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3. Arbeitsvermögen und Kontrolle

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Gr<strong>und</strong>lagen der Industrie- <strong>und</strong><br />

Organisationssoziologie<br />

<strong>3.</strong> Arbeitsvermögen <strong>und</strong> <strong>Kontrolle</strong><br />

Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink<br />

e-mail: b.blaettel-mink@soz.uni-frankfurt.de<br />

05.12.2013


Arbeitsvermögen <strong>und</strong> <strong>Kontrolle</strong><br />

Lektüre<br />

Edwards, Richard (1981): Drei Geschichten aus der verborgenen Stätte der<br />

Produktion. In: ders., Herrschaft im modernen Produktionsprozeß.<br />

Frankfurt/M.: Campus, S. 12-32.<br />

Taylor, Frederick Winslow (1917, zuerst 1903): Gr<strong>und</strong>sätze einer<br />

wissenschaftlichen Betriebsführung. In: ders., Die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

wissenschaftlicher Betriebsführung. München/Berlin: Oldenbourg, S. 31-6<strong>3.</strong><br />

05.12.2013


Arbeitsvermögen <strong>und</strong> <strong>Kontrolle</strong><br />

Inhalt<br />

1. Begriffsarbeit – Das Problem der Transformation von<br />

Arbeitsvermögen in tatsächlich erbrachte Arbeit<br />

2. Die drei Kontrollformen nach Richard Edwards<br />

<strong>und</strong> zwei weitere Kontrollform<br />

<strong>3.</strong> „Scientific Management „nach Frederick W. Taylor<br />

4. Organisationssoziologische Bezüge<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Erwerbsarbeit findet immer in Organisationen statt, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Strukturen <strong>und</strong><br />

kulturellen Facetten mehr oder weniger gut <strong>Kontrolle</strong> über das Arbeitsvermögen der<br />

Mitglieder ermöglichen.<br />

Soziale <strong>Kontrolle</strong>, oder: Woher wissen wir was zu tun ist?<br />

„Soziale <strong>Kontrolle</strong> setzt bereits früh im Prozess der Sozialisation ein, wenn soziale<br />

Normen übernommen <strong>und</strong> verinnerlicht werden <strong>und</strong> dabei auch der individuelle Umgang<br />

mit diesen sozialen Verhaltenserwartungen aufgebaut wird (zum Beispiel: "Darf ein<br />

richtiger Junge nun weinen oder nicht?"). Gleichzeitig baut die Gesellschaft Instanzen<br />

zur sozialen <strong>Kontrolle</strong> auf. Dies sind Einrichtungen wie zum Beispiel Polizei <strong>und</strong> Justiz,<br />

Verwaltungen, Schulen, Verbände, Familien, Religionsgemeinschaften, die einzelne<br />

Menschen oder Gruppen mittel- oder unmittelbar, umfassend oder begrenzt, kurz- oder<br />

langfristig, vorbeugend oder nachträglich, gesetzlich verfügt oder im eigenen Auftrag<br />

beeinflussen.“<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Arbeitsvermögen<br />

„Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen<br />

<strong>und</strong> geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines<br />

Menschen existieren <strong>und</strong> die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte<br />

irgendeiner Art produziert.“ (Karl Marx, Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie,<br />

Bd. 1)<br />

vgl. auch „Weibliches Arbeitsvermögen“ nach Ilona Ostner – Geduld, Fingerfertigkeit,<br />

Empathie – „Carearbeit“, aber auch: Vereinbarkeit Familie <strong>und</strong> Erwerbsarbeit<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Der Arbeitsvertrag<br />

Gewerbeordung von 1869 sieht die Möglichkeit der „freien Vereinbarung“ der<br />

Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer<br />

Der Arbeitgeber kauft ein Verfügungsrecht über das Arbeitsvermögen, also die<br />

Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft der Beschäftigten, zu arbeiten.<br />

Arbeitspflicht – von Seiten des Arbeitnehmers<br />

Pflicht zur Lohnzahlung durch den Arbeitgeber<br />

Problem dabei: die sog. Unbestimmtheitslücke des Arbeitsvertrages. Der<br />

Arbeitgeber kauft keine klar definierte Leistung ein, sondern nur die Ware<br />

Arbeitskraft (Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit, zu arbeiten).<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Warum geht ein Arbeitnehmer überhaupt einen Arbeitsvertrag ein? Warum<br />

wird er Mitglied einer Organisation?<br />

Chester Barnard <strong>und</strong> später James G. March <strong>und</strong> Herbert A. Simon<br />

arbeiten hier mit der Anreiz-Beitrags-Theorie:<br />

Der Anreiz ist das Gehalt <strong>und</strong> der Beitrag ist die Leistung, die der<br />

Vertragsnehmer, der Beschäftigte erbringen muss. Damit fallen<br />

Teilnahmemotivation, bedingt durch den Anreiz <strong>und</strong> Leistungsmotivation,<br />

bedingt durch den Beitrag auseinander.<br />

Der Arbeitgeber muss dann sicherstellen, dass die Beschäftigten in<br />

ausreichendem Maße zum Unternehmensgeschehen oder Unternehmensziel<br />

beitragen.<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Transformationsproblem<br />

Wie kann also der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Arbeitnehmer möglichst<br />

viel seines Arbeitsvermögens in den Dienst des Arbeitgebers stellt?<br />

Wie gelingt es dem Kapital, das eingekaufte Arbeitsvermögen in konkrete<br />

Arbeitsleistung zu transformieren?<br />

Zunächst erhält der Arbeitgeber ein Dispositions- bzw. Direktionsrecht, d.h.<br />

eine Mitverfügung über die Person des Arbeitnehmers.<br />

Zudem besitzt der Arbeitgeber vielfältige Kontrollmöglichkeiten, um die<br />

Differenz zwischen dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers <strong>und</strong> der<br />

tatsächlichen Leistung gering zu halten.<br />

05.12.2013


Das Transformationsproblem der Arbeit<br />

Um die Differenz zwischen dem vorhandenen Arbeitsvermögen eines<br />

Beschäftigten <strong>und</strong> der tatsächlich verausgabten Leistung gering zu halten, ist die<br />

<strong>Kontrolle</strong> der betrieblichen Abläufe wichtig<br />

„’<strong>Kontrolle</strong>’ ist hier als die Fähigkeit der Kapitalisten <strong>und</strong> /oder Manager definiert, von<br />

den Arbeitern das gewünschte Arbeitsverhalten zu erzwingen.“ (Richard Edwards 1981,<br />

S. 27)<br />

Die Macht des Beschäftigten im Betrieb spielt für das Ausmaß der <strong>Kontrolle</strong> eine nicht<br />

unbedeutende Rolle - Handlungs- <strong>und</strong> Erfahrungsmacht. Austauschbarkeit, exklusives<br />

Wissen.<br />

Zwei Fragen stellen sich hier:<br />

In welchem Ausmaß <strong>und</strong> in welcher Form wird die <strong>Kontrolle</strong> aufrechterhalten?<br />

Inwieweit fördert oder behindert das Ausmaß <strong>und</strong> die Form der <strong>Kontrolle</strong> einen<br />

möglichen Widerstand auf Seiten der Arbeiter, oder abhängig Beschäftigten ganz<br />

allgemein?<br />

05.12.2013


Kontrollformen nach Richard Edwards <strong>und</strong> eine<br />

weitere<br />

Elemente der <strong>Kontrolle</strong> des Arbeitsvermögens<br />

Anweisung<br />

Beitrag des Arbeiters! Mechanismus bzw. Methode, durch die der Arbeitgeber (Manager<br />

wird selbst kontrolliert) die Arbeitsaufgaben leitet, indem er definiert, was, in welcher<br />

Reihenfolge, mit welcher Präzision <strong>und</strong> in welcher Zeit getan werden muss.<br />

Scientific Management, Fließband-REFA<br />

Bewertung<br />

Ein Verfahren, mit dessen Hilfe der Arbeitgeber kontrolliert <strong>und</strong> beobachtet, um Fehler<br />

oder andere Mängel in der Produktion zu korrigieren, um die Leistungen seiner<br />

Beschäftigten abzuschätzen <strong>und</strong> um die Arbeiter bzw. Arbeitsgruppen herauszufinden,<br />

die keine angemessenen Leistungen erbringen<br />

Disziplinierung<br />

Eine Einrichtung, mit deren Hilfe der Arbeitgeber die Arbeiter disziplinieren <strong>und</strong><br />

belohnen kann, um Kooperation zu erzielen <strong>und</strong> um die Arbeiter zu zwingen, sich der<br />

Leitung des Arbeitsprozesses durch den Kapitalisten zu unterwerfen<br />

05.12.2013


Kontrollformen nach Richard Edwards <strong>und</strong> zwei<br />

weitere<br />

Einfache bzw. persönliche <strong>Kontrolle</strong> (vgl. Manufakturwesen nach Karl Marx)<br />

findet sich in den frühen kapitalistischen Betriebseinheiten der Manufaktur; kein Kontrollsystem,<br />

sondern Unmittelbarkeit, Willkür, geringe Macht des Arbeiters / der Arbeiterin<br />

Aktuell: Die Spulenwicklerin – <strong>Kontrolle</strong> durch den Meister<br />

Technische <strong>Kontrolle</strong> (vgl. „scientific management“ nach Frederick W. Taylor <strong>und</strong> das Fliessband<br />

nach Henry Ford)<br />

Wissenschaftliche Zergliederung der Produktionsprozesses, Zeit- <strong>und</strong> Bewegungsstudien; one-bestway<br />

für jeden Produktionsschritt <strong>und</strong> für den Arbeitnehmer.<br />

Aktuell: Prüfer in der Qualitätskontrolle eines Automobilkonzerns<br />

Bürokratische <strong>Kontrolle</strong> (vgl. das bürokratische Organisationsmodell nach Max Weber)<br />

Aktuell: Forschungslaborant, F&E-Abteilung<br />

Systemische <strong>Kontrolle</strong> (<strong>Kontrolle</strong> durch Computerisierung; vgl. Martin Baethge)<br />

z.B. Tätigkeit als Bankangestellter<br />

Selbstkontrolle (<strong>Kontrolle</strong> durch Subjektivierung)<br />

05.12.2013


Arbeitsvermögen <strong>und</strong> <strong>Kontrolle</strong><br />

Frederick Winsley Taylor<br />

* 20. März 1856 in Germantown,<br />

Pennsylvania, USA<br />

† 21. März 1915 in Philadelphia<br />

US-amerikanischer Ingenieur <strong>und</strong><br />

Arbeitswissenschaftler<br />

Hauptwerk:<br />

The Principles of Scientific Management,<br />

© 1911 by Frederick W. Taylor<br />

(Auszüge finden sich in:<br />

http://www.eldritchpress.org/fwt/taylor.html)<br />

05.12.2013


Frederick Winsley Taylor: Scientific Management<br />

Gr<strong>und</strong>sätze Taylors<br />

1. Loslösung des Arbeitsprozesses von den Fertigkeiten der Arbeiter:<br />

„Den Betriebsleitern fällt die Aufgabe ... zu, all die überlieferten Kenntnisse zusammenzutragen, die<br />

früher im Besitz der einzelnen Arbeiter waren, sie zu klassifizieren <strong>und</strong> in Tabellen zu bringen <strong>und</strong><br />

diese Kenntnisse zu Regeln, Gesetzen <strong>und</strong> Formeln zu reduzieren.“<br />

2. Trennung von Planung <strong>und</strong> Ausführung:<br />

„Die Werkstatt soll von jeder denkbaren geistigen Arbeit befreit werden. Jegliche solche Arbeit soll in<br />

einem Planungs- <strong>und</strong> Arbeitsbüro vereinigt werden.“<br />

<strong>3.</strong> Systematisierung des Wissens, um jeden Schritt des Arbeitsprozesses <strong>und</strong> seine<br />

Ausführungsweise zu kontrollieren:<br />

„Die zu leistende Arbeit eines jeden Arbeiters ist von der Leitung wenigstens einen Tag vorher aufs<br />

genaueste ausgedacht <strong>und</strong> festgelegt. Der Arbeiter erhält gewöhnlich eine ausführliche schriftliche<br />

Anleitung, die ihm bis ins Detail seine Aufgabe, seine Werkzeuge <strong>und</strong> ihre Handhabung erklärt. ...<br />

Dieses Pensum bestimmt nicht nur, was, sondern auch, wie es getan werden soll, <strong>und</strong> setzt genau<br />

die Zeit fest, die zur Vollbringung der Arbeit gestattet ist.“ (1917: 41)<br />

05.12.2013


Frederick Winsley Taylor: Scientific Management<br />

Zentrale Elemente der tayloristischen Arbeitsorganisation<br />

Systematische Vorausplanung der Arbeit<br />

Trennung von Hand- <strong>und</strong> Kopfarbeit (Planungs- <strong>und</strong> Arbeitsbüro)<br />

Formalisierung von Anweisungs- <strong>und</strong> Kontrollstrukturen<br />

(Akkordlohnsysteme)<br />

Auswahl der geeigneten Arbeiter<br />

05.12.2013


Frederick Winsley Taylor: Scientific Management<br />

<strong>Kontrolle</strong> gegen Widerstand?<br />

Oder: Win-Win-Situation?<br />

05.12.2013


Organisationssoziologische Bezüge<br />

Organisationsverständnis von Max Weber <strong>und</strong> Frederick W. Talyor<br />

Max Weber: Bürokratische Organisation<br />

Ziel: Durchführung <strong>und</strong> Erhaltung von legaler Herrschaft<br />

Struktur: klare Positionen, Über- <strong>und</strong> Unterordnung, Kompetenzen,<br />

Aufstiegsregeln, Rechte <strong>und</strong> Pflichten gelten auch für den Vorgesetzten,<br />

Berufsbeamtentum, Betriebsmittel entpersonalisiert<br />

Mitgliedschaftsregeln: Voraussetzung für Beamtenstatus<br />

Frederick W. Taylor: Wirtschaftliche Organisation<br />

Ziel: Effizienz, Gewinnmaximierung<br />

Struktur: Systematik, Trennung von Kopf <strong>und</strong> Handarbeit, Formalisierung<br />

Mitgliedschaftsregeln: geeignete Mitarbeiter<br />

05.12.2013


Organisationssoziologische Bezüge<br />

Organisationsverständnis von Max Weber <strong>und</strong> Frederick W. Talyor<br />

Gemeinsamkeiten:<br />

Best Practice<br />

Rationalität<br />

Geschlossenheit<br />

Strukturkonvergenz<br />

05.12.2013

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