Spielen & Rätseln Ferien auf der Weihnachtsinsel Wusstest du?
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Vorgelesen<br />
Lena sitzt <strong>auf</strong> den Steinen, an denen die Wellen<br />
brechen und die verhin<strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong> Sand<br />
weggespült wird. Sie malt gedankenverloren<br />
mit einem Stöckchen im Schlick des Wattenmeeres<br />
und hat keinen Blick für den Kiebitzregenpfeifer,<br />
<strong>der</strong> fleißig nach Wattwürmern pickt.<br />
An an<strong>der</strong>en Tagen kann sie ihn nicht genug<br />
bewun<strong>der</strong>n, zumal sie weiß, er lässt sich nur<br />
selten sehen. Sie ist traurig und hat Angst.<br />
Angst davor, dass sie mit ihren Eltern die Hallig<br />
verlassen muss.<br />
Ihr großes und starkes Pferd Pello, ein Schleswiger<br />
Kaltblütler, ist krank. Somit kann ihre<br />
Mutter - ihr Vater hat für fünf Monate <strong>auf</strong> einem<br />
Schiff angeheuert - den Acker nicht pflügen.<br />
Und wenn sie nicht pflügen kann, kommt<br />
keine Saat in den Boden und es gibt kein Korn,<br />
keinen Hafer und keine Kartoffeln. Aber das<br />
brauchen sie, für sich, die Tiere, und um es<br />
zu verk<strong>auf</strong>en. Außerdem ist Lena ärgerlich <strong>auf</strong><br />
sich. Sie hat letzte Woche <strong>auf</strong> dem Festland<br />
fast ihr ganzes Geld <strong>auf</strong> dem Rummelplatz<br />
ausgegeben. Nun kann sie <strong>der</strong> Mutter nicht<br />
helfen. Das Stöckchen gräbt immer tiefere<br />
Rinnen in den nassen Sand, die sich schnell mit<br />
Wasser füllen. „Warum bist <strong>du</strong> traurig, kleines<br />
Mädchen“, spricht eine Stimme zu ihr.<br />
Seltsamerweise erschrickt Lena nicht. Auch<br />
nicht, als sie das kleine Männchen neben sich<br />
sieht, mit den runden braunen Augen, den abstehenden<br />
Ohren und dem breiten, fast von<br />
einem Ohr zum an<strong>der</strong>en reichenden, Mund.<br />
Wie ein lustiger Kobold sieht es aus. „Wer bist<br />
<strong>du</strong>?“, fragt sie statt einer Antwort neugierig.<br />
„Ich bin Kian und ein Nakobo“, sagt <strong>der</strong> kleine<br />
Mann und streckt Lena seine knochige Hand<br />
entgegen. „Was ist ein Nakobo“, fragt Lena,<br />
während sie seine Hand schüttelt. „Ich bin ein<br />
Naturkobold und komme vom Planeten Nakobonien.<br />
Wir sind mit unserem Raumschiff vor<br />
Das weiße Pferd<br />
einiger Zeit hier gelandet und wollen mit<br />
und für die Kin<strong>der</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Erde, die Natur<br />
erhalten“, sagt Kian und zieht dabei die<br />
rechte Augenbraue bis unter den Rand<br />
seiner grasgrünen Mütze. „Meine Eltern<br />
schützen auch die Natur“, sagt Lena<br />
stolz. „Wir haben fünf Sattelschweine und<br />
über dreißig Ramelsloher Hühner. Das<br />
sind Tiere, die sonst aussterben würden.“<br />
„Das habe ich gehört“, sagt<br />
Kian. „Aber sag, warum bist<br />
<strong>du</strong> traurig?“ Lena erzählt<br />
ihm von dem kranken Pello,<br />
von ihrem Vater, <strong>der</strong> <strong>auf</strong><br />
einem großen Schiff arbeite,<br />
um Geld zu verdienen und<br />
dass sie Angst habe, ein an<strong>der</strong>er<br />
Pächter könne bald<br />
<strong>auf</strong> ihre Insel kommen. „Die<br />
Halligen sind wichtig für den<br />
Küstenschutz, aber nur wenn<br />
sie bearbeitet werden. Wenn<br />
Pflanzen wachsen und Tiere<br />
den Boden festtreten. Wenn<br />
wir nicht dafür sorgen, müssen<br />
wir gehen.“ Kian schaut<br />
sie nachdenklich an. „Ich<br />
verstehe.“ Er fasst sich an<br />
die Nase und lässt beide<br />
Augenbrauen r<strong>auf</strong> und runter wan<strong>der</strong>n.<br />
„Mach dir keine Sorgen, kleine Lena“,<br />
sagt er dann. „Mir ist schon etwas eingefallen.“<br />
Er streicht ihr kurz über den Oberarm und<br />
ist verschwunden. Lena reibt sich die Augen<br />
und sieht sich um. Kian ist weg, er hat<br />
sich in Luft <strong>auf</strong>gelöst. Genauso wie ihre<br />
Angst. Froh springt sie von den Steinen,<br />
watet mit den nackten Füßen <strong>du</strong>rch den<br />
Schlick und sucht mithilfe des Stöckchens<br />
nach bunten Kammmuscheln. Manche<br />
sehen sehr schön aus und sie kann damit<br />
den Besuchern eine große Freude<br />
machen. In <strong>der</strong> Nacht träumt sie von<br />
einem Raumschiff, das im Watt gelandet<br />
ist, von vielen bunten Nakobos, die aus<br />
dem Gefährt steigen und von Pello, <strong>der</strong><br />
munter <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Weide grast. Irgendein<br />
Geräusch reißt sie aus ihrem Traum. Sie<br />
richtet sich <strong>auf</strong> und sieht vor dem Fenster<br />
Lichter, die immer wie<strong>der</strong> <strong>auf</strong>flackern. Sie<br />
wirft ihre Decke zurück. Staunend drückt<br />
sie die Nase an die Scheibe. Auf dem<br />
von Adelgard Reden<br />
Feld, das zwischen <strong>der</strong> Warft – so nennt man<br />
den Hügel, <strong>auf</strong> dem das Haus und die Ställe<br />
gebaut sind - und dem Meer liegt, geht ein<br />
weißes Pferd. Es ist ein großes, starkes Tier,<br />
das mit Stolz erhobenem Kopf, kraftvoll einen<br />
Pflug zieht. Der böige Seewind greift ihm immer<br />
wie<strong>der</strong> in die lange silbrige Mähne und<br />
wirbelt sie <strong>du</strong>rcheinan<strong>der</strong>. Lena sieht erneut<br />
Lichter flackern, kann jedoch nicht erkennen,<br />
woher sie kommen. Sie zögert einen Moment,<br />
greift dann nach ihrer Jacke. Leise huscht sie<br />
die Treppe hinunter, schließt die Haustüre <strong>auf</strong><br />
und läuft bis ans Ende <strong>der</strong> Warft. Sie sieht<br />
einige Männchen, die genau so aussehen<br />
wie Kian. Sie huschen, mit Lampen an den<br />
Mützen, hin und her, werfen Saatkörner in die<br />
Furchen und glätten danach den Boden. Das<br />
geht schnell, genauso schnell, wie das weiße<br />
Pferd die Furchen zieht. Langsam wagt sich<br />
Lena näher heran.<br />
Sie erkennt Kian, <strong>der</strong> den an<strong>der</strong>en Gesten<br />
reiche Anweisungen gibt. Er sieht sie kommen.<br />
„Was machst <strong>du</strong> hier? Du solltest schlafen.“<br />
„Ich habe etwas gehört und dann das<br />
Pferd gesehen“, sagt Lena. “Ist es ein richtiges<br />
Pferd?“ „Was ist schon richtig und was ist<br />
falsch, kleine Lena“, sagt Kian bedächtig und<br />
wiegt seinen Kopf hin und her. „Im Augenblick<br />
ist Ruttu ein Pferd, das den Pflug zieht. Auf<br />
Nakobonien hat es an<strong>der</strong>e Aufgaben. Er fasst<br />
nach Lenas Hand und zieht sie zu Ruttu. Das<br />
Pferd dreht den Kopf und runde braune Augen,<br />
wie die von Kian, sehen Lena an. „Wollt<br />
ihr mich von <strong>der</strong> Arbeit abhalten. Einen kleinen<br />
Moment noch, dann bin ich fertig“, sagt<br />
es und zieht eine Bahn. Lena zuckt zurück.<br />
„Das Pferd kann ja sprechen.“ „Auf Nakobonien<br />
können alle Tiere sprechen“, antwortet<br />
Kian. Lena staunt. „Das wäre toll, wenn wir<br />
<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Erde auch alle Tiere verstehen könnten“,<br />
sagt sie nachdenklich. Zwei Bahnen<br />
zieht Ruttu noch mit dem Pflug, dann ist das<br />
Feld gepflügt. Einige Nakobos füllen die Fugen<br />
und machen den Boden eben. „Es ist<br />
alles ausgesät“, sagt Kian zufrieden. „Pello,<br />
euer Pferd wird auch wie<strong>der</strong> gesund. In ein<br />
paar Tagen ist er <strong>auf</strong> den Beinen. Euer Doktor<br />
hat ihn gut behandelt.“ Ruttu kommt näher.<br />
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