereich Privat-TV.<br />
Die stärksten Profiteure von Politwerbung<br />
sind aber die Tageszeitungen,<br />
bei denen in den ersten zwei<br />
Monaten Anzeigen um dreizehn<br />
Millionen geschaltet wurden. Das<br />
ist ein Anstieg um 65 Prozent. „Das<br />
war auch beim letzten Nationalratswahlkampf<br />
der Fall, besonders<br />
in den letzten sechs Wochen vor<br />
der Wahl wurde sehr viel inseriert“,<br />
bestätigt Sickinger. Auch die<br />
Außenwerbung, die teilweise parteinah<br />
organisiert ist, kann sich in<br />
den ersten beiden Monaten dieses<br />
Jahres über ein sattes Plus von 515<br />
Prozent freuen; rechnet man die<br />
Anteile der Wiener Städtischen<br />
dazu, halten SPÖ-nahe Institutionen<br />
33 Prozent an der Gewista,<br />
einer der führenden Firmen der<br />
Branche.<br />
Die ÖVP setzt mehr als andere Parteien<br />
auf Plakatwerbung, während<br />
sich das Team Stronach bevorzugt<br />
in Fernsehen und Kino präsentiert.<br />
Auch die FPÖ war bei der Plakatwerbung<br />
stark vertreten, die SPÖ<br />
investiert bei Inseraten in Onlinewerbung<br />
am meisten. Besonders<br />
Gratiszeitungen profitieren stark<br />
von Wahlkämpfen, erklärt dazu Sickinger.<br />
Bis zur Nationalratswahl am<br />
29. September rechnen Fachleute<br />
mit einem Wachstum von 2,1 Prozent<br />
für die Werbebranche. <br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 29
[New Media]<br />
[]<br />
Zwitschern aus<br />
dem Gerichtssaal<br />
© ÖJC Archiv<br />
Es begann in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und sie machen sich auch in den<br />
Gerichtssälen breit: Elektronische Online-Kiebitze, die einem interessierten Publikum in Echtzeit<br />
den Verlauf brisanter Prozesse zuzwitschern.<br />
VON JOHANN DOE<br />
Eine Lücke in der Strafprozessordnung<br />
(StPO) macht es möglich:<br />
Der § 228 StPO verbietet<br />
lediglich „Fernseh- und Hörfunkaufnahmen<br />
und -übertragungen sowie<br />
Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen<br />
der Gerichte“. Diese<br />
Bestimmung stammt noch aus einer<br />
Zeit, wo es nur die klassischen<br />
Rundfunk-, TV- und Printmedien gab.<br />
Man wollte damit der Strafrechtspflege<br />
ein geordnetes Umfeld bieten<br />
und bei öffentlichkeitswirksamen<br />
Prozessen ein Abrutschen in<br />
eine Art US-amerikanische Fernsehgerichtsshows<br />
verhindern.<br />
Die konservative Haltung von<br />
Richtern spiegelt sich auch im österreichischen<br />
Gerichtsalltag wider.<br />
Nicht selten wird in Strafprozessen<br />
so mancher eloquente Verteidiger<br />
während seines emotionalen Plädoyers<br />
von Vorsitzenden Richtern um<br />
Mäßigung gebeten. Man möge doch<br />
bitte „keinen amerikanischen Krimi“<br />
im altehrwürdigen Gericht inszenieren,<br />
heißt es dann.<br />
So angepasst sollten sich eigentlich<br />
auch <strong>Journalisten</strong> verhalten. Allerdings<br />
macht die moderne Kommunikationstechnologie<br />
mit ihren<br />
smarten Telefonen, den Laptops<br />
samt Datenübertragung über Mobilfunknetze<br />
vieles möglich, was die<br />
Verfasser der StPO seinerzeit nicht<br />
kannten.<br />
Bloggen aus dem<br />
Gerichtssaal wird nicht<br />
verboten.<br />
Bei strenger Auslegung des Gesetzes<br />
ist es nämlich so, dass das Verbot<br />
sich nur auf Fernseh- und Hörfunkaufnahmen<br />
und deren Übertragung<br />
und Ausstrahlung bezieht. Auch<br />
das Fotografieren während einer<br />
Verhandlung ist verboten. Daher<br />
gab es stets nur Zeichnungen von<br />
Gerichtsverhandlungen, weil das<br />
Zeichnen ja nicht ausdrücklich verboten<br />
war.<br />
Diese Lücke nützen Internetblogger<br />
von Onlinemedien. Da ein Mitschreiben<br />
und die zeitgleiche Onlineveröffentlichung<br />
nicht gesetzlich<br />
verboten ist, können Aussagen und<br />
Kreuzverhöre in so manchem delikaten<br />
Korruptionsprozess im Internet<br />
nahezu zeitgleich genüsslich<br />
mitverfolgt werden.<br />
Dem Wiener Straflandesgericht<br />
war das schon lange ein Dorn im<br />
Auge. Im heurigen Februar änderte<br />
es daher überraschend seine Hausordnung<br />
und verbot kurzerhand<br />
jegliche Funkübertragung aus dem<br />
Gerichtsaal. Als Begründung verlautete,<br />
man wolle verhindern, dass sich<br />
Zeugen mittels Smartphone über<br />
den Verlauf des Prozesses informieren<br />
könnten, wodurch es angeblich<br />
zu einer Beeinflussung der Aussage<br />
kommen könne.<br />
Kurz darauf wurde diese Anordnung<br />
auf Weisung des Justizministeriums<br />
zurückgenommen und das<br />
umstrittene Funkverbot wieder<br />
gestrichen. Man sei – selbstverständlich<br />
– für Transparenz und Öffentlichkeit<br />
der Verfahren und habe<br />
letztlich auf die berechtigten Fragen<br />
von <strong>Journalisten</strong> reagiert, nämlich,<br />
wo das Twitter-Verbot denn ex lege<br />
geschrieben sei.<br />
In einem Exklusivgespräch mit<br />
[Statement] bestätigt Christian<br />
Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium,<br />
dass das Bloggen aus<br />
Gerichtsverhandlungen weiter erlaubt<br />
bleibt, da Gerichtsverhandlungen<br />
in Österreich prinzipiell<br />
öffentlich sind. An eine Gesetzesänderung<br />
ist daher nicht gedacht.<br />
Ebenso soll nach wie vor das Film-,<br />
Foto- und Tonaufnahmeverbot aus<br />
Gerichtsverhandlungen gelten, da<br />
dies einen größeren Eingriff in die<br />
Persönlichkeitsrechte darstellt, als<br />
das Bloggen oder Mitschreiben im<br />
Gerichtssaal. <br />
<br />
30 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Bildung]<br />
[]<br />
Fernsehen für<br />
mehr Demokratie<br />
© Herrgott Ricardo/Verlagsgruppe News/picturedesk.com<br />
Vermittlung von interkulturellem Verständnis, Toleranz, Partizipation und Zivilcourage,<br />
Menschrechts- und Antirassismusbildung – das sind hierzulande die Bestandteile eines modernen<br />
Unterrichts in politischer Bildung.<br />
VON SUSANNE SCHREINER<br />
Der Mensch ist von seiner Natur<br />
her ein politisches Wesen“,<br />
sagte bereits Aristoteles.<br />
Dieser Gedanke gilt auch heute<br />
noch. Die aktuelle OECD-Studie<br />
„Education at a glance (2012)“<br />
zeigt: Je mehr die Menschen über<br />
demokratische Prozesse wissen,<br />
desto höher ist ihre Beteiligung an<br />
Wahlen. Politische Bildung ist damit<br />
der Schlüssel für verstandene und<br />
gelebte Demokratie.<br />
In Österreich stehen demokratische<br />
Inhalte bereits in der Volksschule auf<br />
dem Lehrplan. Ab der Sekundarstufe<br />
I gibt es in allen Schultypen<br />
das Pflichtfach „Politische Bildung“.<br />
Claudia Schmied, Bundesministerin<br />
für Unterricht, Kunst und Kultur:<br />
„Schülerinnen und Schülern jeden<br />
Alters Lehrinhalte abwechslungsreich<br />
und zeitgemäß zu vermitteln,<br />
ist mir ein wichtiges Anliegen.“<br />
Daher setzt das Unterrichtsministerium<br />
(BMUKK) im aktuellen Schuljahr<br />
2012/13 die Schwerpunkte<br />
„Aktionstage Politische Bildung“ unter<br />
dem Motto „Beteiligen und mitgestalten“,<br />
den Schülerwettbewerb<br />
„Politische Bildung“ mit Themen wie<br />
„Denk mal – was soll das Denkmal“,<br />
oder „Von Karrierefrauen<br />
und Quotenmännern – der Weg<br />
zur Gleichberechtigung“ sowie das<br />
Projekt „European Year of Citizens<br />
<strong>2013</strong>“. Das Zeitzeugenprogramm<br />
im Rahmen der Holocaust Education<br />
und die Aktion „Österreichs<br />
Jugend lernt ihre Bundeshauptstadt<br />
kennen“ finden ihre Fortsetzung.<br />
Schule ist Basis für<br />
demokratisches Denken<br />
und Handeln.<br />
Um den Unterricht anschaulich zu<br />
gestalten, arbeiten BMUKK und ORF<br />
schon seit 1996 im Bereich der Bildungsmedien<br />
zusammen. Seither<br />
wurden rund 70 Millionen Euro investiert<br />
und 225 Filmproduktionen<br />
realisiert. Bundesministerin Schmied:<br />
„Der Bildungsfilm bereichert den<br />
schulischen Unterricht mit über<br />
2.000 verschiedenen Angeboten.<br />
Die Auswahl geeigneter medialer<br />
Produkte ist gerade im Unterricht<br />
von besonderer Bedeutung.“<br />
Seit 2003 ist die interaktive Online-<br />
Plattform „www.bildungsmedien.<br />
tv“ online. Die Mediathek ist österreichweit,<br />
jedoch ausschließlich<br />
von Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen,<br />
abrufbar, die<br />
Nutzung kostet 700 Euro jährlich.<br />
Spitzenreiter unter den Filmen<br />
ist „Im Arbeiter- und Bienenstaat<br />
– die Honigbiene“, den rund<br />
60.000 Schüler pro Jahr im Rahmen<br />
des Unterrichts sehen, knapp<br />
gefolgt von „Die Macht des Regenbogens<br />
– Farben“ und „Bionik“.<br />
In der Oberstufe haben Filme zu<br />
Geschichte und politischer Bildung<br />
die jahrzehntelange Dominanz von<br />
biologischen Themen gebrochen.<br />
Webtipps:<br />
http://www.bmukk.gv.at/<br />
medienpool/23173/20120911a.pdf<br />
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/24321/<strong>2013</strong>0304a_02.pdf<br />
© Privat<br />
Zur Autorin<br />
Susanne Schreiner<br />
Die Anthropologin (geboren<br />
1976 in Wien) war TV-<br />
Journalistin und Pressesprecherin.<br />
Derzeit arbeitet sie<br />
an naturwissenschaftlichen<br />
TV-Dokumentationen. Dieser<br />
Beitrag entstand in der<br />
Lehrredaktion des ÖJC.<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 31
[Kommentar]<br />
[]<br />
Was Journalismus nicht leistet<br />
© Markus Leodolter/APA/picturedesk.com<br />
Journalismus bescheidet sich zu sehr. Er berichtet über dramatische Ereignisse. Er löst damit bei<br />
vielen Ängste aus – und lässt sie damit häufig allein. Dabei wäre ein anderer, ein hilfreicher<br />
Journalismus durchaus möglich.<br />
Kommentar Fritz Hausjell<br />
Erschütternde Stories über Familiendramen<br />
erreichen Medienkonsumenten<br />
mit einer gewissen<br />
Regelmäßigkeit. Das Repertoire<br />
der täglichen Berichterstattung ist<br />
voll mit grauenhaften Vorgängen:<br />
Kinder werden entführt, Frauen vergewaltigt,<br />
Kinder misshandelt, Bomben<br />
fallen auf unschuldige Zivilisten.<br />
In größeren Abständen passieren<br />
dann noch Naturkatastrophen und<br />
technisch begründete Unglücke, die<br />
viele Menschen zu Tode bringen<br />
oder schwer verletzen. Über das<br />
Allermeiste wird detailreich berichtet.<br />
Das ruft bei einem Teil der<br />
Mediennutzer Ängste hervor: Was,<br />
wenn mir das passiert? Kann das<br />
auch meinem Kind geschehen? Wie<br />
kann ich mich oder meine Liebsten<br />
schützen? Oder sind meine Ängste<br />
unbegründet?<br />
In sehr vielen Berichterstattungsfällen,<br />
die derartige angstbesetzte<br />
Fragen auslösen, gibt der Journalismus<br />
keine Hinweis, wie oder wo<br />
Hilfe zu finden wäre. Jetzt einmal<br />
abgesehen von der Frage, ob der<br />
Journalist für derartige „Nebenwirkungen“<br />
seiner Stories bei den<br />
Rezipienten verantwortlich ist:<br />
Wären aufregende und dramatische<br />
Geschichten nicht zugleich<br />
gehaltvoller, wenn sie hilfreiche Hinweise<br />
enthielten?<br />
In Medien wird mehr<br />
über Gewalt berichtet<br />
als real geschieht.<br />
Was könnten solche Elemente eines<br />
hilfreichen Journalismus sein?<br />
Das ist von Story zu Story ganz unterschiedlich.<br />
Gelegentlich atmet der<br />
Leser schon bei dem simplen Hinweis<br />
auf, wie gering die Wahrscheinlichkeit<br />
ist, ermordet oder entführt<br />
zu werden. Ob ich selbst von einem<br />
Gewaltexzess möglicherweise bedroht<br />
bin, könnten Experten beantworten;<br />
ein schlichter Hinweis auf<br />
kostenlos nutzbare Erstinformationsstellen<br />
kann hier für manche Leser<br />
recht hilfreich sein. Wobei diese<br />
Tipps im Sinne der Prävention auch<br />
in Richtung der möglichen Tätergruppen<br />
gehen sollten: Bin ich vielleicht<br />
selbst ein Kandidat, der einmal<br />
derartig ausrasten könnte? Wo und<br />
wie kann ich das abklären?<br />
Hilfreich für die Umgebung von<br />
überlebenden Opfern verschiedenster<br />
Gewalt können Hintergrund-Stories<br />
sein, in denen erzählt<br />
wird, welche professionelle Hilfe<br />
und welche Unterstützungen aus<br />
der Umgebung geholfen haben,<br />
das Schicksal zu bewältigen. Wobei<br />
nicht ausgelassen werden sollte,<br />
welche gutgemeinten Tröstungsversuche<br />
den seelischen Schmerz<br />
noch vergrößert haben.<br />
Der amerikanische Medienforscher<br />
George Gerbner hat mit seiner<br />
Kultivierungsthese darauf hingewiesen,<br />
dass in Medien mehr Gewalt,<br />
vor allem mehr Tötungsdelikte, berichtet<br />
werden als real geschehen.<br />
Vielnutzer bestimmter Medien halten<br />
deshalb die eigene Lebenswirklichkeit<br />
für viel gewalttätiger, als sie<br />
tatsächlich ist. Wäre es vor diesem<br />
Hintergrund nicht hilfreich, brauchbare<br />
Hinweise zu geben? Etwa solche<br />
auf die Kriminalstatistik – und<br />
hier bitte die Zahlen der Gerichte<br />
über tatsächliche Verurteilungen<br />
und nicht die aktuelle Anzeigestatistik<br />
der Polizei! Denn nur über<br />
Jahrzehnte gehende Zeitreihen zeigen<br />
eine relativ stabile Entwicklung.<br />
Zahlreich sind die Schlagzeilen von<br />
„explodierender“ Kriminalitätsbelastung.<br />
Dann müsste es aber auch<br />
ähnlich viele dramatische Rückgänge<br />
geben. Schlagzeilen wie „Kriminalität<br />
implodiert!“ liest man allerdings nie.<br />
<strong>Journalisten</strong> können übrigens im<br />
Zuge der Recherchen selbst emotional<br />
sehr belastet bis traumatisiert<br />
werden. Traumaverarbeitung ist<br />
aber leider kein Thema in der <strong>Journalisten</strong>ausbildung<br />
und auch nicht<br />
in den heimischen Journalismus-<br />
Gazetten. Und im journalistischen<br />
Umgang mit Angehörigen von Opfern<br />
wären Grundkenntnisse der<br />
Trauerphasen hilfreich. Nur so kann<br />
man besser einschätzen, warum<br />
jemand gerade – trauerphasenbedingt<br />
– Schuld verteilt oder sich<br />
selbst beschuldigt.<br />
Ist das zu viel verlangt von einem<br />
verantwortungsvollen Journalismus?<br />
Die Geschichten werden<br />
dadurch nicht weniger spannend,<br />
aber nutzvoller.<br />
<br />
32 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
[Erwachsenenbildung/Glosse]<br />
[]<br />
Lernen für die Zukunft<br />
© Oswald Klotz<br />
Zwölf Teilnehmer lernen seit Oktober vergangenen Jahres alles, was ein<br />
Journalist im Jahr 2020 benötigt. Die ÖJC-Lehrredaktion wird im Oktober<br />
erneut angehenden <strong>Journalisten</strong> eine Chance zum Berufseinstieg bieten.<br />
VON FRED TURNHEIM<br />
Für Lehrgangsleiter Oswald Klotz<br />
ist eines klar, das vergangene Jahr<br />
war für „seine“ Lehrredaktion<br />
sehr erfolgreich: „Die Teilnehmer<br />
waren engagiert und mit vollem<br />
Einsatz dabei“, urteilt der erfahrene<br />
Rundfunk- und Zeitungsjournalist<br />
und freut sich bereits auf die kommenden<br />
zwei Semester. Im Rahmen<br />
dieser berufsbegleitenden Ausbildung<br />
geht es nicht nur um den Erwerb<br />
von Grundkenntnissen der<br />
Abläufe in der Massenkommunikation<br />
und der Struktur und Organisation<br />
unterschiedlichster Medien, sondern<br />
vor allem um berufsspezifische<br />
Fachkompetenz.<br />
Unterrichtsfächer sind u.a. Mediengeschichte,<br />
Verlagswesen, sowie<br />
Medien- und Urheberrecht,<br />
vor allem aber eine Schreibwerkstatt,<br />
in der von Print, Radio und<br />
TV über Pressefotografie bis zu<br />
Unternehmenskommunikation<br />
sämtliche journalistischen Darstellungsformen<br />
geübt werden. Dabei<br />
entstehen echte Medienbeiträge,<br />
die später als Vorzeigeprodukte<br />
der Kursteilnehmer dienen können.<br />
Einige der Beiträge haben wir in<br />
[Statement]: abgedruckt und Sie,<br />
liebe Leserinnen und Leser, konnten<br />
sich selbst ein Bild von der hohen<br />
Qualität in der Lehrredaktion machen.<br />
Ein Videofilm, den die Gruppe gedreht<br />
hat, ist seit wenigen Tagen über<br />
den ÖJC-Channel auf YouTube und<br />
über unsere Homepage abrufbar.<br />
Einzigartige <strong>Journalisten</strong>ausbildung<br />
in Österreich.<br />
Die ÖJC-Lehrredaktion „Journalismus<br />
2021“ bietet sich für alle an,<br />
die an einer fundierten und umfassenden<br />
journalistischen Grundausbildung<br />
interessiert sind.<br />
Aufnahmebedingung ist das Bestehen<br />
des ÖJC-Assessment-Centers<br />
am Donnerstag, 29. <strong>Mai</strong>, um 19 Uhr<br />
im Vienna International PressCenter<br />
des ÖJC, 1010 Wien, Blutgasse 3<br />
(U-Bahn Stephansplatz). Die Lehrveranstaltungen<br />
umfassen während<br />
der zweisemestrigen Dauer insgesamt<br />
240 Unterrichtseinheiten, wobei<br />
eine abendliche Lehrveranstaltung<br />
mit vier Unterrichtseinheiten<br />
pro Woche plus jeweils ein Wochenende<br />
pro Monat als zweitägige<br />
Blockveranstaltung angeboten werden.<br />
Die Absolventen erhalten zum Abschluss<br />
der Ausbildung nach Bestehen<br />
einer kommissionellen Prüfung<br />
und der positiven Beurteilung einer<br />
schriftlichen Abschlussarbeit ein Zertifikat;<br />
die Kosten betragen 890 Euro<br />
je Semester.<br />
<br />
Weitere Informationen:<br />
Journalismus & Medien Akademie<br />
des ÖJC, Blutgasse 3, 1010 Wien,<br />
<strong>Mai</strong>l: office@oejc.at<br />
ANgeDACHT<br />
von MICHAEL A. MOHAPP<br />
Angenommen – nur einmal angenommen<br />
... nur ein Mal angenommen,<br />
und schon läuft man Gefahr,<br />
in Korruptionsverdacht zu geraten.<br />
Mittlerweile geht die diesbezügliche<br />
Hysterie ja schon bis zum<br />
Kaffee, der bei einer Besprechung<br />
zwischen dem Theaterdirektor<br />
und dem ORF-Redakteur getrunken<br />
wurde: Ohne Genehmigung<br />
geht da gar nichts mehr. Es gilt das<br />
Prinzip: Vertrauen ist schlecht, Kontrolle<br />
ist Voraussetzung.<br />
Angekommen – nur einmal angekommen<br />
... nur ein Mal angekommen,<br />
und schon läuft man Gefahr<br />
der sexuellen Belästigung schuldig<br />
zu werden. Mittlerweile geht die<br />
diesbezügliche Hysterie ja schon bis<br />
zum lobenden Schulterklopfen, das<br />
beim Verleihen einer Auszeichnung<br />
erfolgt. Und wehe, wenn ein<br />
Mann einer Frau einen Orden an<br />
die ... oder umgekehrt. Und wie ist<br />
das bei Homosexuellen? Ist jeder<br />
Mensch, der ein Kind anlächelt,<br />
schon verdächtig? Ist jeder Vater,<br />
der seine Tochter hochhebt, schon<br />
ein Päderast? Ist jeder Nachbar, der<br />
uns beim Ausmalen hilft, schon ein<br />
Schwarzarbeiter? Wir lernen, immer<br />
mehr Abstand zu halten; wiewohl<br />
das unter dem Titel ‚Anstand<br />
zu wahren‘ läuft. Der Umgang zwischen<br />
den Menschen wird immer<br />
mehr der gesellschaftlichen Kontrolle<br />
ausgeliefert, die Begegnung<br />
der Individuen in allen Lebensbereichen<br />
zusehends reglementiert. Das<br />
Verheerende ist der Umstand, dass<br />
dabei alle diese Maßnahmen zur<br />
Beschränkung der Kommunikation<br />
zwischen Menschen dienen; wiewohl<br />
sie allesamt unter dem Titel<br />
‚Erhaltung des Freiraums‘ laufen.<br />
Seit Karl Marx wissen wir: Wer<br />
möglichst viele Möglichkeiten hat,<br />
dessen Freiheit ist es. In der Folge<br />
hat uns die Geschichte gelehrt: Die<br />
Theorie ist Marx – und Murks die<br />
Praxis. Nach dem Scheitern der<br />
kommunistisch-totalitären Modelle<br />
triumphiert nun also die sogenannte<br />
Demokratie mit nahezu<br />
identen Vorgangsweisen ...?<br />
Wir <strong>Journalisten</strong> haben noch immer<br />
viele Möglichkeiten. Was wäre,<br />
wenn wir sie nützten? <br />
<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> [Statement] 33
[Das letzte Wort]<br />
[]<br />
Die Juni-Ausgabe erscheint<br />
am 28. <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />
[]<br />
Das letzte Wort<br />
© Wiener Zeitung<br />
Zwischen Oligopol,<br />
Apathie und Barbeque<br />
Der fünfte Kontinent hat viel zu bieten: Die<br />
älteste menschliche Zivilisation der Welt, üppige<br />
Naturschönheiten, sportliche Highlights<br />
und freundliche Leute. Nur für guten Journalismus<br />
ist Australien nicht bekannt. Warum<br />
eigentlich? Australien ist doch das Musterland<br />
des „Dualen Systems”. Schließlich hielten mit<br />
Gründung der ABC als Public Service-Rundfunk<br />
1929 zeitgleich auch die privat-kommerziellen Hörfunkwellen Einzug. Auch im Fernsehen<br />
sind die Aussies innovativ: Seit fast einem Vierteljahrhundert zieht nun die „gute,<br />
alte Tante ABC” den Argwohn der anderen Medienschaffenden auf sich. Denn da, wo<br />
andere versagen, schaut Media Watch als einzige Redaktion hin. Unser Deutschland-<br />
Korrespondent Jon Mendrala – selbst mit langjähriger Australien-Erfahrung – schaut für<br />
[Statement] hinter die Kulissen der moralischen Medieninstanz Australiens. Von Cash-for-<br />
Comment-Affären, Radio-Scherzanrufen bei Herzogin Kate, die in einem Selbstmord<br />
enden, und dem Medienimperium eines Mannes, der zwar mittlerweile selber Amerikaner<br />
ist, aber die Strippen Down Under noch immer und fast überall zieht, lesen Sie in der<br />
Juni-Ausgabe.<br />
Portrait Reinhard Göweil<br />
Am 2. November 2009 wurde Reinhard Göweil Chefredakteur<br />
der Wiener Zeitung. Zuvor war Göweil 15 Jahre lang Wirtschafts-<br />
Ressortleiter der Tageszeitung Kurier. Der geborene Oberösterreicher<br />
ist Vater zweier Kinder und kann eine Ausbildung als<br />
Sozialarbeiter vorweisen. Journalistische Erfahrung sammelte er<br />
nicht nur als Wirtschaftsredakteur beim Standard und den Oberösterreichischen<br />
Nachrichten, sondern auch als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit<br />
in der Chemie Linz AG. Der heute 51-Jährige ist<br />
seit 2001 auch Herausgeber der Finanznachrichten.<br />
Globo – Brasiliens Mediengigant<br />
Globo – das ist Fernsehen, Zeitung und Radio in<br />
Brasilien. Und noch viel mehr. Globo ist der größte<br />
Medienkonzern Brasiliens. Eines seiner wichtigsten<br />
Erzeugnisse sind die überaus populären Telenovelas.<br />
Doch nicht nur auf dem Medienmarkt spielt<br />
Globo eine gewichtige Rolle. Auch politisch ist<br />
Globo ein Paradebeispiel dafür, wie private Medienkonzerne<br />
ihre Macht ausnützen können. Während<br />
der Militärdiktatur in Brasilien begann der<br />
Aufstieg von Rede Globo zu einem der größten<br />
Fernsehkonzerne weltweit. Jahre später gingen Millionen<br />
Brasilianer auf die Straße, um die direkte Wahl des Präsidenten zu fordern. Die<br />
Nachrichten Globos verschwiegen es – ein Beispiel, das den brasilianischen Mediengiganten<br />
wenig rühmlich charakterisiert.<br />
<br />
© Andy Rain/EPA/Picturedesk.com<br />
© Oswald Klotz<br />
von Michael Mohapp<br />
Wenn der, der etwas schreibt,<br />
schreibt, schreibt er das, was er<br />
sagen will. Wenn der, der das<br />
dann liest, liest, liest er das, was<br />
er hören will. Das ist so, und das<br />
ist bekannt, und jeder weiß Bescheid. So weit, so<br />
gut. Doch wie gelingt dem, der es sagt, dass der, der<br />
hört, hört, was er sagt? Wie lenkt der Schreiber<br />
seinen Leser, bringt er seinen Adressaten an das,<br />
was er sagt, heran? Hier beginnt die Krise der Kultur.<br />
Sofern die Beiden (Schreiber, Leser) Nachbarn sind<br />
in Geisteshaltung, Bildung, Umfeld, Tradition, sind die<br />
Chancen exzellent – die werden sich verstehen und<br />
auch einander größtenteils. Was aber, wenn ...? Und<br />
sind es nicht gerade die, die die Gedanken eines<br />
Schreibers zu erreichen suchen, denen die bis dato<br />
fremd ...? Denn schließlich will man informieren, initiieren,<br />
implantieren und Impulse setzen, Wege weisen,<br />
provozieren, pflanzen, säen. Dazu aber braucht<br />
der Schreiber einen Leser, der ihm fremd, der nicht<br />
weiß, was ihn erwartet, der die ,Message‘ noch nicht<br />
kennt. Es gilt – wie auch im Kabarett: Der Witz des<br />
Ganzen (die Pointe) hängt in seiner Wirkung von<br />
der Spannung vorher ab.<br />
Allerdings steigt mit der kulturellen Spannung auch<br />
die andere Gefahr: Was einer sagt, klingt für den<br />
anderen fremd, beleidigend sogar. Und da betritt<br />
der Schreiber, Autor, Journalist ein Minenfeld, aus<br />
dem kein Weg schon vorgezeichnet ist. Ab dem ersten<br />
Missverständnis beginnt eine Fahrt ins Ungewisse,<br />
mit ungewissem Ausgang. Denn ab da vermischen<br />
sich Inhalt des Geschriebenen, Befindlichkeit<br />
des Lesers, dessen Einstellung zum Schreiber und<br />
das Umfeld, in dem gelesen wird, zu einer nicht vorhersehbaren<br />
Reaktion ...<br />
Was letztlich daraus wird, was der, der schreibt,<br />
schreibt, wird er wohl nie erfahren; schon gar nicht,<br />
wenn der, der liest, seit der ersten Zeile auf ein ihm<br />
längst fällig scheinendes Gendering wartet. Der<br />
Mensch, der liest – nicht der, der schreibt – hat das<br />
letzte Wort.<br />
<br />
IMPRESSUM<br />
Eigentümer der <strong>Journalisten</strong>zeitschrift [Statement] – von <strong>Journalisten</strong> für <strong>Journalisten</strong>:<br />
<strong>Österreichischer</strong> <strong>Journalisten</strong> <strong>Club</strong> – ÖJC<br />
A-1010 Wien, Blutgasse 3, ZVR-Zahl: 874423136<br />
Tel: +43.(0)1.982 85 55, Fax: + 43.(0)1.982 85 55 50, <strong>Mai</strong>l: office@oejc.at, Internet: www.oejc.at<br />
Der ÖJC ist ein gemeinnütziger, parteiunabhängiger und bundesweiter Kommunikations- und Serviceclub<br />
für in- und ausländische <strong>Journalisten</strong> und andere Medienmitarbeiter. Die Tätigkeit des Vereines ist<br />
nicht auf Gewinn ausgerichtet. Die Bildung von parteipolitisch motivierten Gruppen (Fraktionen) innerhalb<br />
des Vereines ist nicht gestattet. Der Verein fördert den österreichischen Journalismus sowie die<br />
journalistische Aus-, Fort- und Weiterbildung. Er fördert auch die Erhöhung der beruflichen Qualifikation<br />
und orientiert sich an den Idealen der Demokratie. Dieser Zweck soll hauptsächlich durch Veranstaltungen,<br />
Seminare, Pressekonferenzen und den Betrieb sonstiger Medien in allen Bereichen erreicht<br />
werden. Der Verein fördert und betreibt weiters Entwicklungshilfe auf journalistischem Gebiet.<br />
Chefredakteure: Oswald Klotz, Fred Turnheim<br />
Ressortleiter: Hannes Hochmuth (Bildredaktion), Herbert Koczera (Technik), Mag. Christiane Laszlo<br />
(Philosophicum), Michael Mohapp (Kommentare, Glossen, Endkontrolle), DI Markus Szyszkowitz (Cover,<br />
Karikaturen), Fred Turnheim (Politik).<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Arno Aschauer, Nina Bayer, Lisa Brauneder, Johann Doe, Dr. Fritz Hausjell,<br />
Hans-Peter Jauk, Naureen Kimbacher, RA Dr. Josef Lachmann (Ratgeber Recht), Jon Mendrala (Hamburg),<br />
Friedrich Orter, Klaus Putzer, Dr. Susanne Schreiner, Mag. Claudia Stadler (Ratgeber Steuer).<br />
Grafik: Raimund Appl, Lektorat: Mag. Christoph Strolz, Design: co2 Werbe- und Designagentur Coproduction<br />
Grafik GmbH, Anzeigen: Aleksandar Milenkovic, Produktion: Raimund Appl, Druck: Herold<br />
Druck und Verlag AG,1030 Wien<br />
Adresse: Redaktion [Statement] c/o <strong>Österreichischer</strong> <strong>Journalisten</strong> <strong>Club</strong> – ÖJC, Blutgasse 3, 1010 Wien,<br />
Telefon: +43 1 9828555, Fax: +43 1 9828555, <strong>Mai</strong>l: chefredaktion@oejc.at, Internet: www.oejc.at<br />
34 [Statement] <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
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