W:\RSG\40 Jahre\rsg-1-290609.eps - RSG Koblenz
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Aus der Bahn geworfen …<br />
Erfülltes Leben trotz Rollstuhl?<br />
Zunächst gratuliere ich der <strong>RSG</strong> <strong>Koblenz</strong><br />
herzlich zu ihrem 40. Geburtstag. Ich bin<br />
seit 1993 durch einen Verkehrsunfall<br />
relativ hoch querschnittgelähmt. Nach<br />
neun Monaten Erstrehabilitation im<br />
<strong>Koblenz</strong>er Stift lernte ich 1994 bei der 25-<br />
Jahr-Feier der <strong>RSG</strong> viele Rollstuhlsportler<br />
kennen, die in den verschiedensten<br />
Sportarten tolle Leistungen zeigten. Ihr<br />
Lebenswille und der Umgang mit ihren<br />
Schicksalen begeisterten mich. Ich<br />
schöpfte zum ersten Mal nach meinem<br />
Unfall neuen Lebensmut. In den folgenden<br />
Jahren erlebte ich viele Höhen und Tiefen.<br />
Der Sport und die Freundschaften unter<br />
den <strong>RSG</strong>-Sportlern waren für mich jedoch<br />
immer wichtige Konstanten. Und das bis<br />
heute.<br />
Ich kann nur jeden Rollstuhlfahrer unserer<br />
Region dazu ermutigen, Kontakte zur <strong>RSG</strong><br />
<strong>Koblenz</strong> zu knüpfen, sie zu pflegen und<br />
sich für diesen Verein zu engagieren.<br />
Hiermit danke ich in besonderer Weise<br />
den vielen Funktionsträgern des Vereins,<br />
allen voran dem Vorstand. Ohne Euer<br />
Engagement wäre die gute Sache „<strong>RSG</strong><br />
<strong>Koblenz</strong>„ nicht möglich.<br />
Doch jetzt zu der von mir aufgeworfenen<br />
Frage: Kann ein Leben im Rollstuhl erfüllt<br />
sein? Es mag vielleicht verwundern, aber<br />
selbst als langjähriger Rollstuhlfahrer kann<br />
ich diese Frage noch nicht eindeutig<br />
beantworten. Zumindest nicht mit solch<br />
großer Klarheit, als dass ich mit voller<br />
Inbrunst sagen könnte, dass ein Leben im<br />
Rollstuhl doch als eine Herausforderung<br />
zu sehen ist. Für eine derartige<br />
Überzeugung haben mich sehr unterschiedliche<br />
Erfahrungen und Begegnungen<br />
in den letzten sechzehn Jahre zu<br />
stark geprägt. Ich habe Menschen getroffen,<br />
die mit ihrer Behinderung in einer<br />
bewundernswerten, optimistischen Weise<br />
leben. Ich bin aber auch sehr vielen<br />
Behinderten begegnet, die mit ihrem<br />
Schicksal nicht zu Recht kommen, weil sie<br />
aus den verschiedensten, aber immer<br />
auch nachvollziehbaren Gründen nicht in<br />
der Lage sind, ihrem Schicksal etwas<br />
Positives oder Sinnvolles abgewinnen zu<br />
können. Auch ich persönlich habe<br />
einerseits Situationen erlebt, in denen ich<br />
mir sicher war, dass ein erfülltes Leben im<br />
Rollstuhl möglich ist, ein Leben also, das<br />
Freude und Sinn macht.<br />
So war ich beim Zieleinlauf meines ersten<br />
Rollstuhlmarathons 1995 felsenfest davon<br />
überzeugt, dass ich meinen Weg als<br />
Rollstuhlfahrer gefunden hatte. Die<br />
körperlichen und seelischen Strapazen,<br />
die ich nach meinem Unfall auf mich<br />
nehmen musste, schienen sich gelohnt zu<br />
haben. Andererseits habe ich in den<br />
letzten Jahren aber auch viele schwierige<br />
Situationen erlebt. Oft schien mir die Vorstellung<br />
von einem erfüllten Leben im<br />
Rollstuhl in weite Ferne gerückt. Ich<br />
empfand es als große selbstbetrügerische<br />
Naivität, wenn Behinderte ihr Schicksal als<br />
Herausforderungen begriffen.<br />
Meine Antwort auf die Frage, ob ein<br />
Leben im Rollstuhl erfüllt sein kann, wird<br />
also etwas verhaltener und differenzierter<br />
ausfallen. Sie wird auch nicht beweiskräftig,<br />
sondern vielmehr von Vermutungen<br />
und Hoffnungen durchzogen sein.<br />
Ich kann und möchte auch nicht philosophisch<br />
argumentieren, sondern ich<br />
nähere mich der Frage mittels zweier<br />
unterschiedlicher Autobiographien, die<br />
meine Suche nach einer Identität als<br />
behinderte Person geprägt haben.