Sonderdruck (PDF) - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohren ...
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Abb. 3 9 Bei der Darstellung<br />
der Pathophysiologie<br />
wird oft übersehen,<br />
dass eine Bogengangsdehiszenz<br />
in vivo mit Dura <strong>und</strong><br />
Gehirn überdeckt ist.<br />
Durch diesen natürlichen<br />
„Patch“ einer Dehiszenz<br />
sollte es zu<br />
keinem Verlust von<br />
Schallenergie mehr<br />
kommen, wie experimentelle<br />
Studien bestätigen<br />
gen. Auch über die Bef<strong>und</strong>e der klassischen<br />
kalorischen Vestibularisdiagnostik<br />
bei SSCD-Patienten finden sich kaum verlässliche<br />
Daten in der Literatur. Als vestibuläre<br />
Effekte einer SSCD werden vor allem<br />
Unsicherheitsgefühle mit Schwankschwindel<br />
[1, 2, 11], <strong>und</strong>/oder lärm- oder<br />
druckinduzierter Schwindel (inklusive<br />
Tullio-Phänomen, Hennebert-Fistelsymptom),<br />
aber auch Oszillopsien nach<br />
Schalleinwirkung genannt [2, 12, 13, 23].<br />
Im Fall des Hennebert-Fistelsyndroms<br />
wird postuliert, dass bei einer Druckerhöhung<br />
im Gehörgang über Trommelfell<br />
<strong>und</strong> Ossikelkette der Druck im Innenohr<br />
ansteigt <strong>und</strong> durch die Fistel nach oben<br />
ausweichend die Innenohrflüssigkeit ausbeulend<br />
verschiebt <strong>und</strong> dadurch zu einer<br />
Kupulaablenkung führt [1]. Allerdings ist<br />
diese Vorstellung nicht mit der Funktionsweise<br />
des Mittelohrs in Einklang zu bringen.<br />
Denn bei der ges<strong>und</strong>en Gehörknöchelchenkette<br />
fängt die typische Gleitbewegung<br />
der Ossikelgelenke die Druckänderungen<br />
im Gehörgang auf, sodass der<br />
Steigbügel – <strong>und</strong> damit das Innenohr –<br />
fast vollständig von den atmosphärisch<br />
bedingten Druckschwankungen abgekoppelt<br />
ist [35]. Wenn zudem über der knöchernen<br />
Fistel die feste Dura mit ihrer Liquor-Hirn-Masse<br />
liegt, sind durch Druckänderung<br />
im Gehörgang hervorgerufene<br />
signifikante kupulaerregende Volumenschwankungen<br />
schwer vorstellbar. Klassischerweise<br />
wird das Hennebert-Zeichen<br />
(Schwindel <strong>und</strong> Nystagmus während<br />
einer Druckausübung auf den äußeren<br />
Gehörgang) als typisches Zeichen eines<br />
Innenohrhydrops (M. Menière, Syphilis)<br />
gedeutet. Pathomechanisch wird hierbei<br />
eine durch den Innenohrhydrops verursachte<br />
Ausdehnung der Otolithenorgane<br />
nach lateral angenommen, wodurch der<br />
Utrikulus/Sakkulus direkt der Stapesfußplatte<br />
anliegt <strong>und</strong> bei Bewegungen derselben<br />
stimuliert wird [36]. Mit einer derartigen<br />
pathomechanischen Vorstellung<br />
ist auch die Auslösung von VEMP gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
vereinbar.<br />
Allerdings wird in den bisherigen Publikationen,<br />
die das Hennebert-Zeichen<br />
mit einer SSCD in Verbindung bringen,<br />
auf die genannten klassischen Differenzialdiagnosen<br />
nicht eingegangen, <strong>und</strong><br />
auch die Assoziation zwischen vermutetem<br />
SSCD <strong>und</strong> der Reizung von Sakkulus/Utrikulus<br />
wird nicht schlüssig diskutiert.<br />
Gleiches gilt <strong>für</strong> die Differenzialdiagnostik,<br />
die beim Tullio-Phänomen diskutiert<br />
werden müsste, wo es ebenfalls zu<br />
einer Utrikulus-Sakkulus-Stimulation bei<br />
großen akustischen Vibrationsamplituden<br />
(1–10 μm) eines evtl. hypermobilen Steigbügels<br />
kommen kann.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen,<br />
dass die aktuell verfügbare Literatur einen<br />
Zusammenhang zwischen Hennebert-<br />
Fistelsymptom <strong>und</strong> Tullio-Phänomen auf<br />
der einen <strong>und</strong> SSCD auf der anderen Seite<br />
lediglich beschreibt, diesen jedoch nicht<br />
schlüssig erklären kann. Es bleibt also unklar,<br />
wie diese Symptome, die klassischerweise<br />
durch einen Innenohrhydrops bzw.<br />
einen hypermobilen Steigbügel ausgelöst<br />
werden, nun durch eine SSCD verursacht<br />
werden sollen.<br />
Bedacht werden sollte zudem, dass<br />
bei vielen Schwindelpatienten eine deutliche<br />
psychische Begleitkomponente besteht<br />
[37], die auch bei einigen SSCD-Patienten<br />
eine Erklärung <strong>für</strong> die Besserung<br />
ihrer unspezifischen Beschwerden nach<br />
einem operativen Eingriff sein könnte,<br />
analog zum Placeboeffekt, den eine einfache<br />
Mastoidektomie bei Menière-Patienten<br />
haben kann [38].<br />
» Bei vielen Schwindelpatienten<br />
besteht eine deutliche psychische<br />
Begleitkomponente<br />
Diese Einflüsse sollten bei den vielen klinischen<br />
Fallserien bedacht werden, die<br />
von einer deutlichen Besserung bzw.<br />
einem völligen Sistieren von vestibulären<br />
Symptomen nach chirurgischer Therapie<br />
eines SSCD berichten [3, 17, 20, 28]. Prinzipieller<br />
Nachteil dieser Studien ist, dass<br />
sie keine objektiven Bef<strong>und</strong>e als Endpunkte<br />
untersuchen, sondern unspezifische,<br />
subjektive vestibuläre Symptome, zu<br />
denen auch Beschwerden wie Kopfdruck,<br />
Völlegefühl im Ohr, Autophonie usw. gehören<br />
[3].<br />
Therapie<br />
Die Entscheidung, ob ein Patient mit<br />
einer vermuteten SSCD einer Therapie<br />
zugeführt werden sollte, ist in Abhängigkeit<br />
von der Symptomstärke <strong>und</strong><br />
dem Allgemeinzustand des Patienten zu<br />
treffen. In vielen Fällen ist eine Therapie<br />
nicht notwendig bzw. kann rein symptomatisch<br />
erfolgen [9, 39]. Als chirurgische<br />
Therapie sind mehrere teils sehr unterschiedliche<br />
Techniken beschrieben worden.<br />
Während sich die Einlage von Paukendrainagen<br />
wiederholt als nicht wirksam<br />
erwies [3, 28], beschreiben mehrere<br />
Fallserien die Effektivität einer einfachen<br />
Abdeckung (Resurfacing/Sealing) oder<br />
eines Ausstopfens (Obliteration/Plugging/<br />
HNO 9 · 2013 |<br />
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