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2 - SV Babelsberg 03

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Der Blick ZurÜck<br />

Nulldrei an der Saale<br />

Und plötzlich stand ich vor dem Kurt-Wabbel-<br />

Stadion. Das war aber gar nicht vorhanden.<br />

Stattdessen erhob sich hinter der alten Backsteinmauer<br />

ein neues mit Blechdach bedecktes<br />

Sportkonstrukt. Immerhin wurde in Halle nur so<br />

groß gebaut, wie es sich ziemt.<br />

Wer jetzt meint: „Moment mal. Wie jetzt, plötzlich<br />

standest du vor dem Stadion? Wohnst du in<br />

Halle, oder wie?“ ist gar nicht mal so dumm.<br />

Recht so, mündiger Leser. Schließlich beginnt<br />

so eine Geschichte nicht einfach so.<br />

Also, gehen wir ein bisschen zurück. Wir schreiben<br />

das Jahr 1971 und meine Eltern haben sich<br />

noch sehr gern. Da geschah es eines Nachts,<br />

dass sie beide nichts an hatten.<br />

Na gut, ich überspringe mal ein paar Nächte<br />

und komme wieder zum Tag X. Es ist zehn Uhr<br />

und zwei Busse samt mäßig gelaunter Fahrer<br />

stehen am Lutherplatz bereit und harren der explosiven<br />

Fracht in Form von Körpern, die jeder<br />

Beschreibung spotten und der biologischen Gruppierung<br />

Homo sapiens nicht gerade zur Ehre gereichen.<br />

Allen Widrigkeiten der Evolution zum<br />

Trotz setzte sich dieser kleinste aller Konvois in<br />

Bewegung und durchfuhr Regionen, die Anlass<br />

zu der einen oder anderen Anekdote bieten.<br />

Stellvertretend für den Fußball-Osten (nicht zu<br />

verwechseln mit der ehemaligen DDR) sei hier<br />

der Fläming genannt, früher einmal Heimstatt<br />

des einzigen und damit höchsten Berges des<br />

Bezirkes Potsdam. Da solcherlei Wissen heutzutage<br />

nur noch in Randgruppen gefragt wird, endete<br />

der Versuch, das sonnabendliche Kreuzworträtsel<br />

zu lösen, in einem krampfartigen Desasterchen.<br />

Immerhin verging so die Zeit wie in einer<br />

Busfahrt und schon bald erreichten wir den Ort,<br />

in dem man lebt oder arbeitet allerdings niemals<br />

hinfährt. Außer, man muss. Und ich musste<br />

quasi. Als Nulldrei-Fan und Redakteur dieser Postille<br />

erlebt man manchmal Dinge, zu denen kein Mensch<br />

gezwungen werden sollte. Aber das Leben ist keine<br />

Gruppenreise und so war ich dabei.<br />

Folgenden Plan hatte ich mir wie so oft zurecht<br />

gelegt. Presseausweis vorzeigen – reingehen –<br />

drei Punkte mitnehmen – nach Hause fahren.<br />

Punkt eins klappte noch ganz gut, doch schon<br />

beim Reingehen gab es Probleme. Selbst der<br />

eilig hinzugerufene abschnittsbevollmächtigte<br />

Halbchef-Ordner gewährte keinen Einlass und<br />

schickte mich zum Kassenhäuschen. Dort zückte<br />

ich ganz selbstbewusst mein Kärtchen und begehrte<br />

abermals Einlass. Das Fragezeichen über<br />

dem Kopf des Kassenwartes hob kurz das Dach<br />

des Kiosks an und erschlug beim Umfallen den<br />

etwas verwirrt wirkenden zweiten Kartenverkäufer.<br />

Mit seinem letzten Atem hauchte er mir „Petra“<br />

zu und deutete in Richtung Norden. Petra, ein<br />

Name so schön wie der Morgentau. Sie sollte<br />

also für Glück und Freude sorgen und mir Einlass<br />

gewähren. Mit leuchtenden Augen schlug ich<br />

die angegebene Richtung ein und lief und lief<br />

und stand plötzlich vor einer grimmig schauenden<br />

blauen Wand aus Beschützern. Ein kurzer aber<br />

deutlicher Dialog entspann sich: „Du kommst<br />

hier nicht durch“ „Aber, Petra, sabber“ „Hier<br />

nicht lang, sondern dort“ (deutete, natürlich,<br />

nach Süden) „Aber Petra ist doch im Norden“<br />

„Einmal rum um die Trutzburg ist nochmal Norden.“<br />

Das leuchtete mir ein. Und so schritt ich gemeinsam<br />

mit rot-weißen Wendeverlierern über<br />

sumpfige Wiesen und näherte mich der Auserwählten<br />

von Westen. Hoffentlich wartete sie<br />

auf mich. Ich konnte nicht mehr ohne sie sein.<br />

So erreichte ich eines der Tore zur Burg. Zwei<br />

Ordnungsbefugte standen etwas ratlos herum.<br />

Ich sprach sie an, wo denn der Presseeingang<br />

sei. Es kam wie so oft. Einer deutete nach<br />

Westen, der Andere nach Osten. Ich verließ<br />

mich auf meinen Instinkt und ging einfach da<br />

rein, wo die ganzen Bonzenkarren Einlass begehrten.<br />

Ich war also angekommen innerhalb<br />

der Festungsanlagen. Doch weit und breit keine<br />

Spur von Petra. Hatte sie die Hoffnung längst<br />

aufgegeben und das Land verlassen? Spürte sie,<br />

dass ich schon nahe war? Doch jetzt musste ich<br />

handeln und Einlass in die Gemächer erhaschen.<br />

Doch erneut drohte Ungemach. Drei Frauen,<br />

nicht annähernd so bezaubernd wie meine Petra,<br />

verlangten eine Karte mit Barcode um ihr Piepsgerät<br />

einsetzen zu können. Doch eine solche<br />

hatte ich nicht. Ich wurde vertröstet und man<br />

hieß mich zu warten. Auf Petra?<br />

Stattdessen erschien ein Kerl. Ganz wichtig. Er<br />

stellte sich mir mit den Worten: „Ensch, drfgn<br />

htschn Brässe.“ vor. Ich nickte freundlich und<br />

erklärte ihm die Sache in vierzig Sätzen. Obwohl<br />

ich eigentlich überhaupt nicht da stehen durfte<br />

wo ich stand und die zuständigen Parkplatzhostessen<br />

sofort erschossen wurden und obwohl so<br />

etwas auch überhaupt nicht geht, gab er mir<br />

eine Karte und ich bekam bunte Bänder ans Gelenk.<br />

Damit kam ich rein. Meine Herzensdame<br />

war also nur noch zwei oder drei Türen entfernt.<br />

Zunächst holte ich mir in der Schreiber-Schänke<br />

ein koffeinhaltiges Heißgetränk und besuchte<br />

die Arena in der Hoffnung, meine Petra dort zu<br />

finden.<br />

Stattdessen nur Kerle und Frauen wie Kerle. Nun<br />

denn, es stand ja ein Fußballspiel an. Das sollte<br />

ich schauen, um darüber diesen Bericht zu<br />

schreiben. Doch wie sollte ich mich darauf konzentrieren,<br />

wenn das Licht meiner Augen auf<br />

mich wartet?<br />

Um meiner Chronistenpflicht Genüge zu tun:<br />

Anpfiff, <strong>Babelsberg</strong> besser und kombinationsfreudig,<br />

unser Lenker im Mittelfeld leider zweikampfängstlich,<br />

Tor auf der falschen Seite, rote<br />

Karte auf der falschen Seite, Chancen zum Ausgleich,<br />

unglückliche Niederlage, gute Stimmung<br />

im Gästeblock.<br />

Das muss reichen. Wer es detaillierter wünscht,<br />

muss eben selbst mal hinfahren. Ich fror auf der<br />

Tribüne und konnte mich auch nicht an meinen<br />

heißen Tränen erwärmen. Flehend erkundigte<br />

ich mich nach IHR. Doch niemand schien sie zu<br />

kennen. Gibt es sie womöglich gar nicht? Ich<br />

ersäufte meinen Kummer in Kaffee und Wasser.<br />

Es war ihm egal. Müde und kalt schleppte ich<br />

mich zu meiner Herde und ließ mich willenlos<br />

nach Berlin fahren.<br />

Dort spielten wir in einer Pizzeria Kofferpacken<br />

und aßen Pizzen so groß wie Mittelkreise. Ich<br />

aß alles widerstandslos auf. Ohne Petra war der<br />

Tag so sinnlos. Italienische Musik am Ende und<br />

eine sonst so erhebende Fahrt mit der Berliner<br />

S-Bahn bildeten den Abschluss eines grauen<br />

Tages.<br />

StatistiK 25. Spieltag: Hallescher FC vs. <strong>Babelsberg</strong> <strong>03</strong> 1:0 (0:0)<br />

Hallescher FC: Horvat – Eismann, Kojola, Ruprecht, Ziebig – M. Hartmann, A. Müller (74. Pichinot), Kanitz (58. Lindenhahn),<br />

Ziegenbein (88. Hauk), Mast, Furuholm;<br />

<strong>Babelsberg</strong> <strong>03</strong>: Löhe – Kühne, Evljuskin, Reiche, Albrecht (46. Göttel), Groß, L. Hartmann (52. Essig), Koc, Kreuels, Kragl,<br />

Prochnow (77. Kaplan)<br />

Tor: 1:0 Kanitz (30.) Gelbe Karten: Müller, Eismann, Ziebig – Groß, Kreuels, Kragl; Rote Karte: Kühne (47.)<br />

Zuschauer: 6.256<br />

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