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Referat - Brot für alle

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Stadt Bern<br />

Direktion <strong>für</strong> Tiefbau,<br />

Verkehr und Stadtgrün<br />

Konferenz „High Tech – No Rights“ – Wieviel Blut steckt in unseren Computern und Handys?<br />

Donnerstag, 24. Oktober 2013<br />

REFERAT VON URSULA WYSS, GEMEINDERÄTIN, DIREKTORIN TIEFBAU, VER-<br />

KEHR UND STADTGRÜN, STADT BERN<br />

Es gilt das gesprochene Wort<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Als ich angefragt wurde, ob ich im Rahmen dieser Konferenz auftreten würde, dachte<br />

ich natürlich: Ein äusserst spannendes Thema – ein Thema, das mich schon länger<br />

beschäftigt. Aber hat das etwas mit meiner jetzigen Arbeit als Direktorin <strong>für</strong> Tiefbau,<br />

Verkehr und Stadtgrün in der Stadt Bern zu tun? Hat es durchaus - darauf komme ich<br />

noch zurück.<br />

Im Nationalrat hat mich die Rohstoffthematik schon deshalb stark beschäftigt, weil<br />

rasch klar wurde, dass die Schweiz innert kürzester Zeit zur neuen Drehscheibe <strong>für</strong><br />

den Rohstoffhandel geworden ist. Rund 20% <strong>alle</strong>r Rohstoffe - oftmals auch Rohstoffe<br />

aus fragwürdigen Quellen – werden über die Schweiz gehandelt. Dieses Geschäft ist<br />

gleichzeitig zum neuen grossen Tätigkeitsfeld der Finanzbranche geworden – quasi als<br />

Ersatz <strong>für</strong> das dahinwelkende Bankgeheimnis. Und weil es zwischen Roststoffhandel<br />

und Steuerhinterziehung, Geldwäscherei und schwarzen Geldern deutliche Par<strong>alle</strong>len<br />

gibt, müssen wir genau hinsehen.<br />

Ich hatte mich deshalb mit einer Motion zum Beispiel da<strong>für</strong> eingesetzt, dass auch der<br />

Eigenhandel mit Rohwaren unter das Geldwäschereigesetz gestellt wird. Denn heute<br />

können die Handelsunternehmen Rohstoffe mit krimineller Herkunft – sei es Korruption,<br />

schmutzige Kriege oder Verletzung von Menschenrechten – kaufen und als angeblich<br />

ganz normale Produkte wieder verkaufen. Und damit viel Geld machen. Beim Waschen<br />

von Geld unternimmt die Schweiz – endlich – grosse Anstrengungen. Beim Waschen<br />

von schwarzen Rohstoffen hingegen, verschliesst unser Land die Augen weiterhin.


Seite 2/4<br />

Der Rohstoffabbau finanziert heute teilweise schreckliche Bürgerkriege. Bekanntestes<br />

Beispiel sind wohl die Blutdiamanten des ehemaligen liberianischen Präsidenten<br />

Charles Taylor, der 2012 in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Das Thema<br />

Konfliktrohstoffe geht aber weit über die Diamanten hinaus.<br />

Ausserdem werden Rohstoffe teilweise unter absolut unmenschlichen Arbeitsbedingungen<br />

abgebaut oder weiterverarbeitet. Und mit Rohstoffen wird spekuliert – was die<br />

Preisschwankungen anheizt und immer wieder zu Preisblasen führt. Die Folge davon<br />

sind Berg- und Talfahrt der Börsenkurse. Und damit auch der Lebensmittelpreise. Mit<br />

verheerenden Folgen <strong>für</strong> jene Menschen, welche sich ein Kilo Reis nicht mehr leisten<br />

können, wenn es von einem Tag auf den anderen plötzlich das Doppelte kostet. Mangel-<br />

und Fehlernährung oder gar Hunger sind die Folgen.<br />

Es gibt kaum andere Unternehmens- und Gesellschaftsstrukturen, die so kompliziert<br />

sind, wie diejenige der Rohstoff-Unternehmen. Dabei stellt sich die Frage, weshalb es<br />

so viele Mutter- und Tochtergesellschaften braucht, wenn man einen weltweiten Handel<br />

betreibt. Man muss nicht allzu kritisch sein, um zu sehen, dass sich damit Steuerpflichten<br />

in Milliardenhöhe umgehen und Verletzungen von Menschenrechten und<br />

Umweltvorschriften einfacher unter den Tisch kehren lassen. Wenn die Muttergesellschaft<br />

ihren Sitz in der Schweiz hat, bedeutet dies <strong>für</strong> die Schweiz ein grosses Reputationsrisiko.<br />

Darum sollen <strong>für</strong> allfällige Verfehlungen in den einzelnen Ländern nicht die<br />

einzelnen lokalen Tochtergesellschaften, sondern auch deren milliardenschweren Muttergesellschaften<br />

verantwortlich gemacht werden. Der Bundesrat beschäftigt sich mit<br />

diesen Fragen. Und wenn die Schweiz nicht von sich aus solche Regeln entwickeln<br />

wird, dürfte sie dies in einigen Jahren auf internationalen Druck hin tun. Genau dasselbe<br />

gilt auch <strong>für</strong> die Transparenz von Zahlungsströmen. Sowohl in den USA wie auch in<br />

der EU müssen Rohstoffunternehmen Zahlungen an Regierungen offenlegen. Der<br />

Bundesrat hat sich bereit erklärt, die Einführung analoger Bestimmungen in der<br />

Schweiz zu prüfen. Wichtig ist dabei <strong>alle</strong>rdings, dass wirklich <strong>alle</strong> Geschäfte von dieser<br />

Regelung erfasst sind und nicht durch Schlaumeiereien neue Gesetzeslücken entstehen.<br />

Sie merken: die Par<strong>alle</strong>len zur Geschichte des Bankgeheimnisses sind eindeutig. Ich<br />

setze darum auf die Lernfähigkeit der Schweizer Politik und bin überzeugt, dass ein<br />

internationales Engagement <strong>für</strong> strengere Normen im Bereich Menschenrechts-, Umwelt-<br />

und Sozialstandards zentral wichtig ist. Neben der UNO arbeiten auch die OECD<br />

und die EU daran, soziale und ökologische Normen vermehrt im internationalen Recht<br />

und der internationalen Praxis zu verankern – einschliesslich des Beschaffungswesens.<br />

Allerdings droht die wirtschaftliche Krise, die seit 2008 viele europäische Staaten<br />

erfasst hat, diesen Prozess zu verlangsamen. Doch wer nur auf billige Produkte setzt


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und Produktionsbedingungen ausblendet, handelt nicht nur ethisch fragwürdig, sondern<br />

gefährdet auch Arbeitsplätze in jenen Unternehmen, die fair produzieren, nicht<br />

zuletzt hier in Europa.<br />

Wir haben durchaus Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Auch neben der Rolle der<br />

Schweiz in internationalen Organisationen. Bund, Kantone und Gemeinden beschaffen<br />

pro Jahr <strong>für</strong> weit über 30 Milliarden Franken Güter, Dienst- und Bauleistungen. Diese<br />

Summe entspricht circa 25% der Staatsausgaben und etwa 8% des BIP. Bei diesen<br />

Beschaffungen hat die öffentliche Hand direkt oder indirekt Einfluss auf soziale und<br />

ökologische Bedingungen. Dies soll und kann sie nutzen. Die Einhaltung von Menschenrechten<br />

und sozialen wie ökologischen Mindeststandards auch in Entwicklungsländern<br />

soll dabei ein Kriterium sein.<br />

Hier in der Stadt Bern haben wir vor wenigen Wochen in unserer zentralen Altstadtgasse,<br />

der Marktgasse, neue Pflastersteine verlegt. Diese Steine stammen nicht wie in<br />

vielen anderen Städten aus Kinderarbeit in Ostasien, sondern aus Alpnach im Kanton<br />

Obwalden. Insgesamt wurden 1500 Tonnen oder rund 75 Lastwagenladungen Pflastersteine<br />

nach Bern geliefert. Dies hat <strong>für</strong> die Stadt natürlich Mehrkosten verursacht.<br />

Aber als politische Verantwortliche ist es mir wichtig, dass kein Blut an diesen Pflastersteinen<br />

klebt, über die wir in Bern in den nächsten Jahrzehnten gehen werden.<br />

Bei Pflastersteinen ist die Lieferantenkette relativ einfach. Sehr viel schwieriger wird es,<br />

wenn man zum Beispiel IT-Geräte beschaffen muss. Und damit komme ich auf den<br />

Kern der Veranstaltung heute zu sprechen. Wir wissen es schon als Privatkunden: Es<br />

gibt in diesem Bereich keine verlässlichen Labels. Wenn wir ein neues Handy oder<br />

einen neuen Computer kaufen, gehen uns zwar die letzten Negativschlagzeilen über<br />

schlimme Produktionsbedingungen <strong>für</strong> Mensch und Umwelt durch den Kopf. Dennoch<br />

wissen wir nicht mit hinreichender Gewissheit, welche Marken wir bevorzugen oder<br />

meiden sollen.<br />

Die Lieferketten bei IT-Produkten sind undurchschaubar <strong>für</strong> uns als Kleinkunden. Und<br />

grossen Beschaffern geht es nicht viel besser. Die Computersysteme der Stadt Bern<br />

werden nicht von meiner Direktion beschafft. Da<strong>für</strong> ist einer meiner Kollegen zuständig.<br />

Um diese Aufgabe beneide ich ihn nicht. Wenn er Hunderte oder Tausende neuer<br />

Computer beschaffen muss, hat er wenig Anhaltspunkte, welche noch am ökologischsten<br />

und am sozialsten produziert worden sind. Das muss sich ändern.


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Es braucht auch <strong>für</strong> die IT-Branche ein international anerkanntes und streng kontrolliertes<br />

Label, das uns zeigt, welche Produkte wir ohne schlechtes Gewissen kaufen können.<br />

Damit auch der Kauf von fairen High-Tech-Produkten einfacher wird. So einfach<br />

wie der Kauf fairer Kleidungsstücke oder eben von Pflastersteinen.<br />

Es gibt in unserem Land einige öffentliche Behörden, die sich dieser Thematik sehr<br />

bewusst sind und bei ihren Beschaffungen darauf achten würden. Im öffentlichen Beschaffungsrecht<br />

des Bundes ist es beispielsweise eine zwingende Vorschrift, dass über<br />

die gesamte Produktionskette hinweg die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

eingehalten werden müssen. Diese verbieten Kinder- und Zwangsarbeit<br />

und schreiben das Recht auf Vereinigung und kollektive Verhandlungen vor. Und<br />

es gäbe garantiert auch viele Privatkunden, die beim Kauf eines neuen Handys oder<br />

Computers froh um solche Angaben wären. Wir müssen weiterhin <strong>alle</strong>s daran setzen,<br />

dass die internationalen Vorschriften strenger und die bestehenden viel konsequenter<br />

als bisher vollzogen werden. Und wir brauchen ein verbindliches Label <strong>für</strong> „High Tech-<br />

Produkte“.<br />

Um auf diesem Weg weiterzukommen, sind Veranstaltungen wie diese hier ein wichtiger<br />

Schritt.<br />

Ich wünsche eine fruchtbare und spannende Konferenz und danke <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!

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