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Vorwort und Zusammenfassung - Klaus-Heinrich-Standke.de

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“EU UND NATO-OSTERWEITERUNG<br />

POLITISCHE, WIRTSCHAFTLICHE UND GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KONSEQUENZEN<br />

FÜR DEUTSCHLAND, POLEN UND TSCHECHIEN”<br />

KLAUS-HEINRICH STANDKE (HRSG.)<br />

BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG<br />

UND INTERNATIONALE AKADEMIE SCHLOß BARUTH<br />

INTERNATIONALES SYMPOSIUM<br />

POTSDAM. 16-18 APRIL 1998<br />

DOKUMENTATION, BERLIN, 1998<br />

<strong>Vorwort</strong>: <strong>Klaus</strong>-<strong>Heinrich</strong> <strong>Standke</strong><br />

• Grußworte:<br />

- Manfred Stolpe, Ministerpräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Bran<strong>de</strong>nburg<br />

- Arved Kendler, B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung<br />

- Antje von Meer in Vertretung <strong>de</strong>s Hausherrn <strong>de</strong>r Villa Kampfmeyer,<br />

<strong>Klaus</strong> Groth, Groth + Graalfs GmbH<br />

• Eröffnungsansprache <strong>und</strong> Einführung: <strong>Klaus</strong>-<strong>Heinrich</strong> <strong>Standke</strong><br />

I.) Die politische Dimension<br />

Einführungsreferat: Christoph Fhr. von Marschall, Der Tagesspiegel<br />

- Statement: Boris Lazar, Gesandter, Botschaft <strong>de</strong>r Tschechischen<br />

Republik<br />

- Statement: Jerzy Marganski, Gesandter, Botschaft <strong>de</strong>r Republik<br />

Polen<br />

- Statement: Albrecht Conze, Legationsrat, Auswärtiges Amt<br />

II.) Die sicherheitspolitische Dimension<br />

Einführungsreferat: Wolfgang Harms, ehem. Mitglied <strong>de</strong>s<br />

Geschäftsführen<strong>de</strong>n Präsidiums, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige<br />

Politik (DGAP)<br />

- Statement: Werner von Scheven, General a.D., Geltow/Potsdam<br />

1


- Statement: Holm Eggers, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgruppe<br />

Nie<strong>de</strong>rsachsen <strong>und</strong> Regionalbeauftragter für die Republik Polen <strong>de</strong>s<br />

Verban<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Reservisten <strong>de</strong>r Deutschen B<strong>und</strong>eswehr, Hannover<br />

Gastredner: Hans-Peter von Kirchbach, Generalleutnant,<br />

Kommandieren<strong>de</strong>r General, IV. Korps, Potsdam<br />

III.) Die wirtschaftliche Dimension<br />

Einführungsreferat: Manfred Busche, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsführung, Messe Berlin GmbH, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Ost- <strong>und</strong><br />

Mitteleuropa-Vereins, Hamburg<br />

- Statement: Václáv Lavicka, Leiter <strong>de</strong>r Wirtschaftsredaktion,<br />

DNES Mlada Fronta, Prag: „Die Erwartungshaltung <strong>de</strong>r<br />

tschechischen Wirtschaft“<br />

- Statement: Winfried A. Häusle, Ministerialrat, B<strong>und</strong>esministerium <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaft, Bonn/Berlin: „Die Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland, Polen <strong>und</strong><br />

Tschechien“<br />

- Statement: <strong>Heinrich</strong> Machowski, Kooperationsbüro Osteuropa-<br />

Forschung im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin:<br />

„Das Abenteuer EU-Osterweiterung nach Amsterdam <strong>und</strong><br />

Luxemburg“<br />

- Statement: Wolfgang Schaaf, Geschäftsführer <strong>de</strong>r Treuhand<br />

Osteuropa Beratungsgesellschaft mbH, Berlin:<br />

„Vergleich <strong>de</strong>r Privatisierungskonzepte in Ost<strong>de</strong>utschland, Polen<br />

<strong>und</strong> Tschechien“<br />

IV.) Erfahrungen aus <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Zusammenarbeit<br />

Einführungsreferat: Jürgen Kloß, Oberbürgermeister <strong>de</strong>r Stadt Zittau:<br />

„Grenznahe Erfahrungen auf kommunaler Ebene im Dreieck<br />

Deutschland-Polen-Tschechien“<br />

- Statement: Helmut Moelle, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r, Euroregion Spree-<br />

Neiße- Bober e.V., Guben: „Erfahrungen bei <strong>de</strong>r Lösung von<br />

Problemen beim grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Verkehr zwischen<br />

Deutschland-Polen-Tschechien“<br />

- Statement: Reinhold Klein, Vorstand, Deutsch-Polnische<br />

Wirtschaftsför<strong>de</strong>rungsgesellschaft AG., Gorzow: „Grenznahe<br />

Dauerhafte wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vorfeld <strong>de</strong>s EU-<br />

Beitritts Polens“<br />

2


V.) Die gesellschaftspolitische <strong>und</strong> kulturelle Dimension<br />

Einführungsreferat: Gabriele Muschter, Staatssekretärin a.D., Vorsitzen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Stiftungsrates <strong>de</strong>r Kulturstiftung Haus Europa<br />

- Statement: Dietger Pforte, Freie Universität Berlin, Geschäftsführer,<br />

Kulturfonds GmbH: „Gemeinsame Kultur <strong>und</strong> Kulturpolitik in Polen,<br />

Tschechien <strong>und</strong> Deutschland“<br />

- Statement: Berthold Ettrich, Direktor, Fürst-Pückler-Museum, Cottbus:<br />

„Überlegungen zur Erhaltung <strong>und</strong> Zusammenführung eines<br />

europäischen Gartenkunstwerkes in einer historisch bestimmten<br />

Kulturlandschaft“<br />

VI.) ‚Sensible’ Themen bei <strong>de</strong>r NATO- <strong>und</strong> EU-Erweiterung: Hoffnungen<br />

<strong>und</strong> Ängste“<br />

Einführungsreferat: Hanns-Dieter Jacobsen, Studienforum Berlin<br />

<strong>und</strong> Freie Universität Berlin<br />

- Statement: Ludmilla Rakusanova, Radio Free Europe, Mitglied <strong>de</strong>s<br />

Deutsch-Tschechischen Diskussionsforums, Prag<br />

- Statement: Rolf Seutermann, Vizepräsi<strong>de</strong>nt, Lan<strong>de</strong>sarbeitsamt<br />

Berlin<br />

- Statement: Wolf Burkhard Wenkel, Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>r<br />

Fachgemeinschaft Bau Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg e.V., Berlin<br />

VI.) Die Agenda 2000 <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

Einführungsreferat: Eckart D. Stratenschulte, Leiter, Europäische<br />

Aka<strong>de</strong>mie, Berlin<br />

- Statement: Bernd Kunzmann, Leiter, Außenstelle Berlin <strong>de</strong>s<br />

Europäischen Parlaments<br />

- Statement: Pavel Cernoch, Vertretung <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Kommission, Prag<br />

- Statement: Orloff Zimmermann, Vorsitzen<strong>de</strong>r, Europa-Union,<br />

Düsseldorf<br />

VII.) Ausblick<br />

Einführung: : Christoph Fhr. von Marschall, Der Tagesspiegel<br />

- Statement: Frantisek Cerný, Botschafter <strong>de</strong>r Tschechischen<br />

Republik in Deutschland<br />

- Statement: Jerzy Holzer, Direktor, Institut für politische<br />

Wissenschaften, Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Wissenschaften, Warschau<br />

3


VIII.) <strong>Zusammenfassung</strong> <strong>de</strong>r Tagungsergebnisse: <strong>Klaus</strong>-<strong>Heinrich</strong> <strong>Standke</strong><br />

*************************************************************************************************<br />

*<br />

VORWORT<br />

KLAUS-HEINRICH STANDKE<br />

Genau zwei Wochen vor <strong>de</strong>r Eröffnung dieses Symposiums, am 31. März 1998,<br />

haben die offiziellen Beitrittsverhandlungen mit <strong>de</strong>r ersten R<strong>und</strong>e von<br />

Beitrittskandidaten aus <strong>de</strong>n Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa (Polen, Tschechien, Ungarn,<br />

Slowenien, Estland) sowie Zypern auf Empfehlung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />

begonnen.<br />

Die hier vorgelegte Dokumentation eines gemeinsam von <strong>de</strong>r Außenstelle Berlin <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Internationalen Aka<strong>de</strong>mie Schloß<br />

Baruth durchgeführten Symposiums befaßt sich mit allen Facetten sowohl <strong>de</strong>r EU-<br />

Osterweitung als auch <strong>de</strong>r NATO-Osterweiterung am Beispiel dreier Län<strong>de</strong>r,welche<br />

gemeinsame Grenzen <strong>und</strong> eine oft leidvolle gemeinsame Geschichte verbin<strong>de</strong>t:<br />

Deutschland, Polen <strong>und</strong> Tschechien.<br />

Mitte Mai 1998 wur<strong>de</strong> - wie<strong>de</strong>rum in <strong>de</strong>m schönen Rahmen <strong>de</strong>r Villa Kampffmeyer<br />

<strong>und</strong> wie<strong>de</strong>rum in Kooperation mit <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>eszentrale - zusammen mit <strong>de</strong>m Komitee<br />

zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Deutsch-Französischen Fre<strong>und</strong>schaftsvertrages e.V., ein an<strong>de</strong>res<br />

‚Dreiecksverhältnis' behan<strong>de</strong>lt, nämlich das sog. ‚Weimarer Dreieck'.<br />

Es ist uns wichtig, daß die B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung ausdrücklich diese<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Diskussionen zur Vorbereitung auf das neue größere Europa<br />

unterstützt. Die <strong>de</strong>utsche Bevölkerung ist genau so wie die Bevölkerungen <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren beteiligten Län<strong>de</strong>r zunehmend überfor<strong>de</strong>rt mit <strong>de</strong>m vielen Neuen, das auf<br />

sie einstürmt:<br />

Die Wie<strong>de</strong>rvereinigung Deutschlands ist auch nach fast acht Jahren we<strong>de</strong>r<br />

psychologisch, ‚mental' wie man heute sagt, noch sozial o<strong>de</strong>r wirtschaftlich<br />

‚verkraftet'. Als Beitrag zur ‚Europawoche 1998' haben wir daher am 8. Mai 1998 im<br />

Jean-Monnet-Haus in Berlin ein Kolloquium veranstaltet mit <strong>de</strong>m Titel "Politische,<br />

wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Erfahrungen aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />

Vereinigungsprozeß für die Integration Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas in die Europäische<br />

Union". Es ist dies ein Thema, welches einen <strong>de</strong>r Schwerpunkte unserer künftigen<br />

Arbeit bil<strong>de</strong>n soll.<br />

Die Entscheidung über die Einführung <strong>de</strong>s ‚Euro' ist im wesentlichen gefallen <strong>und</strong><br />

trifft auf eine wachsen<strong>de</strong> Akzeptanz in <strong>de</strong>r Bevölkerungen. Einerseits wird sie zu<br />

einer noch schnelleren Wirtschaftsverflechtung <strong>de</strong>r beteiligten Län<strong>de</strong>r führen;<br />

an<strong>de</strong>rerseits ist nicht zu verhehlen, daß die Einführung <strong>de</strong>s ‚Euro' mit <strong>de</strong>m fast<br />

zeitgleich einsetzen<strong>de</strong>n Prozeß <strong>de</strong>r EU-Osterweiterung als Ergebnis die Gefahr zu<br />

einer neuen Stückelung Europas in sich birgt <strong>und</strong> zwar zu einer ‚Vierteilung':<br />

4


1. Diejenigen 11 <strong>de</strong>r gegenwärtigen EU-15, die die Euro-Kriterien erfüllen (wer<strong>de</strong>n<br />

sie das ‚Kern-Europa' bil<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>m seinerzeit das ‚Schäuble-Lamers'-Papier<br />

sprach?),<br />

2. Diejenigen 4 <strong>de</strong>r gegenwärtigen EU-15, die - wie Großbritannien <strong>und</strong> Schwe<strong>de</strong>n -<br />

zumin<strong>de</strong>st einstweilen <strong>de</strong>r Euro-Einführung abwartend gegenüberstehen <strong>und</strong> die<br />

an<strong>de</strong>ren, die die Euro-Kriterien einstweilen noch nicht erfüllen,<br />

3. Diejenigen 5 MOE-Län<strong>de</strong>r, die bei <strong>de</strong>r ersten Osterweiterungsr<strong>und</strong>e dabei sind,<br />

aus <strong>de</strong>r die EU-20 hervorgehen wird,<br />

4. Diejenigen 5 ebenfalls beitrittswilligen Län<strong>de</strong>r im Osten <strong>und</strong> im Südosten Europas,<br />

die sukzessiv an die Europäische Union herangeführt wer<strong>de</strong>n sollen -einige von<br />

ihnen möglicherweise, wie manche hoffen, auf einer ‚Überholspur'.<br />

Von einer weiteren Kategorie europäischer Nicht-Euro-Län<strong>de</strong>r, zu <strong>de</strong>r so<br />

unterschiedliche Volkswirtschaften wie die Schweiz, Norwegen, die Türkei, einige <strong>de</strong>r<br />

Nachfolgelän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ehemaligen Sozialistischen B<strong>und</strong>esrepublik Jugoslawien o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r europäischen GUS-Län<strong>de</strong>r ist hier erst gar nicht zu sprechen.<br />

Auch die Osterweiterung <strong>de</strong>r NATO, die manchen <strong>de</strong>r betroffenen Län<strong>de</strong>r offenbar<br />

noch wichtiger als die EU- Osterweiterung erscheint, hat noch nicht vorhersehbare<br />

Konsequenzen für die Schaffung einer europäischen I<strong>de</strong>ntität. Wie <strong>de</strong>nken die einen,<br />

wie Tschechien <strong>und</strong> Ungarn, <strong>de</strong>ren Parlamente <strong>de</strong>m nun möglich gewor<strong>de</strong>nen<br />

NATO-Beitritt zustimmen <strong>und</strong> wie <strong>de</strong>nken die an<strong>de</strong>ren, <strong>de</strong>ren NATO- Beitritt in naher<br />

o<strong>de</strong>r ferner Zukunft angestrebt wird? Schließlich, wie betrachtet Rußland diesen<br />

Prozeß? Es war nützlich, daß <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r politischen Abteilung <strong>de</strong>r Russischen<br />

Botschaft in Berlin, Herr Nikolai Platoschkin, in <strong>de</strong>r Diskussion dieses Themas sich<br />

wortgewaltig geäußert hat.<br />

Europa wird also weiterhin viele Gesichter haben <strong>und</strong> sich in sehr unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten bewegen. Auch dies sind Aspekte, die für unsere Dreierkonferenz<br />

von Relevanz waren, ohne daß sie ausdrücklich auf <strong>de</strong>r Tagesordnung stehen.<br />

Die vorgestellte Dokumentation folgt <strong>de</strong>m inhaltlichen Ablauf <strong>de</strong>s Symposiums:<br />

In Form von 9 Bausteinen bzw. 9 Programm-Modulen, die mosaikartig<br />

zusammengesetzt wur<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Versuch unternommen wor<strong>de</strong>n, das<br />

Rahmenthema <strong>de</strong>s Symposiums flächen<strong>de</strong>ckend zu behan<strong>de</strong>ln. Je<strong>de</strong>r Programmteil<br />

hatte seinen eigenen Mo<strong>de</strong>rator, <strong>de</strong>r nach einer kurzen Einführung mit <strong>de</strong>n<br />

Mitwirken<strong>de</strong>n in seinem ‚Panel' wichtige Einzelaspekte <strong>de</strong>s behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Rahmenthemas vertieft hat.<br />

Die Dokumentation beginnt mit <strong>de</strong>m Aufzeigen <strong>de</strong>r politischen Rahmenbedingungen<br />

<strong>de</strong>r EU- NATO- Osterweiterung aus polnischer, aus tschechischer <strong>und</strong> aus<br />

<strong>de</strong>utscher Sicht. Die Gesprächsleitung dieses ersten Teils- wie auch <strong>de</strong>s letzten<br />

Programmteils- hat fre<strong>und</strong>licherweise sozusagen als‚Alpha' <strong>und</strong> als ‚Omega'<br />

Christoph von Marschall vom ‚Tagesspiegel' übernommen.<br />

Im Teil II. geht es um die sicherheitspolitische Dimension, für <strong>de</strong>ren Gesprächsleitung<br />

Prof. Dr. Wolfgang Harms verantwortlich zeichnet. Während dieses Gesprächsteils<br />

war bereits als Ehrengast General Hans-Peter von Kirchbach anwesend, <strong>de</strong>r in<br />

seinem faszinieren<strong>de</strong>n ‚After Dinner-Speech' auch einige Aspekte dieser<br />

sicherheitspolitischen Gesprächsr<strong>und</strong>e aufgenommen hat.<br />

Teil III behan<strong>de</strong>lt nach einem einführen<strong>de</strong>m Referat von Prof. Manfred Busche die<br />

wirtschaftliche Dimension, die einen zentralen Platz eingenommen hat.<br />

Im Teil IV. ging es um Erfahrungen aus <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Zusammenarbeit<br />

zwischen Deutschland einerseits <strong>und</strong> Polen <strong>und</strong> Tschechien an<strong>de</strong>rerseits. Ich bin<br />

5


dankbar, daß <strong>de</strong>r Oberbürgermeister von Zittau, Herr Jürgen Kloß, <strong>de</strong>r fast in<br />

Fahrradreichweite das Län<strong>de</strong>rdreieck Polen-mittelbaren Augenzeugenbericht zu<br />

unserem Konferenzthema liefern konnte, die Gesprächsleitung übernommen hat.<br />

Im Teil V. wur<strong>de</strong> unter Gesprächsleitung von Frau Gabriele Muschter,<br />

Geschäftsführerin <strong>de</strong>r "KulturBrauerei" auf die wichtige <strong>und</strong> oft nicht ausreichend<br />

gewürdigte gesellschaftspolitische <strong>und</strong> kulturelle Dimension eingegangen, <strong>de</strong>ren<br />

Be<strong>de</strong>utung auch Herr Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Manfred Stolpe in seinem Grußwort an uns<br />

beson<strong>de</strong>rs betont hat.<br />

Schließlich führte uns Teil VI. zu <strong>de</strong>n ‚sensiblen Themen', zu <strong>de</strong>n Hoffnungen <strong>und</strong><br />

Ängsten, die die Bevölkerung nicht nur in <strong>de</strong>n drei beteiligten Län<strong>de</strong>rn hegen. Dieser<br />

Konferenzteil ist im Gr<strong>und</strong>e sozusagen <strong>de</strong>r ‚rote Fa<strong>de</strong>n', <strong>de</strong>r sich - ausgesprochen<br />

o<strong>de</strong>r nicht ausgesprochen- durch die an<strong>de</strong>ren Programmteile zieht.<br />

Im Teil VII. wur<strong>de</strong> durch die Gesprächsleitung von Dr. Eckart Stratenschulte, Leiter<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Aka<strong>de</strong>mie im Grunewald, die ‚Agenda 2000' <strong>de</strong>r EU dargestellt, die<br />

in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit lei<strong>de</strong>r fast ausschließlich mit <strong>de</strong>m Agrarsektor i<strong>de</strong>ntifiziert wird.<br />

Im Teil VIII, wie<strong>de</strong>rum geleitet von Christoph von Marschall, wur<strong>de</strong> eine Art von<br />

"Ausblick" hergestellt, <strong>de</strong>r Visionen aufzeigte, wohin die Reise gehen könnte. Wir<br />

sind dankbar, daß <strong>de</strong>r neue Botschafter <strong>de</strong>r Tschechischen Republik in <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Frantisek Cerny, seine erste offizielle Dienstreise dazu<br />

verwandt hat, um bei <strong>de</strong>r Schlußsitzung <strong>de</strong>s Symposiums bei uns zu sein. Prof.<br />

Jerzy Holzer, ebenfalls wie Botschafter Cerny eines unserer Gründungsmitglie<strong>de</strong>r,<br />

hat aus polnischer Sicht einen Ausblick auf <strong>de</strong>n weiteren Gang <strong>de</strong>r Dinge gegeben.<br />

Im Teil IX. habe ich versucht, die Vielzahl von Eindrücken <strong>und</strong> Anregungen, die<br />

dieses Symposium vermittelt hat, in einer Reihe von zusammenfassen<strong>de</strong>n<br />

Schlußbemerkungen wie<strong>de</strong>rzugeben.<br />

Gedankt sei hier <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>eszentrale für politische Bildung, Außenstelle Berlin, nicht<br />

nur für ihre finanzielle Unterstützung, ohne die dies Symposium nicht stattgef<strong>und</strong>en<br />

hätte, son<strong>de</strong>rn auch für eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit.<br />

Herrn <strong>Klaus</strong> Groth vom Hause Groth + Graalfs gebührt unser beson<strong>de</strong>rer Dank dafür,<br />

daß er uns als Tagungsgebäu<strong>de</strong> die für diesen Zweck durch ihren Clubhauscharakter<br />

beson<strong>de</strong>rs geeignete Villa Kampffmeyer zur Verfügung gestellt hat.<br />

Die Qualität <strong>de</strong>r Tagungsleiter <strong>und</strong> Referenten hat die Veranstaltung in <strong>de</strong>r Meinung<br />

<strong>de</strong>r Tagungsteilnehmer zu einem beson<strong>de</strong>ren Erfolg wer<strong>de</strong>n lassen.<br />

Herr Matthias R. Grether hat sich <strong>de</strong>r mühsamen Aufgabe unterzogen, die Texte <strong>de</strong>r<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Dokumentation aufzubereiten. Dafür sei ihm an dieser Stelle<br />

ausdrücklich gedankt.<br />

Berlin, im Oktober 1998<br />

<strong>Klaus</strong>-<strong>Heinrich</strong> <strong>Standke</strong><br />

*********************************************<br />

6


IX.<br />

ZUSAMMENFASSUNG DER TAGUNGSERGEBNISSE<br />

KLAUS-HEINRICH STANDKE<br />

EINFÜHRUNG<br />

Bei <strong>de</strong>r Eröffnungssitzung habe ich schon darauf hingewiesen, dass im Mittelpunkt<br />

<strong>de</strong>r Überlegungen - trotz vieler Gemeinsamkeiten <strong>de</strong>r zu behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Themen<br />

zwischen allen EU-Staaten <strong>und</strong> allen beitrittwilligen MOE-Staaten - die politischen,<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> gesellschaftspolitischen Konsequenzen <strong>de</strong>r EU- <strong>und</strong> NATO-<br />

Osterweiterung von drei ausgewählten Län<strong>de</strong>rn stün<strong>de</strong>n, nämlich von Deutschland,<br />

Polen <strong>und</strong> Tschechien. Entschei<strong>de</strong>nd für diese Auswahl war <strong>de</strong>r Umstand, daß Polen<br />

<strong>und</strong> Tschechien als einzige <strong>de</strong>r beitrittswilligen MOE-Staaten eine gemeinsame<br />

Grenze mit Deutschland haben <strong>und</strong> überdies durch vielfältige historische oft leidvolle<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Grenzverschiebungen mannigfacher Art im Lauf <strong>de</strong>r Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

auf ganz beson<strong>de</strong>re Weise miteinan<strong>de</strong>r verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Des weiteren wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Einführung betont, dass die ‚unsichtbare Agenda'<br />

sozusagen als Leitmotiv in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r zu behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n acht<br />

Tagesordnungsbausteine die im Tagesordnungspunkt VI geson<strong>de</strong>rt herausgestellten<br />

‚Sensiblen Themen bei <strong>de</strong>r NATO- <strong>und</strong> EU-Erweiterung' seien <strong>und</strong> die von diesem<br />

schicksalhaften Prozeß ausgelösten Hoffnungen <strong>und</strong> Ängste bei <strong>de</strong>n direkt <strong>und</strong> auch<br />

bei <strong>de</strong>n indirekt Beteiligten.<br />

I. Die politische Dimension<br />

Die an <strong>de</strong>r Behandlung dieses Themas beteiligten Diplomaten aus Deutschland,<br />

Polen <strong>und</strong> Tschechien stellten zu Anfang die Sinnfrage <strong>de</strong>r ihnen vorgegebenen<br />

Themenstellung, <strong>de</strong>nn schließlich "Alles ist Politik". Dies ist neben <strong>de</strong>r omnipräsenten<br />

‚Sensibilität' <strong>de</strong>r zweite ‚rote Fa<strong>de</strong>n', <strong>de</strong>r sich durch alle Tagungsordnungspunkte<br />

zieht.<br />

Während Christoph von Marschall als Gesprächsleiter die Eingangsfrage stellte:<br />

"Wer verän<strong>de</strong>rt sich im Prozeß <strong>de</strong>r EU- <strong>und</strong> NATO-Osterweiterung?" <strong>und</strong> die Antwort<br />

gab: "Bei<strong>de</strong> Partner müssen sich anpassen", meinte <strong>de</strong>r tschechische Gesandte,<br />

Boris Lazar, zwar habe es am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalten Krieges im Jahre 1989 auf keiner<br />

Seite Verlierer gegeben, son<strong>de</strong>rn nur Sieger; <strong>de</strong>nnoch müsse er feststellen, daß es<br />

bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wie<strong>de</strong>rvereinigung keine Synthese von West<strong>de</strong>utschland <strong>und</strong><br />

Ost<strong>de</strong>utschland gegeben habe, son<strong>de</strong>rn in Ost<strong>de</strong>utschland seien die westlichen<br />

Werte übernommen wor<strong>de</strong>n. Die EU mache nun das gleiche mit <strong>de</strong>n MOE-Län<strong>de</strong>rn.<br />

Eine Übernahme an<strong>de</strong>rer Werte sei aber keine einfache Sache.<br />

Für ihn ist <strong>de</strong>r starke Druck, <strong>de</strong>n die ‚Agenda 2000' zur Erreichung <strong>de</strong>r<br />

Aufnahmekriterien in die EU ausübe, insgesamt ‚sehr positiv'. Bei <strong>de</strong>r Erreichung<br />

dieser Kriterien sei die Hilfe <strong>de</strong>r westlichen Partner, insbeson<strong>de</strong>re Deutschlands, sehr<br />

wichtig.<br />

Der Gesandte <strong>de</strong>r Republik Polen, Jerzy Marganski, sieht für sein Land bei <strong>de</strong>r<br />

Aufnahme in die NATO keine Interessenunterschie<strong>de</strong> gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Verhandlungspartnern. Durch die vorgesehene Aufnahme Polens in die EU <strong>und</strong> in<br />

die NATO wird die Jaltateilung Europas endgültig aufgehoben. Dennoch ist<br />

festzustellen, daß die ursprünglich überschwengliche Euphorie in Polen gegenüber<br />

7


<strong>de</strong>r EU einer kritischeren Haltung Platz macht. Waren es zunächst 90% <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung, die <strong>de</strong>n polnischen EU-Beitritt unterstützten, so sind es inzwischen nur<br />

noch 64%. Sie ist damit insgesamt immer noch überwiegend pro-europäisch <strong>und</strong> es<br />

gibt keinen Zweifel an <strong>de</strong>m ungeteilten Wunsch nach einer vollen EU-Mitgliedschaft,<br />

die Polen "einen Teil Europas zurückgibt" <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r die Nordflanke künftig eine<br />

größere Rolle spielen wird.<br />

Die weitere Öffnung <strong>de</strong>r EU be<strong>de</strong>utet für alle Mitglie<strong>de</strong>r zwangsläufig eine größere<br />

Teilnahme an <strong>de</strong>n Problemen <strong>de</strong>r Nachbarlän<strong>de</strong>r, mehr Han<strong>de</strong>l aber auch mehr<br />

politische Kontakte. Sowohl die EU aber auch die NATO müßten nach <strong>de</strong>r<br />

Erweiterung ihre Rollen neu <strong>de</strong>finieren. Die neuen Mitglie<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n schließlich nicht<br />

nur die Mitglie<strong>de</strong>rzahl erhöhen, son<strong>de</strong>rn sie wür<strong>de</strong>n auch eine neue Qualität<br />

einbringen.<br />

Die Reform <strong>de</strong>r Agrarpolitik <strong>de</strong>r EU wird nicht leichter als die Reform <strong>de</strong>r polnischen<br />

Agrarpolitik.<br />

Eine ‚E-25' sei zweifelsohne schwieriger als die gegenwärtige ‚E-15'. Die neuen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r müßten daher möglichst schnell <strong>und</strong> möglichst reibungslos in die EU-<br />

Strukturen integriert wer<strong>de</strong>n. Intergouvernmentale Mechanismen könnten dabei<br />

helfen. Als Beispiel nannte <strong>de</strong>r polnische Gesandte das ‚Weimarer Dreieck', welches<br />

als Diskussionsforum konzipiert wor<strong>de</strong>n sei, welches aber auch konkrete Projekte<br />

konzipieren könne.<br />

Albrecht Conze (Auswärtiges Amt) trat Spekulationen entgegen, neben <strong>de</strong>m<br />

‚Weimarer Dreieck' könne es beliebig viel an<strong>de</strong>re ‚Dreiecke' geben: "Das ‚Weimarer<br />

Dreieck' ist etwas ganz Beson<strong>de</strong>res". Außenpolitik sei entwe<strong>de</strong>r ‚bilateral’ o<strong>de</strong>r<br />

‚multilateral’, bei allen an<strong>de</strong>ren Konstellationen stehe <strong>de</strong>r politische Nutzen oft nicht<br />

im Verhältnis zum betriebenen Aufwand.<br />

Er stellte fest, daß die EU-Osterweiterung sich allein schon <strong>de</strong>swegen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

von <strong>de</strong>r NATO-Osterweiterung unterschei<strong>de</strong>, weil die USA bei dieser ein<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Mitspracherecht besitzen. Für die beitrittswilligen MOE-Län<strong>de</strong>r zur<br />

NATO gelte das ‚Hamlet-Prinzip' aus <strong>de</strong>r Schlußakte von Helsinki: "The right to be -<br />

or not to be - a member of an alliance."<br />

Was die künftige NATO-Erweiterung über die drei Kandidaten Polen, Tschechien <strong>und</strong><br />

Ungarn hinaus anbelangt, so sei <strong>de</strong>r Weg dieser ersten drei nicht unbedingt <strong>de</strong>rselbe<br />

für die an<strong>de</strong>ren.<br />

Was die Frage nach einer Führungsrolle Deutschlands in diesem Prozeß anbelange,<br />

so sei aus <strong>de</strong>n bekannten Grün<strong>de</strong>n ‚<strong>de</strong>rzeit nicht viel geistige Kapazität festzustellen,<br />

die über Deutschland hinaus<strong>de</strong>nke'. Die EU-Osterweiterung wer<strong>de</strong> zweifelsohne eine<br />

stärkere politische Än<strong>de</strong>rung auch <strong>de</strong>r politischen Position Deutschlands mit sich<br />

bringen als dies noch gegenwärtig in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit perzipiert wer<strong>de</strong>.<br />

In <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n animierten Diskussion bezeichnete <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r politischen<br />

Abteilung <strong>de</strong>r Russischen Botschaft in Berlin, Nikolai Platoschkin, die NATO-<br />

Osterweiterung als großen Fehler, <strong>de</strong>r die russischen Reformkräfte zunehmend ins<br />

Abseits treibe. Die NATO-Osterweiterung wer<strong>de</strong> sich als schwersten Fehler für die<br />

Demütigung eines Lan<strong>de</strong>s nach <strong>de</strong>n Versailler Verträgen erweisen.<br />

Auf die Frage von Go<strong>de</strong>hard Uhlemann, Ressortleiter Außenpolitik <strong>de</strong>r Rheinischen<br />

Post, ob die Osterweiterung <strong>de</strong>r EU nicht die bereits erhebliche<br />

8


Europaverdrossenheit in <strong>de</strong>r Bevölkerung noch vergrößere, antwortete <strong>de</strong>r Vertreter<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amtes, daß in <strong>de</strong>r Tat das Programm <strong>de</strong>r ‚Agenda 2000' eine<br />

Herkulesarbeit sei, aber um etwas erreichen zu können, müßte man auch die Kraft<br />

besitzen, unpopulär sein zu können. Das Reformprogramm <strong>de</strong>r EU berge viel<br />

Zündstoff. Vor allem gelte es daher, <strong>de</strong>n in Deutschland jahrzehntelang gültigen<br />

Konsens zwischen Regierung <strong>und</strong> Regierten nicht zu gefähr<strong>de</strong>n.<br />

II. DIE SICHERHEITSPOLITISCHE DIMENSION<br />

Die Einführung in die Thematik <strong>und</strong> die Gesprächsleitung hat Wolfgang Harms<br />

übernommen. Er stellte die Eingangsfrage, warum sich Rußand durch die NATO-<br />

Osterweiterung, die ein ein<strong>de</strong>utiges Verteidigungsbündnis sei, bedroht sähe.<br />

General a.D. Werner von Scheven sieht <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r ‚NATO-Osterweiterung' als<br />

mißverständlich, weil es sich bei <strong>de</strong>n drei betroffenen Län<strong>de</strong>rn schließlich nicht um<br />

Osteuropa han<strong>de</strong>le, son<strong>de</strong>rn um Mitteleuropa. Während die alte B<strong>und</strong>esrepublik<br />

atlantisch orientiert war, richtet das neue Deutschland seinen Blick von <strong>de</strong>r Mitte<br />

Europas aus, ohne die transatlantische Dimension zu vernachlässigen.<br />

Das "Mo<strong>de</strong>ll Europa" müsse seine Optionen ausloten: Folgt es im Verhältnis zu <strong>de</strong>n<br />

USA <strong>de</strong>m britischen Mo<strong>de</strong>ll o<strong>de</strong>r im Verhältnis zu Rußland <strong>de</strong>m französischen<br />

Mo<strong>de</strong>ll? Sehen sich Europa <strong>und</strong> die USA primär als Han<strong>de</strong>lspartner o<strong>de</strong>r als<br />

Rivalen? Reicht die G-7 als Koordinierungsmechanismus aus?<br />

NATO <strong>und</strong> EU seien zwei Bausteine einer europäischen Frie<strong>de</strong>nsstruktur. Das<br />

NATO-Programm ‚Partnerschaft für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n' insbeson<strong>de</strong>re mit Rußland sei ein<br />

wichtiger Bestandteil dieser gesamteuropäischen Frie<strong>de</strong>nsstruktur. Die NATO-<br />

Erweiterung dürfe unter keinen Umstän<strong>de</strong>n als Provokation für Rußland empf<strong>und</strong>en<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

In seiner Gastre<strong>de</strong> führte General v. Kirchbach aus, daß die NATO von heute längst<br />

nicht mehr die NATO <strong>de</strong>s Kalten Krieges sei. Das Bündnis stelle sich in wachsen<strong>de</strong>m<br />

Maße neuen Aufgaben wie z.B. <strong>de</strong>m frie<strong>de</strong>nsstiften<strong>de</strong>n Einsatz in Bosnien. Die<br />

Zielsetzung <strong>de</strong>r NATO sei die Bereitschaft zur Verteidigung <strong>de</strong>s Bündnisgebiets<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Die mit großer Mehrheit fraktionsübergreifend erfolgte Zustimmung <strong>de</strong>s Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages zur Osterweiterung <strong>de</strong>r NATO gebe diesem Prozeß eine wichtige<br />

<strong>de</strong>mokratische Legitimation. Eine ähnliche Zustimmung erwarte Werner von Scheven<br />

vom U.S.-Kongreß.<br />

Für Deutschland liege es im ureigensten Interesse, daß es von nun an nicht nur von<br />

Bündnispartnern im Westen, son<strong>de</strong>rn auch im Osten umgeben sei. Im Kern schaffe<br />

die Öffnung <strong>de</strong>r NATO für die drei MOE-Län<strong>de</strong>r eine neue Stabilität, weil es einen<br />

Raum bil<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m es keinen Krieg mehr gäbe.<br />

Der neue NATO-Rußland-Rat wur<strong>de</strong> geschaffen, funktionsfähig erarbeitet <strong>und</strong><br />

schließt die Ukraine mit ein. General von Kirchbach zufolge wird <strong>und</strong> darf es keine<br />

Absprachen in <strong>de</strong>r NATO zu Lasten Rußlands geben.<br />

III. DIE WIRTSCHAFTLICHE DIMENSION<br />

Manfred Busche wies eingangs - ebenso wie Winfried Häusle (B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Wirtschaft) - darauf hin, daß die <strong>de</strong>utschen Wirtschaftsbeziehungen mit <strong>de</strong>n MOE-<br />

Län<strong>de</strong>rn im Jahre 1997 mit einer Steigerung von r<strong>und</strong> 25 % gegenüber <strong>de</strong>m Vorjahr<br />

neue Rekordhöhen erreichten <strong>und</strong> inzwischen etwa 10 % <strong>de</strong>s gesamten <strong>de</strong>utschen<br />

Außenhan<strong>de</strong>lsvolumens ausmachen. Damit fiel die Steigerung doppelt so hoch aus<br />

9


wie die <strong>de</strong>s gesamten <strong>de</strong>utschen Außenhan<strong>de</strong>ls. Bei Exporten in die MOE-Län<strong>de</strong>r in<br />

Höhe von gut 92 Mrd. DM <strong>und</strong> Importen in Höhe von 75 Mrd. DM ergab sich ein<br />

Han<strong>de</strong>lsüberschuß im Osthan<strong>de</strong>l zu Gunsten Deutschlands in Höhe von 17 Mrd.<br />

DM. Auf die zehn beitrittswilligen MOE-Län<strong>de</strong>r entfielen r<strong>und</strong> 70 % an diesem<br />

Osthan<strong>de</strong>lsvolumen. Die MOE-Län<strong>de</strong>r konnten ihre Exporte nach Deutschland<br />

ebenfalls um r<strong>und</strong> 25 % steigern.<br />

Für die Integration <strong>de</strong>r Volkswirtschaften <strong>de</strong>r zehn beitrittswilligen MOE-Län<strong>de</strong>r stellt<br />

die Kommission im Rahmen ihres Programms zur technischen Hilfe, PHARE, r<strong>und</strong><br />

45 Mrd. ECU für <strong>de</strong>n Zeitraum 2000-2006 bereit. (Zum Vergleich <strong>de</strong>r<br />

Größenordnung, sofern dieser überhaupt möglich ist: Die inner<strong>de</strong>utschen<br />

Transferzahlungen sind pro Jahr ungefähr doppelt so groß wie die technischen<br />

Hilfsleistungen <strong>de</strong>r EU für alle 10 Beitrittskandidaten).<br />

Im Strukturfonds <strong>de</strong>r EU-Kommission stan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Jahren 1993 - 1999 etwa 200<br />

Mrd. ECU zur Verfügung, dieser Betrag soll in <strong>de</strong>n Jahren 2000-2006 auf 275 Mrd.<br />

ECU aufgestockt wer<strong>de</strong>n. Davon sollen r<strong>und</strong> 45 Mrd. ECU für die Beitrittslän<strong>de</strong>r<br />

reserviert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die bisherigen Empfängerlän<strong>de</strong>r, vornehmlich die südlichen EU-Staaten - aber auch<br />

EU-Gründungs-mitglie<strong>de</strong>r wie Deutschland o<strong>de</strong>r Frankreich - sehen hierdurch ihre<br />

Besitzstän<strong>de</strong> gefähr<strong>de</strong>t: "Die Verteilungskämpfe innerhalb <strong>de</strong>r EU haben bereits<br />

begonnen".<br />

Für Václáv Lavicka von <strong>de</strong>r tschechischen Tageszeitung DNES hängt die<br />

Beitrittsfähigkeit <strong>de</strong>r Tschechischen Wirtschaft davon ob, wie schnell es ihr gelingt<br />

* eine <strong>de</strong>utliche Reduzierung <strong>de</strong>s Abstan<strong>de</strong>s beim tschechischen BIP pro Kopf zum<br />

EU-Durchschnitt zu erreichen. Dieser liege nominell bei r<strong>und</strong> 20 % <strong>de</strong>r EU, auf Gr<strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Kaufkraftparität bei r<strong>und</strong> einem Drittel. Im Vergleich zu Deutschland liege das<br />

tschechische BIP bei knapp 14 %;<br />

* eine Annäherung an die aggregierten EU-üblichen Größenordnungen bei <strong>de</strong>r<br />

jährlichen Inflationsrate <strong>und</strong> bei <strong>de</strong>m Zinsniveau zu erreichen. In <strong>de</strong>r Rückschau<br />

meinen manche Beobachter, wie kürzlich <strong>de</strong>r Gouverneur <strong>de</strong>r tschechischen<br />

Nationalbank, Pavel Kysilka, daß <strong>de</strong>r vielbew<strong>und</strong>erte schnelle Aufschwung <strong>de</strong>r<br />

tschechischen Wirtschaft in <strong>de</strong>n Jahren 1994-1997 insgesamt unges<strong>und</strong> war: "Wir<br />

waren im Auto zu schnell unterwegs, das zahlreiche Konstruktionsmängel aufweist".<br />

Die tschechische Regierung habe Sorge, daß eine Einschränkung beim freien<br />

Verkehr von Arbeitskräften die Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>s Binnenmarktes hemmen<br />

könne. Eine eingeschränkte Mobilität impliziere auch eine Einschränkung bei <strong>de</strong>r<br />

Beweglichkeit von Kapital <strong>und</strong> Dienstleistungen. Herr Lavicka warnte in diesem<br />

Zusammenhang vor <strong>de</strong>n Aussagen kürzlich in Deutschland <strong>und</strong> Österreich<br />

veröffentlichter Studien, <strong>de</strong>nen zufolge gera<strong>de</strong> diese Staaten befürchteten, von<br />

billigen Arbeitskräften aus <strong>de</strong>m Osten überschwemmt zu wer<strong>de</strong>n. Im Falle <strong>de</strong>r<br />

Tschechischen Republik sehe er für diese Sorge keine Berechtigung: "Unser Land<br />

verfügt über keine arbeitsmigratorische Tradition. Zu<strong>de</strong>m kommt, daß das Interesse<br />

zum ‚Pen<strong>de</strong>ln' <strong>de</strong>utlich nachgelassen habe. Unter Voraussetzung einer<br />

dynamischeren Wirtschaftsentwicklung ist von einem baldigen Angleichen <strong>de</strong>r<br />

Lohnniveaus mit <strong>de</strong>n benachbarten EU-Staaten zu rechnen." Insgesamt ist er <strong>de</strong>r<br />

Auffassung, daß die Tschechische Republik auf <strong>de</strong>m besten Wege sei, die<br />

makroökonomischen Voraussetzungen für eine Aufnahme in die EU zu erreichen.<br />

10


<strong>Heinrich</strong> Machowski vertrat die Auffassung, daß die EU seit Amsterdam nicht<br />

erweiterungsfähig sei. We<strong>de</strong>r in Amsterdam noch in Luxemburg wur<strong>de</strong>n<br />

Entscheidungen getroffen, die die hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Voraussetzungen geschaffen<br />

hätten. Er warnte davor, alle im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r EU-Osterweiterung<br />

genannten Zahlen für bare Münze zu nehmen: "Alle Zahlen sind unverbindlich <strong>und</strong><br />

haben keinen größeren Aussagewert als das heutige Datum". Die Osterweiterung -<br />

dies wer<strong>de</strong> gelegentlich vergessen - sei völlig an<strong>de</strong>rs als alle bisherigen<br />

Erweiterungsr<strong>und</strong>en. Dieses Mal gehe es um die Verbindung alter <strong>und</strong> junger<br />

Marktwirtschaften, um die Verbindung von entwickelten <strong>und</strong> unterentwickelten<br />

Volkswirtschaften. Ein weiterer häufig nicht ernst genug genommener ‚Stolperstein'<br />

vor <strong>de</strong>r nächsten Erweiterungsr<strong>und</strong>e sei die Zypernfrage.<br />

Machowski zitierte gewichtige Meinungen wie die <strong>de</strong>s als erweiterungsfre<strong>und</strong>lichen<br />

luxemburgischen Ministerpräsi<strong>de</strong>nten, Jean-Clau<strong>de</strong> Juncker, <strong>de</strong>r in ganz Westeuropa<br />

einen wachsen<strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand gegen die Osterweiterung diagnostiziert habe. Die<br />

Gewerkschaften wünschten keine EU-Erweiterung vor <strong>de</strong>m Jahre 2005 - besser noch<br />

nicht vor <strong>de</strong>m Jahre 2010. Die CSU verlange, daß die Freizügigkeit <strong>de</strong>r Arbeitskräfte<br />

für die Beitrittskandidaten nicht vor <strong>de</strong>m Jahre 2015 erlaubt wer<strong>de</strong>n dürfe.<br />

Der B<strong>und</strong>esregierung hielt Machowski Unglaubwürdigkeit vor, mit ihrer Haltung<br />

gleichzeitig die Osterweiterung zu unterstützen <strong>und</strong> die Agrarreformen <strong>de</strong>r Agenda<br />

2000 aber abzulehnen <strong>und</strong> überdies als Nettozahler von <strong>de</strong>r EU Geld<br />

zurückzufor<strong>de</strong>rn. In dieser Frage lesen wir heute ein Zitat im ‚Tagesspiegel' wonach<br />

<strong>de</strong>r SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schrö<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n bayerischen Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />

Edm<strong>und</strong> Stoiber (<strong>und</strong> damit auch die These von <strong>Heinrich</strong> Machowski) unterstützt:<br />

"Deutschland sei als Partner beliebter, wenn es kalkulierbarer sei <strong>und</strong> stabiler sei:<br />

Das inner<strong>de</strong>utsche Chaos wird von <strong>de</strong>n Nachbarn mit großer Sorge gesehen."<br />

Wolfgang Schaaf stellte die nach seiner Auffassung im Gr<strong>und</strong>e unvergleichbaren<br />

Privatisierungskonzepte Ost<strong>de</strong>utschlands, Polens <strong>und</strong> Tschechiens gegenüber. Er<br />

hält bei<strong>de</strong> Län<strong>de</strong>r, Polen <strong>und</strong> Tschechien, reif für die Beitrittsverhandlungen. Für ihn<br />

ist allerdings das Jahr 2001 Illusion, bis 2004 seien wegen <strong>de</strong>s großen<br />

Nachholbedarfs weitere erhebliche Anstrengungen nötig:<br />

* in Tschechien auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s ‚Institution Building'<br />

* in Polen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s weiteren Realisierens <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />

Privatisierungspläne <strong>und</strong> <strong>de</strong>r wichtigen Regionalreform.<br />

Nach Herstellung <strong>de</strong>s Konsenses in bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn für <strong>de</strong>n EU-Beitritt, gelte es nun<br />

<strong>de</strong>n - möglicherweise weitaus schwierigeren - Konsens zur Herstellung <strong>de</strong>r<br />

Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Die Notwendigkeit hierzu seien in <strong>de</strong>r ‚Agenda<br />

2000' nachlesbar.<br />

IV. ERFAHRUNGEN AUS DER GRENZÜBERSCHREITENDEN ZUSAMMENARBEIT<br />

Dieses von <strong>de</strong>m Oberbürgermeister von Zittau, Jürgen Kloß, geleitete Programm-<br />

Modul war vielleicht das wirklichkeitsnäheste von allen Programmteilen <strong>de</strong>s<br />

Symposiums. Es stellte eine Reihe von wenig spektakulären, aber nachvollziehbaren<br />

Erfahrungen aus <strong>de</strong>m täglichen wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Zusammenleben in <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utsch-polnischen <strong>und</strong> <strong>de</strong>utsch-tschechischen Grenzregionen dar.<br />

Oberbürgermeister Kloß betonte, daß die Zusammenarbeit auf kommunaler Basis an<br />

<strong>de</strong>r EU-Ostgrenze zwar von internationaler Politik beeinflußt wer<strong>de</strong>, sich aber in<br />

vielen Punkten von ihr unterschei<strong>de</strong>.<br />

11


Kommunalpolitik an <strong>de</strong>r EU-Ostgrenze unterschei<strong>de</strong> sich völlig von <strong>de</strong>n<br />

Städtepartnerschaften zwischen Städten, die h<strong>und</strong>erte von Kilometern<br />

auseinan<strong>de</strong>rliegen.<br />

Die Zusammenarbeit an <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>r-Neiße-Grenze ist aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s erst 50-jährigen<br />

Bestehens <strong>de</strong>r Grenze nicht vergleichbar mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-techechischen Grenze, die<br />

in dieser Form seit 350 Jahren besteht.<br />

Auf die folgen<strong>de</strong>n Probleme <strong>de</strong>r Zusammenarbeit verwies <strong>de</strong>r Oberbürgermeister:<br />

* die Notwendigkeit <strong>de</strong>s Abbaus von gegenseitigen Vorbehalten <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

aller drei Län<strong>de</strong>r;<br />

* Vorurteile nicht durch sprachliche Argumente, son<strong>de</strong>rn durch Tatsachen <strong>de</strong>s<br />

Zusammenlebens wi<strong>de</strong>rlegen;<br />

* das Ansprechen von Problemen, die das gegenseitige Zusammenleben<br />

beeinflussen;<br />

* Beim Diskutieren bestimmter Lösungen darf nicht immer danach gefragt wer<strong>de</strong>n,<br />

wer <strong>de</strong>n meisten Nutzen davonträgt. Allerdings darf auch nicht immer nur einer<br />

profitieren wollen.<br />

Helmut Moelle berichtete von <strong>de</strong>r täglichen Praxis bei <strong>de</strong>r Lösung von Problemen<br />

beim grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Verkehr zwischen Deutschland <strong>und</strong> Polen.<br />

Reinhard Klein gab eine Übersicht über die Erfahrungen beim unternehmerischen<br />

Engagement <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft im grenznahen Bereich in Polen.<br />

V. DIE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE UND KULTURELLE DIMENSION<br />

Hier ging es unter <strong>de</strong>r Gesprächsleitung von Gabriele Muschter um die sog. ‚weichen<br />

Faktoren' <strong>de</strong>r Osterweiterung, nämlich die gesellschaftspolitische <strong>und</strong> die kulturelle<br />

Dimension. Durch die Zusammensetzung <strong>de</strong>s ‚Panels' hat <strong>de</strong>r kulturelle Aspekt<br />

dieser Frage dominiert, während die gesellschaftspolitischen Fragestellungen eher<br />

im Themenkomplex VI (‚Sensible' Themen) behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n.<br />

Frau Muschter betonte, daß die menschliche Dimension <strong>de</strong>s europäischen<br />

Einigungsprozesses vor allem auch eine kulturelle sei: "Kultur ist unverzichtbarer<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s Lebens je<strong>de</strong>s einzelnen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft als Ganzes - sie kann<br />

<strong>de</strong>n Fortgang <strong>de</strong>r Annäherung wesentlich beeinflussen <strong>und</strong> för<strong>de</strong>rn, sie ist also ein<br />

wichtiger gesellschaftspolitischer Faktor, <strong>de</strong>r auch zum Wirtschaftswachstum<br />

beiträgt." Sie wies darauf hin, daß das vereinte Deutschland im kleinen vergleichbare<br />

Probleme habe wie das vereinte Europa im großen - es komme für bei<strong>de</strong> darauf an,<br />

eine neue I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln. Nicht genügend gefragt <strong>und</strong> diskutiert wer<strong>de</strong> das<br />

zentrale Problem <strong>de</strong>r Suche nach einem gemeinsamen europäischen<br />

I<strong>de</strong>ntitätsempfin<strong>de</strong>n. Gibt es ein solches eher unter <strong>de</strong>n Ost- <strong>und</strong> Mitteleuropäern<br />

o<strong>de</strong>r eher unter <strong>de</strong>n Westeuropäern? Auch hier könne in gewisser Weise<br />

Deutschland als Erfahrungsmo<strong>de</strong>ll gelten.<br />

Sie stellte die Fragen - die Gegenstand einer eigenen Konferenz <strong>de</strong>s ‚Villa<br />

Kampffmeyer-Typs' sein könnten: "Gibt es ein gemeinsames europäisches Erbe <strong>und</strong><br />

wie kann man es zur Geltung bringen, ohne nationale <strong>und</strong> regionale Vielfalt zu<br />

verdrängen? Wie verhält es sich mit <strong>de</strong>n Sprachen? Sie beklagte in diesem<br />

Zusammenhang - an<strong>de</strong>rs als Anfang <strong>de</strong>r Neunziger Jahre - die nachlassen<strong>de</strong><br />

12


Neugier<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Künstler im Westen Europas auf Begegnungen mit ihren Kollegen in<br />

Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa.<br />

Die wechselseitige Kenntnis <strong>und</strong> das wechselseitige Verständnis von Geschichte<br />

<strong>und</strong> Kulturen europäischer Völker ist nach wie vor außeror<strong>de</strong>ntlich unbefriedigend.<br />

Wichtig sei, Grenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten nicht nur innerhalb von Konferenzen zu<br />

benennen, son<strong>de</strong>rn konkrete ost-westeuropäische Projekte zu initiieren.<br />

Für Dietger Pforte besteht eines <strong>de</strong>r wesentlichen Probleme in <strong>de</strong>r kulturellen<br />

Zusammenarbeit zwischen Deutschland <strong>und</strong> seinen östlichen Nachbarn in <strong>de</strong>m<br />

fö<strong>de</strong>rativen <strong>de</strong>utschen Kultursystem, d. h. konkret im Fehlen eines zentralen<br />

Ansprechspartners. Im Prozeß <strong>de</strong>s Zusammenwachsens von Europa <strong>und</strong> nach <strong>de</strong>r<br />

Einigung Deutschlands erweist sich das kulturpolitische Instrumentarium<br />

Deutschlands als unzulänglich. Den europäischen Verbün<strong>de</strong>ten fehle ein ständiger<br />

kompetenter Ansprechpartner in kulturpolitischen <strong>und</strong> kulturellen Angelegenheiten.<br />

Es müsse leichter möglich sein für die Län<strong>de</strong>r Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Bran<strong>de</strong>nburg, Sachsen <strong>und</strong> Bayern mit ihren östlichen Nachbarn eine gemeinsame<br />

regionale Kulturpolitik betreiben, so wie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Rheinland-Pfalz, das<br />

Saarland <strong>und</strong> Nordrhein-Westfalen mit ihren westlichen Nachbarn.<br />

Unter dieser Voraussetzung wür<strong>de</strong> Deutschland die von ihm gebil<strong>de</strong>te Brücke für die<br />

Kulturen Ost- <strong>und</strong> Westeuropas, Nord- <strong>und</strong> Sü<strong>de</strong>uropas begehbarer <strong>und</strong> belastbarer<br />

machen können, weil <strong>de</strong>r B<strong>und</strong> die gesamtstaatlichen <strong>und</strong> die europäischen<br />

kulturpolitischen Interessen nicht bloß koordinieren, son<strong>de</strong>rn im Konzert mit <strong>de</strong>n<br />

europäischen Nachbarn Kulturpolitik gestaltend betreiben könnte.<br />

Auch auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Kulturpolitik sollte das Europa <strong>de</strong>r Regionen endlich die<br />

aus <strong>de</strong>r Kleinstaaterei erwachsene Mentalität <strong>de</strong>r gegenseitigen Ab- <strong>und</strong><br />

Ausgrenzung überwin<strong>de</strong>n.<br />

Berthold Ettrich illustrierte anhand zahlreicher Darstellungen am Beispiel <strong>de</strong>r Fürst<br />

Pückler'schen Parks seine Überlegungen zur Erhaltung <strong>und</strong> Zusammenführung eines<br />

europäischen Gartenkunstwerkes in einer historisch bestimmten Kulturlandschaft in<br />

<strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s neuen alten Europas.<br />

VI. ‚SENSIBLE' THEMEN<br />

Wir haben in Teil I <strong>de</strong>r Veranstaltung gelernt, daß ‚alles Politik ist' <strong>und</strong> wir haben in<br />

Teil VI <strong>de</strong>r Veranstaltung gelernt, daß alles gleichzeitig auch ‚sensibel' ist.<br />

Der Gesprächsleiter Hanns-D. Jacobsen führte in die Diskussion mit 7 Thesen ein:<br />

1. Die Dimensionen <strong>de</strong>r Sensibilität beginnen sich erst allmählich zu entfalten.<br />

2. Fragen <strong>de</strong>r nationalen I<strong>de</strong>ntität in Ost- <strong>und</strong> Mitteleuropa gewinnen an Be<strong>de</strong>utung.<br />

3. Die Lastenteilung in NATO <strong>und</strong> EU ist unklar.<br />

4. Die vielfältigen Konsequenzen <strong>de</strong>s Anpassungsschocks sind noch nicht absehbar.<br />

5. Die Komplexität <strong>de</strong>s EU-Beitrittsprozesses ist größer als bei bisherigen<br />

Erweiterungsr<strong>und</strong>en.<br />

6. Hoffnungen (gottlob - möchte man hinzufügen) überwiegen vor <strong>de</strong>n Ängsten.<br />

7. Bei<strong>de</strong> Seiten müssen zu Kompromissen bereit sein.<br />

Frau Ludmilla Rakusanova erinnerte daran, daß die Einglie<strong>de</strong>rung Tschechiens in die<br />

euroatlantischen Strukturen zwar seit Jahren erklärtes Ziel <strong>de</strong>r tschechischen<br />

13


Außenpolitik sei, daß aber selbst Präsi<strong>de</strong>nt Václáv Havel <strong>und</strong> <strong>de</strong>r einstige<br />

tschechoslowakische Außenminister, Jiri Dienstbier, nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> einige Zeit<br />

brauchten, um zu verinnerlichen, daß die NATO nicht beabsichtige, sich nach <strong>de</strong>m<br />

Zerfall <strong>de</strong>s Warschauer Paktes ebenfalls aufzulösen. An<strong>de</strong>rerseits ging Jiri Dienstbier<br />

in seinem Buch "Träumen über Europa' bereits in <strong>de</strong>n Achtziger Jahren von einem<br />

blockfreien Kontinent mit einem vereinigten Deutschland aus.<br />

Nährbo<strong>de</strong>n fän<strong>de</strong>n die NATO-Zweifler nicht nur in historischen Reminiszenzen<br />

(Zeitzeugen <strong>de</strong>s Münchner Abkommens seien noch unter uns), son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>r<br />

nach 1989 wie<strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>n Angst vor <strong>de</strong>m mächtigen Nachbarn Deutschland.<br />

Das Verhältnis zur Slowakei dürfte auch durch Tschechiens angestrebte<br />

Mitgliedschaft in <strong>de</strong>r EU verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Nach einem tschechischen EU-Beitritt<br />

wird die einstige Lan<strong>de</strong>sgrenze zwischen Mähren <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Slowakei zur EU-<br />

Außengrenze.<br />

Von <strong>de</strong>m von Václáv <strong>Klaus</strong> oft zur Schau getragenen "Euroskeptizismus' fehle<br />

<strong>de</strong>rzeit in Prag je<strong>de</strong> Spur. Man setze sich auch nicht damit auseinan<strong>de</strong>r, ob die<br />

Grün<strong>de</strong> dafür vielleicht nicht in einem unausgestan<strong>de</strong>nen Trauma aus <strong>de</strong>m Zerfall<br />

<strong>de</strong>r Tschechoslowakei <strong>und</strong> <strong>de</strong>r damit verb<strong>und</strong>enen Angst vor Kompetenzabgabe an<br />

Brüssel zu suchen sei.<br />

Für Tschechien sei es wichtig, im Lan<strong>de</strong> eine offene Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

historischen Altlasten im Bezug auf die Nachbarvölker zu führen. Geschähe dies<br />

nicht, so sei nicht auszuschließen, daß sich die Tschechinnen <strong>und</strong> Tschechen<br />

letztlich (in einem Referendum etwa) selbst die Tür zur EU zuschlagen könnten. Aus<br />

dieser Sicht sei es günstig, daß <strong>de</strong>r EU-Beitritt nicht unmittelbar bevorstün<strong>de</strong>. Noch<br />

sei die EU- <strong>und</strong> NATO-Problematik nur innenpolitische Frage. Das wirkliche Ausmaß<br />

<strong>de</strong>r Beitrittsunterstützung wür<strong>de</strong> sich wohl dann erst zeigen.<br />

Rolf Seutemann hat in 12 thesenartigen Aussagen zur Osterweiterung <strong>de</strong>r EU seine<br />

Überlegungen aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Arbeitsmarktes insbeson<strong>de</strong>re vom<br />

Standort Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg dargestellt:<br />

1. Angespannte Arbeitsmarktsituation insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn<br />

2. EU-Osterweiterung verstärkt Kohäsionslücke<br />

3. Weitere wirtschaftliche Integration wird Arbeitslosigkeit in <strong>de</strong>n MOE-Staaten<br />

zunächst erhöhen<br />

4. Innergemeinschaftliche Arbeitskräftewan<strong>de</strong>rung ist gering<br />

5. Beson<strong>de</strong>rs sensible Bereiche: Bauwirtschaft <strong>und</strong> Agrarsektor<br />

6. Neuer <strong>und</strong> erheblicher Wan<strong>de</strong>rungsdruck für die EU-Staaten seitens <strong>de</strong>r MOE-<br />

Staaten<br />

7. Rücknahme <strong>de</strong>r Werkvertragsbeschäftigung<br />

8. Beschränkung <strong>de</strong>r Saisonbeschäftigung<br />

9. Geringe Grenzgängerbeschäftigung<br />

10. Mobilität <strong>und</strong> Freizügigkeit: Weniger als 2 % <strong>de</strong>r EU-Bürger leben <strong>de</strong>rzeit in<br />

einem an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaat<br />

11. Schrittweise Einführung <strong>de</strong>r Freizügigkeit, um Überfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r heimischen<br />

Arbeitsmärkte zu vermei<strong>de</strong>n<br />

12. Verschärfung <strong>de</strong>r Jugendarbeitslosigkeit<br />

In einem Ausblick über die zu erwarten<strong>de</strong> Entwicklung zeigte Rolf Seutemann auf,<br />

daß die <strong>de</strong>mographische Entwicklung Deutschlands in je<strong>de</strong>m Falle längerfristig eine<br />

Zuwan<strong>de</strong>rung notwendig mache, da die Alterspyrami<strong>de</strong> sich ten<strong>de</strong>nziell umkehre. So<br />

bedürfe es bis etwa 2010 einer Nettozuwan<strong>de</strong>rung von jährlich ca. 200.000<br />

Personen, um das Potential ungefähr auf <strong>de</strong>m heutigen Stand zu halten. Gleichwohl<br />

14


dürfe das Zuwan<strong>de</strong>rungspotential diese Größenordnung bei weitem übersteigen.<br />

Zu<strong>de</strong>m sei die qualifikatorische Komponente zu berücksichtigen. Der Lohndruck auf<br />

Einfachqualifikationen wür<strong>de</strong> enorm zunehmen. Mit Auswirkungen auf die<br />

inländischen Arbeits-, Tarif- <strong>und</strong> Sozialbedingungen müsse gerechnet wer<strong>de</strong>n. Hier<br />

gälte es, durch schrittweise Liberalisierung <strong>de</strong>r Freizügigkeit Überfor<strong>de</strong>rungen<br />

ansässiger Arbeitsmärkte zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Wolf Burkhard Wenkel gab vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> seiner Erfahrungen als<br />

Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>r Fachgemeinschaft Bau in Berlin <strong>und</strong> Bran<strong>de</strong>nburg eine<br />

Reihe von illustrativen Beispielen aus seiner Branche über die unmittelbare<br />

Auswirkung <strong>de</strong>r Mobilität von Arbeitskräften aus Niedriglohnlän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r EU (aus<br />

Portugal, Spanien, Griechenland, aber auch aus Großbritannien) sowie in<br />

wachsen<strong>de</strong>m Maße aus <strong>de</strong>n Nachbarlän<strong>de</strong>rn im Osten Deutschlands.<br />

VII. DIE ‚AGENDA 2000 DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION'<br />

Eckart D. Stratenschulte stellt als Gesprächsleiter 8 einleiten<strong>de</strong> Thesen vor:<br />

1. Die Zeit <strong>de</strong>r wohlfeilen Gemeinplätze ist vorbei. Nicht nur die Kandidatenlän<strong>de</strong>r,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die EU selbst stehe unter starkem Verän<strong>de</strong>rungsdruck.<br />

2. Die Erweiterung <strong>de</strong>r Union schafft diesen Druck nicht, aber sie verstärkt ihn.<br />

3. Der perspektivische Ansatz <strong>de</strong>r Agenda 2000 ist ein Versuch, die vor uns<br />

liegen<strong>de</strong>n Probleme anzupacken <strong>und</strong> zu lösen.<br />

4. Die Konzentration <strong>de</strong>r Strukturfonds-Mittel auf die wirklich bedürftigen Regionen<br />

in <strong>de</strong>r EU ist richtig <strong>und</strong> sinnvoll, auch wenn dies in einigen Län<strong>de</strong>rn - <strong>und</strong><br />

beispielsweise auch in Berlin zu schmerzhaften Einschnitten führt.<br />

5. Die Agrarwirtschaft <strong>de</strong>r EU sei ein klassischer Fall von Planwirtschaft <strong>und</strong><br />

funktioniert auch so.<br />

6. Mit ihrer Aussage, das bisherige Finanzierungssystem habe sich bewährt <strong>und</strong><br />

solle bis 2006 nicht geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wird die Europäische Kommission nicht<br />

weit kommen.<br />

7. Eines <strong>de</strong>r zentralen Probleme wer<strong>de</strong>n die institutionellen Reformen sein.<br />

8. Insgesamt ist die ‚Agenda 2000' ein wesentlicher Schritt vorwärts.<br />

Bernd Kunzmann sieht in <strong>de</strong>r ‚Agenda 2000' mehr als nur einen Anstoß für politische<br />

Diskussionen. Die Agenda 2000 sei ein Strategiepapier, das einen gangbaren Weg<br />

aufzeigt.<br />

Er gibt einen Überblick über die Dimensionen <strong>de</strong>r Finanzierung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Finanzierbarkeit <strong>de</strong>r EU-Osterweiterung aus Sicht <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Europäischen Kommission.<br />

Für Pavel Cernoch ist die Stellungnahme <strong>de</strong>r Kommission zu <strong>de</strong>n Beitrittsanträgen<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas (‚Avis') eines <strong>de</strong>r wichtigsten analytischen<br />

Dokumente, welches nach <strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>s ‚Eisernen Vorhanges' veröffentlicht wur<strong>de</strong>.<br />

Zur zentralen Frage, beinahe einer ‚Zauberformel' gleich, ist <strong>de</strong>r Ausdruck ‚acquis<br />

communitaire' gewor<strong>de</strong>n, d.h. das Paket <strong>de</strong>r europäischen Rechtsnormen, welcher<br />

je<strong>de</strong>r neue Mitgliedsstaat übernehmen muß. Die Agenda 2000 spielt überdies eine<br />

ganz wichtige Rolle für die Erklärung eines komplizierten Prozesses für alle die, die<br />

nicht zu <strong>de</strong>n wenigen Experten <strong>de</strong>r Materie gehören.<br />

15


Orlof Zimmermann führt in die Diskussion um die ‚Agenda 2000' die globale<br />

Dimension ein, innerhalb <strong>de</strong>ren sich die Osterweiterung <strong>de</strong>r EU abspielt.<br />

X. PERSÖNLICHE SCHLUßFOLGERUNGEN VON KLAUS-HEINRICH STANDKE:<br />

Was sind die - sehr persönlichen- Eindrücke aus dieser ‚Tour <strong>de</strong> Force' von r<strong>und</strong> 22<br />

St<strong>und</strong>en in 9 gemeinsamen Sitzungsr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> von vielen Einzelgesprächen?<br />

Einige prägen<strong>de</strong> Zitate aus <strong>de</strong>n einzelnen Programmteilen sollen stellvertretend für<br />

viele Anregungen eine Art von <strong>Zusammenfassung</strong> vermitteln:<br />

1. Die politische Dimension:<br />

* ‚Alles ist Politik' - aber auch ‚Alles ist sensibel'<br />

* ‚Der Konsens von Regieren<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Regierten darf durch die Osterweiterung von<br />

NATO <strong>und</strong> EU in <strong>de</strong>n beteiligten Län<strong>de</strong>rn- in West wie in Ost- nicht infragegestellt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

* Die für die politische Führung <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r verantwotlichen Regierungen haben die<br />

Pflicht, die Dinge beim Namen zu nennen.'<br />

2. Die sicherheitspolitische Dimension:<br />

Die NATO-Osterweiterung durch die Aufnahme von Polen, Tschechien <strong>und</strong> Ungarn<br />

in das Bündnis wird von Regierungen wie von <strong>de</strong>r Bevölkerung durch einen<br />

hergestellten Grungkonsens voll mitgetragen. Die Sensivität Rußlands in dieser<br />

Frage- aber auch die Sensivität <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren MOE-Län<strong>de</strong>r sowie <strong>de</strong>r Ukraine- die<br />

nicht auf <strong>de</strong>r ‚Short list' für weitere NATO-Aufnahmen stehen, sind ersnt zu nehmen.<br />

3. Die wirtschaftliche Dimension:<br />

* Die Nachbarlän<strong>de</strong>r Deutschlands im Osten dürfen nicht nur ;Boom-Märkte' für <strong>de</strong>n<br />

Westen sein, die verluste im Asiengeschäft kompensieren.<br />

* Das Han<strong>de</strong>ls<strong>de</strong>fizit von Polen <strong>und</strong> Tschechien- wie im West-Ost-Warenverkehr<br />

insgesamt- hat gefährliche Aussmaße angenommen. Das ‚Han<strong>de</strong>ls<strong>de</strong>fizit' zwischen<br />

Ost- <strong>und</strong> West<strong>de</strong>utschland- wenn man dies im Binnenhan<strong>de</strong>l überhaupt so<br />

bezeichnen könnte- ist ein gefährliches Menetekel für eine unausgewogene<br />

Entwicklung.<br />

* Die Herstellung <strong>de</strong>r internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Polen <strong>und</strong><br />

Tschechien <strong>und</strong> <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Beitrittskandaten muß im Interesse von bei<strong>de</strong>rseitigen<br />

dauerhaften Wirtschaftsbeziehungen höchste Priorität haben.<br />

* Die ‚Agenda 2000' hat dieser Thematik insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Kapiteln<br />

"Innovationsfähigkeit durch verstärkte Forschung <strong>und</strong> technologische Entwicklung "<br />

<strong>und</strong> ‚kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen' beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

* Im EU-aufnahmeprozeß muß darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, daß die EU eine<br />

"Differenzierung ohne Diskriminierung" vornimmt <strong>und</strong> ein "Ablehnungsschock"<br />

vermie<strong>de</strong>n wird, <strong>de</strong>r sich mittelfristig nur negativ auf <strong>de</strong>n Transformationsprozeß, die<br />

Wirtschaftentwicklung <strong>und</strong> nicht zuletzt auf die politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Entwicklung in <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn auswirken müsste.<br />

4. Erfahrungen in <strong>de</strong>r grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Zusammenarbeit<br />

Es hat sich gezeigt, daß die Behandlung dieses Themenkreises sozusagen im<br />

Mikrokosmos <strong>de</strong>s täglichen Miteindan<strong>de</strong>rlebens in <strong>de</strong>n Grenzregionen das<br />

vorwegnimmt, was im Großen in <strong>de</strong>r Konferenzthematik um die EU-Osterweiterung<br />

diskutiert wur<strong>de</strong>:<br />

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* Vorurteile nicht durch sprachliche Argumente, son<strong>de</strong>rn durch Tatsachen <strong>de</strong>s<br />

Zusammenlebens wi<strong>de</strong>rlegen.<br />

* Ansprechen von Problemen, die das gegenseitige Zusammenleben beeinflussen.<br />

Bei <strong>de</strong>m Ansprechen bestimmter Lösungen darf nicht danach gefragt wer<strong>de</strong>n, wem<br />

es am meisten nutzt- allerdings darf auch nicht immer nur einer profitieren wollen.<br />

5. Gesellschaftspolitische <strong>und</strong> kulturelle Dimension<br />

Mit Sorge erfüllen folgen<strong>de</strong> Aussagen:<br />

* die Neugier auf <strong>de</strong>n Nachbarn läßt nach,<br />

* gegen Null tendieren<strong>de</strong>s Interesse beson<strong>de</strong>rs von westlicher Seite,<br />

alte Klischees, alte Denkmuster aus <strong>de</strong>m Kalten Krieg haben viele Verw<strong>und</strong>ungen<br />

verursacht <strong>und</strong> vor allem bei <strong>de</strong>r älteren Generation tiefe Wurzeln geschlagen;<br />

Fazit: Die wechselseitige Neugier im Ost-West-Verhältnis muß wie<strong>de</strong>r geweckt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Probleme müssen entschäfrt wer<strong>de</strong>n. Den Einfluß auf die Emotionen<br />

reduzieren.<br />

6. Sensible Themen<br />

* Alles ist Politik (siehe Kapitel I) - aber alles ist sensibel,<br />

Viele Gefahren sind zu bannen, wenn wir sie benennen.<br />

7. Agenda 2000<br />

* Für die einen ist die ‚Agenda 2000' ein Instrument eines westeuropäischen<br />

Imperialismus, mit <strong>de</strong>m die EU-kommission die MOE-Län<strong>de</strong>rn ‚gängeln'will,<br />

* Für die an<strong>de</strong>ren stellt die ‚Agenda 2000' einen großen Fortschritt dar als Dokument,<br />

das Fahrplan <strong>und</strong> die Bedingungen zur Erreichung <strong>de</strong>s Zieles <strong>de</strong>r EU-Osterweiterung<br />

transparent macht,<br />

* Der Wie<strong>de</strong>rvereinigung Deutschlands 1990 lag kein ähnlich ökonomischer ‚Master<br />

Plan' vor <strong>und</strong> es ist seit<strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n sogenannten "Aufbau-Ost" auch kein ähnliches<br />

Instrument entwickelt wor<strong>de</strong>n wie die ‚Agenda 2000',<br />

* Auf was es ankommt, ist nicht nur in <strong>de</strong>n beitrittswilligen Län<strong>de</strong>rnn son<strong>de</strong>rn auch<br />

innerhalb <strong>de</strong>r E-15 <strong>de</strong>r ‚Agenda 2000', <strong>de</strong>ren Diskussion sich in <strong>de</strong>n Medien fast<br />

aussschließlich auf <strong>de</strong>n Agrarsektor beschränkt, einen größeren Bekanntheitsgrad zu<br />

vermitteln,<br />

* Die Symposium hatte u.a. das Ziel, einen Beitrag zur notwendigen größeren<br />

Tranzparenz zu leisten.<br />

8. Ausblick<br />

Dr. Christoph von Marschall:<br />

* Die Osterweiterung <strong>de</strong>r EU wird kein einfacher Spaziergang wer<strong>de</strong>n,<br />

* Es kommt entschei<strong>de</strong>nd auf die Haltung an, mit <strong>de</strong>r wir mit diesen Dingen<br />

umgehen,<br />

* Wir brauchen Visionen,<br />

* Aus <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung muß sich eine politische Dynamik ableiten, das<br />

Begonnene<br />

schneller, nicht langsamer wer<strong>de</strong>n.<br />

Botschafter Frantisek Cerny:<br />

* Die Tschechische Republik braucht Visionen. Was wird in 10 Jahren sein? Der<br />

Hinweis auf die baldige Vollmitgliedschaft <strong>und</strong> auf die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

psychologisch wichtige ‚Rückkehr nach Europa' ist alleine kein Konzept,<br />

* Sorge , daß eine Volk wie Tschechien mit seinen 10 Millionen Einwohnern sich ‚als<br />

kleiner Punkt' in <strong>de</strong>r großen EU verlieren wird,<br />

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* Sorge darüber, daß das Schaffen <strong>de</strong>r europäischen Einheit zu sehr in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />

von Fachbeamten liegt <strong>und</strong> daß die Bevölkerung sich die EU nicht wirklich vorstellen<br />

kann,<br />

* "Europa <strong>de</strong>s ‚acquis communitaire' von 80.000 Seiten",<br />

* Fehlen einer begeistern<strong>de</strong>n ‚Aufbruchstimmung'.<br />

Prof. Dr. Jerzy Holzer:<br />

* Es gibt in Polen sehr unterschiedliche Erwartungen, Hoffnungen <strong>und</strong> Ängste,<br />

welche mit <strong>de</strong>r NATO- <strong>und</strong> EU-Osterweiterung in einem Zusammenhang stehen.<br />

Viele dieser Emotionen sind in unterschiedlicher Intensität auch in an<strong>de</strong>ren postkommunistischen<br />

Län<strong>de</strong>rn anzutreffen, die zur ersten R<strong>und</strong>e <strong>de</strong>r NATO- <strong>und</strong> EU-<br />

Osterweiterung gehören,<br />

* Man erwartet einerseits eine Sicherung <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns durch die NATO, aber<br />

an<strong>de</strong>rerseits auch eine Erhaltung <strong>de</strong>r vollen Unabhängigkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s (bei einem<br />

großen Teil <strong>de</strong>r Bevölkerung) o<strong>de</strong>r eine gleichberechtigte Position im integrierten<br />

Europa (bei einem be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r Politiker <strong>und</strong> <strong>de</strong>r intellektuellen Eliten).<br />

EU- <strong>und</strong> NATO-Osterweiterung: Konsequenzen für Deutschland, Polen <strong>und</strong><br />

Tschechien<br />

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