Kapitel 4 - Hirschfeld-Eddy-Stiftung
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<strong>Kapitel</strong> 4<br />
Argumente und Themen<br />
<strong>Kapitel</strong> 4<br />
Argumente und Themen<br />
Intergeschlechtlichkeit –<br />
Transgeschlechtlichkeit<br />
Zwischen dem Erleben von intergeschlechtlichen<br />
und transgeschlechtlichen Menschen<br />
bestehen, Unterschiede, aber auch<br />
Gemeinsamkeiten. Transgeschlechtliche<br />
Menschen sind Personen, die bei Geburt<br />
nach medizinischen Maßstäben körperlich<br />
eindeutig einem Geschlecht (Junge, Mädchen)<br />
zugewiesen werden konnten, die aber<br />
feststellen, dass dieses Geschlecht nicht<br />
ihrer Geschlechtsidentität entspricht.<br />
Intergeschlechtliche Menschen hingegen<br />
sind Menschen, die bei Geburt oder später<br />
körperliche Merkmale aufweisen, die von<br />
der Medizin als nicht geschlechtseindeutig<br />
klassifiziert werden. Intergeschlechtliche<br />
Menschen gelten daher aus medizinischer<br />
Sicht als behandlungsbedürftig, unabhängig<br />
davon, ob sie selbst mit ihrem Körper<br />
zufrieden sind oder nicht. Behandlungen an<br />
intergeschlechtlichen Menschen werden in<br />
den meisten Fällen ohne persönliche, freie,<br />
vorherige und vollständig informierte Einwilligung<br />
der Betroffenen vorgenommen.<br />
Gemeinsam ist (einem Teil) trans- und<br />
intergeschlechtlicher Menschen, dass sie<br />
sich in körperlicher Hinsicht und/oder auch<br />
in ihrer gender expression (die Art, wie das<br />
geschlechtliche Empfinden ausgelebt wird)<br />
aus der Perspektive einer heteronormativen<br />
Gesellschaft in einem Zustand des ‚Dazwischen‘<br />
befinden können, der sie sowohl im<br />
öffentlichen wie auch im privaten Raum zu<br />
Opfern von Diskriminierung werden lässt.<br />
Die Geschlechtsidentität intergeschlechtlicher<br />
Menschen kann dabei dem bei der Geburt<br />
zugewiesenen Geschlecht entsprechen.<br />
Sie kann aber auch intergeschlechtlich oder<br />
– aus der Perspektive des zugewiesenen<br />
Geschlechts – gegengeschlechtlich sein.<br />
Während die Diskriminierung von Trans*-<br />
Menschen im Augenblick verstärkt in den<br />
Fokus der soziologischen Feldforschung<br />
zu rücken beginnt, gibt es bislang keinerlei<br />
Studien über die Diskriminierungserfahrungen<br />
intergeschlechtlicher Menschen. Eine<br />
LGBT-Organisation, die das I hinzufügen will,<br />
sollte dies nur tun, wenn sie bereit ist, die<br />
Menschenrechtsverletzungen an intergeschlechtlichen<br />
Menschen offen in ihrer<br />
Arbeit zu thematisieren. In der Entwicklungszusammenarbeit<br />
wird dies allerdings<br />
teilweise anders erfolgen müssen, als in so<br />
genannten westlichen Ländern.<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
und Intergeschlechtlichkeit<br />
Im Allgemeinen sind die Probleme intergeschlechtlicher<br />
Menschen in Ländern mit<br />
westlicher Medizin besonders hoch. Daher<br />
ist Intersexualität nur in Einzelfällen auch<br />
ein Thema für die Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Es müssen die jeweils regionalen<br />
Bedingungen beachtet werden.<br />
In Kulturen, die in ihrer sozio-religiösen<br />
Struktur einen besonderen Platz für nichtpolar-geschlechtliche<br />
Menschen reservieren,<br />
sind intergeschlechtliche Menschen in<br />
der Regel geschützt. Hier wäre eine aktive<br />
Politik zu dem Thema also kontraproduktiv.<br />
Andere Kulturen haben zwar nur eingeschränkten<br />
Zugang zur westlichen medizinischen<br />
Versorgung, sind aber dennoch<br />
für intergeschlechtliche Menschen lebensgefährlich:<br />
Die magische Angst vor dem<br />
Monströsen führt in manchen Gegenden<br />
der Welt zur Tötung intergeschlechtlicher<br />
Kinder. In solchen Regionen kann eine medizinische<br />
Diagnose wie DSD lebensrettend<br />
sein, weil sie die Betroffenen von vermeintlichen<br />
Monstern in Kranke und damit quasi in<br />
Menschen verwandelt.<br />
In vielen Regionen ist die Diskriminierung<br />
von intergeschlechtlichen Menschen<br />
(auch postoperativ) zu groß, als dass ein<br />
Inter*-Aktivismus entstehen könnte. Hier<br />
übernehmen teilweise Trans*-Gruppen oder<br />
LGBT-Gruppen die Aufgabe, eine Lobby für<br />
intergeschlechtliche Menschen zu schaffen.<br />
Es ist daher wichtig Inter*-Menschen<br />
mitzudenken und nach ihrer Situation im<br />
jeweiligen Land zu fragen. Die Zusammenarbeit<br />
mit menschenrechtsbasierten Inter*-<br />
Organisationen ist dabei unabdingbar. Die<br />
Yogyakarta-Principles sind ein exzellentes<br />
Werkzeug für die menschenrechtsbasierte<br />
Arbeit zu Inter*. Nicht nur Artikel 18, sondern<br />
eine ganze Palette der Bestimmungen<br />
ist für Inter*-Aktivismus geeignet und sollte<br />
beachtet werden.<br />
Dr. Dan Christian Ghattas, PhD<br />
Internationale Vereinigung Intergschlechtlicher<br />
Menschen (IVIM/OII-Germany);<br />
TransInterQueer e.V. (TrIQ)<br />
Hinweise für Mediziner_innen<br />
www.transinterqueer.org/docs/<br />
info_med_berufe.pdf<br />
Zur medizinschen Praxis<br />
www.intersexualite.de/index.php/<br />
ethikrat-anhoerung-med-praxis<br />
Kontaktdaten Intersexualität<br />
und Entwicklungszusammenarbeit<br />
Afrika<br />
Intersex South Africa<br />
Sally Gross<br />
coordinator@intersex.org.za<br />
Lateinamerika<br />
Mauro Isaac Cabral<br />
GATE - Global Action for Trans* Equality<br />
Consorcio Latinoamericano de Trabajo<br />
sobre Intersexualidad<br />
maulesel@gmail.com<br />
Asien<br />
Hiker Chiu<br />
OII-Chinese<br />
hiker@oii.tw<br />
Australien und pazifischer Raum<br />
Gina Wilson<br />
OII-Australia<br />
oiiaustralia@bigpond.com<br />
Mani B Mitchell<br />
Intersex Awareness<br />
mani.mitchell@xtra.co.nz<br />
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