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Fach: Pädagogik Brühlmeier: Die Traumdeutung GK ... - Ploecher.de

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<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> <strong>GK</strong> 12<br />

http://www.bruehlmeier.info/freud.htm<br />

Arthur <strong>Brühlmeier</strong><br />

<strong>Die</strong> Psychoanalyse Sigmund Freuds<br />

12. <strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong><br />

5 12.1. Freuds Buch<br />

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Obwohl die erste Auflage von Freuds wichtigstem Buch ‘<strong>Die</strong><br />

<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>’ bei ihrem Erscheinen kaum beson<strong>de</strong>re Beachtung<br />

fand, war sich Freud offensichtlich <strong>de</strong>r epochemachen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung<br />

seines Buches bewusst. Es erschien im Oktober 1899, aber<br />

Freud datierte es voraus auf 1900 und setzte unter <strong>de</strong>n Titel das<br />

rebellische Motto "Flectere si nequeo superos, Acheronta moveba"<br />

("Und können wir uns die Götter nicht geneigt machen, so lasst<br />

uns die Unterweltlichen bewegen." – ein Zitat aus <strong>de</strong>r Antike). Neben<br />

<strong>de</strong>n ‘Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie’ (1905), die er e-<br />

benfalls jeweils <strong>de</strong>m neuesten Stand seiner Theorieentwicklung<br />

anpasste, ist ‘<strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>’ jenes Buch, <strong>de</strong>m er am meisten<br />

Sorgfalt ange<strong>de</strong>ihen ließ und das er selbst in acht jeweils verän<strong>de</strong>rten<br />

und <strong>de</strong>m neuesten Entwicklungsstand angepassten Auflagen<br />

erscheinen ließ. (In <strong>de</strong>r Fischer-Ausgabe fasst das Buch 700<br />

Seiten.)<br />

Im ganzen Buch ist auf Schritt und Tritt Freuds Bemühen erkennbar,<br />

<strong>de</strong>n Traum als einen Prozess zu begreifen, <strong>de</strong>r nach strengen<br />

Regeln aufgebaut ist und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>shalb, sobald man die Regeln<br />

kennt, mehr o<strong>de</strong>r weniger ein<strong>de</strong>utig ‘lesbar’ ist. Im folgen<strong>de</strong>n sei<br />

<strong>de</strong>r Versuch gemacht, einige <strong>de</strong>r wichtigsten Regeln und damit die<br />

Freudsche Auffassung <strong>de</strong>r Funktionsweise <strong>de</strong>s Traumes darzustellen.<br />

12.2. Zweck und Wesen <strong>de</strong>s Traumes<br />

Nach Freud kommt <strong>de</strong>m Traum zuerst einmal eine rein physiologische<br />

Be<strong>de</strong>utung zu: Er ist ‘<strong>de</strong>r Hüter <strong>de</strong>s Schlafs’. So ermöglicht<br />

<strong>de</strong>r Traum, irgendwelche Umwelt- o<strong>de</strong>r organischen Reize umzu<strong>de</strong>uten<br />

und in <strong>de</strong>n Schlaf einzubauen. Verbreitet ist <strong>de</strong>nn auch die<br />

Erfahrung, dass <strong>de</strong>r Wecker schellt und man dann von einem<br />

Pressluftbohrer o<strong>de</strong>r Ähnlichem träumt – und selig weiterschläft.<br />

Ähnliches kann passieren, wenn die gefüllte Blase zur Entleerung<br />

drängt und man dann träumt, man besuche ein Pissoir ...<br />

In psychologischer Hinsicht ist nach Freud <strong>de</strong>r Traum ganz allgemein<br />

"die (verklei<strong>de</strong>te) Erfüllung eines (unterdrückten, verdrängten)<br />

Wunsches." Insofern <strong>de</strong>r Wunsch verdrängt ist, han<strong>de</strong>lt es<br />

sich folglich beim Traum um eine Manifestation <strong>de</strong>s Es. Freud geht<br />

davon aus, dass im Schlaf das Ich hochgradig geschwächt ist, d.h.<br />

dass die Libido von <strong>de</strong>r Motorik und <strong>de</strong>r Sinneswahrnehmung<br />

weitgehend zurückgezogen ist. Das Es nützt gewissermaßen die<br />

Gunst <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> und dringt mit seinen Inhalten ins Traumbewusstsein<br />

und – via Rückerinnerung an <strong>de</strong>n Traum – ins Bw ein.<br />

Da aber das Ich während <strong>de</strong>s Schlafs bloß geschwächt, aber nicht<br />

völlig außer Funktion ist, stellt es sich gegen eine unverhüllte Offenbarung<br />

<strong>de</strong>s Verdrängten aus <strong>de</strong>m Es und zwingt <strong>de</strong>n geheimnisvollen<br />

Regisseur <strong>de</strong>s Traums, <strong>de</strong>n unbewussten, verdrängten<br />

Wunsch zu verschleiern und ihn in solche Bil<strong>de</strong>r zu klei<strong>de</strong>n, die<br />

<strong>de</strong>m Bw aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s verdrängen<strong>de</strong>n Ichs als akzeptabel erscheinen.<br />

So gesehen, ist jener Traum, an <strong>de</strong>n wir uns beim Erwachen erinnern,<br />

nie genau das, was eigentlich das Es zum Ausdruck bringen<br />

wollte, son<strong>de</strong>rn stellt stets einen Kompromiss dar zwischen <strong>de</strong>m<br />

Es-Impuls und <strong>de</strong>r Gegenwehr <strong>de</strong>s Ich. Das Ich amtet <strong>de</strong>mzufolge<br />

beim Zustan<strong>de</strong>kommen eines konkreten Traumbil<strong>de</strong>s als Zensor.<br />

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Freuds Ansicht, je<strong>de</strong>r Traum sei eine unbewusste Wunscherfüllung,<br />

ist immer wie<strong>de</strong>r angezweifelt wor<strong>de</strong>n. Auf Anhieb scheinen<br />

all jene Träume, welche <strong>de</strong>r Träumer als sehr belastend empfin<strong>de</strong>t,<br />

<strong>de</strong>n Kritikern recht zu geben. Aus psychoanalytischer Sicht<br />

lässt sich aber einwen<strong>de</strong>n, dass ja nicht <strong>de</strong>r manifeste, son<strong>de</strong>rn<br />

eben <strong>de</strong>r latente Traum die Wunscherfüllung darstellt und dass die<br />

Zensur durch das Ich in einzelnen Fällen offenbar <strong>de</strong>rart groß ist,<br />

dass <strong>de</strong>r verdrängte Es-Wunsch eine gera<strong>de</strong>zu gegensätzliche<br />

Gestalt annehmen muss, um sich manifestieren zu können. Darüber<br />

hinaus entspricht es durchaus <strong>de</strong>r psychoanalytischen Auffassung,<br />

dass im Es die skurrilsten Wünsche, die <strong>de</strong>r Selbsterhaltung<br />

vollkommen entgegenstehen, vorhan<strong>de</strong>n sein können. Wer<br />

kennt nicht z. B. die Angst, man könnte sich selbst plötzlich in die<br />

Tiefe stürzen wollen, wenn er von einer sehr hohen Brücke hinunterschaut.<br />

<strong>Die</strong>se Angst ist nur verständlich, weil im Es offensichtlich<br />

solche Wünsche lauern. Auch autoaggressive Wünsche mit<br />

<strong>de</strong>m Zwecke <strong>de</strong>r Abwehr von Schuldgefühlen können zu sehr belasten<strong>de</strong>n<br />

Traumbil<strong>de</strong>rn führen.<br />

Mit diesen Entgegnungen ist aber <strong>de</strong>r Zweifel an Freuds Position<br />

nicht aus <strong>de</strong>r Welt geschafft, <strong>de</strong>nn es könnte ja immerhin sein,<br />

dass zwar ein großer Teil, aber eben doch nicht alle Träume<br />

Wunscherfüllungen darstellen. Am ehesten lässt sich noch Jungs<br />

Ansatz, <strong>de</strong>r Traum habe stets eine kompensatorische Funktion,<br />

gleiche also das aus, was im bw Leben nicht ausgelebt wer<strong>de</strong>n<br />

könne, mit <strong>de</strong>r Freudschen Behauptung in Einklang bringen, <strong>de</strong>nn<br />

das Bedürfnis, ungelebte Seiten <strong>de</strong>r Persönlichkeit im Traum ersatzweise<br />

zu leben, kann sehr wohl generell als Wunscherfüllung<br />

<strong>de</strong>klariert wer<strong>de</strong>n.<br />

An<strong>de</strong>rer Ansicht ist da beispielsweise Medard Boss, <strong>de</strong>r im Traum<br />

eine vollwertige Weise <strong>de</strong>s Seins sieht und es darum als verfehlt<br />

betrachtet, gewissermaßen hinter <strong>de</strong>n Traum sehen zu wollen. Für<br />

ihn ist <strong>de</strong>r Traum die Sache selbst, und es gilt, das Wesen einer<br />

sich im Traum manifestieren<strong>de</strong>n Seinsweise zu erkennen, um auf<br />

diese Weise ein Stück <strong>de</strong>r Existenz <strong>de</strong>s Träumers zu erhellen.<br />

Ich selbst habe, wenn ich dies hier anmerken darf, mit je<strong>de</strong>r Hypothese<br />

Mühe, die irgend etwas absolut setzt und damit je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeit schon im Ansatz theoretisch abweist. Ich lehne grundsätzlich<br />

je<strong>de</strong> Erklärungs-Hypothese ab, die einem möglichen Phänomen<br />

<strong>de</strong>n Erweis seiner Existenz von vornherein verwehrt. Es<br />

entspricht <strong>de</strong>nn auch meiner Erfahrung mit <strong>de</strong>r <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>,<br />

dass sich mancher Traum einleuchten<strong>de</strong>r <strong>de</strong>uten lässt, wenn man<br />

ihn nicht partout als Wunscherfüllung verstehen will.<br />

12.3. Latenter und manifester Traum, <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> und<br />

Traumarbeit<br />

Jenen Traumgedanken, <strong>de</strong>r im Es vorhan<strong>de</strong>n ist und sich im Träumen<br />

darstellen möchte, nennt Freud <strong>de</strong>n latenten Traum. Jenen<br />

Trauminhalt, <strong>de</strong>r durch die Einwirkung <strong>de</strong>r Ich-Zensur entstellt wur<strong>de</strong>,<br />

bezeichnet Freud als manifesten Traum. Wenn also jemand<br />

einen Traum erinnert o<strong>de</strong>r erzählt, so han<strong>de</strong>lt es sich dabei stets<br />

um <strong>de</strong>n manifesten Traum. Der latente Traum kann erst sekundär<br />

via <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> ist folglich die Umkehrung jenes Prozesses,<br />

<strong>de</strong>r die Umwandlung <strong>de</strong>s latenten in <strong>de</strong>n manifesten Traum bewerkstelligte.<br />

Freud nennt diesen Verwandlungs-Prozess, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Traumgedanken in die visuellen und akustischen Bil<strong>de</strong>r umsetzt,<br />

Traumarbeit. Es ist folglich ganz einfach: <strong>Die</strong> Traumarbeit macht<br />

aus <strong>de</strong>m latenten Traum <strong>de</strong>n manifesten, und die <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong><br />

geht diesen Weg wie<strong>de</strong>r zurück und ent<strong>de</strong>ckt im manifesten<br />

Traum <strong>de</strong>n ursprünglichen latenten Traum.<br />

Um die weiteren Begriffe leichter erklären zu können, stelle ich an<br />

<strong>de</strong>n Anfang ein Beispiel eines möglichen manifesten Traums:<br />

Ein Lehrer träumt, er fahre mit einem rostigen VW zur Schule, ü-<br />

berfahre unterwegs ein Huhn, wer<strong>de</strong> dann von <strong>de</strong>n Schülern nicht<br />

wie gewohnt freundlich begrüßt, son<strong>de</strong>rn tätlich angegriffen, gehe<br />

dann seine Mappe suchen, die er im Auto vergessen habe, dieses<br />

habe sich aber unter<strong>de</strong>ssen in einen dreibeinigen Ofen verwan<strong>de</strong>lt,<br />

aus <strong>de</strong>m schwarzer Rauch aufsteige, und wie er ins Schulzimmer<br />

zurückkehren wolle, sei dieses plötzlich eine Kirche, in<br />

welcher die Frau <strong>de</strong>s Schulabwarts die Messe lese.<br />

In diesem manifesten Traum fin<strong>de</strong>t sich eine Fülle von Elementen:<br />

Lehrer, Autofahren, VW, Rost, Schule, Huhn, Huhn überfahren usf.<br />

‘Den Traum <strong>de</strong>uten’ heißt nun, einen Traumgedanken zu fin<strong>de</strong>n, in<br />

welchem alle diese Elemente eine Entsprechung haben, für die sie<br />

als Stellvertreter gelten können. Sollte sich z. B. herausstellen,<br />

dass mit <strong>de</strong>m rostigen VW die leichte körperliche Invalidität <strong>de</strong>s<br />

Lehrers ausgedrückt ist, dass das überfahrene Huhn seine eigene<br />

Frau be<strong>de</strong>utet, mit <strong>de</strong>r er in unglücklicher Ehe lebt, und dass es<br />

sich bei seinen Schülern um seine eigenen Kin<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lt, die ihn<br />

kürzlich aufgefor<strong>de</strong>rt haben, mit seiner Gemahlin ins reine zu<br />

kommen usf., so liegen hier Beispiele von Elementen aus <strong>de</strong>m latenten<br />

Traum vor.<br />

<strong>Die</strong> grundlegendste Form <strong>de</strong>r Traumarbeit ist folglich die Einkleidung<br />

eines Gedankens bzw. <strong>de</strong>r einzelnen Elemente eines<br />

Traumgedankens in Bil<strong>de</strong>r, die in irgend einem erkennbaren Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>n latenten Traumelementen stehen. Der Zusammenhang<br />

kann im Wesen <strong>de</strong>r Sache selbst liegen. Wenn jemand<br />

von ‘in die Schule gehen’ träumt, kann damit ganz allgemein<br />

die Lebensschule gemeint sein. Solche Deutungen sind im allgemeinen<br />

einfach, und auch <strong>de</strong>r Außenstehen<strong>de</strong> kann sich an <strong>de</strong>r<br />

Deutungsarbeit beteiligen. Sehr oft aber ist <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />

Freud-<strong>Brühlmeier</strong>-<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>.doc <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> Psychoanalyse Sigmund Freuds Seite 1 von 3


<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> <strong>GK</strong> 12<br />

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zwischen <strong>de</strong>m latenten und <strong>de</strong>m manifesten Traumelement in <strong>de</strong>r<br />

konkreten Lebensgeschichte <strong>de</strong>s Träumers begrün<strong>de</strong>t. So kann<br />

sich z. B. herausstellen, dass <strong>de</strong>r Träumer in obigem Beispiel die<br />

Frau <strong>de</strong>s Schulhausabwarts am gestrigen Sonntag in <strong>de</strong>r Kirche<br />

sah und dass ihm seine Frau ‘die Leviten las’, und es ist klar, dass<br />

man erst dann einen wirklichen Zugang zum Traum fin<strong>de</strong>t, wenn<br />

man vom Träumer diese Erlebnisse mitgeteilt bekommt. Das ist<br />

<strong>de</strong>r Grund weshalb Freud nichts hielt von reinen Fremd<strong>de</strong>utungen<br />

und seine Analysan<strong>de</strong>n zu je<strong>de</strong>m einzelnen Element <strong>de</strong>s manifesten<br />

Traumes frei assoziieren ließ. (<strong>Die</strong>ser Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r freien Assoziation<br />

wur<strong>de</strong> dann z. B. von Jung entgegengehalten, dass dadurch<br />

eigentlich nicht <strong>de</strong>r Traum ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn dass –<br />

via freie Assoziation – in aller Regelmäßigkeit bloß die neurotischen<br />

Züge <strong>de</strong>s Träumers sichtbar wer<strong>de</strong>n; diese wür<strong>de</strong>n sich<br />

nämlich beim freien Assoziieren stets zeigen, ganz gleich, von<br />

welchen Bil<strong>de</strong>rn, Begriffen o<strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>n man ausgehe.)<br />

Im Rahmen dieses Verwan<strong>de</strong>lns von latenten Traumelementen in<br />

manifeste Traumbil<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>t Freud fünf spezielle Formen<br />

<strong>de</strong>r Traumarbeit:<br />

1. Freud hat festgestellt, dass in <strong>de</strong>r Regel nicht – wie in meinem<br />

konstruierten Beispiel – schön ein Element aus <strong>de</strong>m manifesten<br />

Traum einem an<strong>de</strong>rn Element im latenten Traum entspricht, son<strong>de</strong>rn<br />

dass sich mehrere Elemente <strong>de</strong>s latenten Traumes in einem<br />

einzigen Element <strong>de</strong>s manifesten Traumes vertreten lassen können.<br />

Und auch das Umgekehrte ist möglich: dass nämlich ein einziges<br />

Element <strong>de</strong>s latenten Traumes in mehreren Elementen <strong>de</strong>s<br />

manifesten Traumes vorkommt. Freud nennt diesen Vorgang <strong>de</strong>r<br />

Traumarbeit Verdichtung. Es könnte also sein, dass ‘<strong>de</strong>s Lehrers<br />

Gemahlin’ (Element <strong>de</strong>s latenten Traums) sowohl im Huhn als<br />

auch im Ofen und in <strong>de</strong>r Frau <strong>de</strong>s Schulhausabwarts ihre Entsprechung<br />

im manifesten Traum fin<strong>de</strong>t und dass an<strong>de</strong>rerseits im manifesten<br />

Traumelement ‘rostiger VW’ die körperlichen Beschwer<strong>de</strong>n,<br />

die unerquickliche Situation am Arbeitsplatz und das angeschlagene<br />

Image beim Volk (Volkswagen) gleichzeitig ausgedrückt<br />

sind.<br />

2. Eine zweite Form <strong>de</strong>r Traumarbeit ist die Verschiebung. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich dabei um eine Gewichtsverlagerung hinsichtlich <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utsamkeit<br />

eines Elements. So kann auf Anhieb in unserem Beispiel<br />

z. B. <strong>de</strong>r rauchen<strong>de</strong> Ofen als sehr wichtig erscheinen, aber<br />

bei einer genauen Analyse zeigt sich, dass z. B. das Detail, dass<br />

er genau drei Beine hat, sehr wichtig ist.<br />

3. Eine weitere Form <strong>de</strong>r Traumarbeit ist die Verkehrung ins Gegenteil.<br />

So kann jemand träumen, dass er seine Sekretärin<br />

schlägt, und die Analyse zeigt dann, dass er sich ubw genau das<br />

Gegenteil wünscht (was immer das be<strong>de</strong>uten mag).<br />

4. Des weiteren scheint sich <strong>de</strong>r Traumregisseur einen Spaß daraus<br />

zu machen, <strong>de</strong>m Wortlaut einer Sache eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />

beizumessen. So kann jemand von einem Mantel träumen,<br />

und gemeint ist <strong>de</strong>r Mann, o<strong>de</strong>r jemand träumt vom Klassenkamera<strong>de</strong>n<br />

Peter Bischof, und gemeint ist <strong>de</strong>r Bischof Petrus, nämlich<br />

<strong>de</strong>r Papst und damit die Beziehung zur Kirche und zur Religion.<br />

Und wenn jemand träumt, er reise gen Italien, so dürfte dies tatsächlich<br />

mit <strong>de</strong>n Genitalien im Zusammenhang stehen. Ich selbst<br />

habe die Erfahrung (an mir und an<strong>de</strong>rn) gemacht, dass uns <strong>de</strong>r<br />

‘Traumregisseur’ (wer und was das immer sei) viele solche Deutungen<br />

anbietet, sobald ‘er gemerkt’ hat, dass wir bei <strong>de</strong>r Deutung<br />

darauf achten.<br />

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5. Schließlich vertritt Freud die Ansicht, dass bestimmten Gegenstän<strong>de</strong>n<br />

feststehen<strong>de</strong> Symbole zugeordnet wer<strong>de</strong>n können. So<br />

schreibt Freud (Fischer-/Ex Libris-Ausgabe <strong>de</strong>r ‘<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>’ S.<br />

348), nach<strong>de</strong>m er auf die Viel<strong>de</strong>utigkeit von Traumelementen hingewiesen<br />

und sich gegen eine starre Anwendung <strong>de</strong>r Traumsymbole<br />

verwahrt hat: "Der Kaiser und die Kaiserin (König und Königin)<br />

stellen wirklich zumeist die Eltern <strong>de</strong>s Träumers dar, Prinz o-<br />

<strong>de</strong>r Prinzessin ist er selbst. <strong>Die</strong>selbe hohe Autorität wie <strong>de</strong>m Kaiser<br />

wird aber auch großen Männern zugestan<strong>de</strong>n, darum erscheint<br />

in manchen Träumen z. B. Goethe (heute wohl eher Freud; AB)<br />

als Vatersymbol. Alle in die Länge reichen<strong>de</strong>n Objekte, Stöcke<br />

Baumstämme, Schirme (<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Erektion vergleichbaren Aufspannens<br />

wegen!), alle länglichen und scharfen Waffen: Messer,<br />

Dolche, Piken, wollen das männliche Glied vertreten. Ein häufiges,<br />

nicht recht verständliches Symbol <strong>de</strong>sselben ist die Nagelfeile (<strong>de</strong>s<br />

Reibens und Schabens wegen?). – Dosen, Schachteln, Kästen,<br />

Schränke, Öfen entsprechen <strong>de</strong>m Frauenleib, aber auch Höhlen,<br />

Schiffe und alle Arten von Gefäßen. Zimmer im Traume sind zumeist<br />

Frauenzimmer, die Schil<strong>de</strong>rung ihrer verschie<strong>de</strong>nen Eingänge<br />

und Ausgänge macht an dieser Auslegung gera<strong>de</strong> nicht irre.<br />

Das Interesse, ob das Zimmer ‘offen’ o<strong>de</strong>r ‘verschlossen’ ist, wird<br />

in diesem Zusammenhange leicht verständlich. Welcher Schlüssel<br />

das Zimmer aufsperrt, braucht dann nicht ausdrücklich gesagt zu<br />

wer<strong>de</strong>n; die Symbolik von Schloss und Schlüssel hat Uhland im<br />

Lied vom ‘Grafen Eberstein’ zur anmutigsten Zote gedient. – Der<br />

Traum, durch eine Flucht von Zimmern zu gehen, ist ein Bor<strong>de</strong>llo<strong>de</strong>r<br />

Haremstraum. Er wird aber, wie H. Sachs an schönen Beispielen<br />

gezeigt hat, zur Darstellung <strong>de</strong>r Ehe (Gegensatz) verwen<strong>de</strong>t.<br />

– Eine interessante Beziehung zur infantilen Sexualforschung<br />

ergibt sich, wenn <strong>de</strong>r Träumer von zwei Zimmern träumt, die früher<br />

eines waren, o<strong>de</strong>r ein ihm bekanntes Zimmer einer Wohnung im<br />

Traume in zwei geteilt sieht o<strong>de</strong>r das Umgekehrte. In <strong>de</strong>r Kindheit<br />

hat man das weibliche Genitale (<strong>de</strong>n Popo) für einen einzigen<br />

Raum gehalten (die infantile Kloakentheorie) und erst später erfahren,<br />

dass diese Körperregion zwei geson<strong>de</strong>rte Höhlungen und Öffnungen<br />

umfasst. – Stiegen, Leitern, Treppen, respektive das Steigen<br />

auf ihnen, und zwar sowohl aufwärts wie abwärts, sind symbolische<br />

Darstellungen <strong>de</strong>s Geschlechtsaktes. – Glatte Wän<strong>de</strong>, über<br />

die man klettert, Fassa<strong>de</strong>n von Häusern, an <strong>de</strong>nen man sich –<br />

häufig unter starker Angst – herablässt, entsprechen aufrechten<br />

menschlichen Körpern, wie<strong>de</strong>rholen im Traum wahrscheinlich die<br />

Erinnerung an das Emporklettern <strong>de</strong>s kleinen Kin<strong>de</strong>s an Eltern und<br />

Pflegepersonen. <strong>Die</strong> ‘glatten’ Mauern sind Männer; an <strong>de</strong>n ‘Vorsprüngen’<br />

<strong>de</strong>r Häuser hält man sich nicht selten in <strong>de</strong>r Traumangst<br />

fest. – Tische, ge<strong>de</strong>ckte Tische und Bretter sind gleichfalls Frauen,<br />

wohl <strong>de</strong>s Gegensatzes wegen, <strong>de</strong>r hier die Körperwölbungen aufhebt.<br />

‘Holz’ scheint überhaupt nach seinen sprachlichen Beziehungen<br />

ein Vertreter <strong>de</strong>s weiblichen Stoffes (Materie) zu sein. Der<br />

Name <strong>de</strong>r Insel Ma<strong>de</strong>ira be<strong>de</strong>utet im Portugiesischen: Holz. Da<br />

‘Tisch und Bett’ die Ehe ausmachen, wird im Traum häufig <strong>de</strong>r erstere<br />

für das letztere gesetzt und, soweit es angeht, <strong>de</strong>r sexuelle<br />

Vorstellungskomplex auf <strong>de</strong>n Esskomplex transponiert. – Von Kleidungsstücken<br />

ist <strong>de</strong>r Hut einer Frau sehr häufig mit Sicherheit als<br />

Genitale, und zwar <strong>de</strong>s Mannes, zu <strong>de</strong>uten. Ebenso <strong>de</strong>r Mantel,<br />

wobei es dahingestellt bleibt, welcher Anteil an dieser Symbolverwendung<br />

<strong>de</strong>m Wortlaut zukommt. In Träumen <strong>de</strong>r Männer fin<strong>de</strong>t<br />

man häufig die Krawatte als Symbol <strong>de</strong>s Penis, wohl nicht nur darum,<br />

weil sie lange herabhängt und für <strong>de</strong>n Mann charakteristisch<br />

ist, son<strong>de</strong>rn auch, weil man sie nach seinem Wohlgefallen auswählen<br />

kann, eine Freiheit, die beim Eigentlichen dieses Symbols<br />

von <strong>de</strong>r Natur verwehrt ist. Personen, die dieses Symbol im Traume<br />

verwen<strong>de</strong>n, treiben im Leben oft großen Luxus mit Krawatten<br />

und besitzen förmliche Sammlungen von ihnen. – Alle komplizierten<br />

Maschinerien und Apparate <strong>de</strong>r Träume sind mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

Genitalien – in <strong>de</strong>r Regel männliche –, in <strong>de</strong>ren Beschreibung<br />

sich die Traumsymbolik so unermüdlich wie die Witzarbeit<br />

erweist. Ganz unverkennbar ist es auch, dass alle Waffen<br />

und Werkzeuge zu Symbolen <strong>de</strong>s männlichen Glie<strong>de</strong>s verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n: Pflug, Hammer, Flinte, Revolver, Dolch, Säbel usw. – E-<br />

benso sind viele Landschaften <strong>de</strong>r Träume, beson<strong>de</strong>rs solche mit<br />

Brücken o<strong>de</strong>r mit bewal<strong>de</strong>ten Bergen, unschwer als Genitalbeschreibungen<br />

zu erkennen. Marcinowski hat eine Reihe von Beispielen<br />

gesammelt, in <strong>de</strong>nen die Träumer ihre Träume durch<br />

Zeichnungen erläuterten, welche die darin vorkommen<strong>de</strong>n Landschaften<br />

und Räumlichkeiten darstellen sollten. <strong>Die</strong>se Zeichnungen<br />

machen <strong>de</strong>n Unterschied von manifester und latenter Be<strong>de</strong>utung<br />

im Traume sehr anschaulich. Während sie, arglos betrachtet,<br />

Pläne, Landschaften und <strong>de</strong>rgleichen zu bringen scheinen, enthüllen<br />

sie sich einer eindringlicheren Untersuchung als Darstellung<br />

<strong>de</strong>s menschlichen Körpers, <strong>de</strong>r Genitalien usw. und ermöglichen<br />

erst nach dieser Auffassung das Verständnis <strong>de</strong>s Traumes. Auch<br />

darf man bei unverständlichen Wortneubildungen an Zusammensetzung<br />

aus Bestandteilen mit sexueller Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>nken. –<br />

Auch Kin<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten im Traume oft nichts an<strong>de</strong>res als Genitalien,<br />

wie ja Männer und Frauen gewohnt sind, ihr Genitale liebkosend<br />

als ihr ‘Kleines’ zu bezeichnen. Den ‘kleinen Bru<strong>de</strong>r’ hat Stekel<br />

richtig als Penis erkannt. Mit einem kleinen Kin<strong>de</strong> spielen, <strong>de</strong>n<br />

Kleinen schlagen usw. sind häufig Traumdarstellungen <strong>de</strong>r Onanie.<br />

– Zur symbolischen Darstellung <strong>de</strong>r Kastration dient <strong>de</strong>r<br />

Traumarbeit: die Kahlheit, das Haarschnei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Zahnausfall<br />

und das Köpfen. Als Verwahrung gegen die Kastration ist es aufzufassen,<br />

wenn eines <strong>de</strong>r gebräuchlichen Penissymbole im Traume<br />

in Doppel- o<strong>de</strong>r Mehrzahl vorkommt. Auch das Auftreten <strong>de</strong>r<br />

Ei<strong>de</strong>chse im Traume – eines Tieres, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r abgerissene<br />

Schwanz nachwächst (Anmerkung) – hat dieselbe Be<strong>de</strong>utung. –<br />

Von <strong>de</strong>n Tieren, die in Mythologie und Folklore als Genitalsymbole<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, spielen mehrere auch im Traum diese Rolle:<br />

<strong>de</strong>r Fisch, die Schnecke, die Katze, die Maus (<strong>de</strong>r Genitalbehaa-<br />

Freud-<strong>Brühlmeier</strong>-<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>.doc <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> Psychoanalyse Sigmund Freuds Seite 2 von 3


<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> <strong>GK</strong> 12<br />

rung wegen), vor allem aber das be<strong>de</strong>utsamste Symbol <strong>de</strong>s männlichen<br />

Glie<strong>de</strong>s, die Schlange. Kleine Tiere, Ungeziefer sind die<br />

305 Vertreter von kleinen Kin<strong>de</strong>rn, z. B. <strong>de</strong>r unerwünschten Geschwister;<br />

mit Ungeziefer behaftet sein ist oft gleichzusetzen <strong>de</strong>r Gravidität<br />

(= Schwangerschaft; AB). – Als ganz rezentes (= neu auftreten<strong>de</strong>s;<br />

AB) Traumsymbol <strong>de</strong>s männlichen Genitales ist das Luftschiff<br />

zu erwähnen, welches sowohl durch seine Beziehung zum<br />

310 Fliegen wie gelegentlich durch seine Form solche Verwendung<br />

rechtfertigt." Usf.<br />

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<strong>Die</strong> Einführung feststehen<strong>de</strong>r Symbole mit zumeist sexuellen Be<strong>de</strong>utung<br />

ist insofern ein interessantes Detail <strong>de</strong>r Freudschen Theoriebildung,<br />

als ja Freud sich zuerst gegen die früher oft verwen<strong>de</strong>ten<br />

<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>sbücher wen<strong>de</strong>te, in welchen Verzeichnisse von<br />

Traumbil<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung zu fin<strong>de</strong>n waren.<br />

Freud selber hat somit wie<strong>de</strong>r einen Schritt rückwärts getan und<br />

sich wie<strong>de</strong>r ein Stück weit von seiner Position entfernt, wonach <strong>de</strong>r<br />

Traum nur aufgrund <strong>de</strong>r Kenntnis <strong>de</strong>r Lebensgeschichte (anhand<br />

freier Assoziationen) <strong>de</strong>s Träumers zu <strong>de</strong>uten ist. Um Freud gegenüber<br />

nicht ungerecht zu sein, muss darum darauf hingewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n, dass er selber nachdrücklich davor warnt, "die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>r Symbole für die <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> zu überschätzen, etwa die Arbeit<br />

<strong>de</strong>r Traumübersetzung auf Symbolübersetzung einzuschränken<br />

und die Technik <strong>de</strong>r Verwertung von Einfällen <strong>de</strong>s Träumers<br />

aufzugeben. <strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n Techniken <strong>de</strong>r <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> müssen<br />

einan<strong>de</strong>r ergänzen; praktisch wie theoretisch verbleibt aber <strong>de</strong>r<br />

Vorrang <strong>de</strong>m zuerst beschriebenen Verfahren (freie Assoziation;<br />

AB), das <strong>de</strong>n Äußerungen <strong>de</strong>s Träumers die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung<br />

beilegt, während die von uns vorgenommene Symbolübersetzung<br />

als Hilfsmittel hinzutritt." (S. 354)<br />

Angesichts <strong>de</strong>r Komplexheit <strong>de</strong>r Traumarbeit steht je<strong>de</strong>r Traum<strong>de</strong>uter<br />

in je<strong>de</strong>m einzelnen Falle vor einer sehr anspruchsvollen<br />

Arbeit. So muss er eigentlich bei je<strong>de</strong>m einzelnen Element <strong>de</strong>s<br />

manifesten Traumes entschei<strong>de</strong>n, ob es<br />

• direkt o<strong>de</strong>r gegenteilig zu <strong>de</strong>uten ist,<br />

• einer aktuellen Problematik o<strong>de</strong>r einem zurückliegen<strong>de</strong>n Problem<br />

entspricht,<br />

• ein feststehen<strong>de</strong>s Symbol ist o<strong>de</strong>r beliebig durch freie Assoziation<br />

ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann<br />

• o<strong>de</strong>r als Sache o<strong>de</strong>r vom Wortlaut her ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n muss.<br />

<strong>Die</strong> Vielfalt dieser Deutungsmöglichkeit eröffnet natürlich je<strong>de</strong>r Beliebigkeit<br />

Tür und Tor. So kann man z. B., will man einfach irgend<br />

eine Deutungs-Hypothese bestätigt wissen, ein nicht passen<strong>de</strong>s<br />

Element ins Gegenteil umkehren. Es braucht darum ein Kriterium,<br />

ob man als Deuter auf <strong>de</strong>r richtigen Spur ist. <strong>Die</strong>ses Kriterium ist<br />

ein gewisses Evi<strong>de</strong>nz-Erlebnis <strong>de</strong>s Träumers: Er spürt intuitiv,<br />

dass die Deutung stimmt und tatsächlich eine für ihn be<strong>de</strong>utsame<br />

Problematik erhellt. Allerdings kommt es auch vor, dass z. B. <strong>de</strong>r<br />

Analytiker mit einer Deutung recht hat, aber <strong>de</strong>r Analysand die als<br />

belastend empfun<strong>de</strong>ne Wahrheit nicht annehmen kann. (Der mit<br />

<strong>de</strong>r Adler’schen Individualpsychologie vertraute Analytiker achtet<br />

in diesen Fällen auch auf <strong>de</strong>n sog. Erkennungsreflex.)<br />

12.4. Traumquellen<br />

Es ist nun zu fragen, woher <strong>de</strong>r Traum einerseits die latenten Inhalte,<br />

an<strong>de</strong>rerseits die manifesten Bil<strong>de</strong>r bezieht. Freud ist nun<br />

davon überzeugt, dass in allen latenten Träumen irgendwelche<br />

Kindheitserinnerungen zumin<strong>de</strong>st mitbeteiligt sind. In dieser Auffassung<br />

kommt seine allgemeine Ansicht zum Ausdruck, dass die<br />

– insbeson<strong>de</strong>re frühe – Kindheit für das ganze Leben von hervorragen<strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung ist und dass auch allen neurotischen Störungen<br />

irgendwelche belasten<strong>de</strong>n Erlebnisse in <strong>de</strong>r Kindheit zu Grun<strong>de</strong><br />

liegen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r konkreten Bil<strong>de</strong>r sind nach Freud vorerst einmal<br />

aktuelle somatische (körperliche) Quellen maßgebend, wobei er 3<br />

verschie<strong>de</strong>ne Arten unterschei<strong>de</strong>t, nämlich<br />

• von äußeren Objekten ausgehen<strong>de</strong> Sinnesreize (z. B. Gerüche,<br />

Lärm)<br />

• subjektiv begrün<strong>de</strong>te Erregungszustän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sinnesorgane (z.<br />

B. Ohrensausen)<br />

• aus <strong>de</strong>m Körperinnern stammen<strong>de</strong> Leibreize (z. B. Verdauungsbeschwer<strong>de</strong>n,<br />

Drang)<br />

375<br />

380<br />

385<br />

390<br />

395<br />

400<br />

Wichtiger für die konkrete Gestaltung <strong>de</strong>r manifesten Bil<strong>de</strong>rwelt<br />

sind für Freud irgendwelche Erlebnisse aus <strong>de</strong>m Vortag, sog. Tagesreste.<br />

Freud setzt diese Aussage insofern absolut, als er annimmt,<br />

dass nicht etwa um einige Tage zurückliegen<strong>de</strong> Erfahrungen<br />

ausschlaggebend sind, son<strong>de</strong>rn immer solche <strong>de</strong>s Vortages.<br />

Wenn in<strong>de</strong>ssen trotz<strong>de</strong>m etwas von <strong>de</strong>r letzten Woche her im<br />

Traume auftaucht, so geht Freud davon aus, dass man am Vortag<br />

zumin<strong>de</strong>st daran gedacht hat (eine Behauptung, die sich natürlich<br />

grundsätzlich nicht wi<strong>de</strong>rlegen lässt). Auch nimmt er als Grundregel<br />

an, dass allen verschie<strong>de</strong>nen manifesten Träumen einer einzigen<br />

Nacht stets <strong>de</strong>rselbe latente Traum zu Grun<strong>de</strong> liegt.<br />

12.5. Eine persönliche Anmerkung<br />

Freud ist <strong>de</strong>r Ansicht, dass alle Träume grundsätzlich egoistisch<br />

motiviert sind, d.h. im Lustprinzip wurzeln und nur insoweit <strong>de</strong>m<br />

Realitätsprinzip verpflichtet sind, als die Zensur <strong>de</strong>s Ichs negativ<br />

(d.h. abwehrend und verschleiernd) wirkt. Meine Erfahrung mit <strong>de</strong>r<br />

Deutung eigener und frem<strong>de</strong>r Träume hat mir <strong>de</strong>mgegenüber die<br />

Theorie bestätigt, dass Träume nicht bloß Ausdruck verdrängter<br />

Es-Impulse (Wünsche) sind, son<strong>de</strong>rn durchaus auch die Funktion<br />

einer inneren Lebensführung haben können. Träume können<br />

<strong>de</strong>mgemäss einem Menschen – ohne dass damit Wünsche zum<br />

Ausdruck gebracht wer<strong>de</strong>n müssen – seine jetzige Lebenssituation<br />

wi<strong>de</strong>rspiegeln, ihn auf Gefahren aufmerksam machen und ihm<br />

aufzeigen, welche Entwicklungsschritte ihm angemessen sind.<br />

Freud lehnt einen solchen finalen Aspekt <strong>de</strong>s Traums ab, aber<br />

dieser Aspekt steht in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r Jung’schen Theorie,<br />

wonach es die Lebensaufgabe je<strong>de</strong>s Menschen ist, alle wi<strong>de</strong>rstreben<strong>de</strong>n<br />

Seiten seines Wesens miteinan<strong>de</strong>r zu versöhnen und<br />

so zu einer psychischen Ganzheit zu kommen. Jung nennt diesen<br />

Prozess Individuation, und die <strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong> kann eine wertvolle<br />

Hilfe sein, um dieses Ziel zu erreichen.<br />

Freud-<strong>Brühlmeier</strong>-<strong>Traum<strong>de</strong>utung</strong>.doc <strong>Brühlmeier</strong>: <strong>Die</strong> Psychoanalyse Sigmund Freuds Seite 3 von 3

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