Download - Ãsterreichische Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung
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sich zu einem Irrgarten. Durch diesen zog sich der mythologische „Faden der<br />
Ariadne“ – ein von <strong>Kiesler</strong> gemaltes, kontinuierliches Band. Die Desorientierung<br />
im Labyrinth 5 wie auch der Initiationsritus sind wohl als Symbole für die<br />
Situation nach dem Zweiten Weltkrieg (für die Entwurzelung <strong>und</strong> Invasion<br />
fremder Kräfte) zu verstehen, die auf das Erkennen <strong>und</strong> Erleben mythischer Kraft<br />
ausgerichtet war. Die „Reinwaschung“ aktivierte die multisensorische Stimulation<br />
des Besuchers als eine nicht nur rein retinale, sondern ebenso physische <strong>und</strong><br />
damit auch psychische Wahrnehmung.<br />
Die „Bibliothek“, der letzte Raum der Ausstellung, beinhaltete Tisch- <strong>und</strong> Schrankvitrinen<br />
mit Büchern, Manuskripten, Photographien <strong>und</strong> Memorabilia zu Themen<br />
des Surrealismus, wie zum Beispiel Bretons Anthologie de l’humour noir (1940).<br />
Diese referentielle Schatzkammer bot einen weiteren F<strong>und</strong>us surrealistischen<br />
Gedankenguts <strong>und</strong> fungierte somit als ein Vorläufer der „Reading Rooms“ – für<br />
Ausstellungen eingerichtete, mit Sek<strong>und</strong>ärliteratur bestückte Leseecken.<br />
Diesem Format ähnlich funktioniert der Katalog als „Reader“ mit 38 unterschiedlichen<br />
Beiträgen von Künstlern <strong>und</strong> Literaten zu surrealistischen Forschungsgebieten<br />
<strong>und</strong> Themen der Zeit – ein Konglomerat aus Lyrik <strong>und</strong> Prosa, Manifest,<br />
kollektiver Deklaration <strong>und</strong> vielem mehr. Damit ist diese Publikation weniger ein<br />
Dokumentationswerkzeug oder eine bloße Zusammenstellung kunsttheoretischer<br />
Texte, als vielmehr eine offene literarische Plattform, die als Erweiterung zum<br />
The initiation rite reached its climax in the next room. With superstition<br />
overcome and the body/mind cleansed, the visitor entered an altar room (Le<br />
Dédale), where he or she could now impartially view the magical “things”<br />
from the seemingly inexhaustible poetic reservoir of the Surrealists. In this<br />
cultic site styled on heathen precursors, thirteen altars were devoted to<br />
phenomena suspected of being imbued with mythical life. Featuring along this<br />
“procession path” were the “Great Transparents” (Les Grands Transparents,<br />
Jacques Hérold), and an homage to the Juggler of Gravity in Duchamp’s<br />
“Large Glass” (Le Soigneur de Gravité, the Mattas). Altars were dedicated<br />
to famous novel characters such as Jeanne Sabrenas (Jindřich Heisler) or<br />
Léonie Aubois d’Ashby (André Breton) as well as to the novelist Raymond<br />
Roussel (Matta). Great moments in literature were also commemorated<br />
with La Chevelure de Falmer (Wifredo Lam) and Le Tigre mondain (Frédéric<br />
Delanglade). Altars were erected to rare animals which shun civilisation, for<br />
instance the Secretary Bird, L’Oiseau Sécretaire (Victor Brauner), a desert<br />
lizard, L‘Héloderme suspect (Jaroslav Serpan) or the star-nosed mole,<br />
La Taupe étoilée (the Seigles), as well as to fantasy objects Le Louptable<br />
(Victor Brauner) and La Fenêtre de Magna Sed Apta (Toyen). The last stage,<br />
Ausstellungsraum gedacht war. Explizit zu nennen ist Georges Batailles wichtiger<br />
Text „L’Absence du mythe“, in dem dieser die Abwesenheit eines Mythos als einen<br />
legitimen Mythos deklariert. Seine Unsterblichkeit erreichte das Buch jedoch dank<br />
der legendären auf dem Cover präsentierten, schon erwähnten Schaumstoffbrust.<br />
Auch wenn die Zahl von 40.000 Besuchern – bzw. 150.000 (sic) laut Angaben des<br />
Galeristen – bezweifelt werden darf, ist der enorme Andrang, den die Ausstellung<br />
verzeichnen konnte, beeindruckend <strong>und</strong> Beleg für den „Hunger nach Kunst“ im<br />
kulturellen Vakuum der Nachkriegszeit. Die Ausstellung wurde in der Presse mit<br />
über 30 ausführlichen internationalen Artikeln stark rezipiert. In der damals<br />
üblichen Manier wurde das Resultat heftig kritisiert, <strong>und</strong> gleichzeitig scheint die<br />
Unternehmung doch wenig ernst genommen worden zu sein. Die Resonanz, die<br />
der ungeheure Aufwand der internationalen Zusammenkunft vieler großartiger<br />
Künstler verdient hätte, stellte sich nicht ein: Duchamps Biograf Calvin Tomkins<br />
nannte die Ausstellung „das letzte Hurra der Bewegung“ 6 .<br />
Wenn sich die Ausstellung in der Geschichtsschreibung auch nicht wie jene<br />
von 1938 behauptete, sind aus kuratorischer Sicht jedoch weitaus komplexere<br />
Strategien erkennbar. Bahnbrechend für die damalige Praxis ist es, dass eine<br />
Kunstausstellung – abseits der politisch aufgeladenen Weltausstellungen – derart<br />
André Breton <strong>und</strong>/and<br />
Roberto Matta beim<br />
Ausstellungsaufbau/at<br />
the installaton of the<br />
exhibition