18.02.2014 Aufrufe

Die Bielefelder Bibel

Weisheit

Weisheit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Die</strong><br />

<strong>Bielefelder</strong><br />

<strong>Bibel</strong>


Weisheiten


Das Buch Ijob<br />

<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Seite 00<br />

Seite 00<br />

Das Buch Der Sprichwörter<br />

Seite 00<br />

Das Buch kohelet<br />

Das Hohelied<br />

Seite 00<br />

Seite 00<br />

Das Buch Der Weisheit<br />

Das Buch Jesus Sirach<br />

Seite 00<br />

Seite 00


7 Status<br />

Das<br />

Buch<br />

Ijob


Inhalt<br />

I<br />

Prolog<br />

II<br />

<strong>Die</strong> Redewechsel mit den Freunden<br />

III<br />

Ijobs Herausforderungsreden<br />

IV<br />

<strong>Die</strong> Elihu-Reden<br />

V<br />

<strong>Die</strong> Reden Gottes<br />

VI<br />

Epilog<br />

Ijob<br />

8


DAS BUCH IJOB<br />

I<br />

1<br />

Es war ein Mann im Land Uz mit Namen Ijob. Er war untadelig und rechtschaffen,<br />

fürchtete Gott und mied das Böse. Ihm wurden sieben Söhne und<br />

drei Töchter geboren. Sein Besitz umfasste siebentausend Stück Kleinvieh,<br />

dreitausend Kamele, fünf hundert Joch Rinder, fünf hundert Eselinnen und<br />

ein zahlreiches Hausgesinde. So war der Mann mächtiger als alle Bewohner<br />

des Ostens. Seine Söhne pflegten im Haus eines jeden an dem ihm bestimmten<br />

Tag ein Gastmahl zu veranstalten. Dann sandten sie aus und<br />

luden auch ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.<br />

Jedes Mal, wenn die Tage des Gastmahls beendet waren, schickte Ijob, um<br />

sie zu reinigen. Früh am Morgen erhob er sich und brachte entsprechend<br />

ihrer Zahl Brandopfer dar. Denn Ijob dachte: Vielleicht haben meine Kinder<br />

gesündigt und Gott in ihrem Herzen geflucht. So hielt es Ijob jedes Mal.<br />

9 Ijob 0,00–0,00


2<br />

Eines Tages geschah es, dass die Gottessöhne kamen, um vor den Herrn<br />

hinzutreten. In ihrer Mitte erschien auch der Satan. Da sprach der Herr<br />

zum Satan: ›Woher kommst du?‹ Der Satan antwortete dem Herrn: ›Ich<br />

streifte auf der Erde umher und erging mich auf ihr.‹ Da sprach der Herr<br />

zum Satan: ›Hast du auch auf meinen Knecht Ijob Acht gegeben? Denn<br />

es gibt niemand auf der Erde wie ihn. Er ist untadelig und rechtschaffen,<br />

fürchtet Gott und meidet das Böse.‹ Der Satan erwiderte dem Herrn: ›Ist<br />

denn Ijob umsonst so gottesfürchtig? Hast du nicht selbst einen Zaun errichtet<br />

um ihn, sein Haus und all sein Eigentum ringsum? Das Werk seiner<br />

Hände hast du gesegnet und sein Besitz dehnt sich im Land aus. Doch<br />

strecke einmal deine Hand aus und rühre an all seinen Besitz. Wahrhaftig,<br />

er wird dir ins Angesicht fluchen!‹ Da sprach der Herr zum Satan: ›Siehe,<br />

alles, was er besitzt, ist in deine Hand gegeben. Nur gegen ihn selbst darfst<br />

du deine Hand nicht ausstrecken.‹ Darauf ging der Satan vom Angesicht<br />

des Herrn fort.<br />

Eines Tages aßen seine Söhne und Töchter im Haus ihres ältesten Bruders<br />

und tranken Wein. Da kam ein Bote zu Ijob und meldete: ›<strong>Die</strong> Rinder<br />

waren beim Pflügen und die Eselinnen weideten nebenan. Da fielen die Sabäer<br />

ein und raubten sie. Sie erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert.<br />

Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹ <strong>Die</strong>ser hatte noch<br />

nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und sprach: ›Feuer Gottes fiel<br />

vom Himmel, flammte unter den Schafen und den Knechten auf und verbrannte<br />

sie. Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹ <strong>Die</strong>ser<br />

hatte noch nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und sprach: ›<strong>Die</strong><br />

Chaldäer bildeten drei Heerhaufen, machten einen Überfall auf die Kamele<br />

und trieben sie fort. Sie erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert.<br />

Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹<br />

<strong>Die</strong>ser hatte noch nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und<br />

sprach: ›Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein im Haus ihres<br />

ältesten Bruders. Da kam plötzlich ein gewaltiger Sturmwind von jenseits<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

10


DAS BUCH IJOB<br />

der Wüste her und erfasste die vier Ecken des Hauses, sodass es über den<br />

jungen Leuten zusammenbrach und diese starben. Nur ich allein konnte<br />

entkommen, um es dir zu melden.‹ Da erhob sich Ijob, zerriss sein Obergewand,<br />

schor sein Haupt, fiel auf die Erde und betete. Dann sprach er: ›Nackt<br />

kam ich aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dorthin zurück.<br />

Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; der Name des Herrn sei gepriesen.‹<br />

Bei alledem sündigte Ijob nicht und machte Gott keinen Vorwurf.<br />

Eines Tages geschah es, dass die Gottessöhne kamen, um vor den Herrn<br />

hinzutreten. In ihrer Mitte erschien auch der Satan. Da sprach der Herr<br />

zum Satan: ›Woher kommst du?‹ Der Satan erwiderte dem Herrn: ›Ich<br />

streifte auf der Erde umher und erging mich auf ihr.‹ Da sprach der Herr<br />

zum Satan: ›Hast du auch auf meinen Knecht Ijob Acht gegeben? Denn<br />

es gibt niemand auf der Erde wie ihn. Er ist untadelig und rechtschaffen,<br />

fürchtet Gott und meidet das Böse. Er verharrt noch immer in seiner Untadeligkeit.<br />

Du aber hast mich umsonst gereizt, ihn zu verderben.‹ Der Satan<br />

erwiderte dem Herrn und sprach: ›Haut um Haut! Alles, was der Mensch<br />

besitzt, gibt er für sein Leben. Doch streck einmal deine Hand aus und<br />

rühr an sein Gebein und Fleisch. Wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen.‹<br />

Da sprach der Herr zum Satan: ›Wohlan, er sei in deiner Hand. Nur<br />

schone sein Leben.‹ Und der Satan ging vom Angesicht des Herrn fort.<br />

Er schlug Ijob mit bösartigem Geschwür von seiner Fußsohle bis zu<br />

seinem Scheitel. Er nahm sich eine Scherbe, um sich damit zu schaben,<br />

während er mitten in der Asche saß. Da sagte seine Frau zu ihm: ›Hältst du<br />

noch immer an deiner Makellosigkeit fest? Fluche Gott und stirb!‹ Er aber<br />

erwiderte ihr: ›Wie eine törichte Frau spricht, so redest auch du. Wenn wir<br />

das Gute von Gott annehmen, warum nicht auch das Böse?‹ Bei all dem<br />

sündigte Ijob nicht mit seinen Lippen.<br />

11 Ijob 0,00–0,00


DAS BUCH IJOB<br />

Drei Freunde Ijobs hörten von all dem Unglück, das über ihn gekommen<br />

war, und ein jeder kam von seiner Heimat, Elifas aus Teman, Bildad aus<br />

Schuach und Zofar aus Naama. Sie verabredeten untereinander, hinzugehen,<br />

um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und ihn zu trösten. Als sie von<br />

fern auf blickten, erkannten sie ihn nicht. Sie erhoben ihre Stimme und begannen<br />

zu weinen, zerrissen alle ihr Obergewand und streuten Asche auf<br />

ihr Haupt gegen den Himmel. Sieben Tage und sieben Nächte saßen sie neben<br />

ihm auf der Erde und keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen,<br />

dass sein Schmerz übergroß war.<br />

II<br />

3<br />

Danach öffnete Ijob seinen Mund und verfluchte<br />

den Tag seiner Geburt.<br />

Ijob ergriff das Wort und sprach:<br />

›Vergehen soll der Tag, an dem ich geboren wurde,<br />

die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen.<br />

Ja, dieser Tag, er werde Finsternis!<br />

Nicht sorge sich um ihn Gott droben,<br />

nicht leuchte über ihn des Tages Licht.<br />

Einfordern sollen ihn Finsternis und Dunkelheit,<br />

Gewölk soll über ihn sich lagern,<br />

schrecklich mache ihn Finsternis am Tag.<br />

Jene Nacht raffe das Dunkel hinweg.<br />

Nicht reihe sie sich in die Tage des Jahres<br />

und füge sich nicht in die Zahl der Monde!<br />

Ja, diese Nacht sei unfruchtbar,<br />

nicht steige ein Jubellaut in ihr auf!<br />

Verwünschen sollen sie die Verflucher der Tage,<br />

die es verstehn, Leviatan zu reizen.<br />

Verfinstert seien ihrer Dämmerung Sterne;<br />

Sie harre auf Licht, doch es gebe keins;<br />

die Wimpern der Morgenröte schaue sie nicht,<br />

weil sie nicht die Pforten des Mutterleibs schloss<br />

und nicht verbarg das Leid vor meinen Augen.<br />

Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg,<br />

trat aus dem Mutterleib und starb dahin?<br />

Warum kamen Knie mir entgegen<br />

und warum Brüste, dass ich daran sog?<br />

Dann läge ich jetzt still und hätte Ruhe,<br />

entschlafen wäre ich und hätte Frieden<br />

so gut wie Könige und Ratsherren im Land,<br />

die Grabkammern für sich eingerichtet,<br />

oder wie Fürsten, reich an Gold,<br />

die ihre Wohnungen mit Silber füllten.<br />

Wie die verscharrte Fehlgeburt wär’ ich,<br />

die nicht gelebt,<br />

wie Kinder, die das Licht noch nie geschaut.<br />

Dort stehen die Frevler ab von ihrem Grimm,<br />

dort finden Ruhe auch die Krafterschöpften.<br />

<strong>Die</strong> Gefangenen sind sorglos miteinander<br />

und hören nicht mehr die Stimme des Treibers.<br />

Der Arme und der Reiche sind dort gleich,<br />

der Sklave ist dort frei von seinem Herrn.<br />

Ijob 2,11–3,19<br />

12


<strong>Die</strong> Redewechsel mit den Freunden<br />

Warum gab er den Leidbeladenen Licht,<br />

verlieh das Leben den Verbitterten?<br />

Sie harren auf den Tod, der doch nicht kommt,<br />

und suchen ihn mehr als verborgene Schätze.<br />

Sie wären froh über einen Grabhügel<br />

und würden jauchzen, fänden sie ein Grab.<br />

(Warum solch ein Geschenk) dem Mann,<br />

der keinen Weg mehr sieht,<br />

den Gott von allen Seiten eingezäunt?<br />

Bevor ich noch esse, muss ich seufzen,<br />

wie Wasser strömen meine Klagen aus.<br />

Wovor mir bangte, das kam über mich,<br />

was ich befürchtet, traf mich auch.<br />

Ich finde keinen Frieden, keine Rast.<br />

Noch war ich nicht zur Ruhe gekommen,<br />

schon kam (neues) Unheil.‹<br />

4<br />

Da antwortete Elifas von Teman und sprach:<br />

›Wirst du verdrießlich, wenn wir zu dir sprechen?<br />

Doch wer vermag das Wort zurückzuhalten?<br />

Sieh doch, schon viele hast du aufgemuntert,<br />

und schlaffen Händen hast du Kraft verliehen.<br />

Dein Zuspruch stützte den, der strauchelte,<br />

du stärktest Wankenden die Knie.<br />

Nun kommt es über dich – da bist du mutlos.<br />

Da es auch dich erfasst, bist du bestürzt.<br />

Ist deine Gottesfurcht nicht deine Hoffnung<br />

und deine Zuversicht dein frommer Wandel?<br />

Bedenke doch! Wer ging wohl<br />

ohne Schuld zugrunde?<br />

Wo gingen Redliche einmal verloren?<br />

Soviel ich wahrnahm: <strong>Die</strong> Unrecht pflügten,<br />

und Mühsal säten, die ernteten es auch.<br />

Durch Gottes Atem gehen sie zugrunde<br />

und schwinden hin durch seines Zornes Hauch.<br />

Des Löwen Brüllen, des Leuen Knurren<br />

und der jungen Löwen Zähne werden enttäuscht.<br />

Der Löwe stirbt dahin aus Beutemangel,<br />

und es zerstreuen sich der Löwin Junge.<br />

Es stahl zu mir sich ein geheimes Wort,<br />

mein Ohr erfasste davon ein Geflüster.<br />

Im Grübeln und bei Nachtgesichten,<br />

wenn tiefer Schlaf den Menschen überfällt,<br />

traf mich Entsetzen und Erzittern<br />

und ließ erschaudern alle meine Glieder.<br />

13<br />

Ijob 3,12– 4,14


Ein Hauch glitt über mein Gesicht dahin,<br />

es sträubten sich die Haare meines Leibes.<br />

Es stand da – ich erkannt’ sein Aussehn nicht.<br />

Ein Wesen stand vor meinen Augen da,<br />

das Flüstern einer Stimme hörte ich:<br />

Ist wohl ein Mensch vor Gott gerecht?<br />

Ist rein ein Mann vor seinem Schöpfer?<br />

Selbst seinen <strong>Die</strong>nern traut er nicht,<br />

wirft seinen Boten noch den Irrtum vor.<br />

Wie erst jene, die im Lehmhaus wohnen,<br />

die auf den Staub gegründet sind,<br />

die man schneller noch zerdrückt als eine Motte!<br />

Vom Morgen bis zum Abend werden<br />

sie zerschlagen.<br />

Für immer gehen sie zugrunde,<br />

niemand denkt an sie.<br />

Wird ihnen dann der Zeltpflock ausgerissen,<br />

so sterben sie dahin und ohne Einsicht.‹<br />

5<br />

›Erheb die Stimme! Wer erteilt dir Antwort?<br />

An welchen Heiligen willst du dich wenden?<br />

Fürwahr, der Ärger mordet einen Toren,<br />

und einen Narren bringt der Eifer um.<br />

Ich selbst sah einen Toren Wurzel fassen;<br />

doch plötzlich sank sein Wohnsitz morsch dahin.<br />

Und fern vom Heil waren seine Söhne.<br />

Im Tor wurden ohne Anwalt sie zertreten.<br />

Was sie geerntet hatten, aß der Hungernde,<br />

noch aus Dornen holt er sich ’s heraus;<br />

es schnappten Durstige nach ihrem Gut.<br />

Denn aus der Erde geht kein Unheil auf,<br />

und aus dem Ackerboden sprosst kein Leid,<br />

sondern der Mensch ist zum Unglück geboren,<br />

wie Feuerfunken sich im Flug erheben.<br />

Doch ich – ich würde Gott befragen,<br />

Gott meine Sache unterbreiten,<br />

der Großes schafft und Unerforschliches<br />

und Wunderbares ohne Zahl,<br />

der Regen spendet über die Erde hin<br />

und Wasser sendet auf die weiten Fluren,<br />

der Niedrige erhebt,<br />

und Trauernde das höchste Glück erfahren lässt,<br />

der zunichte macht die Pläne der Schlauen,<br />

dass ihren Händen kein Erfolg beschieden ist,<br />

der Weise fängt in ihrer eignen List,<br />

dass der Verschlagnen Plan sich überstürzt.<br />

Bei Tag stoßen sie auf Finsternis<br />

und tasten wie bei Nacht umher am Mittag.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

14


DAS BUCH IJOB<br />

Er rettet vor dem Schwert ihres Mundes<br />

und aus der Hand des Mächtigen den Armen.<br />

So blüht dem Armen eine Hoffnung auf;<br />

die Bosheit aber muss den Mund verschließen.<br />

Ja, glücklich ist der Mann, den Gott zurechtweist.<br />

Verschmähe nicht die Zucht des Allmächtigen!<br />

Denn wenn er verwundet, dann verbindet er auch;<br />

wenn er zerschmettert, heilen seine Hände.<br />

In Ängsten wird er sechsmal dich erretten,<br />

und beim siebten Mal packt das Leid dich nicht.<br />

In Hungersnot erlöst er dich vom Tode,<br />

zur Zeit des Krieges aus der Hand des Schwertes.<br />

Du bist geborgen vor der Zunge Geißel;<br />

naht sich der Räuber, brauchst du<br />

nicht zu fürchten.<br />

Du spottest über Verwüstung und Hunger;<br />

die wilden Tiere können dich nicht schrecken.<br />

Mit den Steinen des Feldes stehst du im Bunde,<br />

und das Getier des Feldes lebt mit dir im Frieden.<br />

Du wirst erfahren: in Frieden bleibt dein Zelt,<br />

wirst mustern deine Flur und nichts vermissen.<br />

Du wirst erleben, wie sich deine<br />

Nachkommenschaft mehrt,<br />

und deine Sprösslinge wie das Gras der Erde.<br />

Im reifen Alter steigst du ins Grab,<br />

wie man zu ihrer Zeit die Garben sammelt.<br />

Sieh, dieses haben wir erforscht: so ist es.<br />

Wir haben es gehört. Du aber merk es dir!‹<br />

6<br />

Da antwortete Ijob und sprach:<br />

›Wenn doch mein Ärger gewogen werden könnte<br />

und zugleich mein Unglück auf der Waage läge!<br />

Dann wäre es schwerer als der Sand des Meeres.<br />

Darum verwirren sich meine Worte.<br />

<strong>Die</strong> Pfeile des Allmächtigen stecken in mir.<br />

Es hat mein Geist ihr Gift getrunken.<br />

<strong>Die</strong> Schrecken Gottes stehen gegen mich.<br />

Schreit denn der wilde Esel beim Gras?<br />

Und brüllt vor seinem Futter der Stier?<br />

Wird etwa Fades ohne Salz gegessen?<br />

Ist denn am Schleim des Dotters Wohlgeschmack?<br />

Ich sträube mich, daran zu rühren,<br />

mich ekelt vor so widerlicher Speise.<br />

15 Ijob 0,00–0,00


Dass doch mein Verlangen sich erfüllte,<br />

und Gott gewährte, was ich mir ersehne!<br />

Gefiele es doch Gott, mich zu zermalmen!<br />

Erhöb’ er seine Hand, mich abzuschneiden!<br />

Es würde das mein Trost noch bleiben.<br />

Auf hüpfen würd’ ich trotz des schonungslosen<br />

Schmerzes,<br />

dass ich des Heiligen Worte nicht verleugnet.<br />

Wo ist denn meine Kraft, um auszuharren?<br />

Wann kommt mein Ende, dass ich mich gedulde?<br />

Ist meine Kraft denn eine Felsenkraft?<br />

Ist denn mein Leib aus hartem Erz geformt?<br />

Gibt es denn keine Hilfe mehr für mich?<br />

Und ist denn jede Rettung mir entschwunden?<br />

Dem Nächsten Mitleid zu verweigern,<br />

das heißt die Furcht des Allmächtigen<br />

von sich zu werfen.<br />

Es täuschten meine Brüder wie ein Bach,<br />

so wie das Bett von Bächen, die vergehen.<br />

Vom Eis sind ihre Wasser trübe<br />

und von geschmolznem Schnee.<br />

Zur Zeit der Hitze müssen sie vergehen.<br />

Wird ’s heiß, versiegen sie in ihrem Bett.<br />

<strong>Die</strong> Karawanen biegen ab vom Weg,<br />

folgen ihnen in die Wüste, geh’n zugrunde.<br />

Nach ihnen spähen Temas Karawanen,<br />

auf sie vertrauen Sabas Handelszüge.<br />

In ihrer Hoffnung werden sie betrogen,<br />

bei ihnen angekommen, werden sie enttäuscht.<br />

So seid ihr jetzt für mich geworden;<br />

ihr schaut das Schreckliche und fürchtet euch.<br />

Hab’ ich denn je gebeten: Schenkt mir etwas,<br />

von euerem Reichtum spendet was für mich,<br />

befreit mich aus der Hand des Feindes,<br />

aus der Tyrannen Hand kauft mich doch los?<br />

Belehrt mich, so will ich schweigen!<br />

Was ich gefehlt, das macht mir kund!<br />

Wie werden offene Worte nur verhöhnt!<br />

Und was vermag denn euer Tadeln?<br />

Gedenkt ihr Worte nur zu tadeln?<br />

Sind Wind die Worte des Verzweifelten?<br />

Selbst über eine Waise würfet ihr das Los<br />

und würdet eueren Freund verschachern.<br />

Nun habt die Güte, wendet euch mir zu,<br />

ich lüge euch gewiss nicht ins Gesicht.<br />

Kehrt wieder um! Kein Unrecht soll geschehen.<br />

Kehrt wieder um! Mein Recht besteht noch immer.<br />

Ist Unrecht denn auf meiner Zunge,<br />

oder schmeckt mein Gaumen das Verderben nicht?‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

16


DAS BUCH IJOB<br />

7<br />

›Ist Frondienst nicht des Menschen Los auf Erden?<br />

Sind seine Tage nicht wie die des Tagelöhners?<br />

Wie einem Sklaven, der nach Schatten lechzt,<br />

wie einem Tagelöhner, der den Lohn erwartet,<br />

so wurden Monde voll Enttäuschung mir zum Erbe,<br />

und Nächte voller Qualen teilte man mir zu.<br />

Lege ich mich nieder, denke ich:<br />

Wann kann ich aufstehen?<br />

Und wird es Abend, bin ich erfüllt mit Unrast<br />

bis zur Dämmerung.<br />

Mein Leib hüllt sich in Maden und in Schorf,<br />

die Haut schrumpft mir zusammen und sie eitert.<br />

<strong>Die</strong> Tage sind mir schneller als das Weberschiffchen<br />

sie schwinden ohne Hoffnung hin.<br />

Bedenke, dass mein Leben nur ein Hauch ist.<br />

Nie wieder schaut mein Auge Glück.<br />

Mich sieht keines Menschen Auge wieder,<br />

suchen deine Augen mich, so bin ich nicht mehr da.<br />

<strong>Die</strong> Wolke schwindet, flieht dahin;<br />

so steigt nicht wieder auf, wer in die Unterwelt<br />

hinabfuhr.<br />

Nie kehrt er in sein Haus zurück;<br />

nie sieht ihn seine Heimat wieder.<br />

Auch ich will meinem Mund nicht wehren,<br />

will reden in den Ängsten meines Geistes,<br />

will klagen in den Qualen meiner Seele.<br />

Bin ich das Meer, der Meeresdrache,<br />

dass du gegen mich eine Wache stellst?<br />

Denke ich: Mein Lager soll mich trösten,<br />

mein Bett an meinem Jammer tragen helfen,<br />

dann schreckst du mich durch Träume,<br />

und durch Gesichte jagst du mich in Angst.<br />

Ich möchte die Erdrosselung mir wünschen:<br />

der Tod ist lieber mir als meine Schmerzen.<br />

Schon schwinde ich hin; nicht ewig kann ich leben.<br />

Lass ab von mir, denn nur ein Hauch<br />

sind meine Tage.<br />

Was ist der Mensch, dass du so hoch ihn achtest<br />

und dich um ihn bekümmerst,<br />

dass du ihn aufsuchst jeden Morgen<br />

und jeden Augenblick ihn prüfst?<br />

Wie lange schon schaust du nicht weg von mir?<br />

Du gibst mir keine Ruh’, dass ich<br />

den Speichel schlucke.<br />

17 Ijob 0,00–0,00


8<br />

Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:<br />

›Wie lange noch willst du so reden?<br />

Ein wilder Sturm sind deines Mundes Worte.<br />

Beugt etwa Gott das Recht?<br />

Beugt der Allmächtige denn die Gerechtigkeit?<br />

Haben deine Söhne gegen ihn gesündigt,<br />

gab er sie ihrem eigenen Frevel preis.<br />

Wenn du selbst nach Gott suchst<br />

und zum Allmächtigen um Gnade flehst,<br />

wenn du lauter bist und redlich,<br />

dann hält er Wache über dich<br />

und stellt dein Heim gebührend wieder her.<br />

Wäre auch dein erstes Glück gering gewesen,<br />

dein Ende wäre groß und herrlich.<br />

Denn frage nur das frühere Geschlecht,<br />

und merke dir, was ihre Väter forschten.<br />

Wir sind von gestern nur und wissen nichts.<br />

Wie Schatten sind auf Erden unsre Tage.<br />

Hab’ ich gefehlt, was tat ich dir, du Menschenprüfer?<br />

Was machst du mich zum Ziele deines Angriffs,<br />

und warum wurd’ ich dir zur Last?<br />

Warum verzeihst du meine Sünde nicht,<br />

siehst über meine Schuld nicht weg?<br />

Denn legte ich mich nieder in den Staub<br />

und suchtest du nach mir, ich wäre<br />

nicht mehr da.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

18


DAS BUCH IJOB<br />

Lehren sie dich etwa nicht und sprechen nicht zu dir,<br />

und bringen sie aus ihrem Wissen<br />

keinen Spruch hervor:<br />

Schießt denn das Schilfrohr ohne Sumpf empor?<br />

Wächst denn das Riedgras ohne Wasser auf?<br />

Noch ist ’s in Blüte, für den Schnitt nicht reif,<br />

und doch verdorrt es schon vor allen Gräsern.<br />

So geht es allen, die Gott vergessen.<br />

Zunichte wird des Gottlosen Erwartung.<br />

Nur Sommerfäden bilden seine Hoffnung,<br />

ein Spinngewebe seine Zuversicht.<br />

Er stützt sich auf sein Haus, es hält nicht stand;<br />

er greift danach, doch bleibt es nicht bestehen.<br />

Im Sonnenlichte steht er voller Saft,<br />

den Garten überwuchern seine Sprossen.<br />

Im Steingeröll verflechten seine Wurzeln sich;<br />

zwischen Steinen hält er sich fest.<br />

Entreißt man ihn von seiner Stätte,<br />

verleugnet sie ihn: Niemals sah ich dich.<br />

Fürwahr, so wird er auf dem Weg verkommen,<br />

und Fremde sprossen aus dem Boden auf.<br />

Sieh, Gott verwirft den Frommen nicht,<br />

noch hält er fest die Hand der Übeltäter.<br />

Mit Lachen wird er deinen Mund noch füllen<br />

und deine Lippen mit Jubelsang.<br />

Doch die dich hassen, kleiden sich in Schande;<br />

das Zelt der Übeltäter wird verschwinden.‹<br />

9<br />

Da antwortete Ijob und sprach:<br />

›Wahrhaftig, ich weiß, dass es so ist.<br />

Wie wäre ein Mensch vor Gott im Recht?<br />

Selbst wenn er mit ihm rechten wollte,<br />

auf keins von tausend könnte er ihm Rede stehen.<br />

Klug ist er an Verstand und stark an Kraft.<br />

Wer könnte ihm trotzen und blieb heil dabei?<br />

<strong>Die</strong> Berge rückt er fort, sie merken es nicht,<br />

dass er in seinem Zorn sie umstürzt.<br />

Er erschüttert die Erde an ihrer Stätte,<br />

und ihre Säulen wanken hin und her.<br />

Er spricht zur Sonne und sie geht nicht auf,<br />

verschließt die Sterne unter seinem Siegel.<br />

Er spannt allein den Himmel aus<br />

und schreitet dahin auf den Wogen des Meeres.<br />

Er schuf den Bären, den Orion,<br />

auch die Plejaden und des Südens Kammern.<br />

Er schuf so Großes, Unerforschliches,<br />

Wunderbares ohne Zahl.<br />

Geht er an mir vorbei, seh’ ich ihn nicht;<br />

fährt er daher, bemerke ich ihn nicht.<br />

Rafft er hinweg, wer kann ihm wehren?<br />

19 Ijob 0,00–0,00


Wer darf ihm sagen: Was beginnst du da?<br />

Nie widerruft Gott seine Zornesstrafe;<br />

selbst Rahabs Helfer müssten unter ihm sich beugen.<br />

Wie könnte ich ihm Antwort stehen,<br />

auswählen meine Worte gegen ihn?<br />

Wär’ ich im Recht, ich könnte nichts erwidern;<br />

zu meinem Richter müsste ich um Gnade flehen.<br />

Doch wenn ich riefe, würde er mir Antwort geben?<br />

Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.<br />

Er tritt im Sturm mich nieder,<br />

mehrt grundlos meine Wunden.<br />

Er lässt mich nicht zu Atem kommen,<br />

er sättigt mich vielmehr mit Bitterkeiten.<br />

Geht es um Kraft, er ist der Starke,<br />

geht es um ’s Recht, wer lädt ihn vor?<br />

Wär’ ich im Recht, sein Mund<br />

kann mich verdammen,<br />

und wär’ ich schuldlos, spräche er mich schuldig.<br />

Unschuldig bin ich, doch kümmre ich<br />

mich nicht mehr um mein Leben,<br />

mein Dasein achte ich gering.<br />

Nur eins ist wahr, darum sprech’ ich es aus:<br />

Unschuldige und Frevler rafft er hin.<br />

Wenn er mit seiner Geißel plötzlich tötet,<br />

dann spottet er über der Schuldlosen Angst.<br />

<strong>Die</strong> Erde ist in Frevlerhände gegeben;<br />

das Gesicht ihrer Richter verhüllt er.<br />

Ist er es nicht, wer ist es dann?<br />

Schneller als ein Läufer eilen meine Tage;<br />

sie schwinden hin und schauen doch kein Glück.<br />

Sie gleiten schnell wie Binsennachen hin;<br />

gleichwie der Adler, der auf Beute stößt.<br />

Denke ich: Vergessen will ich meinen Jammer,<br />

meine Miene ändern, wieder heiter schauen,<br />

so graut es mir vor allen meinen Schmerzen.<br />

Ich weiß es doch, du sprichst mich niemals frei.<br />

Ich muss nun einmal schuldig sein.<br />

Weshalb soll ich vergeblich mich bemühen?<br />

Wenn ich auch mit Schnee mich waschen wollte<br />

und meine Hände reinigen mit Lauge,<br />

dann würdest du mich doch in Unrat tauchen,<br />

dass meine Kleider vor mir Ekel hätten.<br />

Er ist kein Mensch wie ich, dass ich<br />

ihm sagen könnte:<br />

Lasst uns zusammen zum Gerichte gehen!<br />

Es gibt doch keinen Schiedsmann zwischen uns,<br />

der auf uns beide legte seine Hand.<br />

Er würde seinen Stock von mir entfernen,<br />

dass seine Schrecken mich nicht weiter quälten.<br />

Dann wollt’ ich reden, ohne ihn zu fürchten.<br />

Doch das ist nicht der Fall bei mir.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

20


DAS BUCH IJOB<br />

10<br />

›Es ekelt mich vor meinem eigenen Leben,<br />

ich lasse meiner Klage freien Lauf,<br />

will aus der Trübsal meiner Seele reden.<br />

Beschwören will ich Gott: Verdamm mich nicht!<br />

Lass wissen mich, warum du mich befehdest!<br />

Bringt ’s einen Nutzen dir, wenn du<br />

Gewalt gebrauchst,<br />

wenn du verschmähst das Kunstwerk deiner Hände,<br />

doch über dem Plan der Sünder strahlend<br />

sichtbar wirst?<br />

Sind deine Augen denn aus Fleisch gebildet,<br />

und siehst du so, wie Menschenaugen sehen?<br />

Sind Menschentagen deine Tage gleich<br />

und deine Jahre wie des Mannes Tage,<br />

dass du nach meiner Sünde suchst<br />

und nur um meine Schuld dich kümmerst,<br />

obschon du weißt, dass ich kein Sünder bin<br />

und niemand mich aus deiner Hand befreit?<br />

Mich formten und erschufen deine Hände;<br />

nun willst du – anderen Sinnes – mich vernichten.<br />

Gedenke doch, dass du aus Ton mich formtest.<br />

Nun willst du wieder mich in Staub verwandeln.<br />

Hast du mich nicht wie Milch einst ausgegossen<br />

und mich wie Käse fest gerinnen lassen?<br />

Bekleidet hast du mich mit Haut und Fleisch,<br />

mit Knochen und mit Sehnen mich durchflochten.<br />

Auch hast du Leben mir verlieh’n und Huld.<br />

Es schützte deine Obhut meinen Geist.<br />

Und doch verbargst du dies in deinem Herzen;<br />

ich weiß, du hattest dies im Sinn.<br />

Wenn ich gesündigt, lauerst du mir auf,<br />

willst mich von meiner Sünde nicht befreien.<br />

Wenn ich schuldig wäre, wehe mir!<br />

Wäre ich gerecht, ich dürfte nicht<br />

mein Haupt erheben,<br />

von Schmach gesättigt und getränkt mit Elend.<br />

21 Ijob 0,00–0,00


11<br />

Da entgegnete Zofar aus Naama und sprach:<br />

›Soll dieser Wortschwall keine Antwort finden?<br />

Soll denn ein solcher Maulheld Recht behalten?<br />

Dein Geschwätz lässt Männer schweigen;<br />

du höhnst und keiner wagt zu widersprechen.<br />

Du sagtest also: Rein ist meine Lehre,<br />

und lauter war ich stets in deinen Augen.<br />

Indessen, wollte Gott doch einmal reden<br />

und seine Lippen öffnen gegen dich!<br />

Er würde dich der Weisheit Tiefen lehren,<br />

die wie ein Wunder dem Verstande sind.<br />

Und wisse: Gott zieht deine Schuld<br />

zur Rechenschaft!<br />

Kannst du den Urgrund Gottes denn erforschen,<br />

bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen gelangen?<br />

Höher als der Himmel ist sie – was willst<br />

du beginnen?<br />

Tiefer als die Unterwelt – was kannst du wissen?<br />

Nach ihrem Maße länger als die Erde<br />

und breiter ist sie als das Meer.<br />

Fährt er daher und nimmt gefangen<br />

und überliefert dem Gericht – wer wird ihm wehren?<br />

Er kennt die Menschen voller Falschheit<br />

und sieht die Sünde, nimmt sie wahr.<br />

Erhebe ich es doch, jagst du mich wie ein Löwe,<br />

betätigst deine Wundermacht an mir,<br />

stellst neue Zeugen gegen mich auf<br />

und mehrest deinen Ingrimm gegen mich,<br />

stets frische Truppen kämpfen<br />

unablässiggegen mich.<br />

Weshalb zogst du mich aus dem Mutterschoß?<br />

Wär’ ich gestorben, ehe mich ein Auge sah!<br />

Wie wenn ich nie gewesen, wär’ ich dann.<br />

Vom Mutterschoß wär’ ich zum Grab getragen.<br />

Sind nicht gering die Tage meines Lebens?<br />

Blick weg von mir, dass ich mich etwas freue,<br />

bevor ich fortgeh’ ohne Wiederkehr<br />

ins Land des Dunkels und des Schattens,<br />

ins Land der Finsternis, wo keine Ordnung,<br />

wo, wenn es leuchtet, ist ’s wie tiefe Nacht!‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

22


DAS BUCH IJOB<br />

Da kommt sogar ein Hohlkopf zur Besinnung,<br />

ein unbändiger Wildesel wird zahm.<br />

Wenn du dein Inneres bereitest<br />

und deine Hände zu ihm breitest,<br />

Wenn du aus deiner Hand das Unrecht fortschaffst,<br />

der Frevel nicht in deinem Zelte wohnt,<br />

ja, dann kannst du dein Haupt auch rein erheben,<br />

stehst fest gesichert, brauchst dich nicht zu fürchten.<br />

Denn dann wirst du das Ungemach vergessen<br />

und denkst daran wie an verlaufne Wasser.<br />

Dann strahlt dein Leben heller als der Mittag,<br />

die Dunkelheit wird wie der Morgen sein.<br />

Du fühlst dich sicher, da die Hoffnung bleibt,<br />

bist wohlbeschirmt und legst dich ruhig schlafen.<br />

Willst du dich lagern, niemand schreckt dich auf.<br />

Doch viele sind ’s, die dein Gesicht umschmeicheln.<br />

Indes, der Frevler Augen schmachten hin;<br />

ihr Zufluchtsort geht ihnen dann verloren;<br />

ihr Hoffen ist, das Leben auszuhauchen.‹<br />

12<br />

Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />

›Wahrhaftig, ihr seid doch die rechten Leute.<br />

<strong>Die</strong> Weisheit wird mit euch noch untergehen.<br />

Ich habe auch Verstand wie ihr,<br />

nicht steh’ ich hinter euch zurück.<br />

Wer wüsste wohl dergleichen nicht?<br />

Ein Mann wird zum Gespött für seine Freunde,<br />

wenn er Gott anruft, dass er ihn erhört.<br />

Zum Spottlied wird der Fromme, der Gerechte!<br />

Dem Unglück Hohn! So denkt, wer ohne Sorge ist.<br />

Bereit ist er für solche, deren Füße wanken.<br />

Gesichert sind der Räuber Zelte<br />

und derer, die Gott reizen, voller Zuversicht,<br />

die Gott in ihre Hände bringen.<br />

Doch frage nur das Vieh, es wird dich lehren;<br />

des Himmels Vögel werden es dir künden.<br />

Das Wild wird dich belehren,<br />

erzählen werden ’s dir des Meeres Fische.<br />

Wer kann aus alledem es nicht erkennen,<br />

dass Gottes Hand all dies geschaffen hat?<br />

In seiner Hand ruht aller Lebensatem<br />

und eines jeden Menschenleibes Geist.<br />

Darf nicht das Ohr die Worte prüfen,<br />

gleichwie der Gaumen auch die Speisen kostet?<br />

<strong>Die</strong> Weisheit hält sich nicht bei Greisen auf,<br />

ein langes Leben gibt noch keine Einsicht.<br />

23 Ijob 0,00–0,00


Bei ihm (allein) ist Weisheit und auch Heldenkraft;<br />

bei ihm verweilen Rat und Einsicht.<br />

Was er zerstört, wird nicht mehr aufgebaut;<br />

und wen er einschließt, dem wird nicht geöffnet.<br />

Wenn er die Wasser hemmt, versiegen sie;<br />

lässt er sie frei, durchwühlen sie das Erdreich.<br />

Verstand und Einsicht sind ihm eigen,<br />

sein ist der Irrende und der Verführer.<br />

<strong>Die</strong> Ratsherrn lässt er töricht sein<br />

und macht zu Toren noch die Richter.<br />

Er löst die Fesseln los von Königen<br />

und bindet einen Strick um ihre Hüften.<br />

<strong>Die</strong> Priester lässt er barfuß gehen,<br />

und nieder wirft er Mächtige.<br />

<strong>Die</strong> Sprache nimmt er den Bewährten fort,<br />

und den Verstand entzieht er auch den Greisen.<br />

Er gießt Verachtung auf die Edlen aus,<br />

den Starken lockert er die Gürtel auf.<br />

Verborgenes enthüllt er aus dem Dunkel<br />

und zieht die Todesschatten an das Licht.<br />

Er hebt die Völker und vernichtet sie,<br />

er breitet Völker aus, dann wischt er sie hinweg.<br />

Des Landes Führern nimmt er den Verstand,<br />

lässt sie in wegeloser Wüste irren.<br />

Sie tappen ohne Licht im Dunkel vorwärts,<br />

und taumeln wie Betrunkene dahin.‹<br />

13<br />

›Seht! All das hat mein Auge wahrgenommen,<br />

mein Ohr gehört und es sich wohl gemerkt.<br />

Was ihr wisst, weiß ich auch;<br />

ich stehe euch nicht nach.<br />

Doch ich will zum Allmächtgen reden;<br />

mein Wunsch ist es, mich Gott gegenüber<br />

zu verteidigen.<br />

Ihr aber, ihr seid doch nur Lügentüncher,<br />

nur Ärzte, die nichts taugen, allesamt.<br />

Dass ihr doch endlich schweigen wolltet!<br />

Es würde euch als Weisheit gelten.<br />

Hört nur meinen Rechtsbeweis,<br />

merkt auf das Streiten meiner Lippen!<br />

Wollt ihr zu Gunsten Gottes Falsches reden<br />

und seinetwegen Lügen sprechen?<br />

Wollt ihr für ihn Partei ergreifen,<br />

vielleicht für Gott als Anwalt streiten?<br />

Erging es euch wohl gut, wenn er euch prüfte?<br />

Wollt ihr ihn täuschen, wie man Menschen täuscht?<br />

In harte Zucht wird er euch nehmen,<br />

wenn im Geheimen ihr parteiisch seid.<br />

Wird seine Hoheit euch nicht schrecken<br />

und nicht die Angst vor ihm euch überfallen?<br />

Es sind doch euere Sprüche Staub,<br />

Lehmschanzen nur sind euere Schanzen.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

24


DAS BUCH IJOB<br />

Schweigt vor mir, auf dass ich reden kann!<br />

Dann komme über mich, was kommen mag.<br />

Mein Fleisch will ich in meinen Zähnen tragen;<br />

mein Leben nehme ich in meine Hand.<br />

Er töte mich! Ich warte schon auf ihn.<br />

Doch meinen Wandel leg’ ich vor ihm dar.<br />

Schon das muss mir zu meiner Rettung dienen;<br />

denn vor sein Antlitz kann kein Frevler treten.<br />

Wollt doch genau auf meine Worte hören,<br />

in euere Ohren dringe meine Kunde!<br />

Seht doch, ich bringe meinen Rechtsfall vor.<br />

Ich weiß, dass ich im Rechte bin.<br />

Wer ist es, der mit mir zum Rechtsstreit kommt?<br />

Denn dann verstummte ich und stürbe.<br />

Nur zweierlei tu mir nicht an,<br />

dann werde ich mich nicht vor dir verbergen:<br />

Zieh deine Hand von mir zurück,<br />

nicht soll die Angst vor dir mich schrecken.<br />

Dann lade vor und ich will Antwort stehen;<br />

will ich dann sprechen, so entgegne du.<br />

Wie groß sind meine Sünden und Vergehen?<br />

Tu meine Schuld und Missetat mir kund!<br />

Warum verhüllst du denn dein Angesicht<br />

und wertest mich als einen Feind für dich?<br />

Willst du verwehtes Laub aufscheuchen<br />

und dürre Stoppeln noch verfolgen?<br />

Denn du hast Bitterkeiten mir verschrieben,<br />

teilst mir die Sünden meiner Jugend zu.<br />

Meine Füße hast du in den Block gelegt,<br />

bewachst auch alle meine Pfade<br />

und zeichnest einen Strich um meiner Füße Sohlen.<br />

Wie ein vermodernd Holz zerfällt mein Leben<br />

und wie ein Kleid, an dem die Motten nagen.‹<br />

25 Ijob 0,00–0,00


14<br />

›Der Mensch, von der Frau geboren,<br />

an Tagen arm, mit Sorgen nur gesättigt,<br />

wie eine Blume blüht er und verwelkt,<br />

entflieht dem Schatten gleich, bleibt nicht bestehen.<br />

Auch hältst du über ihm dein Auge offen<br />

und bringst ihn gar vor deinen Richterstuhl.<br />

Kann denn ein Reiner von Unreinem kommen?<br />

Auch nicht ein einziger!<br />

Wenn fest bestimmt sind seine Tage<br />

und seiner Monde Zahl bei dir,<br />

wenn du ihm ein Ziel gesetzt, das er<br />

nicht überschreite,<br />

schau weg von ihm und lass ihn nur,<br />

damit er wie ein Lohnknecht seines Tags sich freue.<br />

Denn für den Baum besteht noch eine Hoffnung;<br />

er treibt empor, auch wenn er abgehauen;<br />

sein Schössling bleibt nicht aus.<br />

Wenn seine Wurzel in der Erde altert,<br />

und selbst sein Stumpf im Boden stirbt,<br />

schon vom Geruch des Wassers wird er sprossen<br />

und treibt Gezweig dem Setzling gleich hervor.<br />

Der Mann dagegen stirbt und sinkt dahin,<br />

der Mensch verscheidet. – Doch wo bleibt er dann?<br />

<strong>Die</strong> Wasser schwinden aus dem Meer,<br />

der Fluss vertrocknet und versiegt.<br />

So legt der Mensch sich hin und steht nicht auf;<br />

die Himmel werden untergehen, eh’ er erwacht,<br />

eh’ er aus seinem Schlaf geweckt wird.<br />

Dass du mich verstecktest in der Unterwelt,<br />

mich bergen wolltest, bis dein Zorn sich wendet,<br />

mir setztest eine Frist und mein gedächtest!<br />

Stirbt ein Mensch, lebt er dann wieder auf?<br />

All meine <strong>Die</strong>nstzeit wollt’ ich gerne warten,<br />

bis einer käme, um mich abzulösen.<br />

Du würdest rufen und ich gäbe Antwort.<br />

Sehnsucht hättest du nach deiner Hände Werk.<br />

Du würdest meine Schritte zählen,<br />

nicht mehr wachen über meinen Fehltritt.<br />

Versiegelt läg’ im Beutel mein Vergehen;<br />

du würdest meinen Frevel übertünchen.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

26


DAS BUCH IJOB<br />

15<br />

Da entgegnete Elifas von Teman und sprach:<br />

›Antwortet denn ein Weiser nur mit<br />

windigem Wissen?<br />

Füllt er sein Inneres mit Ostwind an,<br />

zu rechten mit Gerede, das nicht taugt,<br />

mit Worten, welche keinen Nutzen schaffen?<br />

Du brichst sogar die Gottesfurcht,<br />

zerstörst vor Gott die Andachtsstille.<br />

Doch deine Schuld macht deinen Mund beredt;<br />

die Sprache der Listigen hast du gewählt.<br />

Nicht ich, dein eigner Mund verurteilt dich,<br />

und deine Lippen zeugen gegen dich.<br />

Bist du als erster Mensch geboren?<br />

Kamst du zur Welt schon vor den Hügeln?<br />

Hast du gelauscht in Gottes Ratsversammlung?<br />

Hast du die Weisheit ganz an dich gerissen?<br />

Was weißt denn du, das wir nicht selber wissen,<br />

verstehst du, was man nicht auch uns gegeben?<br />

Bei uns verweilen Alte und Ergraute,<br />

die älter sind an Tagen als dein Vater.<br />

Ist zu gering dir Gottes Tröstung,<br />

das Wort, das sanft mit dir verfährt?<br />

Was reißt dein Herz dich fort,<br />

und warum rollen deine Augen,<br />

dass gegen Gott du deinen Zorn gewandt<br />

und Lästerungen ausstößt gegen ihn?<br />

Jedoch ein Berg wird einmal fallen,<br />

ein Felsblock rückt von seiner Stelle,<br />

Wasser wäscht die Steine aus,<br />

Platzregen schwemmt das Erdreich fort,<br />

so rottest du des Menschen Hoffnung aus.<br />

Für immer schlägst du ihn zu Boden – er geht dahin,<br />

entstellst sein Angesicht und schickst ihn fort.<br />

Sind seine Kinder auch geehrt, er weiß es nicht;<br />

sind sie verachtet, er bemerkt es nicht.<br />

Sein Leib empfindet nur die eigenen Schmerzen,<br />

es trauert seine Seele einzig um sich selbst.‹<br />

27 Ijob 0,00–0,00


Was ist der Mensch, dass rein er wäre,<br />

der von der Frau Geborene, dass er im Recht<br />

sein könnte?<br />

Sieh doch, selbst seinen Heiligen traut er nicht,<br />

der Himmel ist nicht (einmal) rein in seinen Augen.<br />

Viel weniger ein ganz Verdorbener,<br />

ein Mensch, der Sünde trinkt wie Wasser!<br />

Ich will dir künden, höre du mir zu!<br />

Was ich geschaut, will ich erzählen,<br />

was weise Menschen zu verkünden wissen<br />

und ihre Väter ihnen nicht verhehlten.<br />

Das Land ward ihnen nur allein gegeben;<br />

kein Fremdling zog umher in ihrer Mitte.<br />

Der Frevler leidet Qualen alle Tage,<br />

die Zeit, die dem Tyrannen zugeteilt.<br />

In seinen Ohren hallen Schreckensrufe,<br />

in Friedenszeit kommt der Verwüster über ihn.<br />

Er kann nicht hoffen, aus dem Dunkel zu entfliehen;<br />

denn er ist ausersehen für das Schwert.<br />

Er ist bestimmt zum Fraß des Geiers;<br />

er weiß, dass ihn ein schwarzer Tag bedroht.<br />

Ihn schrecken Not und Drangsal auf;<br />

sie packen ihn gleichwie ein kampf bereiter König.<br />

Denn gegen Gott erhob er seine Hand,<br />

vor dem Allmächtigen war er so kühn zu trotzen.<br />

Er rannte gegen ihn mit steifem Nacken<br />

und mit den festen Buckeln seiner Schilde.<br />

Mit Fett bedeckt er sein Gesicht,<br />

setzt Fett an seinen Hüften an,<br />

wohnt in zerstörten Städten,<br />

in Häusern, die nicht mehr bewohnbar sind,<br />

bestimmt nur noch zu Trümmerstätten.<br />

Er bleibt nicht reich, sein Gut hat nicht Bestand;<br />

und auf die Erde wirft er keinen Schatten mehr.<br />

Der Finsternis entrinnt er nicht,<br />

die Flammenglut dörrt seinen Schössling aus,<br />

und durch den Wind fällt seine Blüte ab.<br />

Er baue nicht auf eitlen Trug,<br />

denn sein Erwerb wird nur Enttäuschung sein.<br />

Bevor sein Tag gekommen ist, wird<br />

seine Ranke welken,<br />

und seine Zweige werden nicht mehr grünen.<br />

Er stößt die sauren Trauben wie ein Weinstock ab,<br />

wirft wie der Ölbaum seine Blüten fort.<br />

Unfruchtbar ist der Frevler Sippe,<br />

des Unrechts Zelte zehrt das Feuer auf.<br />

Von Mühsal schwanger, bringen sie nur Unheil,<br />

ihr Schoß kann Lüge nur erzeugen.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

28


DAS BUCH IJOB<br />

16<br />

Darauf entgegnete Ijob und sprach:<br />

›Dergleichen habe ich genug gehört.<br />

Elende Tröster seid ihr allesamt.<br />

Gibt es für eitle Reden denn kein Ende?<br />

Was reizte dich, mir zu entgegnen?<br />

Auch ich verstände es, wie ihr zu reden.<br />

Wärt ihr doch erst an meiner Stelle,<br />

ich könnte euch mit Worten überhäufen<br />

und über euch das Haupt schon schütteln.<br />

Ich wollte euch mit meinen Worten stärken,<br />

das Beileid meiner Lippen blieb nicht aus.<br />

Wenn ich auch reden würde,<br />

so wiche nicht mein Schmerz von mir.<br />

Und schwiege ich, so hörte er nicht auf?<br />

Jetzt aber hat es mich erschöpft,<br />

den Kreis der Freunde hast du mir verstört<br />

und mich gepackt.<br />

Zum Zeugen gegen mich tritt auf<br />

mein Verfall, um auszusagen gegen mich.<br />

Sein Zorn zerreißt mich und befehdet mich,<br />

mit seinen Zähnen knirscht er gegen mich,<br />

mein Gegner schärft sein Auge gegen mich.<br />

Sie sperren gegen mich ihr Maul auf,<br />

und schmählich schlagen sie auf meine Wange.<br />

Sie rotten sich zusammen gegen mich.<br />

Gott liefert mich den Ungerechten aus<br />

und lässt mich in die Hand der Frevler fallen.<br />

Ich lebte glücklich, da zerbrach er mich,<br />

er packte mich im Nacken und zerschlug mich,<br />

er stellte mich zum Zielpunkt auf für sich.<br />

Es schwirren seine Pfeile rings um mich,<br />

und schonungslos durchbohrt er meine Nieren;<br />

er schüttet meine Galle aus zur Erde.<br />

Er reißt in mir nun Bresche über Bresche,<br />

und wie ein Krieger stürmt er gegen mich.<br />

Um meine Haut hab ich ein Trauerkleid genäht<br />

und in den Staub hinab mein Haupt gesenkt.<br />

Gerötet ist mein Angesicht vom Weinen,<br />

und Todesschatten ruht auf meinen Wimpern,<br />

obwohl kein Unrecht klebt an meinen Händen<br />

und mein Gebet ganz ohne Makel ist.<br />

Bedecke, Erde, nicht mein Blut!<br />

Mein Rufen finde keine Ruhstatt!<br />

Nun aber seht: Im Himmel ist mein Zeuge,<br />

noch lebt mein Eideshelfer in der Höhe.<br />

29 Ijob 0,00–0,00


Wenn meine Freunde mich verspotten,<br />

tränt mein Auge hin zu Gott.<br />

Er schaffe bei Gott dem Menschen Recht,<br />

dem Manne gegenüber seinem Freunde.<br />

Denn nur noch wenig Jahre kommen,<br />

dann ziehe ich den Pfad, auf dem man nicht<br />

mehr wiederkehrt.‹<br />

17<br />

›Mein Lebensgeist ist mir zerbrochen,<br />

ausgelöscht sind meine Tage,<br />

geblieben ist mir nur das Grab.<br />

Fürwahr, der Spötter Ziel bin ich geworden.<br />

Auf ihrem Hader muss mein Auge weilen.<br />

Hinterlege doch für mich ein Pfand bei dir!<br />

Wer sollte mir denn sonst den Handschlag geben?<br />

Denn du hast ihr Herz verschlossen<br />

vor der Einsicht,<br />

darum lässt du sie nicht triumphieren.<br />

Zum Teilen lädt man Freunde ein;<br />

doch schmachten hin der eignen Kinder Augen.<br />

Zum Spottlied machte er mich für die Leute,<br />

ich wurde einer, dem man ins Antlitz speit.<br />

Es werden trüb vor Kummer meine Augen,<br />

all meine Glieder schwinden wie ein Schatten.<br />

Darüber sind die Frommen ganz entsetzt,<br />

des Sünders wegen sind empört die Reinen.<br />

Doch der Gerechte steht zu seinem Wandel;<br />

wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.<br />

Wohlan, so tretet alle wieder her!<br />

wenn ich auch keinen Weisen unter euch hier find.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

30


DAS BUCH IJOB<br />

18<br />

Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:<br />

›Wann endlich wollt ihr euere Reden enden?<br />

Nehmt Einsicht an, dann reden wir!<br />

Was achtest du uns gleich dem Vieh,<br />

und warum gelten wir vor euch als unrein?<br />

Wenn du in deinem Zorne dich zerfleischst,<br />

soll deinetwegen sich das Land entvölkern?<br />

Soll denn der Fels von seiner Stelle rücken?<br />

Ja, des Sünders Licht verlöscht,<br />

und seines Feuers Flamme strahlt nicht auf.<br />

Das Licht verfinstert sich in seinem Zelt,<br />

und seine Lampe über ihm erlischt.<br />

Gehemmt sind seine festen Schritte;<br />

sein eigner Plan bringt ihn zu Fall.<br />

Denn er gerät ins Netz mit seinen Füßen,<br />

und über Flechtwerk wandelt er dahin.<br />

Das Klappnetz fasst ihn an der Ferse,<br />

der Fallstrick klammert sich an ihn.<br />

Sein Fanggarn liegt verborgen schon am Wege;<br />

die Falle steht bereit für ihn am Boden.<br />

<strong>Die</strong> Schrecken überfallen ihn ringsum<br />

und drängen stets ihm auf dem Fuße nach.<br />

Es schwinden meine Tage hin,<br />

die Wünsche meines Herzens sind zerrissen.<br />

Sie machen mir die Nacht zum Tage,<br />

Licht sei näher mir als Dunkel.<br />

Ich habe keine Hoffnung,<br />

die Unterwelt, sie ist mein Haus,<br />

im Finstern breite ich mein Lager aus.<br />

Zur Grube spreche ich: Du bist mein Vater!,<br />

und zum Gewürm: Meine Mutter, meine Schwester!<br />

Wo bleibt denn eine Hoffnung noch für mich?<br />

Mein Glück – wer kann es noch erspähen?<br />

Geh’n sie vereint mit mir hinab zur Unterwelt,<br />

und sinken wir zusammen in den Staub?‹<br />

31 Ijob 0,00–0,00


Hungrig nach ihm ist sein Unheil,<br />

das Verderben steht bereit zu seinem Sturz.<br />

Es frisst die Krankheit seine Haut,<br />

des Todes Erstgeburt verschlingt die Glieder.<br />

Man treibt ihn aus dem Zelt, dem er vertraut,<br />

und treibt ihn zu dem Schreckenskönig hin.<br />

Ihm Fremdes lässt in seinem Zelt sich nieder,<br />

und über seine Wohnstatt streut man Schwefel.<br />

Verdorrt sind unten seine Wurzeln,<br />

und oben trocknen seine Zweige.<br />

Sein Angedenken schwindet von der Erde;<br />

kein Name bleibt ihm auf den Fluren mehr.<br />

Vom Lichte stößt man ihn ins Dunkel<br />

und jagt ihn fort vom Erdenrund.<br />

Kein Spross bleibt ihm noch Nachkomme<br />

in seinem Volk;<br />

an seinem Ort kein Überlebender.<br />

Über seines Unglückstages schaudern<br />

die im Westen,<br />

und die im Osten packt das Grauen.<br />

Ja, so geht es mit der Wohnung eines Frevlers,<br />

mit der Stätte dessen, der auf Gott nicht achtet.‹<br />

19<br />

Da entgegnete Ijob und sprach:<br />

›Wie lange wollt ihr mich noch peinigen,<br />

mit Worten mich zermalmen?<br />

Schon zehnmal habt ihr mich geschmäht.<br />

Ihr schämt euch nicht, mich zu misshandeln.<br />

Selbst wenn ich wirklich mich verfehlte,<br />

so bliebe doch mein Irregehn allein bei mir.<br />

Wollt ihr euch wirklich über mich erheben<br />

und meine Schande mir entgegenhalten?<br />

Seht doch ein, dass Gott mein Recht gebeugt<br />

und er mit seinem Netze mich umgarnte!<br />

Schrei’ ich: Gewalt!, so find’ ich keine Antwort;<br />

ruf’ ich um Hilfe, gibt es doch kein Recht.<br />

Unübersteigbar hat er meinen Weg vermauert,<br />

auf meine Pfade hat er Finsternis gelegt.<br />

Meiner Ehre hat er mich entkleidet,<br />

die Krone mir vom Haupt gerissen.<br />

Ringsum zerbrach er mich, dass ich nun scheide,<br />

riss meine Hoffnung aus wie einen Baum.<br />

Sein Zorn entbrannte gegen mich;<br />

er schätzt mich ein als seinen Feind.<br />

Vereint nun rücken seine Scharen an,<br />

sie schütten ihren Sturmwall gegen mich<br />

und lagern sich rings um mein Zelt.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

32


DAS BUCH IJOB<br />

Fern halten meine Brüder sich von mir,<br />

und ganz entfremdet sind mir die Bekannten.<br />

Fern bleiben, die mir nahe waren und bekannt;<br />

die Gäste meines Hauses haben mich vergessen.<br />

Selbst meine Mägde sehn mich an als Fremden;<br />

ein Fremdling bin ich nun in ihren Augen.<br />

Ich rufe meinen Knecht, er gibt nicht Antwort;<br />

mit guten Worten muss ich ihn anflehen.<br />

Mein Atem ist zuwider meiner Frau,<br />

und übel rieche ich den eignen Brüdern.<br />

Kinder selbst verachten mich,<br />

erheb’ ich mich, dann höhnen sie mir nach.<br />

Mich fliehen nun, die Umgang mit mir pflegten;<br />

selbst die ich liebte, lehnen gegen mich sich auf.<br />

Mein Fleisch verwest mir unter meiner Haut,<br />

mein Gebein ist bloßgelegt wie Zähne.<br />

Erbarmt, erbarmt euch meiner, meine Freunde!<br />

Denn Gottes Hand hat mich getroffen.<br />

Warum verfolgt ihr mich wie Gott,<br />

und werdet doch an meinem Fleisch nicht satt?<br />

Dass doch meine Worte aufgeschrieben würden,<br />

in einer Inschrift eingegraben mit Eisengriffel<br />

und mit Blei,<br />

für ewig eingemeißelt in den Fels!<br />

Ich aber weiß: Mein Löser lebt,<br />

selbst wenn er sich als Letzter aus dem Staub erhebt.<br />

Ohne meine Haut, die so geschundene,<br />

und ohne mein Fleisches werde ich Gott schauen.<br />

Ich selber werde ihn dann schauen,<br />

ihn werden meine Augen sehen und kein Fremder.<br />

Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.<br />

Denkt ihr: Wie sollen wir ihn jagen,<br />

in ihm den Grund der Sache finden!,<br />

schreckt selber vor dem Schwert zurück;<br />

denn großer Zorn verdient das Schwert.<br />

Bedenkt: Es gibt noch einen Richter!‹<br />

33 Ijob 0,00–0,00


20<br />

Da erwiderte Zofar von Naama und sprach:<br />

›Hierauf entgegnet mir mein Denken,<br />

und deswegen ist mein Herz erregt.<br />

Schmachvolle Rüge muss ich hören,<br />

doch der Geist aus meiner Einsicht lehrt<br />

mich Antwort geben.<br />

Weißt du das nicht von Urzeit an,<br />

seitdem es Menschen gibt auf Erden:<br />

dass des Frevlers Jubel nur von kurzer Dauer ist<br />

und des Sünders Lust nur einen Augenblick besteht?<br />

Wenn auch sein Stolz zum Himmel steigt,<br />

sein Haupt bis an die Wolken reicht,<br />

wie sein Kot verschwindet er auf immer;<br />

und die ihn sahen, sprechen: Wo ist er?<br />

Gleich einem Traum verfliegt er unauffindbar,<br />

und wie ein Nachtgesicht verweht er.<br />

Das Auge schaute ihn – doch nun nicht mehr;<br />

und es erblickt ihn nicht mehr seine Stätte.<br />

Seine Söhne müssen bei den Armen betteln,<br />

sein Gut zurückerstatten müssen ihre Hände.<br />

Ist sein Gebein auch voller Jugendkraft,<br />

es muss doch mit ihm in den Staub sich legen.<br />

Schmeckt auch das Böse süß in seinem Mund,<br />

dass er es unter seiner Zunge birgt,<br />

und damit spart, es nicht mehr loslässt,<br />

an seinem Gaumen es zurückbehält,<br />

in seinen Eingeweiden wandelt sich die Speise,<br />

zu Natterngift wird sie in seinem Innern.<br />

Den Reichtum fraß er – speit ihn wieder aus;<br />

aus seinem Leibe treibt ihn Gott heraus.<br />

Das Gift der Otter sog er ein,<br />

der Nattern Zunge tötet ihn.<br />

Nicht darf er schauen die Bäche von Öl,<br />

die Ströme voller Milch und Honig.<br />

Was er gewann, gibt er zurück, genießt es nicht,<br />

erfreut sich am Ertrage seines Handels nicht.<br />

Denn des Geringen Arm zerschlug er<br />

und riss ein Haus an sich, das er nicht baute.<br />

Denn kein Genug kennt er in seinem Bauch,<br />

drum werden seine Schätze ihn nicht retten.<br />

Nichts kann entgehen seiner Fressgier;<br />

deswegen ist sein Glück auch nicht von Dauer.<br />

Er kommt in Not in seines Reichtums Fülle,<br />

des Unheils ganze Wucht kommt über ihn.<br />

Gott sendet auf ihn seines Zornes Glut,<br />

lässt Schläge auf ihn regnen.<br />

Entflieht er vor der Eisenrüstung,<br />

durchbohrt der Bogen ihn, aus Erz geformt.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

34


DAS BUCH IJOB<br />

Ein Pfeil fährt ihm in seinen Rücken,<br />

aus seiner Galle dringt die Spitze, blitzend.<br />

Schrecken fahren über ihn dahin,<br />

und alle Finsternisse werden für ihn aufgespart.<br />

Ihn frisst ein Feuer, das nicht angefacht,<br />

wer übrig blieb in seinem Zelt, ist übel dran.<br />

Der Himmel wird enthüllen seine Schuld,<br />

die Erde wird sich gegen ihn erheben.<br />

Sein Haus wird von der Flut hinweggewälzt,<br />

am Tag des Zornes fortgeschwemmt.<br />

Das ist das Los des Frevlers, das ihm Gott bestimmt,<br />

sein Erbteil, das ihm Gott hat zugewiesen.‹<br />

21<br />

Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />

›Nun hört doch aufmerksam auf meine Worte!<br />

Darin bestehe euer Trösten.<br />

Ertragt mich, dass ich reden kann.<br />

Nach meiner Rede mögt ihr spotten.<br />

Geht meine Klage etwa gegen Menschen?<br />

Warum soll ich nicht ungeduldig werden?<br />

So wendet euch mir zu und dann entsetzt euch!<br />

<strong>Die</strong> Hand legt auf den Mund!<br />

Denk’ ich daran, bin ich bestürzt,<br />

und meinen Leib erfasst ein Schauder.<br />

Warum denn bleiben Frevler noch am Leben?<br />

Sie werden alt, sind rüstig und gesund.<br />

Vor ihnen stehen ihre Kinder fest gegründet,<br />

und ihre Sprösslinge gedeihn vor ihren Augen.<br />

Gesichert vor Gefahr sind ihre Häuser,<br />

und Gottes Rute kommt nicht über sie.<br />

Ihr Stier bespringt und nicht vergeblich;<br />

und ihre Kuh tut keinen Fehlwurf.<br />

<strong>Die</strong> Knaben lassen sie hinaus wie Lämmer,<br />

und ihre Kinder springen wie die Hirsche.<br />

Zur Pauke und zur Zither singen sie<br />

und jubeln bei dem Klang der Flöte.<br />

Sie bringen ihre Tage hin in Glück,<br />

in Frieden steigen sie hinab ins Totenreich<br />

und sprachen doch zu Gott: Bleib von uns fern!<br />

35 Ijob 0,00–0,00


Von deinen Wegen wollen wir nichts wissen.<br />

Was ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen?<br />

Und welchen Nutzen bringt es,<br />

wenn wir zu ihm beten?<br />

Ist nicht in ihrer eignen Hand ihr Glück?<br />

und liegt der Frevler Planen Gott nicht fern?<br />

Wie oft erlischt der Frevler Leuchte,<br />

kommt ihr Verderben über sie,<br />

zerstört er zornig ihren Reichtum,<br />

dass sie wie Häcksel vor dem Winde werden,<br />

wie eine Spreu, vom Sturm hinweggefegt?<br />

Spart Gott sein Unheil seinen Söhnen auf?<br />

Er zahl ihm selber heim, damit er es erkenne!<br />

Sein Unglück sollen seine Augen schauen;<br />

vom Zorne des Allmächtgen soll er trinken!<br />

Was liegt ihm denn an seinem<br />

Haus, wenn er dahin,<br />

wenn seiner Monde Zahl vollendet ist?<br />

Will jemand Gott Erkenntnis lehren,<br />

da er doch die Erhabnen richtet?<br />

Der stirbt inmitten seines Glücks,<br />

ganz sorgenfrei und ruhig.<br />

Vom Fette strotzen seine Lenden,<br />

sein Knochenmark ist wohlgetränkt.<br />

Ein andrer stirbt mit bitterm Herzen;<br />

nie hat er Gutes je verkostet.<br />

Zusammen liegen sie im Staub,<br />

und beide decken Maden zu.<br />

Ja, ich weiß schon, was ihr denkt,<br />

die Pläne, die ihr gegen mich ersinnt.<br />

Ihr sagt: Wo ist des Fürsten Wohnung<br />

und wo das Zelt der Frevler?<br />

Habt ihr denn nicht die Wanderer gefragt,<br />

und habt ihr ihre Zeichen nicht verstanden?<br />

Der Böse wird verschont am Unglückstag,<br />

er wird bewahrt am Tag des Zornes!<br />

Wer sagt ihm seinen Wandel ins Gesicht?<br />

Und wer vergilt es ihm, was er getrieben?<br />

Zur Grabesstätte wird er hingeleitet,<br />

und für den Hügel trägt man Sorge.<br />

<strong>Die</strong> Schollen seines Grabschachts sind ihm süß<br />

und hinter ihm zieht alle Welt einher.<br />

Wie wollt ihr mich mit Eitlem trösten?<br />

Von dem, was ihr erwidert, bleibt nur Trug.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

36


DAS BUCH IJOB<br />

22<br />

Da erwiderte Elifas aus Teman und sprach:<br />

›Kann denn ein Mensch Gott Nutzen bringen?<br />

Nein, der Einsichtsvolle nützt sich selbst.<br />

Nützt es dem Allmächtigen, wenn du gerecht bist?<br />

Gewinnt er, wenn dein Weg unsträflich ist?<br />

Straft er dich wegen deiner Gottesfurcht,<br />

und geht er deshalb ins Gericht mit dir?<br />

Ist deine Schlechtigkeit nicht groß<br />

und endlos deine Sündenschuld?<br />

Du pfändest grundlos deine Brüder<br />

und ziehst den Nackten ihre Kleider aus.<br />

Kein Wasser reichst du dem Erschöpften,<br />

verweigerst Brot den Hungernden.<br />

Dem Mann der Faust gehört das Land,<br />

der Angesehene darf darin wohnen.<br />

Mit leeren Händen schickst du Witwen fort,<br />

zerbrichst den Arm der Waisen.<br />

Deswegen liegen rings um dich nun Schlingen,<br />

und plötzlich hat die Angst dich überfallen.<br />

Das Licht ward dunkel, dass du nicht mehr siehst;<br />

es überdecken dich die Wasserfluten.<br />

Ist Gott nicht wie der Himmel hoch?<br />

Sieh die Sterne an, wie hoch sie sind.<br />

Und da sagst du: Was weiß denn Gott davon?<br />

Kann er denn durch das Wolkendunkel richten?<br />

Ihn hüllen Wolken ein, dass er nicht sieht;<br />

er wandelt über ’m Himmelskreis dahin.<br />

Willst du dem Pfad der Vorzeit folgen,<br />

den einst gottlose Menschen gingen,<br />

die vor der Zeit ergriffen wurden,<br />

und gegen deren Grund ein Strom sich wälzte?<br />

<strong>Die</strong> zu Gott sprachen: Geh von uns doch fort!<br />

Was kann uns der Allmächtige schon tun?<br />

Doch füllte er mit Gütern ihre Häuser;<br />

der Frevler Planen aber blieb ihm fern.<br />

<strong>Die</strong> Frommen sehen es und freuen sich;<br />

der Reine aber spottet über sie:<br />

Fürwahr, vernichtet wurde ihre Größe,<br />

und ihre Reste fraß das Feuer fort.<br />

37 Ijob 0,00–0,00


Sei wieder gut zu ihm und halte Frieden;<br />

dadurch kommt wieder Glück zu dir.<br />

Nimm doch Belehrung an aus seinem Mund,<br />

und senke seine Worte in dein Herz!<br />

Kehrst du dich voll Demut zum Allmächtgen,<br />

hältst Unrecht fern von deinem Zelt,<br />

wirfst in den Staub das Edelgold<br />

zum Flussgestein das Gold von Ofir,<br />

wird der Allmächtige für dich wie Golderz sein,<br />

wie feinstes Silber, das für dich hell leuchtet.<br />

Dann hast du deine Freude am Allmächtigen<br />

und kannst zu Gott dein Angesicht erheben.<br />

Flehst du zu ihm, so wird er dich erhören,<br />

und dein Gelübde kannst du ihm erfüllen.<br />

Was du beschlossen, lässt er dir gelingen;<br />

auf deinen Pfaden wird ein Licht erglänzen.<br />

Er duckt den Stolz der Hohen,<br />

doch hilft er dem, der seine Augen senkt.<br />

Er rettet den, der schuldlos ist,<br />

23<br />

Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />

›Auch heut’ ist meine Klage Widerspruch,<br />

gerettet wird er durch die Reinheit seiner Hände.‹ schwer lastet seine Hand auf meinem Seufzen.<br />

Wüsste ich, wie ich ihn finden,<br />

wie ich zu seinem Thron gelangen könnte!<br />

Den Streitfall würde ich vor ihm vertreten<br />

und mit Beweisen füllen meinen Mund.<br />

<strong>Die</strong> Antwort, die er gäbe, würd’ ich erfahren,<br />

vernähme auch, was er mir sagte.<br />

Stritte er wohl gegen mich mit aller Macht?<br />

Nein, er würde auf mich achten.<br />

Dort würde ein Gerechter mit ihm streiten,<br />

in meinem Rechtsstreit würd’ ich siegen.<br />

Wend’ ich mich ostwärts, so ist er nicht da,<br />

geh’ ich nach Westen, sehe ich ihn nicht.<br />

Such’ ich im Norden, erblick’ ich nicht sein Tun;<br />

bieg’ ich nach Süden, sehe ich ihn nicht.<br />

Doch er kennt alle meine Wege.<br />

Wenn er mich prüft, geh’ ich wie Gold hervor.<br />

Mein Fuß hielt fest an seinen Schritten,<br />

bewahrte seinen Weg und wich nicht ab.<br />

Nie ging ich ab von seiner Lippen Weisung,<br />

verwahrt’ im Herzen seines Mundes Wort.<br />

Was er beschlossen hat, wer kann es wenden?<br />

Was er sich wünscht, führt er auch aus.<br />

So wird er mein Geschick vollenden.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

38


DAS BUCH IJOB<br />

Dergleichen hat er viel im Sinn.<br />

Deshalb erschrecke ich vor seinem Angesicht;<br />

denk’ ich daran, so graut es mir vor ihm.<br />

Gott ist es, der mein Herz verzagen lässt;<br />

mit Furcht erfüllt mich der Allmächtge.<br />

Doch weder Finsternis bringt mich zum Schweigen,<br />

noch das Dunkel, das mein Angesicht bedeckt.‹<br />

24<br />

›Warum sind vom Allmächtigen<br />

nicht Fristen vorgesehen<br />

und schauen die Vertrauten seine Tage nicht?<br />

Man verrückt die Grenzen,<br />

raubt Herden, treibt sie auf die Weide.<br />

Der Waise treibt man ihre Esel fort<br />

und nimmt zum Pfand das Rind der Witwe.<br />

Vom Wege drängen sie den Armen ab,<br />

die Dürftigen im Land verbergen sich.<br />

Wie wilde Esel in der Steppe<br />

zieh ’n sie hinaus zu ihrem Tun;<br />

die Steppe suchen sie nach Nahrung ab,<br />

nach Brot für ihre Kinder.<br />

Sie mähen ab das Feld des Nachts<br />

Nachlese halten sie in des Frevlers Weinberg.<br />

Nackt übernachten sie, gänzlich ohne Kleidung,<br />

und ohne Decke in der Kälte.<br />

Vom Regenguss der Berge triefen sie<br />

und drücken ohne Schutz sich an die Felsen.<br />

Sie reißen die Waise von der Mutterbrust weg<br />

und nehmen den Säugling des Armen zum Pfand.<br />

Nackt müssen sie gehen, ohne Kleid,<br />

und hungernd müssen sie Garben schleppen.<br />

Zwischen Mauern pressen sie Öl,<br />

die Kelter treten sie und leiden Durst.<br />

39 Ijob 0,00–0,00


Halbtote rufen aus der Stadt empor,<br />

die Seele der Misshandelten schreit auf;<br />

doch Gott bleibt stumm auf ihre Klage.<br />

Jene sind des Lichtes Feinde,<br />

erkennen seine Wege nicht,<br />

verweilen nicht auf seinen Pfaden.<br />

Ist kein Licht, so steht der Mörder auf<br />

und mordet Niedrige und Arme.<br />

Zur Nachtzeit streift der <strong>Die</strong>b umher.<br />

Des Ehebrechers Auge wartet auf die Dämmerung.<br />

Er denkt: Kein Auge wird mich nun erblicken.<br />

Den Schleier legt er über sein Gesicht.<br />

Im Finstern bricht er in die Häuser ein.<br />

Bei Tage aber schließen sie sich ein;<br />

vom Lichte wollen sie nichts wissen.<br />

Denn Finsternis, das ist der Morgen ihnen allen,<br />

denn mit des Dunkels Schrecken<br />

sind sie wohlvertraut.<br />

Schnell flieht er vor dem Tag,<br />

nicht wendet sich sein Weg den Höhen zu.<br />

Sein Erbteil ist verflucht im Land!<br />

Wie Trockenheit und Hitze den geschmolznen<br />

Schnee verzehren,<br />

so die Unterwelt den Sünder.<br />

Der Mutterschoß soll ihn vergessen,<br />

und seines Namens wird nicht mehr gedacht.<br />

Zerbrechen muss die Bosheit wie ein Baum.<br />

<strong>Die</strong> Unfruchtbare quält er, die kein Kind gebar,<br />

und spendet keiner Witwe eine Wohltat.<br />

Durch seine Kraft gibt er den Starken langes Leben;<br />

da er auf ’s Leben nicht mehr hoffte, steht er auf.<br />

Er gibt ihm Sicherheit, auf die er sich verlässt;<br />

und seine Augen ruh’n auf seinen Wegen.<br />

Hoch steigt er eine Zeit lang auf<br />

und schwindet dann;<br />

erniedrigt werden sie, wie alle weggerafft<br />

und abgeschnitten wie die Ährenspitzen.<br />

Ist es nicht so? Wer darf mich Lügen strafen?<br />

Und wer kann denn mein Wort zunichte machen?‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

40


DAS BUCH IJOB<br />

25<br />

Da erwiderte Bildad von Schuach und sprach:<br />

›Bei ihm sind Herrschermacht und Schrecken,<br />

der Frieden hält in seinen Himmelshöhen.<br />

Gibt ’s eine Zahl für seine Scharen?<br />

Und ein Entkommen seinem Anschlag?<br />

Wie kann ein Mensch vor Gott im Rechte sein,<br />

der von der Frau Geborene in Reinheit strahlen?<br />

Sieh, selbst der Mond erglänzt nicht hell,<br />

die Sterne sind nicht rein in seinen Augen,<br />

viel weniger der Mensch, die Made,<br />

der Menschensohn, der Wurm!‹<br />

26<br />

Da antwortete Ijob und sprach:<br />

›Wie gut hilfst du dem Schwachen auf<br />

und stützt den Arm, der ohne Kraft gewesen!<br />

Wie trefflich rätst du dem, der ohne Einsicht<br />

und offenbarst Verstand in Fülle!<br />

Mit wessen Hilfe trägst du deine Worte vor?<br />

Und wessen Geist ging von dir aus?<br />

<strong>Die</strong> Totengeister selbst erzittern,<br />

die Wasser und die darin wohnen.<br />

Nackt liegt die Unterwelt vor ihm,<br />

der Ort des Untergangs trägt keine Hülle.<br />

Den Norden spannt er über ’m Chaos aus,<br />

und über ’m Nichts hängt er die Erde auf.<br />

<strong>Die</strong> Wasser bindet er in seine Wolken,<br />

doch das Gewölk zerreißt nicht unter ihnen.<br />

Er hüllt das Angesicht des Vollmonds ein<br />

und breitet seine Wolken über ihn.<br />

Rings um die Wasserfläche zieht er einen Kreis<br />

bis dorthin, wo das Licht ans Dunkel grenzt.<br />

Des Himmels Säulen wanken,<br />

entsetzen sich vor seinem Drohen.<br />

41 Ijob 0,00–0,00


27<br />

Da fuhr Ijob in seiner Rede fort und sprach:<br />

›So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzog,<br />

der Allmächtige, der mir das Herz betrübte!<br />

Da noch in mir mein Atem ist<br />

und Gottes Hauch in meiner Nase,<br />

<strong>Die</strong> Meere peitscht er auf durch seine Kraft<br />

Kein Unrecht, wahrlich, sollen meine Lippen reden<br />

und schlägt durch seine Einsicht Rahab nieder. und meine Zunge keine Lüge sprechen.<br />

Durch seinen Hauch erglänzt der Himmel wieder, Fern sei es mir, euch recht zu geben!<br />

und seine Hand durchbohrt den flüchtigen Drachen. Ich gebe meine Unschuld bis zum Tode<br />

Doch das sind nur die Säume seines Weges.<br />

nimmer preis.<br />

Welch Flüsterwort nur hören wir von ihm!<br />

Ich halte fest an meinem Recht und lass’ es nicht.<br />

Den Donner seiner Taten, wer vernimmt ihn?‹ Mein Herz schämt sich nicht eines meiner Tage.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

42


DAS BUCH IJOB<br />

›Es gehe meinem Feinde wie dem Frevler<br />

und meinem Gegner wie dem Sünder!<br />

Denn was ist des Sünders Hoffnung,<br />

wenn Gott das Leben von ihm nimmt?<br />

Wird Gott wohl auf sein Rufen hören,<br />

wenn Drangsal über ihn hereinbricht?<br />

Kann er sich freuen am Allmächtgen<br />

und Gott zu jeder Zeit um Hilfe bitten?<br />

Ich will euch über Gottes Tun belehren,<br />

will nicht verhehlen, was alles der Allmächtge plant.<br />

Seht doch, ihr habt es alle selbst geschaut.<br />

Warum wollt ihr noch eitle Hoffnung hegen?<br />

Bei Gott ist das des Übeltäters Anteil,<br />

das Erbe von Tyrannen, der Allmächtige<br />

hat ’s ihnen zugeteilt.<br />

Wenn zahlreich seine Söhne,<br />

sind sie für das Schwert,<br />

und ihre Kinder werden nicht vom Brote satt.<br />

<strong>Die</strong> ihm entronnen, wird der Tod begraben,<br />

und ihre Witwen halten keine Klage.<br />

Häuft er auch Silber an wie Staub,<br />

und schafft sich Kleider an wie Lehm,<br />

er häuft sie auf, doch der Gerechte zieht sie an;<br />

das Silber aber wird der Reine erben.<br />

Er hat sein Haus gebaut wie eine Spinne,<br />

wie eine Hütte, die der Wächter aufgestellt.<br />

Reich legt er sich hin und tut ’s nicht wieder;<br />

er macht die Augen auf – nichts ist mehr da.<br />

Wie Wasser brausen Schrecken über ihn;<br />

der Sturmwind rafft ihn in der Nacht hinweg.<br />

Der Ostwind hebt ihn fort, er muss von dannen,<br />

er fegt ihn fort von seiner Stätte.<br />

Er stürzt sich auf ihn, ohne Mitleid,<br />

vor seiner Macht will er entfliehen.<br />

Man klatscht noch in die Hände über ihn;<br />

man zischt ihn fort von seiner Stätte.‹<br />

43 Ijob 0,00–0,00


28<br />

›Für Silber gibt es einen Fundort,<br />

und einen Platz, wo man das Gold auswäscht.<br />

Man holt herauf das Eisen aus der Erde,<br />

und das Gestein schmilzt man zu Kupfer um.<br />

Der Finsternis bereitet man ein Ende,<br />

und man durchwühlt auch bis zum letzten<br />

das Felsgestein, im Dunkel tief verborgen.<br />

Ein fremdes Volk treibt Stollen vor,<br />

sie hängen ohne Halt<br />

und schweben weit entfernt von Menschen.<br />

<strong>Die</strong> Erde, auf der Brotkorn wächst,<br />

wird in den Tiefen wie mit Feuer umgewühlt.<br />

Im Felsgestein wird hier Saphir gefunden,<br />

auch Goldstaub findet man darin.<br />

Raubvögel kennen nicht den Pfad,<br />

kein Falkenauge hat ihn je erspäht.<br />

Hier wechselt nicht das stolze Wild,<br />

kein Löwe hat ihn noch beschritten.<br />

An Felsgestein legt man die Hand,<br />

durchwühlt die Berge vom Grunde auf.<br />

Stollen hat man in den Fels gebrochen;<br />

das Auge schaut nun alle Kostbarkeiten.<br />

Sickerstellen dämmt man ein<br />

und lässt Verborgenes zum Lichte kommen.<br />

<strong>Die</strong> Weisheit aber – wo wird sie gefunden?<br />

Und wo hat Einsicht ihre Stätte?<br />

Der Mensch kennt nicht den Weg zu ihr;<br />

noch trifft man sie im Land der Lebenden.<br />

<strong>Die</strong> Urflut sagt: In mir verweilt sie nicht.<br />

Das Meer gesteht: Sie ist auch nicht bei mir.<br />

Man kann nicht Feingold für sie zahlen<br />

und wägt nicht Silber auf als Preis für sie.<br />

Mit Ofirgold kann man sie nicht bezahlen,<br />

auch nicht mit selt’nem Karneol und mit Saphiren.<br />

Nicht kann ihr gleichen Gold und Glas,<br />

noch ist ein Goldgefäß ihr Tauschwert.<br />

Korallen und Kristall darf man nicht nennen,<br />

der Weisheit Kaufpreis überwiegt selbst Perlen.<br />

An Wert gleicht ihr nicht der Topas aus Kusch;<br />

mit reinem Gold wird sie nicht aufgewogen.<br />

<strong>Die</strong> Weisheit also, woher kommt sie?<br />

Der Einsicht Stätte, wo ist sie?<br />

Verhüllt ist sie vor allen Lebewesen,<br />

verborgen ist sie vor des Himmels Vögeln.<br />

Selbst Unterwelt und Tod bekennen:<br />

Von ihr vernahmen wir nur ein Gerücht.<br />

Es kennt nur Gott den Weg zu ihr,<br />

er weiß allein um ihren Ort.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

44


DAS BUCH IJOB<br />

III<br />

Denn zu der Erde Grenzen geht sein Blick,<br />

er sieht, was unter ’m ganzen Himmel ist.<br />

Als er dem Winde das Gewicht bestimmte<br />

und mit dem Maß die Wasser abmaß,<br />

als er dem Regen ein Gesetz gegeben<br />

und einen Weg der donnernden Gewitterwolke,<br />

da hat er sie gesehen und gezählt,<br />

bereitet und ergründet.<br />

Zum Menschen aber sprach er:<br />

Sieh, Gottesfurcht, das ist die Weisheit;<br />

und Einsicht ist, die Sünde meiden.‹<br />

29<br />

Darauf fuhr Ijob in seiner Rede fort und sprach:<br />

›Ach, wäre ich wie in vergangnen Monden,<br />

wie in den Tagen, da mich Gott beschützte,<br />

als seine Leuchte über meinem Haupt erstrahlte,<br />

in seinem Licht ich durch das Dunkel schritt!<br />

So wie ich in den Tagen meiner Frühzeit war,<br />

als Gott noch mein Gezelt beschützte,<br />

als der Allmächtige noch mit mir war<br />

und meiner Kinder Schar mich rings umgab,<br />

als sich in Dickmilch meine Schritte wuschen<br />

und mir aus Felsen Bäche Öls entquollen.<br />

Wenn ich hinaufging durch das Tor der Stadt<br />

und auf dem Marktplatz meinen Sitz einnahm,<br />

sahn mich die Jungen und versteckten sich,<br />

die Alten standen auf und blieben stehen.<br />

<strong>Die</strong> Fürsten hielten in der Rede inne<br />

und legten auf den Mund die Hand.<br />

Es hielt der Edlen Stimme sich zurück,<br />

am Gaumen klebte ihre Zunge.<br />

Wenn mich ein Ohr vernahm, es pries<br />

mich glücklich,<br />

es lobte mich das Auge, das mich sah,<br />

weil ich den Armen rettete, der schrie,<br />

die Waise auch, die keinen Helfer fand.<br />

45 Ijob 0,00–0,00


Der Segen des Verlorenen kam über mich;<br />

der Witwe gab ich Freude in ihr Herz.<br />

Ich kleidete mich in Gerechtigkeit,<br />

mein Recht galt mir als Mantel und als Turban.<br />

Dem Blinden diente ich als Auge<br />

und war ein Fuß für den Gelähmten.<br />

Ein Vater war ich für die armen Leute;<br />

des Fremden Streitfall untersuchte ich.<br />

Ich zerschmetterte des Frevlers Kiefer,<br />

den Raub entriss ich seinen Zähnen.<br />

So dachte ich: Mit meinem Nest<br />

werd’ ich verscheiden<br />

und wie der Phönix lange leben.<br />

Dem Wasser stehe meine Wurzel offen,<br />

in meinen Zweigen nächtige der Tau.<br />

Stets möge sich mein Ruhm bei mir verjüngen,<br />

der Bogen möge sich in meiner Hand erneuern.<br />

Man schenkte mir Gehör und wartete auf mich,<br />

man lauschte schweigend, meinen Rat zu hören.<br />

Nach meiner Rede gab man keine Antwort;<br />

es träufelte mein Wort auf sie herab.<br />

Sie harrten meiner wie auf Regenschauer<br />

und öffneten den Mund nach Frühjahrsregen.<br />

Ich lachte ihnen zu, wenn sie verzagten;<br />

mein strahlend Antlitz konnten sie nicht trüben.<br />

Ich wählte ihren Weg und war ihr Führer;<br />

ich thronte wie ein König in der Schar<br />

und führte überall sie nach Belieben.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

46


DAS BUCH IJOB<br />

30<br />

›Jetzt aber lachen Leute über mich, die jünger<br />

sind als ich an Jahren.<br />

Ich hielt nicht würdig ihre Väter,<br />

sie den Hunden meiner Herden zuzuweisen.<br />

Was nützte mir auch ihrer Hände Kraft?<br />

<strong>Die</strong> Vollkraft war in ihnen hingeschwunden,<br />

durch Not und großen Hunger;<br />

sie nagen ab der Steppe Wurzelwerk,<br />

Gestrüpp der Wüste und der Wüstenei,<br />

sie pflücken ab die Melde vom Gesträuch,<br />

die Ginsterwurzeln sind ihr Broterwerb.<br />

Aus der Gemeinschaft werden sie verstoßen,<br />

wie <strong>Die</strong>ben schreit man ihnen nach.<br />

Am Hang der Täler müssen sie nun wohnen,<br />

in Höhlen in der Erde und in Felsenlöchern.<br />

Man hört sie schreien zwischen Dornenbüschen,<br />

und unter Nesseln hocken sie beisammen.<br />

Gesindel, gottlos, namenlos,<br />

man hat es aus dem Land verstoßen.<br />

Ein Spottlied bin ich ihnen jetzt geworden,<br />

muss ihnen zum Gerede dienen.<br />

Sie ekeln sich vor mir und bleiben fern,<br />

sie zögern nicht, mir ins Gesicht zu speien.<br />

Weil er gelöst hat meinen Bogen und mich beugte<br />

und sie vor mir die Zügel locker ließen.<br />

Gegen mich erhebt sich diese Brut,<br />

sie werfen ihre Unheilsdämme auf,<br />

sie reißen meine Pfade auf, befördern<br />

mein Verderben<br />

und keiner wehrt es ihnen.<br />

Sie dringen ein durch eine breite Bresche<br />

und unter Trümmern wälzen sie sich her.<br />

Es wandten gegen mich sich Schrecken,<br />

mein Adel wurde wie vom Wind verjagt,<br />

gleich einer Wolke zog mein Heil vorüber.<br />

Und jetzt zerfließt in mir die Seele,<br />

und Tage voller Elend packen mich.<br />

Des Nachts durchbohrt es mein Gebein,<br />

der Schmerz nagt unauf hörlich.<br />

Mit Allgewalt packt er mich am Gewand<br />

und schnürt mich wie des Leibrocks Gürtel ein.<br />

Er hat mich in den Kot hineingestoßen,<br />

und so erschien ich Staub und Asche gleich.<br />

47 Ijob 0,00–0,00


Ich schrei’ zu dir, doch du gibst keine Antwort;<br />

ich stehe da, doch du bleibst unbeteiligt.<br />

Zum Wüterich hast du dich mir verwandelt,<br />

befehdest mich mit deiner starken Hand.<br />

Du hebst mich auf, lässt mich<br />

im Sturmwind fahren,<br />

erzittern lässt du mich im Donnerkrachen.<br />

Ich weiß es ja, du bringst mich in den Tod,<br />

ins Haus, wo alle Lebenden sich sammeln.<br />

Doch streckt nicht ein Ertrinkender die Hand aus,<br />

wenn er in seiner Not um Hilfe ruft?<br />

Beweinte ich nicht den, den harte Tage trafen,<br />

war meine Seele nicht in Trauer um den Armen?<br />

Ja, Gutes hoffte ich, doch nahte Unglück.<br />

Ich harrte auf das Licht, doch kam die Finsternis.<br />

Mein Eingeweide siedet ruhelos;<br />

es nahten sich mir Tage voller Elend.<br />

Ich wandle finster, ohne Trost,<br />

steh’ auf in der Gemeinde, schreie laut.<br />

Ein Bruder ward ich den Schakalen,<br />

und ein Genosse bin ich für die Strauße.<br />

<strong>Die</strong> Haut an mir wird schwarz,<br />

in Fieberglut ist mein Gebein entbrannt.<br />

So ward mein Zitherspiel zur Trauermelodie<br />

und meiner Flöte Klang zum Klagelied.‹<br />

31<br />

›Mit meinen Augen schloss ich einen Bund,<br />

nie eine Jungfrau lüstern anzusehen.<br />

Was wäre sonst mein Teil von Gott dort oben,<br />

mein Erbteil von dem Allerhöchsten droben?<br />

Ist nicht bestimmt das Unheil für die Frevler<br />

und das Verderben für die Übeltäter?<br />

Schaut er denn nicht auf meine Wege,<br />

zählt er nicht alle meine Schritte?<br />

Wenn ich mit Lüge umgegangen wäre<br />

und zum Betruge meine Füße eilten,<br />

dann wäge er mich auf gerechter Waage,<br />

und Gott wird meine Unschuld anerkennen.<br />

Wenn je vom Wege meine Schritte wichen<br />

und wenn mein Herz je meinen Augen folgte,<br />

an meinen Händen nur ein Makel klebte,<br />

dann soll ein andrer essen, was ich säe,<br />

und was mir aufwächst, soll entwurzelt werden.<br />

Wenn sich mein Herz von einer Frau betören ließe<br />

und wenn ich an der Tür des Nächsten lauerte,<br />

dann soll die Frau für einen anderen mahlen,<br />

und Fremde sollen über sie sich beugen.<br />

Denn das ist eine Schandtat ohnegleichen<br />

und ein Verbrechen, das des Richters wert ist.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

48


DAS BUCH IJOB<br />

Ein Feuer ist ’s, das bis zum Abgrund frisst,<br />

verbrennen wird es meine ganze Habe.<br />

Wenn meines Knechtes Rechte ich missachtet<br />

und meiner Magd, wenn sie sich mit mir stritten,<br />

was wollt’ ich tun, wenn Gott sich dann erhöbe,<br />

und was entgegnen, wenn er ’s untersuchte?<br />

Hat nicht mein Schöpfer sie im Schoß gebildet,<br />

der Eine uns im Mutterleib bereitet?<br />

Wenn ich den Armen einen Wunsch versagte,<br />

wenn ich verschmachten ließ der Witwe Augen,<br />

für mich allein nur meinen Bissen nahm<br />

und keine Waise ihren Teil erhielt –<br />

sie wuchs mir auf von Jugend an wie einem Vater<br />

wie ein Bruder hab ich sie geführt –,<br />

erblickt’ ich den Verlornen ohne Kleidung,<br />

den armen Mann, dem eine Decke fehlte,<br />

und sagten seine Lenden mir nicht Dank,<br />

da er von meiner Lämmer Schur sich wärmte,<br />

erhob ich gegen jemand meine Hand,<br />

der ohne Schuld,<br />

da ich am Tore Helfer fand für mich,<br />

dann falle meine Schulter mir vom Nacken,<br />

aus dem Gelenke breche mir mein Arm!<br />

Denn Gottes Schrecken würd’ sich<br />

über mich ergießen,<br />

vor seiner Hoheit hielte ich nicht stand.<br />

Wenn ich auf Gold je meine Hoffnung setzte,<br />

zum Feingold sprach: Du meine Zuversicht!,<br />

wenn ich mich freute, dass mein Reichtum wuchs<br />

und dass so Großes meine Hand geleistet,<br />

wenn ich die Sonne schaute, wie sie strahlte,<br />

den Mond, der prächtig seine Bahnen zog,<br />

wenn heimlich sich mein Herz betören ließ,<br />

dem Munde meine Hand zum Kuss sich bot,<br />

auch das ist eine Sünde für den Richter;<br />

ich hätte Gott da droben ja verleugnet.<br />

Freut’ ich mich über meines Feindes Unglück,<br />

und war ich froh, dass ihn ein Unheil traf,<br />

erlaubt’ ich meinem Mund zu sündigen,<br />

sein Leben je durch einen Fluch zu fordern,<br />

und haben meine Zeltgenossen nicht gestanden:<br />

Wer wurde je von seinem Fleisch nicht satt?<br />

Kein Fremder musste draußen übernachten,<br />

mein Tor stand jedem Wandrer offen.<br />

Wenn ich verbarg den Menschen meine Sünde,<br />

in meinem Busen meine Schuld verhüllte,<br />

weil ich die große Menge scheute<br />

und mich der Stämme Spott erschreckte,<br />

dann wär’ ich still und ginge nicht zur Tür hinaus.<br />

49 Ijob 0,00–0,00


O wäre jemand da, dass Gott mich hörte!<br />

<strong>Die</strong>s ist mein letztes Wort: jetzt gebe Antwort<br />

mir der Allmächtige!<br />

Und hier das Schriftstück, das mein Gegner schrieb.<br />

Fürwahr, ich nähme es auf meine Schulter<br />

und wände es als Diadem mir um.<br />

Ich würde meiner Schritte Zahl ihm nennen<br />

und wie ein Fürst ihm dann entgegengehen.<br />

Wenn über mich mein Acker klagte<br />

und alle seine Furchen weinten,<br />

wenn seine Frucht ich unbezahlt verzehrte,<br />

die Ackerleute seufzen ließ,<br />

so bringe er statt Weizen Disteln nur,<br />

und statt der Gerste soll das Unkraut sprießen!‹<br />

Zu Ende sind die Worte Ijobs.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

50


DAS BUCH IJOB<br />

IV<br />

32<br />

Jene drei Männer gaben es auf, Ijob zu antworten, weil er nach seiner<br />

[eigenen] Meinung gerecht war. Da entbrannte der Zorn Elihus, des Sohnes<br />

Barachels, des Busiters aus dem Geschlecht Ram. Gegen Ijob entbrannte<br />

sein Zorn, weil er sich vor Gott für gerecht hielt. Auch gegen<br />

seine drei Freunde war er erzürnt, weil sie keine Antwort gefunden und<br />

Gott ins Unrecht gesetzt hatten. Elihu hatte gezögert, solange jene sprachen.<br />

Denn sie waren älter als er. Als aber Elihu sah, dass jene drei Männer<br />

keine Antwort mehr wussten, entbrannte sein Zorn.<br />

51 Ijob 0,00–0,00


Da begann Elihu, der Sohn Barachels, und sprach:<br />

›Jung bin ich noch an Jahren,<br />

und ihr seid schon ergraut.<br />

Drum hielt ich mich zurück und scheute,<br />

mein Wissen euch zu zeigen.<br />

Ich dachte bei mir: Lass das Alter reden,<br />

der Jahre Fülle soll die Weisheit künden.<br />

Doch nur der Geist, der sich im Menschen auf hält,<br />

des Allerhöchsten Atem macht ihn klug.<br />

<strong>Die</strong> alt an Jahren, sind nicht immer weise,<br />

nicht immer wissen Greise auch das Rechte.<br />

Drum wage ich zu sagen: Hört mir zu!<br />

Auch ich will meine Ansicht euch verkünden.<br />

Seht, ich wartete auf euere Worte<br />

und horchte hin auf euere klugen Sprüche,<br />

bis dass die rechten Worte ihr gefunden.<br />

Aufmerksam bin ich euch gefolgt.<br />

Doch sieh, den Ijob widerlegte keiner,<br />

von euch gab niemand Antwort seinen Worten.<br />

Denkt nicht: <strong>Die</strong> Weisheit haben wir entdeckt.<br />

Gott wird ihn verstoßen, nicht ein Mensch.<br />

Nicht gegen mich hat er gesprochen,<br />

und nicht mit eueren Worten werd’<br />

ich ihm entgegnen.<br />

Sie sind verwirrt und geben keine Antwort,<br />

es sind die Worte ihnen ausgegangen.<br />

Soll ich noch warten, da sie nicht mehr reden,<br />

da still sie stehen und nichts mehr erwidern?<br />

So will auch ich nun meinen Teil entgegnen;<br />

mein Wissen will ich euch verkünden.<br />

Denn mit Gedanken bin ich ganz erfüllt,<br />

mich drängt der Geist in meiner Brust.<br />

Mein Inneres gleicht Wein, der keine Luft hat,<br />

wie neue Schläuche wird es noch zerspringen.<br />

So muss ich reden, dass mir leichter werde,<br />

ich öffne meine Lippen und entgegne.<br />

Für niemand werde ich Partei ergreifen,<br />

und Schmeichelworte will ich keinem geben.<br />

Denn ich verstehe mich aufs Schmeicheln nicht,<br />

sonst raffte mich mein Schöpfer bald hinweg.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

52


DAS BUCH IJOB<br />

33<br />

›So höre nun, Ijob, auf alle meine Worte<br />

und merke wohl auf alle meine Reden!<br />

Sieh, ich habe meinen Mund geöffnet,<br />

schon spricht in meinem Gaumen meine Zunge.<br />

Mein Herz wird Weisheitsworte sagen,<br />

und meine Lippen reden reine Wahrheit.<br />

Mich hat erschaffen Gottes Geist,<br />

des Allerhöchsten Atem mich belebt.<br />

Wenn du es kannst, so gib mir Antwort!<br />

Leg es mir dar und tritt mir doch entgegen!<br />

Sieh, dir bin ich gleich, nicht Gott,<br />

vom Lehm genommen bin auch ich.<br />

Doch soll die Angst vor mir dich nicht erschrecken,<br />

und Druck von mir nicht auf dir lasten.<br />

Jedoch, du sprachst vor meinen Ohren,<br />

und ich vernahm den Laut von deinen Worten:<br />

Rein bin ich und ohne Sünde<br />

und lauter, ohne Schuld.<br />

Vorwände aber sucht er gegen mich,<br />

und er betrachtet mich als seinen Feind.<br />

Er spannte meine Füße in den Block<br />

und überwachte alle meine Pfade.<br />

Sieh, darin hast du Unrecht, sag’ ich dir;<br />

denn Gott ist größer als ein Mensch.<br />

Weswegen haderst du mit ihm?<br />

Weil er auf alle deine Worte nichts erwidert?<br />

Denn einmal redet Gott,<br />

ein zweites Mal – doch man bemerkt es nicht.<br />

Im Traum, im Nachtgesicht,<br />

wenn tiefer Schlaf sich auf die Menschen senkt,<br />

im Schlummer auf der Lagerstätte,<br />

da öffnet er das Ohr der Menschen<br />

und schreckt sie auf durch Warnungszeichen,<br />

von seinem Tun den Menschen abzubringen,<br />

den Hochmut aus den Menschen auszutreiben,<br />

zu retten seine Seele vor der Grube,<br />

sein Leben davor, in den Todesschacht<br />

hinabzusteigen.<br />

Er wird gewarnt durch Schmerz auf seinem Lager,<br />

und ständig tobt ein Kampf in seinen Gliedern.<br />

Am Brot verspürt sein Leben Ekel<br />

und seine Seele an der Lieblingsspeise.<br />

Es schwindet hin sein Fleisch, man sieht ’s<br />

nicht mehr,<br />

bis auf die Knochen mager, die man<br />

sonst nicht sieht.<br />

Schon nähert seine Seele sich dem Grabe,<br />

es naht sein Leben sich den Todesboten.<br />

Wenn dann ein Engel ihm zur Seite steht,<br />

ein Mittler, einer unter Tausenden,<br />

dem Menschen seine Pflicht zu künden,<br />

und der sich seiner dann erbarmt und spricht:<br />

Befreie ihn vom Abstieg in die Grube,<br />

ich habe Lösegeld für ihn gefunden!,<br />

dann blüht sein Fleisch in Jugendfrische,<br />

er kehrt zurück zu seinen Jugendtagen.<br />

53 Ijob 0,00–0,00


Er fleht zu Gott und der wird sich ihm<br />

gnädig zeigen,<br />

er darf sein Angesicht mit Jubel schauen,<br />

und seinen Freispruch tut er allen anderen kund.<br />

Er singt den Menschen zu und spricht:<br />

Ich hab’ gesündigt und das Recht verkehrt;<br />

doch hat er mir mit Gleichem nicht vergolten.<br />

Er rettete mich vor dem Abstieg in die Grube,<br />

mein Leben darf des Lichtes sich erfreuen.<br />

Sieh, alles dies pflegt Gott zu wirken,<br />

selbst zweimal, dreimal an den Menschen,<br />

zu retten seine Seele vor der Grube,<br />

sie zu erleuchten mit dem Licht des Lebens.<br />

Merk auf, Ijob, und schenke mir Gehör,<br />

schweig still, solang ich selber rede!<br />

Hast du noch Worte, gib mir Antwort!<br />

Sprich mir; denn gern geb’ ich dir recht.<br />

Wenn aber nicht, dann höre du mir zu<br />

und schweige still, dass ich dich Weisheit lehre.‹<br />

34<br />

Da fuhr Elihu fort und sprach:<br />

›Ihr Weisen, hört doch meine Worte,<br />

ihr Kundigen, leiht mir Gehör!<br />

Denn prüfen soll das Ohr die Worte,<br />

so wie der Gaumen seine Speise schmeckt.<br />

Was recht ist, wollen wir für uns erwählen,<br />

wir wollen forschen unter uns, was gut ist.<br />

Denn Ijob hat ausgesagt: Ich bin im Recht.<br />

Gott war ’s, der mir mein Recht entzogen hat.<br />

Obwohl im Recht, erscheine ich als Lügner,<br />

unheilbar ist die Wunde ohne Schuld.<br />

Wo wäre wohl ein Mann wie Ijob,<br />

der Lästerreden trinkt wie Wasser,<br />

der sich den Übeltätern zugesellt<br />

und auch mit Bösewichtern Umgang pflegt?<br />

Er sagte ja: Der Mensch hat keinen Nutzen,<br />

wenn er in Freundschaft lebt mit Gott.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

54


DAS BUCH IJOB<br />

›Drum hört mir zu, ihr einsichtsvollen Männer!<br />

Fern ist ’s von Gott, Unrecht zu tun,<br />

und vom Allmächtigen, zu freveln.<br />

Denn nach des Menschen Werk vergilt er ihm,<br />

nach seinem Wandel lässt er ’s ihn auch treffen.<br />

Wahrhaftig, Gott kann niemals Unrecht tun,<br />

der Allerhöchste kann kein Recht verdrehen.<br />

Wer hat ihm denn die Erde anvertraut?<br />

Wer hat den ganzen Erdkreis aufgerichtet?<br />

Wenn er nur an sich selber dächte,<br />

und seinen Atem an sich zöge,<br />

dann würde alles Fleisch zugleich verscheiden,<br />

zum Staube kehrte auch der Mensch zurück.<br />

Hast du Verstand, so höre dies,<br />

und leih dein Ohr den Lauten meiner Worte!<br />

Kann wohl ein Feind des Rechtes regieren?<br />

Willst du den erhabensten Gerechten<br />

denn verdammen,<br />

der da zum König spricht: Nichtswürdiger!<br />

und zu den Edelleuten: Ihr Verbrecher!,<br />

der nicht parteiisch gegen Fürsten ist,<br />

den Reichen vor dem Armen nicht bevorzugt?<br />

Denn alle sind sie seiner Hände Werk.<br />

Sie sterben plötzlich, mitten in der Nacht;<br />

Vornehme sind erschüttert, schwinden hin;<br />

den Mächtigen beseitigt er ganz ohne<br />

Kraftanstrengung.<br />

Denn seine Augen sehen auf der Menschen Wege,<br />

und er beachtet alle ihre Schritte.<br />

Es gibt kein Dunkel, keine Finsternis,<br />

worin die Übeltäter sich verbergen könnten.<br />

Denn er bestimmte keine Frist den Menschen,<br />

vor Gottes Richterstuhle zu erscheinen.<br />

<strong>Die</strong> Mächtigen zerbricht er ohne Untersuchung,<br />

setzt andere in ihre Stelle ein.<br />

Da er von ihren Taten Kenntnis hat,<br />

stürzt er sie in der Nacht, dass sie zerschmettert sind.<br />

Er schlägt sie gleich Verbrechern<br />

an einem Ort, wo man es sieht,<br />

weil sie sich abgewendet haben<br />

und seine Wege nicht befolgten,<br />

sodass der Armen Schrei zu ihm empordrang<br />

und er das Rufen der Bedrückten hörte.<br />

Doch wenn er still sich hält,<br />

wer spricht ihn schuldig?<br />

Doch über Volk und Menschen wacht er,<br />

auf dass ein schlechter Mann nicht herrsche<br />

und dem Volk zum Fallstrick werde.<br />

Soll Gott ihm etwa sagen:<br />

Ich ward verführt, nicht will ich wieder freveln.<br />

Wenn ich gesündigt, lehre du mich jetzt!<br />

Tat Unrecht ich, ich will ’s nicht weiter tun.<br />

Soll er ihn dann nach deiner Meinung strafen,<br />

da du sein Urteil ja verwirfst?<br />

55 Ijob 0,00–0,00


Bei dir ist es, zu wählen, nicht bei mir.<br />

Drum sprich es aus, was du erkanntest!<br />

Mir werden Männer von Verstand es sagen<br />

und jeder weise Mann, der mir gelauscht:<br />

In Unverstand sprach Ijob,<br />

und ohne Einsicht waren seine Worte.<br />

Fürwahr, man soll auf immerdar ihn prüfen;<br />

denn nach Art der Frevler gab er Widerreden.<br />

Denn Frevel fügte er zu seiner Sünde;<br />

in unsrer Mitte treibt er Spott<br />

führt viele Reden gegen Gott.‹<br />

35<br />

Dann fuhr Elihu fort und sprach:<br />

›Erachtest du denn das für richtig?<br />

Du sprachst: Im Rechte bin ich mehr als Gott.<br />

Denn du erklärtest doch: Was nützt es mir,<br />

was habe ich davon, wenn ich die Sünde meide?<br />

Ich will dir nun die Antwort darauf geben<br />

und deinen Freunden auch zugleich mit dir.<br />

Zum Himmel blicke auf und schaue,<br />

sieh aufs Gewölk hoch über dir!<br />

Begehst du eine Sünde, was<br />

kannst du ihm schaden?<br />

Sind deine Sünden viel, was tust du ihm denn an?<br />

Bist du gerecht, was kannst du ihm dann geben?<br />

Was kann er denn aus deiner Hand empfangen?<br />

Nur deinesgleichen trifft dein Frevel,<br />

ein Menschenkind dein tugendhafter Wandel.<br />

Man jammert über der Bedrücker Menge,<br />

ruft Hilfe wegen der Gewalt der Großen.<br />

Doch fragt man nicht: Wo ist mein Schöpfergott,<br />

der Jubellieder schenkt selbst in der Nacht?<br />

Mehr als die Tiere hat er uns belehrt,<br />

und weiser machte er uns als des Himmels Vögel.<br />

Da schreien sie; doch er gibt keine Antwort<br />

der Anmaßung der Bösen wegen.<br />

Fürwahr, es ist umsonst, Gott hört es nicht,<br />

und der Allmächtige beachtet ’s nicht.<br />

Wenn du gar sagst, du sähst ihn nicht –<br />

der Rechtsstreit lag ihm vor und<br />

du musst auf ihn warten.<br />

Jetzt aber, weil sein Zorn noch ausbleibt<br />

und er sich um den Frevel nicht viel kümmert,<br />

reißt Ijob sinnlos seinen Mund auf,<br />

und ohne Einsicht macht er viele Worte.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

56


DAS BUCH IJOB<br />

36<br />

Elihu fuhr fort und sprach:<br />

›Wart noch ein wenig, dass ich dich belehre!<br />

Denn noch kann ich zugunsten Gottes sprechen.<br />

Mein Wissen will ich aus der Ferne holen<br />

und werde meinem Schöpfer Recht verschaffen.<br />

Denn wahrlich, meine Worte sind kein Trug;<br />

ein Mann voll klarer Einsicht steht vor dir.<br />

Sieh, Gott ist gewaltig, doch verwirft er nicht,<br />

an Kraft des Herzens gewaltig.<br />

Den Übeltäter lässt er nicht am Leben,<br />

doch schafft er den Bedrängten Recht.<br />

Sein Auge wendet er nicht vom Gerechten.<br />

Mit Königen auf dem Thron heißt er sie sitzen<br />

immerdar und macht sie groß.<br />

Doch liegen sie in Ketten,<br />

gefangen in des Elends Banden,<br />

so hält er ihnen ihre Taten vor<br />

und ihre Sünden, weil sie sich erhoben.<br />

Zur Warnung öffnet er ihr Ohr<br />

und fordert auf, vom Bösen abzulassen.<br />

Wenn sie gehorchen und ihm dienen wollen,<br />

vollenden sie im Glück die Tage,<br />

in lauter Freuden ihre Jahre.<br />

Doch wenn sie nicht gehorchen wollen,<br />

dann fahren sie zum Todesschacht hinab<br />

und sterben ohne Einsicht hin.<br />

<strong>Die</strong> ruchlos sind von Herzen, hegen ihren Groll,<br />

wenn er sie fesselt, schreien sie nicht auf.<br />

Dahin stirbt ihre Seele in der Jugend,<br />

ihr Leben endet früh wie das von Hierodulen.<br />

Doch rettet er den Armen durch das Elend,<br />

er öffnet ihre Augen durch die Not.<br />

Auch dich entreißt er aus der Drangsal Rachen<br />

in unbedrängte Weite,<br />

von fetten Speisen voll ist deine Tafel.<br />

Doch wenn du wie ein Frevler richtest,<br />

werden Recht dich treffen und Gericht.<br />

Dass dich der Zorn nur nicht zum Spott verleitet,<br />

und reiches Lösegeld dich nicht verführt!<br />

Führt dein Geschrei dich aus der Not heraus<br />

und alles kräftige Bemüh’n?<br />

Nicht sehn’ dich nach der Nacht,<br />

die Völker treibt von ihrer Stätte.<br />

Sei auf der Hut, zum Bösen dich zu wenden!<br />

Denn darum wirst du ja geprüft.‹<br />

57 Ijob 0,00–0,00


›Sieh, Gott in seiner Macht ist hoch erhaben.<br />

Wer könnte denn wie er Belehrung geben?<br />

Wer hat ihm seinen Wandel vorgeschrieben?<br />

Wer wagt zu sagen: Du begingst ein Unrecht?<br />

Bedenke, dass du seine Werke preist,<br />

von denen doch die Menschen Lieder singen!<br />

Ein jeder Mensch betrachtet es mit Freude,<br />

obwohl er es auch nur von ferne sieht.<br />

Sieh, Gott ist groß und wir begreifen ’s nicht,<br />

und seiner Jahre Zahl ist unerforschlich.<br />

Heranzieht er die Wassertropfen,<br />

der Regen rieselt nieder aus der Flut,<br />

der aus den Wolken strömt<br />

und niederträufelt auf die vielen Menschen.<br />

Wer kann die Weiten seiner Wolke fassen,<br />

den lauten Donnerschlag aus seinem Zelt?<br />

Darüber breitet er den Wasserstrom,<br />

und deckt damit der Berge Gipfel zu.<br />

Denn er versorgt dadurch die Völker<br />

und spendet ihnen reichlich Nahrung.<br />

Er hebt den Blitz in seine beiden Hände<br />

und weist ihn an, wohin er fallen soll.<br />

Es kündet ihn sein Donnerrollen an,<br />

wenn er im Zorne eifert gegen Schlechtigkeit.‹<br />

37<br />

›Ja, darum packt mein Herz der Schrecken<br />

und pocht erregt an seiner Stelle.<br />

Lauscht aufmerksam dem Toben seiner Stimme,<br />

dem Grollen, das aus seinem Munde kommt!<br />

Er lässt es unter ’m ganzen Himmel fahren,<br />

bis zu der Erde Grenzen seinen Blitz.<br />

Laut brüllt der Donner hinter ihm;<br />

mit hoheitsvoller Stimme donnert er<br />

und hält die Blitze nicht zurück,<br />

wenn sich seine Stimme hören lässt.<br />

Gott lässt uns Wunderdinge schauen,<br />

Großtaten wirkt er, die wir nicht begreifen.<br />

Denn er befiehlt dem Schnee: Zur Erde falle!<br />

Den Regengüssen: Niederströmet!<br />

Auf aller Menschen Hand drückt er ein Siegel,<br />

dass alle Menschen seine Taten spüren.<br />

Das Wild zieht sich zurück in sein Versteck<br />

und legt auf seine Lagerstatt sich nieder.<br />

Aus seinen Kammern bricht der Sturm hervor,<br />

und mit dem Nordwind bricht die Kälte ein.<br />

Durch Gottes Atem bildet sich das Eis,<br />

die weite Wasserfläche ist erstarrt.<br />

Mit Nass belädt er das Gewölk,<br />

Gewitterwolken streuen aus sein Leuchten.<br />

Nach seinem Willen zieh ’n sie hin und her;<br />

sie führen alles aus, was er befiehlt,<br />

im weiten Kreise seiner Erde.<br />

Sei es zur Strafe für der Erde Völker,<br />

sei es als Hulderweis, so werden sie<br />

von ihm gesandt.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

58


DAS BUCH IJOB<br />

Hör dies dir an, Ijob!<br />

Steh still, betrachte Gottes Wundertaten!<br />

Weißt du, wie ihnen Gott Befehle gibt,<br />

wie seiner Wolken Licht er leuchten lässt?<br />

Verstehst du es, wie seine Wolken schweben,<br />

die Wunderwerke des Allwissenden?<br />

Du, dessen Kleider schon vor Hitze glühen,<br />

wenn die Erde unter ’m Südwind brütet,<br />

hast du mit ihm die Wolkendecke ausgebreitet,<br />

fest wie ein Spiegel, aus Metall gegossen?<br />

Belehre uns, was wir ihm sagen sollen!<br />

Nichts vorzubringen wissen wir, so sprachlos,<br />

wie wir sind.<br />

Muss man ihm erst erzählen, wenn ich rede?<br />

Wenn einer spricht, wird es ihm mitgeteilt?<br />

Man kann das Sonnenlicht nicht sehen,<br />

wenn hinter dem Gewölk es aufglänzt.<br />

Ein Windstoß fährt daher und jagt es fort.<br />

Vom Norden her erstrahlt der Glanz;<br />

um Gott ist eine Pracht, die Schrecken bringt.<br />

Nie werden den Allmächtgen wir ergründen.<br />

An Macht und Recht ist er gewaltig groß.<br />

Reich an Gerechtigkeit wird er das Recht<br />

nicht beugen.<br />

Deswegen sollen ihn die Menschen fürchten.<br />

<strong>Die</strong> Weisheitskundigen – er schaut sie<br />

nicht einmal an.‹<br />

59 Ijob 0,00–0,00


V<br />

38<br />

Da gab der Herr Ijob Antwort aus dem Gewittersturm und sprach:<br />

›Wer ist es, der den Plan verdunkelt<br />

mit Worten, denen die Erkenntnis mangelt?<br />

Umgürte deine Lenden wie ein Mann!<br />

Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />

Wo warst du denn, als ich die Erde gründete?<br />

Sag an, wenn du so große Einsicht hast!<br />

Wer setzte fest ihr Maß? Du weißt es ja.<br />

Wer spannte über ihr die Messschnur aus?<br />

Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt,<br />

und wer hat ihren Eckstein eingefügt,<br />

als all die Morgensterne jauchzten<br />

und alle Gottessöhne jubelten?<br />

Wer sperrte ab das Meer mit Toren,<br />

als sprudelnd es dem Mutterschoß entsprang,<br />

als ich zu seinem Kleid die Wolken machte,<br />

zu seinen Windeln des Gewölkes Dunkel,<br />

als ich ihm damals eine Grenze brach,<br />

die Riegel und die Tore setzte?<br />

Und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter,<br />

hier soll zerschellen deiner Wogen Stolz?<br />

Gebotest du in deinem Leben je dem Morgen,<br />

hast du der Morgenröte ihren Platz gewiesen,<br />

auf dass der Erde Säume sie erfasse<br />

und sie die Frevler von ihr schüttle?<br />

Sie wandelt sich wie Siegelton,<br />

und wie ein Kleidungsstück, so färbt sie sich.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

60


DAS BUCH IJOB<br />

Den Übeltätern wird ihr Licht verweigert;<br />

zerbrochen wird der Arm, der schon erhoben.<br />

Gelangtest du bis zu des Meeres Quellen?<br />

Bist du gewandelt auf der Urflut Grund?<br />

Hat man des Todes Tore dir gezeigt<br />

und sahst du denn der Finsternisse Pforten?<br />

Hast du denn Einsicht in den weiten Raum der Erde?<br />

Gestehe es, ob du sie ganz begreifst!<br />

Wo ist der Weg zum Aufenthalt des Lichtes,<br />

die Finsternis, wo hat sie ihren Platz,<br />

damit du sie in ihr Gebiet geleitest<br />

und sie den Weg zu ihrem Hause führst?<br />

Du weißt es; damals bist du ja geboren,<br />

und deiner Lebenstage Zahl ist groß.<br />

Kamst du bis zu den Speichern voller Schnee?<br />

Hast du des Hagels Scheuern je gesehen,<br />

den ich für Drangsalzeiten auf bewahrte,<br />

für den Tag des Kampfes und der Schlacht?<br />

Wo ist der Weg, da sich der Wind zerteilt,<br />

der Ostwind auf die Erde sich zerstreut?<br />

Wer brach dem Regengusse eine Rinne<br />

und der Gewitterwolke einen Weg,<br />

damit auf menschenleeres Land es regne<br />

und auf die Steppe, die kein Mensch bewohnt,<br />

zu sättigen die Wüste und die Wildnis,<br />

im Ödland Wachstum frischem Pflanzenwuchs zu geben?<br />

Gibt es denn für den Regen einen Vater,<br />

und wer erzeugt des Taues Tropfen?<br />

Aus wessen Schoß entspringt das Eis,<br />

wer hat den Reif des Himmels denn geboren?<br />

61 Ijob 0,00–0,00


Wie zu Gestein verdichten sich die Wasser;<br />

es zieht der Fluten Fläche sich zusammen.<br />

Verknüpfst du die Bande der Plejaden,<br />

hast du gelöst die Fesseln des Orion?<br />

Führst du zur rechten Zeit heraus die Tierkreissterne<br />

und leitest du den Löwen mit den Jungen?<br />

Weißt du denn um die Ordnungen des Himmels,<br />

bist du ’s, der seine Schrift auf Erden niederlegt?<br />

Erhebst du deine Stimme zu den Wolken,<br />

auf dass der Schwall des Wassers dich bedeckt?<br />

Entsendest du die Blitze, dass sie ziehen<br />

und zu dir sagen: Siehe, wir sind da!<br />

Wer legt die Weisheit in den Ibis,<br />

und wer verleiht Verstand dem Hahn?<br />

Wer kann in Weisheit wohl die Wolken zählen,<br />

wer kann des Himmels Schläuche denn entleeren,<br />

wenn sich die Erde fügt zur harten Masse<br />

und fest die Schollen aneinander kleben?<br />

Bist du es, der der Löwin jagt die Beute,<br />

kannst du die Gier der jungen Löwen stillen,<br />

wenn sie sich in den Lagern niederducken,<br />

im Dickicht auf der Lauer liegen?<br />

Wer gibt dem Raben seine Nahrung,<br />

wenn seine Jungen schrein zu Gott um Hilfe,<br />

und sie umherirren ohne Fraß?‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

62


DAS BUCH IJOB<br />

39 ›Weißt du die Zeiten, wann die Felsenziegen werfen?<br />

Beachtest du es, wann die Hirschkuh kreißt?<br />

Zählst du die Monde, die sie trächtig gehen,<br />

und weißt du um die Zeit, da sie gebären?<br />

Sie kauern nieder, werfen ihre Jungen<br />

und werden ihre Wehen los.<br />

<strong>Die</strong> Kleinen werden stark und größer;<br />

sie ziehen aus und kehren nicht mehr heim.<br />

Wer gab dem Zebra seine Freiheit?<br />

Wer löste los des wilden Esels Fessel?<br />

<strong>Die</strong> Steppe wies ich ihm zur Heimat an,<br />

erkor zu seinem Lagerplatz das Salzland.<br />

Er spottet des Gedränges in der Stadt:<br />

des Treibers lautes Schreien hört er nicht.<br />

<strong>Die</strong> Berge sucht er ab nach seiner Weide,<br />

und hinter jedem Grün spürt er noch her.<br />

Wird dir der Wildstier willig <strong>Die</strong>nste leisten,<br />

wird er an deiner Krippe übernachten?<br />

Hälst du am Strick ihn in der Ackerfurche?<br />

Pflügt er die Täler hinter dir?<br />

Traust du ihm wohl, weil er an Kräften reich ist?<br />

Kannst du ihm deine Arbeit überlassen?<br />

Darfst du ihm glauben, dass er wiederkehrt<br />

und deine Saat zur Tenne bringt?<br />

Der Straußenhenne Flügel schwingt sich froh,<br />

doch macht sie wohl Gebrauch davon wie Störche oder Falken?<br />

63 Ijob 0,00–0,00


Sie überlässt der Erde ihre Eier<br />

und brütet sie im Sande aus,<br />

vergisst, dass sie ein Fuß zertreten,<br />

ein wildes Tier zerdrücken kann,<br />

behandelt auch die Jungen hart, als wären ’s eben Fremde;<br />

dass ihre Müh’ umsonst gewesen, kümmert sie nicht weiter.<br />

Denn Gott ließ Weisheit sie vergessen,<br />

und keine Einsicht teilte er ihr zu.<br />

Im Augenblick jedoch, wenn schnellt sie in die Höhe,<br />

verlacht sie Ross und Reiter.<br />

Kannst du dem Rosse seine Stärke geben<br />

und seinen Nacken mit der Mähne zieren?<br />

Kannst du es springen lassen wie den Heuschreck?<br />

Sein Schnauben voller Kraft verbreitet Schrecken.<br />

Es scharrt im Talesgrund und ist voll Freude,<br />

mit Kraft stürmt es dem Waffengang entgegen.<br />

Es lacht des Schreckens und kennt keine Furcht,<br />

selbst vor dem Schwerte weicht es nicht zurück.<br />

Auf seinem Rücken klirrt der Köcher<br />

und blitzen Speer und Sichelschwert auf.<br />

Bei seinem ruhelosen Stampfen wirbelt die Erde auf,<br />

lässt sich nicht halten beim Posaunenschall.<br />

Sobald das Horn erschallt, beginnt es laut zu wiehern.<br />

Schon aus der Ferne wittert es den Kampf,<br />

Kommandorufe, Kriegsgeschrei.<br />

Schwingt sich der Falke auf nach deiner Einsicht<br />

und breitet seine Flügel nach dem Südwind aus?<br />

Hebt sich auf dein Geheiß der Adler aufwärts,<br />

bereitet auf den Höhen seinen Horst?<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

64


DAS BUCH IJOB<br />

Auf Felsen wohnt und nächtigt er,<br />

auf Felsenzacken und auf steilen Klippen.<br />

Von dort späht er nach Beute aus,<br />

und seine Augen schweifen in die Ferne.<br />

Nach Blut sind gierig schon die Jungen,<br />

und wo Erschlag’ne liegen, da ist er zur Stelle.‹<br />

40<br />

Da antwortete der Herr dem Ijob und sprach:<br />

›Will den Allmächtgen der Tadler zuechtweisen?<br />

Wer Gott will tadeln, der muss Antwort stehen.‹<br />

Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:<br />

›Sieh, zu gering bin ich. Was soll ich dir erwidern?<br />

Ich lege meine Hand auf meinen Mund.<br />

Einmal hab’ ich geredet, tu ’s nicht wieder;<br />

sogar ein zweites Mal, doch fahre ich nicht fort.‹<br />

65 Ijob 0,00–0,00


Da gab der Herr dem Ijob Antwort aus dem Gewittersturm und sprach:<br />

›Umgürte deine Lenden wie ein Mann!<br />

Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />

Willst du wirklich mir mein Recht zunichte machen,<br />

mich schuldig sprechen, dass du recht behältst?<br />

Hast du denn einen Arm wie Gott?<br />

Kannst du wie er mit deiner Stimme donnern?<br />

Mit Hoheit und mit Größe schmück dich doch,<br />

und kleide dich in Glanz und Herrlichkeit!<br />

Lass überströmen deines Zornes Fluten,<br />

schau all das Stolze an und beug es nieder!<br />

Schau all das Stolze an, wirf es zu Boden,<br />

zertritt die Frevler auf der Stelle!<br />

Verbirg sie insgesamt im Staub,<br />

versenk sie ins Verborgene!<br />

Dann will auch ich dich anerkennen,<br />

weil deine Rechte dir den Sieg gewann.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

66


DAS BUCH IJOB<br />

›Sieh doch das Nilpferd neben dir!<br />

Von Gräsern nährt es sich gleichwie ein Rind.<br />

Betrachte seine Kraft in seinen Lenden<br />

und seine Stärke in den Muskeln seines Bauchs!<br />

Er strafft wie eine Zeder seinen Schwanz;<br />

die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten.<br />

<strong>Die</strong> Knochen sind wie erzgegoss’ne Röhren,<br />

und sein Gebein gleicht Eisenstangen.<br />

Der Erstling ist es unter Gottes Werken,<br />

zum Herrscher über alles Landgetier gemacht.<br />

<strong>Die</strong> Berge tragen ihm die Nahrung zu<br />

und allen wilden Tieren, die dort spielen.<br />

Es lagert ruhig unter Lotusbüschen;<br />

in Schilf und Sumpf versteckt.<br />

<strong>Die</strong> Lotusbüsche decken es mit Schatten zu,<br />

und rings umgeben es des Flusses Pappeln.<br />

Und schwillt der Strom gewaltig an, es flüchtet nicht,<br />

strömt ihm die Flut ins Maul, so bleibt ’s doch ruhig.<br />

Wer wagt es, in die Augen ihm zu greifen?<br />

Durchbohrt man in der Falle seine Nase?‹<br />

67 Ijob 0,00–0,00


›Fängst du das Krokodil am Angelhaken,<br />

drückst seine Zunge mit dem Fangseil nieder?<br />

Ziehst du ein Binsenseil durch seine Nase?<br />

Durchbohrst du seine Backe mit dem Haken?<br />

Wird es mit vielen Bitten dich angehen,<br />

und wird es Schmeichelworte an dich richten?<br />

Wird es wohl einen Pakt mit dir abschließen,<br />

dass du für immer es zum Knechte nimmst?<br />

Kannst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel,<br />

kannst du für deine Mädchen es anbinden?<br />

Und feilschen darum denn die Zunftgenossen,<br />

verteilen es die Händler unter sich?<br />

Kannst du mit Haken seine Haut durchdringen<br />

und mit der Fischharpune seinen Kopf?<br />

Versuch nur, deine Hand daran zu legen!<br />

Denk an den Kampf! Du tust es niemals wieder.‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

68


DAS BUCH IJOB<br />

41 ›Schau, deine Hoffnung wird betrogen;<br />

durch seinen bloßen Anblick kommt man schon zu Fall.<br />

So kühn ist niemand, es zu reizen;<br />

wer ist es, der ihm widerstehen kann?<br />

Wer trat ihm je entgegen und blieb heil?<br />

Nicht einen gibt es unter ’m ganzen Himmel.<br />

Von seinen Gliedern will ich nichts verschweigen,<br />

von seiner Größe, Kraft und Wohlbeschaffenheit.<br />

Wer wagt sein Oberkleid wohl aufzudecken,<br />

wer dringt in seinen Doppelpanzer ein?<br />

Wer öffnet wohl die Tore seines Rachens?<br />

Es lagert Schrecken rings um seine Zähne.<br />

Sein Rücken trägt reihenweise Schilde,<br />

verschlossen und versiegelt wie mit Kieselsteinen.<br />

Es fügt sich einer an den anderen an,<br />

es dringt kein Lufthauch zwischen ihnen durch.<br />

Denn einer haftet an dem anderen fest;<br />

sie hängen aneinander, untrennbar verbunden.<br />

Sein Niesen lässt das Licht aufleuchten,<br />

des Frührots Wimpern gleichen seine Augen.<br />

Aus seinem Rachen steigen Fackeln auf,<br />

wie Feuerfunken fahren sie empor.<br />

Rauch geht von seinen Nüstern aus<br />

wie aus dem Topf, der kocht und siedet.<br />

Glühkohlen facht sein Atem an,<br />

und eine Flamme schlägt aus seinem Rachen.<br />

Auf seinem Nacken ruht die Stärke,<br />

und vor ihm her springt auf der Schrecken.<br />

<strong>Die</strong> Massen seines Fleisches haften fest,<br />

sie sind ihm angegossen, unbeweglich.<br />

69 Ijob 0,00–0,00


Sein Herz ist fest wie Stein,<br />

hart ist es wie der unt’re Mühlstein.<br />

Erhebt es sich, erschrecken selbst die Fluten;<br />

des Meeres Wellen ziehen sich zurück.<br />

Wenn man es trifft, so nützt kein Schwert<br />

und keine Lanze, Wurfgeschoss noch Pfeil.<br />

Es achtet Eisen nur wie Stroh,<br />

und Erz wie Holz, das voller Wurmfraß ist.<br />

Ein Pfeil vermag es nicht zur Flucht zu zwingen,<br />

und Schleudersteine sind für es wie Spreu.<br />

Wie einen Strohhalm achtet es die Keule,<br />

es lacht nur über Schwerterklingen.<br />

<strong>Die</strong> Unterseite starrt von Scherbenspitzen,<br />

im Schlamme zeichnet es ein Dreschbrett auf.<br />

<strong>Die</strong> Tiefe lässt es brodeln wie den Kessel<br />

und macht das Meer zu einem Salbentopf.<br />

Aufleuchten lässt es hinter sich den Pfad;<br />

man hält das Meer für Greisenhaar.<br />

Es gibt nicht seinesgleichen auf der Erde,<br />

dazu geschaffen, ohne Furcht zu sein.<br />

Verächtlich schaut es alles Hohe an,<br />

und König ist es über alle stolzen Tiere.‹<br />

42<br />

Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:<br />

›Ich weiß nun, dass du alles kannst<br />

und kein Gedanke dir unmöglich ist.<br />

Wer ist es, der den Rat verdunkelt ohne Einsicht?<br />

So sprach ich im Unverstand von dem,<br />

was mir zu wunderbar und unbegreiflich war.<br />

So höre doch, ich will nun reden!<br />

Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />

Vom Hörensagen nur hab’ ich von dir gewusst;<br />

jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.<br />

Drum leiste Widerruf ich und bereue<br />

in Staub und Asche!‹<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

70


DAS BUCH IJOB<br />

VI<br />

Als der Herr diese Worte zu Ijob geredet hatte, sprach der Herr zu Elifas<br />

aus Teman: ›Mein Zorn ist gegen dich und deine beiden Freunde entbrannt,<br />

weil ihr über mich nicht die Wahrheit gesprochen habt wie mein Knecht<br />

Ijob. So nehmt euch jetzt sieben Jungstiere und sieben Widder, geht zu meinem<br />

Knechte Ijob und bringt ein Brandopfer für euch dar. Mein Knecht<br />

Ijob soll für euch Fürbitte einlegen. Nur auf ihn will ich Rücksicht nehmen,<br />

dass ich euch keine Schmach antue. Denn ihr habt nicht die Wahrheit über<br />

mich geredet wie mein Knecht Ijob.‹ Da gingen Elifas von Teman, Bildad<br />

von Schuach und Zofar von Naama hin und taten, wie der Herr zu ihnen<br />

gesprochen hatte. Und der Herr nahm Rücksicht auf Ijob.<br />

71 Ijob 0,00–0,00


Der Herr wendete das Geschick Ijobs, als er für seine Freunde Fürbitte<br />

einlegte, und vermehrte alles, was Ijob besessen hatte, auf das Doppelte. Da<br />

kamen zu ihm alle seine Brüder und Schwestern und alle seine früheren<br />

Bekannten. Sie aßen mit ihm in seinem Haus, bezeigten ihm ihr Beileid<br />

und trösteten ihn wegen all des Unheils, das der Herr über ihn gebracht<br />

hatte. Jeder gab ihm eine Kesita und einen goldenen Ring. Der Herr aber<br />

segnete die folgende Lebenszeit Ijobs mehr als seine frühere: Er besaß vierzehntausend<br />

Schafe, sechstausend Kamele, tausend Joch Rinder und tausend<br />

Eselinnen. Er hatte auch sieben Söhne und drei Töchter. <strong>Die</strong> erste<br />

nannte er Jemima (Täubchen), die zweite Kezia (Zimtblüte), die dritte Keren-<br />

Happuch (Salbhörnchen). Man fand im ganzen Land keine schöneren Frauen<br />

als die Töchter Ijobs. Ihr Vater gab ihnen Erbteil unter ihren Brüdern.<br />

Danach lebte Ijob noch einhundertvierzig Jahre und sah seine Kinder und<br />

Kindeskinder, vier Generationen. Ijob starb alt und lebenssatt.<br />

Ijob 0,00–0,00<br />

72


75 Status<br />

<strong>Die</strong><br />

Psalmen


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Erstes Buch<br />

Psalm 1–41<br />

Zweites Buch<br />

Psalm 42–72<br />

Drittes Buch<br />

Psalm 73–89<br />

Viertes Buch<br />

Psalm 90–106<br />

Fünftes Buch<br />

Psalm 107–150<br />

Ps 0,00–0,00<br />

76


Erstes Buch<br />

Psalm 1<br />

Selig der Mann,<br />

der nicht folgt dem Rate der Bösen,<br />

der nicht auf dem Weg der Sünder geht,<br />

noch sitzt in der Runde der Spötter;<br />

der aber Freude hat am Gesetz des Herrn<br />

und sinnt darüber bei Tag und bei Nacht.<br />

Er gleicht einem Baum,<br />

gepflanzt am Rande der Wasser,<br />

der Früchte trägt zu der Zeit<br />

und dessen Blätter nicht welken:<br />

ja, alles, was er tut, es gelingt ihm.<br />

Nicht so die Gottlosen, nicht so!<br />

Sie sind wie Spreu, die im Winde verweht.<br />

So werden die Gottlosen nicht bestehen im Gericht<br />

noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.<br />

Denn der Herr behütet den Weg der Gerechten,<br />

doch der Weg der Sünder führt in den Abgrund.<br />

77 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 2<br />

Warum toben die Heiden?<br />

Was schmieden die Völker nichtige Pläne?<br />

<strong>Die</strong> Könige der Erde erheben sich,<br />

es haben sich verschworen die Großen<br />

gegen den Herrn und seinen Gesalbten:<br />

Lasst uns ihre Fesseln zersprengen,<br />

werfen wir ab ihre Stricke!<br />

Der in den Himmeln wohnt, er lacht;<br />

ihrer spottet der Herr.<br />

Einmal aber spricht er zu ihnen im Zorn,<br />

schrecklich herrscht er in seinem Grimm<br />

sie an:<br />

Ich selber habe meinen König bestellt<br />

auf Zion, meinem heiligen Berg.<br />

Den Beschluss des Herrn will ich künden:<br />

Der Herr sprach zu mir:<br />

Mein Sohn bist du, ich habe dich heute<br />

gezeugt.<br />

Verlange von mir und ich will zum Erbe dir<br />

geben die Völker,<br />

zu deinem Eigentum die Enden der Erde.<br />

Du magst sie regieren mit eisernem Zepter,<br />

wie irdene Krüge zerschlagen.<br />

Wohlan, ihr Könige, kommt zur Einsicht!<br />

Lasst euch warnen, ihr Beherrscher der<br />

Erde!<br />

<strong>Die</strong>nt dem Herrn in Furcht und huldigt ihm!<br />

Unter Beben erweist ihm Gehorsam.<br />

Dass er nicht ergrimme und ihr auf dem Weg<br />

nicht verderbt,<br />

wenn bald entbrennt sein Zorn!<br />

Selig dann alle, die zu ihm flüchten!<br />

Psalm 3<br />

Ein Psalm von David, als er vor seinem Sohne<br />

Abschalom floh.<br />

O Herr, wie viele sind es, die mich<br />

bedrängen,<br />

viele stehen auf gegen mich.<br />

Viele sind es, die von mir sagen:<br />

Für den ist keine Rettung bei Gott.<br />

Du aber, Herr, bist mein Schild,<br />

du bist mein Ruhm, du erhebst mein Haupt.<br />

Mit lauter Stimme rief ich zum Herrn,<br />

und er hat mich erhört von seinem heiligen<br />

Berg.<br />

Ich legte mich zur Ruhe und schlief;<br />

ich erhob mich wieder, weil der Herr mich<br />

erhält.<br />

Nicht fürchte ich die Tausendscharen des<br />

Volkes,<br />

die rings mich feindlich umlagern.<br />

Erhebe dich, Herr!<br />

Schaffe mir Heil, du mein Gott!<br />

Du hast zerschmettert die Backen all<br />

meiner Feinde,<br />

die Zähne der Frevler zerbrochen.<br />

Hilfe ist allein beim Herrn,<br />

über deinem Volk sei dein Segen.<br />

Psalm 4<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />

ein Psalm von David.<br />

Wenn ich rufe zu dir, erhörst du<br />

mich,<br />

mein Gott, der mir schafft Gerechtigkeit.<br />

Du hast mir geholfen in meiner Bedrängnis,<br />

erbarme dich meiner und erhöre mein<br />

Beten!<br />

Ihr Menschen, wie lange verhärtet ihr euere<br />

Herzen!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

78


Erstes Buch<br />

Was liebt ihr eitlen Wahn, was sucht ihr<br />

Trug?<br />

Wisst: Wunder vollbringt der Herr an seinem<br />

Getreuen;<br />

der Herr wird mich hören, wenn ich ihn<br />

rufe.<br />

Erschreckt doch und lasst die Sünde, bedenkt<br />

es recht im Herzen!<br />

Auf euerem Lager sinnt nach und seid still;<br />

bringt würdige Opfer und harrt auf den<br />

Herrn!<br />

Viele sagen: Wer zeigt uns noch Gutes!<br />

O Herr, lass über uns leuchten dein<br />

Angesicht!<br />

Du erfüllst mein Herz mit Freude,<br />

mehr, als hätten wir Wein und Weizen im<br />

Überfluss.<br />

Ich lege mich nieder und schlafe in Frieden;<br />

denn du allein, o Herr, lässt mich wohnen<br />

in Sicherheit.<br />

Psalm 5<br />

Dem Chormeister, auf Flöten;<br />

ein Psalm von David.<br />

er ist ein Gräuel dem Herrn.<br />

Ich aber, dank deiner unermesslichen Güte,<br />

ich darf betreten dein Haus.<br />

Darf niedersinken vor deinem heiligen<br />

Tempel,<br />

o Herr, in Ehrfurcht vor dir.<br />

Der du gerecht, o führe mich zum Trotz<br />

meiner Feinde,<br />

mache eben vor mir deinen Pfad.<br />

Es ist in ihrem Mund nicht Wahrheit,<br />

auf böse Listen sinnt ihr Herz.<br />

Ihre Kehle ist ein offenes Grab,<br />

wenn auch von Schmeichelreden trieft ihre<br />

Zunge.<br />

Lass sie es büßen, o Gott,<br />

lass sie stürzen durch ihre eigenen Ränke.<br />

Wegen ihrer Frevel stoße sie aus,<br />

denn sie bieten dir Trotz.<br />

Doch jubeln sollen, die Zuflucht suchen bei dir,<br />

sie sollen frohlocken für immer.<br />

Beschütze sie und lasse sie deiner sich<br />

freuen,<br />

die deinen Namen verehren.<br />

Denn du segnest, o Herr, den Gerechten,<br />

gleich einem Schild ist über ihm deine<br />

Gnade.<br />

Vernimm meine Worte, o Herr,<br />

und habe Acht auf mein Seufzen!<br />

Merke auf mein lautes Gebet,<br />

du mein König und Gott.<br />

Zu dir flehe ich, Herr;<br />

schon in der Frühe hörst du mein Rufen,<br />

in der Frühe bringe ich zu dir meine Bitten<br />

und warte.<br />

Nicht bist du ein Gott, der Gefallen hätte an<br />

Frevel,<br />

der Böse darf nicht weilen vor dir,<br />

die Gottlosen können vor dir nicht bestehn.<br />

<strong>Die</strong> Unrecht üben, du hasst sie alle,<br />

du vernichtest alle die Lügner.<br />

Der blutbefleckte, der tückische Mann,<br />

Psalm 6<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel im achten Ton;<br />

ein Psalm von David.<br />

Nicht züchtige mich, Herr, in<br />

deinem Zorn,<br />

in deinem Grimm strafe mich nicht.<br />

Erbarme dich meiner, o Herr, ich sieche<br />

dahin;<br />

heile mich, Herr, denn verstört ist all mein<br />

Gebein.<br />

Tief verstört ist meine Seele,<br />

du aber, Herr, wie lange säumst du noch!<br />

79 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Wende dich zu mir, o Herr, und rette mich,<br />

um deiner Barmherzigkeit willen<br />

schaffe mir Heil.<br />

Denn wer kann deiner bei den Toten<br />

gedenken?<br />

Wer in der Unterwelt vermag dich<br />

zu preisen?<br />

Ermattet bin ich vom Seufzen,<br />

jede Nacht benetze ich weinend mein Bett,<br />

ich wasche mein Lager in Tränen.<br />

Mein Auge ist vor Kummer getrübt,<br />

wegen meiner vielen Feinde bin ich gealtert.<br />

Weicht von mir, all ihr Gottlosen,<br />

denn mein lautes Weinen<br />

hat vernommen der Herr.<br />

Der Herr hat mein Flehen gehört,<br />

der Herr hat angenommen mein Beten.<br />

Verwirrung komme über all meine Feinde,<br />

sie sollen zuschanden werden und fliehn,<br />

gar schnell soll Schmach sie ereilen.<br />

Psalm 7<br />

Ein Klagelied von David, das er dem Herrn sang<br />

wegen des Benjaminiten Kusch.<br />

Herr, mein Gott,<br />

ich flüchte zu dir,<br />

befreie mich von allen, die mich verfolgen,<br />

und rette mich:<br />

Dass keiner mich fasse gleich einem Löwen<br />

und mich zerreiße, und niemand ist,<br />

der mich rette.<br />

Herr, mein Gott, wenn ich solches getan,<br />

wenn Unrecht haftet an meinen Händen,<br />

wenn ich Böses getan meinem Freund,<br />

ich, der sogar dem ungerechten Gegner<br />

geholfen,<br />

dann soll der Feind mich verfolgen<br />

und greifen,<br />

er trete zu Boden mein Leben,<br />

er trete in den Staub meine Ehre!<br />

Herr, in deinem Grimm erhebe dich,<br />

stelle dich entgegen der Wut meiner Feinde;<br />

im Gericht, das du verordnet,<br />

steh für mich ein.<br />

Dich umstehe die Versammlung der Völker,<br />

hoch über ihnen besteige den Richterstuhl.<br />

Der Herr ist Richter der Völker.<br />

Herr, nach deiner Gerechtigkeit<br />

schaffe mir Recht,<br />

nach der Unschuld,<br />

die mir wohnt im Herzen.<br />

Zu Ende sei die Bosheit der Frevler,<br />

mache stark den Gerechten,<br />

gerechter Gott, der du erforschst Herzen<br />

und Nieren.<br />

Gott ist mein Schild,<br />

er rettet, die redlichen Herzens sind.<br />

Ein gerechter Richter ist Gott,<br />

an jedem Tage kann entbrennen sein Zorn.<br />

Kehren sie nicht um,<br />

so schärft er sein Schwert,<br />

er spannt seinen Bogen und zielt.<br />

Er richtet auf sie des Todes Geschoss<br />

und macht seine Pfeile glühend.<br />

Siehe, da empfing einer Frevel und<br />

trägt sich mit Unheil,<br />

und was er zur Welt bringt, ist Tücke.<br />

Eine Grube hob er aus und machte sie tief,<br />

doch in die Tiefe, die er gegraben,<br />

stürzte er selbst hinein.<br />

Seine Bosheit fällt zurück<br />

auf sein eigenes Haupt,<br />

nieder fährt seine Untat<br />

auf den eigenen Scheitel.<br />

Ich aber preise den Herrn,<br />

der in Gerechtigkeit waltet,<br />

dem Namen des Höchsten<br />

will ich lobsingen.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

80


Erstes Buch<br />

Psalm 8<br />

Dem Chormeister, nach der Weise von Gat;<br />

ein Psalm von David.<br />

Herr, unser Gott!<br />

Wie wunderbar ist auf der<br />

ganzen Erde dein Name!<br />

Deine Herrlichkeit hast Du ausgebreitet<br />

über die Himmel.<br />

Aus dem Mund der Kinder und Kleinen hast<br />

du dir ein Bollwerk bereitet,<br />

zu beschämen die Feinde;<br />

Widersacher und Gegner<br />

müssen verstummen.<br />

Ich schaue den Himmel,<br />

das Werk deiner Finger,<br />

den Mond und die Sterne, die du geschaffen.<br />

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst!<br />

Des Menschen Sohn,<br />

dass du Sorge trägst um ihn!<br />

Du hast ihn nur wenig unter die Engel gestellt,<br />

hast ihn gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit.<br />

Du hast ihm Macht gegeben über das Werk<br />

deiner Hände,<br />

alles hast du ihm zu Füßen gelegt:<br />

All die Schafe und Rinder<br />

und die Tiere des Feldes,<br />

die Vögel des Himmels und<br />

die Fische im Meer<br />

und alles, was dahinzieht<br />

die Pfade der Meere.<br />

Herr, unser Gott!<br />

Wie wunderbar ist auf der ganzen Erde<br />

dein Name!<br />

Psalm 9<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Ich will dich preisen, o Herr,<br />

vom Grund meines Herzens,<br />

all deine Wundertaten will ich verkünden.<br />

Jubeln will ich und deiner mich freuen,<br />

deinem Namen, o Höchster,<br />

will ich lobsingen.<br />

Denn meine Feinde wichen zurück,<br />

sie stürzten nieder vor dir und<br />

gingen zugrunde.<br />

Du machtest dir mein Recht und<br />

meine Sache zu Eigen,<br />

als gerechter Richter<br />

bestiegst du den Thron.<br />

<strong>Die</strong> Völker hast du gescholten,<br />

vernichtet die Frevler,<br />

ausgelöscht ihre Namen auf immerdar.<br />

Dahin sind die Feinde,<br />

gestürzt in ewigen Untergang,<br />

ihre Städte hast du zerstört,<br />

sie sind vergessen auf immer.<br />

Der Herr aber thront auf ewig,<br />

seinen Richterstuhl hat er aufgestellt<br />

zum Gericht.<br />

In Gerechtigkeit wird er richten den Erdkreis,<br />

den Völkern spricht er das Urteil<br />

nach Recht.<br />

Der Herr wird sein den Bedrängten ein Hort,<br />

rettende Zuflucht in Tagen der Not.<br />

<strong>Die</strong> deinen Namen kennen,<br />

sie hoffen auf dich,<br />

nimmer wirst du verlassen, o Herr,<br />

die dich suchen.<br />

Lobsingt dem Herrn, der wohnt auf Zion,<br />

unter den Völkern macht kund seine Taten.<br />

Denn als Rächer des Blutes<br />

hat er ihrer gedacht,<br />

nicht vergessen hat er die Schreie der Armen.<br />

Erbarme dich meiner, o Herr,<br />

sieh an die Bedrängnis, die ich von meinen<br />

Feinden erleide;<br />

hebe mich empor von den Pforten des Todes:<br />

Auf dass ich künde dein Lob in den Toren der<br />

Tochter Zion<br />

und frohlocke, weil du mir geholfen hast.<br />

81 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

<strong>Die</strong> Völker sanken in die Grube,<br />

die sie selber gegraben;<br />

im Netz, das sie gelegt,<br />

verfing sich ihr eigener Fuß.<br />

Kundgetan hat sich der Herr im Gericht,<br />

der Frevler hat sich verstrickt im Werk<br />

der eigenen Hand.<br />

Zur Hölle fahren müssen die Frevler,<br />

die Völker alle, die Gott vergessen.<br />

Doch nicht auf immer ist vergessen der Arme,<br />

der Elenden Hoffen<br />

wird nicht auf ewig enttäuscht.<br />

Steh auf, o Herr,<br />

dass der Mensch sich nicht überhebe,<br />

zum Gericht lass vor dich treten die Völker.<br />

Lege auf sie deinen Schrecken, o Herr,<br />

wissen sollen die Völker:<br />

sie sind nur Menschen.<br />

Psalm 10<br />

Warum stehst du so fern, o Herr?<br />

Warum verbirgst du dich in Zeiten der Not?<br />

Der Gottlose prahlt,<br />

indes sich ängstigt der Arme,<br />

gefangen in der List, die jener ersonnen.<br />

Seiner Lüste rühmt sich der Sünder,<br />

der Räuber lästert, er verachtet den Herrn:<br />

Es redet stolzen Sinnes der Frevler:<br />

Nie wird der strafen, es gibt keinen Gott!<br />

<strong>Die</strong>s ist all sein Sinnen und Trachten.<br />

Allzeit haben Erfolg seine Wege,<br />

deine Strafgerichte sind ihm fern,<br />

er spottet all seiner Gegner.<br />

Er denkt bei sich: Ich werde nicht wanken,<br />

kein Unglück wird mich treffen<br />

von Geschlecht zu Geschlecht.<br />

Fluch erfüllt seinen Mund und<br />

Arglist und Trug,<br />

unter der Zunge lauern<br />

Verderben und Unheil.<br />

Nahe den Höfen legt er sich auf die Lauer,<br />

den Schuldlosen heimlich zu morden,<br />

seine Augen schauen aus nach dem Armen.<br />

Er lauert im Versteck<br />

wie im Dickicht der Löwe,<br />

er lauert, um zu ergreifen den Schwachen,<br />

fasst ihn und zieht den Armen ins Netz.<br />

Er duckt sich, wirft sich zu Boden,<br />

seiner Gewalt muss erliegen der Arme.<br />

Er spricht im Herzen: Vergessen hat Gott,<br />

abgewendet hat er sein Antlitz,<br />

er sieht es nicht.<br />

Herr und Gott, steh auf, erheb deine Hand,<br />

vergiss den Elenden nicht.<br />

Warum darf der Frevler lästern den Herrn?<br />

Warum darf er sprechen bei sich:<br />

Er ahndet es nicht!<br />

Du aber siehst, du weißt um Jammer und Not,<br />

du nimmst es alles in deine Hand.<br />

Dir vertraut der Arme sich an,<br />

du bist dem Waisen ein Helfer.<br />

Zerbrich den Arm des Sünders und Frevlers,<br />

vergilt seine Bosheit, nimmer soll er bestehn.<br />

Der Herr ist König auf immerdar,<br />

verschwunden sind aus seinem Land<br />

die Heiden.<br />

<strong>Die</strong> Sehnsucht der Armen<br />

hast du vernommen, o Herr,<br />

hast gestärkt ihre Herzen, hast zu ihnen<br />

gewendet dein Ohr.<br />

Den Waisen und den Bedrückten<br />

schaffst du Recht,<br />

nimmermehr soll Schrecken verbreiten<br />

der Mensch, der geschaffen aus Erde.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

82


Erstes Buch<br />

Psalm 11<br />

Dem Chormeister; von David.<br />

Ich nehme meine Zuflucht<br />

zum Herrn;<br />

was sagt ihr:<br />

Dem Vogel gleich entflieh in die Berge!<br />

Siehe, die Sünder spannen den Bogen,<br />

sie legen auf die Sehne den Pfeil,<br />

hinzustrecken im Dunkel den Frommen.<br />

Wenn die Grundfesten niederbrechen,<br />

was vermag der Gerechte zu tun?<br />

Noch thront in seinem Tempel der Herr;<br />

der Herr, er thront im Himmel.<br />

Seine Augen schauen herab,<br />

seine Wimpern prüfen die Söhne<br />

der Menschen.<br />

Den Frommen wie den Frevler prüft der Herr;<br />

wer Unrecht liebt, den hasst seine Seele.<br />

Schwefel lässt er regnen auf die Sünder und<br />

glühende Kohlen,<br />

ihr Anteil ist sengender Wind.<br />

Denn der Herr ist gerecht und<br />

liebt die Gerechtigkeit,<br />

Gerechte nur schauen sein Angesicht.<br />

Psalm 12<br />

Dem Chormeister, auf dem Achtsaiter;<br />

ein Psalm von David.<br />

Herr, komm zu Hilfe, denn die<br />

Frommen schwinden dahin,<br />

aufgehört hat unter den Menschen<br />

die Treue.<br />

Seinem Nächsten redet jeder voll Trug<br />

mit falschen Lippen, mit zwiefachem Sinn.<br />

Vernichten möge der Herr<br />

die Lippen der Lügner,<br />

die prahlerisch redende Zunge.<br />

Er vernichte sie, die da sprechen:<br />

Unsere Zunge ist unsere Macht,<br />

uns helfen unsere Lippen,<br />

wer ist Herr über uns?<br />

So kündet der Herr: Ich will mich erheben,<br />

denn geknechtet sind die Geringen und<br />

es seufzen die Armen;<br />

allen, die es ersehnen, bringe ich Heil.<br />

Lautere Worte sind die Worte des Herrn,<br />

bewährtes Silber, schlackenlos,<br />

geläutert zum siebenten Mal.<br />

Du, o Herr, du wirst uns bewahren,<br />

vor diesem Geschlecht<br />

uns behüten auf immer.<br />

Ringsum schreiten einher die Frevler,<br />

und frech erhebt die Gemeinheit ihr Haupt.<br />

Psalm 13<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Wie lange noch, Herr, willst du<br />

mich gar vergessen?<br />

Wie lange verhüllst du dein Antlitz vor mir?<br />

Wie lange soll in meiner Seele<br />

wühlen die Sorge,<br />

täglich in meinem Herzen der Gram?<br />

Wie lange darf über mich triumphieren<br />

der Feind?<br />

Schau doch, Herr, mein Gott,<br />

und erhöre mich!<br />

Gib Licht meinen Augen,<br />

dass ich im Tod nicht entschlafe;<br />

dass nicht prahle mein Feind:<br />

Ich habe ihn überwältigt;<br />

dass nicht jubeln meine Gegner,<br />

weil ich erlegen bin!<br />

Habe ich doch auf dein Erbarmen gebaut!<br />

Über deine Hilfe frohlocke mein Herz!<br />

Singen will ich dem Herrn,<br />

der mir Gutes getan hat.<br />

83 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 14<br />

Dem Chormeister; von David.<br />

In seinem Herzen redet der Tor:<br />

Es gibt keinen Gott.<br />

Verderbt sind sie, ihr Treiben ein Gräuel,<br />

keiner ist da, der noch Gutes tut.<br />

Vom Himmel blickt auf die Menschen<br />

der Herr,<br />

zu sehen, ob einer verständig,<br />

ob einer Gott suche.<br />

Doch alle sind abgewichen, alle verdorben,<br />

nicht einer, der Gutes täte, nicht einer.<br />

Werden zur Einsicht nicht kommen,<br />

die Böses tun,<br />

die verschlingen mein Volk,<br />

als äßen sie Brot,<br />

sie, die nicht rufen zum Herrn?<br />

Einmal aber werden sie beben vor Angst,<br />

denn Gott ist im Bund mit den Frommen.<br />

Zunichte machen wollt ihr<br />

die Pläne des Armen,<br />

der Herr aber bleibt seine Zuflucht.<br />

Käme doch von Zion für Israel Heil!<br />

Einst, wenn der Herr das Los<br />

seines Volkes gewendet,<br />

dann wird Jakob frohlocken und<br />

jubeln wird Israel.<br />

Psalm 15<br />

Ein Psalm von David.<br />

Herr, wer darf weilen<br />

in deinem Zelt,<br />

wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?<br />

Der wandelt ohne Makel und tut das Rechte,<br />

der Wahrheit sinnt im Herzen,<br />

dessen Zunge nicht redet Verleumdung;<br />

der seinem Freunde kein Leid antut,<br />

der nicht schmäht seinen Nächsten;<br />

der den Gottlosen verachtet,<br />

aber in Ehren hält, wer den Herrn fürchtet;<br />

der nicht ändert den Schwur,<br />

auch wenn es sein Schaden,<br />

der sein Geld nicht leiht auf Wucher<br />

noch sich bestechen lässt<br />

gegen die Unschuld.<br />

Wer so tut das Rechte,<br />

er wird nicht wanken in Ewigkeit.<br />

Psalm 16<br />

Ein Lied; von David.<br />

Behüte mich, Gott, ich nehme zu<br />

dir meine Zuflucht.<br />

Ich sage zum Herrn: Du bist mein Gebieter,<br />

ich habe kein Gut außer dir!<br />

An den Heiligen, die auf Erden sind,<br />

an den Herrlichen hab ich<br />

all mein Gefallen.<br />

<strong>Die</strong> aber huldigen fremden Göttern,<br />

ihrer Schmerzen sind viele.<br />

Ich gieße nicht aus vor ihnen<br />

das Blut ihrer Opfer,<br />

mit meinen Lippen will ich ihren Namen<br />

nicht nennen.<br />

Herr, mein Anteil an Erbe und Becher,<br />

du bist es, der in Händen hält meine Lose.<br />

Mir fiel das Los auf liebliches Land,<br />

gar wohl gefällt mir mein Erbe.<br />

Ich preise den Herren,<br />

weil er Einsicht mir gab,<br />

weil das Herz mich mahnt<br />

sogar in der Nacht.<br />

Allezeit habe ich vor Augen den Herrn,<br />

er steht mir zur Rechten,<br />

dass ich nicht wanke.<br />

Darum freut sich mein Herz,<br />

es frohlockt meine Seele,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

84


Erstes Buch<br />

und auch mein Leib wird ruhen in Frieden.<br />

Denn nicht dem Totenreiche gibst du meine<br />

Seele anheim,<br />

deinen Heiligen lässt du nicht schauen<br />

Verwesung.<br />

Den Weg des Lebens lässt du mich schauen,<br />

vor deinem Angesicht die Fülle der Freude,<br />

Wonne zu deiner Rechten auf ewig.<br />

Psalm 17<br />

Ein Gebet; von David.<br />

Höre, o Herr, die gerechte Sache,<br />

habe Acht auf mein Rufen,<br />

nimm auf mein Gebet,<br />

es kommt von lauteren Lippen.<br />

Von deinem Angesicht ergehe mein Urteil,<br />

deine Augen schauen das Recht.<br />

Wenn du erforschst mein Herz<br />

und suchst es heim in der Nacht,<br />

und wenn du mich prüfst im Feuer:<br />

du findest kein Unrecht an mir.<br />

Nicht haben sich, wie Menschen tun,<br />

meine Lippen versündigt;<br />

nach deinem Worte hab ich gewahrt<br />

den Weg des Gesetzes.<br />

An deinen Pfaden hielten fest meine Schritte,<br />

meine Füße strauchelten nicht.<br />

Ich rufe zu dir<br />

und du wirst mich erhören, o Gott,<br />

neige zu mir dein Ohr,<br />

vernimm meine Worte.<br />

Wirke Wunder deiner Barmherzigkeit,<br />

denn du rettest vor dem Feind,<br />

die zu deiner Rechten sich flüchten.<br />

Hüte mich wie den Stern deines Auges,<br />

im Schatten deiner Flügel beschütze mich<br />

vor den Frevlern, die hart mich bedrängen.<br />

Wütend umringen mich meine Gegner,<br />

sie verschließen ihr fühlloses Herz<br />

und Übermut redet ihr Mund.<br />

Schon umkreisen ihre Schritte mich,<br />

ihre Augen spähen aus,<br />

mich niederzustrecken:<br />

Dem Löwen gleich, der lechzt nach Beute,<br />

wie der junge Löwe,<br />

der im Verborgenen lauert.<br />

Erhebe dich, Herr, tritt entgegen dem Frevler<br />

und wirf ihn zu Boden,<br />

mit deinem Schwert<br />

entreiße ihm meine Seele.<br />

Deine Hand, o Herr,<br />

befreie mich von den Menschen:<br />

Von Menschen, deren Anteil allein<br />

dieses Leben ist,<br />

deren Leib du füllest mit Gütern.<br />

Mögen sich sättigen noch ihre Söhne,<br />

mögen, was übrig, ihre Kinder noch erben:<br />

Ich aber werde in Gerechtigkeit schauen<br />

dein Angesicht,<br />

an deinem Anblick satt mich schauen,<br />

wenn ich erwache.<br />

Psalm 18<br />

Dem Chormeister, von David, dem Knecht des Herrn;<br />

die Worte dieses Liedes sang er dem Herrn,<br />

nachdem ihn der Herr errettet hatte aus der Hand seiner<br />

Feinde und aus der Hand Sauls. 2 Er sprach:<br />

Ich will dich lieben,<br />

o Herr, meine Stärke,<br />

Herr, du mein Hort,<br />

meine Burg und mein Retter!<br />

Du mein Gott, mein Fels,<br />

auf den ich mich flüchte;<br />

du mein Schild, meines Heiles Panier,<br />

meine Zuflucht.<br />

Den Herrn, den Hochgelobten, rufe ich an,<br />

und sicher werde ich sein<br />

vor all meinen Feinden.<br />

85 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Mich umgaben des Todes Fluten,<br />

Wogen des Unheils erschreckten mich.<br />

<strong>Die</strong> Bande der Unterwelt schlossen mich ein,<br />

es fielen über mich die Schlingen des Todes.<br />

In meiner Bedrängnis rief ich zum Herrn,<br />

zu meinem Gott erhob ich mein Rufen.<br />

Und er hörte meine Stimme aus seinem<br />

heiligen Tempel,<br />

meine Klage erreichte sein Ohr.<br />

Da wankte die Erde und sie erbebte,<br />

erschüttert wurden die Berge<br />

bis auf den Grund,<br />

Zittern befiel sie<br />

vor seinem flammenden Zorn.<br />

Sein Odem war rauchende Wolke,<br />

aus seinem Mund brach verzehrendes Feuer,<br />

glühende Kohle brannte aus ihm.<br />

Und er neigte die Himmel und fuhr hernieder,<br />

auf Wolkendunkel ruhte sein Fuß.<br />

Vom Kerub getragen, flog er dahin,<br />

er fuhr auf den Flügeln der Winde.<br />

Sein Mantel: Finsternis ringsum ihn her;<br />

seine Hülle: schwarzes Wasser,<br />

dichtes Gewölk.<br />

Von seines Angesichtes blitzendem Strahl<br />

wurde entzündet das lodernde Feuer.<br />

Vom Himmel redete im Donner der Herr,<br />

der Höchste ließ seine Stimme erschallen.<br />

Er warf seine Pfeile und zerstreute die Feinde,<br />

Blitz auf Blitz warf er und streckte sie nieder.<br />

Da taten sich auf die Tiefen des Meeres,<br />

aufgedeckt wurden die Fundamente<br />

der Erde:<br />

Vor dem Drohen des Herrn,<br />

vor seines Odems zornigem Brausen.<br />

Er streckte seine Hand aus der Höhe und<br />

fasste nach mir<br />

und zog mich heraus aus den tiefen Wassern.<br />

Er entriss mich meinen grimmigsten Feinden,<br />

meinen Hassern, die stärker waren als ich.<br />

Sie fielen her über mich am Tag des Unheils,<br />

der Herr aber war mein Beschützer.<br />

Er führte mich hinaus in die Weite,<br />

er brachte mir Rettung, weil er mich liebt.<br />

So hat der Herr mir vergolten,<br />

weil ich gerecht bin,<br />

er hat mir gelohnt,<br />

weil rein sind meine Hände.<br />

Denn ich habe gewahrt die Wege des Herrn,<br />

nicht bin ich von meinem Gott gewichen<br />

durch Sünde.<br />

Ich hielt mir vor Augen all seine Gebote,<br />

seine Satzungen wies ich niemals von mir.<br />

Ich wandelte vor ihm ohne Fehl,<br />

ich hielt mich fern von Sünde.<br />

So hat der Herr mir vergolten,<br />

weil ich gerecht bin,<br />

weil er sah, dass rein sind meine Hände.<br />

Gütig erweist du dich dem Gütigen,<br />

an dem Redlichen handelst du redlich.<br />

Dem Lauteren erscheinst du lauter,<br />

noch klüger aber dem Allzuklugen.<br />

Dem geknechteten Volk schaffst du Heil,<br />

hoffärtige Augen senkst du nieder.<br />

Du bist es, Herr,<br />

der strahlen lässt meine Leuchte,<br />

mein Gott, du erhellst mein Dunkel.<br />

Mit dir durchbreche ich<br />

die Reihen des Feindes,<br />

mit meinem Gott erstürme ich Mauern.<br />

Gottes Weg ist gerade,<br />

das Wort des Herrn im Feuer bewährt,<br />

ein Schild ist er allen, die flüchten zu ihm.<br />

Wer ist Gott – es sei denn der Herr!<br />

Wer ein Fels, wenn nicht unser Gott!<br />

Gott ist es, der mich gegürtet hat mit Kraft,<br />

untadelig machte er meinen Weg.<br />

Meine Füße machte er schnell wie die Füße<br />

der Hirschkuh,<br />

auf sichere Höhe ließ er mich steigen.<br />

Er lehrte meine Hände den Kampf,<br />

meinen Arm hieß er spannen<br />

den bronzenen Bogen.<br />

Du gabst mir den Schild deines Heiles,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

86


Erstes Buch<br />

es hielt mich fest deine Rechte,<br />

deine Güte machte mich groß.<br />

Meinen Schritten gabst du weiten Raum,<br />

meine Füße strauchelten nicht.<br />

Ich verfolgte meine Feinde und holte sie ein<br />

und kehrte nicht um,<br />

bis sie völlig vernichtet.<br />

Ich schlug sie und sie konnten sich nicht<br />

mehr erheben,<br />

unter meinen Füßen sanken sie hin.<br />

Zum Kampf hast du mich gegürtet mit Kraft,<br />

meine Widersacher hast du gebeugt<br />

unter mich.<br />

Meine Feinde jagst du in die Flucht,<br />

und die mich hassen, du hast sie vernichtet.<br />

Sie schrien, doch es fand sich kein Retter,<br />

sie schrien zum Herrn,<br />

doch er hörte sie nicht.<br />

Und ich trieb sie einher<br />

wie Staub vor dem Wind,<br />

wie Straßenkot trat ich sie nieder.<br />

Du hast mich dem Hader der Menge entzogen,<br />

mich eingesetzt zum Haupt der Völker.<br />

Völker, die ich nicht kannte,<br />

wurden mir dienstbar,<br />

meinem ersten Worte gehorsam.<br />

<strong>Die</strong> Söhne der Fremden huldigten mir,<br />

die Söhne der Fremden erblassten<br />

vor Furcht,<br />

aus ihren Burgen kamen sie bebend herbei.<br />

Es lebe der Herr! Er sei gepriesen, mein Fels,<br />

hochgelobt mein Gott und mein Retter,<br />

Gott, der mir schaffte Vergeltung,<br />

der die Völker mir unterwarf:<br />

Der du von meinen Feinden mich hast befreit,<br />

über die Widersetzlichen mich erhoben,<br />

mich entrissen dem Mann der Gewalt.<br />

Darum will ich dich preisen, o Herr,<br />

vor den Völkern,<br />

deinem Namen will ich lobsingen.<br />

Denn große Siege hast du gewährt<br />

deinem König,<br />

Gnade erwiesen deinem Gesalbten,<br />

David und seinem Stamm auf ewig.<br />

Psalm 19<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

<strong>Die</strong> Himmel rühmen<br />

die Herrlichkeit Gottes,<br />

die Himmelsfeste verkündet<br />

das Werk seiner Hände.<br />

Der Tag gibt weiter das Wort an den Tag,<br />

die Nacht vermeldet der Nacht ihre Kunde.<br />

Da ist keine Sprache, kein Wort,<br />

nicht hörst du den Laut ihrer Stimme.<br />

Und doch, in alle Welt ertönt ihr Ruf,<br />

ihre Botschaft bis an die Enden der Erde.<br />

Dort hat er ein Zelt geschaffen der Sonne;<br />

wie der Bräutigam aus dem Gemache<br />

geht sie hervor,<br />

froh wie der Held,<br />

der durchläuft seine Bahn:<br />

Sie geht hervor am Rande des Himmels,<br />

und wieder zum Rande des Himmels<br />

eilt sie dahin;<br />

nichts kann sich vor ihren Gluten verbergen.<br />

Vollkommen ist das Gesetz des Herrn,<br />

es labt die Seele;<br />

die Vorschrift des Herrn ist verlässlich,<br />

Unwissende macht sie zu Weisen.<br />

<strong>Die</strong> Befehle des Herrn sind gerade,<br />

sie erfreuen das Herz;<br />

lauter ist sein Gebot, es erleuchtet das Auge.<br />

<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist heilig,<br />

sie hat für immer Bestand;<br />

seine Urteile sind wahrhaft,<br />

sie sind alle gerecht.<br />

Köstlicher sind sie als Gold,<br />

als ein Schatz von lauterem Gold,<br />

süßer sind sie als Honig,<br />

als Honig aus der Wabe.<br />

87 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Dein Knecht will sie achten in Treue;<br />

sorglich ist er bemüht, sie zu halten.<br />

Wer aber wird seiner Fehler gewahr?<br />

Von allen, die mir verborgen,<br />

mache mich rein!<br />

Auch bewahre deinen <strong>Die</strong>ner vor Hochmut,<br />

dass ich nicht komme in seine Gewalt.<br />

Dann bleibe ich ohne Schuld<br />

und rein von schwerem Vergehen.<br />

Nimm an meines Herzens Sinn und das Wort<br />

meines Mundes,<br />

o Herr, du mein Hort, mein Erlöser!<br />

Psalm 20<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Es erhöre dich der Herr am Tag<br />

der Drangsal,<br />

Jakobs Gott, er möge dich schützen.<br />

Er sende dir Hilfe vom Heiligtum,<br />

von Zion aus steh er dir bei.<br />

Er gedenke all deiner Opfer,<br />

dein Ganzopfer finde Gnade vor ihm.<br />

Er gebe dir, was verlangt dein Herz,<br />

Erfüllung gewähre er all deinen Plänen.<br />

So werden wir deines Sieges uns freuen,<br />

die Banner erheben im Namen<br />

unseres Gottes;<br />

all deine Bitten erfülle Herr.<br />

Nun weiß ich: Sieg hat der Herr verliehen<br />

seinem Gesalbten,<br />

er hat ihn erhört von seinem<br />

heiligen Himmel<br />

in der Kraft seiner siegreichen Rechten.<br />

Jene sind stark durch Wagen und Rosse;<br />

wir aber im Namen des Herrn, unseres Gottes.<br />

Jene stürzten und brachen zusammen,<br />

wir aber stehen und bleiben.<br />

Herr, verleihe dem König den Sieg,<br />

und erhöre uns am Tag, da wir rufen zu dir.<br />

Psalm 21<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Herr, deiner Macht erfreut sich<br />

der König,<br />

über deine Hilfe jubelt er laut.<br />

Du hast ihm erfüllt seines Herzens Begehr,<br />

ihm nicht verweigert,<br />

was seine Lippen erbaten.<br />

Du bist ihm zuvorgekommen<br />

mit Segen und Heil,<br />

hast ihm das Haupt gekrönt mit einer<br />

Krone von lauterem Gold.<br />

Leben erbat er von dir und du gabst es ihm,<br />

die Fülle der Tage für immer und ewig.<br />

Groß ist sein Ruhm<br />

durch die Kraft deiner Hilfe,<br />

du hast ihn geschmückt<br />

mit Hoheit und Pracht.<br />

Du hast ihn zum Segen gemacht für immer,<br />

ihn beglückt vor deinem Antlitz mit Freude.<br />

Denn der König vertraut auf den Herrn,<br />

nicht wird er wanken durch die Huld<br />

des Höchsten.<br />

Es komme deine Hand über all deine Feinde;<br />

die dich hassen, es treffe sie deine Rechte.<br />

Mache sie glühend wie im Feuer der Esse<br />

am Tag, da dein Antlitz erscheint.<br />

In seinem Zorn soll der Herr sie vernichten,<br />

fressen soll sie das Feuer.<br />

Vertilge ihr Geschlecht von der Erde,<br />

ihre Brut aus der Mitte der Menschen.<br />

Planen sie gegen dich auch Böses und<br />

sinnen sie Arglist,<br />

nimmermehr werden sie siegen.<br />

Denn du jagst sie alle in die Flucht,<br />

gegen ihr Angesicht spannst du den Bogen.<br />

In deiner Macht erhebe dich, Herr,<br />

und deine Stärke wollen wir besingen und<br />

preisen.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

88


Erstes Buch<br />

Psalm 22<br />

Dem Chormeister, nach der Melodie<br />

»Hirschkuh am Morgen«; ein Psalm von David.<br />

Mein Gott, mein Gott, warum<br />

hast du mich verlassen!<br />

Warum bist du fern meinem Flehen,<br />

dem Ruf meiner Klage!<br />

Ich rufe am Tag, o Gott, und du hörst nicht;<br />

ich rufe in der Nacht und du hast für mich<br />

keine Antwort.<br />

Und wohnst doch in dem Heiligtum,<br />

gepriesen von Israel.<br />

Auf dich haben unsere Väter gehofft,<br />

sie hofften und du hast sie befreit.<br />

Sie riefen zu dir und wurden gerettet,<br />

sie vertrauten auf dich<br />

und wurden nicht zuschanden.<br />

Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,<br />

der Leute Spott und des Volkes Verachtung.<br />

Alle, die mich sehen, sie verspotten mich,<br />

sie verziehen die Lippen,<br />

schütteln das Haupt:<br />

Er vertraute auf Gott, der mag ihn retten;<br />

der mag ihm helfen, wenn er ihn liebt.<br />

Du bist es, der mich aus dem Mutterschoß<br />

geführt,<br />

du ließest sorglos mich ruhen an der Brust<br />

meiner Mutter.<br />

Dir bin ich zu Eigen von Anbeginn,<br />

vom Schoß meiner Mutter an<br />

bist du mein Gott.<br />

Steh mir nicht fern in meiner Not,<br />

sei mir nahe, denn nirgends ist Hilfe.<br />

Es umringen mich mächtige Stiere,<br />

Büffel von Baschan schließen mich ein.<br />

Ein Rachen tut sich auf gegen mich,<br />

wie eines Löwen, brüllend vor Raubgier.<br />

Hingegossen bin ich wie Wasser,<br />

auseinandergerissen ist all mein Gebein.<br />

Mein Herz ist geworden wie Wachs,<br />

zerflossen in meinem Innern.<br />

Vertrocknet wie eine Scherbe ist meine Kehle,<br />

die Zunge klebt mir am Gaumen,<br />

du hast mich hinabgeführt zum Staub<br />

des Todes.<br />

Denn mich umlauert die Meute der Hunde,<br />

die Rotte der Frevler hält mich umzingelt<br />

wie ein Löwe meine Hände und Füße.<br />

All mein Gebein kann ich zählen;<br />

sie starren zu mir empor;<br />

brechen in Jubel aus, da sie mich sehen,<br />

sie teilen unter sich meine Kleider<br />

und losen um mein Gewand.<br />

Du aber steh nicht fern, o Herr;<br />

du, meine Hilfe, eile herbei, mich zu retten.<br />

Entreiße meine Seele dem Schwert,<br />

aus der Hunde Gewalt errette mein Leben.<br />

Aus dem Rachen des Löwen befreie mich,<br />

aus den Hörnern der Büffel rette mich<br />

Armen. – Du hast mich erhört!<br />

Deinen Namen will ich künden den Brüdern,<br />

inmitten der Gemeinde<br />

will ich dich preisen.<br />

<strong>Die</strong> ihr fürchtet den Herrn, erhebt ihn,<br />

all ihr Söhne Jakobs, lobpreist ihn,<br />

fürchtet ihn, alle von Israels Stamm.<br />

Denn er hat nicht verschmäht<br />

noch verachtet das Elend des Armen,<br />

vor ihm nicht verborgen sein Angesicht,<br />

er hat ihn gehört, da er schrie zu ihm.<br />

Dir gilt mein Lob in großer Gemeinde;<br />

vor allen, die dich fürchten,<br />

löse ich ein mein Gelübde.<br />

<strong>Die</strong> Armen essen und sie werden gesättigt,<br />

lobpreisen sollen den Herrn, die ihn suchen:<br />

Eure Herzen werden leben in Ewigkeit.<br />

Daran sollen denken alle Enden der Erde<br />

und sich bekehren zum Herrn;<br />

Niederfallen werden vor ihm<br />

alle Stämme der Heiden.<br />

Denn das Königtum ist zu Eigen dem Herrn,<br />

er ist der Herrscher der Völker.<br />

89 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Nur ihm sollen huldigen<br />

alle Mächtigen der Erde;<br />

vor ihm sich beugen alle,<br />

die hinabführen zum Staub.<br />

Und wenn einer nicht mehr lebt,<br />

wird seine Nachkommenschaft<br />

Gott dienen.<br />

Den Kommenden werden sie erzählen<br />

vom Herrn<br />

seine Gerechtigkeit künden<br />

dem Volk der Zukunft:<br />

<strong>Die</strong>s hat der Herr getan.<br />

Psalm 23<br />

Ein Psalm von David.<br />

Der Herr ist mein Hirte,<br />

ich leide nicht Not;<br />

auf grünender Weide lässt er mich lagern.<br />

Er führt mich an Wasser der Ruhe,<br />

Erquickung spendet er meiner Seele.<br />

Er leitet mich auf dem rechten Pfad,<br />

getreu seinem Namen.<br />

Und muss ich auch wandern im finsteren Tal,<br />

ich fürchte kein Unheil,<br />

denn du bist bei mir.<br />

Dein Stock und dein Hirtenstab,<br />

die geben mir Zuversicht.<br />

Du hast einen Tisch mir bereitet<br />

vor den Augen der Feinde.<br />

Du salbtest mein Haupt mit Öl,<br />

mein Becher ist gefüllt bis zum Rand.<br />

Es geleiten mich deine Güte und Huld<br />

durch alle Tag des Lebens.<br />

Und wohnen darf ich im Hause des Herrn<br />

solange ich lebe.<br />

Psalm 24<br />

Ein Psalm von David.<br />

Des Herrn ist die Erde und<br />

was sie erfüllt,<br />

der Erdkreis und die ihn bewohnen.<br />

Er ist es, der sie auf Meere gegründet,<br />

sie festgefügt über Fluten.<br />

Wer darf hinaufgehn zum Berg des Herrn?<br />

Wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?<br />

Der reine Hände hat und ein lauteres Herz,<br />

der seinen Sinn nicht lenkt auf Trug,<br />

nicht lügenhaft schwört seinem Nächsten.<br />

<strong>Die</strong>ser wird gesegnet vom Herrn,<br />

von Gott, seinem Helfer,<br />

empfängt er den Lohn.<br />

So geschieht es dem Volk, das ihn sucht,<br />

das da sucht das Antlitz des Herrn.<br />

Ihre Tore, hebt hoch euer Haupt!<br />

Erhebt euch, ihr uralten Pforten!<br />

Dass Einzug halte<br />

der König der Herrlichkeit.<br />

Wer ist der König der Herrlichkeit?<br />

Der Herr, gewaltig und stark,<br />

der Herr, gewaltig im Kampf.<br />

Ihr Tore, hebt euch nach oben!<br />

Erhebt euch, ihr uralten Pforten!<br />

Dass Einzug halte<br />

der König der Herrlichkeit.<br />

Wer ist der König der Herrlichkeit?<br />

Der Herr der himmlischen Heere,<br />

er ist der König der Herrlichkeit.<br />

Psalm 25<br />

Ein Psalm von David.<br />

Zu dir erhebe ich meine Seele,<br />

du mein Herr und mein Gott.<br />

Auf dich vertraue ich,<br />

lass mich nicht zuschanden werden;<br />

Ps 0,00–0,00<br />

90


Erstes Buch<br />

nicht sollen über mich triumphieren<br />

die Feinde.<br />

Denn alle, die deiner harren,<br />

sie werden nicht zuschanden;<br />

zuschanden werden,<br />

die leichthin brechen die Treue.<br />

Zeige mir deine Wege, o Herr,<br />

und lehre mich deine Pfade.<br />

Führe mich in deiner Wahrheit<br />

und lehre mich,<br />

denn du bist mein Gott und mein Helfer;<br />

allzeit hoffe ich auf dich.<br />

Denke an dein Erbarmen, Herr,<br />

und deine Gnade, die waltet von Anbeginn.<br />

Meiner Jugend Sünden und meiner<br />

Verirrungen gedenke nicht mehr,<br />

um deiner Güte willen, o Herr,<br />

gedenke meiner in Gnade.<br />

Gütig ist der Herr und getreu,<br />

darum weist er dem Sünder den Weg.<br />

<strong>Die</strong> Willigen führt er nach Recht,<br />

Demütige lehrt er seine Pfade.<br />

Alle Wege des Herrn sind Gnade und Treue<br />

für jene, die seinen Bund und<br />

seine Gebote bewahren.<br />

Um deines Namens willen, Herr,<br />

vergib meine Sünde, denn sie ist groß.<br />

Wer ist der Mann, der fürchtet den Herrn?<br />

Es zeigt der Herr ihm den Weg,<br />

den er wählen soll.<br />

Seine Seele darf leben in Glück,<br />

und seine Kinder werden besitzen<br />

das Land.<br />

Freund ist denen der Herr, die ihn fürchten;<br />

er macht seinen Bund ihnen offenbar.<br />

Immerdar schauen meine Augen zum Herrn;<br />

er ist es, der meinen Fuß befreit<br />

aus der Schlinge.<br />

Blicke auf mich und erbarme dich meiner,<br />

denn einsam bin ich und arm.<br />

Löse meines Herzens Bedrängnis,<br />

aus meinen Nöten errette mich.<br />

Schau mein Elend und meine Plage<br />

und vergib mir all meine Schuld.<br />

Sieh an meine Feinde, wie groß ihre Zahl;<br />

wie wütend der Hass,<br />

mit dem sie mich hassen.<br />

Bewahre meine Seele und rette mich;<br />

lass mich nicht zuschanden werden,<br />

ich flüchte zu dir.<br />

Behüten möge mich Unschuld und<br />

redlicher Sinn;<br />

o Herr, ich hoffe auf dich.<br />

Erlöse, o Gott, dein Israel<br />

aus all seinen Nöten.<br />

Psalm 26<br />

Ein Psalm von David.<br />

Schaffe mir Recht, o Herr, denn<br />

gewandelt bin ich in Unschuld,<br />

und ohne Wanken habe ich vertraut<br />

auf den Herrn.<br />

Prüfe mich, Herr, und durchforsche mich,<br />

erprobe mich auf Nieren und Herz.<br />

Denn vor Augen habe ich deine Güte,<br />

in deiner Wahrheit wandele ich.<br />

Ich sitze nicht bei Menschen,<br />

die Unrecht tun,<br />

mit den Trugvollen habe ich keine<br />

Gemeinschaft.<br />

Ich hasse die Versammlung der Frevler,<br />

bei den Gottlosen sitze ich nicht.<br />

Ich wasche meine Hände in Unschuld,<br />

und ich schreite, Herr, um deinen Altar.<br />

Laut will ich künden dein Lob,<br />

von all deinen Wundertaten will ich<br />

erzählen.<br />

Ich liebe, Herr, deines Hauses heilige<br />

Wohnstatt,<br />

das Zelt, wo deine Herrlichkeit wohnt.<br />

Raffe meine Seele nicht hinweg<br />

91 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

mit den Sündern,<br />

nicht mit den Männern des Blutes<br />

mein Leben.<br />

In ihren Händen ist Schandtat,<br />

mit Bestechung ist gefüllt ihre Rechte.<br />

Ich aber wandle in meiner Unschuld;<br />

erlöse mich, Herr,<br />

und erbarme dich meiner.<br />

Auf ebenem Wege schreitet mein Fuß,<br />

dich, Herr, will ich preisen in der<br />

Gemeinde.<br />

Psalm 27<br />

Ein Psalm von David.<br />

Der Herr ist mein Licht und mein<br />

Heil, wen sollte ich fürchten!<br />

Der Herr ist der Hort meines Lebens,<br />

vor wem sollte mir bangen!<br />

Fallen Böse über mich her,<br />

mich zu verschlingen,<br />

meine Gegner und Feinde,<br />

sie gleiten und stürzen zu Boden.<br />

Und steht gegen mich ein Kriegsheer,<br />

so wird mein Herz nicht verzagen;<br />

entbrennt ein Kampf gegen mich,<br />

so bin ich dennoch getrost.<br />

Eines erbitte ich mir vom Herrn,<br />

dies eine begehre ich:<br />

zu wohnen im Hause des Herrn<br />

alle Tage des Lebens:<br />

Auf dass ich koste die Wonne des Herrn,<br />

dass ich schaue seinen heiligen Tempel.<br />

In seiner Wohnung wird er mich bergen<br />

am Tag des Unheils,<br />

er bewahrt mich in der Hut seines Zeltes,<br />

er stellt mich empor auf sicheren Felsen.<br />

So darf ich nun erheben mein Haupt<br />

über die Feinde, die mich umringen.<br />

In seinem Zelt weihe ich Opfer des Jubels,<br />

Dem Herrn will ich singen und spielen.<br />

Höre, o Herr, den Ruf meiner Stimme;<br />

erbarme dich meiner, erhöre mich!<br />

Es redet zu dir mein Herz,<br />

dich sucht mein Antlitz:<br />

Dein Antlitz, o Herr, will ich suchen.<br />

Nicht verhülle vor mir dein Angesicht,<br />

verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!<br />

Du bist meine Hilfe, weise mich nicht zurück!<br />

O Gott, du mein Retter, verlass mich nicht!<br />

Und wollten mich verlassen Vater und Mutter,<br />

aufnehmen wird mich der Herr.<br />

Weise mir, Herr, deine Pfade;<br />

um meiner Feinde willen führe mich<br />

auf ebener Bahn!<br />

Gib mich nicht preis der Gier meiner Gegner;<br />

denn lügenhafte Zeugen<br />

stehn wider mich auf,<br />

Männer, die sinnen Verderben.<br />

Ich bin gewiss, dass ich schaue die Güte<br />

des Herrn<br />

im Lande der Lebenden.<br />

So harre des Herrn und sei stark!<br />

Sei tapferen Mutes und harre des Herrn!<br />

Psalm 28<br />

Ein Psalm von David.<br />

Zu dir rufe ich, Herr,<br />

du mein Fels,<br />

dein Ohr verschließe mir nicht.<br />

Denn würdest du verstummen,<br />

so gliche ich jenen,<br />

die niedersteigen zur Grube.<br />

Höre die Stimme meines Flehens,<br />

da ich rufe zu dir,<br />

da ich meine Hände erhebe,<br />

Herr, zu deinem Allerheiligsten.<br />

Nicht raffe mich hinweg mit den Sündern,<br />

mit jenen, die Unrecht tun.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

92


Erstes Buch<br />

Mit ihren Nächsten reden sie freundlich,<br />

im Herzen aber tragen sie Bosheit.<br />

Tu an ihnen, wie ihr Treiben verdient,<br />

nach der Bosheit ihrer Verbrechen.<br />

Entgelten lass sie das Werk ihrer Hände,<br />

zahle ihnen heim ihre Taten.<br />

Sie achten nicht das Walten des Herrn und<br />

das Werk seiner Hände.<br />

Er reiße sie nieder und<br />

baue sie nicht mehr auf.<br />

Der Herr sei gepriesen,<br />

er hat die Stimme meines Flehens gehört;<br />

der Herr meine Stärke, mein Schild.<br />

Mein Herz vertraute auf ihn.<br />

Und es wurde mir geholfen,<br />

darum jubelt mein Herz und ich darf ihm<br />

danken im Lied.<br />

Der Herr ist die Kraft seines Volkes,<br />

Hort des Heiles für seinen Gesalbten.<br />

Hilf deinem Volk und segne dein Erbe,<br />

weide die Deinen und trage sie ewiglich.<br />

des Libanon:<br />

Gleich einem Kalb lässt er springen<br />

den Libanon,<br />

gleich einem jungen Büffel den Sirjon.<br />

<strong>Die</strong> Stimme des Herrn<br />

entzündet feurige Blitze,<br />

die Stimme des Herrn<br />

lässt erbeben die Wüste,<br />

der Herr lässt erbeben die Wüste<br />

von Kadesch.<br />

<strong>Die</strong> Stimme des Herrn entwurzelt die Eichen,<br />

lichtet die Wälder;<br />

in seinem Tempel rufen alle:<br />

Herrlich der Herr!<br />

Es thronte der Herr über den Fluten<br />

der Urzeit,<br />

der Herr wird thronen<br />

als König in Ewigkeit.<br />

Der Herr verleiht Kraft seinem Volk,<br />

der Herr wird segnen sein Volk mit<br />

Frieden.<br />

Psalm 29<br />

Ein Psalm von David.<br />

Dem Herrn bringt dar,<br />

ihr Göttersöhne,<br />

dem Herrn bringt dar Ehre und Macht!<br />

Dem Herrn bringt dar den Ruhm<br />

seines Namens,<br />

in heiligem Schmuck betet ihn an!<br />

Höre über den Wassern<br />

die Stimme des Herrn!<br />

Es redet im Donner der erhabene Gott,<br />

der Herr über den Fluten der Wasser!<br />

Höre die Stimme des Herrn voller Kraft,<br />

voller Hoheit die Stimme des Herrn.<br />

<strong>Die</strong> Stimme des Herrn<br />

zersplittert die Zedern,<br />

der Herr zerschmettert die Zedern<br />

Psalm 30<br />

Ein Psalm; ein Lied zur Einweihung des Tempels;<br />

von David.<br />

Ich preise dich, Herr,<br />

denn du hast mich befreit,<br />

du ließest nicht zu, dass meiner sich freuen<br />

die Feinde.<br />

O Herr, du mein Gott,<br />

ich rief zu dir und du hast mich geheilt.<br />

Herr, meine Seele hast du geholt aus dem<br />

Reiche des Todes,<br />

du hast mich bewahrt,<br />

hinabzusteigen zur Grube.<br />

Ihr, seine Heiligen, lobsingt dem Herrn,<br />

saget Dank seinem heiligen Namen.<br />

Denn nur einen Augenblick währt sein<br />

Zürnen,<br />

93 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

doch seine Güte ein Leben lang.<br />

Kehrt am Abend auch Weinen ein,<br />

am Morgen kommt wieder die Freude.<br />

Ich sagte im Vertrauen auf mich:<br />

Nimmermehr werde ich wanken.<br />

Herr, du gewährtest mir huldvoll<br />

Ehre und Macht;<br />

doch als du verbargst dein Antlitz,<br />

da ward ich erschüttert.<br />

O Herr, da rief ich zu dir,<br />

ich flehte zu meinem Gott um Erbarmen:<br />

Was wäre gewonnen mit meinem Blut,<br />

wenn ich niederstiege zur Grube!<br />

Kann dich preisen der Staub,<br />

kann er deine Treue verkünden?<br />

Höre mich, Gott, und erbarme dich meiner,<br />

sei du mein Helfer, o Herr!<br />

Du hast meine Klage gewandelt in Reigenlied,<br />

abgenommen mein Bußgewand und<br />

mich gegürtet mit Freude,<br />

auf dass meine Seele dir singe und<br />

nimmermehr schweige.<br />

Herr, mein Gott, ich will dich preisen<br />

auf ewig!<br />

Psalm 31<br />

Dem Chormeister, ein Psalm von David.<br />

O Herr, ich flüchte zu dir,<br />

lass mich nicht zuschanden werden<br />

in Ewigkeit;<br />

in deiner Gerechtigkeit mache mich frei!<br />

Neige dein Ohr mir zu,<br />

mich zu erretten, eile herbei!<br />

Sei mir ein Felsen der Zuflucht,<br />

eine feste Burg, mich zu retten.<br />

Wahrlich, du bist mein Fels, meine Burg;<br />

um deines Namens willen führe mich und<br />

leite mich.<br />

Du ziehst mich aus dem Netz, das sie<br />

heimlich mir stellten;<br />

du bist meine Rettung.<br />

In deine Hände befehle ich meinen Geist;<br />

Herr, du getreuer Gott,<br />

du wirst mich erlösen!<br />

Du hasst, die nichtige Götzen verehren,<br />

ich aber vertraue dem Herrn.<br />

Frohlocken darf ich und deiner Güte<br />

mich freuen;<br />

denn gnädig hast du auf mein Elend<br />

geschaut;<br />

meiner Seele hast du geholfen in<br />

der Bedrängnis.<br />

Nicht gabst du mich preis der Macht<br />

meiner Feinde,<br />

du hast auf weiten Raum<br />

meinen Fuß gestellt.<br />

Erbarme dich meiner, o Herr,<br />

ich bin voller Ängste,<br />

getrübt vor Kummer ist mir der Blick,<br />

verstört sind mir Seele und Leib.<br />

In Kummer geht mein Leben dahin,<br />

meine Jahre entschwinden in Seufzen.<br />

Meine Kraft ist gebrochen im Elend,<br />

erschüttert ist all mein Gebein.<br />

Zum Gespött bin ich worden<br />

all meinen Feinden,<br />

meinen Nachbarn zum Hohn,<br />

zum Schrecken meinen Vertrauten;<br />

die mich sehn auf der Straße,<br />

fliehen vor mir.<br />

Vergessen bin ich den Herzen,<br />

als wäre ich tot;<br />

ich bin geworden wie ein zerbrochen<br />

Gefäß.<br />

Ich hörte die Zischelreden der Menge,<br />

rings um mich war ein Grauen,<br />

sie scharten sich zusammen und<br />

wollten mich töten.<br />

Ich aber, o Herr, ich vertraue auf dich:<br />

ich sage: Du bist mein Gott.<br />

Meine Lose ruhen in deiner Hand,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

94


Erstes Buch<br />

entreiße mich der Gewalt meiner Feinde<br />

und meiner Verfolger!<br />

Lass leuchten über deinem Knecht dein Antlitz,<br />

rette mich in deinem Erbarmen!<br />

Herr, lass mich nicht zuschanden werden,<br />

da ich dich anrief;<br />

zuschanden sollen werden die Frevler<br />

verstummen und niederfahren<br />

zum Abgrund.<br />

Verstummen sollen die Lippen der Lüge,<br />

die sich auftun gegen den Frommen in<br />

frechem Stolz, in Verachtung.<br />

Wie groß ist deine Güte, o Herr,<br />

die du denen bewahrst, die dich fürchten!<br />

Du erweist sie vor den Augen der Menschen<br />

an denen, die ihre Zuflucht nehmen zu dir.<br />

Du deckst sie mit dem Schild deines Blickes<br />

vor der Verschwörung der Menschen.<br />

Du verwahrst sie in deinem Gezelt<br />

vor dem Streit der Zungen.<br />

Gepriesen der Herr,<br />

in fester Stadt erwies er mir wunderbar<br />

sein Erbarmen.<br />

Ich hatte gesprochen in meiner Bestürzung:<br />

Verstoßen bin ich von deinem Antlitz.<br />

Du aber hast meines Flehens Stimme<br />

vernommen,<br />

da ich gerufen zu dir.<br />

Liebet den Herrn, ihr, seine Heiligen;<br />

seine Getreuen behütet der Herr.<br />

Doch zahlt reichlich er heim<br />

denen, die handeln in Übermut.<br />

Seid stark und tapferen Mutes,<br />

alle, die ihr hofft auf den Herrn!<br />

Psalm 32<br />

Von David, ein Weisheitslied.<br />

Selig der Mensch, dem der Herr nicht<br />

anrechnet die Schuld,<br />

dem Trug nicht wohnt im Geist.<br />

Solange ich schwieg, zerfiel mein Gebein,<br />

endlos währte mein Stöhnen.<br />

Schwer lag auf mir deine Hand<br />

bei Tag und bei Nacht,<br />

meine Kraft verdorrte<br />

wie unter Gluten des Sommers.<br />

Da habe ich dir meine Sünde bekannt,<br />

nicht länger verbarg ich dir meine Schuld.<br />

Ich sprach: Bekennen will ich dem Herrn<br />

meine Bosheit!<br />

Und du hast mir die Schuld<br />

meiner Sünde vergeben.<br />

So möge denn beten zu dir jeder Fromme<br />

in den Zeiten der Trübsal.<br />

Und brechen herein die Fluten der Wasser,<br />

ihn werden sie nicht erreichen.<br />

Du bist meine Zuflucht,<br />

du wirst mich bewahren vor Ängsten,<br />

mich umgeben mit der Freude des Heiles.<br />

Ich verleihe dir Einsicht;<br />

den Weg, den du gehn sollst,<br />

will ich dir weisen;<br />

ich will dir raten und mein Auge<br />

wird ruhen auf dir.<br />

Seid nicht wie Ross und Maultier,<br />

die ohne Verstand sind;<br />

ihren Trotz musst du zwingen<br />

mit Zügel und Zaum,<br />

sie werden sonst nie dir gehorchen.<br />

Den Sünder treffen der Leiden gar viele;<br />

wer aber hofft auf den Herrn,<br />

den umfängt sein Erbarmen.<br />

Seid fröhlich im Herrn, ihr Gerechten,<br />

und freut euch!<br />

All ihr lauteren Herzen, frohlockt!<br />

Selig, wem vergeben die Missetat,<br />

wem zugedeckt wurde die Sünde.<br />

95 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 33<br />

Frohlockt, ihr Gerechten,<br />

über den Herrn,<br />

den Redlichen ziemt es, ihn zu lobpreisen.<br />

Preist den Herrn mit Saitenspiel,<br />

auf der Zehnsaitenharfe ertöne sein Lob.<br />

Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />

singt ihm schön mit Jubelschall.<br />

Denn das Wort des Herrn ist wahrhaftig,<br />

all sein Wirken ist Treue.<br />

Gerechtigkeit liebt er und Recht,<br />

die Erde ist voll von der Güte des Herrn.<br />

Vom Wort des Herrn sind die Himmel<br />

geschaffen,<br />

vom Hauch seines Mundes ihr ganzes Heer.<br />

Wie im Krug sammelt er<br />

die Wasser des Meeres,<br />

in Kammern fasst er die Fluten.<br />

<strong>Die</strong> ganze Erde fürchte den Herrn,<br />

erschauern sollen vor ihm,<br />

die bewohnen den Erdkreis.<br />

Denn er sprach und es geschah;<br />

er gebot und da war es geschaffen.<br />

Der Herr zerstreut den Anschlag der Heiden,<br />

die Pläne der Völker macht er zunichte.<br />

Der Ratschluss des Herrn hat auf ewig Bestand,<br />

seines Herzens Sinnen währ von Geschlecht<br />

zu Geschlecht.<br />

Selig das Volk, dessen Gott der Herr ist,<br />

das Volk, das er auserkoren hat zum Erbe.<br />

Der Herr blickt hernieder vom Himmel,<br />

er sieht auf alle Kinder der Menschen.<br />

Von der Stätte seiner Wohnung<br />

schaut er hernieder<br />

auf alle, die bewohnen die Erde.<br />

Er, der allen gebildet das Herz,<br />

er weiß um all ihre Werke.<br />

Nicht wird siegen der König durch die Stärke<br />

des Heeres,<br />

nicht wird gerettet der Held durch<br />

gewaltige Kraft.<br />

Betrogen ist, wer vom Ross erwartet den Sieg;<br />

so stark es auch sei,<br />

es kann ihn nicht retten.<br />

Doch siehe, es ruht auf den Frommen<br />

das Auge des Herrn,<br />

auf denen, die seiner Güte vertrauen,<br />

ihre Seelen zu entreißen dem Tod<br />

und sie zu nähren in ihrem Hunger.<br />

Unsere Seele harrt auf den Herrn,<br />

er ist uns Hilfe und Schild.<br />

In ihm erfreut sich unser Herz,<br />

denn wir vertrauen auf seinen<br />

heiligen Namen.<br />

Es walte, o Herr, über uns deine Güte,<br />

so wie wir hoffen auf dich.<br />

Psalm 34<br />

Von David, als er sich vor Abimelech wahnsinnig<br />

stellte und, von diesem entlassen, davonging.<br />

Den Herrn will ich allzeit<br />

preisen,<br />

immerdar sei in meinem Munde sein Lob.<br />

Es rühme sich des Herrn meine Seele,<br />

hören sollen es die Armen und<br />

fröhlich sein.<br />

Vereint mit mir lobpreist den Herrn,<br />

lasst uns gemeinsam seinen Namen erheben.<br />

Ich suchte den Herrn und er hat mich erhört,<br />

er hat mich errettet aus all meinen Ängsten.<br />

Blickt auf ihn und ihr werdet strahlen<br />

in Freude,<br />

und euer Angesicht soll nicht erröten.<br />

Seht, ein Armer rief und der Herr hat gehört,<br />

er hat ihn erlöst aus aller Bedrängnis.<br />

Einen Wall richtet auf der Engel des Herrn<br />

die Frommen umgibt er, sie zu erretten.<br />

Kostet und seht, wie gütig der Herr!<br />

Selig der Mann, der flüchtet zu ihm.<br />

Fürchtet den Herrn, ihr, seine Frommen;<br />

Ps 0,00–0,00<br />

96


Erstes Buch<br />

die ihn fürchten, sie leiden nicht Mangel.<br />

Mächtige verarmen und hungern;<br />

die aber suchen den Herrn,<br />

sie entbehren kein Gut.<br />

Kommt, ihr Kinder, und hört mich!<br />

Ich will euch lehren die Furcht des Herrn.<br />

Wer ist es, der das Leben begehrt?<br />

Wer wünscht sich viele Tage zu genießen<br />

das Glück?<br />

Bewahre deine Zunge vor Bosheit,<br />

deine Lippen vor listiger Rede!<br />

Lass ab vom Bösen und wirke das Gute,<br />

suche den Frieden und jage ihm nach!<br />

Auf die Gerechten schaut das Auge des Herrn,<br />

ihrem Rufen leiht er sein Ohr.<br />

Doch sein Antlitz wendet sich ab<br />

von den Bösen,<br />

auszutilgen ihr Gedächtnis auf Erden.<br />

<strong>Die</strong> Gerechten riefen und der Herr hat<br />

sie erhört,<br />

er hat sie befreit aus all ihrer Drangsal.<br />

<strong>Die</strong> gebrochenen Herzens sind,<br />

ihnen ist nahe der Herr;<br />

ein zerschlagenes Gemüt wird er heilen.<br />

Viele Leiden erfährt der Gerechte,<br />

doch aus allen wird der Herr ihn erlösen.<br />

Er behütet all seine Glieder,<br />

nicht eines wird ihm zerbrochen.<br />

<strong>Die</strong> Bosheit führt den Sünder zum Tod;<br />

die hassen den Frommen,<br />

sie verfallen der Strafe.<br />

Der Herr befreit die Seelen seiner Getreuen;<br />

wer flüchtet zu ihm,<br />

der leidet nicht Schaden.<br />

Psalm 35<br />

Von David.<br />

Herr, streite mit ihnen,<br />

die gegen mich streiten,<br />

kämpfe nieder, die mich bekämpfen!<br />

Ergreife Waffen und Schild<br />

und erhebe dich, mir zu helfen!<br />

Schwinge den Speer und gebiete Halt<br />

den Verfolgern!<br />

Sag meiner Seele: Ich bin dein Heil.<br />

Schmachvoll sollen verderben, die trachten<br />

nach meinem Leben;<br />

es sollen weichen in Schande,<br />

die Unheil gegen mich planen.<br />

Sie sollen sein wie Spreu vor dem Wind,<br />

es treibe sie fort der Engel des Herrn.<br />

Ihr Weg sei schlüpfrig und finster,<br />

es jage sie der Engel des Herrn.<br />

Denn sie legten mir ohne Anlass ein Netz,<br />

schaufelten ohne Anlass meinem Leben<br />

die Grube.<br />

Es komme über sie ein jähes Verderben,<br />

das Netz, das sie legten, fange sie selbst;<br />

in die Grube, die sie geschaufelt,<br />

sollen sie fallen.<br />

Meine Seele aber wird frohlocken im Herrn,<br />

wird seiner Hilfe sich freuen.<br />

Verkünden mögen es all meine Kräfte:<br />

Wer ist wie du, o Herr?<br />

Der du den Schwachen entreißest der<br />

Übermacht,<br />

den Armen den Händen des Räubers.<br />

Es erhoben sich ruchlose Zeugen;<br />

ich wurde befragt über Dinge,<br />

die ich nicht kannte.<br />

Gutes vergalten sie mir mit Bösem,<br />

verlassen war meine Seele.<br />

Ich aber, als sie krank dalagen, ich hüllte<br />

mich in ein Bußkleid,<br />

ich unterwarf meine Seele dem Fasten,<br />

dass doch das Gebet zurückkehrte<br />

in meine Brust!<br />

Traurig ging ich einher, als wär es mein<br />

Freund, mein Bruder,<br />

wie einer, der klagt um die Mutter,<br />

so war ich von Gram gebeugt.<br />

97 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Doch als ich wankte, da waren sie froh und<br />

kamen zusammen;<br />

sie kamen zusammen gegen mich,<br />

den Ahnungslosen zu schlagen.<br />

Blutig schlugen sie mich<br />

und ließen nicht ab,<br />

sie reizen mich mit ihrem Gespött,<br />

fletschen gegen mich ihre Zähne.<br />

Herr, wie lange wirst du es ansehn?<br />

Rette mein Leben vor den<br />

brüllenden Tieren,<br />

meine Seele entreiße den Löwen!<br />

Und danken will ich dir in großer Gemeinde,<br />

vor dem ganzen Volk will ich dich loben.<br />

<strong>Die</strong> mich zu Unrecht befehden,<br />

sie sollen sich meiner nicht freuen;<br />

nicht mit den Augen zwinkern,<br />

die grundlos mich hassen.<br />

Sie reden nicht Worte des Friedens,<br />

gegen die Stillen im Lande<br />

ersinnen sie Tücke.<br />

Weit öffnen sie gegen mich ihren Mund;<br />

sie rufen: Ei, nun sehen wir es selbst!<br />

Herr, du hast es gesehen,<br />

so schweige doch nicht;<br />

Herr, bleib nicht fern von mir.<br />

Wach auf, zu meinem Schutz erhebe dich!<br />

Mein Gott und mein Herr,<br />

führe du meine Sache!<br />

Schaffe mir Recht, o Herr,<br />

nach deiner Gerechtigkeit;<br />

mein Gott,<br />

sie sollen sich meiner nicht freuen.<br />

Sie sollen nicht denken im Herzen:<br />

So haben wir es gewollt!<br />

Sie sollen nicht sagen:<br />

Nun haben wir ihn verschlungen!<br />

Verderben sollen sie alle in Schande,<br />

die sich weiden an meinem Unglück;<br />

mit Schmach und Schande seien sie angetan,<br />

die gegen mich reden in Übermut.<br />

Doch jubeln und frohlocken sollen alle, die<br />

meiner Sache gewogen,<br />

immerfort sollen sie sprechen:<br />

Gelobt sei der Herr,<br />

er will das Heil seines Knechtes.<br />

Und meine Zunge soll künden<br />

deine Gerechtigkeit,<br />

immerdar soll sie verkünden dein Lob.<br />

Psalm 36<br />

Dem Chormeister; vom Knecht des Herrn, von David.<br />

<strong>Die</strong> Bosheit redet zum Herzen<br />

des Sünders,<br />

keine Gottesfurcht hat er vor Augen.<br />

Trügerisch wähnt er in seinem Innern:<br />

keiner werde entdecken seine Schuld und<br />

verdammen.<br />

Seines Mundes Worte sind Bosheit und Trug:<br />

aufgehört hat er, weise zu denken und<br />

Gutes zu tun.<br />

Auf seinem Lager sinnt er Frevel,<br />

bleibt stehen auf schlechtem Weg<br />

ohne Scheu vor dem Bösen.<br />

Herr, bis an den Himmel reicht dein<br />

Erbarmen,<br />

deine Treue bis an die Wolken.<br />

Wie die Gottesberge ist deine Gerechtigkeit,<br />

deine Gerichte sind wie die Tiefen<br />

des Meeres,<br />

Menschen und Tieren bist du ein Helfer,<br />

o Herr.<br />

Wie kostbar ist, o Gott, deine Huld!<br />

Zuflucht finden die Menschen in deiner<br />

Fittiche Schatten.<br />

Vom Reichtum deines Hauses werden sie satt,<br />

du tränkst sie aus dem Strom deiner<br />

Wonnen.<br />

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,<br />

in deinem Licht schaun sie das Licht.<br />

Deine Güte bewahre denen,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

98


Erstes Buch<br />

die dich verehren;<br />

die lauteren Herzens sind,<br />

erhalte in deiner Treue.<br />

Der Fuß des Stolzen komme nicht über mich;<br />

des Sünders Hand,<br />

sie weise mich nicht hinaus.<br />

Siehe, die Frevler brechen zusammen,<br />

zu Boden sind sie geworfen und können<br />

sich nicht mehr erheben.<br />

Psalm 37<br />

Von David.<br />

Erzürne dich nicht über jene,<br />

die Böses tun,<br />

die Übeltäter beneide nicht!<br />

Denn bald verdorren sie wie das Gras,<br />

wie grüne Kräuter welken sie hin.<br />

Hoffe auf den Herrn und wirke das Gute,<br />

so wirst du im Lande bleiben<br />

und wohnen in Sicherheit!<br />

Freu dich am Herrn,<br />

und deines Herzens Wünsche<br />

wird er erfüllen.<br />

Befiehl dem Herrn deinen Weg;<br />

hoffe auf ihn, er wird es fügen.<br />

Und deine Redlichkeit lässt er strahlen<br />

dem Licht gleich,<br />

wie hellen Mittag dein Recht.<br />

Sei still im Herrn und hoffe auf ihn.<br />

Erzürne dich nicht über jenen,<br />

dem alles glückt auf dem Weg,<br />

über den Mann, der Böses vollführt.<br />

Steh ab vom Zorn und lass deinen Grimm;<br />

ereifere dich nicht,<br />

auf dass du nicht sündigst.<br />

Siehe, die Bösen werden vernichtet;<br />

die aber hoffen auf den Herrn,<br />

sie besitzen das Land.<br />

Nur eine Weile und der Frevler wird nicht<br />

mehr bestehen;<br />

du suchst seine Stätte und er ist nicht mehr<br />

zu finden.<br />

<strong>Die</strong> Armen aber werden besitzen das Land,<br />

und sie genießen die Fülle des Friedens.<br />

Gegen den Frommen plant der Gottlose<br />

Böses,<br />

er knirscht gegen ihn mit den Zähnen.<br />

Es lacht aber seiner der Herr,<br />

denn kommen sieht er schon seinen Tag.<br />

<strong>Die</strong> Sünder ziehen das Schwert und spannen<br />

den Bogen,<br />

zu treffen den Schwachen und Armen,<br />

zu morden, die auf geradem Wege<br />

einhergehn.<br />

Ihr Schwert aber dringt in das eigene Herz,<br />

der Bogen wird ihnen zerbrechen.<br />

Besser das Wenige,<br />

das zu Eigen hat der Gerechte,<br />

als großer Reichtum des Sünders.<br />

Denn die Arme der Sünder werden gebrochen,<br />

die Gerechten aber stützt der Herr.<br />

Der Herr ist besorgt um das Leben<br />

der Frommen,<br />

ihr Erbe wird dauern in Ewigkeit.<br />

Nicht werden sie zuschanden in Tagen<br />

des Unheils,<br />

in Zeiten des Hungers werden sie satt.<br />

<strong>Die</strong> Gottlosen aber müssen verderben,<br />

wie die Pracht der Wiese<br />

welken die Feinde des Herrn,<br />

sie müssen vergehn wie der Rauch.<br />

Der Gottlose leiht und gibt nicht zurück,<br />

der Gute schenkt voll Erbarmen.<br />

<strong>Die</strong> der Herr segnet, sie besitzen das Land,<br />

und die er verflucht, sie werden zunichte.<br />

Festigkeit verleiht der Herr dem Schritt<br />

des Menschen,<br />

an dessen Wandel er hat Gefallen.<br />

Selbst wenn er strauchelt, wird er nicht stürzen;<br />

denn der Herr ergreift seine Hand.<br />

Jung bin ich gewesen, nun bin ich alt,<br />

99 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

und niemals sah ich,<br />

dass verlassen ist der Gerechte,<br />

niemals, dass seine Kinder betteln um Brot.<br />

Allezeit ist er barmherzig und<br />

zu borgen bereit,<br />

und seine Kinder werden gesegnet sein.<br />

Lass ab vom Bösen und wirke das Gute,<br />

und bleiben wirst du auf immerdar.<br />

Denn der Herr liebt Gerechtigkeit,<br />

er verlässt seine Heiligen nicht.<br />

<strong>Die</strong> Frevler werden vernichtet,<br />

ausgerottet wird die Sippe der Bösen.<br />

<strong>Die</strong> Gerechten aber besitzen das Land,<br />

sie werden es auf immer bewohnen.<br />

Der Mund des Gerechten spricht Weisheit,<br />

seine Zunge redet, was recht ist.<br />

Das Gesetz seines Gottes trägt er im Herzen,<br />

es wanken nicht seine Schritte.<br />

Der Frevler späht aus nach dem Frommen,<br />

begierig, dass er ihn töte.<br />

Doch der Herr überlässt ihn nicht<br />

seinen Händen;<br />

noch spricht er ihn schuldig,<br />

wenn er steht vor Gericht.<br />

Vertraue auf den Herrn<br />

und halte ein seinen Weg.<br />

Und er hebt dich empor,<br />

dass du besitzt das Land,<br />

und froh wirst du schauen<br />

das Ende der Frevler.<br />

Ich sah den Sünder, wie er stolz sich erhob<br />

und breit sich machte<br />

gleich der üppigen Zeder.<br />

Und wieder kam ich und siehe,<br />

er war nicht mehr;<br />

ich suchte ihn und er wurde nicht mehr<br />

gefunden.<br />

Sieh hin auf den Redlichen,<br />

habe Acht auf den Frommen,<br />

dem Mann des Friedens erwächst ein<br />

neues Geschlecht.<br />

<strong>Die</strong> Sünder aber werden vernichtet,<br />

ausgerottet wird die Sippe der Bösen.<br />

Das Heil kommt den Gerechten vom Herrn,<br />

er ist ihr Schutz in Zeiten der Not.<br />

Ja, der Herr ist ihr Helfer und ihr Befreier,<br />

er rettet sie vor den Bösen und<br />

er bewahrt sie;<br />

denn sie suchen bei ihm ihre Zuflucht.<br />

Psalm 38<br />

Ein Psalm von David, zum Gedächtnisopfer.<br />

Nicht rüge mich, Herr,<br />

in deinem Zorn,<br />

in deinem Grimm strafe mich nicht.<br />

Denn es drangen ein in mich deine Pfeile,<br />

es lastet auf mir deine Hand.<br />

Mir ist nichts Heiles am Fleisch,<br />

da du mir zürnst,<br />

nichts unversehrt an meinem Gebein,<br />

da ich gesündigt habe.<br />

Auf meinem Haupt ist übergroß geworden<br />

die Schuld,<br />

gleich einer schweren Bürde drückt sie<br />

mich nieder.<br />

Es verwesen meine Wunden und faulen<br />

ob all meiner Torheit.<br />

Gedrückt bin ich und gar tief gebeugt,<br />

traurig geh ich den ganzen Tag.<br />

Denn meine Lenden sind voller Brand,<br />

an meinem Leib ist nichts Gesundes.<br />

Ermattet bin ich und ganz zerschlagen,<br />

in der Qual meines Herzens schreie ich auf.<br />

Herr, offenbar ist dir mein Verlangen,<br />

mein Seufzen ist nicht verborgen vor dir.<br />

Mein Herz erbebt, es verlässt mich die Kraft,<br />

das Licht der Augen will mir erlöschen.<br />

Freunde und Vertraute wenden von meiner<br />

Plage sich ab,<br />

und meine Nächsten stehen in der Ferne.<br />

<strong>Die</strong> nach dem Leben mir trachten,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

100


Erstes Buch<br />

legen mir Schlingen,<br />

die mir übel wollen, sie drohen<br />

mit Verderben,<br />

Falschheit sinnen sie immerfort.<br />

Ich aber höre nicht;<br />

ich bin wie einer, der taub ist,<br />

bin wie ein Stummer,<br />

der nicht den Mund öffnet.<br />

Ich bin geworden wie einer,<br />

der nicht mehr hört,<br />

aus dessen Mund keine Antwort kommt.<br />

Denn ich vertraue, o Herr, auf dich;<br />

du wirst mich erhören,<br />

mein Herr und mein Gott.<br />

Ich sage: Nicht sollen sie meiner sich freuen,<br />

nicht prahlen gegen mich,<br />

wenn strauchelt mein Fuß.<br />

Wahrlich, ich bin dem Untergang nahe,<br />

und nicht mehr verlässt mich der Schmerz.<br />

So will ich meine Schuld bekennen,<br />

bange ist mir wegen meiner Sünde.<br />

Mächtig sind,<br />

die ohne Grund mich bekämpfen;<br />

und viele sind es,<br />

die mich zu Unrecht hassen.<br />

Sie vergelten mir Gutes mit Bösem<br />

und feinden mich an;<br />

denn ich suche das Rechte.<br />

Verlass mich nicht, o Herr,<br />

mein Gott, bleib nicht fern von mir.<br />

Eile, mir zu helfen,<br />

o Herr, du mein Heil.<br />

Psalm 39<br />

Dem Chormeister; von Jedutun;<br />

ein Psalm von David.<br />

Ich sprach:<br />

Meine Wege will ich bewahren,<br />

dass ich nicht schuldig werde durch<br />

meine Zunge.<br />

Ich lege an meinen Mund einen Zaum,<br />

solange der Gottlose weilt vor mir.<br />

Ich verharrte in Schweigen,<br />

einer, der verlassen vom Glück,<br />

doch immer heftiger brannte der Schmerz,<br />

das Herz in meinem Innern<br />

erglühte mir heiß,<br />

über meinem Sinnen entflammte ein Feuer;<br />

da löste sich meine Zunge:<br />

Herr, lass mich wissen mein Ende,<br />

tu mir kund das Maß meiner Tage,<br />

und wissen werde ich,<br />

wie vergänglich ich bin.<br />

Siehe, nur wenige Spannen breit hast du<br />

gemacht meine Tage,<br />

mein Leben ist vor dir wie ein Nichts;<br />

jeder Mensch ist nur wie ein Hauch.<br />

Der Mensch,<br />

er geht vorüber gleich einem Schatten,<br />

nutzlos all seine Sorge,<br />

er speichert auf und weiß nicht,<br />

wer es erhält.<br />

Und nun – was habe ich zu erwarten, o Herr?<br />

Mein Hoffen ruht einzig in dir.<br />

Von allen, die mir Unrecht tun, errette mich,<br />

gib mich nicht preis dem Spott des Toren!<br />

Ich schweige nun,<br />

tu nicht mehr meinen Mund auf;<br />

denn du hast es so gefügt.<br />

Nimm hinweg von mir deine Plage,<br />

ich erliege der Gewalt deiner Hand.<br />

Du züchtigst den Menschen,<br />

du strafst die Schuld;<br />

was ihm kostbar, du lässt es zerfallen<br />

wie vom Fraß der Motten;<br />

jedweder Mensch, er ist nur ein Hauch.<br />

Höre, o Herr, mein Gebet,<br />

habe Acht auf mein Rufen,<br />

meinem Weinen verschließe dich nicht.<br />

Ich bin vor dir nur ein Fremdling,<br />

ein Fremdling wie all meine Väter.<br />

101 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Blicke weg von mir, dass ich noch einmal<br />

froh werde,<br />

bevor ich gehe und nicht mehr bin.<br />

Psalm 40<br />

Dem Chormeister; von David; ein Psalm.<br />

Ich habe gehofft,<br />

ja gehofft auf den Herrn,<br />

und er neigte sich mir zu und<br />

hörte mein Rufen.<br />

Er zog mich heraus aus der Todesgrube,<br />

aus Schlamm und Morast<br />

er stellte meine Füße auf Felsengrund,<br />

sicher machte er meine Schritte.<br />

Er legte mir ein neues Lied in den Mund,<br />

ein Lied des Jubels für unseren Gott.<br />

Viele werden es sehen und werden erschauern,<br />

und sie werden vertrauen dem Herrn.<br />

Selig der Mann,<br />

der setzt auf den Herrn seine Hoffnung,<br />

der nicht folgt den <strong>Die</strong>nern der Götzen<br />

noch denen,<br />

die falschem Trug sich ergeben.<br />

Viele Wunder hast du getan,<br />

o Herr, du mein Gott,<br />

in den Gedanken, die du hegest für uns<br />

kommt keiner dir gleich.<br />

Wollte ich melden sie alle und künden,<br />

ihrer sind mehr, als man zählen kann.<br />

Schlachtopfer und Speiseopfer<br />

forderst du nicht,<br />

aufgetan aber hast du mein Ohr.<br />

Brandopfer willst du nicht<br />

noch Opfer der Sühne;<br />

da sprach ich: Siehe, ich komme!<br />

In der Buchrolle ist geschrieben von mir.<br />

Deinen Willen zu tun, o Gott,<br />

das ist meine Freude,<br />

dein Gesetz ist mir geborgen im Herzen.<br />

Deine Gerechtigkeit hab ich verkündet<br />

in großer Gemeinde;<br />

siehe, ich habe nicht gewehrt meinen<br />

Lippen; du weißt es, o Herr.<br />

Dein gerechtes Walten habe ich nicht<br />

verschlossen im Herzen,<br />

ich habe deine Treue gepriesen und<br />

deine Hilfe.<br />

Ich habe nicht geschwiegen von deiner Huld,<br />

vor der großen Gemeinde<br />

nicht deine Treue verhehlt.<br />

Du aber, Herr,<br />

versage mir nicht dein Erbarmen,<br />

bewahren möge mich immerdar deine<br />

Huld und Treue.<br />

Denn Leiden umschlossen mich ohne Zahl;<br />

meine Sünden erfassten mich,<br />

ich kann nicht mehr sehen.<br />

Zahlreicher sind sie<br />

als Haare auf meinem Haupt,<br />

und mir entschwindet der Mut.<br />

Lass dir gefallen, Herr, mich zu retten,<br />

eile, Herr, mir zu helfen.<br />

Zuschanden sollen werden und erröten<br />

in Schmach,<br />

alle, die nach dem Leben mir trachten.<br />

Von Scham befallen, sollen sie weichen,<br />

die sich freuen an meinem Unglück.<br />

Sie sollen erstarren, beladen mit Schande,<br />

die mich höhnen: So ist es recht!<br />

Doch jubeln sollen und deiner sich freuen<br />

alle, die treulich dich suchen.<br />

Und immer sollen sie sagen:<br />

Der Herr sei gepriesen!,<br />

alle, die ersehnen dein Heil.<br />

Ich aber, elend bin ich und arm;<br />

der Herr aber nimmt meiner sich an.<br />

Du bist mein Helfer und mein Befreier,<br />

säume nicht länger, mein Gott!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

102


Erstes Buch<br />

Psalm 41<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Selig, wer des Dürftigen gedenkt und des Armen;<br />

der Herr wird ihn retten am Tag des Unheils.<br />

Behüten wird ihn der Herr und ihn am Leben erhalten,<br />

er lässt auf Erden ihn glücklich sein<br />

und gibt ihn nicht preis der Gewalt seiner Feinde.<br />

Auf seinem Schmerzenslager bringt ihm Hilfe der Herr,<br />

in seiner Krankheit nimmt er alle Schwäche hinweg.<br />

Ich rufe: O, Herr, erbarme dich meiner;<br />

heile mich, denn ich habe gesündigt vor dir.<br />

Schlimmes reden von mir meine Feinde:<br />

Wann wird er sterben? Wann wird sein Name vergehen?<br />

Kommt einer, nach mir zu sehen, so redet er Falschheit;<br />

er sammelt Arges im Herzen und geht und redet es weiter.<br />

Alle, die mich hassen, flüstern vereint gegen mich;<br />

sie denken gegen mich Gedanken des Unheils:<br />

Befallen hat ihn ein böses Siechtum;<br />

der da liegt, er steht nicht mehr auf.<br />

Sogar mein Freund, auf den ich vertraute,<br />

der mein Brot mit mir aß, er hat gegen mich die Ferse erhoben.<br />

Du aber, Herr, erbarme dich meiner und richte mich auf,<br />

und ich will es ihnen vergelten.<br />

Daran will ich sehen, dass du mir gnädig bist,<br />

wenn über mich nicht jubelt der Feind.<br />

Mich aber bewahrst du unversehrt,<br />

und lässt mich vor dir bestehen auf ewig.<br />

Gepriesen der Herr, der Gott Israels,<br />

von Ewigkeit bis in Ewigkeit!<br />

Amen, so sei es!<br />

103 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Zweites Buch<br />

Psalm 42<br />

Dem Chormeister; ein Weisheitslied<br />

von den Söhnen Korachs.<br />

Wie die Hirschkuh verlangt nach<br />

dem Wasser der Quelle,<br />

so verlangt, o Gott, meine Seele<br />

nach dir.<br />

Es dürstet nach Gott meine Seele,<br />

nach dem lebendigen Gott;<br />

wann darf ich kommen und<br />

schauen das Angesicht Gottes?<br />

Meine Tränen sind mir zum Brot geworden<br />

bei Tag und bei Nacht,<br />

wenn sie täglich mir sagen:<br />

Wo bleibt nun dein Gott?<br />

Das Herz geht mir über, wenn ich gedenke,<br />

wie ich zog mit den Scharen des Volkes,<br />

wie ich zog vor ihnen zum Hause des Herrn<br />

unter Jubel und Lobgesang<br />

in festlich froher Gemeinde.<br />

Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />

und warum stürmst du in mir?<br />

Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />

ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />

Wie ist gebeugt meine Seele, da ich deiner<br />

Ps 0,00–0,00<br />

104


Zweites Buch<br />

gedenke im Jordanland,<br />

vom Hermon aus und vom Berge Mizar.<br />

Fluten rufen die Fluten im tosenden Fall<br />

deiner Wasser,<br />

all deine Fluten und Wogen gingen hin<br />

über mich.<br />

Am Tage verleihe der Herr seine Huld;<br />

und ich will ihm singen bei Nacht,<br />

loben will ich den Gott meines Lebens.<br />

Ich sage zu Gott: du mein Fels,<br />

warum hast du meiner vergessen?<br />

Was muss ich traurig umhergehn,<br />

bedrängt vom Feind?<br />

Es trifft mich ins Mark,<br />

wenn mich höhnen die Gegner,<br />

wenn sie täglich mir sagen:<br />

Wo bleibt nun dein Gott?<br />

Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />

und warum stürmst du in mir?<br />

Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />

ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />

Psalm 43<br />

Schaffe mir Recht, o Gott,<br />

führe meine Sache gegen ein unheiliges Volk,<br />

befreie mich von dem Mann der Bosheit<br />

und Lüge.<br />

Du, Gott, du bist meine Stärke;<br />

warum hast du mich verstoßen<br />

Was muss ich traurig einhergehn,<br />

bedrängt von dem Feind?<br />

Sende aus dein Licht und deine Treue,<br />

dass sie mich führen,<br />

zu deinem heiligen Berg mich leiten, zu<br />

deinem Gezelt.<br />

Und ich trete hin zu Gottes Altar, zu Gott,<br />

der meine Freude und Wonne.<br />

Ich will dich preisen mit Harfenklang,<br />

o Gott, du mein Gott.<br />

Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />

und warum stürmst du in mir?<br />

Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />

ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />

Psalm 44<br />

Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs,<br />

ein Weisheitslied.<br />

O Gott, wir haben vernommen<br />

mit eigenem Ohr,<br />

unsere Väter haben uns Kunde getan<br />

von dem Werke, das du vollbrachtest<br />

in ihren Tagen,<br />

in den Tagen der Vorzeit mit eigener Hand.<br />

Du warst es, dessen Hand die Heiden vertrieb,<br />

jene aber pflanztest du ein;<br />

Völker zerschlugst du,<br />

sie aber ließest du wachsen.<br />

Denn nicht mit eigenem Schwert haben sie<br />

erobert das Land,<br />

Sieg gewann ihnen nicht der eigene Arm.<br />

Deine Rechte war es, ja, dein mächtiger Arm<br />

und dein leuchtendes Angesicht;<br />

denn du hast sie geliebt.<br />

Du bist mein Gott und mein König,<br />

du verliehst Jakob den Sieg.<br />

Durch dich vertrieben wir unsere Gegner,<br />

in deinem Namen traten wir nieder,<br />

die uns bekämpften.<br />

Nicht habe ich vertraut meinem Bogen,<br />

nicht konnte mich retten mein Schwert:<br />

Du bist es, der uns Sieg verliehen<br />

über die Feinde,<br />

und die uns hassten, du machtest sie alle<br />

zuschanden.<br />

Allezeit rühmten wir uns in Gott,<br />

und immerfort priesen wir deinen Namen.<br />

Nun aber hast du uns verworfen und<br />

hast uns verschmäht,<br />

nicht mehr ziehst du, o Gott,<br />

mit unseren Heeren.<br />

Du ließest uns weichen vor unseren Feinden,<br />

und die uns hassen, sie nahmen sich Beute.<br />

Du gabst uns preis wie Schafe,<br />

die man hinführt zum Schlachten,<br />

du zerstreutest uns unter die Heiden.<br />

105 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Verkauft hast dein Volk<br />

um nichtigen Kaufpreis,<br />

und wenig hast du gewonnen<br />

aus solchem Erlös.<br />

Du machtest uns zum Spott unserer Nachbarn,<br />

zum Hohngelächter für alle ringsum.<br />

Zum Sprichwort machtest du uns<br />

für die Heiden,<br />

Völker schütteln den Kopf über uns.<br />

Immerfort ist vor mir meine Schmach,<br />

Schamröte deckt mein Angesicht.<br />

Muss ich doch hören,<br />

wie sie schmähen und lästern,<br />

meine Widersacher und meine Feinde.<br />

<strong>Die</strong>s alles kam über uns,<br />

und wir haben dich doch nicht vergessen,<br />

nicht gebrochen haben wir deinen Bund.<br />

Unser Herz ist von dir nicht gewichen,<br />

nicht abgebogen von deinem Pfad<br />

sind unsere Schritte.<br />

Als du uns schlugst am Ort der Trübsal,<br />

als du uns hülltest in Finsternis.<br />

Hätten wir je vergessen den Namen<br />

unseres Gottes,<br />

unsere Hände zu fremden Göttern erhoben:<br />

Wie hätte solches der Herr nicht durchschaut,<br />

er, der schaut in die Tiefen der Herzen?<br />

Nein, deinetwegen werden wir ständig<br />

gemordet,<br />

behandelt wie Schafe,<br />

zum Schlachten bestimmt.<br />

Wach auf! Warum schläfst du, o Herr?<br />

Erhebe dich und verstoße uns nicht<br />

auf immer!<br />

Warum verbirgst du dein Angesicht,<br />

vergisst unser Elend und unsere Drangsal?<br />

Denn niedergetreten ist unsere Seele<br />

zum Staub,<br />

es haftet unser Leib an der Erde.<br />

Erhebe dich, komm uns zu Hilfe,<br />

in deinem Erbarmen erlöse uns!<br />

Psalm 45<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Lilien«; von<br />

den Söhnen Korachs, ein Weisheitslied, ein Liebeslied.<br />

Meinem Herzen entströmt<br />

festlicher Sang:<br />

ich weihe mein Lied dem König.<br />

Meine Zunge eilt dahin,<br />

schnell wie der Griffel des Schreibers.<br />

Schön bist du wie keiner<br />

unter den Menschen,<br />

ausgegossen auf deinen Lippen ist Anmut:<br />

so hat dich Gott gesegnet auf ewig.<br />

Gürte, du Starker, um deine Hüfte<br />

das Schwert,<br />

lege an deine strahlende Hoheit!<br />

Sieghaft ziehe dahin für Treue und Recht,<br />

herrliche Taten möge dich lehren dein Arm.<br />

Wie scharf deine Pfeile!<br />

Dir werden Völker erliegen;<br />

des Königs Feinden schwindet der Mut.<br />

Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig;<br />

das Zepter deiner Herrschaft<br />

ist ein Zepter des Rechts.<br />

Du liebst die Gerechtigkeit,<br />

du hasst das Unrecht;<br />

darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit<br />

dem Öl der Freude wie keinen deiner<br />

Gefährten.<br />

Duftende Aloe ist dein Gewand und<br />

Myrrhe und Kassia,<br />

im Saal von Elfenbein ertönen dir Saiten<br />

zur Freude.<br />

Fürstentöchter ziehn dir entgegen,<br />

es steht dir zur Rechten die Braut,<br />

geschmückt mit dem Gold von Ofir.<br />

Höre, Tochter, siehe und neige dein Ohr;<br />

vergiss dein Volk und das Haus<br />

deines Vaters!<br />

Nach deiner Schönheit verlangt der König;<br />

er ist dein Herr, du neige dich ihm!<br />

Das Volk von Tyrus kommt mit Geschenken,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

106


Zweites Buch<br />

deine Gunst begehren die Großen<br />

des Volkes.<br />

<strong>Die</strong> Königstochter in strahlendem Schmucke<br />

hält ihren Einzug,<br />

von Gold gewoben ist ihr Gewand.<br />

In der Kleider farbiger Pracht wird sie zum<br />

König geführt,<br />

Jungfrauen folgen ihr nach,<br />

ihre Freundinnen führt man zu dir.<br />

Sie ziehen dahin mit Jubel und Gesängen<br />

der Freude,<br />

in den Palast des Königs ziehen sie ein.<br />

An Stelle der Väter werden dir Söhne<br />

erstehen,<br />

du setzt sie ein als Fürsten über die Lande.<br />

Deinen Namen will ich künden<br />

von Geschlecht zu Geschlecht;<br />

darum werden die Völker dich preisen<br />

immer und ewig.<br />

Psalm 46<br />

Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs,<br />

nach der Weise »Jungfrauen«, ein Lied.<br />

Der Herr ist uns Zuflucht<br />

und Kraft,<br />

herrlich erwiesen als Helfer in<br />

der Bedrängnis.<br />

So bangen wir nicht, ob auch die Erde erbebt,<br />

ob die Berge fallen mitten ins Meer,<br />

wenn seine Wasser brausen und schäumen,<br />

vor seinem Ungestüm erzittern die Berge:<br />

Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />

Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />

Des Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt,<br />

des Höchsten heilige Wohnung.<br />

Sie wankt nicht,<br />

in ihrer Mitte ist Gott;<br />

schon in der Morgenfrühe wird Gott<br />

sie beschützen.<br />

<strong>Die</strong> Völker tobten, es wurden erschüttert<br />

die Reiche,<br />

donnernd ertönte sein Ruf,<br />

dass die Erde verging in Schrecken.<br />

Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />

Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />

Kommt und schaut die Werke des Herrn!<br />

Wunderbar, was er auf Erden vollbrachte.<br />

Dem Krieg gebietet er Einhalt bis an die<br />

Enden der Erde,<br />

zerbricht die Bogen, zerschmettert die<br />

Speere, verbrennt die Schilde im Feuer.<br />

Lasst ab und erkennt: Ich bin der Herr,<br />

erhaben über die Völker,<br />

erhaben auf Erden!<br />

Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />

Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />

Psalm 47<br />

Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />

Ihr Völker, klatscht all<br />

in die Hände!<br />

Jauchzt dem Herrn mit fröhlichem Schall!<br />

Denn der Herr, der Höchste, ist furchtbar,<br />

ein großer König über die ganze Erde.<br />

Er unterwarf uns die Völker,<br />

er legte uns zu Füßen die Heiden.<br />

Er hat uns ein Erbe erwählt,<br />

des geliebten Jakob herrliches Land.<br />

Empor fuhr Gott unter Jubelklang,<br />

der Herr beim Schall der Posaunen.<br />

Singt dem Herrn, ja, weiht ihm Lobgesang!<br />

Spielt unserem König,<br />

preist ihn mit Psalmen!<br />

Denn König der ganzen Erde ist Gott!<br />

Stimmt an ein festliches Lied!<br />

Gott ist König über die Völker,<br />

er hat sich auf seinem heiligen Thron<br />

gesetzt.<br />

107 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

<strong>Die</strong> Fürsten der Völker treten zusammen<br />

mit Abrahams Volk, das Gott sich erkor.<br />

Denn die Großen der Erde sind zu Eigen<br />

dem Herrn,<br />

hocherhaben ist er.<br />

Psalm 48<br />

Ein Lied, ein Psalm von den Söhnen Korachs.<br />

GroSS ist der Herr und gar<br />

würdig des Ruhmes<br />

in der Stadt unseres Gottes.<br />

Sein heiliger Berg, die herrliche Höhe,<br />

er ist die Wonne der ganzen Welt;<br />

der Zionsberg im äußersten Norden,<br />

wahrlich die Stadt des mächtigen Königs.<br />

In ihren Burgen ist Gott,<br />

er hat sich erwiesen als sichere Schutzwehr.<br />

Siehe, versammelt hatten sich Könige,<br />

gemeinsam stürmten sie an.<br />

Sie schauten auf – da wurden sie starr<br />

und stoben in Verwirrung von dannen.<br />

Schrecken erfasste sie dort<br />

gleich einer Frau in den Wehen;<br />

Gleichwie der Sturm aus dem Osten,<br />

der zerschmettert Schiffe aus Tarschisch.<br />

Wie wir gehört, so haben wir nun gesehen<br />

an der Stadt des Herrn der<br />

himmlischen Heere,<br />

ja, an der Stadt unseres Gottes;<br />

er selber hat sie gegründet auf ewig.<br />

Wir gedenken, o Gott, deiner Huld<br />

im Heiligtum deines Tempels.<br />

So wie dein Name, o Gott,<br />

so reicht dein Ruhm<br />

bis an die Enden der Erde;<br />

voll der Gerechtigkeit ist deine Rechte.<br />

Darum möge sich freuen der Zion,<br />

jauchzen sollen die Städte von Juda<br />

ob deiner Gerichte.<br />

Durchwandert den Zion, umschreitet ihn<br />

und zählt seine Türme.<br />

Achtet auf seine Wälle, mustert seine Häuser,<br />

auf dass ihr dem Geschlecht der Zukunft<br />

sagen könnt:<br />

So groß ist Gott,<br />

unser Gott für immer und ewig.<br />

Er, ja er wird uns führen.<br />

Psalm 49<br />

Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />

Horcht auf, all ihr Völker,<br />

vernehmt es, all ihr Bewohner der Erde!<br />

Ihr Kinder des Volkes, ihr Söhne der Herren,<br />

allesamt, Reiche wie Arme.<br />

Mein Mund kündet Weisheit,<br />

kluge Rede ersinnt mein Herz.<br />

Einem Weisheitsspruch will ich neigen<br />

mein Ohr,<br />

beim Klang der Harfe will ich deuten<br />

mein Rätsel.<br />

Was soll an Unheilstagen ich bangen,<br />

wenn mich umgibt die Bosheit der Gegner?<br />

Sie, die vertrauen auf ihre Schätze<br />

die sich rühmen der Fülle des Reichtums.<br />

Kann doch niemand sich selber erretten,<br />

niemand ein Lösegeld entrichten dem Herrn<br />

– allzu hoch wäre der Preis für sein Leben,<br />

keiner vermag ihn jemals zu zahlen –<br />

dass er immerdar lebe und nicht schaue<br />

den Tod.<br />

Sieht er doch sterben die Weisen,<br />

Narr und Tor zusammen vergehn.<br />

Ihre Schätze hinterlassen sie Fremden,<br />

ihr Haus ist für immer das Grab,<br />

von Geschlecht zu Geschlecht ihre Wohnung,<br />

ob sie auch Länder nannten ihr Eigen.<br />

Ein Mensch in all seinem Reichtum,<br />

der Einsicht bar,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

108


Zweites Buch<br />

er gleicht dem Tier, das zugrunde geht.<br />

<strong>Die</strong>s ist der Weg all derer,<br />

die töricht vertrauen,<br />

das Ende jener, die schwelgen im Glück.<br />

Wie Schafe stürzen sie nieder zum Abgrund,<br />

weiden wird sie der Tod,<br />

und es herrschen über sie die Gerechten.<br />

Wie rasch wird dahingehn ihre Gestalt,<br />

das Totenreich wird ihre Wohnung sein.<br />

Gott aber entreißt meine Seele der Unterwelt,<br />

wenn er mich aufnimmt.<br />

Gräme dich nicht,<br />

wenn einer auch reich wird,<br />

wenn seines Hauses Güter sich mehren.<br />

Kommt er zum Sterben,<br />

er nimmt kein einziges mit,<br />

nicht steigen mit ihm hinab seine Güter.<br />

Mochte er im Leben sich glücklich preisen<br />

und sagen:<br />

Rühmen werden sie dich,<br />

weil du dir wohl getan.<br />

Dennoch muss er hinab<br />

zur Schar seiner Väter,<br />

die nicht mehr in Ewigkeit<br />

schauen das Licht.<br />

Der Mensch in all seinem Reichtum,<br />

der Einsicht bar,<br />

er gleicht dem Tier, das zugrunde geht.<br />

Psalm 50<br />

Ein Psalm von Asaf.<br />

Gott, der Herr, hat gesprochen<br />

und aufgerufen die Erde<br />

vom Aufgang der Sonne<br />

bis an den Niedergang.<br />

Von Zion, der Schönheit Krone,<br />

erstrahlet der Herr.<br />

Unser Gott ist gekommen,<br />

er hüllt sich nimmer in Schweigen.<br />

Verzehrendes Feuer geht vor ihm her,<br />

rings um ihn erbrausen die Stürme.<br />

Den Himmel und die Erde ruft er auf,<br />

Gericht zu halten über sein Volk:<br />

Versammelt um mich meine Frommen,<br />

die beim Opfer mit mir geschlossen<br />

den Bund.<br />

Seine Gerechtigkeit künden die Himmel,<br />

Gott selber sitzt zu Gericht.<br />

Höre, mein Volk, ich will reden;<br />

Israel, gegen dich will ich zeugen,<br />

ich, der Herr, bin dein Gott!<br />

Nicht deiner Opfer wegen ergeht an dich<br />

meine Rüge,<br />

deine Brandopfer sind mir ständig<br />

vor Augen.<br />

Keine Stiere will ich nehmen<br />

von deinem Haus,<br />

keine Böcke aus deinen Herden.<br />

Denn alles Getier im Wald ist mein,<br />

zu Tausenden mein das Wild meiner Berge.<br />

Ich kenne alle Vögel des Himmels;<br />

was sich regt auf den Fluren,<br />

es ist mir bekannt.<br />

Hätte ich Hunger,<br />

ich müsste es dir nicht sagen;<br />

mein ist der Erdkreis mit all seiner Fülle.<br />

Sollte ich essen vom Fleisch der Stiere,<br />

von den Böcken trinken das Blut?<br />

Weihe dem Herrn das Opfer des Lobes,<br />

dem Höchsten entrichte deine Gelübde.<br />

Dann rufe zu mir am Tag der Bedrängnis,<br />

ich werde dich retten und<br />

du wirst Ehre mir zollen.<br />

Zum Sünder aber redet der Herr:<br />

»Was zählst du daher meine Satzung<br />

und hast meinen Bund auf den Lippen?<br />

Du, der in Wahrheit hasst die Zucht,<br />

der mein Wort hat verworfen.<br />

Sahst du einen <strong>Die</strong>b, so liefst du ihm nach;<br />

und mit Ehebrechern warst du im Bunde.<br />

Deinen Mund ließest du zügellos reden<br />

das Böse,<br />

109 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Lügengewebe ersann deine Zunge.<br />

Du saßest da und sprachst schändlich von<br />

deinem Bruder,<br />

deiner Mutter Sohn hast du beworfen<br />

mit Schmach.<br />

<strong>Die</strong>s hast du getan und ich sollte schweigen?<br />

Wähntest du, ich wäre dir gleich?<br />

Rügen muss ich dich und führe es dir<br />

vor Augen.<br />

<strong>Die</strong> ihr Gottes vergessen habt, seht es ein!<br />

Sonst raffe ich euch hinweg und niemand<br />

ist da, der euch rettet.<br />

Der ehrt mich, der mir weiht<br />

das Opfer des Lobes;<br />

der wandelt auf rechtem Pfad,<br />

ich lasse ihn schauen mein Heil.«<br />

Psalm 51<br />

Dem Chormeister, ein Psalm von David,<br />

als der Prophet Natan zu ihm kam, weil er zu Batseba<br />

gegangen war.<br />

Sei mir gnädig, o Gott,<br />

nach deiner Güte,<br />

nach deiner reichen Barmherzigkeit<br />

lösche aus meine Schuld.<br />

Bis auf den Grund wasche ab meine Missetat,<br />

von meiner Sünde mache mich rein!<br />

Denn meine Bosheit erkenne ich wohl,<br />

immer steht vor Augen mir die Sünde.<br />

Ich habe gesündigt an dir allein;<br />

was böse vor dir, ich hab es getan.<br />

Nun erweisest du dich in deinem Urteil<br />

gerecht,<br />

und Recht behalten hast du in deinem<br />

Gericht.<br />

Siehe, ich bin geboren in Schuld;<br />

ich war schon in Sünde,<br />

als mich die Mutter empfangen.<br />

Doch siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit<br />

des Herzens;<br />

in meinem Innern lehre mich Einsicht.<br />

Besprenge mich mit Ysop, so werde ich rein;<br />

wasche mich und ich werde weißer<br />

als Schnee.<br />

Lass mich vernehmen Freude und Wonne,<br />

und mein zerschlagen Gebein<br />

wird frohlocken.<br />

Wende ab von meinen Sünden dein Angesicht<br />

und tilge all meine Frevel.<br />

Ein reines Herz erschaffe mir, Gott,<br />

und einen festen Geist erwecke mir neu.<br />

Von deinem Antlitz verstoße mich nicht,<br />

nimm von mir nicht hinweg<br />

deinen heiligen Geist.<br />

Deines Heiles Wonne schenke mir wieder,<br />

in willigem Geist mache mich stark.<br />

Dann will ich deine Wege<br />

den Irrenden weisen,<br />

und Sünder werden sich bekehren zu dir.<br />

Befreie mich von der Blutschuld,<br />

mein Gott und mein Retter;<br />

und meine Zunge wird deine Gerechtigkeit<br />

rühmen.<br />

Herr, tu auf meine Lippen,<br />

und mein Mund wird verkünden dein Lob.<br />

All die Opfer erfreuen dich nicht,<br />

wollte ich Brandopfer bringen,<br />

du nimmst sie nicht an.<br />

Mein Opfer, o Gott, ist ein reuiger Sinn;<br />

ein Herz voll Demut und Reue wirst du,<br />

o Gott, nicht verschmähen.<br />

In deiner Güte, o Herr,<br />

erweise dich gnädig an Zion,<br />

lass neu erstehen Jerusalems Mauern!<br />

Dann wirst du Opfer der Gerechtigkeit<br />

annehmen,<br />

dann wird man Stiere legen<br />

auf deinem Altar.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

110


Zweites Buch<br />

Psalm 52<br />

Dem Chormeister, ein Weisheitslied; von David, als der<br />

Edomiter Doëg gekommen war und Saul gemeldet hatte:<br />

David ist in das Haus Ahimelechs gegangen.<br />

Was rühmst du dich deiner<br />

Bosheit, verruchter Mann der<br />

Gewalt?<br />

<strong>Die</strong> Güte Gottes währt den ganzen Tag!<br />

Dein Sinnen geht allzeit auf Unheil,<br />

einem scharfen Messer gleicht deine Zunge,<br />

du, der Trug nur vollbringt!<br />

Das Böse liebst du mehr als das Gute,<br />

Lügenrede mehr als die Sprache der<br />

Wahrheit.<br />

Du liebst nur Worte, die Verderben stiften,<br />

du tückische Zunge!<br />

Darum wird Gott dich vernichten,<br />

er wird dich verstoßen auf ewig.<br />

Er reißt dich aus deinem Zelt,<br />

aus dem Land der Lebenden<br />

reißt er dich aus.<br />

Schaudernd werden es sehen die Gerechten<br />

und werden seiner noch spotten:<br />

Seht ihn, der seine Zuflucht nicht setzte<br />

auf Gott,<br />

der sich verließ auf die Fülle des Reichtums,<br />

der mächtig wurde durch seine Frevel.<br />

Ich aber bin wie ein Ölbaum,<br />

grünend im Haus meines Gottes,<br />

immerdar hoffe ich auf Gottes Erbarmen.<br />

Preisen will ich dich ewiglich,<br />

weil du solches getan;<br />

und deinen Namen voll Güte –<br />

ich will ihn verkünden im Angesicht deiner<br />

Heiligen.<br />

Psalm 53<br />

Dem Chormeister; nach der Weise »Machalat«,<br />

ein Weisheitslied von David.<br />

In seinem Herzen redet der Tor:<br />

Es gibt keinen Gott.<br />

Verderbt sind sie, ihr Treiben ein Gräuel;<br />

keiner ist da, der Gutes tut.<br />

Vom Himmel her blickt Gott auf<br />

die Menschen,<br />

zu sehen, ob einer verständig,<br />

ob einer Gott sucht.<br />

Doch alle sind abgewichen, alle verdorben;<br />

nicht einer, der Gutes täte, nicht einer.<br />

Werden zur Einsicht nicht kommen,<br />

die Böses tun?<br />

Sie verschlingen mein Volk,<br />

als äßen sie Brot,<br />

nicht rufen sie an den Herrn.<br />

Nun aber mussten sie erbeben in Furcht,<br />

wo sonst ein Fürchten nicht war.<br />

<strong>Die</strong> dich belagert haben – Gott hat zerschlagen<br />

ihr Gebein;<br />

zuschanden wurden sie,<br />

weil Gott sie verworfen hat.<br />

Käme doch von Zion für Israel Heil!<br />

Einst, wenn der Herr das Los seines Volkes<br />

wendet,<br />

dann wird Jakob frohlocken und jubeln<br />

wird Israel.<br />

Psalm 54<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel; ein Weisheitslied<br />

von David, nachdem die Sifiter zu Saul gekommen waren<br />

und meldeten: David hält sich bei uns verborgen.<br />

Hilf mir, Gott, in der Kraft<br />

deines Namens,<br />

sei meiner Sache ein mächtiger Anwalt!<br />

Höre, o Gott, mein Gebet,<br />

111 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

lausche dem Wort meines Mundes!<br />

Denn gegen mich erhoben sich Stolze,<br />

Männer der Gewalt,<br />

sie trachten mir nach dem Leben,<br />

nicht haben sie Gott vor Augen.<br />

Doch siehe, Gott ist mein Helfer,<br />

meines Lebens erhaltende Kraft ist der Herr.<br />

Wende zurück das Unheil auf meine Gegner,<br />

um deiner Treue willen mache sie zunichte.<br />

Dann will ich dir Opfer bringen in Freude,<br />

preisen will ich, o Herr, deinen Namen,<br />

denn er ist gut.<br />

Er hat mich entrissen all meiner Trübsal,<br />

und mein Auge sieht auf meine Feinde herab.<br />

Psalm 55<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />

ein Weisheitslied von David.<br />

Höre, o Gott, auf mein Beten,<br />

meinem Flehen verschließe dich nicht!<br />

Neige dich mir zu und erhöre mich!<br />

Ich bin getrieben von meiner Angst,<br />

verwirrt vom Lärmen des Feindes<br />

und von des Sünders Geschrei.<br />

Denn sie bringen über mich Unheil,<br />

sie feinden wütend mich an.<br />

Das Herz in meinem Innern ist mir verstört,<br />

Todesschrecken fällt über mich.<br />

Es überkommt mich Fürchten und Zagen,<br />

und Schauer erfasst mich.<br />

Ich sage: Oh, hätte ich die Flügel der Taube,<br />

ich flöge auf und käme zur Ruhe.<br />

Ja, entfliehen wollte ich, weit von hier,<br />

in der Einöde wollte ich wohnen.<br />

Eilig suchte ich mir eine Zuflucht,<br />

gefeit vor Wetter und Wind.<br />

Zerstreue sie, Herr, ihre Sprache entzweie,<br />

schau ich doch Zwietracht nur und<br />

Gewalt in der Stadt.<br />

Tag und Nacht umkreisen sie die Stadt auf<br />

den Mauern,<br />

und drinnen hausen Bedrückung und<br />

Frevel.<br />

In ihrer Mitte wohnt Falschheit,<br />

nicht weicht von ihren Straßen Bestechung<br />

und Trug.<br />

Hätte mich geschmäht nur mein Feind,<br />

ich hätte es wohl ertragen;<br />

hätte sich gegen mich erhoben mein Hasser,<br />

ich hätte mich verborgen vor ihm.<br />

Du aber warst es, mein Gefährte,<br />

du, mein Freund, mein Vertrauter.<br />

Einer, mit dem ich pflegte holde Gemeinschaft,<br />

in festlichem Zuge pilgerten wir zum<br />

Hause des Herrn.<br />

Jäh soll sie treffen der Tod,<br />

lebendig sollen sie fahren zum Abgrund;<br />

denn wo sie weilen,<br />

in ihrer Mitte ist Bosheit.<br />

Ich aber rufe zu Gott,<br />

und der Herr wird mich retten.<br />

Ich will vor ihm klagen und seufzen<br />

am Abend, am Morgen, am Mittag,<br />

und hören wird er auf meine Stimme.<br />

In den Frieden erlöst er meine Seele vor denen,<br />

die mich befehden<br />

denn viele sind gegen mich.<br />

Gott wird mich hören und<br />

er zwingt sie nieder,<br />

er, der herrscht von Ewigkeit.<br />

Denn sie wandeln sich nicht und kennen<br />

keine Gottesfurcht.<br />

Erhebt doch ein jeder gegen seine Vertrauten<br />

die Hand,<br />

treulos dem gegebenen Wort.<br />

Glatt wie Butter ist seine Miene,<br />

im Herzen aber sinnt er Krieg.<br />

Seine Reden sind linder als Öl,<br />

doch in Wahrheit sind es erhobene<br />

Schwerter.<br />

Wirf auf den Herrn deine Sorge,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

112


Zweites Buch<br />

er wird dich erhalten;<br />

den Gerechten lässt er nicht wanken<br />

in Ewigkeit.<br />

Du aber, Gott, stürze sie alle hinab in die<br />

Grube des Todes.<br />

Männer, die Bluttat verüben und Trug,<br />

nicht die Hälfte ihrer Tage werden sie sehen;<br />

ich aber, o Herr, ich vertraue auf dich.<br />

Psalm 56<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Stumme Taube<br />

der Ferne«; ein Lied Davids,<br />

als die Philister ihn in Gat ergriffen.<br />

Sei mir gnädig, Gott, denn die<br />

Menschen treten mich nieder,<br />

in ständigem Streit bedrängen sie mich.<br />

Unablässig treten mich die Feinde mit Füßen;<br />

die mich befehden, ihrer sind viele.<br />

Am dem Tag, da Furcht mich befällt,<br />

Allerhöchster, vertraue ich auf dich.<br />

Auf Gott, dessen Verheißung ich preise,<br />

auf Gott will ich hoffen,<br />

ich fürchte mich nicht.<br />

Was könnte mir antun ein Mensch!<br />

Den ganzen Tag schmähen sie mich,<br />

all ihr Sinn ist gerichtet,<br />

mich zu verderben.<br />

Sie rotten sich zusammen und lauern mir auf,<br />

sie achten auf meine Schritte,<br />

meinem Leben stellen sie nach.<br />

Nach ihrer Bosheit zahl ihnen heim;<br />

o Gott, wirf sie nieder, die Völker!<br />

Aufgezeichnet hast du meine Wege im Elend,<br />

in deinem Krug hast du meine Tränen<br />

verwahrt;<br />

ist nicht alles in deinem Buch versiegelt?<br />

Meine Feinde weichen zurück,<br />

sobald ich dich rufe;<br />

weiß ich doch in Wahrheit:<br />

Gott ist für mich.<br />

Auf Gott dessen Wort ich lobpreise,<br />

auf den Herrn, dessen Verheißung ich preise,<br />

auf Gott will ich hoffen,<br />

ich fürchte mich nicht.<br />

Was könnte mir antun ein Mensch!<br />

Ich schulde dir, was ich gelobt, o Gott,<br />

Dankesopfer will ich dir weihen.<br />

Denn mein Leben hast du entrissen dem Tod,<br />

meine Füße bewahrt vor dem Fall,<br />

dass ich wandle vor Gott im Licht<br />

der Lebenden.<br />

Psalm 57<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />

ein Lied Davids, als er vor Saul in die Höhle floh.<br />

Erbarme dich meiner, o Gott,<br />

erbarme dich meiner;<br />

es flüchtet zu dir meine Seele.<br />

Im Schatten deiner Flügel suche ich Zuflucht,<br />

bis vorüber das Unheil.<br />

Ich rufe zu dem Höchsten, dem Herrn,<br />

zu Gott, der mir Gutes getan.<br />

Er sende Hilfe vom Himmel und rette mich,<br />

er schlage mit Schande, die mich verfolgen.<br />

Gott sende seine Huld und Treue.<br />

Weilen muss ich inmitten von Löwen,<br />

sie verschlingen Menschen voll Gier.<br />

Ihre Zähne sind Lanzen und Pfeile,<br />

ein geschliffenes Schwert ihre Zunge.<br />

Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />

o Herr,<br />

über der ganzen Erde gehe auf deine<br />

Herrlichkeit!<br />

Sie legten mir ein Netz vor die Füße,<br />

meine Seele beugten sie nieder.<br />

Sie hoben vor mir eine Grube aus,<br />

o dass sie doch selber fielen hinein.<br />

Mein Herz ist getrost, o Gott,<br />

113 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

mein Herz ist getrost,<br />

ich will dir singen und spielen.<br />

Wach auf, meine Seele;<br />

Psalter und Harfe, wacht auf!<br />

Ich will das Morgenrot wecken.<br />

Unter den Völkern will ich dich preisen, Herr,<br />

unter den Heiden will ich dir singen.<br />

Denn bis an den Himmel reicht dein<br />

Erbarmen,<br />

bis an die Wolken reicht deine Treue.<br />

Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />

o Gott,<br />

über der ganzen Erde gehe auf deine<br />

Herrlichkeit!<br />

Psalm 58<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />

ein Lied von David.<br />

Ihr Mächtigen, sprecht ihr in<br />

Wahrheit Recht?<br />

Ihr Menschensöhne,<br />

richtet ihr nach Gerechtigkeit?<br />

Nein, im Herzen hegt ihr Bosheit,<br />

Unrecht bringen euere Hände dem Land.<br />

Abgewichen sind die Gottlosen<br />

vom Mutterleib an;<br />

vom Schoß der Mutter an gehen irrige Wege<br />

die Lügner.<br />

Gift ist in ihnen wie Schlangengift,<br />

wie Gift einer tauben Natter,<br />

die verschließt ihre Ohren.<br />

Nicht will sie vernehmen<br />

des Zauberers Stimme,<br />

des Schlangenbeschwörers, der kundig<br />

starker Beschwörung.<br />

Brich ihnen aus, o Gott, die Zähne im Mund,<br />

Herr, das Gebiss zerschlage den Löwen.<br />

Sie sollen vergehen wie Wasser,<br />

die sich verlaufen,<br />

verwelken wie Gras, das zertreten wird.<br />

Sie sollen vergehen, wie die Schnecke vergeht,<br />

wie einer Frau Fehlgeburt,<br />

die niemals Sonne erblickt.<br />

Eh noch am Dornenfeuer ihre Töpfe<br />

warm werden,<br />

ja, solange grün noch der Dorn,<br />

fege ihn der Glutwind hinweg.<br />

Es freut sich der Gerechte,<br />

wenn Vergeltung er schaut,<br />

seine Füße wird er baden im Blut<br />

des Frevlers.<br />

Und die Menschen werden dann sagen:<br />

Wahrlich, dem Gerechten wird doch<br />

sein Lohn;<br />

wahrlich, es ist ein Gott,<br />

der richtet auf Erden.<br />

Psalm 59<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />

ein Lied von David, als Saul aussandte und sein Haus<br />

bewachen ließ, um ihn zu töten.<br />

Rette mich vor meinen Feinden,<br />

mein Gott,<br />

beschütze mich vor denen,<br />

die gegen mich aufstehn.<br />

Rette mich aus den Händen der Frevler;<br />

von den Männern, die Bluttat verüben,<br />

befreie mich.<br />

Siehe, sie trachten mir nach dem Leben,<br />

es verschwören sich Mächtige gegen mich.<br />

Kein Vergehen ist in mir,<br />

o Herr, keine Sünde.<br />

Schuldlos bin ich, sie aber stürmen vor und<br />

greifen mich an.<br />

Wach auf, geh mir entgegen und sieh;<br />

denn du, Herr der himmlischen Heere,<br />

du bist Israels Gott.<br />

Wach auf und züchtige all die Heiden;<br />

Ps 0,00–0,00<br />

114


Zweites Buch<br />

die Treulosen, verschone sie nicht.<br />

Abend für Abend kehren sie wieder<br />

und heulen wie Hunde und durchstreifen<br />

die Stadt.<br />

Siehe, wie geifert ihr Mund,<br />

auf ihren Lefzen ist Schmähung;<br />

Wer soll uns hören?<br />

Du aber, Herr, du lachst über sie,<br />

all die Völker sind dir zum Spott.<br />

Du, meine Stärke, auf dich will ich schauen,<br />

denn du, o Gott, du bist meine Zuflucht,<br />

du, mein Gott, mein Erbarmer!<br />

Es komme mir Gott zu Hilfe,<br />

er lasse mich frohlocken<br />

über all meine Feinde.<br />

Töte sie nicht,<br />

damit es mein Volk nicht vergisst.<br />

In deiner Macht verwirre sie und<br />

trete sie nieder,<br />

o Herr, unser Schild!<br />

Jedes Wort ihrer Lippen<br />

ist Sünde in ihrem Mund;<br />

ihr Hochmut komme über sie, ihre Flüche,<br />

ihr Lügengerede.<br />

Verderbe sie im Grimm,<br />

verderbe sie bis zur Vernichtung!<br />

Wissen soll man: Gott regiert in Jakob<br />

bis an die Enden der Erde.<br />

Abend für Abend kehren sie wieder<br />

und heulen wie Hunde und durchstreifen<br />

die Stadt.<br />

Sie schweifen umher und suchen zu fressen;<br />

und wurden sie nicht satt,<br />

so erheben sie ihr Geheul.<br />

Ich aber will singen von deiner Macht,<br />

am Morgen schon jubeln über deine<br />

Barmherzigkeit.<br />

Denn du bist mir Zuflucht geworden,<br />

eine feste Burg am Tage meiner Bedrängnis.<br />

Du, meine Stärke, auf dich will ich schauen,<br />

denn du, o Gott, du bist meine Zuflucht,<br />

du, mein Gott, mein Erbarmer.<br />

Psalm 60<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Lilie«; ein Zeugnis;<br />

ein Lied von David; zur Unterweisung; als er gegen die<br />

Aramäer Mesopotamiens und gegen die Aramäer von<br />

Zoba auszog und als Joab zurückkehrte, die Edomiter im<br />

Salztal schlug, zwölftausend Mann.<br />

Du hast uns verstoSSen, o Gott,<br />

unsere Reihen zerbrochen;<br />

du hast uns gezürnt,<br />

nun stelle uns wieder her!<br />

Erschüttert hast du das Land und<br />

hast es zerrissen;<br />

es wankt, o mache heil seine Risse.<br />

Hartes hast du auferlegt deinem Volk,<br />

zu trinken gabst du uns betäubenden Wein.<br />

Stelle denen, die dich fürchten,<br />

ein Zeichen auf,<br />

damit sie fliehen können vor dem Bogen.<br />

Ja, dass gerettet werden deine Geliebten,<br />

sende Hilfe mit deiner Rechten, erhöre uns!<br />

In seinem Heiligtum hat Gott einst<br />

gesprochen:<br />

Frohlockend will ich Sichem verteilen,<br />

vermessen will ich das Tal von Sukkot.<br />

Mein ist Gilead und mein ist Manasse,<br />

und Efraim ist der Schutzschild<br />

für mein Haupt,<br />

mein Zepter ist Juda.<br />

Doch Moab sei mir Schüssel zum Waschen,<br />

auf Edom setze ich meinen Schuh<br />

und triumphieren will ich über das Land<br />

der Philister!<br />

Wer bringt mich hin zu der festen Stadt?<br />

Wer wird mich geleiten nach Edom?<br />

Hast du uns nicht verstoßen, o Gott,<br />

und ziehest nicht mehr, o Gott, aus mit<br />

unseren Heeren?<br />

Schaff uns Hilfe gegen den Feind,<br />

denn der Menschen Hilfe ist nutzlos.<br />

Mit Gott werden tapfer wir streiten,<br />

und er wird niedertreten unsere Feinde.<br />

115 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 61<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel; von David.<br />

Höre mein Rufen, o Gott,<br />

merke auf mein Gebet.<br />

Ich rufe zu dir vom Ende der Erde,<br />

da mir verschmachtet das Herz.<br />

Hebe mich empor auf den Felsen und<br />

schaffe mir Ruhe,<br />

meine Zuflucht bist du,<br />

ein starker Turm vor dem Feind.<br />

Dass ich doch immer wohnen dürfte<br />

in deinem Zelt,<br />

im Schatten deiner Flügel geborgen!<br />

Denn du, Gott, du hast mein Gelübde<br />

vernommen,<br />

du hast mir gegeben das Erbe,<br />

zugedacht jenen,<br />

die deinen Namen verehren.<br />

Tage um Tage verleihe dem König,<br />

und seine Jahre seien die Jahre vieler<br />

Geschlechter.<br />

Herrschen möge er ewig vor Gott;<br />

sende aus deine Huld und Treue,<br />

ihn zu behüten.<br />

So will ich deinem Namen allzeit lobsingen<br />

und alle Tage will ich erfüllen<br />

meine Gelübde.<br />

Psalm 62<br />

Dem Chormeister, nach Jedutun; ein Psalm von David.<br />

Meine Seele ruht in Gott,<br />

von ihm allein kommt mir Hilfe.<br />

Er allein ist mein Fels und mein Heil;<br />

er ist meine Burg, ich werde nicht wanken.<br />

Wie lange noch bedroht ihr alle den einen,<br />

ihn zu stürzen wie eine Wand,<br />

die sich neigt,<br />

wie eine sinkende Mauer?<br />

Wahrlich, sie wollen mich stoßen<br />

von meiner Höhe,<br />

sie, deren Freude die Lüge ist.<br />

In ihrem Munde ist Segen,<br />

im Herzen aber tragen sie Fluch.<br />

Meine Seele ruht in Gott,<br />

von ihm allein kommt mir Hilfe.<br />

Er allein ist mein Fels und mein Heil;<br />

er ist meine Burg,<br />

ich werde nicht mehr wanken.<br />

Mein Heil und meine Ehre, sie sind bei Gott;<br />

er ist der Fels meiner Kraft,<br />

ja, Gott ist mir Zuflucht.<br />

Mein Volk, zu allen Zeiten hoffe auf ihn,<br />

gießt aus vor ihm euere Herzen,<br />

denn unsere Zuflucht ist Gott.<br />

<strong>Die</strong> Menschen alle sind nur ein Hauch,<br />

trügerisch sind die Kinder der Menschen.<br />

Sie schnellen empor auf der Waage,<br />

allesamt sind sie leichter als ein Hauch.<br />

Verlasst euch nicht auf Gewalt<br />

und rühmt euch nicht des Raubes;<br />

und wachsen euere Güter,<br />

hängt euer Herz nicht daran!<br />

Eines hat Gott gesprochen,<br />

zwei Dinge sind es, die ich vernahm:<br />

Gott hat die Macht,<br />

und dein, o Herr, ist die Gnade.<br />

Du wirst einem jeden nach seinem Werk<br />

vergelten.<br />

Psalm 63<br />

Ein Psalm von David, als er in der Wüste Juda weilt.<br />

Gott, du mein Gott, gar sehnlich<br />

suche ich dich;<br />

es dürstet nach dir meine Seele.<br />

Nach dir verlangt mein Leib<br />

gleich einem dürren, lechzenden Land<br />

ohne Wasser.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

116


Zweites Buch<br />

So schaue ich aus nach dir im heiligen Zelt,<br />

deine Kraft und deine Herrlichkeit<br />

möchte ich schauen.<br />

Denn besser ist deine Güte als das Leben;<br />

meine Lippen singen dir Lob.<br />

Ich will dich rühmen mein Leben lang,<br />

in deinem Namen erhebe ich meine Hände.<br />

Wie von Fett und Mark wird satt meine Seele,<br />

und mit Lippen des Jubels<br />

lobsingt mein Mund.<br />

Auf meinem Lager denke ich an dich,<br />

in den Nachtwachen geht mein Sinnen<br />

zu dir.<br />

Fürwahr, du bist mir ein Helfer geworden,<br />

jubeln darf ich in deiner Fittiche Hut.<br />

Meine Seele hängt an dir,<br />

es hält mich fest deine Rechte.<br />

<strong>Die</strong> aber verderben wollen mein Leben,<br />

sie fahren hinab zu den Tiefen der Erde,<br />

preisgegeben des Schwertes Gewalt,<br />

den Schakalen zur Beute.<br />

Der König aber wird sich freuen in Gott,<br />

rühmen wird sich jeder,<br />

der geschworen hat auf ihn,<br />

Des Lügners Mund wird verstummen.<br />

ohne Scheu ihn jählings zu fällen.<br />

Entschlossen sind sie zum Bösen,<br />

ihm heimlich Schlingen zu legen,<br />

fassen sie ihren Plan.<br />

Sie sagen: Wer wird uns sehen?<br />

Frevel denken sie aus,<br />

verbergen schlau ihre Ränke;<br />

eines jeden Herz und Sinn ist ein Abgrund!<br />

Gott aber trifft sie mit seinen Pfeilen,<br />

jählings sind sie geschlagen mit Wunden.<br />

Untergang bereitet ihnen die eigene Zunge.<br />

Alle, die sie sehen,<br />

schütteln das Haupt über sie.<br />

Und alle sind ergriffen von Furcht<br />

und preisen das Walten des Herrn,<br />

und sie erwägen, was er getan hat.<br />

Es freut sich der Gerechte im Herrn,<br />

er findet bei ihm seine Zuflucht;<br />

alle, die redlichen Herzens sind,<br />

dürfen sich rühmen.<br />

Psalm 65<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David, ein Lied.<br />

Psalm 64<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Höre, o Gott, meine Stimme,<br />

ich klage vor dir;<br />

vor dem Schrecken des Feindes<br />

bewahre mein Leben!<br />

Schütze mich vor der Rotte der Bösen,<br />

vor dem Toben der Frevler.<br />

Sie wetzen ihre Zunge gleich einem Schwert,<br />

gleich giftigen Pfeilen schnellen sie ab<br />

ihre Rede,<br />

um den Schuldlosen zu treffen<br />

aus ihrem Versteck,<br />

Dir, o Gott, gebührt Lobpreis in Zion;<br />

dir erfüllt man die Gelübde.<br />

Der du erhörst die Bitten,<br />

schuldbeladen kommt zu dir alles Fleisch.<br />

Unsere Missetaten drücken uns nieder,<br />

du aber nimmst sie hinweg.<br />

Selig, wen du erwählst und aufnimmst,<br />

dass er wohne in deinen Hallen.<br />

An deines Hauses Gütern werden wir satt,<br />

an der Heiligkeit deines Tempels.<br />

In deiner Gerechtigkeit erhörst du uns,<br />

o Gott, unser Helfer,<br />

durch furchtbar erhabene Zeichen.<br />

Du Hoffnung aller Enden der Erde,<br />

du Hoffnung der fernsten Gestade.<br />

Der du sicher gründest die Berge<br />

117 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

in deiner Kraft,<br />

der du dich gürtest mit Macht;<br />

der du stillst das Rauschen des Meeres,<br />

das Rauschen seiner Fluten<br />

und das Toben der Völker.<br />

Vor Zeichen erschauern,<br />

die wohnen an den Enden der Erde,<br />

die Lande im Aufgang und Niedergang<br />

erfüllst du mit Jubel.<br />

Aufgesucht hast du die Erde<br />

und hast sie getränkt,<br />

du hast ihr verliehen die Fülle des Segens.<br />

Des Wassers voll ist der Gottesbach,<br />

wohl geraten ließest du ihnen das Korn;<br />

so hast du bereitet die Erde.<br />

Ihre Furchen hast du getränkt,<br />

ihre Schollen geebnet;<br />

Du hast sie aufgetan durch den Regen<br />

und hast gesegnet die sprossende Saat.<br />

Du krönst das Jahr mit dem Kranz<br />

deiner Güte,<br />

fruchtbare Fülle quillt,<br />

wo wandelt dein Fuß.<br />

Es prangen die Auen der Steppe,<br />

es gürten sich die Hügel mit Jauchzen.<br />

<strong>Die</strong> Anger bekleiden sich mit Herden,<br />

die Täler wogen von Korn,<br />

und alle jauchzen dir zu und singen.<br />

Psalm 66<br />

Dem Chormeister; ein Lied, ein Psalm.<br />

Frohlockt dem Herrn,<br />

alle Lande,<br />

singt den Ruhm seines Namens,<br />

hehren Lobgesang bringt ihm dar!<br />

Sprecht zu Gott:<br />

Wie wunderbar sind deine Werke!<br />

Deiner gewaltigen Kraft müssen die Feinde<br />

sich beugen.<br />

Alle Erde bete dich an und singe dein Lob,<br />

deinen Namen soll sie besingen.<br />

Kommt und schaut die Taten des Herrn;<br />

wunderbar, was er vollbrachte<br />

unter den Menschen.<br />

Er hat gewandelt das Meer in trockenes Land,<br />

ihre Füße durchschritten die Flut,<br />

darum wollen wir seiner uns freuen.<br />

In seiner Allmacht regiert er auf ewig,<br />

seine Augen achten der Völker,<br />

dass die Empörer sich nicht überheben.<br />

Preist unsern Gott, ihr Völker der Heiden,<br />

laut verkündet sein Lob!<br />

Der unserer Seele Leben verlieh,<br />

nicht wanken ließ unsere Füße.<br />

Wohl hast du, Gott, uns geprüft,<br />

uns geläutert im Feuer,<br />

wie man läutert das Silber.<br />

Du hast uns geführt in das Fangnetz,<br />

drückende Last gelegt an unsere Hüften.<br />

Menschen ließest du schreiten<br />

über unsere Häupter,<br />

wir mussten gehen<br />

durch Feuer und Wasser;<br />

nun aber hast du unsere Bande gelöst.<br />

Mit Brandopfern tret ich ein in dein Haus,<br />

ich will dir entrichten, was ich gelobte,<br />

wie es auf die Lippen mir kam,<br />

wie mein Mund es versprach in der Trübsal.<br />

Opfer von fetten Schafen weihe ich dir mit<br />

dem Mark der Widder,<br />

Rinder und Böcke bringe ich dar.<br />

Alle, die ihr Gott fürchtet, kommt herbei,<br />

hört, und ich will euch erzählen,<br />

was er Großes meiner Seele getan.<br />

Noch rief ich mit meinem Mund zu ihm,<br />

da durfte ihn meine Zunge schon preisen.<br />

Hätte ich im Herzen getragen ein Unrecht,<br />

nicht hätte der Herr mich erhört.<br />

Gott aber hat mich erhört,<br />

er hat geachtet auf mein flehendes Rufen.<br />

Gepriesen sei Gott,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

118


Zweites Buch<br />

der nicht verschmähte mein Flehen,<br />

der nicht abgewendet von mir<br />

sein Erbarmen.<br />

Psalm 67<br />

Dem Chormeister; mit Saitenspiel, ein Psalm, ein Lied.<br />

Gott sei uns gnädig, er segne uns,<br />

er lasse uns leuchten sein Angesicht,<br />

dass wir seinen Weg erkennen auf Erden,<br />

bei allen Völkern sein Heil.<br />

Dich sollen preisen, o Gott, die Völker,<br />

alle Völker sollen dich preisen.<br />

Freuen sollen sich alle Stämme und jubeln,<br />

denn du regierst die Völker nach Recht.<br />

Du lenkst alle Stämme auf Erden.<br />

Dich sollen preisen, o Gott, die Völker,<br />

alle Völker sollen dich preisen.<br />

<strong>Die</strong> Erde gab ihre Frucht:<br />

Der Herr, unser Gott, er hat uns gesegnet.<br />

Gott gebe uns seinen Segen,<br />

und fürchten sollen ihn alle Enden der Erde.<br />

Psalm 68<br />

Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />

Gott erhebt sich, seine Feinde<br />

müssen zerstieben;<br />

es fliehen vor seinem Angesicht,<br />

die ihn hassen.<br />

Sie müssen verwehen, wie Rauch verweht;<br />

wie Wachs zerfließt vor dem Feuer,<br />

so schwinden dahin vor Gottes Angesicht<br />

die Sünder.<br />

<strong>Die</strong> Gerechten aber dürfen sich freuen,<br />

sie jubeln vor dem Angesicht Gottes,<br />

sie jauchzen in Wonne.<br />

Singt dem Herrn, lobsingt seinem Namen,<br />

schafft ihm Bahn, der auf den Wolken<br />

dahinfährt,<br />

sein Name ist Herr, frohlocket vor ihm!<br />

Ein Vater der Waisen,<br />

ein Beschützer der Witwen,<br />

dies ist Gott in seiner Wohnung.<br />

Gott schafft den Heimatlosen ein Heim,<br />

die Gefangenen führt er heraus<br />

in die Freiheit,<br />

im dürren Land verbleiben nur die<br />

Empörer.<br />

O Gott, als du zogst deinem Volke voraus,<br />

als du schrittst dahin die Wüste:<br />

Da erbebte die Erde,<br />

vor Gottes Angesicht zerflossen die Himmel,<br />

vor Gott, dem Gott Israels, erbebte der Sinai.<br />

Deinem Erbe, Gott,<br />

gabst du reichlichen Regen;<br />

da es entkräftet war, gabst du ihm Kraft.<br />

Hier gabst du deiner Herde die Heimat,<br />

in deiner Güte hast du, o Gott,<br />

sie bereitet den Armen.<br />

Ein Wort ging aus von dem Herrn;<br />

viele waren der Botinnen, die kündeten froh:<br />

<strong>Die</strong> Heerkönige fliehen, sie fliehen!<br />

<strong>Die</strong> Söhne des Hauses verteilen die Beute!<br />

Als ihr hingelagert wart bei eueren Herden.<br />

da glänzten silbern die Flügel der Taube,<br />

ihre Schwingen von rötlichem Gold.<br />

Dort war es, als der Allmächtige die Fürsten<br />

zerstreute,<br />

an jenem Tage fiel Schnee auf dem Zalmon.<br />

Gar hohe Berge sind die Berge von Baschan,<br />

voll hoher Gipfel die Berge von Baschan.<br />

Was blickt ihr neidisch, ihr Gipfel der Berge,<br />

neidisch gegen den Berg,<br />

den Gott sich zur Wohnung erkor?<br />

Ja, wohnen wird der Herr auf jenem Berge<br />

für immer.<br />

Zahllos sind die Wagen Gottes,<br />

tausend und tausend,<br />

also zieht vom Sinai der Herr<br />

119 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

in das Heiligtum.<br />

Emporgestiegen bist du zur Höhe,<br />

deine Gefangenen führst du mit;<br />

du nahmst Gaben von Menschen entgegen,<br />

auch von Empörern,<br />

um dort zu wohnen, Herr, als Gott.<br />

Gepriesen sei der Herr an jedem Tag!<br />

Er trägt unsere Lasten, Gott, unser Heil.<br />

Ein Gott des Heils ist unser Gott,<br />

ja, Gott, der Herr, lässt dem Tod entrinnen.<br />

Wahrlich, Gott zerschmettert seinen Feinden<br />

das Haupt,<br />

den haarigen Scheitel denen,<br />

die einhergehen in Sünden.<br />

Es sprach der Herr:<br />

Ich hole sie herunter von Baschan,<br />

ich hole sie aus der Tiefe des Meeres,<br />

dass deinen Fuß du badest in ihrem Blut,<br />

dass deine Hunde noch lecken ihren Teil<br />

von den Feinden.<br />

Wir schauen, o Gott, deinen Einzug,<br />

den Einzug meines Gottes und Königs<br />

in die heilige Stätte.<br />

Voraus die Sänger,<br />

Saitenspieler folgen hernach,<br />

inmitten der Jungfrauen,<br />

die schlagen die Pauke.<br />

In festlichen Chören preisen sie Gott,<br />

den Herrn von Israels Quelle her.<br />

Da ist Benjamin, der Jüngste,<br />

er schreitet voran,<br />

da sind mit ihren Scharen<br />

die Fürsten von Juda,<br />

die Fürsten von Sebulon,<br />

die Fürsten von Naftali.<br />

Gott, biete auf deine Macht,<br />

deine Macht, Gott, der du wirkst für uns;<br />

von deinem Tempel aus über Jerusalem,<br />

wohin Könige dir Gaben bringen.<br />

Deine Macht erweise am Tier des Schilfes,<br />

an der Rotte der Starken und an den<br />

Herrschern der Völker!<br />

Tritt nieder, die Wohlgefallen haben<br />

an Silber!<br />

Zerstreue die Völker, die sich freuen<br />

am Krieg!<br />

Man bringe Geräte aus Erz aus Ägypten,<br />

Kusch soll seine Hände erheben zu Gott.<br />

Ihr Reiche der Erde, lobsingt Gott,<br />

singt und spielt für den Herrn,<br />

der über die Himmel dahinfährt,<br />

die Himmel, die ewig alten.<br />

Hört, er lässt seine Stimme erschallen,<br />

seine gewaltige Stimme.<br />

Erkennt an Gottes Macht!<br />

Seine Hoheit erstrahlt über Israel,<br />

hoch in den Wolken erstrahlt seine Macht.<br />

Furchtbar ist Gott an seinen heiligen Stätten,<br />

Israels Gott,<br />

er verleiht seinem Volk Stärke und Macht.<br />

Gott sei gepriesen!<br />

Psalm 69<br />

Dem Chormeister nach der Weise »Lilien«; von David.<br />

Rette mich, Gott,<br />

die Wasser reichen mir bis an die Kehle.<br />

Eingesunken bin ich in tiefem Schlamm,<br />

es findet mein Fuß keinen Grund.<br />

Ich kam in die Tiefen der Wasser,<br />

die Fluten strömen hinweg über mich.<br />

Müde bin ich geworden vom Rufen,<br />

meine Kehle ist heiser.<br />

Mir ermatten die Augen,<br />

da ich muss warten auf meinen Gott.<br />

Mehr sind als Haare auf meinem Haupt,<br />

die grundlos mich hassen.<br />

Und die mich befehden zu Unrecht,<br />

stärker sind sie als meine Glieder;<br />

soll ich zahlen, was ich nicht raubte?<br />

Gott, du kennst meine Torheit,<br />

und meine Vergehen sind nicht<br />

Ps 0,00–0,00<br />

120


Zweites Buch<br />

verborgen vor dir.<br />

An mir sollen zuschanden nicht werden,<br />

die auf dich hoffen,<br />

o Herr, du Herr der himmlischen Heere.<br />

Nicht seien an mir beschämt,<br />

die dich suchen, Gott Israels.<br />

Denn um deinetwillen ertrag ich<br />

Beschimpfung,<br />

Schamröte bedeckt mein Angesicht.<br />

Entfremdet bin ich meinen Brüdern,<br />

den Söhnen meiner Mutter ein Fremdling.<br />

Denn der Eifer um dein Haus,<br />

er hat mich verzehrt;<br />

und wenn sie dich schmähten,<br />

fiel die Schmach über mich.<br />

Durch Fasten habe ich niedergebeugt<br />

meine Seele,<br />

und auch dies wurde mir gewandelt<br />

in Schmach.<br />

Ich nahm zum Kleid ein härenes Gewand,<br />

und zum Spott bin ich ihnen geworden.<br />

Es reden gegen mich, die sitzen am Tore,<br />

beim Weingelage singen sie Lieder auf mich.<br />

Ich aber richte zu dir, o Herr, mein Gebet,<br />

zur Zeit der Gnade, o Gott.<br />

Nach deiner großen Güte erhöre mich,<br />

hilf mir in deiner Treue.<br />

Entreiße mich dem Schlamm<br />

und lass mich nicht sinken,<br />

von denen, die mir übel wollen,<br />

befreie mich,<br />

rette mich aus den Tiefen der Wasser:<br />

Dass mich nicht überströmen die Fluten,<br />

die Tiefe mich nicht begrabe,<br />

dass den Rachen nicht über mir schließe<br />

der Abgrund.<br />

Erhöre mich, Herr,<br />

denn deine Gnade ist mild,<br />

aus der Fülle deines Erbarmens<br />

blicke mich an.<br />

Verbirg nicht dein Angesicht<br />

vor deinem Knecht,<br />

bedrängt bin ich, erhöre mich bald.<br />

Nahe dich meiner Seele, erlöse sie,<br />

meiner Feinde zum Trotz errette mich.<br />

Du kennst meine Schmach,<br />

meine Verwirrung und Schande,<br />

vor deinen Augen stehen alle,<br />

die mich bedrängen.<br />

Das Herz ist mir gebrochen vor Schmach,<br />

ich bin am Erlöschen.<br />

Ich harrte, ob einer Mitleid habe,<br />

doch es war keiner;<br />

ob einer mich tröste,<br />

doch es war keiner zu finden.<br />

Sie gaben mir Galle unter die Speise,<br />

in meinem Durst Essig zum Trank.<br />

So möge ihr Tisch<br />

ihnen werden zur Schlinge,<br />

und ihren Freunden zum Fallstrick.<br />

Verdunkelt seien ihre Augen,<br />

dass sie nicht sehen,<br />

kraftlos ihre Hüften für immer.<br />

Gieße aus über sie deinen Grimm,<br />

die Glut deines Zornes erfasse sie.<br />

Ihre Wohnstatt möge veröden,<br />

keiner mehr soll wohnen in ihren Zelten.<br />

Weil sie verfolgen, den du selber geschlagen;<br />

den du verwundet,<br />

sie mehren seinen Schmerz.<br />

Häufe ihnen noch Schuld auf Schuld,<br />

nicht sollen sie gelten bei dir als Gerechte.<br />

Ausgelöscht sollen sie sein<br />

aus dem Buch der Lebenden;<br />

nicht eingeschrieben mit den Gerechten.<br />

Elend bin ich und voll der Schmerzen;<br />

Gott, deine Hilfe beschütze mich.<br />

Den Namen Gottes will ich preisen im Lied,<br />

in festlichem Dank will ich ihn rühmen.<br />

Mehr als der Opferstier<br />

findet dies Gefallen vor Gott,<br />

mehr als Jungstiere<br />

mit Hörnern und Klauen.<br />

Schaut her, ihr Bedrückten, und werdet froh;<br />

121 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

die ihr Gott sucht, es lebe auf euer Herz.<br />

Denn es hört der Herr auf die Armen,<br />

seine Gefangenen achtet er nicht gering.<br />

Loben sollen ihn Himmel und Erde,<br />

das Meer und was sich regt in ihm.<br />

Denn Gott wird Zion erretten,<br />

neu erbauen wird er die Städte von Juda,<br />

und sie werden wohnen dort<br />

und besitzen das Land.<br />

Und die Söhne seiner Knechte<br />

werden es erben;<br />

und die seinen Namen lieben,<br />

sie wohnen darin.<br />

Psalm 70<br />

Dem Chormeister; von David, zum Gedächtnisopfer.<br />

O Gott, mich zu retten,<br />

eile, Herr, mir zu helfen.<br />

Zuschanden sollen werden und erröten<br />

in Schmach,<br />

die nach dem Leben mir trachten.<br />

Von Scham befallen, sollen sie weichen,<br />

die sich freuen an meinem Unglück.<br />

Sie sollen weichen, beladen mit Schande,<br />

die mich höhnen: So ist es recht.<br />

Doch jubeln sollen und deiner sich freuen<br />

alle, die treulich dich suchen.<br />

Und immer sollen sagen: Gott sei gepriesen!<br />

alle, die ersehnen dein Heil.<br />

Ich aber, elend bin ich und arm,<br />

eile, o Gott, mir zu helfen!<br />

Du bist mein Helfer und mein Befreier,<br />

säume nicht länger, o Herr!<br />

Psalm 71<br />

O Herr, ich flüchte zu dir,<br />

lass mich in Ewigkeit nicht zuschanden<br />

werden.<br />

In deiner Gerechtigkeit rette mich<br />

und mache mich frei,<br />

neige dein Ohr mir zu<br />

und komm mir zu Hilfe.<br />

Sei mir ein Felsen der Zuflucht,<br />

eine feste Burg, mich zu retten;<br />

wahrlich, du bist mein Fels, meine Burg.<br />

Mein Gott,<br />

der Hand des Bösen entreiße mich,<br />

der Faust des Sünders und des Bedrückers!<br />

Denn du, o Gott, du bist meine Zuversicht,<br />

du, Herr, meine Hoffnung von Jugend auf.<br />

Ich habe mich gehalten an dich vom<br />

Mutterleib an,<br />

vom Mutterleib an bist du mein Beschützer,<br />

auf dich habe ich allzeit vertraut.<br />

Ein Wunder bin ich geworden für viele,<br />

denn mein starker Helfer bist du.<br />

Mein Mund war voll deines Lobes,<br />

voll deines Ruhmes den ganzen Tag.<br />

Verwirf mich nicht in den Tagen des Alters;<br />

wenn meine Kräfte schwinden,<br />

verlass mich nicht.<br />

Reden doch über mich meine Feinde,<br />

belauern mich und halten gemeinsam Rat.<br />

Sie sagen:<br />

Verlassen hat ihn der Herr;<br />

so verfolgt ihn und greift ihn;<br />

ist doch niemand, der ihn wollte erretten.<br />

Gott, o bleib mir nicht fern;<br />

eile, mein Gott, mir zu helfen.<br />

<strong>Die</strong> mich befehden, zuschanden sollen sie<br />

werden und sollen vergehen,<br />

die mein Unheil wollen, sie seien bedeckt<br />

mit Schande und Schmach.<br />

Ich aber, allezeit will ich hoffen,<br />

und alle Tage will ich mehren dein Lob.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

122


Zweites Buch<br />

Mein Mund soll künden deine Gerechtigkeit,<br />

den ganzen Tag von deiner Hilfe;<br />

kenne ich doch wahrlich nicht mehr<br />

ihr Maß.<br />

Künden will ich von Gottes Macht,<br />

Herr, dein gerechtes Walten allein will ich<br />

preisen.<br />

O Gott, du hast mich gelehrt von Jugend auf,<br />

von deinen Wundern erzähl ich noch heute.<br />

Und bis ins Alter, ins hohe Alter,<br />

Gott, verlasse mich nicht;<br />

dass ich künde diesem Geschlecht die Kraft<br />

deines Armes<br />

und allen Kommenden deine Stärke.<br />

Und deine Gerechtigkeit, o Gott,<br />

die reicht bis zum Himmel,<br />

in der du große Dinge getan hast;<br />

wer, o Gott, ist wie du!<br />

Viele und harte Mühsal hast du mir auferlegt,<br />

doch wirst du mich wieder beleben<br />

und hebst mich empor<br />

aus den Tiefen der Erde.<br />

Bring mich wieder zu Ehren,<br />

und aufs Neue lass mich getröstet sein.<br />

Und deine Treue will ich preisen<br />

mit Saitenklang,<br />

Heiliger Israels,<br />

auf der Harfe will ich dir spielen.<br />

Frohlocken sollen meine Lippen,<br />

da ich dir singe,<br />

und es jubelt meine Seele,<br />

denn du hast sie erlöst.<br />

Den ganzen Tag soll meine Zunge<br />

deine Gerechtigkeit preisen;<br />

denn die mein Verderben wollen,<br />

Schande hat sie getroffen und Schmach.<br />

123 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 72<br />

Von Salomo.<br />

O Gott, gib dein Gericht dem König,<br />

dem Königssohn übergib deine Rechte.<br />

Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit,<br />

nach gleichem Recht deine Armen.<br />

Dann tragen die Berge Frieden dem Volk,<br />

Gerechtigkeit tragen die Hügel.<br />

Schützen wird er die Bedrückten des Volkes,<br />

er hilft den Kindern der Armen,<br />

doch den Bedrücker wird er zermalmen.<br />

Leben wird er durch alle Geschlechter,<br />

solange die Sonne scheint und leuchtet der Mond.<br />

Er komme hernieder wie Regen auf die Gefilde,<br />

wie strömender Regen, der tränkt die Erde.<br />

In seinen Tagen erblüht Gerechtigkeit,<br />

die Fülle des Friedens, bis vergangen der Mond.<br />

Und herrschen wird er von Meer zu Meer,<br />

vom großen Strom bis an die Enden der Erde.<br />

Seine Feinde sinken nieder vor ihm, seine Gegner küssen den Staub.<br />

Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Geschenke,<br />

Könige von Saba und Seba kommen mit Gaben.<br />

Alle Könige der Erde beten ihn an, alle Völker müssen ihm dienen.<br />

Erlösen wird er den Armen, der zu ihm aufschreit,<br />

den Verlassenen, dessen sich keiner erbarmt.<br />

Der Geringen und Schwachen nimmt er sich an, er rettet das Leben der Armen.<br />

Von Gewalt und Unrecht macht er sie frei, ihr Blut ist kostbar in seinen Augen.<br />

Ja, er wird leben! Und sie weihen ihm Sabas Gold,<br />

Gebete weihen sie ihm und preisen ihn ohne Ende.<br />

Im Land wird Korn sein im Überfluss;<br />

wie der Libanon rauscht die Frucht bis auf die Höhen der Berge,<br />

wie die Gräser der Flur werden sprießen die Bewohner der Städte.<br />

Für alle Zeiten wird sein Name gesegnet;<br />

dauern wird sein Name, solange leuchtet die Sonne.<br />

Gesegnet werden in ihm alle Stämme der Erde,<br />

die Völker alle preisen ihn selig.<br />

Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder vollbringt.<br />

Auf ewig sei gepriesen sein erhabener Name,<br />

die ganze Erde sei voll seiner Herrlichkeit!<br />

Amen, amen, so sei es!<br />

Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

124


Drittes Buch<br />

Psalm 73<br />

Ein Psalm von Asaf.<br />

Wie gütig ist Gott zu<br />

den Redlichen,<br />

der Herr zu allen,<br />

die lauteren Herzens sind.<br />

Und doch wären fast meine Füße gestrauchelt,<br />

ausgeglitten wären fast meine Schritte.<br />

Denn Neid erfasste mich gegen die Frevler,<br />

als ich sah,<br />

wie wohl es den Sündern ging.<br />

Wahrlich, sie kennen doch keine Plage,<br />

ihr Leib ist gesund und voll Kraft.<br />

Nichts verspüren sie<br />

von den Nöten der Sterblichen,<br />

und die Pein der andern<br />

kennen sie nicht.<br />

Darum umschließt sie der Hochmut<br />

wie eine Kette den Hals,<br />

und wie ein Kleid bedeckt sie Gewalttat.<br />

Aus sattem Herzen kommt herauf ihre Bosheit,<br />

ihr trügerischer Sinn bricht hervor.<br />

Sie treiben Spott und was sie reden, ist böse,<br />

von oben herab drohen sie mit Gewalt.<br />

125 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Gar an den Himmel wagt sich ihr<br />

Lästermaul,<br />

und frech ergeht sich ihre Zunge auf Erden.<br />

Und mein Volk, es läuft ihnen nach,<br />

gierig schlürfen sie wie Wasser ihre Worte.<br />

Sie sagen: Wie sollte Gott davon wissen?<br />

Wie sollte Kenntnis haben der Höchste?<br />

Siehe, so sind die Sünder,<br />

sie mehren ihre Macht<br />

und leben allzeit in Ruhe.<br />

Dass ich rein bewahrte mein Herz,<br />

war es also vergebens?<br />

Vergebens, dass ich meine Hände<br />

gewaschen in Unschuld?<br />

Liegt doch allzeit die Geißel auf mir,<br />

jeden Morgen von neuem die Plage.<br />

Wollte ich denken: Ich will reden wie sie,<br />

verleugnet hätte ich das Geschlecht<br />

deiner Söhne.<br />

Also sann ich, dies zu ergründen,<br />

doch allzu mühevoll war es für mich,<br />

bis ich eintrat in Gottes hehres Geheimnis<br />

und verstand, auf ihr Ende zu achten.<br />

Wahrlich, du stellst sie<br />

auf schlüpfrigen Boden,<br />

du stürzst sie ins Verderben.<br />

Wie brachen sie jählings zusammen,<br />

sie kamen um, dahingerafft von Entsetzen!<br />

Wie der Erwachende verscheucht<br />

ein Traumbild,<br />

so weist du von dir ihren Schatten,<br />

wenn du aufstehst, o Herr, zum Gericht.<br />

Als erbittert mein Geist war,<br />

als mein Herz war verwundet,<br />

da war ich ein Tor und bar aller Einsicht;<br />

wie das Vieh, so war ich vor dir.<br />

Nun aber bleibe ich immer bei dir.<br />

du hast mich ergriffen an meiner Rechten.<br />

Nach deinem Ratschluss wirst du mich leiten,<br />

und endlich nimmst du mich auf<br />

in die Herrlichkeit.<br />

Was hätte ich im Himmel als dich?<br />

Und bin ich bei dir,<br />

was hätte ich Freude auf Erden?<br />

Mein Geist und mein Leib, sie verzehren sich,<br />

Gott ist mein Fels, mein Anteil auf ewig,<br />

Siehe, es gehen zugrunde,<br />

die sich scheiden von dir;<br />

die dich treulos verlassen,<br />

du vernichtest sie alle.<br />

Mir aber ist es Wonne, bei Gott zu sein.<br />

Meine Zuflucht zu finden bei Gott,<br />

meinem Herrn.<br />

Und künden will ich all deine Werke.<br />

Psalm 74<br />

Ein Weisheitslied von Asaf.<br />

Warum hast du, o Gott,<br />

uns verworfen auf immer?<br />

Warum lodert dein Zorn<br />

gegen die Schafe deiner Weide?<br />

Gedenke deiner Gemeinde,<br />

die du erworben von alters her,<br />

des Volkes, zum Eigentum dir erkauft;<br />

des Zion gedenke,<br />

den du erkoren zu deiner Wohnung.<br />

Zu den ewigen Ruinen<br />

lenke hin deine Schritte,<br />

im Heiligtum hat alles verwüstet der Feind.<br />

Am Ort der Versammlung erhoben deine<br />

Gegner wüstes Geschrei,<br />

ihre Zeichen pflanzten sie auf,<br />

zu künden den Sieg.<br />

Wie jene, die im Dickicht schwingen das Beil,<br />

so zerschlugen sie mit Axt und Hammer<br />

die Tore.<br />

An dein Heiligtum legten sie Feuer,<br />

bis auf den Grund entweihten sie das Zelt<br />

deines Namens.<br />

Sie sprachen bei sich:<br />

Wir vernichten sie alle!,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

126


Drittes Buch<br />

brennt sie nieder, die Stätten ihres Gottes<br />

im Land!<br />

Nicht mehr sehen wir unsere Zeichen,<br />

nicht mehr ist uns gesandt ein Prophet,<br />

keiner ist unter uns, der wüsste:<br />

Wie lang!<br />

Wie lange noch, o Gott,<br />

darf höhnen der Feind?<br />

Der Widersacher,<br />

soll er deinen Namen lästern auf immer?<br />

Warum ziehst du zurück deine Hand,<br />

hältst deine Rechte verborgen bei dir?<br />

Dennoch, Gott ist mein König von Anbeginn,<br />

Rettung wirkt er mitten auf Erden.<br />

Du hast machtvoll gespalten das Meer,<br />

in den Wassern hast du zermalmt<br />

die Häupter der Drachen.<br />

Du hast dem Leviatan<br />

zerschmettert das Haupt,<br />

ihn zum Fraß gegeben den Ungeheuern<br />

des Meeres.<br />

Du riefst hervor die Quellen und Bäche,<br />

du machtest versiegen uralte Ströme.<br />

Dein ist der Tag und dein ist die Nacht,<br />

du hast hingestellt den Mond und die Sonne.<br />

Du bist es, der bestimmte die Grenzen<br />

der Erde,<br />

Sommer und Winter, du hast sie gebildet.<br />

Gedenke, Herr, wie der Feind dich geschmäht,<br />

dich verhöhnt,<br />

ein törichtes Volk<br />

hat deinen Namen gelästert.<br />

Übergib nicht dem Geier<br />

das Leben deiner Taube,<br />

das Leben deiner Armen<br />

vergiss nicht auf immer.<br />

Auf deinen Bund, o Herr, blicke hin:<br />

denn siehe, in deinem Land sind Winkel<br />

und Plätze voller Gewalttat.<br />

Nicht ziehe der Bedrückte<br />

mit Schande von dannen,<br />

preisen soll deinen Namen<br />

der Arme und Schwache.<br />

Steh auf, o Gott, führe du deine Sache,<br />

gedenke der Schmach,<br />

die täglich dir bereitet der Tor.<br />

Vergiss nicht das Geschrei deiner Feinde,<br />

Deiner Widersacher Empörung<br />

brandet ständig empor.<br />

Psalm 75<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />

ein Psalm von Asaf, ein Lied.<br />

Wir preisen dich, Herr,<br />

wir preisen dich!<br />

Wir rühmen deinen Namen<br />

und künden all deine Wunder.<br />

Wenn die Zeit ich bestimme,<br />

ich werde dann richten nach Recht.<br />

Mag die Erde auch wanken mit allen,<br />

die sie bewohnen,<br />

ich halte fest ihre Säulen.<br />

Den Prahlenden sage ich:<br />

Lasst euer Prahlen!<br />

Den Gottlosen:<br />

Erhebt nicht zu hoch euer Horn!<br />

Euer Horn erhebt nicht gegen den Höchsten,<br />

redet nicht vermessen gegen den Herrn.<br />

Denn nicht vom Aufgang<br />

und nicht vom Niedergang,<br />

nicht von der Wüste<br />

und nicht von den Bergen:<br />

Nein, das Gericht kommt von Gott!<br />

<strong>Die</strong>sen erniedrigt er, jenen hebt er empor.<br />

Denn in der Hand des Herrn ist ein Becher,<br />

schäumend von Wein,<br />

gefüllt mit betäubendem Wein.<br />

Er reicht ihn dar und es müssen ihn trinken,<br />

ja schlürfen bis zur Hefe<br />

alle Sünder der Erde.<br />

Ich aber – frohlocken darf ich auf ewig,<br />

127 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Jakobs Gott darf ich singen.<br />

Und alle Macht der Sünder will ich zerschlagen,<br />

doch erheben soll sich die Macht<br />

der Gerechten.<br />

Psalm 76<br />

Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />

ein Psalm von Asaf, ein Lied.<br />

Kund geworden ist Gott in Juda,<br />

groß ist sein Name in Israel.<br />

In Salem ist sein Zelt,<br />

seine Wohnung auf Zion.<br />

Dort zerbrach er die Blitze des Bogens,<br />

Schild und Schwerter und den Krieg.<br />

Gewaltiger, du kamst, strahlend im Licht,<br />

du kamst herab von den ewigen Bergen.<br />

<strong>Die</strong> stolzen Herzen,<br />

sie wurden selber zur Beute,<br />

nun schlafen sie ihren Schlaf;<br />

all der Krieger Arme mussten ermatten.<br />

Gott Jakobs, vor deinem drohenden Ruf<br />

erstarren mussten Rosse und Wagen.<br />

Furchtbar bist du, wer wollte vor dir bestehn,<br />

vor deines Zornes Gewalt?<br />

Vom Himmel her machtest du kund<br />

den Spruch des Gerichtes,<br />

die Erde erschrak und war still,<br />

als Gott sich erhob zum Gericht,<br />

um Heil zu bringen allen Armen der Erde.<br />

Denn verherrlichen wird dich<br />

der Menschen Wut,<br />

der Rest der Zornesgluten wird dich feiern.<br />

Weiht Gelübde dem Herrn, euerem Gott,<br />

und löst sie ein;<br />

ihr alle ringsum,<br />

dem Furchtgebietenden bringt Gaben herbei.<br />

Ihm, der den Geist der Fürsten zerbricht,<br />

der furchtbar sich zeigt den Herrschern<br />

der Erde.<br />

Psalm 77<br />

Dem Chormeister, nach Jedutun; von Asaf; ein Psalm.<br />

Meine Stimme steigt auf zu Gott<br />

und ich schreie;<br />

meine Stimme erhebt sich zu Gott,<br />

auf dass er mich höre.<br />

Ich suche den Herrn am Tag meiner Drangsal;<br />

Unauf hörlich erheb ich in der Nacht<br />

zu ihm meine Hände,<br />

meine Seele verweigert den Trost.<br />

Ich denke an Gott und ich seufze;<br />

ich sinne nach über ihn<br />

und es verschmachtet mein Geist.<br />

<strong>Die</strong> Augenlider hältst du mir wach,<br />

ruhelos bin ich<br />

und ich weiß nicht zu reden.<br />

Gedenken muss ich vergangener Tage,<br />

ich erwäge die Jahre von ehedem.<br />

Ich sinne in meinem Herzen<br />

zu nächtlicher Stunde,<br />

ich sinne nach<br />

und fragend erhebt sich mein Geist.<br />

Wird der Herr verstoßen auf ewig?<br />

Wird er nicht mehr gnädig sein?<br />

Ist seine Huld für immer dahin,<br />

ausgelöscht die Verheißung<br />

für alle Geschlechter?<br />

Hat Gott vergessen, gnädig zu sein?<br />

Hat er sein Erbarmen verschlossen im Zorn?<br />

Und ich sage:<br />

<strong>Die</strong>s ist mein Schmerz,<br />

dass sich gewandelt hat die Rechte<br />

des Höchsten.<br />

Ich gedenke der Taten des Herrn,<br />

ich denke an die Wunder der Vorzeit.<br />

Und sinne nach über all deine Werke,<br />

und deine Taten erwäge ich.<br />

Heilig, o Gott, ist dein Weg;<br />

wo ist ein Gott, wie unser Gott so erhaben?<br />

Du bist der Gott, der Wunderbares vollbringt,<br />

vor den Heiden hast du kundgetan<br />

Ps 0,00–0,00<br />

128


Drittes Buch<br />

deine Macht.<br />

Mit starkem Arm hast du dein Volk befreit,<br />

die Söhne von Jakob und Josef.<br />

Es sahen dich die Wasser, o Gott,<br />

es sahen dich die Wasser<br />

und sie erschraken,<br />

bis in die Tiefe erbebten die Fluten.<br />

Es troffen die Wolken von vielen Wassern,<br />

die Wolken erdröhnten von Donner.<br />

Dein Donner durchdröhnte den Wirbelsturm,<br />

deine Blitze erhellten den Erdkreis,<br />

erschüttert wurde die Erde und sie erbebte.<br />

Es ging dein Weg durch das Meer,<br />

es gingen deine Pfade durch große Fluten,<br />

und nicht war gesehen<br />

die Spur deiner Füße.<br />

Du hast dein Volk geleitet gleich einer Herde<br />

durch die Hand des Mose und Aaron.<br />

Psalm 78<br />

Ein Weisheitslied von Asaf.<br />

Lausche, mein Volk, dem Wort<br />

meiner Lehre,<br />

neigt euer Ohr dem Wort meines Mundes!<br />

Meinen Mund will ich öffnen zur Rede<br />

im Gleichnis,<br />

Geheimnis der Urzeit, ich will es künden.<br />

Was wir gehört und erkannt,<br />

und was uns erzählten unsere Väter,<br />

nicht verbergen wollen wir dies<br />

vor den Söhnen,<br />

künden wollen wir es dem Geschlecht,<br />

das kommt:<br />

die Ruhmestaten des Herrn, seine Stärke<br />

und die Wunder, die er getan.<br />

So hat er es aufgestellt in Jakob als ein Gebot,<br />

so zum Gesetz es verordnet in Israel:<br />

Was er geboten unseren Vätern,<br />

sie sollten es verkünden den Söhnen:<br />

Wissen soll es ein künftiges Geschlecht,<br />

die Söhne, die künftig würden geboren,<br />

und sollen aufstehen und es wieder künden<br />

den Söhnen.<br />

Auf dass sie ihre Hoffnung setzten auf Gott<br />

und Gottes Werke nicht sollten vergessen,<br />

sondern dass sie befolgten seine Gebote.<br />

Auf dass sie nicht würden wie ihre Väter,<br />

ein trotziges und widerspenstiges<br />

Geschlecht,<br />

ein Geschlecht,<br />

das nicht hatte ein beständiges Herz,<br />

das Gott die Treue nicht hielt.<br />

Efraims Söhne, die Bogenschützen,<br />

sie wandten sich zurück<br />

am Tag der Schlacht.<br />

Gottes Bund, sie hielten ihn nicht,<br />

und sie verschmähten es,<br />

zu wandeln nach seinem Gesetz.<br />

Vergessen hatten sie seine Werke<br />

und seine Wunder, die er sie schauen ließ.<br />

Wunder vollbrachte er<br />

vor den Augen der Väter,<br />

im Lande Ägypten,<br />

in den Gefilden von Zoan.<br />

Er teilte das Meer und ließ sie hindurchziehen<br />

und staute die Wasser gleich einer Mauer.<br />

Und er führte sie bei Tag in der Wolke,<br />

die ganze Nacht im Schein des Feuers.<br />

Er spaltete in der Wüste die Felsen,<br />

reichlich tränkte er sie<br />

am rieselnden Quell.<br />

Bäche lockte er hervor aus dem Stein<br />

und machte strömen die Wasser.<br />

Sie aber hörten nicht auf<br />

zu sündigen gegen ihn,<br />

dem Höchsten boten sie Trotz in der Wüste.<br />

In ihrem Herzen versuchten sie Gott,<br />

forderten Speise für ihre Gier.<br />

Und sie haderten gegen den Herrn<br />

und sagten:<br />

Kann Gott uns den Tisch bereiten hier<br />

129 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

in der Wüste?<br />

Siehe, wohl schlug er den Felsen,<br />

es flossen die Wasser<br />

und Bäche brachen hervor.<br />

Doch kann er auch Brot seinem Volk geben<br />

und Fleisch ihnen schaffen?<br />

Darum, als der Herr dies hörte,<br />

entbrannte sein Zorn,<br />

Feuer loderte auf gegen Jakob,<br />

gegen Israel entbrannte sein Zorn.<br />

Weil sie nicht glaubten an Gott<br />

und nicht vertrauten auf seine Hilfe.<br />

Doch gebot er den Wolken dort oben<br />

und tat auf die Tore des Himmels.<br />

Und Manna ließ er auf sie regnen zur Speise,<br />

er gab ihnen Himmelsbrot.<br />

Das Brot der Starken<br />

durfte essen der Mensch,<br />

Speise sandte er ihnen in Fülle.<br />

Und er weckte am Himmel den Ostwind<br />

und holte mit seiner Macht<br />

den Südwind herbei.<br />

Und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub,<br />

wie Sand des Meeres gefiederte Vögel.<br />

Mitten in ihr Lager fielen sie hin,<br />

um ihre Zelte ringsum.<br />

Und sie aßen und wurden satt,<br />

und er stillte so ihr Verlangen.<br />

Noch aber war ihre Gier nicht gewichen,<br />

noch war die Speise in ihrem Mund,<br />

da entflammte Gottes Zorn gegen sie.<br />

Und er warf unter ihre Fürsten den Tod,<br />

Israels Jugend streckte er nieder.<br />

Doch sie sündigten immerfort,<br />

seinen Wundern glaubten sie nicht.<br />

Da ließ er rasch ihre Tage entschwinden<br />

ihren Jahren setzte er jählings ein Ende.<br />

Wenn er sie schlug, da suchten sie ihn<br />

und kehrten um und fragten nach Gott.<br />

Sie gedachten, dass Gott ihr Felsen,<br />

der höchste Gott ihr Erlöser ist.<br />

Doch sie betrogen ihn mit ihrem Mund,<br />

mit ihrer Zunge belogen sie ihn.<br />

Ihr Herz war nicht redlich vor ihm,<br />

und seinem Bund hielten sie nicht die Treue.<br />

Und doch erließ er ihnen gnädig die Schuld,<br />

er vertilgte sie nicht,<br />

er bannte oftmals den Zorn<br />

und goss nicht aus über sie die ganze Flut<br />

seines Zornes.<br />

Und er gedachte, dass sie nur Fleisch sind,<br />

ein Hauch, der verweht und nicht mehr<br />

zurückkehrt.<br />

Wie oft erzürnten sie ihn in der Wüste,<br />

in der Einöde,<br />

wie oftmals taten sie Kummer ihm an.<br />

Und immer wieder versuchten sie Gott<br />

und schufen Bitternis dem Heiligen Israels.<br />

Nicht gedachten sie seiner Hand,<br />

nicht des Tages,<br />

da er sie löste aus Feindes Gewalt,<br />

da er Zeichen tat im Lande Ägypten,<br />

Wunderzeichen in den Gefilden von Zoan.<br />

Da er in Blut verwandelte ihre Flüsse<br />

und ihre Bäche,<br />

dass niemand zu trinken vermochte.<br />

Fliegen ließ er über sie kommen,<br />

die brachten den Tod,<br />

und Frösche, die brachten ihnen Verderben.<br />

Der Fressgrille gab er preis ihre Ernte,<br />

dem Heuspringer, was ihre Arbeit erwarb.<br />

Er schlug ihren Weinstock mit Hagel,<br />

ihre Feigenbäume mit Körnern von Eis.<br />

Und übergab der Pest ihr Vieh,<br />

ihre Herden den Seuchen.<br />

Und sandte über sie die Glut seines Zornes,<br />

Unwillen und Grimm und Bedrängnis,<br />

Unheilsboten in Scharen.<br />

Seinem Zorn schuf er offene Bahn,<br />

da war keine Schonung mehr vor dem Tod<br />

und ihr Leben übergab er der Pest.<br />

Und er schlug alle Erstgeburt in Ägypten,<br />

die Erstlinge, geboren in Hams Zelten.<br />

Und er holte wie Schafe sein Volk heraus<br />

Ps 0,00–0,00<br />

130


Drittes Buch<br />

und führte sie durch die Wüste<br />

gleich einer Herde.<br />

Und er führte sie sicher,<br />

nicht mussten sie fürchten,<br />

und ihre Feinde bedeckte das Meer.<br />

Und er brachte sie in sein heiliges Land,<br />

hin zu den Bergen, die seine Rechte erwarb.<br />

Und er trieb vor ihren Augen<br />

die Völker hinaus,<br />

und ihr Land verloste er ihnen zum Erbe,<br />

in den Zelten der Völker ließ er wohnen die<br />

Stämme Israels.<br />

Doch sie versuchten den Höchsten<br />

und forderten ihn heraus<br />

und hielten seine Satzungen nicht.<br />

Und wie ihre Väter,<br />

so fielen sie ab und brachen die Treue;<br />

wie ein trügender Bogen, so irrten sie ab.<br />

Mit ihren Höhen erregten sie seinen Zorn,<br />

mit ihren Götzenbildern riefen sie seine<br />

Eifersucht wach.<br />

Das hörte Gott und es erfasste ihn Zorn,<br />

und gänzlich verwarf er Israel.<br />

Und er verließ seine Wohnung in Schilo,<br />

das Zelt, wo er wohnte unter den Menschen.<br />

Und seine Macht gab er preis der<br />

Gefangenschaft,<br />

seine Herrlichkeit in die Hände der Feinde.<br />

Und sein Volk übergab er dem Schwert,<br />

Zorn entflammte ihn gegen sein Erbe.<br />

Ihre Jünglinge raffte Feuer dahin,<br />

ihre Jungfrauen wurden nicht mehr<br />

vermählt.<br />

Ihre Priester fielen unter dem Schwert,<br />

und ihre Witwen durften nicht weinen.<br />

Dann aber, wie aus dem Schlaf<br />

erwachte der Herr,<br />

wie ein Krieger, der aufsteht vom Wein.<br />

Und er trieb in die Flucht die Feinde,<br />

und bedeckte sie mit ewiger Schmach.<br />

Und das Zelt des Josef verwarf er,<br />

Efraims Stamm erwählte er nicht.<br />

Doch erkor er sich Juda,<br />

den Zionsberg, den er liebte.<br />

Gleich der Himmelshöhe<br />

baute er seine heilige Stätte,<br />

fest wie die Erde,<br />

die er gegründet auf immer.<br />

Und den David erwählte er, seinen Knecht,<br />

von den Herden der Schafe holte er ihn.<br />

Von den Mutterschafen hinweg,<br />

so rief ihn der Herr,<br />

auf dass er Jakob weide, sein Volk,<br />

Israel, seinen Erbbesitz.<br />

Und er weidete sie in der Einfalt des Herzens,<br />

und er führte sie mit kundiger Hand.<br />

Psalm 79<br />

Ein Psalm von Asaf.<br />

Gott, in dein Erbe sind<br />

eingedrungen die Heiden,<br />

sie haben entweiht deinen heiligen Tempel,<br />

Jerusalem haben sie in Trümmer gelegt.<br />

<strong>Die</strong> Leichen deiner Knechte warfen sie hin<br />

den Vögeln des Himmels zum Fraß,<br />

die Leiber deiner Heiligen<br />

den wilden Tieren der Erde.<br />

Sie vergossen ihr Blut wie Wasser<br />

rings um Jerusalem,<br />

und keiner fand sich, der sie begraben hätte.<br />

Ein Schimpf sind wir geworden für unsere<br />

Nachbarn,<br />

Spott und Hohn für alle,<br />

die rings um uns wohnen.<br />

Wie lange noch, Herr?<br />

Willst du grollen auf ewig?<br />

Wie lange wird wie Feuer glühen dein Zorn?<br />

Gieße aus deinen Grimm auf die Heiden,<br />

die dich nicht kennen,<br />

auf die Reiche,<br />

die deinen Namen nicht ehren.<br />

131 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Denn aufgezehrt haben sie Jakob,<br />

und seine Wohnung verwüstet.<br />

Ahnde nicht an uns die Sünder der Väter,<br />

eile uns entgegen mit deinem Erbarmen,<br />

denn elend sind wir gar sehr.<br />

Um der Ehre deines Namens willen rette uns,<br />

Gott, unser Heil!<br />

Um deines Namens willen erlöse uns<br />

und vergib unsere Schuld!<br />

Warum sollen die Heiden sprechen:<br />

Wo ist nun ihr Gott!<br />

Vor unseren Augen werde offenbar<br />

an den Heiden<br />

die Rache für das Blut deiner Knechte,<br />

das sie vergossen.<br />

Es dringe zu dir der Gefangenen Stöhnen;<br />

die dem Tod geweiht,<br />

erlöse sie mit der Kraft deines Armes!<br />

Und siebenfach zahle<br />

unseren Nachbarn zurück<br />

die Schmach, die sie dir angetan haben,<br />

o Herr!<br />

Wir aber, dein Volk, die Schafe deiner Herde,<br />

wir wollen dich rühmen auf ewig,<br />

von Geschlecht zu Geschlecht<br />

verkünden dein Lob.<br />

Psalm 80<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Lilien«;<br />

ein Zeugnis; ein Psalm von Asaf.<br />

O höre, der du Israel führst,<br />

der du Josef leitest gleich einer Herde!<br />

Der du thronst über den Kerubim,<br />

erstrahle vor Efraim, Benjamin und Manasse!<br />

Wecke auf, o Herr, deine Macht,<br />

komm und erlöse uns!<br />

Gott, richte uns wieder auf,<br />

lass leuchten dein Angesicht,<br />

so sind wir gerettet.<br />

Du, Gott der himmlischen Heere,<br />

wie lange zürnst du noch,<br />

da doch betet dein Volk?<br />

Du hast es gespeist mit dem Brot der Tränen,<br />

Flut von Tränen gabst du ihm zum Trank.<br />

Du machst uns zum Zankapfel<br />

für unsere Nachbarn,<br />

und unsere Feinde verhöhnen uns.<br />

Du, Gott der himmlischen Heere,<br />

richte uns wieder auf,<br />

lass leuchten dein Angesicht,<br />

so sind wir gerettet.<br />

Einen Weinstock holtest du aus Ägypten,<br />

Völker vertriebst du,<br />

ihn aber pflanztest du ein.<br />

Das Erdreich hast du bereitet für ihn,<br />

da fasste er Wurzeln und erfüllte das Land.<br />

Mit seinem Schatten bedeckte er Berge,<br />

mit seinen Zweigen die Zedern des Herrn.<br />

Seine Reben hat er gebreitet bis an das Meer,<br />

bis an den großen Strom seine Sprossen.<br />

Warum hast du seine Mauern zerstört?<br />

Alle, die des Weges kommen,<br />

sie ernten ihn ab.<br />

Der Eber des Waldes darf ihn verwüsten,<br />

zur Weide ist er geworden<br />

den Tieren des Waldes.<br />

Du, Gott der himmlischen Heere,<br />

wende dich wieder zurück!<br />

Blick her vom Himmel und siehe.<br />

Suche auf deinen Weinstock<br />

und schütze ihn,<br />

den gepflanzt deine Rechte,<br />

den Schössling, den du ließest erstarken.<br />

<strong>Die</strong> ihn verbrannten im Feuer,<br />

die ihn zerhieben,<br />

umkommen sollen sie vor deinem<br />

zürnenden Blick.<br />

Auf dem Mann deiner Rechten<br />

lasse ruhen deine Hand,<br />

auf dem Menschensohn,<br />

den du ließest erstarken.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

132


Drittes Buch<br />

Und nicht mehr wollen wir weichen von dir,<br />

erhalte uns am Leben,<br />

und deinen Namen wollen wir preisen.<br />

Herr, Gott der himmlischen Heere,<br />

richte uns wieder auf,<br />

lass leuchten dein Angesicht,<br />

so sind wir gerettet!<br />

Psalm 81<br />

Dem Chormeister, nach gittischer Weise; von Asaf.<br />

Frohlockt dem Herrn,<br />

unserem Helfer,<br />

jubelt ihm zu, dem Gott Jakobs!<br />

Greift in die Saiten, schlagt die Pauke,<br />

lieblich ertöne die Harfe<br />

zum Spiel der Leier.<br />

Stoßt in die Posaune zum Neumond,<br />

zum Vollmond am Tag unseres Festes!<br />

So ist es bestimmt für Israel,<br />

von Jakobs Gott ein Gesetz.<br />

Eine Satzung, verordnet für Josef,<br />

da er auszog gegen Ägypten.<br />

Ich vernahm eine Stimme,<br />

die ich nicht kannte:<br />

Von seinem Rücken lud ich ab eine Bürde,<br />

vom Lastkorb machte sich los seine Hand.<br />

Du riefst in der Trübsal<br />

und ich machte dich frei;<br />

aus donnernder Wolke gab ich dir Antwort,<br />

an den Wassern von Meriba prüfte ich dich.<br />

Höre, mein Volk, auf dass ich dich warne;<br />

Israel, o dass du doch hörtest auf mich!<br />

Nicht sei bei dir ein anderer Gott,<br />

einen fremden Gott<br />

sollst du nicht verehren.<br />

Ich bin der Herr, dein Gott,<br />

der dich herausgeführt aus Ägypten;<br />

tu auf deinen Mund<br />

und ich werde ihn füllen!<br />

Aber mein Volk, es hörte nicht meine Stimme,<br />

Israel fügte sich nicht meinem Willen.<br />

Darum überließ ich sie<br />

ihren verhärteten Herzen,<br />

mögen sie dahingehn nach eigenem Rat.<br />

O dass mich doch hörte mein Volk!<br />

Dass Israel doch ginge auf meinen Wegen!<br />

Wie bald bezwänge ich ihre Feinde,<br />

meine Hand wollte ich kehren gegen alle,<br />

die sie bedrängen!<br />

<strong>Die</strong> hassen den Herrn,<br />

sie würden ihnen gefügig,<br />

ihr Los würde dauern für immer.<br />

Mein Volk aber wollte ich nähren mit dem<br />

Mark von Weizen<br />

und mit Honig aus dem Felsen<br />

wollt ich sie laben.<br />

Psalm 82<br />

Ein Psalm von Asaf.<br />

Gott steht auf in der<br />

Götterversammlung,<br />

inmitten der Göttersöhne hält er Gericht:<br />

Wie lange noch werdet ihr richten zu Unrecht,<br />

wie lange zu Willen sein<br />

der Gottlosen Sache?<br />

Führt die Sache<br />

des Unterdrückten und Waisen,<br />

dem Geringen und Armen<br />

schafft sein Recht!<br />

Den Unterdrückten und Dürftigen macht frei,<br />

der Hand der Frevler entreißt ihn.<br />

Doch sie erfassen es nicht<br />

und haben nicht Einsicht,<br />

in Finsternis gehen sie dahin.<br />

Es wanken alle Festen der Erde.<br />

Wohl sprach ich: Zwar seid ihr Götter,<br />

und Söhne des Höchsten allesamt.<br />

Doch, wahrlich, sterben müsst ihr<br />

133 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

wie Menschen,<br />

wie jeder der Fürsten werdet ihr fallen.<br />

Gott, steh auf und richte die Erde,<br />

denn zu Recht sind alle Völker dein Eigen.<br />

Psalm 83<br />

Ein Lied von Asaf.<br />

Herr, o schweige mir nicht!<br />

Bleib nicht still, o Gott, bleibe nicht ruhig!<br />

Denn siehe, wie toben doch deine Feinde;<br />

und die dich hassen, sie erheben das Haupt.<br />

Sie planen Böses gegen dein Volk,<br />

wider deinen Schützling halten sie Rat.<br />

Sie sagen:<br />

Kommt, wir wollen sie ausrotten als Volk,<br />

Israels Name werde nicht mehr genannt.<br />

Wahrlich, einmütig halten sie Rat,<br />

ein Bündnis gehen sie ein gegen dich.<br />

<strong>Die</strong> Zelte Edoms, die Ismaeliter,<br />

Moab und die Hagariter,<br />

Gebal und Ammon und Amalek,<br />

die Philister und die Bewohner von Tyrus.<br />

Auch die Assyrer haben sich mit ihnen<br />

verbündet,<br />

sie leihen Hilfe den Söhnen des Lot.<br />

Tu an ihnen, wie du tatest an Midian,<br />

an Sisera und Jabin am Kischonbach.<br />

Sie wurden vernichtet bei En-Dor,<br />

sie sind geworden zum Dünger des Feldes.<br />

Tu an ihren Fürsten wie an Oreb und Seeb,<br />

an all ihren Führern<br />

tu wie an Sebach und Zalmunna,<br />

die da sagten:<br />

Zu Eigen lasst uns nehmen Gottes Gefild! –<br />

Mein Gott,<br />

lass sie wirbeln wie Blätter im Sturm,<br />

wie Spreu vor dem Wind!<br />

Wie das Feuer, das entzündet den Wald,<br />

wie die Lohe, die umlodert die Berge,<br />

so jage sie im Sturm,<br />

in deinem Wetter erschrecke sie!<br />

Ihr Angesicht bedecke mit Schmach,<br />

und suchen sollen sie deinen Namen, o Herr.<br />

Schande soll sie treffen<br />

und Verwirrung auf immer,<br />

sie sollen schmählich zugrunde gehen.<br />

Und erkennen sollen sie dich, der du heißt:<br />

Der Herr!<br />

Du allein bist über alle Lande erhaben.<br />

Psalm 84<br />

Dem Chormeister, nach der gittischen Weise;<br />

von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />

Wie freundlich ist deine<br />

Wohnung, o Herr<br />

der himmlischen Heere!<br />

Meine Seele vergeht in Sehnsucht<br />

nach den Hallen des Herrn!<br />

Mein Geist und mein Leib,<br />

sie jubeln dem lebendigen Gott.<br />

Findet doch gar der Sperling ein Heim<br />

und die Schwalbe ein Nest,<br />

darin ihre Jungen zu bergen:<br />

Ja, dein Altar, o Herr der himmlischen Heere,<br />

du, mein Gott und mein König!<br />

Selig, die wohnen in deinem Hause, o Herr,<br />

sie werden dich immerdar preisen.<br />

Selig, die deiner Hilfe sich freuen,<br />

wenn sie sich rüsten zu heiliger Fahrt.<br />

Und pilgern sie hin durch das dürre Tal,<br />

es wird ihnen zum Tal der Quellen;<br />

Frühregen kleidet es<br />

in die Fülle des Segens,<br />

Mit steigender Kraft, so ziehen sie hinauf,<br />

den höchsten Gott zu schauen auf Zion.<br />

Höre mein Beten,<br />

o Herr der himmlischen Heere,<br />

Jakobs Gott, leihe gnädig dein Ohr!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

134


Drittes Buch<br />

Du, unser Schild, o Gott, schau her!<br />

Siehe das Antlitz deines Gesalbten!<br />

Besser in deinen Hallen ein einziger Tag<br />

als tausend Tage fern von dir.<br />

Lieber stehen an der Schwelle vor dem Haus<br />

meines Gottes<br />

als wohnen in den Zelten der Sünder.<br />

Denn Gott, der Herr, ist Sonne und Schild;<br />

Herrlichkeit verleiht er und Gnade.<br />

Kein Gut wird er denen versagen,<br />

die da wandeln in Unschuld.<br />

O Herr der himmlischen Heere,<br />

glücklich, wer auf dich vertraut!<br />

und Herrlichkeit wird wohnen<br />

in unserem Land.<br />

Begegnen werden sich Erbarmen und Treue,<br />

Gerechtigkeit und Friede<br />

werden sich küssen.<br />

Aus der Erde sprießt die Treue,<br />

Gerechtigkeit blickt hernieder vom Himmel.<br />

Ja, der Herr verleiht seinen Segen,<br />

und unsere Erde gibt ihre Frucht.<br />

Gerechtigkeit geht vor ihm her,<br />

und Heil wird folgen<br />

dem Pfad seiner Schritte.<br />

Psalm 85<br />

Dem Chormeister, von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />

Gnade hast du gewährt, o Herr,<br />

deinem Land,<br />

Jakobs Los gewendet zum Guten.<br />

Deinem Volk hast du erlassen die Schuld,<br />

hast zugedeckt all seine Missetat.<br />

Du hast zurückgezogen all deinen Grimm,<br />

aufgegeben die Glut deines Zornes.<br />

Schaffe uns wieder neu, o Gott, unser Retter,<br />

tu ab den Unmut, den du trägst gegen uns.<br />

Willst du uns grollen auf ewig?<br />

Soll währen dein Zorn<br />

durch alle Geschlechter?<br />

Wirst du uns nicht mehr Leben verleihen?<br />

Wird dein Volk sich nicht mehr freuen<br />

in dir?<br />

Zeige uns dein Erbarmen, o Herr,<br />

gewähre uns gnädig dein Heil!<br />

Hören will ich,<br />

was kündet der Herr, unser Gott:<br />

wahrhaftig, er kündet den Frieden<br />

Frieden seinem Volk und all seinen Frommen,<br />

allen, die von Herzen sich zu ihm bekehren.<br />

Ja, allen, die ihn fürchten, ist nahe sein Heil,<br />

Psalm 86<br />

Ein Gebet von David.<br />

Neige, o Herr, dein Ohr<br />

und erhöre mich,<br />

denn ich bin elend und arm.<br />

Bewahre meine Seele, dir bin ich zu Eigen;<br />

hilf deinem Knecht, der hofft auf dich.<br />

Mein Gott bist du; Herr, sei mir gnädig!<br />

Ich rufe zu dir ohne Unterlass.<br />

Erfreue deines Knechtes Gemüt;<br />

zu dir, o Herr, erhebe ich meine Seele.<br />

Denn du, o Herr, bist gütig und milde;<br />

für alle, die dich rufen, reich an Erbarmen.<br />

Vernimm, o Herr, mein Gebet,<br />

merk auf meine flehende Stimme!<br />

Ich rufe zu dir am Tag der Bedrängnis;<br />

ich weiß, du wirst mich erhören.<br />

Keiner ist wie du, o Herr, keiner der Götter,<br />

deinem Werke lässt sich keines vergleichen.<br />

Alle Völker, die du geschaffen hast,<br />

sie kommen und beten dich an,<br />

und sie preisen, o Herr, deinen Namen.<br />

Denn groß bist du und wirkst Wunder,<br />

du allein nur bist Gott.<br />

Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle<br />

in deiner Wahrheit;<br />

135 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

lenke mein Herz, deinen Namen zu fürchten.<br />

Herr, mein Gott, von ganzem Herzen will ich<br />

dich preisen,<br />

deinen Namen will ich rühmen in Ewigkeit.<br />

Denn groß ist gegen mich dein Erbarmen,<br />

meine Seele hast du entrissen<br />

dem Abgrund des Todes.<br />

O Gott, es erheben sich gegen mich Stolze,<br />

die Rotte der Mächtigen<br />

trachtet mir nach dem Leben,<br />

und keiner hat dich vor Augen.<br />

Du aber, Herr, mein Gott, du bist ein<br />

barmherziger und gnädiger Gott;<br />

zögernd im Zorn<br />

und reich an Güte und Treue.<br />

Blicke auf mich<br />

und schenke mir dein Erbarmen;<br />

gib Kraft deinem Knecht,<br />

hilf dem Sohn deiner Magd!<br />

Wirke an mir ein Zeichen zum Heil,<br />

und die mich hassen,<br />

sollen es sehen in Scham!<br />

Denn du, o Herr, du hast mir geholfen<br />

und hast mich getröstet.<br />

Psalm 87<br />

Von den Söhnen Korachs, ein Psalm, ein Lied.<br />

Es liebt der Herr seine Stadt,<br />

gegründet auf heiligen Bergen,<br />

Zions Tore mehr als alle Zelte in Jakob.<br />

Herrliches ist verkündet von dir,<br />

du Stadt Gottes!<br />

Rahab und Babel, ich werde sie zählen zu jenen,<br />

die mich verehren;<br />

Philister und Tyrer und Äthiopiens Volk,<br />

in ihr sind alle geboren.<br />

Und sagen wird man von Zion:<br />

Mann für Mann, in ihr sind alle geboren,<br />

er selber hat sie gegründet, der Höchste.<br />

In das Buch der Völker<br />

wird schreiben der Herr:<br />

In ihr sind alle geboren.<br />

Und im Reigentanze werden sie singen<br />

All meine Quellen, sie sind in dir.<br />

Psalm 88<br />

Ein Lied, ein Psalm von den Söhnen Korachs.<br />

Dem Chormeister, nach der Weise »Krankheit« zu singen.<br />

Ein Weisheitslied von Heman, dem Esrachiter.<br />

Herr, mein Gott, am Tag rufe<br />

ich dich,<br />

ich klage vor dir in der Nacht.<br />

Es dringe zu dir mein Gebet,<br />

neige dein Ohr meinem Flehen!<br />

Denn meine Seele ist gesättigt mit Leid,<br />

dem Totenreich ist nahe mein Leben.<br />

Ich werde zu denen gezählt,<br />

die fahren zur Grube,<br />

ich bin ein Mensch ohne Kraft.<br />

Mein Lager ist bereitet unter den Toten,<br />

gleich den Erschlagenen,<br />

die ruhen im Grab:<br />

deren du nicht mehr gedenkst,<br />

die keinen Teil mehr haben<br />

an deiner Sorge.<br />

Du warfst mich in die unterste Grube,<br />

in die Finsternis, in den Abgrund.<br />

Schwer lastet auf mir dein Unmut,<br />

all deine Wogen brechen herein über mich.<br />

Meine Freunde hältst du mir fern,<br />

du machst mich ihnen zum Gräuel;<br />

ein Gefangener bin ich<br />

und kann nicht entrinnen.<br />

Meine Augen dunkeln vor Elend,<br />

Herr, an allen Tagen rufe ich dich,<br />

nach dir breite ich aus meine Hände.<br />

Willst du Wunder tun an den Toten?<br />

Stehen die Schatten auf<br />

Ps 0,00–0,00<br />

136


Drittes Buch<br />

und künden dein Lob?<br />

Erzählt man im Grab von deiner Huld,<br />

von deiner Treue im Totenreich?<br />

Werden deine Wunder der Finsternis kund<br />

und dem Land der Vergessenheit<br />

deine Gerechtigkeit?<br />

Ich aber, Herr, ich rufe zu dir,<br />

am frühen Morgen<br />

kommt zu dir mein Gebet.<br />

Warum, o Herr, verstößt du meine Seele,<br />

warum verbirgst du vor mir dein Angesicht?<br />

Elend bin ich von Jugend auf<br />

und vom Tod bedroht,<br />

ich trug deine Schrecken und siechte hin.<br />

<strong>Die</strong> Glut deines Zornes<br />

ging hinweg über mich,<br />

vernichtet haben mich deine Schrecken.<br />

Sie umringen mich immerfort<br />

wie flutende Wasser,<br />

von allen Seiten bedrängen sie mich.<br />

Entfremdet hast du mir den Freund<br />

und Vertrauten,<br />

und nur das Dunkel ist mir vertraut.<br />

Psalm 89<br />

Ein Weisheitslied; von Etan, dem Esrachiter.<br />

Singen will ich in Ewigkeit<br />

von den Gnaden des Herrn,<br />

laut deine Treue verkünden<br />

durch alle Geschlechter.<br />

Du sprachst:<br />

Meine Gnade ist begründet auf ewig!<br />

Ja, wie der Himmel steht fest deine Treue.<br />

Ich habe einen Bund geschlossen<br />

mit meinem Erwählten,<br />

ich habe David, meinem Knecht, geschworen:<br />

Deinen Stamm will ich gründen für alle Zeit,<br />

ich mache fest deinen Thron<br />

für alle Geschlechter.<br />

<strong>Die</strong> Himmel preisen deine Wundertaten,<br />

o Herr,<br />

die Versammlung der Heiligen<br />

rühmt deine Treue.<br />

Denn wer in den Wolken ist wie der Herr,<br />

wer unter den Söhnen Gottes<br />

käme ihm gleich?<br />

Gewaltig ist Gott im Rat der Heiligen,<br />

groß und furchtbar über alle<br />

ringsum ihn her.<br />

Herr, Gott der himmlischen Heere,<br />

wer ist wie du?<br />

Mächtig bist du, o Herr,<br />

und dich umgibt deine Treue.<br />

Du gebietest der Brandung des Meeres,<br />

den Aufruhr seiner Wogen hältst du nieder.<br />

Rahab hast du durchbohrt und zertreten,<br />

deine Feinde zerstreut<br />

in der Kraft deines Armes.<br />

Dein sind die Himmel und dein ist die Erde,<br />

der Erdkreis mit all seiner Fülle –<br />

du hast ihn gegründet.<br />

Nord und Süd, du hast sie geschaffen,<br />

Tabor und Hermon jauchzen dir zu.<br />

In deinem Arm ist Macht,<br />

stark ist deine Hand,<br />

deine Rechte erhoben.<br />

Auf Recht und Gerechtigkeit<br />

ruht dein Thron,<br />

vor dir einher gehen Huld und Treue.<br />

Selig das Volk, das zu jubeln weiß;<br />

im Licht deines Angesichts, o Herr,<br />

dürfen sie wandeln.<br />

Sie freuen sich immerdar deines Namens,<br />

sie jauchzen ob deiner Gerechtigkeit.<br />

Denn du bist ihr Ruhm, du bist ihre Stärke,<br />

durch deine Huld<br />

hebt sich empor unsere Kraft.<br />

Denn dem Herrn gehört unser Schild,<br />

dem Heiligen Israels unser König.<br />

Vor Zeiten sprachst du im Gesicht,<br />

du sprachst:<br />

137 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Ich legte auf einen Starken die Krone;<br />

ich erhöhte ihn, den ich aus meinem Volk erkor.<br />

Ich habe David ersehen, meinen Knecht,<br />

mit heiligem Öl salbte ich ihn.<br />

Dass meine Hand ihm allzeit helfe<br />

und Kraft ihm verleihe mein Arm.<br />

Nicht soll ihn überlisten ein Gegner,<br />

kein Frevler soll ihn bezwingen.<br />

Nein, zerschmettern will ich vor ihm seine Feinde,<br />

und die ihn hassen, ich werde sie schlagen.<br />

Meine Treue und meine Gnade begleiten ihn,<br />

in meinem Namen hebt sich empor seine Kraft.<br />

Und ich lege seine Hand auf das Meer,<br />

auf die Ströme lege ich seine Rechte.<br />

Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du,<br />

mein Gott und der Fels meines Heiles.<br />

Ich aber, zum Erstgeborenen setze ich ihn ein,<br />

zum Höchsten über alle Herrscher der Erde.<br />

Auf ewig bewahre ich ihm meine Huld,<br />

unverbrüchlich ist ihm mein Bund.<br />

Sein Geschlecht will ich erhalten auf immerdar<br />

und seinen Thron wie die Tage des Himmels.<br />

Wenn seine Söhne aber mein Gesetz nicht mehr wahren<br />

und nicht mehr wandeln in meinen Geboten,<br />

wenn sie meine Ordnungen schänden<br />

und nicht beachten meine Befehle,<br />

dann strafe ich ihr Vergehen mit der Rute,<br />

mit Geißelschlägen all ihre Schuld.<br />

Doch nicht versagen werde ich ihm meine Huld,<br />

meine Treue ihm nicht verleugnen.<br />

Meinen Bund entweihe ich nicht<br />

und ändere nicht den Spruch meiner Lippen.<br />

So wahr ich heilig bin, ich habe es einmal geschworen,<br />

wahrlich, ich werde David nicht belügen:<br />

Sein Stamm soll währen in Ewigkeit,<br />

sein Thron soll vor mir sein wie die Sonne.<br />

Und wie der Mond, der währt auf immer.<br />

Der es bezeugt im Himmel, er ist getreu.<br />

Nun aber hast du verstoßen, hast du verworfen,<br />

deinem Gesalbten zürnst du schwer.<br />

Den Bund mit deinem Knecht hast du von dir getan,<br />

seine Krone erniedrigt bis in den Staub.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

138


Drittes Buch<br />

Eingerissen hast du all seine Mauern,<br />

seine Burgen in Schutt gelegt.<br />

Alle, die des Weges kamen, sie plünderten ihn,<br />

seinen Nachbarn diente er zum Spott.<br />

Du hast erhoben den Arm seiner Feinde,<br />

all seine Widersacher hast du mit Freude erfüllt.<br />

Seines Schwertes Scheide machtest du stumpf,<br />

nicht standest du im Kampf ihm bei.<br />

All seine Herrlichkeit machtest du schwinden<br />

und warfst seinen Thron auf die Erde.<br />

Verkürzt hast du ihm die Tage der Jugend<br />

und ihn überschüttet mit Schande.<br />

Wie lange noch, o Herr? Willst du dich verbergen auf immer?<br />

Soll brennen wie Feuer dein Zorn?<br />

Gedenke, wie mein Leben so kurz ist,<br />

wie vergänglich du schufst den Menschen!<br />

Wo wäre ein Lebender, der nicht schaute den Tod,<br />

der den Fängen der Unterwelt entzieht seine Seele?<br />

O Herr, wo sind deine Gnaden von ehedem,<br />

wie du David geschworen bei deiner Treue?<br />

Gedenke, o Herr, der Schmach deiner Knechte,<br />

allen Hass der Völker muss ich tragen in mir.<br />

Denn es verhöhnen uns, Herr, deine Feinde,<br />

sie verhöhnen die Fußspur deines Gesalbten.<br />

Der Herr sei gepriesen in Ewigkeit!<br />

Amen, amen, so sei es!<br />

139 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Viertes Buch<br />

Psalm 90<br />

Ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes.<br />

Herr, du warst uns Zuflucht<br />

von Geschlecht zu Geschlecht.<br />

Ehe sich hoben die Berge,<br />

ehe die Erde entstand und die Welt,<br />

von Ewigkeit bist du, o Gott,<br />

bis in Ewigkeit.<br />

Du lässt die Sterblichen wiederkehren zum Staub;<br />

du sprichst:<br />

Ihr Menschenkinder, kehret zurück!<br />

Denn tausend Jahre sind vor dir<br />

wie der gestrige Tag, der verging,<br />

nur einer Nachtwache gleich.<br />

Du nimmst sie jählings hinweg,<br />

so dass sie werden wie der Schlaf;<br />

am Morgen gleichen sie<br />

dem sprossenden Gras.<br />

Es kommt hervor in der Frühe und grünt,<br />

abgemäht ist es am Abend und welk.<br />

Wahrlich, vor deinem Zorn schwinden wir hin,<br />

durch deinen Grimm<br />

erstarren wir vor Schreck.<br />

Vor deine Augen stelltest du unsere Schuld,<br />

ins Licht deines Angesichts<br />

die verborgene Sünde.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

140


Viertes Buch<br />

All unsere Tage vergingen in deinem Zorn,<br />

wie einen Seufzer verlebten wir<br />

unsere Jahre.<br />

<strong>Die</strong> Fülle unserer Jahre ist siebzig,<br />

und ist Kraft uns beschieden,<br />

so kommen wir auf achtzig.<br />

<strong>Die</strong> meisten von ihnen sind Plage<br />

und vergebliche Mühe;<br />

rasch enteilen sie, im Fluge sind wir dahin.<br />

Wer kann wägen die Gewalt deines Zornes,<br />

wer ermisst in gebührender Furcht<br />

deinen Grimm?<br />

Lehre uns zählen unsere Tage,<br />

auf dass wir gelangen<br />

zur Weisheit des Herzens.<br />

Wende dich wieder zu uns, o Herr!<br />

Wie lange noch?<br />

Deinen Knechten sei gnädig!<br />

Erquicke uns bald mit deinem Erbarmen,<br />

so werden wir jubeln<br />

und froh sein all unsere Tage.<br />

Für die Tage, an denen du uns gezüchtigt,<br />

mache uns froh,<br />

für die Jahre, da wir Böses erfuhren.<br />

Dein Werk mache offenbar deinen Knechten<br />

und ihren Kindern mache kund<br />

deine Herrlichkeit.<br />

Und über uns sei die Güte Gottes,<br />

unseres Herrn.<br />

Und dem Werk unserer Hände<br />

gib deinen Segen,<br />

ja, segne das Werk unserer Hände!<br />

Psalm 91<br />

Der du wohnst im Schutz<br />

des Höchsten,<br />

im Schatten des Allmächtigen weilst:<br />

Sage zum Herrn:<br />

Du meine Burg, meine Zuflucht,<br />

mein Gott, auf den ich vertraue!<br />

Er ist es, der dich befreit<br />

aus der Schlinge des Jägers,<br />

dich rettet vor Verderben und Unheil.<br />

Mit seinen Flügeln beschirmt er dich,<br />

unter seinen Fittichen bist du geborgen,<br />

seine Treue ist dir ein schützender Schild.<br />

Du musst nicht fürchten<br />

das nächtliche Grauen,<br />

nicht am Tag den fliegenden Pfeil;<br />

nicht das Unheil, schleichend im Dunkel;<br />

nicht das Verderben,<br />

das hereinbricht am Mittag.<br />

Und fallen auch tausend an deiner Seite,<br />

zu deiner Rechten zehntausend:<br />

dich wird es nicht treffen.<br />

Mit eigenen Augen wirst du es schauen,<br />

an den Sündern wirst du sehen<br />

die Vergeltung.<br />

Deine Zuversicht ist ja der Herr,<br />

zum Schutz hast du erkoren den Höchsten.<br />

So wird dir begegnen kein Unheil,<br />

keine Plage wird nahen deinem Zelt.<br />

Denn er entbietet für dich seine Engel,<br />

dich zu behüten auf all deinen Wegen.<br />

Sie sollen auf den Händen dich tragen,<br />

dass nicht an einem Stein<br />

sich stoße dein Fuß.<br />

Du wirst gehen über Nattern und Schlangen,<br />

wirst niedertreten Löwen und Drachen.<br />

Er war mir treu, so will ich ihn retten;<br />

ich will ihn schützen,<br />

denn er kennt meinen Namen.<br />

Ruft er mich an, so höre ich ihn,<br />

in allen Nöten bin ich ihm nahe,<br />

ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren.<br />

Ich verleihe ihm die Fülle der Tage<br />

und lasse ihn schauen mein Heil.<br />

141 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 92<br />

Ein Psalm, ein Lied für den Sabbat.<br />

Gut ist es, zu preisen den Herrn,<br />

deinem Namen, o Höchster, zu singen,<br />

dein Erbarmen zu künden am Morgen<br />

und in der Nacht deine Treue,<br />

zur Zehnsaitenharfe und Leier,<br />

mit Gesängen und Saitenspiel.<br />

Denn dein Walten, o Herr,<br />

erfüllt mich mit Wonne,<br />

über das Werk deiner Hände frohlocke ich.<br />

Wie erhaben sind deine Werke, o Herr,<br />

wie unergründlich deine Gedanken!<br />

Der Unverständige kann es nicht fassen,<br />

nicht wird es erkennen der Tor.<br />

Mögen die Gottlosen gedeihen wie Gras,<br />

und glänzend dastehen, die Böses tun:<br />

Sie sind bestimmt zum Verderben auf immer.<br />

Du aber, Herr, in Ewigkeit bist du erhaben.<br />

Siehe, deine Feinde, o Herr, müssen vergehen,<br />

die Übeltäter alle werden zerstreut.<br />

Wie das Horn des Ur<br />

hast du erhöht meine Kraft,<br />

du hast mich gesalbt mit lauterstem Öl.<br />

Und mein Auge sieht herab auf die Feinde,<br />

frohe Kunde höre ich über die Bösen,<br />

die mich befehden.<br />

Der Gerechte blüht wie die Palme,<br />

wie die Zeder des Libanon wächst er empor.<br />

Sie sind gepflanzt im Hause des Herrn<br />

sie blühen in den Hallen unseres Gottes.<br />

Noch im Alter tragen sie Frucht,<br />

sind voll Saft und voll Leben:<br />

Um zu verkünden:<br />

Der Herr ist gerecht,<br />

er ist mein Fels,<br />

es ist kein Unrecht an ihm.<br />

Psalm 93<br />

Der Herr ist König,<br />

gekleidet in Hoheit;<br />

in Hoheit hat der Herr sich gekleidet,<br />

gegürtet mit Macht.<br />

Fest gegründet hat er den Erdkreis,<br />

dass er nicht wanke.<br />

Fest gegründet ist von Anfang dein Thron,<br />

du bist von Ewigkeit her.<br />

<strong>Die</strong> Wasser erheben, o Herr,<br />

die Wasser erheben ihr Rauschen,<br />

die Wasser erheben ihren donnernden Ruf.<br />

Gewaltiger als vieler Wasser Brausen,<br />

gewaltiger als die Brandung der Meere,<br />

allgewaltig in der Höhe ist Gott.<br />

Glaube gebührt, o Herr, deinem Wort,<br />

Heiligkeit deinem Haus auf immerdar.<br />

Psalm 94<br />

Herr, du Gott der Vergeltung,<br />

Gott der Vergeltung, erscheine!<br />

Erhebe dich, der du richtest die Erde,<br />

vergilt den Stolzen, was sie verdienen.<br />

Wie lange Herr, soll der Sünder,<br />

wie lange der Frevler noch prahlen?<br />

Wie lange sollen in frecher Rede noch<br />

schwatzen,<br />

wie lange sich brüsten, die Böses tun?<br />

Herr, sie zertreten dein Volk,<br />

sie bedrücken dein Erbe.<br />

Witwe und Fremdling morden sie<br />

und richten zugrunde die Waisen.<br />

Und sie sagen:<br />

Nicht sieht es der Herr,<br />

Jakobs Gott, er nimmt es nicht wahr!<br />

Kommt zur Einsicht, ihr Toren im Volk!<br />

Ihr Unverständigen, wann werdet ihr weise?<br />

Der das Ohr gemacht, er sollte nicht hören?<br />

Ps 0,00–0,00<br />

142


Viertes Buch<br />

Und der das Auge gebildet,<br />

er sollte nicht sehen?<br />

Er, der die Völker erzieht,<br />

er sollte nicht züchtigen?<br />

Er, der die Menschen Erkenntnis lehrt?<br />

Der Herr durchschaut<br />

der Menschen Gedanken,<br />

er weiß, wie nichtig sie sind.<br />

Selig der Mann, den du lehrst, o Herr,<br />

den du erziehst in deinem Gesetz.<br />

Dass du Ruhe ihm schaffst vor bösen Tagen,<br />

indes die Grube wird gegraben dem Frevler.<br />

Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen,<br />

er wird nicht verlassen sein Erbe.<br />

Denn zu Gerechtigkeit<br />

kehrt zurück das Gericht;<br />

alle, die redlichen Herzens sind,<br />

werden ihr folgen.<br />

Wer steht auf für mich gegen die Bösen,<br />

gegen die Frevler, wer wird mir helfen?<br />

Würde mir nicht helfen der Herr,<br />

bald würde meine Seele wohnen<br />

am Ort des Schweigens.<br />

Und denke ich:<br />

Schon wankt mein Fuß! –<br />

dann stützt mich, Herr, deine Huld.<br />

Wenn im Herzen sich mehrt die Not,<br />

dann erfreut dein Trost meine Seele.<br />

Ihr aber,<br />

steht ihr im Bund mit dem Sitz der Bosheit,<br />

der Qualen schafft unter dem Schein<br />

des Gesetzes?<br />

Mögen sie auf die Seele des Gerechten<br />

sich stürzen<br />

und verdammen unschuldiges Blut.<br />

Wahrlich, der Herr wird mir sein eine Feste,<br />

der Fels meiner Zuflucht ist Gott.<br />

Und ihr Unrecht wird er ihnen vergelten,<br />

er wird sie verderben<br />

durch ihre eigene Bosheit;<br />

ja, verderben wird sie der Herr,<br />

unser Gott.<br />

Psalm 95<br />

Kommt, lasst uns zujubeln<br />

dem Herrn!<br />

Jauchzet ihm zu, dem Fels unseres Heiles!<br />

Vor sein Angesicht tretet mit Lobgesang,<br />

jubelt ihm laut mit Psalmen!<br />

Denn ein großer Gott ist der Herr,<br />

ein König, erhaben über alle die Götter.<br />

In seiner Hand sind die Tiefen der Erde,<br />

die Gipfel der Berge sind sein.<br />

Sein ist das Meer, er hat es gemacht;<br />

sein ist das Land,<br />

von seinen Händen gebildet.<br />

Kommt, fallt nieder und betet ihn an!<br />

Beugt die Knie vor unserem Schöpfer,<br />

dem Herrn!<br />

Denn er ist der Herr, unser Gott,<br />

wir aber sind das Volk seiner Weide,<br />

die Herde an seiner Hand.<br />

O dass ihr heute seine Stimme doch hört!<br />

Macht euere Herzen nicht hart<br />

wie vor dem zu Meriba,<br />

wie in der Wüste am Tage von Massa!<br />

Dort versuchten mich euere Väter;<br />

sie verlangten die Probe von mir,<br />

und hatten doch geschaut meine Werke.<br />

Vierzig Jahre war mir zum Überdruss<br />

dieses Geschlecht;<br />

ich sprach:<br />

Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen,<br />

nicht kennen sie meine Wege.<br />

So habe ich geschworen in meinem Zorn:<br />

Nimmer sollen sie kommen<br />

in das Land der Ruhe!<br />

143 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 96<br />

Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />

singt dem Herrn, alle Lande!<br />

Singt dem Herrn und preist seinen Namen,<br />

von Tag zu Tag verkündet sein Heil.<br />

Seine Herrlichkeit kündet unter den Völkern,<br />

seine Wunderwerke vor allen Nationen.<br />

Denn groß ist der Herr<br />

und würdig des Lobes,<br />

mehr zu fürchten als alle die Götter.<br />

Nichtig sind alle Götter der Völker,<br />

der Herr aber hat erschaffen die Himmel.<br />

Vor ihm einher gehen Hoheit und Würde,<br />

Macht und Glanz umstehen seinen<br />

heiligen Thron.<br />

Weiht dem Herrn, ihr Stämme der Völker,<br />

weiht dem Herrn Ehre und Macht!<br />

Ehre weiht dem Herrn,<br />

die seinem Namen gebührt!<br />

Weiht ihm Opfer,<br />

tretet ein in die Hallen des Herrn!<br />

In heiligem Schmuck betet ihn an!<br />

Erbebt vor ihm, alle Lande;<br />

kündet den Völkern: König ist der Herr!<br />

Festgegründet hat er den Erdkreis,<br />

dass er nicht wanke,<br />

nach gleichem Recht regiert er die Völker.<br />

Es freue sich der Himmel,<br />

es jauchze die Erde,<br />

das Meer stimme ein und alles,<br />

was es erfüllt.<br />

Mit allem, was blüht, frohlocke die Flur.<br />

Dann freuen sich vor dem Herrn<br />

die Bäume des Waldes,<br />

denn siehe, er kommt;<br />

er kommt, zu regieren die Erde.<br />

Regieren wird er den Erdkreis nach Recht,<br />

die Völker nach seiner Treue.<br />

Psalm 97<br />

Der Herr ist König,<br />

es jauchze die Erde,<br />

die vielen Inseln mögen sich freuen.<br />

Wolken und Wetterdunkel um ihn,<br />

Recht und Gerechtigkeit<br />

sind das Fundament seines Thrones.<br />

Feuer geht vor ihm her,<br />

und verzehrt seine Feinde ringsum.<br />

Seine Blitze erhellen den Erdkreis,<br />

die Erde schaut es und sie erbebt.<br />

Wie Wachs zerfließen die Berge<br />

vor dem Antlitz des Herrn,<br />

vor dem Antlitz des Herrn aller Welt.<br />

Es künden die Himmel seine Gerechtigkeit,<br />

seine Herrlichkeit schauen die Völker.<br />

Zuschanden werden,<br />

die ihre Knie beugen vor Bildern,<br />

die sich rühmen der Götzen;<br />

nieder fallen alle Götter vor ihm.<br />

Zion hört es und freut sich,<br />

es jauchzen die Städte von Juda,<br />

sie jubeln, o Herr,<br />

über deine Rechtssprüche.<br />

Denn du, o Herr,<br />

bist der Höchste über alle Welt,<br />

hoch erhaben über alle Götter.<br />

Es liebt der Herr, die hassen das Böse,<br />

die Seelen seiner Heiligen hütet er wohl,<br />

er rettet sie aus den Händen der Frevler.<br />

Licht erstrahlt dem Gerechten,<br />

Freude wird zuteil den redlichen Herzen.<br />

So freut euch, ihr Gerechten, im Herrn<br />

und rühmt seinen heiligen Namen!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

144


Viertes Buch<br />

Psalm 98<br />

Ein Psalm.<br />

Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />

denn Wunderbares hat er getan.<br />

Seine Rechte errang ihm den Sieg,<br />

ja Sieg errang ihm sein heiliger Arm!<br />

Kundgetan hat der Herr sein Heil,<br />

seine Gerechtigkeit enthüllt<br />

vor den Augen der Völker.<br />

Er gedachte seiner Güte und Treue,<br />

seiner Huld gegenüber Israels Haus.<br />

Alle Enden der Erde,<br />

sie haben das Heil unseres Gottes geschaut.<br />

Jubelt dem Herrn, alle Lande!<br />

Freut euch, seid fröhlich und singt!<br />

Lobsingt dem Herrn zum Saitenspiel,<br />

Psalter ertöne und Harfe!<br />

Mit dem Hall der Posaunen und Hörner<br />

jubelt vor ihm, dem König und Herrn!<br />

Seine Stimme erhebe das Meer und alles,<br />

was es erfüllt,<br />

der Erdkreis und die ihn bewohnen.<br />

Klatscht in die Hände, ihr Ströme,<br />

ihr Berge, stimmt ein in den Jubel!<br />

Im Angesicht des Herrn, wenn er kommt,<br />

die Erde zu richten.<br />

Er richtet den Erdkreis gerecht<br />

und die Völker nach Gerechtigkeit.<br />

Psalm 99<br />

Der Herr ist König, es zittern<br />

die Völker.<br />

Er thront über den Kerubim,<br />

die Erde erbebt.<br />

Groß ist der Herr auf Zion,<br />

erhaben über alle die Völker.<br />

Sie sollen preisen deinen großen<br />

und furchtbaren Namen;<br />

denn er ist heilig.<br />

Des Königs Macht ist, dass er das Recht liebt.<br />

Du bist es, der begründet, was recht ist;<br />

du schaffst in Jakob Recht und Gerechtigkeit.<br />

Erhebt den Herrn, unseren Gott,<br />

vor dem Schemel seiner Füße beugt die Knie,<br />

denn er ist heilig.<br />

Mose und Aaron aus der Schar seiner Priester,<br />

und Samuel aus jenen,<br />

die seinen Namen bekannten:<br />

sie riefen zum Herrn und er erhörte sie.<br />

Aus der Wolkensäule sprach er zu ihnen,<br />

sie hörten auf seine Befehle<br />

und die Satzung, die er ihnen verlieh.<br />

Herr, unser Gott, du hast sie erhört,<br />

o Gott, du warst ihnen gnädig,<br />

streng aber hast du gestraft ihre Sünde.<br />

Erhebt den Herrn, unseren Gott,<br />

fallt nieder an seinem heiligen Berg;<br />

denn der Herr, unser Gott, ist heilig.<br />

Psalm 100<br />

Ein Psalm zur Danksagung.<br />

Jubelt dem Herrn, alle Lande,<br />

in Freuden dient dem Herrn,<br />

vor sein Angesicht kommt mit Jauchzen!<br />

Wisst: Der Herr ist Gott.<br />

Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigen:<br />

sein Volk sind wir,<br />

die Herde auf seiner Weide.<br />

Tretet ein durch seine Tore<br />

mit Liedern des Dankes,<br />

in seine Hallen mit Lobgesang,<br />

verherrlicht ihn und preist seinen Namen!<br />

Der Herr ist gütig,<br />

sein Erbarmen währet in Ewigkeit,<br />

von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue.<br />

145 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 101<br />

Ein Psalm von David.<br />

Singen will ich von Gnade<br />

und Gerechtigkeit,<br />

auf der Harfe will ich dir spielen, o Gott.<br />

Einhergehen will ich auf schuldlosem Wege;<br />

wann wirst du kommen zu mir?<br />

Ich will wandeln in der Reinheit des Herzens<br />

in meinem Hause.<br />

Nicht stelle ich mir vor Augen,<br />

eine Sache, die Sünde ist.<br />

Wer Böses verübt, den hasse ich,<br />

nicht habe ich Gemeinschaft mit ihm.<br />

Ein ruchloses Herz sei mir fern;<br />

was böse ist, will ich nicht kennen.<br />

Wer insgeheim seinen Nächsten verleumdet,<br />

den will ich vernichten.<br />

Wer stolzen Blickes ist<br />

und aufgeblasenen Sinnes,<br />

ich will ihn nicht dulden.<br />

Meine Augen suchen im Land die Getreuen,<br />

sie sollen wohnen bei mir.<br />

Wer wandelt auf rechtem Weg,<br />

der soll mir dienen.<br />

Nicht darf im Hause mir wohnen,<br />

der übet Betrug.<br />

Und wer lügnerisch redet,<br />

vor meinen Augen soll er nimmer bestehen.<br />

Morgen für Morgen vernichte ich alle Frevler<br />

im Land,<br />

und banne aus der Stadt meines Herrn<br />

alle die Bösen.<br />

Psalm 102<br />

Gebet eines Bedrückten, der in seiner Not dem Herrn<br />

sein Leid klagen will.<br />

Erhöre, Herr, mein Gebet,<br />

mein Rufen komme zu dir.<br />

Nicht verhülle vor mir dein Angesicht<br />

am Tag meiner Bedrängnis.<br />

Neige zu mir dein Ohr;<br />

wenn ich rufe zu dir, erhöre mich bald.<br />

Denn meine Tage entschwinden wie Rauch,<br />

in meinen Gliedern brennt es wie Feuer.<br />

Versengt wie das Gras<br />

und verdorrt ist mein Herz;<br />

ich vergaß, zu essen mein Brot.<br />

Ich zehre mich auf in Seufzen,<br />

es haftet an der Haut mein Gebein.<br />

Ich gleiche der Dohle in der Wüste,<br />

bin geworden wie im Gemäuer die Eule.<br />

Ich finde keinen Schlaf und ich klage<br />

wie auf dem Dach der verlassene Vogel.<br />

Immerfort höhnen mich meine Feinde;<br />

im Mund meiner Hasser<br />

wurde mein Name zum Fluch.<br />

Denn ich esse mein Brot wie Asche,<br />

und mein Trank vermischt sich mit Tränen<br />

vor deinem grimmigen Zorn;<br />

denn du hast mich erhöht,<br />

nun aber wirfst du mich nieder.<br />

Meine Tage sind wie wachsende Schatten,<br />

und ich verdorre wie Gras.<br />

Du aber, Herr, bleibst in Ewigkeit,<br />

und dein Name währt<br />

durch alle Geschlechter.<br />

Du wirst dich erheben<br />

und über Zion erbarmen,<br />

denn gekommen ist die Zeit,<br />

dass du dich seiner erbarmst;<br />

schon ist die Stunde gekommen.<br />

Zions Steine sind deinen Knechten teuer,<br />

über seine Trümmer erheben sie Klage.<br />

Dann werden die Völker deinen Namen<br />

fürchten, o Herr,<br />

und alle Könige der Erde<br />

vor deiner Hoheit sich neigen.<br />

Wenn der Herr von neuem Zion erbaut,<br />

wenn er in Herrlichkeit wird erscheinen;<br />

wenn er sich zukehrt dem Ruf der Armen<br />

Ps 0,00–0,00<br />

146


Viertes Buch<br />

und nicht mehr verwirft ihr Gebet.<br />

Aufgeschrieben werde dies für das neue<br />

Geschlecht,<br />

und das Volk, das erschaffen wird,<br />

lobsinge dem Herrn.<br />

Denn herabgeschaut hat der Herr von seinem<br />

erhabenen Heiligtum,<br />

auf die Erde blickt er nieder vom Himmel,<br />

dass er höre der Gefangenen Stöhnen,<br />

dass er befreie, die dem Tod geweiht,<br />

dass der Name des Herrn<br />

verkündet werde auf Zion,<br />

sein Ruhm in Jerusalem,<br />

wenn dort sich versammeln die Völker<br />

und die Reiche,<br />

auf dass sie dienen dem Herrn.<br />

Auf dem Weg schon hat er aufgezehrt<br />

meine Kraft,<br />

er schnitt mir ab meine Tage.<br />

Ich sage:<br />

Nicht raffe mich weg aus der Mitte meiner<br />

Tage, o Gott,<br />

du, dessen Jahre überdauern<br />

alle Geschlechter.<br />

Im Anbeginn erschufst du die Erde,<br />

und der Himmel ist das Werk deiner Hände.<br />

Jene werden vergehen, du aber bleibst;<br />

wie ein Gewand veralten sie alle.<br />

Du wechselst sie wie ein Kleid,<br />

und sie wandeln sich.<br />

Du aber bist derselbe,<br />

und deine Jahre haben kein Ende.<br />

<strong>Die</strong> Kinder deiner Knechte werden wohnen<br />

in Sicherheit,<br />

und ihr Stamm wird bleiben vor dir<br />

auf immer.<br />

Psalm 103<br />

Von David.<br />

Preise, meine Seele, den Herrn!<br />

Alles in mir<br />

lobpreise seinen heiligen Namen!<br />

Preise, meine Seele, den Herrn<br />

und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!<br />

Er vergibt dir all deine Schuld,<br />

alle Gebrechen will er dir heilen.<br />

Dein Leben erlöst er vom Untergang,<br />

er krönt dich mit Huld und Erbarmen.<br />

Dein Leben erfüllt er mit Gütern,<br />

wie dem Adler wird deine Jugend dir neu.<br />

Werke der Gerechtigkeit vollbringt der Herr,<br />

den Unterdrückten schafft er Recht.<br />

Kundgetan dem Mose hat er seine Wege,<br />

Israels Kindern sein Walten.<br />

Der Herr ist barmherzig und gnädig,<br />

zögernd im Zorn und reich an Erbarmen.<br />

Er hadert nicht immer,<br />

nicht ewig währt sein Zürnen.<br />

Nicht handelt er an uns nach unseren Sünden,<br />

und nach den Missetaten vergilt er uns nicht.<br />

Denn so hoch der Himmel über der Erde,<br />

so groß ist seine Barmherzigkeit<br />

gegen die Frommen.<br />

So weit der Aufgang vom Niedergang,<br />

so weit entfernt er von uns die Schuld.<br />

Gleich wie ein Vater sich erbarmt der Kinder,<br />

so erbarmt sich der Herr aller,<br />

die ihn fürchten.<br />

Weiß er doch, welch ein Gebilde wir sind;<br />

er weiß, wir entstammen dem Staub.<br />

Des Menschen Tage gleichen dem Gras,<br />

er blüht wie die Blume des Feldes.<br />

Ein Hauch des Windes, schon ist sie dahin,<br />

und der Ort, wo sie stand hat sie vergessen.<br />

Doch immer und ewig währt die Huld<br />

des Herrn über denen, die ihn fürchten,<br />

und sein Heil über Kindeskindern.<br />

Mit jenen, die seinem Bund getreu,<br />

147 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

die bedacht sind, zu handeln<br />

nach seinen Geboten.<br />

Seinen Thron hat der Herr bereitet<br />

im Himmel,<br />

seine Königsmacht gebietet dem Weltall.<br />

Preist den Herrn, all seine Engel,<br />

ihr Gewaltigen,<br />

die ihr vollführt seine Befehle,<br />

gehorsam seinem gebietenden Wort.<br />

Preist den Herrn, alle himmlischen Heere,<br />

ihr, seine <strong>Die</strong>ner,<br />

die ihr vollführt seinen Willen!<br />

Preist den Herrn, all seine Werke,<br />

an jedem Ort seiner Herrschaft!<br />

Du, meine Seele, preise den Herrn!<br />

Psalm 104<br />

Preise, meine Seele, den Herrn,<br />

Herr, mein Gott, wie bist du überaus groß!<br />

Gekleidet bist du in Hoheit und Würde,<br />

wie ein Mantel umhüllt dich das Licht.<br />

Den Himmel hast du ausgespannt wie ein Zelt,<br />

deine Wohnung errichtet über den Wassern.<br />

<strong>Die</strong> Wolken machst du dir zum Wagen,<br />

auf Sturmesflügeln fährst du dahin.<br />

Zu deinen Boten bestellst du die Winde,<br />

zu deinen <strong>Die</strong>nern das zündende Feuer.<br />

Fest gegründet auf Pfeiler hast du die Erde,<br />

in alle Zeiten wird sie nicht wanken.<br />

Du hast sie umhüllt mit dem Kleid der Fluten,<br />

über den Bergen standen die Wasser.<br />

Sie wichen zurück<br />

vor deinem drohenden Wort,<br />

erbebten vor deiner donnernden Stimme.<br />

<strong>Die</strong> Berge hoben sich,<br />

die Täler senkten sich nieder,<br />

an die Stätte, die du ihnen geschaffen hast.<br />

Eine Grenze hast du gezogen den Wassern,<br />

nicht dürfen sie die überschreiten,<br />

nicht überfluten die Erde.<br />

Du bist es, der die Quellen ergießt in die Bäche,<br />

durch die Berge rauschen sie hin.<br />

Zu trinken geben sie allen Tieren des Feldes,<br />

die Wildesel der Steppe stillen aus<br />

ihnen den Durst.<br />

Es wohnen an den Ufern<br />

die Vögel des Himmels,<br />

aus den Zweigen tönt ihr Gesang.<br />

Du tränkst aus deinen Kammern die Berge,<br />

von der Frucht deiner Werke<br />

wird gesättigt das Land.<br />

Gras lässt du sprossen dem Vieh,<br />

Gewächse, dass sie dienen dem Menschen,<br />

dass er gewinne aus dem Boden das Brot<br />

und Wein, der das Herz ihm erfreut,<br />

er salbe sein Antlitz mit Öl,<br />

dass erstarke des Menschen Herz<br />

durch das Brot.<br />

Auch die Bäume des Herrn,<br />

sie trinken sich satt,<br />

die Zedern des Libanon, die er gepflanzt.<br />

Dort bauen ihre Nester die Vögel,<br />

auf der Zypresse horsten die Störche.<br />

Dem Steinbock gehören die Höhen der Berge,<br />

der Klippendachs ist geborgen<br />

in Felsenklüften.<br />

Du bist es, der geschaffen den Mond,<br />

dass er messe die Zeiten,<br />

die Sonne weiß ihren Untergang.<br />

Du rufst die Finsternis<br />

und die Nacht bricht an,<br />

dann streifen umher die Tiere des Waldes.<br />

Nach Beute brüllen die Jungen des Löwen,<br />

sie fordern vom Herrn ihre Nahrung.<br />

Da erhebt sich die Sonne<br />

und sie weichen zurück<br />

und bergen sich in den Höhlen.<br />

Der Mensch geht aus, zu schaffen sein Werk,<br />

seine Arbeit bis an den Abend.<br />

Wie vielgestaltig sind deine Werke, o Herr!<br />

Alles hast du geschaffen in Weisheit,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

148


Viertes Buch<br />

erfüllt ist die Erde von deinen Geschöpfen.<br />

Siehe, groß und weithin gebreitet ist das Meer,<br />

ohne Zahl ist in ihm<br />

das Gewimmel der Wesen,<br />

kleines und großes Getier.<br />

Dort ziehen Schiffe einher;<br />

dort zieht der Leviatan, den du geschaffen,<br />

im Meer sich zu tummeln.<br />

Alle Wesen warten auf dich,<br />

dass du Speise ihnen gibst zur rechten Zeit.<br />

Du spendest ihnen und sie sammeln es ein,<br />

du öffnest deine Hand<br />

und sie werden gesättigt mit Gutem.<br />

Verbirgst du dein Angesicht,<br />

so vergehen sie in Furcht;<br />

nimmst du ihnen den Atem,<br />

so schwinden sie hin<br />

und sinken zurück in den Staub.<br />

Du sendest aus deinen Hauch<br />

und sie werden geschaffen,<br />

und das Angesicht der Erde machst du neu.<br />

Dem Herrn sei Ehre in Ewigkeit,<br />

es freue sich der Herr seiner Werke.<br />

Er, der hinblickt zur Erde, und sie erbebt,<br />

der die Berge berührt, und sie rauchen.<br />

Dem Herrn will ich singen mein Leben lang,<br />

will ihn preisen mit Psalmen,<br />

solange ich bin.<br />

Möge ihm gefallen mein Lied;<br />

ich aber will mich freuen im Herrn.<br />

Dass doch schwinden von der Erde die Sünder,<br />

nicht mehr sollen Gottlose sein!<br />

Preise, meine Seele, den Herrn!<br />

Halleluja!<br />

Psalm 105<br />

Preist den Herrn, ruft aus<br />

seinen Namen,<br />

macht kund seine Werke unter den Völkern!<br />

Singt ihm, spielt ihm,<br />

erzählt all seine Wunder!<br />

Rühmt euch in seinem heiligen Namen!<br />

<strong>Die</strong> suchen den Herrn,<br />

ihre Herzen sollen sich freuen!<br />

Schaut auf den Herrn<br />

und schaut seine Macht,<br />

sein Angesicht sucht allezeit.<br />

Denkt an die Wunder, die er vollbrachte,<br />

an seine Zeichen<br />

und den Spruch seines Mundes,<br />

ihr Söhne Abrahams, seines Knechtes,<br />

ihr Söhne Jakobs, seines Erwählten!<br />

Er ist der Herr, unser Gott,<br />

gültig in aller Welt sind seine Urteile.<br />

Er gedenkt seines Bundes auf ewig,<br />

seiner Verheißung, gewährt für tausend<br />

Geschlechter,<br />

des Bundes, den er geschlossen mit Abraham,<br />

des Eides, den er Isaak schwur.<br />

Den er setzte für Jakob als festen Beschluss,<br />

zu ewigem Bündnis für Israel.<br />

Und er sprach:<br />

Dir gebe ich Kanaan<br />

zu deinem Anteil und Erbe.<br />

Als sie gering noch an Zahl,<br />

wenige nur und Gäste im Land,<br />

als sie zogen von Stamm zu Stamm,<br />

von einem Volk zum anderen Volk,<br />

da ließ er nicht zu, dass sie einer bedrücke,<br />

um ihretwillen strafte er Könige:<br />

Meine Gesalbten rührt nicht an,<br />

tut nicht Böses meinen Propheten!<br />

Und er rief den Hunger über das Land,<br />

jeden Brotstab zerbrach er ihnen.<br />

Er sandte ihnen voraus einen Mann:<br />

Josef, der verkauft wurde als Sklave.<br />

Sie legten seine Füße in Fesseln,<br />

sie zwängten seinen Hals in eiserne Haft,<br />

bis erfüllt war, was er vorausgesagt,<br />

bis das Wort des Herrn ihn bezeugte.<br />

Der König sandte, ihm zu lösen die Fesseln,<br />

149 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

der Fürst der Völker, er machte ihn frei.<br />

Zum Herrn setzte ihn dieser über sein Haus,<br />

zum Höchsten über all seine Güter.<br />

Er leite nach seinem Willen die Edlen,<br />

und seine Ältesten lehre er Weisheit.<br />

Danach zog Israel nach Ägypten,<br />

ein Gast war Jakob im Land des Ham.<br />

Und gewaltig mehrte der Herr sein Volk,<br />

machte es stärker als seine Bedränger.<br />

Er verkehrte ihr Herz, sein Volk zu hassen,<br />

Arglist zu üben an seinen Knechten.<br />

Nun sandte er Mose, seinen Knecht,<br />

und sandte Aaron, den er erkoren.<br />

Sie wirkten seine Zeichen vor ihnen,<br />

große Wunder im Lande des Ham.<br />

Finsternis sandte er, Finsternis brach herein,<br />

sie aber widerstanden seinen Befehlen.<br />

Er wandelte ihre Gewässer in Blut,<br />

ihre Fische ließ er sterben.<br />

Von Fröschen ließ er wimmeln ihr Land<br />

bis hinein in die Gemächer des Königs.<br />

Er sprach und es kamen Schwärme von Fliegen,<br />

stechende Mücken über all ihre Grenzen.<br />

Hagel gab er ihnen statt Regen,<br />

verzehrendes Feuer fiel auf ihr Land.<br />

Und er schlug ihnen Rebe und Feige,<br />

in allen Marken zerbrach er die Bäume.<br />

Er sprach und die Heuschrecke kam,<br />

und zahllos die gefräßige Grille.<br />

Und sie fraßen alles, was grün im Land,<br />

sie fraßen die Frucht ihrer Äcker.<br />

Und er schlug im Land alle Erstgeburt,<br />

die Erstlinge all ihrer Manneskraft.<br />

Und er führte sie heraus mit Silber und Gold,<br />

es war kein Siecher in ihren Stämmen.<br />

Ihres Auszuges waren froh die Ägypter;<br />

denn es hatte Furcht sie befallen vor ihnen.<br />

Eine Wolke spannte er aus, sie zu decken,<br />

Feuerschein gab er, zu erleuchten die Nacht.<br />

Sie begehrten, da führte er Wachteln herbei<br />

und er machte sie satt mit dem Brot<br />

vom Himmel.<br />

Auf tat er den Felsen, da rauschte das Wasser<br />

und ging als ein Strom durch die Steppe.<br />

Denn er gedachte seines heiligen Wortes,<br />

das er Abraham gab, seinem Knecht.<br />

Und er führte sein Volk heraus unter Jubel,<br />

seine Auserwählten unter Frohlocken.<br />

Und gab ihnen die Länder der Heiden,<br />

und sie nahmen sich die Schätze der Völker,<br />

auf dass sie hielten seine Gesetze<br />

und achteten sein Gebot.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 106<br />

Preist den Herrn,<br />

denn er ist gut;<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Wer mag erzählen die mächtigen Taten<br />

des Herrn,<br />

wer mag künden all seinen Ruhm?<br />

Selig, die handeln nach seinen Geboten,<br />

Gerechtigkeit üben zu aller Zeit.<br />

Gedenke meiner, o Herr, gedenke in Liebe<br />

deines Volkes,<br />

mit deiner Hilfe suche mich auf,<br />

dass ich mich labe am Glück deiner Erwählten,<br />

an deines Volkes Freude mich freue,<br />

mich rühmen darf samt deinem Erbe.<br />

Wir haben gesündigt wie unsere Väter,<br />

wir haben Unrecht getan<br />

und haben gefrevelt.<br />

Unsere Väter im Land Ägypten,<br />

sie achteten nicht deiner Wunder;<br />

sie gedachten nicht der Fülle deiner<br />

Erbarmungen,<br />

am Schilfmeer wurden sie Empörer gegen<br />

den Höchsten.<br />

Doch um seines Namens willen befreite er sie,<br />

um kundzutun seine Macht.<br />

Er drohte dem Schilfmeer, da wurde es trocken,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

150


Viertes Buch<br />

und er führte sie durch die Fluten<br />

wie durch die Steppe.<br />

Er rettete sie aus des Hassers Gewalt<br />

und erlöste sie aus den Händen der Feinde.<br />

Und die Wasser deckten zu ihre Gegner,<br />

nicht einer davon blieb am Leben.<br />

Da glaubten sie seinen Worten<br />

und sie sangen sein Lob.<br />

Doch bald vergaßen sie wieder, was er getan,<br />

seinem Rate wollten sie nicht mehr<br />

vertrauen.<br />

In der Wüste folgten sie ihrer Begierde,<br />

im öden Land versuchten sie Gott.<br />

Da gab er ihnen, was sie begehrten,<br />

doch schaffte er ihnen Überdruss und Ekel.<br />

Sie wurden im Lager eifersüchtig auf Mose<br />

und eiferten gegen Aaron,<br />

den Geweihten des Herrn.<br />

Da öffnete sich die Erde<br />

und sie verschlang den Datan<br />

und sie begrub die Rotte Abirams.<br />

Und gegen ihre Scharen<br />

brach ein Feuer hervor,<br />

die Flamme verzehrte die Frevler.<br />

Am Horeb schufen sie sich ein Kalb,<br />

warfen sich nieder vor dem Bildwerk,<br />

das sie gegossen aus Gold.<br />

Und sie vertauschten den allherrlichen Gott<br />

gegen das Bild des Stiers,<br />

der sich nährt von Gras.<br />

Gott vergaßen sie, der sie errettet hat,<br />

der große Zeichen gewirkt hat in Ägypten:<br />

Wunderbares im Land des Ham,<br />

furchterregende Zeichen am Schilfmeer.<br />

Schon gedachte der Herr,<br />

sie ganz zu verderben,<br />

wäre nicht Mose gewesen, sein Erwählter.<br />

Der trat vor ihn hin, seinen Zorn abzuwenden,<br />

auf dass er sie nicht verderbe.<br />

Und sie verschmähten das gepriesene Land,<br />

seiner Verheißung trauten sie nicht.<br />

Es erhob sich in ihren Zelten ein Murren,<br />

und sie hörten nicht auf die Stimme<br />

des Herrn.<br />

Da schwur er ihnen mit erhobener Hand,<br />

sie niederzustrecken in der Wüste,<br />

ihr Geschlecht zu zerstreuen unter die Völker,<br />

weithin sie zu zersprengen über die Lande.<br />

Und sie ergaben sich dem Baal-Pegor<br />

und aßen von den Opfern für leblose Götzen.<br />

Mit ihren Freveltaten riefen sie hervor<br />

seinen Zorn,<br />

und schweres Unheil kam über sie.<br />

Da stand Pinhas auf und übte Gericht;<br />

und Einhalt war geboten dem Unheil.<br />

Und es wurde ihm angerechnet als<br />

Gerechtigkeit<br />

für alle Geschlechter auf immer.<br />

Und wieder erzürnten sie ihn<br />

bei den Wassern von Meriba,<br />

ihretwegen musste es Mose entgelten.<br />

Denn erbittert hatten sie sein Gemüt,<br />

und unbedacht kam es ihm von den Lippen.<br />

Nicht trieben sie aus dem Lande die Völker,<br />

wie es geboten der Herr.<br />

Sie ließen sich ein mit den Heiden,<br />

ihr Treiben nahmen sie an.<br />

Sie dienten nun ihren Götzen,<br />

die wurden ihnen zur Falle.<br />

Zum Opfer brachten sie dar ihre Söhne,<br />

ihre Töchter gaben sie hin den Dämonen.<br />

Und vergossen unschuldiges Blut,<br />

das Blut ihrer Söhne und Töchter,<br />

das zum Opfer sie brachten<br />

den Götzen von Kanaan.<br />

So wurde mit Blut besudelt ihr Land,<br />

durch ihre Werke entweihten sie sich<br />

und wurden der Untreue schuldig<br />

durch ihre Frevel.<br />

Da entbrannte gegen sein Volk<br />

der Zorn des Herrn,<br />

zum Abscheu wurde ihm sein Erbe.<br />

In die Hand der Völker ließ er sie fallen,<br />

und es herrschten über sie ihre Hasser.<br />

151 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Und ihre Feinde bedrückten sie,<br />

ihre Fäuste zwangen sie nieder.<br />

Oftmals hat er sie wieder errettet,<br />

sie aber reizten ihn durch ihre Pläne<br />

und sanken hin für ihre Vergehen.<br />

Doch wieder schaute er hin auf ihre Bedrängnis,<br />

sobald er ihr Flehen vernommen,<br />

und gedachte seines Bundes und war ihnen gnädig,<br />

und er wandte seinen Sinn aus großem Erbarmen.<br />

Und Erbarmen ließ er sie finden bei allen,<br />

die sie fortgeführt hatten in Gefangenschaft.<br />

Rette uns, Herr, unser Gott,<br />

und führe uns heim aus den Völkern,<br />

auf dass wir preisen deinen heiligen Namen,<br />

in deinem Lob uns rühmen.<br />

Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, immer und ewig.<br />

Und alles Volk soll sprechen:<br />

Amen, so sei es!<br />

Halleluja!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

152


Viertes Buch<br />

Fünftes Buch<br />

Psalm 107<br />

Preist den Herrn, denn er ist gut,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

So sollen sprechen die Erlösten des Herrn,<br />

die er befreit aus den Händen<br />

des Feindes,<br />

die er zusammengeführt aus den Landen,<br />

von Aufgang und Niedergang,<br />

von Nord und vom Süd.<br />

Im öden Land irrten sie umher, in der Wüste,<br />

nicht fanden sie den Weg<br />

zu wohnlicher Stätte.<br />

Sie litten Hunger und Durst,<br />

ihr Leben war am Erlöschen.<br />

Und sie schrien zum Herrn in ihrer Bedrängnis,<br />

und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />

Und er führte sie auf geradem Weg,<br />

dass sie kamen zu wohnlicher Stätte.<br />

Danken sollen sie dem Herrn für all seine Huld,<br />

für die Wunder,<br />

die er den Menschenkindern getan hat.<br />

Denn die Hungernden hat er gesättigt,<br />

die Darbenden mit Gütern erfüllt.<br />

Sie saßen in Dunkel und Todesschatten,<br />

gefesselt in Elend und Eisen.<br />

153 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Denn sie hatten getrotzt dem Wort des Herrn<br />

und gering geachtet den Ratschluss<br />

des Höchsten.<br />

Darum beugte er durch Trübsal ihr Herz,<br />

sie sanken dahin und niemand war da,<br />

sie zu halten.<br />

Und sie schrien zum Herrn<br />

in ihrer Bedrängnis,<br />

und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />

Und er führte sie heraus aus Dunkel<br />

und Todesschatten,<br />

und er zerriss ihre Fesseln.<br />

Danken sollen sie dem Herrn<br />

für all seine Huld,<br />

für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />

Denn er sprengte die ehernen Tore,<br />

die Eisenriegel brach er entzwei.<br />

Wegen ihrer Sünden waren sie kraftlos,<br />

sie mussten büßen für ihre Vergehen.<br />

Alle Speisen verschmähten sie,<br />

sie waren nahe den Pforten des Todes.<br />

Und sie schrien zum Herrn<br />

in ihrer Bedrängnis,<br />

und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />

Er sandte sein Wort und heilte sie<br />

und entriss sie dem Untergang.<br />

Danken sollen sie dem Herrn<br />

für all seine Huld,<br />

für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />

Und sie sollen ihm weihen Opfer des Dankes<br />

und seine Werke verkünden in Freude.<br />

<strong>Die</strong> auf ihren Schiffen befuhren das Meer<br />

und Handel trieben auf großen Wassern,<br />

sie schauten die Taten des Herrn,<br />

in der Tiefe schauten sie seine Wunder.<br />

Er sprach und weckte den Sturmwind,<br />

der trug zur Höhe empor seine Wogen.<br />

Sie stiegen empor zum Himmel,<br />

stürzten hinab in die Tiefe,<br />

jene aber vergingen in Qual.<br />

Wie trunken schwankten sie hin und her,<br />

all ihr Können hatte ein Ende.<br />

Und sie schrien zum Herrn<br />

in ihrer Bedrängnis,<br />

und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />

Er stillte den Sturm zu sanfterem Wehen,<br />

und ruhig wurden die Wogen des Meeres.<br />

Und sie freuten sich, dass es stille war,<br />

und er führte sie zum ersehnten Hafen.<br />

Danken sollen sie dem Herrn<br />

für all seine Huld,<br />

für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />

Und sie sollen ihm danken<br />

in der Versammlung des Volkes,<br />

im Rat der Alten ihn loben.<br />

Ströme hat er gewandelt in Wüste,<br />

und Wasserquellen in dürstendes Land,<br />

fruchtbares Land in salzige Steppe,<br />

wegen der Bosheit seiner Bewohner.<br />

Und wieder machte er die Wüste zum See,<br />

verdorrtes Land zu Quellen von Wasser.<br />

Den Hungernden wies er dort Sitze an,<br />

sich zu gründen eine wohnliche Stätte.<br />

Und sie bestellten das Feld<br />

und pflanzten den Weinberg<br />

und hielten reichliche Ernte.<br />

Er segnete sie<br />

und mächtig vermehrten sie sich,<br />

und er gab ihnen nicht wenige Herden.<br />

Und wieder wurden sie klein an Zahl,<br />

und wieder gebeugt von Unglück und Not.<br />

Doch er, der Verachtung wirft über Fürsten,<br />

der sie irren lässt durch weglose Steppe,<br />

er hob die Armen empor aus dem Elend,<br />

und die Geschlechter machte er zahlreich<br />

wie Herden.<br />

Das sehen die Gerechten und freuen sich,<br />

und jede Bosheit schließt ihren Mund.<br />

Wer ist weise, dass er dieses bedenke?<br />

Wer begreift die Gnaden des Herrn?<br />

Ps 0,00–0,00<br />

154


Fünftes Buch<br />

Psalm 108<br />

Ein Lied; ein Psalm von David.<br />

Psalm 109<br />

Dem Chormeister; von David; ein Psalm.<br />

Mein Herz ist bereit, o Gott,<br />

mein Herz ist bereit<br />

ich will dir singen und spielen.<br />

Wach auf, meine Seele!<br />

Psalter und Harfe, wacht auf!<br />

Ich will das Morgenrot wecken.<br />

Unter den Völkern will ich dich preisen,<br />

o Herr,<br />

unter den Nationen will ich dir singen.<br />

Denn bis an den Himmel<br />

reicht dein Erbarmen,<br />

bis an die Wolken reicht deine Treue.<br />

Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />

o Gott,<br />

über die ganze Erde<br />

gehe auf deine Herrlichkeit!<br />

Ja, dass gerettet werden deine Geliebten,<br />

sende Hilfe mit deiner Rechten, erhöre uns.<br />

In seinem Heiligtum hat Gott einst<br />

gesprochen:<br />

Frohlockend will ich Sichem verteilen,<br />

vermessen will ich das Tal von Sukkot.<br />

Mein ist Gilead und mein ist Manasse,<br />

und Efraim ist der Helm meines Hauptes,<br />

mein Zepter ist Juda.<br />

Doch Moab sei mir Schüssel zum Waschen,<br />

auf Edom setze ich meinen Schuh<br />

und triumphieren will ich<br />

über das Land der Philister.<br />

Wer bringt mich hin zu der festen Stadt?<br />

Wer wird mich geleiten nach Edom?<br />

Hast du uns nicht verstoßen, o Gott,<br />

und ziehst nicht mehr aus, o Gott,<br />

mit unseren Heeren?<br />

Schaffe uns Hilfe gegen den Feind,<br />

denn der Menschen Hilfe ist nutzlos.<br />

Mit Gott werden wir tapfer streiten<br />

und er wird niedertreten unsere Feinde.<br />

Gott, dem ich lobsinge,<br />

o schweige nicht!<br />

Denn aufgetan hat sich gegen mich<br />

der Heuchler gottloser Mund.<br />

Sie sprachen zu mir mit lügender Zunge,<br />

mit Worten des Hasses umgaben sie mich,<br />

sie bekämpften mich ohne Grund.<br />

Meiner Liebe zum Lohn verklagten sie mich,<br />

ich aber, ich bete.<br />

Sie vergalten mir Gutes mit Bösem,<br />

meine Liebe mit Hass.<br />

Bestelle gegen ihn einen Frevler,<br />

einen Kläger zu seiner Rechten.<br />

Als ein Schuldiger gehe er aus dem Gericht,<br />

seine Bitten seien umsonst.<br />

Ihm seien beschieden nur wenige Tage,<br />

sein Amt erhalte ein anderer.<br />

Seine Kinder sollen werden zu Waisen,<br />

zur Witwe werde seine Frau.<br />

Unstet sollen seine Kinder umherziehen<br />

und betteln,<br />

hinausgejagt aus ihren verwüsteten<br />

Häusern.<br />

All seine Habe werde des Wucherers Beute,<br />

die Frucht seiner Mühen<br />

soll ihm plündern der Fremde.<br />

Niemand bezeige ihm Schonung;<br />

niemand sei da,<br />

der sich erbarme der Waisen.<br />

Sein Stamm sei verfallen dem Untergang,<br />

im nächsten Geschlecht<br />

soll erlöschen sein Name.<br />

Unvergessen bleibe dem Herrn die Schuld<br />

seiner Väter,<br />

die Sünde seiner Mutter sei ungesühnt.<br />

Immerwährend seien sie gegenwärtig<br />

dem Herrn,<br />

auf Erden lösche er aus sein Gedächtnis.<br />

Denn niemals übte er je Erbarmen,<br />

155 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

er verfolgte den Menschen,<br />

der elend und arm,<br />

dem Leidgeprüften ging er ans Leben.<br />

Er wollte den Fluch, so komme er über ihn;<br />

er verschmähte den Segen,<br />

so soll er ihn fliehen.<br />

Der Fluch zog er an wie ein Gewand,<br />

in sein Inneres soll er eindringen<br />

wie Wasser,<br />

in sein Gebein soll er dringen wie Öl.<br />

Ja, er umhülle ihn wie ein Kleid,<br />

wie ein Gürtel, der ihn allzeit umschließt!<br />

<strong>Die</strong>s sei der Lohn des Herrn für jene,<br />

die mich verklagen,<br />

die Böses gegen mich reden.<br />

Du aber, Herr und Gott,<br />

um deines Namens willen<br />

steh mir zur Seite;<br />

rette mich in deinem milden Erbarmen!<br />

Denn elend bin ich und hilflos,<br />

im tiefsten Herzen verwundet.<br />

Wie der Schatten, wenn er sich neigt,<br />

so schwinde ich hin;<br />

ich werde abgeschüttelt,<br />

der Heuschrecke gleich.<br />

Entkräftet sind meine Knie vom Fasten,<br />

und abgezehrt schwindet mein Fleisch.<br />

Ich bin geworden ihnen zum Hohn;<br />

wenn sie mich sehen,<br />

sie schütteln das Haupt.<br />

Hilf mir, Herr, du mein Gott,<br />

in deiner Huld errette mich.<br />

Und wissen sollen sie:<br />

es war deine Hand;<br />

du warst es, Herr, der dieses getan hat.<br />

Mögen sie fluchen, du aber segne,<br />

zuschanden sollen werden,<br />

die gegen mich aufstehen;<br />

dein Knecht aber möge sich freuen.<br />

Meine Kläger sollen sich kleiden in Schande,<br />

und wie ein Mantel<br />

soll sie umhüllen die Schmach.<br />

Und preisen will ich mit frohem Mund<br />

den Herrn,<br />

inmitten der vielen will ich ihn loben.<br />

Denn er stand dem Armen zur Seite,<br />

ihn vor den Richtern zu retten.<br />

Psalm 110<br />

Ein Psalm von David.<br />

Es sprach der Herr zu<br />

meinem Herrn:<br />

Setze dich mir zur Rechten,<br />

und ich lege deine Feinde<br />

dir als Schemel zu Füßen!<br />

Weithin lässt walten der Herr<br />

dein mächtiges Zepter.<br />

Von Zion aus herrsche in mitten<br />

deiner Feinde!<br />

Dein ist das Königtum<br />

seit dem ersten der Tage;<br />

da du gingst hervor<br />

im Glanz der Heiligkeit.<br />

Aus dem Mutterschoß der Morgenröte<br />

habe ich wie Tau dich gezeugt.<br />

Geschworen hat der Herr<br />

und es reuet ihn nicht:<br />

Du bist Priester auf ewig<br />

nach des Melchisedek Weise.<br />

Zu deiner Rechten der Herr:<br />

Könige wird er zertreten<br />

am Tag seines Zornes.<br />

Unter den Heiden hält er Gerichtstag,<br />

Tote liegen zuhauf,<br />

weithin auf Erden zerschlägt er<br />

die Häupter.<br />

Er trinkt aus dem Wildbach am Weg,<br />

um neu zu erheben sein Haupt.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

156


Fünftes Buch<br />

Psalm 111<br />

Halleluja!<br />

Preisen will ich den Herrn<br />

vom Grund meines Herzens<br />

im Rat der Frommen<br />

und in großer Gemeinde.<br />

<strong>Die</strong> Werke des Herrn sind erhaben;<br />

würdig, dass man sie liebend ergründe.<br />

Sein Walten ist Hoheit und Macht,<br />

und seine Gerechtigkeit währt auf ewig.<br />

Seinen Wundern schuf er ein stetes<br />

Gedächtnis,<br />

milde ist der Herr und barmherzig.<br />

Denen, die ihn fürchten, sandte er Speise,<br />

auf ewig wird er seines Bundes gedenken.<br />

Kundgetan hat er dem Volk die Macht<br />

seiner Werke:<br />

er gab ihm das Erbe der Völker.<br />

Das Wirken seiner Hände ist Treue und Recht,<br />

unwandelbar sind seine Befehle,<br />

gültig für immer und ewig,<br />

gegeben in Kraft und Gerechtigkeit.<br />

Erlösung hat er seinem Volk gesandt,<br />

seinen Bund geschlossen auf immerdar,<br />

heilig und hehr ist sein Name.<br />

<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn<br />

ist Anfang der Weisheit;<br />

weise sind, die beharrlich sie üben.<br />

Der Ruhm des Herrn wird bleiben<br />

in Ewigkeit.<br />

Psalm 112<br />

Halleluja!<br />

Selig der Mann, der fürchtet<br />

den Herrn,<br />

der Freude hat an seinen Geboten.<br />

Sein Stamm wird im Land mächtig,<br />

Segen ruht auf dem Geschlecht der<br />

Frommen.<br />

In seinem Haus ist Fülle und Reichtum,<br />

sein Wohltun hat kein Ende.<br />

Den Guten erstrahlt er als Licht<br />

in der Finsternis,<br />

milde ist er, gerecht und barmherzig.<br />

Wohl dem, der Erbarmen übt<br />

und leiht mit Freude,<br />

der seine Sache ordnet nach Recht.<br />

Nicht gerät er ins Wanken,<br />

in stetem Gedächtnis bleibt der Gerechte.<br />

Vor böser Kunde muss er nicht bangen;<br />

stark ist sein Mut,<br />

denn er hofft auf den Herrn.<br />

Sein Herz ist getrost, er kennt keine Furcht,<br />

bis er sieht seinen Feind in Verwirrung.<br />

Er teilt aus und spendet den Armen,<br />

sein Wohltun hat kein Ende,<br />

herrlich hebt sich empor seine Kraft.<br />

Der Gottlose sieht es voll Unmut.<br />

Er knirscht mit den Zähnen<br />

und schwindet dahin;<br />

der Sünder Wünsche werden zunichte.<br />

Psalm 113<br />

Halleluja!<br />

Lobsingt, ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn,<br />

lobsingt dem Namen des Herrn!<br />

Der Name des Herrn sei gepriesen<br />

jetzt und in Ewigkeit.<br />

Vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang<br />

der Name des Herrn sei gepriesen!<br />

Erhaben ist der Herr über all die Völker,<br />

erhaben seine Herrlichkeit<br />

über die Himmel.<br />

Wer ist wie der Herr,<br />

im Himmel und auf Erden,<br />

der in der Höhe thront<br />

und hinabschaut in die Tiefe?<br />

157 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Den Geringen hebt er empor aus dem Staub,<br />

aus der Verachtung erhebt er den Armen.<br />

Er verleiht ihm Sitz bei den Fürsten,<br />

bei den Edelsten seines Volkes.<br />

<strong>Die</strong> kinderlos war, lässt er wohnen im Haus<br />

als Mutter, froh ihrer Kinder.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 114<br />

Als Israel aus Ägypten zog,<br />

Jakobs Stamm aus dem fremden Volk,<br />

zum Heiligtum wurde da Juda dem Herrn,<br />

zu seinem Reiche wurde Israel.<br />

Das Meer sah es und floh,<br />

der Jordan wandte rückwärts den Lauf.<br />

<strong>Die</strong> Berge hüpften den Widdern gleich,<br />

wie junge Lämmer die Hügel.<br />

Was ist dir, Meer, dass du fliehst?<br />

Jordan, was wendest du rückwärts den Lauf?<br />

Ihr Berge, was hüpft ihr den Widdern gleich,<br />

wie junge Lämmer, ihr Hügel?<br />

Erde, erbebe vor dem Anblick des Herrn,<br />

vor Jakobs Gott, vor seinem heiligen Antlitz,<br />

der den Felsen gewandelt zum Weiher,<br />

zur strömenden Quelle den Stein.<br />

Psalm 115<br />

Nicht uns, o Herr, nicht uns,<br />

Ehre verleihe deinem Namen,<br />

um deiner Huld und Treue willen .<br />

Warum sollen sagen die Völker:<br />

Wo ist nun ihr Gott?<br />

Unser Gott ist im Himmel;<br />

alles, was er wollte, er hat es vollbracht.<br />

Ihre Götzen aber sind Silber und Gold,<br />

gebildet von Menschenhand.<br />

Sie haben einen Mund<br />

und können nicht reden,<br />

sie haben Augen und sehen nicht.<br />

Sie haben Ohren und können nicht hören,<br />

sie haben eine Nase und riechen nicht.<br />

Sie haben Hände und können nicht greifen,<br />

sie haben Füße und gehen nicht,<br />

es kommt aus ihrer Kehle kein Laut.<br />

Ihnen gleichen, die sie gebildet haben,<br />

und jeder, der ihnen vertraut.<br />

Israels Haus vertraut auf den Herrn,<br />

er ist ihm Hilfe und Schild.<br />

Aarons Haus vertraut auf den Herrn,<br />

er ist ihm Hilfe und Schild.<br />

Alle, die Gott fürchten,<br />

sie vertrauen dem Herrn,<br />

er ist ihnen Hilfe und Schild.<br />

Der Herr gedenkt unser, er möge uns segnen.<br />

Segen dem Hause Israel,<br />

Segen dem Hause Aaron!<br />

<strong>Die</strong> fürchten den Herrn, er möge sie segnen,<br />

Kleine und Große.<br />

Es gebe der Herr euch Gedeihen,<br />

euch sowie eueren Kindern!<br />

Seid gesegnet vom Herrn,<br />

der geschaffen hat Himmel und Erde!<br />

Der Himmel ist der Himmel des Herrn,<br />

die Erde gab er den Kindern der Menschen.<br />

Nicht die Toten preisen den Herrn,<br />

keiner, der hinabsteigt zur Tiefe.<br />

Wir aber, wir dürfen ihn preisen<br />

heute und immerdar.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 116<br />

Ich liebe den Herrn,<br />

denn er hörte mein Flehen.<br />

Er neigte sein Ohr mir zu<br />

am Tag, da ich ihn anrief.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

158


Fünftes Buch<br />

Es umwanden mich die Stricke des Todes,<br />

die Schlingen der Unterwelt<br />

fingen mich ein;<br />

versunken war ich in Elend und Angst.<br />

Da rief ich an den Namen des Herrn:<br />

Ach, Herr, errette mein Leben!<br />

Der Herr ist gerecht und gütig,<br />

unser Gott ist barmherzig.<br />

Der Herr behüte, die ihm dienen in Einfalt;<br />

elend war ich und er brachte mir Heil.<br />

Geh wieder ein, meine Seele, in deine Ruhe,<br />

denn der Herr hat dir Gutes getan.<br />

Er hat meine Seele befreit vom Tod,<br />

meine Augen von Tränen,<br />

meine Füße vom Fall.<br />

Und wieder darf ich wandeln vor Gott<br />

im Land der Lebenden.<br />

Ich war voll Vertrauen, auch wenn ich sagte:<br />

Gar tief bin ich niedergebeugt.<br />

Ich sprach in meiner Bestürzung:<br />

<strong>Die</strong> Menschen alle, sie lügen!<br />

Was soll ich vergelten dem Herrn,<br />

alles, was er mir Gutes getan?<br />

Ich will ergreifen den Kelch des Heiles,<br />

anrufen will ich den Namen des Herrn.<br />

Was ich gelobt dem Herrn, ich bringe es dar<br />

vor dem Angesicht all seines Volkes:<br />

Kostbar ist in den Augen des Herrn,<br />

der Tod seiner Heiligen.<br />

O Herr, ich bin dein Knecht,<br />

dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd.<br />

Du hast gelöst meine Fesseln.<br />

Dir will ich weihen das Opfer des Lobes,<br />

und anrufen will ich den Namen des Herrn.<br />

Was ich gelobt dem Herrn, ich bringe es dar<br />

vor dem Angesicht all seines Volkes,<br />

im Haus des Herrn, in seinen heiligen Hallen,<br />

in deiner Mitte, Jerusalem.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 117<br />

Lobet den Herrn, alle Völker!<br />

Ihr Stämme alle, lobpreist ihn!<br />

Denn mächtig waltet über uns seine Gnade,<br />

und seine Huld währt in Ewigkeit.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 118<br />

Dankt dem Herrn,<br />

denn er ist gut,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Sagt ihr Söhne Israels:<br />

In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Sagt ihr Söhne Aarons:<br />

In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Sagt alle, die ihr fürchtet den Herrn:<br />

In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Ich rief zum Herrn in meiner Bedrängnis<br />

und er hat mich erhört und errettet.<br />

Der Herr ist mit mir, ich fürchte mich nicht.<br />

Was könnte ein Mensch mir antun?<br />

Der Herr ist mit mir, er kommt mir zu Hilfe;<br />

in Schanden werde ich sehen meine Feinde.<br />

Besser, seine Zuflucht nehmen zum Herrn,<br />

als zu bauen auf Menschen.<br />

Besser, seine Zuflucht nehmen zum Herrn,<br />

als zu bauen auf Fürsten.<br />

Alle Völker umringten mich,<br />

ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />

Von allen Seiten umringten sie mich,<br />

ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />

Sie drangen auf mich ein wie Schwärme<br />

von Bienen,<br />

wie Feuer unter Dornen sind sie entbrannt;<br />

ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />

Gestoßen wurde ich, hart gestoßen,<br />

ich sollte fallen;<br />

der Herr aber hat mir geholfen.<br />

159 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Meine Stärke und meine Kraft ist der Herr,<br />

er ist mir geworden zum Retter.<br />

Hört, welch ein Siegesjubel in den Zelten<br />

der Frommen:<br />

Stark erwiesen hat sich die Rechte<br />

des Herrn,<br />

die Rechte des Herrn, sie hat mich erhöht;<br />

ja, stark erwiesen hat sich die Rechte<br />

des Herrn!<br />

Ich werde nicht sterben, ich lebe,<br />

und künden will ich die Taten des Herrn.<br />

Geschlagen hat mich der Herr, ja geschlagen,<br />

doch gab er mich dem Tod nicht preis.<br />

Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit!<br />

Eintreten will ich,<br />

Dank zu sagen dem Herrn.<br />

<strong>Die</strong>s ist die Pforte zum Herrn,<br />

durch sie gehen ein die Gerechten.<br />

Ich will dir danken,<br />

denn du hast mich erhört,<br />

du bist mir geworden zum Retter.<br />

Der Stein, den die Bauleute verwarfen,<br />

er ist zum Eckstein geworden.<br />

Durch den Herrn ist dieses geschehen:<br />

ein Wunder vor unseren Augen.<br />

<strong>Die</strong>s ist der Tag, den uns bereitet der Herr;<br />

lasst uns frohlocken und seiner uns freuen!<br />

O Herr, hilf doch!<br />

O Herr, gib doch Gelingen!<br />

Gesegnet, der kommt im Namen des Herrn!<br />

Vom Hause Gottes segnen wir euch.<br />

Der Herr ist Gott, uns leuchtet sein Licht.<br />

Reiht euch in den Zug<br />

mit festlichen Zweigen,<br />

bis zu den Hörnern des Altars zieht hinauf!<br />

Mein Gott bist du, ich sage dir Dank,<br />

mein Gott,<br />

mit Lobgesang will ich dich preisen!<br />

Dankt dem Herrn, denn er ist gut,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Psalm 119<br />

Selig, deren Weg ohne Makel ist,<br />

die wandeln im Gesetz des Herrn.<br />

Selig, die seinen Weisungen folgen,<br />

die von ganzem Herzen ihn suchen,<br />

die verüben kein Unrecht,<br />

die aber schreiten auf den Wegen des Herrn.<br />

Du selber hast erlassen deine Gebote,<br />

auf dass sie gehalten werden in Treue.<br />

Wären doch meine Wege beständig,<br />

zu befolgen, was du befohlen.<br />

Dann werde ich nicht zuschanden,<br />

wenn ich achte auf jedes deiner Gebote.<br />

Aus lauterem Herzen will ich dich preisen,<br />

wenn ich erlerne deine gerechten Beschlüsse.<br />

Deine Verordnungen will ich befolgen,<br />

du aber verlasse mich nicht!<br />

Wie hält der Jüngling rein seinen Pfad?<br />

Wenn er bewahrt deine Worte.<br />

Von ganzem Herzen suche ich dich,<br />

lass mich nicht weichen von deinen Geboten.<br />

Ich berge in meinem Herzen dein Wort,<br />

auf dass ich nicht sündige gegen dich.<br />

Sei gepriesen, o Herr,<br />

lehre mich deine Befehle!<br />

Mit meinen Lippen will ich verkünden<br />

jeden Spruch deines Mundes.<br />

Am Weg, den du vorgeschrieben hast,<br />

habe ich Freude,<br />

mehr als hätte ich die Fülle des Reichtums.<br />

Sinnend erwäge ich deine Satzung,<br />

wohl überdenke ich deine Pfade.<br />

Deine Weisungen sind meine Wonne,<br />

ich will nicht vergessen dein Wort.<br />

Tu Gutes an deinem Knecht und ich lebe,<br />

und ich werde halten dein Wort.<br />

Tu auf meine Augen und schauen darf ich<br />

die Wunder deines Gesetzes.<br />

Ein Fremder bin ich auf Erden,<br />

verbirg nicht deine Gebote vor mir!<br />

Es vergeht meine Seele vor Sehnsucht<br />

Ps 0,00–0,00<br />

160


Fünftes Buch<br />

allezeit verlangend nach deinem Gesetz.<br />

Du drohtest den Stolzen;<br />

Fluch über alle,<br />

die weichen von deinem Gebot.<br />

Nimm weg von mir Verachtung und<br />

Schmach,<br />

denn ich befolge deine Befehle.<br />

Mächtige sitzen zu Rate,<br />

gegen mich zu beschließen,<br />

deine Beschlüsse allein betrachtet<br />

dein Knecht.<br />

Deine Zeugnisse sind meine Wonne,<br />

deine Weisungen meine Berater.<br />

Es liegt meine Seele im Staub,<br />

getreu deinem Worte schaffe mir Leben.<br />

Ich habe dir kundgetan meine Wege<br />

und du hast mich erhört;<br />

lehre mich, was du verlangst von mir!<br />

Lass mich wissen den Weg deiner Vorschrift,<br />

und deine Wunder<br />

will ich sinnend betrachten.<br />

Tränen quellen aus meiner Seele vor Kummer<br />

hervor,<br />

nach dem Wort deiner Verheißung richte<br />

mich auf!<br />

Vom Weg der Lüge halte ich mich fern,<br />

mit deiner Weisung begnade mich!<br />

Erwählt habe ich den Weg deiner Wahrheit,<br />

deine Weisungen habe ich vor Augen.<br />

Ich halte mich an deine Gebote,<br />

o Herr, lass mich nicht zuschanden werden.<br />

Eilen will ich den Weg deiner Ordnung,<br />

denn weit gemacht hast du mein Herz.<br />

Zeige mir, Herr, deiner Satzungen Weg,<br />

und ich will ihm folgen in Treue.<br />

Lehre mich handeln nach deinem Gesetz<br />

ich will es wahren von ganzem Herzen.<br />

Führe mich auf dem Pfad,<br />

den du geboten hast,<br />

denn ich habe Gefallen an ihm.<br />

Zu deinen Zeugnissen neige mein Herz<br />

und nicht zu schnödem Gewinn.<br />

Meine Augen wende ab,<br />

dass sie Eitles nicht schauen;<br />

auf deinem Weg verleihe mir Leben.<br />

Was deinem Knecht du verheißen hast,<br />

mache es wahr,<br />

was du jenen zugesagt hast,<br />

die dich fürchten.<br />

<strong>Die</strong> Schmach, vor der ich bange,<br />

halte mir fern;<br />

deine Beschlüsse machen mich froh.<br />

Siehe, ich verlange nach deinen Geboten;<br />

der du gerecht bist, verleihe mir Leben.<br />

Es komme über mich dein Erbarmen, o Herr,<br />

deine Hilfe, wie du verheißen hast.<br />

Und Rede will ich stehen meinem Spötter,<br />

weil deinem Wort ich vertraue.<br />

Nicht entziehe meinem Mund das Wort<br />

der Wahrheit,<br />

denn ich hoffe auf deine Weisung.<br />

Dein Gesetz will ich immer befolgen,<br />

allezeit und auf ewig.<br />

So darf ich wandeln auf weiter Bahn,<br />

denn ich trachte nach deinen Geboten.<br />

Vor Königen will ich dein Zeugnis verkünden<br />

und ich werde nicht zuschanden.<br />

Ja, ich freue mich deiner Befehle,<br />

die von ganzem Herzen ich liebe.<br />

Zu deinen Geboten erhebe ich meine Hände,<br />

über deine Satzungen will ich sinnen.<br />

Gedenke des Wortes an deinen Knecht,<br />

mit dem du mir Hoffnung gegeben hast.<br />

Das ist mir Trost in meiner Betrübnis,<br />

dass mir Leben spendet dein Wort.<br />

Heftig greifen die Stolzen mich an,<br />

ich aber will von deinem Gesetz<br />

nicht weichen.<br />

Denke ich deine Rechtssprüche in der Vorzeit,<br />

so bin ich getröstet.<br />

Unmut erfasst mich wegen der Sünder,<br />

die übertreten deine Gebote.<br />

Deine Satzungen tönen mir wie Gesänge,<br />

hier, wo ich wandle als Pilger.<br />

161 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

In der Nacht gedenke ich deines Namens,<br />

o Herr,<br />

und dein Gesetz will ich wahren.<br />

<strong>Die</strong>s ist mir geworden zum Lohn:<br />

dass ich willig befolge, was du befohlen.<br />

Mein Anteil ist, ich darf es sagen, o Herr,<br />

gehorsam zu sein deinem Wort.<br />

Zu deinem Angesicht fleh ich von Herzen,<br />

wie du versprochen hast,<br />

erbarme dich meiner!<br />

Ich habe überdacht meine Wege<br />

meine Füße gelenkt zu deinen Geboten.<br />

Ich eile, ich zögere nicht,<br />

gehorsam zu sein deinem Auftrag.<br />

Stricke der Frevler wollten mich fangen,<br />

doch dein Gesetz vergesse ich nicht.<br />

Mitten in der Nacht erhebe ich mich,<br />

dich zu preisen für deine gerechten<br />

Beschlüsse.<br />

Allen, die dich fürchten, bin ich ein Freund,<br />

allen, die befolgen deine Befehle.<br />

Voll ist die Erde von deiner Huld,<br />

lehre mich, Herr, deine Weisung.<br />

Gutes hast du getan deinem Knecht,<br />

wie du verheißen hast, o Herr.<br />

Lehre mich Urteil und Einsicht,<br />

denn ich baue auf deine Gebote.<br />

Bevor mich Trübsal getroffen hat,<br />

wandelte ich in der Irre;<br />

nun aber folge ich deiner Verheißung.<br />

Gut bist du und Gutes teilst du aus,<br />

lehre mich deine Ordnung!<br />

<strong>Die</strong> Stolzen ersinnen gegen mich Lüge,<br />

ich aber halte von Herzen deine Gebote.<br />

Fühllos wie Fett ist ihr Herz,<br />

ich aber habe Freude an deinem Gesetz.<br />

Wohl mir, dass Trübsal mich traf,<br />

auf dass ich deine Ordnungen lerne.<br />

Lieber ist mir deines Mundes Gesetz<br />

als aller Reichtum an Silber und Gold.<br />

Es haben deine Hände mich gemacht und<br />

gebildet;<br />

gib mir Einsicht,<br />

dass ich verstehe deine Gebote.<br />

<strong>Die</strong> dich fürchten,<br />

sie schauen auf mich in Freude,<br />

weil ich deinem Wort vertraute.<br />

O Herr, ich erkannte,<br />

deine Beschlüsse sind recht,<br />

zu Recht auch hast du mich niedergebeugt.<br />

Nahe sei dein Erbarmen, dass es mich tröste,<br />

so hast du deinem Knecht verheißen.<br />

Deine Barmherzigkeit komme über mich,<br />

dass ich lebe,<br />

denn dein Gesetz ist mir Wonne.<br />

Schande über die Stolzen,<br />

die mich bedrücken zu Unrecht!<br />

Ich aber will mich üben in deinem Gebot.<br />

Es sollen stehen zu mir, die dich fürchten,<br />

die Sorge tragen um deine Verordnung.<br />

Untadelig bleibe mein Herz in deinen<br />

Beschlüssen,<br />

so werde ich nicht zuschanden.<br />

Es verlangt meine Seele nach deiner Hilfe,<br />

deinem Wort vertraue ich.<br />

Meine Augen schmachten nach deiner<br />

Verheißung:<br />

Wann wirst du mich trösten?<br />

Ich war wie ein Schlauch,<br />

der im Rauch verdorrt,<br />

von deinen Satzungen aber lasse ich nicht.<br />

Wie viele Tage noch soll warten dein Knecht?<br />

Wann wirst du richten, die mich verfolgen?<br />

<strong>Die</strong> Stolzen heben mir Gruben aus,<br />

sie, die nicht handeln nach deinem Gesetz.<br />

All deine Gebote sind Wahrheit;<br />

hilf mir gegen jene,<br />

die mich hassen zu Unrecht!<br />

Fast hätten sie mich getilgt von der Erde,<br />

ich aber ließ nicht ab von deinen Befehlen.<br />

Nach deinem Erbarmen belebe mich,<br />

und deines Mundes Zeugnis<br />

will ich bewahren.<br />

Dein Wort, o Herr, bleibt auf ewig bestehen,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

162


Fünftes Buch<br />

beständig wie die Feste des Himmels.<br />

Deine Treue waltet<br />

von Geschlecht zu Geschlecht;<br />

du hast die Erde gegründet und sie besteht.<br />

Nach deiner Ordnung dauert sie allezeit,<br />

dienen muss dir das All.<br />

Wäre nicht dein Gesetz meine Wonne,<br />

ich wäre vergangen im Elend.<br />

Nicht in Ewigkeit vergesse ich deine Gebote,<br />

denn du gabst mir Leben durch sie.<br />

Dein bin ich, so errette mich,<br />

denn ich forschte in deinen Befehlen.<br />

Es lauerten Sünder, mich zu verderben,<br />

ich aber war auf deine Weisung bedacht.<br />

Bei aller Größe sah ich ein Ende,<br />

doch in endlose Weiten reicht dein Gebot.<br />

Wie liebe ich, o Herr, dein Gesetz,<br />

es steht mir vor Augen den ganzen Tag.<br />

Dein Gebot macht mich klüger,<br />

als meine Feinde es sind,<br />

immer geht es mit mir.<br />

Höhere Einsicht hab ich gewonnen als Greise,<br />

weil ich erwäge, was du mich weist.<br />

Einsichtiger bin ich als Greise,<br />

da ich befolge, was du gebietest.<br />

Von bösen Wegen halte ich fern meine Füße,<br />

auf dass ich bewahre dein Wort.<br />

Von seinen Lehren lasse ich nicht,<br />

denn du selber hast mich gelehrt.<br />

Deine Rede, wie ist sie meinem Gaumen<br />

so süß,<br />

meinem Mund süßer als Honig!<br />

Durch deine Satzung erlange ich Einsicht,<br />

darum hasse ich die Pfade der Bosheit.<br />

Eine Leuchte ist dein Wort meinem Fuß,<br />

auf meinem Weg ein Licht.<br />

Geschworen habe ich und will es halten,<br />

und wahren, was du verordnet als Recht.<br />

Wie sehr bin ich geschlagen, o Herr,<br />

erhalte mein Leben,<br />

wie dein Wort mir verheißen hat!<br />

Lass dir, Herr, meines Mundes Opfer gefallen<br />

und lehre mich deine Gebote.<br />

Allzeit ist mein Leben gefährdet,<br />

doch nie mehr vergesse ich dein Gesetz.<br />

<strong>Die</strong> Sünder legten mir Schlingen,<br />

doch nicht bin ich abgeirrt<br />

von deinen Geboten.<br />

Deine Ordnungen sind mein Erbe auf ewig,<br />

meinem Herzen zur Wonne.<br />

Ich neige mein Herz,<br />

nach deiner Weisung zu leben<br />

in Treue auf ewig.<br />

Geteilte Herzen sind mir ein Gräuel,<br />

ich liebe allein dein Gesetz.<br />

Du bist mein Schützer, du bist mein Schild,<br />

deinem Worte darf ich vertrauen.<br />

Ihr Übeltäter, weicht von mir,<br />

halten will ich meines Gottes Gebot.<br />

Nimm mich auf nach deiner Verheißung,<br />

so werde ich leben,<br />

und lass mich zuschanden nicht werden<br />

in meiner Hoffnung!<br />

Komm mir zu Hilfe, so bin ich gerettet;<br />

und immer will ich achten auf deine Befehle.<br />

<strong>Die</strong> weichen von deinem Gesetz,<br />

du wirst sie verwerfen;<br />

denn all ihr Trachten ist Trug.<br />

Für Schlacken erachtest du<br />

alle Frevler auf Erden,<br />

darum liebe ich deine Gebote.<br />

In Furcht vor dir erschauert mein Fleisch,<br />

ich fürchte deine Urteile.<br />

Recht und Gerechtigkeit habe ich geübt;<br />

nicht übergib mich denen,<br />

die mich bedrängen!<br />

Für deinen Knecht verbürge dich gut,<br />

dass mich die Stolzen nicht überwinden.<br />

Nach deiner Hilfe schmachten meine Augen<br />

voll Sehnsucht,<br />

nach der Gerechtigkeit,<br />

die du verheißen hast.<br />

An deinem Knecht handle nach deiner Huld<br />

und deine Weisungen lehre mich.<br />

163 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Ich bin dein Knecht, unterweise mich,<br />

dass ich weiß um deine Befehle.<br />

Greife ein, o Herr, es ist Zeit;<br />

sie haben deine Gesetze missachtet.<br />

Darum schätze ich deine Gebote<br />

höher als Gold,<br />

lieber sind sie mir als lauteres Gold.<br />

Ich habe mir deine Weisung erwählt;<br />

verhasst sind mir alle Pfade der Lüge.<br />

Wie sind deine Ordnungen wunderbar,<br />

darum bewahrt sie meine Seele.<br />

<strong>Die</strong> Klarheit deiner Worte erleuchtet,<br />

Unwissende vermag sie zu lehren.<br />

Lechzend öffne ich meinen Mund,<br />

nach deinen Befehlen verlange ich.<br />

Wende dich mir zu und erbarme dich meiner,<br />

wie du denen tust,<br />

die deinen Namen verehren.<br />

Lenke, o Herr, meinen Schritt nach deiner<br />

Verheißung,<br />

kein Unrecht habe Gewalt über mich.<br />

Von der Menschen Bedrückung<br />

mache mich frei,<br />

und befolgen will ich deine Befehle.<br />

Lass leuchten über deinem Knecht<br />

dein Antlitz<br />

und lehre mich deine Gebote!<br />

Meine Augen fließen über von Tränen,<br />

weil viele nicht gehorchen deinem Gesetz.<br />

Gerecht bist du, Herr,<br />

und recht sind deine Entscheide.<br />

In Gerechtigkeit erließest du deine Befehle<br />

und in all deiner Treue.<br />

Mich verzehrt der Eifer,<br />

weil meine Widersacher<br />

deine Worte nicht achten.<br />

Dein Spruch ist lauter und wahr,<br />

deinem Knecht ist er teuer.<br />

Ich bin gering und verachtet,<br />

doch deine Satzung vergesse ich nicht.<br />

Dein Recht ist ewiges Recht,<br />

unerschütterlich ist dein Gesetz.<br />

Heimgesucht haben mich Trübsal und Not,<br />

doch ist dein Gebot meine Wonne.<br />

Dein Zeugnis ist ewig gerecht;<br />

lehre mich, so werde ich leben.<br />

Ich rufe aus ganzem Herzen:<br />

Erhöre mich, Herr!<br />

Und was du mich weisest, will ich befolgen.<br />

Ich rufe zu dir, o schaffe mir Heil,<br />

und bewahren werde ich deine Gebote.<br />

Ich komme am frühen Morgen<br />

und flehe um Hilfe,<br />

ich harre auf deine Verheißung.<br />

Vor der Nachtwache<br />

werden die Augen mir wach,<br />

zu erwägen das Wort deiner Lehre.<br />

Vernimm, o Herr, meine Stimme<br />

nach deinem Erbarmen;<br />

wie du mir zugesagt hast,<br />

gewähre mir Leben.<br />

Es nahen sich mir, die mich listig verfolgen,<br />

deinem Gesetz sind sie fern.<br />

Nahe bist du, o Herr,<br />

und alle deine Worte sind Wahrheit.<br />

Lang schon weiß ich um deine Gebote,<br />

du hast sie verordnet für alle Zeit.<br />

Sieh an mein Elend und rette mich,<br />

denn nicht vergessen habe ich dein Gesetz.<br />

Führe mein Recht und mache mich frei,<br />

belebe mich nach deiner Verheißung.<br />

Fern ist von den Frevlern das Heil,<br />

nach deinen Satzungen fragen sie nicht.<br />

Dein Erbarmen, Herr, ist groß;<br />

wie du mir zugesagt hast,<br />

so schenke mir Leben.<br />

Viele sind, die mich verfolgen und bedrängen,<br />

von deinen Zeugnissen weiche ich nicht.<br />

Ich sehe die Frevler und gräme mich,<br />

weil sie nicht mehr befolgen dein Wort.<br />

Siehe, Herr, ich liebe deine Befehle,<br />

in deinem Erbarmen erhalte ich mein Leben!<br />

Anfang und Ende deiner Worte ist Wahrheit,<br />

alle Sprüche deiner Gerechtigkeit<br />

Ps 0,00–0,00<br />

164


Fünftes Buch<br />

gelten auf ewig.<br />

Fürsten verfolgen mich ohne Grund,<br />

doch fürchtet mein Herz allein deine Worte.<br />

Deiner Verheißung will ich mich freuen<br />

wie einer, der reiche Beute gewann.<br />

Ich hasse die Sünde, sie ist mir ein Gräuel,<br />

dein Gesetz aber liebe ich.<br />

Siebenmal am Tage singe ich dein Lob<br />

weil deine Ordnungen alle gerecht sind.<br />

<strong>Die</strong> lieben dein Gesetz,<br />

sie haben die Fülle des Friedens,<br />

niemals werden sie fallen.<br />

Ich harre deiner Hilfe, o Herr,<br />

und erfülle deine Gebote.<br />

Meine Seele bewahrt deine Weisung,<br />

überaus liebe ich sie.<br />

Ich wahre deine Lehre und deine Gebote,<br />

offen liegen meine Wege vor dir.<br />

Mein Rufen komme zu dir, o Herr,<br />

nach deinem Wort unterweise mich.<br />

Zu dir gelange mein Flehen,<br />

errette mich nach deiner Verheißung.<br />

Meinen Lippen entströme Lobgesang,<br />

weil du mich lehrst deine Gesetze.<br />

Meine Zunge lobpreise dein Wort;<br />

gerecht sind all deine Gebote.<br />

Strecke aus deine Hand, mir zu helfen,<br />

denn erkoren habe ich deine Befehle.<br />

O Herr, ich ersehne von dir mein Heil,<br />

denn deine Weisung ist mir Wonne.<br />

Es lebe meine Seele und preise dich,<br />

deine Ordnungen mögen mir helfen.<br />

Ich bin verirrt wie ein Lamm,<br />

das verloren ging;<br />

suche auf deinen Knecht!<br />

Denn nicht vergessen habe ich deine Gebote.<br />

Psalm 120<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Ich rief zum Herrn in meiner<br />

Bedrängnis,<br />

und er hat mich erhört.<br />

Rette meine Seele, o Herr,<br />

vor der gottlosen Lippe,<br />

rette mich vor der falschen Zunge.<br />

Was soll er dir geben, was soll er dir antun,<br />

du falsche Zunge?<br />

Scharfe Pfeile des Kriegers,<br />

glühenden Ginsterbrand!<br />

Weh mir, dass ich muss weilen in Meschech,<br />

wohnen muss in den Zelten von Kedar!<br />

Allzu lange schon weilt meine Seele<br />

bei denen, die hassen den Frieden.<br />

Ich rede Worte des Friedens;<br />

sie aber drängen zum Streit.<br />

Psalm 121<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Ich hebe meine Augen empor<br />

zu den Bergen:<br />

woher wird Hilfe mir kommen?<br />

Hilfe kommt mir vom Herrn,<br />

der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />

Er lässt deinen Fuß nicht wanken;<br />

der dich behütet, er schläft nicht.<br />

Siehe, es wird nicht schlafen, nicht ruhn,<br />

der Wache hält über Israel.<br />

Der Herr ist dein Hüter! Zu deiner Rechten<br />

wird der Herr dich beschützen.<br />

Am Tag wird dich nicht versengen die Sonne,<br />

nicht schadet dir der Mond in der Nacht.<br />

Vor allem Übel wird der Herr dich bewahren,<br />

der Herr behütet dein Leben.<br />

Der Herr behütet dein Gehen und Kommen<br />

von nun an bis in Ewigkeit.<br />

165 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 122<br />

Ein Wallfahrtslied, von David.<br />

Voll Freude war ich,<br />

da sie mir sagten:<br />

Wir ziehen zum Hause des Herrn!<br />

Schon treten unsere Füße<br />

in deine Tore, Jerusalem.<br />

Jerusalem, du Stadt, so herrlich erbaut,<br />

fest gefügt und geschlossen.<br />

Dorthin ziehen die Stämme hinauf,<br />

die Stämme des Herrn,<br />

nach Israels Gesetz, den Namen des Herrn<br />

zu lobpreisen.<br />

Aufgestellt sind dort die Throne der Richter,<br />

die Throne des Hauses David.<br />

Erfleht für Jerusalem,<br />

was ihm dient zum Frieden!<br />

Allen, die dich lieben, ergehe es wohl!<br />

Friede herrsche in deinen Mauern,<br />

Sicherheit in deinen Palästen!<br />

Ich rufe wegen meiner Brüder und Freunde:<br />

Über dich komme Friede.<br />

Ich flehe wegen dem Haus des Herrn,<br />

unseres Gottes:<br />

Segen sei dir beschieden.<br />

Psalm 123<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Ich erhebe meine Augen zu dir,<br />

der du thronst im Himmel.<br />

Siehe, wie die Augen der Knechte<br />

auf die Hand ihres Herrn<br />

und wie die Augen der Magd<br />

auf die Hände der Herrin,<br />

so blicken unsere Augen zum Herrn,<br />

unserem Gott,<br />

bis er sich unser erbarmt.<br />

Erbarme dich unser, Herr,<br />

erbarme dich unser!<br />

Denn übersatt sind wir von Schmach.<br />

Übersatt ist unsere Seele<br />

vom Gespött der Satten und vom Hochmut<br />

der Stolzen.<br />

Psalm 124<br />

Ein Wallfahrtslied, von David.<br />

Wäre mit uns nicht gewesen<br />

der Herr,<br />

so mag Israel sagen,<br />

wäre mit uns nicht gewesen der Herr,<br />

da sich Menschen gegen uns stellten:<br />

sie hätten sie uns lebendig verschlungen,<br />

als entbrannte gegen uns ihre Wut.<br />

Es hätten uns verschlungen die Wasser,<br />

über uns wäre geflutet der Wildbach,<br />

überflutet hätten uns die brausenden Wasser.<br />

Der Herr sei gepriesen,<br />

er gab uns nicht ihren Zähnen zur Beute.<br />

Unsere Seele ist entkommen wie ein Vogel<br />

aus der Schlinge des Jägers.<br />

Zerrissen die Schlinge und wir sind frei.<br />

Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,<br />

der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />

Psalm 125<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

<strong>Die</strong> auf den Herrn vertrauen,<br />

sie gleichen dem Zionsberg,<br />

der nicht erschüttert wird,<br />

der bleibt auf ewig.<br />

Berge umschließen Jerusalem;<br />

so umschließt der Herr sein Volk<br />

jetzt und in Ewigkeit.<br />

Nicht verbleiben wird das Zepter der Bosheit<br />

Ps 0,00–0,00<br />

166


Fünftes Buch<br />

über dem Lande,<br />

das zugeteilt den Gerechten,<br />

auf dass der Gerechten Hand<br />

nicht greife nach Unrecht.<br />

Tu Gutes, o Herr, den Guten,<br />

denen, die lauteren Herzens sind.<br />

<strong>Die</strong> aber zu krummen Wegen sich neigen,<br />

Samt den Übeltätern vertreibe der Herr<br />

sie davon!<br />

Friede sei über Israel!<br />

Psalm 126<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Wenn die Stadt nicht behütet der Herr,<br />

so wacht vergeblich der Wächter.<br />

Umsonst, wenn ihr euch erhebt vor dem Tag,<br />

euch müht bis spät in die Nacht.<br />

Ihr esset das Brot einer harten Mühsal,<br />

doch den Seinen gibt der Herr es im Schlaf.<br />

Siehe, ein Geschenk des Herrn sind Söhne;<br />

die Frucht des Leibes ist Segen und Lohn.<br />

Wie in der Hand des Kriegers die Pfeile,<br />

so sind die Söhne aus den Jahren der Jugend.<br />

Heil dem Mann,<br />

der mit ihnen gefüllt seinen Köcher:<br />

nicht versagen sie im Streit mit dem<br />

Gegner im Tor.<br />

Als heimwärts führte der Herr<br />

die Gefangenen Zions,<br />

uns war, als geschah es im Traum.<br />

Da war von Lachen erfüllt unser Mund<br />

und unsere Zunge von Jubel.<br />

Da sagten sie unter den Völkern:<br />

Der Herr hat an ihnen Großes getan.<br />

Ja, Großes hat der Herr uns getan,<br />

wie wurden wir fröhlich.<br />

Wandle, o Herr, nun unser Geschick,<br />

wie du wandelst die Bäche im Südland.<br />

<strong>Die</strong> in Tränen säen,<br />

sie werden ernten in Freude.<br />

Weinend gehen sie dahin<br />

sie gehen und streuen den Samen.<br />

Doch kommen sie wieder mit Jauchzen,<br />

sie kommen und bringen ein ihre Garben.<br />

Psalm 127<br />

Ein Wallfahrtslied, von Salomo.<br />

Psalm 128<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Selig, der du fürchtest<br />

den Herrn,<br />

der du wandelst auf seinen Wegen!<br />

Was die Hand dir erwarb,<br />

du darfst es genießen;<br />

leben wirst du in Glück und Wohlergehen.<br />

Deine Frau im Gemach deines Hauses,<br />

sie gleicht der fruchtbaren Rebe.<br />

Und wie die jungen Zweige am Ölbaum,<br />

so sind ringsum deinen Tisch deine Kinder.<br />

Siehe, so wird der Mann gesegnet,<br />

der fürchtet den Herrn.<br />

Es segne der Herr dich von Zion,<br />

dass du schaust Jerusalems Glück<br />

alle Tage des Lebens!<br />

Und mögest du schauen die Kinder von<br />

deinen Kindern!<br />

Friede sei über Israel!<br />

Wenn das Haus nicht baut<br />

der Herr,<br />

die Bauleute mühen sich vergeblich.<br />

167 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 129<br />

Sie haben mich oft bedrängt<br />

von meiner Jugend an,<br />

– so soll Israel sagen –,<br />

sie haben mich viel befehdet<br />

seit meiner Jugend,<br />

doch sie haben mich nicht überwunden.<br />

<strong>Die</strong> Pflüger haben auf meinem Rücken<br />

gepflügt,<br />

sie haben lange Furchen gezogen.<br />

Aber der Herr ist gerecht,<br />

zerschnitten hat er die Seile der Frevler.<br />

Alle, die Zion hassen,<br />

sie sollen weichen in Schande.<br />

Sie sollen werden wie auf den Dächern<br />

das Gras,<br />

das verdorrt, eh man es ausreißt.<br />

Wer es erntet, füllt nicht seine Hand<br />

und nicht seinen Arm,<br />

wer Garben will sammeln.<br />

Und die vorüberkommen, grüßen euch nicht:<br />

Der Segen des Herrn sei über euch!<br />

Wir aber segnen euch im Namen des Herrn.<br />

Psalm 130<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Aus der Tiefe, o Herr,<br />

ruf ich zu dir:<br />

Höre, o Herr, meine Stimme!<br />

Möge achten dein Ohr<br />

auf mein flehendes Rufen!<br />

Wolltest du, Herr,<br />

der Sünde immer gedenken:<br />

Herr, wer könnte bestehen?<br />

Doch bei dir ist Vergebung der Sünden,<br />

auf dass man in Ehrfurcht dir diene.<br />

Ich hoffe auf den Herrn,<br />

es hofft meine Seele,<br />

ich warte auf sein Wort.<br />

Meine Seele erwartet den Herrn,<br />

mehr als der Wächter das Morgenrot.<br />

Ja, mehr als der Wächter das Morgenrot<br />

erwartet Israel seinen Herrn!<br />

Denn beim Herrn ist Erbarmen,<br />

bei ihm ist reiche Erlösung.<br />

Ja, er wird Israel erlösen<br />

von all seiner Missetat.<br />

Psalm 131<br />

Ein Wallfahrtslied, von David.<br />

O Herr, nicht hochmütig ist<br />

mein Herz,<br />

nicht erhebe ich stolz meine Augen.<br />

Nach großen Dingen jage ich nicht,<br />

nach Dingen, die mir zu hoch sind.<br />

Schweigen lehrte ich meine Seele,<br />

und ich schaffte ihr Frieden.<br />

Wie ein Kind auf dem Schoß der Mutter,<br />

wie ein Kind, so ruht meine Seele in mir.<br />

Israel, harre des Herrn<br />

heute und immerdar.<br />

Psalm 132<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Gedenke, o Herr, in Gnaden<br />

des David,<br />

gedenke all seiner Mühe,<br />

wie er geschworen hat dem Herrn,<br />

wie er gelobte Jakobs mächtigem Gott:<br />

Nicht will ich meines Herzens Wohnung<br />

betreten<br />

nicht zur Ruhe besteigen mein Lager,<br />

keinen Schlaf will ich gönnen den Augen,<br />

den Lidern keine Erquickung,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

168


Fünftes Buch<br />

bis ich gefunden eine Stätte für den Herrn,<br />

eine Wohnung dem Mächtigen Jakobs.<br />

Siehe, wir haben von ihr vernommen in Efrata,<br />

wir haben sie gefunden auf den Gefilden<br />

von Jaar.<br />

Lasst uns wallen zu seiner Wohnstatt,<br />

am Schemel seiner Füße niederfallen<br />

vor ihm!<br />

Erhebe dich, Herr, geh hin zum Ort<br />

deiner Ruhe,<br />

du und der Schrein deiner Herrlichkeit!<br />

Deine Priester sollen sich in Gerechtigkeit<br />

kleiden,<br />

deine Heiligen sollen frohlocken in Freude.<br />

Um deines Knechtes David willen,<br />

verschmähe nicht das Antlitz deines<br />

Gesalbten!<br />

Einen Eid hat der Herr David geschworen,<br />

wahrhaften Eid, von dem er nicht abgeht:<br />

Einen Spross aus deinem Geschlecht,<br />

ihn will ich erheben auf deinen Thron.<br />

Sind deine Söhne treu meinem Bund<br />

und treu den Geboten, die ich sie lehre,<br />

dann werden sitzen auch ihre Söhne<br />

auf deinem Thron für ewige Zeiten.<br />

Denn der Herr hat den Zion erwählt,<br />

auserkoren zu seiner Wohnstatt.<br />

<strong>Die</strong>s ist der Ort meiner Ruhe auf ewig,<br />

hier will ich wohnen,<br />

ihn habe ich mir erkoren.<br />

Segnen will ich seine Speise<br />

mit der Fülle des Segens,<br />

seine Armen will ich speisen mit Brot.<br />

Seine Priester will ich umkleiden mit Heil,<br />

seine Heiligen sollen frohlocken.<br />

Dort errichte ich dem David<br />

ein Zeichen der Macht,<br />

eine Leuchte bereite ich meinem Gesalbten.<br />

Seine Feinde will ich bedecken mit Schmach,<br />

doch auf ihm erstrahlt meine Krone.<br />

Psalm 133<br />

Ein Wallfahrtslied, von David.<br />

Seht, wie ist es lieblich und gut,<br />

wenn Brüder beisammen wohnen<br />

in Eintracht.<br />

Es ist wie köstliches Salböl,<br />

ausgegossen auf dem Haupt des Aaron,<br />

das niederträufelt vom Haupt zum Bart,<br />

das niederträufelt zum Saum seines<br />

Gewandes.<br />

Es ist wie Tau auf dem Hermon,<br />

wie Tau, der niederfällt auf den Zion.<br />

Denn dorthin entbietet Segen der Herr<br />

und Leben in Ewigkeit.<br />

Psalm 134<br />

Ein Wallfahrtslied.<br />

Wohlan, lobpreist den Herrn,<br />

all ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn!<br />

<strong>Die</strong> ihr steht im Haus des Herrn zu<br />

nächtlicher Stunde.<br />

Erhebt euere Hände zum Heiligtum<br />

und preist den Herrn!<br />

Es möge der Herr dich segnen vom Zion,<br />

er, der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />

Psalm 135<br />

Halleluja!<br />

Lobt den Namen des Herrn,<br />

lobpreist ihn, ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn,<br />

die ihr steht im Hause des Herrn,<br />

in den Hallen unseres Gottes.<br />

Lobt den Herrn, denn der Herr ist gut,<br />

lobsingt seinem mildreichen Namen.<br />

Denn der Herr hat sich Jakob erkoren,<br />

169 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

zu Eigen nahm er sich Israel.<br />

<strong>Die</strong>ses weiß ich: Groß ist der Herr,<br />

größer unser Gott als alle die Götter.<br />

Alles, was immer er will,<br />

der Herr vollbringt es im Himmel<br />

wie auf der Erde,<br />

im Meer und in allen Tiefen der Wasser.<br />

Er führt die Wolken heran<br />

von den Enden der Erde,<br />

er sendet Blitze und Regen,<br />

aus seinen Kammern holt er den Wind.<br />

Er schlug die Erstgeburt der Ägypter<br />

vom Menschen bis hinab zu dem Vieh.<br />

Über dich, Ägypten,<br />

ließ er kommen Wunder und Zeichen,<br />

über Pharao und all seine Knechte.<br />

Er schlug viele Völker der Heiden,<br />

und mächtige Könige streckte er hin.<br />

Sihon, den König der Amoriter,<br />

und Og, den König von Baschan,<br />

alle Könige von Kanaan.<br />

Und gab ihre Länder zum Eigentum,<br />

zum Eigentum Israel, seinem Volk.<br />

Dein Name, o Herr, wird bleiben in Ewigkeit,<br />

dein Gedächtnis, o Herr,<br />

von Geschlecht zu Geschlecht.<br />

Denn der Herr behütet sein Volk,<br />

seiner Knechte erbarmt er sich.<br />

Der Völker Götter sind Silber und Gold,<br />

gebildet von Menschenhand.<br />

Sie haben einen Mund<br />

und können nicht reden,<br />

sie haben Augen und sehen nicht.<br />

Sie haben Ohren und können nicht hören,<br />

in ihrem Mund ist kein Atem.<br />

Ihnen gleichen, die sie gebildet haben,<br />

und jeder, der ihnen vertraut.<br />

Ihr vom Haus Israel, preist den Herrn,<br />

ihr vom Haus Aaron, preist den Herrn,<br />

ihr vom Haus Levi, preist den Herrn,<br />

die ihr dient dem Herrn,<br />

lobpreist den Herrn!<br />

Der Herr sei gepriesen von Zion aus,<br />

er, der wohnt in Jerusalem.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 136<br />

Preist den Herrn,<br />

denn er ist gut,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />

Preist den Gott der Götter,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />

Preist den Herrn der Herren:<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />

Ihn der wirkt allein große Wunder,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der in Weisheit geschaffen den Himmel,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der hingebreitet die Erde über die Wasser,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der geschaffen die großen Lichter,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

die Sonne, dass sie regiere den Tag,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

den Mond und die Sterne,<br />

dass sie regieren die Nacht,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Der geschlagen die Erstgeburt der Ägypter,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der Israel herausgeleitet aus ihrer Mitte,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

mit starker Hand, mit erhobenem Arm,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der zerteilte das Schilfmeer,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der führte Israel mitten hindurch,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

und stürzte ins Meer den Pharao samt seiner<br />

Kriegsmacht,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der führte sein Volk durch die Wüste,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

170


Fünftes Buch<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Der große Könige schlug,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der besiegte mächtige Fürsten,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

Sihon, den König der Amoriter,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

und Og, den König von Baschan,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

er gab ihre Länder zum Eigentum,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

zum Eigentum Israel, seinem Knecht,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der unser gedachte in unserem Elend,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der uns befreite von unseren Feinden,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

der Nahrung spendet allem, was lebt,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />

Preist den Gott der Himmel,<br />

in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />

Psalm 137<br />

An den Flüssen von Babel<br />

saßen wir und weinten,<br />

da wir deiner gedachten, o Zion.<br />

An den Weiden in jenem Land,<br />

da hängten wir unsere Harfen auf.<br />

Denn Lieder wollten hören,<br />

die uns hinweggeführt hatten,<br />

die uns bedrückten, f<br />

orderten Freudengesang:<br />

Singt uns von Zion ein Lied!<br />

Wie sollten wir singen die Lieder des Herrn<br />

im Land der Fremden!<br />

Jerusalem, wollte ich deiner vergessen,<br />

vergessen auch sei meine Rechte.<br />

Es klebe mir die Zunge am Gaumen,<br />

sollte ich deiner nicht mehr gedenken,<br />

wollte ich nicht erheben Jerusalem<br />

über all meine Freude.<br />

Vergiss nicht, Herr, den Söhnen von Edom<br />

den Tag von Jerusalem,<br />

als sie schrien: Reißt nieder, reißt nieder,<br />

hinab mit ihm bis auf den Grund!<br />

Tochter Babel, Verwüsterin du,<br />

gesegnet, wer dir vergilt,<br />

was du uns Böses getan!<br />

Gesegnet, wer deine Kinder ergreift<br />

und sie zerschellt an dem Felsen!<br />

Psalm 138<br />

Von David.<br />

O Herr, von ganzem Herzen will<br />

ich dich preisen,<br />

weil du das Flehen meines Mundes<br />

gehört hast<br />

Im Angesichte der Engel will ich dir singen,<br />

mich niederwerfen<br />

vor deinem heiligen Tempel.<br />

Und preisen will ich deinen heiligen Namen<br />

ob deiner Güte und Treue.<br />

Denn du hast deinen Namen<br />

über alles erhoben<br />

und groß gemacht deine Verheißung.<br />

Ich rief zu dir und du hast mich erhört,<br />

du ließest erstarken die Kraft meiner Seele.<br />

Alle Könige der Erde sollen dich preisen,<br />

wenn sie vernehmen<br />

das Wort deines Mundes, o Herr.<br />

Sie werden singen von den Wegen des Herrn:<br />

Seht, groß ist die Herrlichkeit Gottes!<br />

Wahrhaftig, der Herr ist erhaben,<br />

auf die Niedrigen schaut er voll Huld,<br />

von ferne nur blickt er hin auf die Stolzen.<br />

Wenn ich wandle in Trübsal,<br />

bewahrst du mein Leben,<br />

du erhebst deine Hand gegen Zorn<br />

171 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

meiner Feinde,<br />

von deiner Rechten kommt mir das Heil.<br />

Der Herr vollendet, was ich begonnen habe!<br />

Deine Güte, o Herr,<br />

wird bleiben in Ewigkeit.<br />

Gib nicht auf das Werk deiner Hände!<br />

Psalm 139<br />

Dem Chormeister, von David, ein Psalm.<br />

Herr, du erforschest mich<br />

und du kennst mich.<br />

Wenn ich sitze und wenn ich stehe,<br />

du weißt es.<br />

Meine Gedanken schaust du von ferne,<br />

du schaust mich, wenn ich gehe und ruhe;<br />

all meine Wege sind dir vertraut.<br />

Ehe noch auf der Zunge das Wort liegt,<br />

siehe, Herr, schon weißt du um alles.<br />

Von rückwärts und vorne<br />

schließt du mich ein<br />

und du legst auf mich deine Hand.<br />

Wunderbar ist solches Wissen für mich,<br />

zu hoch, ich kann es nicht begreifen.<br />

Wohin soll ich flüchten vor deinem Geist,<br />

wohin vor deinem Antlitz entfliehen?<br />

Stiege ich zum Himmel empor,<br />

so bist du zugegen;<br />

wollte ich in der Unterwelt lagern,<br />

so bist du auch dort.<br />

Wollte ich Flügel mir leihen vom Morgenrot<br />

und ließe mich nieder am fernsten Gestade,<br />

auch dort noch wird deine Hand mich geleiten<br />

und halten mich deine Rechte.<br />

Und sagte ich auch:<br />

Es soll mich Finsternis bergen<br />

und Nacht mich umgeben,<br />

wie sonst das Licht,<br />

so ist doch Finsternis selbst nicht dunkel<br />

für dich,<br />

Nacht ist dir hell wie der Tag,<br />

das Dunkel ist vor dir wie das Licht.<br />

Du hast gebildet mein Innerstes;<br />

du hast mich im Schoß meiner Mutter<br />

gewoben.<br />

Ich preise dich, dass ich geschaffen bin<br />

so wunderbar,<br />

dass wunderbar all deine Werke,<br />

und meine Seele erkennt es sehr wohl.<br />

Nicht verborgen war vor dir mein Gebein,<br />

als ich gebildet wurde im Verborgenen,<br />

gewoben in den Tiefen der Erde.<br />

Mein Ungeformtes sahen deine Augen,<br />

und in dein Buch waren sie alle geschrieben,<br />

die Tage, die einst würden gebildet,<br />

von denen aber noch keiner da war.<br />

Wie unergründlich sind mir, o Gott,<br />

deine Pläne,<br />

wie unermesslich ist ihre Zahl!<br />

Wollte ich sie zählen,<br />

sie sind mehr als Körner im Sand;<br />

und käme ich ans Ende,<br />

ich wäre erst am Beginn.<br />

Ach, wolltest du, Gott,<br />

den Frevler doch schlagen,<br />

wollten die Blutbefleckten weichen von mir!<br />

Sie widersetzen sich dir voll der Tücke,<br />

überheben sich treulos als deine Feinde.<br />

Sollen mir nicht verhasst sein,<br />

die dich hassen, o Herr?<br />

Sollen mir zum Gräuel nicht sein,<br />

die gegen dich aufstehen?<br />

Ja, hassen will ich sie mit glühendem Hass,<br />

sie wurden mir selber zu Feinden.<br />

Durchforsche mich, Gott,<br />

und durchschaue mein Herz,<br />

prüfe mich und erkenne meine Gedanken!<br />

Und siehe, ob ich wandle den Weg<br />

des Verderbens,<br />

und führe mich den ewigen Weg!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

172


Fünftes Buch<br />

Psalm 140<br />

Dem Chormeister, ein Psalm, von David.<br />

Psalm 141<br />

Ein Psalm, von David.<br />

Rette mich, Herr, vor den bösen<br />

Menschen,<br />

schütze mich vor dem Mann der Gewalt,<br />

vor denen, die Böses sinnen im Herzen,<br />

die Streit erregen den ganzen Tag.<br />

Wie die Schlange machen sie scharf<br />

ihre Zunge,<br />

unter den Lippen haben sie Natterngift.<br />

Bewahre mich, Herr,<br />

vor den Händen des Frevlers,<br />

schütze mich vor dem Mann der Gewalt.<br />

Sie sinnen, wie ich käme zu Fall,<br />

die Stolzen, sie legen heimlich mir<br />

Schlingen.<br />

Sie spannen Stricke aus wie ein Netz,<br />

an meinem Wege stellen sie Fallen.<br />

Ich sage zum Herrn: Mein Gott bist du!<br />

Erhöre, o Herr, mein lautes Gebet!<br />

Herr und Gott, du meine mächtige Hilfe,<br />

du beschirmst mein Haupt<br />

am Tag des Kampfes.<br />

Gib mich nicht preis, o Herr,<br />

dem Begehren des Frevlers,<br />

seine Pläne lass nicht gelingen!<br />

<strong>Die</strong> mich umringen, sie erheben das Haupt,<br />

ihrer Lippen Bosheit treffe sie selber.<br />

Feuerbrände lasse er regnen auf sie,<br />

er stoße sie in die Grube,<br />

dass nimmer sie aufstehn.<br />

Der Mann der bösen Zunge<br />

hat auf Erden nicht Dauer,<br />

jäh wird das Unheil erjagen<br />

den Mann der Gewalt.<br />

Ich weiß, der Herr schafft Recht den Geringen,<br />

den Armen schafft er Gerechtigkeit.<br />

Ja, die Gerechten werden deinen Namen<br />

lobpreisen,<br />

die Redlichen dürfen wohnen<br />

vor deinem Angesicht.<br />

O Herr, ich rufe zu dir; komme<br />

bald, mir zu helfen;<br />

höre meine Stimme, wenn ich dich rufe!<br />

Wie Weihrauch steige empor zu dir<br />

mein Gebet,<br />

meiner Hände Erheben<br />

sei wie das Opfer am Abend.<br />

Stelle, o Herr, an meinen Mund eine Wache,<br />

eine Wehr an das Tor meiner Lippen.<br />

Lass nicht zu, dass mein Herz sich neige<br />

zum Bösen,<br />

dass ich vollbringe ruchlose Frevel<br />

mit den Menschen, die Böses tun.<br />

Nicht will ich essen von ihren üppigen<br />

Speisen.<br />

Mag der Gerechte mich schlagen,<br />

so ist es doch Güte,<br />

mag er mich rügen,<br />

es ist Öl auf mein Haupt.<br />

Dem wird sich mein Haupt nicht versagen,<br />

unter ihren Schlägen will ich immerfort<br />

beten.<br />

Den Felsen stieß man hinab ihre Führer,<br />

da merkten sie,<br />

wie mild gewesen mein Wort.<br />

Wie wenn man die Erde pflügt und zerreißt,<br />

so ist am Schlund der Unterwelt<br />

hingestreut ihr Gebein.<br />

Auf dich, mein Herr und Gott,<br />

sind meine Augen gerichtet;<br />

ich flüchte zu dir, lass nicht verloren sein<br />

meine Seele!<br />

Vor der Schlinge, die sie mir legten,<br />

bewahre mich<br />

und vor der Falle der Frevler.<br />

Fangen sollen sich die Frevler<br />

im eigenen Netz,<br />

indessen ich heil entkomme.<br />

173 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 142<br />

Ein Weisheitslied; von David, als er sich in der Höhle<br />

befand; ein Gebet.<br />

Mit lauter Stimme rufe ich<br />

zum Herrn,<br />

mit lauter Stimme flehe ich<br />

zu meinem Herrn.<br />

Ich gieße aus vor ihm meine Sorge,<br />

ich lege ihm dar meine Not.<br />

Mag auch bangen mein Geist,<br />

dennoch – du kennst meine Pfade.<br />

Auf dem Weg, den ich schreite,<br />

da legten sie heimlich mir Schlingen.<br />

Ich blicke zur Rechten und schaue,<br />

doch keiner ist,<br />

der sich kümmert um mich.<br />

Nirgends ein Ort,<br />

dass ich fände bei ihm eine Zuflucht,<br />

niemand, der um mein Leben sich sorgte.<br />

O Herr, ich rufe zu dir,<br />

ich sage: Du bist meine Zuflucht,<br />

mein Anteil im Land der Lebenden.<br />

Vernimm meine Klage,<br />

denn elend bin ich sehr.<br />

Errette mich von denen, die mich verfolgen,<br />

mächtiger sind sie als ich.<br />

Führe mich hinaus aus meinem Gefängnis,<br />

und deinem Namen sage ich Dank.<br />

Und es werden sich scharen um mich<br />

die Gerechten,<br />

sobald du mir wohlgetan hast.<br />

Psalm 143<br />

Ein Psalm, von David.<br />

Vernimm, o Herr, mein Gebet;<br />

in deiner Treue, o höre mein Flehen;<br />

erhöre mich in deiner Gerechtigkeit!<br />

Mit deinem Knecht gehe nicht ins Gericht,<br />

ist doch keiner vor dir gerecht, der da lebt.<br />

Denn der Feind verfolgt meine Seele,<br />

mein Leben trat er zu Boden,<br />

stieß mich ins Dunkel wie einen,<br />

der lange schon tot ist.<br />

Es verschmachtet in mir der Geist,<br />

das Herz in meinem Innern ist wie erstarrt.<br />

Ich gedenke vergangener Tage,<br />

all deinen Werken sinne ich nach,<br />

bedenke, was getan haben deine Hände.<br />

Meine Hände breite ich aus nach dir,<br />

meine Seele dürstet nach dir<br />

wie trockenes Land.<br />

Eile, o Herr, erhöre mich,<br />

siehe, es verschmachtet mein Geist.<br />

Dein Angesicht wende nicht ab von mir,<br />

sonst gleiche ich denen,<br />

die niedersteigen zur Grube.<br />

Lass deine Huld mich bald erfahren,<br />

denn ich vertraue auf dich.<br />

Tue mir kund, welchen Weg ich soll schreiten,<br />

ich erhebe zu dir meine Seele.<br />

Von meinen Feinden errette mich, Herr,<br />

ich hoffe auf dich.<br />

Lehre mich, deinen Willen zu tun,<br />

denn du bist mein Gott.<br />

Dein Geist ist voll Güte,<br />

er führe mich auf ebener Bahn.<br />

Um deines Namens willen belebe mich, Herr,<br />

in deiner Güte führe mich aus der Not!<br />

In deiner Huld lass zugrunde gehen<br />

meine Feinde;<br />

vernichte sie alle, die meine Seele<br />

bedrängen!<br />

Denn siehe, ich bin dein Knecht.<br />

Ps 0,00–0,00<br />

174


Fünftes Buch<br />

Psalm 144<br />

Von David.<br />

Der Herr sei gepriesen, mein Fels<br />

er lehrte meine Hände den Kampf<br />

und meine Finger den Krieg.<br />

Du, mein Erbarmen, du, meine Burg,<br />

mein starker Schutz, mein Befreier.<br />

Du, mein Schild, meine Zuflucht,<br />

du machst die Völker mir untertan.<br />

Herr, was ist doch der Mensch,<br />

dass du seiner dich annimmst,<br />

das Menschenkind,<br />

dass du seiner gedenkest?<br />

Es gleicht der Mensch dem Hauch der Luft,<br />

wie Schatten gehen dahin seine Tage.<br />

Neige deinen Himmel, o Herr,<br />

und fahre hernieder,<br />

die Berge rühre an und sie rauchen.<br />

Lass zucken die Blitze<br />

und zersprenge die Feinde,<br />

deine Pfeile sende ab und verwirre sie.<br />

Strecke aus deine Hand von der Höhe,<br />

rette mich aus mächtigen Wassern,<br />

aus der Gewalt der Fremden befreie mich.<br />

Ihr Mund redet Lüge,<br />

und Meineid schwört ihre Rechte.<br />

Ein neues Lied will ich dir singen, o Gott,<br />

auf der Zehnsaitenharfe will ich dir spielen,<br />

der du den Königen Sieg verleihst,<br />

der du David, deinen Knecht, hast errettet.<br />

Entreiße mich dem verderblichen Schwert,<br />

aus der Gewalt der Fremden befreie mich!<br />

Ihr Mund redet Lüge,<br />

und Meineid schwört ihre Rechte.<br />

Einer Pflanzung seien gleich unsere Söhne,<br />

hochgewachsen in ihrer Jugend.<br />

Unsere Töchter seien wie tragende Pfeiler,<br />

schlank wie die Säulen des Tempels.<br />

Reich gefüllt unsere Scheunen,<br />

von Überfluss an jeglicher Frucht.<br />

Tausendfach mögen sich mehren<br />

unsere Schafe,<br />

zehntausendfach auf unseren Fluren,<br />

fruchtbar seien unsere Rinder.<br />

Keine Bresche sei in der Mauer,<br />

es drohe keine Verbannung<br />

kein Wehruf erschalle auf unseren Straßen.<br />

Wohl dem Volk, dem dieses ist beschieden,<br />

wohl dem Volk, dessen Gott ist der Herr!<br />

Psalm 145<br />

Ein Loblied, von David.<br />

Ich will dich preisen, mein Gott<br />

und mein König,<br />

deinen Namen will ich rühmen<br />

in Ewigkeit.<br />

An allen Tagen will ich dich preisen,<br />

deinen Namen will ich loben in Ewigkeit.<br />

Groß ist der Herr und würdig des Lobes,<br />

unergründlich ist seine Größe.<br />

Ein Geschlecht rühmt deine Werke<br />

dem andern,<br />

alle deine Macht verkünden sie.<br />

Sie rühmen den hehren Glanz deiner Hoheit,<br />

weithin vermelden sie<br />

den Ruf deiner Wunder.<br />

Sie reden von der Macht<br />

deiner furchtbaren Taten,<br />

von deiner Größe geben sie Kunde.<br />

Sie rufen aus das Lob deiner Güte,<br />

sie jubeln über deine Gerechtigkeit.<br />

Der Herr ist barmherzig und mild,<br />

zögernd im Zorn und reich an Gnade.<br />

Der Herr ist gut zu allen,<br />

voll Erbarmen zu allem,<br />

was er geschaffen hat.<br />

Loben sollen dich, Herr, alle deine Werke,<br />

deine Heiligen sollen dich preisen.<br />

Sie sollen reden vom Glanz deines Reiches,<br />

von deiner Allmacht sollen sie singen:<br />

175 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

den Menschen deine Kraft zu bezeugen<br />

und den Ruhm deines herrlichen Reiches.<br />

Dein Königreich ist ewiges Reich,<br />

und deine Herrschaft währet<br />

durch alle Geschlechter.<br />

Getreu ist der Herr in all seinen Worten,<br />

in all seinen Werken heilig.<br />

Der Herr hält die Fallenden auf,<br />

er hebt empor die Gebeugten.<br />

Aller Augen warten auf dich,<br />

du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.<br />

Deine Hand tust du auf<br />

du erfüllst mit Güte alles, was lebt.<br />

Gerecht ist der Herr auf all seinen Wegen,<br />

in all seinen Werken heilig.<br />

Der Herr ist nahe allen, die zu ihm rufen,<br />

allen, die ihn rufen aus lauterem Herzen.<br />

Den Frommen gibt er nach ihrem Verlangen,<br />

er hört ihr Flehen und rettet sie.<br />

Alle behütet der Herr, die ihn lieben,<br />

die Frevler aber vernichtet er.<br />

Mein Mund verkünde das Lob des Herrn;<br />

und alles, was lebt,<br />

preise ewig seinen heiligen Namen.<br />

Psalm 146<br />

Halleluja!<br />

Lobe, meine Seele, den Herrn!<br />

Ich will loben den Herrn, solange ich lebe,<br />

meinem Gott lobsingen, solange ich bin.<br />

Baut nicht auf die Großen,<br />

nicht auf den Menschen,<br />

bei dem keine Hilfe ist!<br />

Sein Atem verlässt ihn,<br />

er kehrt zurück in den Staub;<br />

dahin sind all seine Pläne.<br />

Wohl dem, dessen Helfer ist Jakobs Gott,<br />

der die Hoffnung setzt auf Gott,<br />

seinen Herrn,<br />

auf ihn, der alles geschaffen hat,<br />

Himmel und Erde und Meer<br />

und all ihre Wesen.<br />

Seine Treue bewahrt er auf ewig,<br />

Unterdrückten schafft er Gerechtigkeit.<br />

Hungernden spendet er Brot,<br />

der Herr befreit die Gefangenen.<br />

Der Herr tut auf das Auge der Blinden.<br />

Der Herr hebt die Gebeugten empor,<br />

Es liebt der Herr die Gerechten.<br />

Der Herr behütet die Fremden,<br />

der Witwen und Waisen nimmt er sich an,<br />

doch den Weg der Gottlosen<br />

macht er zum Irrweg.<br />

Der Herr ist König in Ewigkeit,<br />

dein Gott, o Zion, durch alle Geschlechter!<br />

Halleluja!<br />

Psalm 147<br />

Halleluja!<br />

Lobet den Herrn, er ist gut!<br />

Singt unserem Gott, er ist mild!<br />

Ihm schulden wir Lobgesang.<br />

Der Herr baut Jerusalem neu,<br />

Israels Zerstreute holt er zusammen.<br />

Er heilt, die gebrochenen Herzens sind,<br />

verbindet all ihre Wunden.<br />

Den Sternen bestimmt er die Zahl,<br />

jeden ruft er bei seinem Namen.<br />

Groß ist der Herr und gewaltig an Kraft,<br />

unermesslich ist seine Weisheit.<br />

Der Herr hebt die Gebeugten empor,<br />

die Frevler aber drückt er zu Boden.<br />

Singt dem Herrn und sagt ihm Dank,<br />

spielt unserem Gott auf der Harfe!<br />

Ihm, der den Himmel überzieht mit Wolken<br />

und Regen bereitet der Erde;<br />

der auf den Bergen lässt sprossen das Gras<br />

und die Kräuter,<br />

Ps 0,00–0,00<br />

176


Fünftes Buch<br />

dass sie dienen dem Menschen.<br />

Den Tieren spendet er Nahrung,<br />

den jungen Raben, die schreien zu ihm.<br />

Keine Freude hat er an kräftigen Rossen,<br />

kein Gefallen an der Stärke des Kriegers.<br />

Der Herr hat Gefallen an denen,<br />

die ihn fürchten,<br />

an denen, die vertrauen auf seine Huld.<br />

Jerusalem, lobe den Herrn,<br />

deinen Gott lobpreise, o Zion!<br />

Deiner Tore Riegel hat er gefestigt,<br />

gesegnet in dir deine Söhne.<br />

Deine Grenzen hat er geordnet in Frieden,<br />

er nährt dich mit dem Mark des Weizens.<br />

Er sendet nieder sein Wort zur Erde,<br />

seine Befehle eilen dahin.<br />

Schnee gibt er wie Wolle,<br />

wie Asche streut er den Reif.<br />

Er schleudert wie Brocken den Hagel,<br />

vor seinem Frost erstarren die Wasser.<br />

Er sendet sein Wort und lässt tauen,<br />

seinen Wind lässt er wehen,<br />

es fließen die Wasser.<br />

Er hat sein Wort verkündet an Jakob,<br />

an Israel sein Recht und Gebot.<br />

So hat er an keinem Volke getan,<br />

keinem andern seine Rechte verkündet.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 148<br />

Halleluja!<br />

Lobt den Herrn vom Himmel her,<br />

lobt den Herrn in der Höhe!<br />

Lobt ihn, all seine Engel,<br />

lobt ihn, all seine himmlischen Heere!<br />

Lobt ihn, Sonne und Mond,<br />

lobt ihn, ihr leuchtenden Sterne!<br />

Lobt ihn, ihr obersten Himmel,<br />

all ihr Wasser in den Höhen der Himmel!<br />

Sie sollen loben den Namen des Herrn;<br />

denn er befahl und sie waren geschaffen.<br />

Er stellte sie hin für immer und ewig,<br />

ein Gesetz gab er ihnen,<br />

das niemals vergeht.<br />

Lobt den Herrn von der Erde her,<br />

ihr Meeresriesen und alle Tiefen der Meere,<br />

Feuer und Hagel, Wolken und Schnee,<br />

brausende Stürme,<br />

die ihr vollführt seinen Willen,<br />

all ihr Berge und Hügel,<br />

ihr Früchte tragenden Bäume<br />

und all ihr Zedern,<br />

ihr Tiere alle in Wald und Feld,<br />

Kriechtiere und gefiederte Vögel,<br />

ihr Könige der Erde und alle ihr Völker,<br />

ihr Fürsten und ihr Richter der Erde,<br />

ihr Jünglinge und ihr Jungfrauen all,<br />

ihr Greise,<br />

vereint mit dem Chor der Kinder!<br />

Lobt alle den Namen des Herrn;<br />

denn sein Name allein ist erhaben,<br />

seine Hoheit überragt Himmel und Erde.<br />

Hoch erhoben hat er die Macht seines Volkes.<br />

Zum Ruhme gereicht es all seinen Heiligen,<br />

Israels Söhnen, dem Volk, das ihm nahe.<br />

Halleluja!<br />

177 Ps 0,00–0,00


<strong>Die</strong> Psalmen<br />

Psalm 149<br />

Halleluja!<br />

Singt dem Herrn ein neues Lied!<br />

Sein Lob ertöne in der Gemeinde der Frommen.<br />

Israel freue sich seines Schöpfers,<br />

ihres Königs mögen sich freuen die Kinder von Zion.<br />

Preisen sollen sie seinen Namen mit Reigen,<br />

ihm spielen mit Pauken und Harfen!<br />

Denn Wohlgefallen hat an seinem Volk der Herr,<br />

die Gebeugten krönt er mit Sieg.<br />

<strong>Die</strong> Heiligen sollen jubeln in Herrlichkeit,<br />

auf ihren Lagern frohlocken:<br />

Auf ihren Lippen der Lobgesang Gottes,<br />

zweischneidige Schwerter in ihren Händen,<br />

Rache zu vollziehen an den Völkern,<br />

Strafgerichte unter den Nationen,<br />

Könige zu legen in Ketten,<br />

Fürsten in eiserne Fesseln,<br />

zu vollstrecken an ihnen den Spruch des Gerichtes.<br />

Solche Ehre wird all seinen Frommen zuteil.<br />

Halleluja!<br />

Psalm 150<br />

Halleluja!<br />

Lobt den Herrn in seinem Heiligtum,<br />

lobt den Herrn in seiner mächtigen Feste!<br />

Lobt ihn für seine gewaltigen Taten,<br />

lobt ihn in seiner herrlichen Macht!<br />

Lobt ihn mit dem Hall der Posaunen,<br />

lobt ihn mit Psalter und Harfe!<br />

Lobt ihn mit Pauken und Reigen,<br />

lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel!<br />

Lobt ihn mit klingenden Zimbeln,<br />

lobt ihn mit dem Schall der rauschenden Zimbeln!<br />

Alles, was Atem hat,<br />

lobe den Herrn!<br />

Halleluja!<br />

Ps 0,00–0,00<br />

178


181 Status<br />

Das<br />

Buch<br />

der<br />

Sprichwörter


DAS<br />

BUCH<br />

DER<br />

SPRICH -<br />

WÖRTER<br />

—<br />

Kapitel 1-9<br />

Sprichwörter Salomos<br />

—<br />

Kapitel 10,1–22,16<br />

Sprichwörter Salomos<br />

—<br />

Kapitel 22,17–24,22<br />

Worte der Weisen<br />

—<br />

Kapitel 24,23–24,34<br />

Auch diese Stammen von<br />

Weisen<br />

—<br />

Kapitel 25–29<br />

Auch dies sind Sprichwörter<br />

Salomos<br />

—<br />

Kapitel 30<br />

Worte Argurs<br />

—<br />

Kapitel 31<br />

Worte LemuËls


1 Empfehlung der Weisheit<br />

<strong>Die</strong> Sprichwörter Salomos<br />

Kapitel 1<br />

—<br />

Des Sohnes Davids, Des Königs von Israel:<br />

Dass man Weisheit und Zucht lerne,<br />

die Worte der Einsicht verstehe<br />

und Zucht und Verständnis sich aneigne,<br />

Gerechtigkeit, Recht und Geradheit.<br />

Sie verleihen den Unerfahrenen Klugheit,<br />

der Jugend Erkenntnis und Umsicht.<br />

Hört sie der Weise, so mehrt er das Wissen,<br />

und der Einsichtige lernt kluge Führung,<br />

dass er verstehe Sinnspruch und Gleichnis,<br />

Worte der Weisen und ihre Rätsel.<br />

Furcht des Herrn ist Anfang der Erkenntnis;<br />

nur Toren verachten Weisheit und Zucht.<br />

183 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

—<br />

Höre, mein Sohn, auf deines Vaters Warnung,<br />

und missachte nicht deiner Mutter Belehrung!<br />

Sie sind ja deinem Haupt ein anmutiger Kranz<br />

und deinem Hals ein Geschmeide.<br />

Mein Sohn, wenn Sünder dich verleiten wollen,<br />

so willige nicht ein!<br />

Sagen sie etwa: Komm doch mit uns,<br />

wir lauern auf Blut,<br />

legen dem Schuldlosen Hinterhalt ohne Grund.<br />

Wie die Unterwelt verschlingen wir sie lebendig,<br />

Gesunde wie solche, die ins Grab müssen.<br />

Wir erlangen wertvolles Gut aller Art,<br />

füllen mit Beute unsere Häuser.<br />

Du darfst dein Los in unserer Mitte werfen,<br />

der Beutel sei uns allen gemeinsam!<br />

Mein Sohn, mit ihnen mach dich nicht auf den Weg,<br />

von ihrem Pfad halte deinen Fuß zurück!<br />

Ihre Füße laufen ja dem Bösen zu<br />

und eilen zum Blutvergießen.<br />

Vergeblich wird das Netz ausgespannt,<br />

vor den Augen aller Vögel.<br />

Doch lauern sie auf ihr eigenes Blut,<br />

legen Hinterhalt dem eigenen Leben.<br />

So enden alle, die Raubgut erraffen;<br />

seinem Besitzer raubt es das Leben.<br />

Laut ruft die Weisheit auf den Gassen,<br />

erhebt auf den Plätzen die Stimme.<br />

Ruft an der Ecke der lärmenden Straßen,<br />

hält am Eingang der Tore, in der Stadt ihre Reden:<br />

Wie lang noch, ihr Unreifen, liebt ihr die Unreife,<br />

gefällt den Dreisten ihr dreistes Geschwätz,<br />

ist den Toren Einsicht verhasst?<br />

Kehrt euch doch meiner Mahnung zu!<br />

Dann will ich meinen Geist vor euch verströmen,<br />

euch meine Worte kundtun:<br />

Weil ihr, als ich rief, euch geweigert habt,<br />

als ich die Hand ausstreckte, niemand darauf achtete;<br />

weil ihr all meinen Rat in den Wind geschlagen<br />

und meine Mahnung nicht angenommen habt,<br />

so will auch ich bei euerem Unglück lachen,<br />

spotten, wenn euch der Schrecken überfällt,<br />

Spr 0,00–0,00<br />

184


3 Empfehlung der Weisheit<br />

wenn euch einem Unwetter gleich der Schrecken befällt<br />

und euer Unglück wie ein Sturmwind sich naht,<br />

wenn Not und Drangsal über euch kommen.<br />

Dann rufen sie mich an, doch ich antworte nicht;<br />

sie suchen mich, doch werden sie mich nicht finden.<br />

Weil ihnen Einsicht verhasst war,<br />

sie der Furcht des Herrn nicht den Vorzug gaben,<br />

auf meinen Rat nicht eingingen,<br />

jede Mahnung von mir verschmähten:<br />

So sollen sie nun die Frucht ihres Wandels kosten,<br />

von ihren Anschlägen sich sättigen.<br />

Ja, die Abkehr der Einfältigen bringt sie selbst um;<br />

ihre eigene Sorglosigkeit richtet die Toren zugrunde.<br />

Doch wer auf mich hört, wird sicher wohnen,<br />

kann ruhig sein, ohne Bangen vor Unheil!<br />

Kapitel<br />

—<br />

Mein Sohn, nimmst du meine Worte an,<br />

bewahrst dir meine Gebote,<br />

indem du der Weisheit dein Ohr neigst,<br />

dein Herz der Einsicht zuwendest,<br />

wenn du rufst nach Verständnis,<br />

deine Stimme nach Einsicht verlangt;<br />

wenn du nach ihr wie nach Silber suchst,<br />

ihr nachspürst wie Schätzen,<br />

dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen<br />

und Gottes Erkenntnis gewinnen.<br />

Denn Weisheit verleiht nur der Herr;<br />

aus seinem Mund<br />

kommt Erkenntnis und Einsicht;<br />

er hält Beistand bereit den Redlichen,<br />

ist denen ein Schild, die rechtschaffen leben.<br />

Er hütet die Pfade des Rechts<br />

und bewacht den Weg derer, die ihm treu sind.<br />

Dann verstehst du, was Gerechtigkeit und Recht ist,<br />

Geradheit und jede gute Bahn;<br />

denn Weisheit zieht ein in dein Herz,<br />

und Erkenntnis erfreut deine Seele,<br />

Besonnenheit wacht über dir,<br />

und Einsicht wird dich behüten,<br />

dich zu bewahren vor schlechtem Weg,<br />

vor Leuten, die Verkehrtes reden,<br />

die die geraden Pfade verlassen,<br />

185 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

um auf dunklen Wegen zu gehen;<br />

denen es Freude macht, Schlechtes zu tun,<br />

die jauchzen über die Verkehrtheit des Schlechten,<br />

deren Pfade gewunden sind<br />

und die auf krummen Gleisen fahren.<br />

Auch bewahrt sie dich vor der Frau eines anderen,<br />

vor der Fremden mit ihren verführenden Reden,<br />

die den Freund ihrer Jugend verlässt<br />

und den Bund ihres Gottes vergisst.<br />

Ja, ihr Haus führt zur Totenwelt hinunter;<br />

zu den Totengeistern hinab gehen ihre Bahnen.<br />

Wer bei ihr einkehrt, kommt nie mehr zurück,<br />

erreicht nie wieder die Pfade des Lebens.<br />

Darum geh den Weg der Guten,<br />

halte ein der Gerechten Pfade!<br />

Denn die Redlichen werden im Land wohnen,<br />

die Rechtschaffenen darin bleiben.<br />

Doch die Frevler werden vertilgt aus dem Land,<br />

die Abtrünnigen herausgerissen.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Mein Sohn, vergiss meine Lehre nicht,<br />

dein Herz bewahre meine Gebote!<br />

Denn viele Tage und Jahre des Lebens<br />

und Wohlergehen fügen sie dir hinzu.<br />

Nie dürfen dich Liebe und Treue verlassen;<br />

binde sie an deinen Hals,<br />

auf deines Herzens Tafel schreibe sie!<br />

Dann findest du Gunst und Wohlgefallen<br />

vor den Augen Gottes und der Menschen.<br />

Vertraue ganzen Herzens auf den Herrn,<br />

doch baue nicht auf eigene Klugheit.<br />

Auf all deinen Wegen such ihn zu erkennen,<br />

dann wird er selbst deine Pfade ebnen.<br />

Halte dich nicht selbst für weise,<br />

fürchte vielmehr den Herrn und meide das Böse!<br />

<strong>Die</strong>s ist heilsam für deinen Leib,<br />

für deinen Körper ein Labsal.<br />

Ehre den Herrn mit deinem Vermögen,<br />

mit den Erstlingen von allem, was einkommt.<br />

So füllen sich mit Korn deine Speicher,<br />

und deine Fässer laufen über von Wein.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

186


4 Empfehlung der Weisheit<br />

Nicht weise von dir, mein Sohn, die Zucht des Herrn,<br />

und seiner Zurechtweisung widerstrebe nicht.<br />

Wen der Herr liebt, den weist er zurecht,<br />

wie ein Vater den Sohn, dem er wohl will.<br />

Glücklich der Mann, der Weisheit gefunden,<br />

der Mensch, der Einsicht erlangt hat.<br />

Denn besser ist es, sie zu erwerben als Silber,<br />

und sie zu bekommen ist mehr wert als Gold.<br />

Sie ist kostbarer als Korallen,<br />

und alle deine kostbaren Steine.<br />

In der Rechten hält sie langes Leben;<br />

in der Linken Reichtum und Ehre.<br />

Ihre Wege sind Wege der Freude,<br />

auf all ihren Pfaden ist Wohlergehen.<br />

Wer nach ihr greift, dem ist sie ein Lebensbaum,<br />

und wer sie festhält, ist glücklich zu preisen.<br />

Der Herr hat mit Weisheit die Erde gegründet,<br />

mit Einsicht den Himmel gefestigt.<br />

Durch seine Erkenntnis brachen die Urfluten auf,<br />

träufeln die Wolken den Tau herab.<br />

—<br />

Mein Sohn, verliere sie nie aus den Augen,<br />

bewahre Klugheit und Umsicht!<br />

So werden sie deiner Seele zum Leben<br />

und deinem Halse zum Schmuck.<br />

Dann gehst du sicher deinen Weg<br />

und stößt nicht an mit deinem Fuß.<br />

Setzt du dich nieder, so brauchst du nicht zu bangen,<br />

und ruhst du, so schläfst du erquickend.<br />

Du musst dich nicht fürchten vor plötzlichem Schrecken,<br />

vor dem Unwetter über die Frevler, das kommt.<br />

Denn der Herr wird deine Zuversicht sein,<br />

er bewahrt deinen Fuß vor dem Fallstrick.<br />

Enthalte dem die gute Tat nicht vor, der sie braucht,<br />

wenn in deiner Macht steht, es zu tun!<br />

Zum Nächsten sage nicht: Geh! Komm nochmals,<br />

morgen gebe ich!, wo du es gleich kannst.<br />

Plane nichts Böses gegen deinen Nächsten,<br />

während er arglos bei dir sitzt.<br />

Bring keinen Menschen grundlos vor Gericht,<br />

wenn er dir nichts Böses getan hat.<br />

Beneide nicht den Mann der Gewalttat,<br />

und wähle keinen seiner Wege.<br />

187 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Der Herr verabscheut ja, die auf Abwegen sind;<br />

doch mit den Redlichen lebt er vertraut.<br />

Der Fluch des Herrn liegt auf dem Haus des Frevlers,<br />

die Stätte der Gerechten segnet er.<br />

Für Spötter hat er selbst nur Spott;<br />

den Duldern aber schenkt er Huld.<br />

<strong>Die</strong> Weisen werden Ehre erlangen,<br />

doch Schande erben die Toren.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Ihr Söhne, hört auf die Mahnung des Vaters,<br />

merkt auf, um Einsicht zu lernen!<br />

Denn gute Lehre gebe ich euch,<br />

meine Weisung, verlasst sie nicht!<br />

Als ich nämlich noch ein Knabe war beim Vater,<br />

das zarte und einzige Kind meiner Mutter,<br />

da belehrte er mich und sagte zu mir:<br />

—<br />

O halte fest meine Worte im Herzen,<br />

bewahre meine Gebote, dann lebst du glücklich.<br />

Erwirb dir Weisheit, erwirb dir Einsicht,<br />

vergiss sie nicht und weich nicht ab von meines Mundes Worten!<br />

Lass nicht von ihr, so bewahrt sie dich;<br />

behalte sie lieb, dann behütet sie dich.<br />

Der Weisheit Anfang ist: Erwirb dir Weisheit,<br />

erwirb dir Einsicht mit deinem ganzen Vermögen!<br />

Halte sie hoch, dann erhöht sie dich;<br />

sie bringt dich zu Ehren, wenn du sie umarmst.<br />

Sie setzt dir aufs Haupt einen schönen Kranz,<br />

eine prachtvolle Krone schenkt sie dir.<br />

Höre, mein Sohn, nimm an meine Worte,<br />

dann werden dir zahlreich die Lebensjahre.<br />

Den Weisheitsweg will ich dir weisen,<br />

ich lasse auf gerader Bahn dich ziehen.<br />

Gehst du, so ist dein Schreiten ungehemmt,<br />

und wenn du läufst, wirst du nicht straucheln.<br />

Halte fest an der Zucht, lass nicht davon ab,<br />

bewahre sie, sie ist ja dein Leben.<br />

Den Pfad der Frevler betritt nicht,<br />

wandle nicht auf dem Weg der Bösen!<br />

Verlass ihn, geh nicht darauf weiter,<br />

bieg von ihm ab und geh vorbei!<br />

Spr 0,00–0,00<br />

188


5 Empfehlung der Weisheit<br />

Denn sie schlafen nicht, wenn sie nicht Böses getan;<br />

um ihren Schlaf ist’s geschehen, wenn sie niemand zu Fall gebracht.<br />

Ja sie essen des Frevels Brot<br />

und trinken den Wein der Gewalttat.<br />

Der Gerechten Pfad ist wie Morgenlicht,<br />

das heller und heller wird bis zum vollen Tag.<br />

Doch der Frevler Weg ist wie dunkle Nacht;<br />

so erkennen sie nicht, worüber sie straucheln.<br />

—<br />

Achte, mein Sohn, auf meine Worte,<br />

meinen Reden wende dein Ohr zu!<br />

Lass sie nie aus den Augen,<br />

bewahre sie mitten im Herzen!<br />

Denn wer sie gefunden hat, für den sind sie Leben<br />

und für den Körper eines jeden Heilung.<br />

Mit der größten Vorsicht hüte dein Herz;<br />

von ihm geht ja das Leben aus!<br />

Halte von dir Falschheit des Mundes,<br />

und entferne Verkehrtheit der Lippen!<br />

Deine Augen sollen geradeaus schauen<br />

und deine Blicke nach vorn gerichtet sein.<br />

Verschaffe deinem Fuß ebene Bahn,<br />

und all deine Wege seien gefestigt.<br />

Bieg nicht ab nach rechts oder links,<br />

halt fern deinen Fuß vom Bösen!<br />

Kapitel<br />

—<br />

Achte, mein Sohn, auf meine Weisheit,<br />

wende dein Ohr meiner Einsicht zu,<br />

dass du Besonnenheit behältst<br />

und deine Lippen die Erkenntnis bewahren.<br />

Denn die Lippen der Fremden triefen von Honig,<br />

und glatter als Öl ist ihr Gaumen.<br />

Doch zuletzt ist sie bitter wie Wermut,<br />

scharf wie ein Schwert mit zwei Schneiden.<br />

Ihre Füße steigen zum Tod hinab;<br />

ihre Schritte halten fest auf die Unterwelt zu.<br />

Sie hält den Pfad des Lebens nicht ein,<br />

ihre Bahnen sind unstet, sie achtet es nicht.<br />

Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich,<br />

und weicht nicht ab von den Worten meines Mundes!<br />

Halte fern von ihr deinen Weg,<br />

komm der Tür ihres Hauses nicht nahe.<br />

189 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Sonst gibst du anderen deine Würde preis<br />

und deine Jahre einem Grausamen;<br />

sonst sättigen Freunde sich von deinem Vermögen;<br />

was du mühsam erworben, kommt in eines anderen Haus.<br />

Dann müsstest du zuletzt noch stöhnen,<br />

wenn Leib und Fleisch dir dahingeschwunden,<br />

und bekennen:<br />

Wie war mir Ermahnung verhasst,<br />

und mein Herz verschmähte die Warnung.<br />

Ich hörte nicht auf die Stimme meiner Erzieher,<br />

und wandte das Ohr meinen Lehrern nicht zu.<br />

Fast wäre es mir ganz böse ergangen<br />

inmitten der versammelten Gemeinde.<br />

Trink Wasser aus deiner eignen Zisterne,<br />

nur was aus deinem Brunnen quillt.<br />

Sollen sich denn deine Quellen nach außen ergießen,<br />

deine Wasserbäche auf die freien Plätze?<br />

Sie sollen dir allein gehören<br />

und nicht auch anderen neben dir.<br />

Dein Brunnen sei gesegnet;<br />

freu dich der Frau deiner Jugend:<br />

<strong>Die</strong> liebliche Gazelle, die anmutige Gemse!<br />

Ihre Brüste sollen dich allzeit berauschen,<br />

ihre Liebe mache dich immerfort trunken!<br />

Was sollst du dich an einer Fremden berauschen, mein Sohn,<br />

den Leib einer Fremden umfangen?<br />

Fürwahr, der Weg eines jeden liegt klar vor den Augen des Herrn;<br />

er achtet auf all seine Pfade.<br />

Den Frevler fangen seine eigenen Vergehen;<br />

von den Stricken seiner Sünde wird er gehalten.<br />

Er wird sterben aus Mangel an Zucht,<br />

seiner großen Torheit wegen kommt er zu Fall.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Mein Sohn, bist du bei deinem Nächsten Bürge geworden,<br />

hast einem Fremden den Handschlag gegeben,<br />

und bist so verstrickt durch die Worte deines Mundes,<br />

gefangen durch die Worte deines Mundes:<br />

So tu denn dies, mein Sohn, um dich zu befreien –<br />

denn du bist in die Hand deines Nächsten geraten –:<br />

Geh unverzüglich hin und bestürme deinen Nächsten!<br />

Spr 0,00–0,00<br />

190


Das Buch der Sprichwörter<br />

Sie bewahren dich vor der Frau des Nächsten,<br />

vor der glatten Zunge der Fremden.<br />

Begehre nicht im Herzen nach ihrer Schönheit!<br />

Von ihren Blicken lass dich nicht fangen!<br />

Denn bei der Dirne steht ein Stück Brot auf dem Spiel,<br />

eine Ehebrecherin aber macht Jagd aufs teuere Leben.<br />

Kann man Feuer im Bausch des Gewandes bergen,<br />

ohne dass die Kleider in Brand geraten?<br />

Oder schreitet einer auf Kohlenglut,<br />

ohne sich die Füße zu verbrennen?<br />

So auch, wenn einer zur Frau seines Nächsten geht.<br />

Keiner bleibt straflos, der sie berührt.<br />

Verachtet man nicht auch den <strong>Die</strong>b, der stiehlt,<br />

um seine Gier, da ihn hungert, zu befriedigen?<br />

Ertappt, muss er es siebenfach ersetzen,<br />

gibt alle Habe seines Hauses hin.<br />

Doch wer Ehebruch begeht, dem mangelt Verstand;<br />

dies tut nur, wer selbst sein Leben vernichten will.<br />

Schläge und Schande trägt er davon,<br />

und seine Schmach wird nie gelöscht.<br />

Denn Eifersucht erweckt den Grimm des Mannes;<br />

am Rachetag übt er keine Schonung.<br />

Keinerlei Sühnegeld kann ihn versöhnen;<br />

bietest du auch noch so viel, er willigt nicht ein.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Bewahre, mein Sohn, meine Worte,<br />

und meine Gebote bewahre bei dir!<br />

Achte auf meine Gebote –, dann bleibst du am Leben,<br />

hüte meine Lehre wie deinen Augapfel!<br />

Binde sie dir an die Finger,<br />

schreibe sie dir auf die Tafel des Herzens!<br />

Sprich zur Weisheit: Du meine Schwester!,<br />

und nenne die Klugheit deine Freundin.<br />

So bewahrt sie dich vor der Frau eines anderen,<br />

vor der Fremden, die verführerisch redet.<br />

Denn aus dem Fenster meines Hauses,<br />

durch das Gitter schaute ich hinaus,<br />

da sah ich unter den arglosen jungen Leuten<br />

einen jungen Mann ohne Verstand:<br />

Er ging über die Straße, bog um die Ecke,<br />

und nahm dann den Weg zu ihrem Haus.<br />

Es war im Zwielicht zwischen Tag und Abend,<br />

beim Einbruch des nächtlichen Dunkels.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

192


8 Empfehlung der Weisheit<br />

Da begegnet ihm eine Frau,<br />

im Kleid der Dirnen, mit listiger Absicht.<br />

Voll Leidenschaft war sie und unbeherrscht,<br />

ihre Füße wollten nicht zu Hause bleiben.<br />

Bald auf der Straße, bald auf den Plätzen,<br />

an jeder Ecke lauerte sie.<br />

Da hielt sie ihn fest, küsste ihn<br />

und sagte zu ihm mit frechem Gesicht:<br />

Ich war noch Opfer schuldig,<br />

habe heute mein Gelübde erfüllt.<br />

Deshalb ging ich aus, dir zu begegnen,<br />

dich zu treffen; nun habe ich dich gefunden.<br />

Mit Decken hab’ ich mein Lager bereitet,<br />

mit bunten Tüchern aus ägyptischem Leinen.<br />

Mein Bett habe ich mit Wohlgerüchen besprengt<br />

von Myrrhe, Aloe und Zimt.<br />

So komm, wir trinken Liebeslust bis zum Morgen,<br />

an Liebesfreuden wollen wir uns ergötzen!<br />

Denn mein Mann ist nicht zu Hause,<br />

ist auf Reisen weit fort.<br />

Den Beutel mit dem Geld nahm er mit;<br />

erst am Vollmondstag kehrt er heim.<br />

Durch ihre Überredungskunst verführt sie ihn,<br />

verleitet ihn mit dem Trug ihrer Lippen.<br />

Betört folgt er ihr,<br />

wie ein Ochse zum Schlachthaus geht<br />

und wie ein Hirsch, der sich verfängt in der Schlinge,<br />

bis ein Pfeil ihm die Leber durchbohrt;<br />

wie ein Vogel sich ins Fangnetz stürzt<br />

und nicht sieht, dass es sein Leben kostet.<br />

Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich,<br />

und hört auf meines Mundes Worte!<br />

Nicht schweife dein Herz auf ihre Wege ab,<br />

verirre dich nicht auf ihre Pfade!<br />

Denn zahlreich sind die Erschlagenen, die sie gefällt hat,<br />

alle von ihr Gemordeten eine gewaltige Zahl.<br />

Ihr Haus ist ein Weg, der zur Unterwelt führt,<br />

hinab in die Kammern des Todes.<br />

193 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Kapitel<br />

—<br />

Ruft nicht die Weisheit,<br />

erhebt nicht die Einsicht ihre Stimme?<br />

Auf dem Gipfel der Höhen,<br />

an der Kreuzung der Wege steht sie,<br />

bei den Toren am Stadtausgang,<br />

am Eingang der Pforten ruft sie laut:<br />

An euch, ihr Männer, ergeht mein Ruf,<br />

euch gilt meine Stimme, ihr Menschen:<br />

Nehmt Klugheit an, ihr Gedankenlosen,<br />

ihr Törichten, gewinnt Verstand!<br />

Hört zu, denn ich verkünde nur, was recht ist;<br />

zu Redlichem tun sich meine Lippen auf.<br />

Denn Wahrheit bewegt meinen Mund,<br />

doch Frevel ist meinen Lippen ein Abscheu.<br />

Gerecht sind alle Worte meines Mundes,<br />

nichts Verdrehtes oder Falsches ist darin.<br />

Dem Einsichtigen sind sie allesamt recht<br />

und denen richtig, die Erkenntnis fanden.<br />

Nehmt meine Weisung lieber als Silber an;<br />

begehrenswerter als Gold sei Erkenntnis!<br />

Ja, Weisheit ist besser als Korallen;<br />

alle Kostbarkeiten wiegen sie nicht auf<br />

Ich, die Weisheit, verweile bei der Klugheit,<br />

auch Erkenntnis guter Pläne findet sich bei mir.<br />

<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist der Abscheu vor dem Bösen.<br />

Hochmut und Hoffart, böser Wandel<br />

und Verkehrtheit des Mundes sind mir ja verhasst.<br />

Bei mir ist Rat und Erfolg;<br />

ich bin die Einsicht, bei mir ist Starkmut.<br />

Durch mich regieren die Könige,<br />

verfügen die Träger des Amtes das Rechte.<br />

Durch mich herrschen die Fürsten<br />

und richten die Edlen nach Gerechtigkeit.<br />

<strong>Die</strong> mich lieben, die liebe ich wieder;<br />

wer mich sucht, findet mich.<br />

Reichtum und Ehre liegen bei mir,<br />

stattliches Gut und Gerechtigkeit.<br />

Meine Früchte sind besser als Gold, ja als Feingold;<br />

mein Ertrag übertrifft erlesenes Silber.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

194


Ich wandle den Weg der Gerechtigkeit<br />

und mitten auf des Rechtes Pfaden.<br />

So verleihe ich denen Besitz, die mich lieben,<br />

und fülle ihre Speicher.<br />

Mich hat der Herr geschaffen als Erstling seines Waltens,<br />

vor seinen Werken in der Urzeit.<br />

Ich wurde vor aller Zeit gebildet,<br />

von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde.<br />

Als die Urfluten noch nicht waren, wurde ich geboren,<br />

als es noch nicht die Quellen gab, die wasserreichen.<br />

Bevor die Berge gegründet waren,<br />

vor den Hügeln wurde ich hervorgebracht,<br />

als er das Land und die Fluren noch nicht gemacht,<br />

noch nicht die ersten Schollen der Erde.<br />

Ich war dabei, als er den Himmel erstellte,<br />

einen Kreis über der Fläche der Urflut abmaß,<br />

als er oben die Wolken befestigte,<br />

die Kraft der Urflutquellen bestimmte,<br />

als er dem Meer seine Grenze setzte,<br />

dass die Wasser nicht seinen Befehl übertreten;<br />

als er die Grundfesten der Erde umriss,<br />

da war ich der Liebling an seiner Seite,<br />

war Tag für Tag seine Freude,<br />

indem ich die ganze Zeit vor ihm spielte.<br />

Da spielte ich auf dem weiten Rund seiner Erde<br />

und hatte meine Freude mit den Menschenkindern.<br />

Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich!<br />

Wohl denen, die meine Wege einhalten.<br />

Hört die Weisung, dass ihr weise werdet,<br />

und lasst sie nicht unbeachtet!<br />

Wohl dem Mann, der auf mich hört,<br />

der täglich wacht an meinen Türen,<br />

der meiner Tore Pfosten hütet!<br />

Wer mich findet, hat Leben gefunden<br />

und erlangt das Wohlgefallen des Herrn.<br />

Doch wer sich an mir vergeht, der tut seiner Seele Gewalt an;<br />

alle, die mich verwerfen, lieben den Tod.<br />

195 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Kapitel<br />

—<br />

<strong>Die</strong> Weisheit hat ihr Haus gebaut,<br />

hat ihre sieben Säulen aufgerichtet,<br />

ihr Schlachtvieh geschlachtet, den Wein gemischt,<br />

auch ihre Tafel gedeckt<br />

und ausgesandt ihre Mägde;<br />

ihr Ruf ergeht auf den höchsten Stellen der Stadt:<br />

Den Unwissenden sagt sie:<br />

Wer unerfahren ist, biege hierher ein!<br />

Kommt! Esst von meiner Speise und trinkt vom Wein,<br />

den ich gemischt habe!<br />

Lasst von der Torheit ab, auf dass ihr am Leben bleibt,<br />

und wandelt auf dem Weg der Einsicht!<br />

Wer den Spötter zurechtweist, erwirbt sich Schmach,<br />

und wer den Frevler tadelt, selbst einen Flecken.<br />

Nicht rüge den Spötter, sonst hasst er dich;<br />

den Weisen rüge: er liebt dich darum.<br />

Dem Weisen teile mit, so wird er noch weiser;<br />

den Gerechten lehre: er mehrt sein Wissen.<br />

Anfang der Weisheit ist Furcht des Herrn,<br />

und den Heiligen kennen ist Einsicht.<br />

Ja, durch mich werden deine Tage zahlreich,<br />

und die Lebensjahre mehren sich dir.<br />

Bist du weise, so bist du weise zum eigenen Besten;<br />

bist du ein Spötter, musst du es allein tragen.<br />

Frau Torheit ist ohne Ruhe,<br />

voll Dummheit und jeder Erkenntnis bar.<br />

Sie sitzt an der Tür ihres Hauses,<br />

auf einem Sessel, in der Stadt hoch oben,<br />

um anzurufen, die vorübergehen,<br />

die gerade ihre Wege ziehen:<br />

Wer unerfahren ist, biege hierher ein!<br />

Wer arm an Verstand ist, dem sagt sie:<br />

Wie süß schmeckt gestohlenes Wasser,<br />

und wie gut heimliche Speise!<br />

Und er merkt nicht, dass Totengeister dort hausen,<br />

dass ihre Gäste in den Tiefen der Unterwelt sind.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

196


10 Erste Spruchsammlung<br />

Sprichwörter Salomos<br />

Kapitel 10<br />

—<br />

Ein kluger Sohn<br />

macht dem Vater Freude;<br />

doch ein törichter<br />

ist der Kummer seiner Mutter.<br />

Unrechtes Gut ist<br />

kein Gewinn,<br />

Gerechtigkeit aber<br />

rettet vor dem Tod.<br />

Nicht ungestillt lässt der Herr<br />

des Gerechten Verlangen,<br />

doch die Gier des Frevlers<br />

stößt er zurück.<br />

Eine lässige Hand<br />

bringt Armut ein,<br />

aber Reichtum schafft<br />

die Hand der Fleißigen.<br />

Ein Sohn,<br />

der im Sommer sammelt,<br />

hat Einsicht,<br />

doch ein Sohn,<br />

der zur Erntezeit schläft,<br />

bringt Schande.<br />

Dem Haupt des Gerechten<br />

werden Segnungen zuteil,<br />

im Mund der Frevler<br />

verbirgt sich Gewalttat.<br />

Der Gerechten gedenkt<br />

man zum Segen,<br />

doch der Name<br />

der Frevler vergeht.<br />

Der Weise<br />

beherzigt die Gebote,<br />

der geschwätzige Tor aber<br />

kommt zu Fall.<br />

Wer in Aufrichtigkeit wandelt,<br />

geht sicher,<br />

doch wer krumme Wege wählt,<br />

wird entdeckt.<br />

Wer mit den Augen zwinkert,<br />

verursacht Leid,<br />

wer Törichtes redet,<br />

kommt zu Fall.<br />

Ein Quell des Lebens<br />

ist der Mund des Gerechten,<br />

der Mund der Frevler hingegen<br />

birgt Gewalttat.<br />

Hass weckt Zänkereien auf,<br />

doch Liebe deckt<br />

alle Verfehlungen zu.<br />

Auf den Lippen<br />

des Einsichtsvollen<br />

findet sich Weisheit,<br />

aber der Stock<br />

gebührt dem Rücken<br />

des Unverständigen.<br />

Weise halten mit ihrem<br />

Wissen zurück,<br />

doch des Toren Mund<br />

ist drohendes Verderben.<br />

Das Vermögen des Reichen<br />

ist seine feste Stadt,<br />

das Verderben der Armen<br />

hingegen ist ihre Armut.<br />

Der Lohn des Gerechten<br />

dient dem Leben,<br />

der Erwerb des Bösen<br />

aber dem Verderben.<br />

Zucht bewahren<br />

ist der Weg zum Leben,<br />

irre geht,<br />

wer der Zurechtweisung<br />

nicht folgt.<br />

Lügnerische Lippen<br />

halten den Hass verborgen,<br />

wer aber<br />

üble Nachrede aussprengt,<br />

ist ein Tor.<br />

197 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Bei vielem Reden<br />

bleibt Sünde nicht aus,<br />

doch wer die Lippen zügelt,<br />

handelt verständig.<br />

Lauterem Silber gleicht<br />

die Zunge des Gerechten,<br />

das Sinnen der Frevler<br />

ist wenig wert.<br />

<strong>Die</strong> Lippen des Gerechten<br />

leiten viele,<br />

doch die Toren<br />

sterben an Unverstand.<br />

Der Segen des Herrn<br />

macht reich,<br />

die eigene Mühe<br />

fügt nichts hinzu.<br />

Das Vergnügen des Toren ist es,<br />

Böses zu tun,<br />

des Verständigen Freude,<br />

Weisheit zu üben.<br />

Wovor dem Frevler graut,<br />

das kommt über ihn,<br />

und was die Gerechten ersehnen,<br />

wird ihnen zuteil.<br />

Braust ein Sturm daher,<br />

ist der Frevler nicht mehr,<br />

doch der Gerechte<br />

ist fest gegründet für immer.<br />

Wie Essig für die Zähne<br />

und wie Rauch für die Augen,<br />

so ist der Faule für die,<br />

die ihn senden.<br />

<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />

vermehrt die Lebenstage,<br />

die Jahre der Frevler jedoch<br />

sind verkürzt.<br />

<strong>Die</strong> Hoffnung der Gerechten<br />

mündet in Freude,<br />

doch zunichte<br />

wird die Erwartung der Frevler.<br />

Der Weg des Herrn<br />

ist Schutz für die Unschuld,<br />

für die Übeltäter<br />

aber Verderben.<br />

Der Gerechte<br />

wird niemals wanken,<br />

doch die Bösen<br />

bleiben nicht im Land wohnen.<br />

Des Gerechten Mund<br />

bringt Weisheit hervor,<br />

doch die Zunge der Verkehrtheit<br />

wird ausgetilgt.<br />

Den Lippen des Gerechten<br />

ist vertraut, was wohlgefällt,<br />

der Mund der Frevler hingegen<br />

ist Verkehrtheit.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Falsche Waage<br />

ist ein Gräuel für den Herrn<br />

doch volle Gewichte<br />

haben sein Wohlgefallen.<br />

Kommt Vermessenheit,<br />

kommt auch Schande,<br />

aber Weisheit ist<br />

bei den Bescheidenen.<br />

<strong>Die</strong> Lauterkeit der Redlichen<br />

leitet sie sicher,<br />

aber die Treulosen richtet<br />

ihre Falschheit zugrunde.<br />

Am Tag des Zornes<br />

nützt Reichtum nichts,<br />

doch Gerechtigkeit<br />

rettet vor dem Tod<br />

<strong>Die</strong> Gerechtigkeit der Lauteren<br />

macht ihren Weg eben,<br />

der Sünder aber fällt<br />

durch seine Gesetzlosigkeit.<br />

<strong>Die</strong> Redlichen rettet<br />

ihre Gerechtigkeit,<br />

doch die Treulosen werden<br />

in ihrer eigenen Gier gefangen.<br />

Mit dem Tod eines bösen Mannes<br />

schwindet seine Hoffnung dahin,<br />

und die Hoffnungen der Frevler<br />

werden zunichte.<br />

Der Gerechte wird<br />

der Drangsal entrissen,<br />

und der Böse kommt<br />

an seine Stelle.<br />

Mit dem Mund will der Ruchlose<br />

seinen Nächsten verderben,<br />

doch die Gerechten retten sich<br />

durch Erkenntnis.<br />

Ergeht es den Gerechten gut,<br />

so freut sich die Stadt,<br />

und Jubel herrscht<br />

beim Untergang der Frevler.<br />

Eine Stadt kommt hoch<br />

durch den Segen der Redlichen,<br />

doch durch den Mund der Frevler<br />

wird sie niedergerissen.<br />

Wer seinen Nächsten verachtet,<br />

ist ohne Verstand,<br />

ein Mann von Klugheit<br />

aber schweigt.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

198


12 Erste Spruchsammlung<br />

Wer als Verleumder umgeht,<br />

gibt Anvertrautes preis,<br />

der Zuverlässige aber<br />

behält die Sache für sich.<br />

Fehlt es an Führung,<br />

verfällt das Volk,<br />

doch Rettung kommt<br />

durch viele Berater.<br />

Schlecht ergeht es dem,<br />

der einem anderen<br />

Bürgschaft bietet,<br />

wer aber<br />

den Handschlag ablehnt,<br />

geht sicher.<br />

Eine anmutige Frau<br />

erlangt Ehre,<br />

Gewalttätige<br />

erlangen Reichtum.<br />

Wer Erbarmen übt,<br />

tut sich selber wohl,<br />

der Erbarmungslose<br />

schneidet sich ins eigene<br />

Fleisch.<br />

Der Gewinn,<br />

den der Frevler sich schafft,<br />

ist Trug,<br />

doch wer Gerechtigkeit sät,<br />

schafft sicheren Lohn.<br />

Wahre Gerechtigkeit<br />

gelangt zum Leben,<br />

dem Bösen folgen<br />

führt zum Tod.<br />

Ein Gräuel für den Herrn<br />

sind die,<br />

die falschen Herzens sind,<br />

doch die den rechten Weg gehen,<br />

haben sein Wohlgefallen.<br />

<strong>Die</strong> Hand darauf:<br />

Der Böse bleibt nicht<br />

ungestraft,<br />

doch die Nachkommen<br />

der Gerechten werden gerettet.<br />

Ein goldener Ring<br />

im Rüssel eines Schweines<br />

ist eine Frau,<br />

die schön, aber schamlos ist.<br />

Das Verlangen der Gerechten<br />

endet im Glück,<br />

die Hoffnung der Frevler<br />

endet im Zorn(gericht).<br />

Mancher teilt reichlich aus<br />

und wird dabei noch reicher,<br />

ein anderer hält,<br />

mehr als recht,<br />

zurück und wird nur ärmer.<br />

Wer anderen gern hilft,<br />

wird reich gesättigt,<br />

wer andere erquickt,<br />

wird auch selbst erquickt.<br />

Wer Getreide zurückhält,<br />

den verfluchen die Leute,<br />

doch wer es verkauft,<br />

Segen auf dessen Haupt!<br />

Wer sucht, was gut ist,<br />

geht auf Wohlgefallen aus,<br />

doch strebt einer Böses an,<br />

kommt es über ihn selbst.<br />

Wer sich durch seinen Reichtum<br />

sicher glaubt,<br />

der fällt,<br />

die Gerechten hingegen<br />

sprießen wie grünes Laub.<br />

Vernachlässigt einer sein Haus,<br />

so erntet er Wind,<br />

und der Tor<br />

wird Sklave des Weisen.<br />

<strong>Die</strong> Frucht der Gerechtigkeit<br />

ist ein Baum des Lebens,<br />

und Seelen<br />

gewinnt der Weise.<br />

Sicher wird dem Gerechten<br />

auf Erden vergolten,<br />

doch erst recht<br />

dem Frevler und Sünder.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Wem Zucht lieb ist,<br />

der liebt Erkenntnis,<br />

doch wem Zurechtweisung<br />

verhasst ist,<br />

der ist ein Vieh.<br />

Wohlgefallen erlangt<br />

der Gute vom Herrn,<br />

dem Hinterhältigen aber<br />

spricht er das Urteil.<br />

Kein Mensch<br />

erlangt in Unrecht Bestand,<br />

doch die Wurzel der Gerechten<br />

wird nicht erschüttert.<br />

Eine tüchtige Frau ist<br />

die Krone ihres Mannes,<br />

eine schändliche ist<br />

wie Fäulnis in seinen Knochen.<br />

<strong>Die</strong> Gedanken der Gerechten<br />

gehen auf das Rechte,<br />

doch die Überlegungen der Bösen<br />

sind Trug.<br />

199 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

<strong>Die</strong> Reden der Bösen<br />

sind ein Lauern auf Blut,<br />

doch die Redlichen<br />

rettet ihr Mund.<br />

<strong>Die</strong> Bösen werden gestürzt<br />

und sind nicht mehr,<br />

das Haus der Gerechten<br />

jedoch bleibt bestehen.<br />

Nach dem Maß seiner Einsicht<br />

wird ein Mann gerühmt,<br />

doch wer verkehrten Sinnes ist,<br />

fällt der Verachtung anheim.<br />

Besser wenig beachtet sein<br />

und nur einen Knecht haben,<br />

als großtun,<br />

aber brotlos sein.<br />

Der Gerechte sorgt<br />

für die Bedürfnisse seines<br />

Viehs,<br />

das Herz der Bösen hingegen<br />

ist grausam.<br />

Wer seinen Acker bestellt,<br />

wird mit Brot gesättigt,<br />

doch wer leeren Dingen nachjagt,<br />

ist unverständig.<br />

Der Frevler<br />

begehrt das Fangnetz des<br />

Bösen,<br />

die Wurzeln der Frommen aber<br />

sind fest gegründet.<br />

<strong>Die</strong> Verfehlung der Lippen<br />

ist ein böser Fallstrick,<br />

doch der Gerechte<br />

entrinnt der Bedrängnis.<br />

Von der Frucht seines Mundes<br />

wird ein Mann<br />

reichlich gesättigt,<br />

und das Verdienst seiner Hände<br />

fällt auf ihn zurück.<br />

Der Weg des Toren<br />

ist in seinen Augen richtig,<br />

doch der Weise<br />

hört auf Rat.<br />

Der Unmut des Toren<br />

macht sich sofort bemerkbar,<br />

indes ein Kluger<br />

Schimpfworte<br />

hinunterschluckt.<br />

Wer aussagt, wie es wirklich war,<br />

teilt Richtiges mit,<br />

der Zeuge der Lüge aber<br />

betrügt.<br />

Das Geschwätz mancher Leute<br />

wirkt wie Schwertstiche,<br />

doch die Zunge der Weisen<br />

bringt Heilung.<br />

<strong>Die</strong> Lippe der Wahrheit<br />

hat für immer Bestand,<br />

aber nur einen Augenblick lang<br />

die Zunge der Lüge.<br />

Trug ist im Herzen derer,<br />

die Böses sinnen,<br />

doch Freude bei denen,<br />

die Gedeihliches raten.<br />

Kein Unheil widerfährt<br />

dem Gerechten,<br />

aber die Frevler<br />

sind voll Unglück.<br />

Ein Gräuel für den Herrn<br />

sind Lippen der Lüge,<br />

doch haben sein Wohlgefallen,<br />

die Redliches tun.<br />

Ein kluger Mensch<br />

hält sein Urteil zurück,<br />

das Herz der Toren hingegen<br />

schreit die Narrheit hinaus.<br />

<strong>Die</strong> Hand der Fleißigen<br />

gewinnt Herrschaft,<br />

doch die lässige Hand<br />

muss Zwangsarbeit leisten.<br />

Kummer im Herzen<br />

drückt einen nieder;<br />

doch ein gütiges Wort<br />

heitert ihn auf.<br />

Der Gerechte<br />

weist seinem Nächsten den Weg,<br />

die Frevler jedoch<br />

führt ihr Weg in die Irre.<br />

Der Faule<br />

erjagt sich kein Wild,<br />

aber Fleiß<br />

ist dem Menschen<br />

ein kostbares Gut.<br />

Zum Leben<br />

führt der Pfad<br />

der Gerechtigkeit,<br />

der Weg der Bösgesinnten aber<br />

zum Tod.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Ein weiser Sohn<br />

liebt die Zucht,<br />

doch der Dreiste<br />

hört auf kein Schelten.<br />

Von der Frucht seines Mundes<br />

genießt ein Mann Gutes,<br />

auf Gewalttat geht aber<br />

das Trachten der Abtrünnigen.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

200


14 Erste Spruchsammlung<br />

Wer seinen Mund hütet,<br />

bewahrt sein Leben,<br />

doch wer die Lippen aufreißt,<br />

den trifft Verderben.<br />

Das Begehren des Faulen<br />

regt sich,<br />

aber das Trachten der Fleißigen<br />

wird voll befriedigt.<br />

Verlogenheit<br />

hasst der Gerechte,<br />

doch schändlich und schimpflich<br />

handelt der Frevler.<br />

Gerechtigkeit behütet<br />

die Lauterkeit auf dem Weg,<br />

aber Frevel bringt<br />

die Sünde zu Fall.<br />

Mancher tut reich<br />

und hat überhaupt nichts,<br />

ein anderer gibt sich arm<br />

und hat großes Vermögen.<br />

Für das Leben eines Mannes<br />

ist sein Reichtum das Lösegeld,<br />

aber der Arme<br />

hört nicht auf Drohung.<br />

Das Licht der Gerechten<br />

strahlt auf,<br />

doch die Lampe der Frevler<br />

verlischt.<br />

Bei Hochmut<br />

gibt es nur Hader,<br />

bei denen aber,<br />

die sich gegenseitig beraten,<br />

ist Weisheit.<br />

Hingehaltene Hoffnung<br />

macht das Herz krank,<br />

ein Lebensbaum aber<br />

ist erfülltes Verlangen.<br />

Wer das Wort verachtet,<br />

geht zugrunde,<br />

doch wer das Gebot<br />

in Ehrfurcht annimmt,<br />

bleibt unversehrt.<br />

Ein Lebensquell<br />

ist die Lehre des Weisen,<br />

um den Schlingen des Todes<br />

zu entgehen.<br />

Einsicht ins Gute<br />

bringt Gunst ein,<br />

doch steinhart ist der Weg<br />

der Abtrünnigen.<br />

Jeder Kluge<br />

handelt mit Vorbedacht,<br />

der Tor hingegen<br />

kramt Narrheit aus.<br />

Ein schlechter Bote<br />

lässt ins Unglück stürzen,<br />

doch ein treuer Gesandter<br />

bringt Heil.<br />

In Armut und Schande gerät,<br />

wer Zucht missachtet,<br />

aber Ehre erlangt,<br />

wer Tadel beherzigt.<br />

Mit Weisen gehe,<br />

so wirst du weise;<br />

wer mit Toren sich einlässt,<br />

dem ergeht es übel.<br />

Unglück verfolgt die<br />

Sünder,<br />

doch den Gerechten<br />

wird mit Gutem vergolten.<br />

<strong>Die</strong> Erbschaft des Guten<br />

geht auf Kindeskinder,<br />

und die Habe des Sünders<br />

wird dem Gerechten bewahrt.<br />

<strong>Die</strong> frische Furche bringt<br />

den Armen reichliche Nahrung,<br />

vorhandenes (Gut) wird hingerafft,<br />

weil Gerechtigkeit fehlt.<br />

Wer seine Rute zurückhält,<br />

der hasst seinen Sohn,<br />

doch wer ihn liebt,<br />

der sucht ihn<br />

mit Züchtigung heim.<br />

Der Gerechte<br />

hat zu essen, bis er satt ist,<br />

der Bauch der Frevler aber<br />

hat zu wenig.<br />

Kapitel<br />

—<br />

<strong>Die</strong> Weisheit der Frauen<br />

erbaut ihr Haus,<br />

doch die Torheit<br />

reißt es<br />

mit eigenen Händen nieder.<br />

Errafftes Vermögen<br />

schwindet dahin,<br />

doch wer allmählich sammelt,<br />

wird reich.<br />

Erfüllter Wunsch<br />

tut dem Herzen wohl,<br />

doch dem Toren ist ein Gräuel,<br />

das Böse zu lassen.<br />

Wer seinen Weg geradeaus geht,<br />

fürchtet den Herrn,<br />

wer aber krumme Wege geht,<br />

missachtet ihn.<br />

201 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Aus dem Mund des Toren<br />

sprießt Hochmut,<br />

doch den Weisen<br />

behüten seine Lippen.<br />

Ohne Ochsen<br />

bleibt die Krippe leer,<br />

reicher Ertrag kommt nur<br />

durch die Kraft des Stieres.<br />

Ein zuverlässiger Zeuge<br />

lügt nicht,<br />

aber ein falscher Zeuge<br />

atmet Lügen nur so aus.<br />

Der Spötter<br />

sucht Weisheit,<br />

doch vergeblich,<br />

dem Verständigen aber<br />

ist Erkenntnis<br />

ein Leichtes.<br />

Geh weg<br />

von einem törichten Mann,<br />

du erfährst<br />

keine verständigen Worte.<br />

Seinen Weg zu bedenken<br />

ist Weisheit des Klugen,<br />

doch die Dummheit des Toren<br />

führt zur Täuschung.<br />

In den Zelten<br />

der Toren<br />

wohnt Schuld,<br />

aber das Haus<br />

der Rechtschaffenen<br />

findet Wohlgefallen.<br />

Nur das eigene Herz kennt<br />

seinen Kummer,<br />

auch in seine Freude vermag<br />

kein Fremder einzustimmen.<br />

Das Haus der Frevler<br />

wird ausgerottet,<br />

doch das Zelt der Redlichen<br />

blüht auf.<br />

Manchem scheint<br />

ein Weg der rechte,<br />

sein Ende aber<br />

sind Wege zum Tod.<br />

Auch beim Lachen<br />

hat das Herz Kummer,<br />

und das Ende der Freude<br />

ist Traurigkeit.<br />

Nach seinen Wegen<br />

wird dem Gottlosen vergolten,<br />

und dem guten Menschen<br />

nach seinen guten Werken.<br />

Der Unerfahrene<br />

traut jedem Wort,<br />

der Kluge aber<br />

gibt Acht auf seinen Schritt.<br />

Der Weise fürchtet sich<br />

und meidet das Schlechte,<br />

doch der Tor lässt sich gehen<br />

und ist vermessen.<br />

Der Jähzornige<br />

begeht Narrheit,<br />

und der Ränkeschmied<br />

ist verhasst.<br />

Einfältige erlangen<br />

als Besitz (nur) Torheit,<br />

doch die Klugen werden<br />

mit Erkenntnis gekrönt.<br />

Böse verbeugen sich<br />

vor den Guten<br />

und Frevler<br />

an den Türen des Gerechten.<br />

Selbst seinem Nächsten<br />

ist der Arme verhasst,<br />

doch der Reiche hat<br />

zahlreiche Freunde.<br />

Wer seinen Nächsten missachtet,<br />

sündigt,<br />

aber wohl dem,<br />

der sich der Elenden erbarmt.<br />

Gehen nicht die in die Irre,<br />

die Böses planen?<br />

Doch die auf Gutes bedacht sind,<br />

erfahren Liebe und Treue.<br />

Bei jeder Anstrengung<br />

kommt ein Gewinn heraus,<br />

aber leeres Geschwätz<br />

führt nur zu Mangel.<br />

<strong>Die</strong> Krone der Weisen<br />

ist ihre Klugheit,<br />

der Kranz der Toren<br />

ist ihre Narrheit.<br />

Ein zuverlässiger Zeuge<br />

ist ein Lebensretter,<br />

doch wer Lügen hervorbringt,<br />

ist ein Betrüger.<br />

In der Furcht des Herrn<br />

liegt starke Zuversicht,<br />

auch seine Kinder<br />

haben eine Zuflucht.<br />

<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />

ist ein Lebensquell,<br />

um den Schlingen des Todes<br />

zu entgehen.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

202


15 Erste Spruchsammlung<br />

Auf der Menge des Volkes<br />

beruht des Königs Herrlichkeit,<br />

und des Fürsten Untergang<br />

auf dem Fehlen von Leuten.<br />

Reich an Einsicht<br />

ist der Langmütige,<br />

doch voller Torheit<br />

ist der Ungeduldige.<br />

Gelassener Sinn<br />

bedeutet Leben für den Leib,<br />

aber Leidenschaft<br />

ist Fraß in den Knochen.<br />

Wer den Geringen bedrückt,<br />

schmäht dessen Schöpfer,<br />

ihn ehrt,<br />

wer sich des Armen erbarmt.<br />

Durch seine Bosheit<br />

kommt der Frevler zu Fall,<br />

doch der Gerechte<br />

hat eine Zuflucht<br />

in seiner Unschuld.<br />

Weisheit ruht<br />

im Herzen des Verständigen,<br />

doch im Innern der Toren<br />

ist sie wirkungslos.<br />

Gerechtigkeit<br />

erhöht ein Volk,<br />

aber die Sünde<br />

ist die Schmach der Völker.<br />

Des Königs Gunst<br />

(gehört) dem <strong>Die</strong>ner,<br />

der Einsicht beweist,<br />

aber den Schändlichen<br />

trifft sein Zorn.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Sanfte Antwort<br />

beschwichtigt Erregung,<br />

verletzendes Wort aber<br />

erregt Zorn.<br />

<strong>Die</strong> Zunge der Weisen<br />

verkündet Erkenntnis,<br />

doch von Narrheit sprudelt<br />

der Mund der Toren.<br />

An jedem Ort<br />

sind die Augen des Herrn,<br />

sie wachen<br />

über Böse und Gute.<br />

Gelassenheit der Zunge<br />

ist ein Lebensbaum,<br />

doch Verkehrtheit in ihr<br />

zerschlägt das Gemüt.<br />

Ein Tor<br />

verschmäht die Zucht des<br />

Vaters,<br />

aber klug wird,<br />

wer auf Zurechtweisung achtet.<br />

Im Haus des Gerechten<br />

wachsen die Vorräte,<br />

doch Verschlechterung herrscht<br />

bei den Einkünften des Frevlers.<br />

<strong>Die</strong> Lippen der Weisen<br />

streuen Erkenntnis aus,<br />

doch das Herz der Toren<br />

ist verkehrt.<br />

Ein Gräuel ist für den Herrn<br />

das Opfer der Frevler,<br />

aber das Gebet der Redlichen<br />

ist ihm wohlgefällig.<br />

Ein Gräuel ist für den Herrn<br />

der Weg des Frevlers,<br />

doch wer der Gerechtigkeit<br />

nachjagt,<br />

den liebt er.<br />

Den trifft schlimme Züchtigung,<br />

der den Pfad verlässt;<br />

wem Zurechtweisung verhasst ist,<br />

der muss sterben.<br />

Unterwelt und Totenreich<br />

liegen offen vor dem Herrn,<br />

wie viel mehr<br />

die Herzen der Menschenkinder.<br />

Nicht liebt es der Spötter,<br />

dass man ihn rügt,<br />

zu Weisen<br />

mag er nicht gehen.<br />

Ein frohes Herz<br />

macht auch das Gesicht heiter,<br />

doch bei Herzenskummer<br />

ist der Lebensmut zerbrochen.<br />

Erkenntnis sucht<br />

das Herz des Einsichtigen,<br />

aber der Toren Mund<br />

ist auf Torheit aus.<br />

Alle Tage des Bedürftigen<br />

sind böse,<br />

doch der Wohlgemute<br />

hat ständig ein Fest.<br />

Besser Weniges<br />

in der Furcht des Herrn<br />

als reiche Schätze<br />

und Unruhe dabei.<br />

Besser ein Gericht Gemüse,<br />

doch mit Liebe,<br />

als ein gemästeter Ochse<br />

und Hass dabei.<br />

203 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Ein hitziger Mensch<br />

erregt Streit,<br />

doch ein langmütiger<br />

beschwichtigt den Zank.<br />

Der Weg des Faulen<br />

ist wie Dorngestrüpp,<br />

doch gebahnt ist<br />

der Weg des Redlichen.<br />

Ein kluger Sohn<br />

macht seinem Vater Freude,<br />

ein törichter Mensch<br />

verachtet seine Mutter.<br />

Torheit macht<br />

dem Unverständigen Freude,<br />

ein verständiger Mann hingegen<br />

geht den geraden Weg.<br />

Vorhaben scheitern,<br />

wenn keine Besprechung<br />

vorausgeht,<br />

doch mit vielen Beratern<br />

kommt etwas zustande.<br />

Freude bringt dem Mann<br />

die eigene (treffende) Antwort,<br />

und wie gut ist doch<br />

ein Wort zur rechten Zeit.<br />

Nach oben führt<br />

der Lebensweg den<br />

Verständigen,<br />

damit er der Totenwelt<br />

drunten entgeht.<br />

Der Herr reißt ein<br />

das Haus der Hochmütigen,<br />

aber die Grenze der Witwe<br />

legt er fest.<br />

Ein Gräuel sind für den Herrn<br />

die Pläne des Bösen,<br />

aber rein vor ihm sind<br />

freundliche Worte.<br />

Sein Haus zerstört,<br />

wer sich zu bereichern sucht,<br />

doch wer Geschenke hasst,<br />

wird leben.<br />

Das Herz des Gerechten<br />

überlegt sich seine Antwort,<br />

aber der Mund der Frevler<br />

sprudelt Böses hervor.<br />

Weit fort ist der Herr<br />

von den Frevlern,<br />

doch er hört das Gebet<br />

der Gerechten.<br />

Strahlende Augen<br />

erfreuen das Herz,<br />

eine gute Nachricht<br />

labt den Leib.<br />

Ein Ohr,<br />

das auf lebenserhaltende<br />

Zucht hört,<br />

hält sich im Kreis<br />

der Weisen auf.<br />

Sein Leben verachtet,<br />

wer Zucht abweist,<br />

aber wer auf Mahnungen hört,<br />

gewinnt Vernunft.<br />

Furcht des Herrn<br />

ist Unterweisung zur Weisheit,<br />

und Demut<br />

geht der Ehre voran.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Der Menschen Sache<br />

sind Überlegungen im Herzen,<br />

doch vom Herrn<br />

kommt die Antwort der Zunge.<br />

Alle Wege eines Mannes<br />

sind lauter in seinen Augen,<br />

der Herr jedoch<br />

prüft die Geister.<br />

Was du zu tun hast,<br />

befiehl dem Herrn an,<br />

dann verwirklichen sich<br />

deine Pläne.<br />

Der Herr hat alles<br />

zu seinem Zweck geschaffen,<br />

so auch den Frevler<br />

für den Tag des Unheils.<br />

Ein Gräuel ist für den Herrn<br />

jeder Hochmütige,<br />

die Hand darauf:<br />

er bleibt nicht ungestraft.<br />

Schuld wird gutgemacht<br />

durch Liebe und Treue,<br />

und in der Furcht des Herrn<br />

hält man sich vom Bösen fern.<br />

Wenn der Herr<br />

an den Wegen eines Mannes<br />

Gefallen hat,<br />

bringt er selbst seine Feinde<br />

zum Frieden mit ihm.<br />

Besser in Gerechtigkeit<br />

wenig<br />

als großes Einkommen<br />

mit Unrecht.<br />

Das Herz des Menschen<br />

plant seinen Weg,<br />

der Herr aber<br />

lenkt seinen Schritt.<br />

Gottesentscheid<br />

kommt von Lippen des Königs,<br />

so verfehlt sein Mund sich nicht,<br />

wenn er Recht spricht.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

204


17 Erste Spruchsammlung<br />

Rechte Waagen und Schalen<br />

sind Sache des Herrn,<br />

sein Werk sind<br />

alle Gewichte im Beutel.<br />

Frevlerisches Tun<br />

ist den Königen ein Abscheu;<br />

denn durch Gerechtigkeit<br />

hat der Thron Bestand.<br />

Gerechte Lippen<br />

sind dem König ein<br />

Wohlgefallen,<br />

wer Gerades redet,<br />

den liebt er.<br />

Der Zorn des Königs<br />

gleicht Todesboten,<br />

doch ein weiser Mann<br />

besänftigt ihn.<br />

Ein Aufleuchten<br />

im Angesicht des Königs<br />

bedeutet Leben,<br />

sein Wohlergehen<br />

gleicht der Regenwolke<br />

im Frühjahr.<br />

Besser ist es,<br />

Weisheit zu erwerben<br />

als Gold,<br />

und Erwerb von Einsicht<br />

ist mehr wert<br />

als Silber.<br />

Das Böse zu meiden<br />

ist die Straße der Redlichen,<br />

wer auf seinen Weg achtet,<br />

bewahrt sich das Leben.<br />

Dem Zusammenbruch<br />

geht Hoffart voraus,<br />

und Hochmut<br />

dem Fall.<br />

Besser demütig sein<br />

mit Niedrigen<br />

als Beute teilen<br />

mit den Stolzen.<br />

Wer auf das Wort achtet,<br />

dem ergeht es gut,<br />

wohl dem,<br />

der auf den Herrn vertraut!<br />

Wer ein weises Herz hat,<br />

wird als verständig gerühmt,<br />

angenehme Rede<br />

fördert die Belehrung.<br />

Ein Lebensquell<br />

ist Einsicht für ihre Besitzer,<br />

doch die Torheit<br />

ist die Züchtigung der Toren.<br />

Das Herz des Weisen<br />

gibt seinem Mund Einsicht,<br />

auf seinen Lippen mehrt es<br />

noch die Belehrung.<br />

Wie eine Honigwabe<br />

sind freundliche Reden,<br />

süß für die Seele<br />

und Labsal dem Leib.<br />

Manch einem<br />

erscheint sein Weg gerade,<br />

doch sein Ende<br />

sind Todeswege.<br />

Der Hunger des Arbeiters<br />

schafft für ihn,<br />

sein Mund nämlich<br />

treibt ihn an.<br />

Ein ruchloser Mann<br />

gräbt Unheil aus,<br />

seine Lippen<br />

versengen wie Feuer.<br />

Ein hinterlistiger Mann<br />

stiftet Streit,<br />

und ein Ohrenbläser<br />

entzweit Freunde.<br />

Ein Mann der Gewalttat<br />

verführt seinen Nächsten<br />

und bringt ihn<br />

auf den Weg zum Unglück.<br />

Wer mit den Augen zwinkert,<br />

tut es, um Ränke zu ersinnen;<br />

wer die Lippen zusammenkneift,<br />

hat das Böse schon vollbracht.<br />

Graues Haar<br />

ist eine prächtige Krone,<br />

man erlangt sie<br />

auf dem Weg der Gerechtigkeit.<br />

Besser ein Langmütiger<br />

als ein Kriegsheld,<br />

wer sich selbst beherrscht,<br />

als wer eine Stadt erobert.<br />

Im Bausch des Gewandes<br />

schüttelt man das Los,<br />

doch allein vom Herrn<br />

kommt jede Entscheidung.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Besser ein Brocken<br />

trockenes Brot<br />

und Ruhe dabei<br />

als ein Haus voll Braten<br />

mit Streit.<br />

205 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Ein Sklave voll Einsicht<br />

wird über den missratenen<br />

Sohn gestellt,<br />

und im Kreis der Brüder<br />

erhält er ein Erbteil.<br />

Der Schmelztiegel ist<br />

für das Silber<br />

und der Ofen für das Gold,<br />

doch der die Herzen prüft,<br />

ist der Herr.<br />

Ein Bösewicht achtet<br />

auf Lippen des Schlechten,<br />

ein Lügner horcht<br />

auf die Zunge des Bösen.<br />

Wer den Armen verspottet,<br />

schmäht dessen Schöpfer,<br />

wer sich über Unglück freut,<br />

bleibt nicht ungestraft.<br />

Kindeskinder sind<br />

die Krone der Alten,<br />

und die Zierde der Kinder<br />

sind ihre Väter.<br />

Hochtönende Rede<br />

geziemt nicht dem Toren,<br />

noch weniger aber<br />

dem Edlen die Sprache der<br />

Lüge.<br />

Das Bestechungsgeschenk<br />

ist ein Kleinod<br />

in den Augen des Gebers,<br />

an wen immer er sich wendet,<br />

er hat Erfolg.<br />

Wer eine Verfehlung begräbt,<br />

sucht die Liebe (zu erhalten),<br />

doch wer<br />

eine Sache wieder aufrührt,<br />

entzweit sich mit dem Freund.<br />

Tiefer wirkt ein Verweis<br />

bei einem Verständigen<br />

als hundert Schläge<br />

bei einem Toren.<br />

Nur nach Aufruhr<br />

trachtet der Böse,<br />

doch wird gegen ihn<br />

ein grausamer Bote gesandt.<br />

Eine Bärin, der Jungen beraubt,<br />

mag einem gern begegnen,<br />

aber nicht ein Tor<br />

in seinem Wahnwitz.<br />

Wer Gutes<br />

mit Bösem vergilt,<br />

aus dessen Haus<br />

wird das Böse nicht weichen.<br />

Der Anfang eines Streits ist,<br />

als entfesselte man<br />

eine Wasserflut;<br />

drum lass vom Streit ab,<br />

bevor er (voll) ausbricht.<br />

Wer den Schuldigen freispricht<br />

und den Schuldlosen verurteilt,<br />

alle beide<br />

sind für den Herrn ein Gräuel.<br />

Was soll Geld<br />

in der Hand des Toren?<br />

Etwa um Weisheit zu kaufen?<br />

Ihm fehlt doch der Verstand!<br />

Ein Freund<br />

erweist Liebe zu jeder Zeit,<br />

als Bruder für die Not<br />

ist er geboren.<br />

Ein Mensch,<br />

dem Einsicht mangelt,<br />

gibt Handschlag<br />

und leistet Bürgschaft<br />

für seinen Nächsten.<br />

Verbrechen liebt,<br />

wer Streit liebt;<br />

macht jemand<br />

seinen Eingang zu hoch,<br />

so will er den Einsturz.<br />

Wer ein falsches Herz hat,<br />

erlangt kein Glück,<br />

wer sich mit der Zunge windet,<br />

fällt in Unglück.<br />

Wer einen Toren zeugt,<br />

dem gereicht es zum Kummer;<br />

eines Unverständigen<br />

wird der Vater nicht froh.<br />

Ein fröhliches Herz<br />

befördert die Gesundheit,<br />

doch ein gedrücktes Gemüt<br />

zehrt den Körper aus.<br />

Bestechung aus dem Bausch<br />

des Gewandes<br />

nimmt der Frevler an,<br />

um die Pfade des Rechts<br />

zu beugen.<br />

Vor dem Angesicht<br />

des Verständigen steht Weisheit,<br />

doch die Augen des Toren<br />

schweifen bis ans Ende der Erde.<br />

Ein törichter Sohn<br />

ist dem Vater Verdruss,<br />

und Bitternis der,<br />

welche ihn geboren hat.<br />

Schon den Unschuldigen<br />

mit Geld zu bestrafen,<br />

ist böse,<br />

noch mehr aber,<br />

Edle widerrechtlich zu prügeln.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

206


18 Erste Spruchsammlung<br />

Wer seine Worte zurückhält,<br />

hat Einsicht,<br />

wer kühlen Geist bewahrt,<br />

ist ein Mann von Verstand.<br />

Auch ein Tor<br />

kann als weise gelten,<br />

wenn er schweigt,<br />

als einsichtig,<br />

wenn er den Mund hält.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Eigenem Verlangen folgt,<br />

wer sich absondert,<br />

gegen alles, was Erfolg verspricht,<br />

bleckt er die Zähne.<br />

Dem Toren bringt<br />

sein Mund Verderben,<br />

seine Lippen werden<br />

ihm selbst zur Falle.<br />

<strong>Die</strong> Worte des Ohrenbläsers<br />

sind wie Leckerbissen,<br />

sie gleiten ins Innere<br />

des Leibes hinab.<br />

Auch wer nur lässig ist<br />

bei seiner Arbeit,<br />

ist schon ein Bruder<br />

des Verderbers.<br />

Der Name des Herrn<br />

ist ein fester Turm,<br />

der Gerechte flüchtet dorthin<br />

und ist gesichert.<br />

Ein Geschenk verschafft<br />

einem Menschen Raum<br />

und lässt ihn<br />

vor Große gelangen.<br />

Im Recht scheint<br />

in seinem Streitfall der Erste,<br />

dann kommt aber die Gegenseite<br />

und prüft den Sachverhalt.<br />

Streitigkeiten<br />

schlichtet das Los,<br />

es entscheidet<br />

zwischen Mächtigen.<br />

Nicht findet der Tor<br />

an Verständnis Gefallen,<br />

vielmehr daran, herauszustellen,<br />

was ihm gefällt.<br />

Kommt ein Frevler,<br />

so kommt auch<br />

Geringschätzung,<br />

und mit der Schandtat<br />

die Schmach.<br />

<strong>Die</strong> Worte aus dem Mund<br />

eines Mannes<br />

sind tiefe Wasser,<br />

ein sprudelnder Bach,<br />

eine Quelle der Weisheit.<br />

Übel ist es, den Schuldigen<br />

zu begünstigen,<br />

den, der Recht hat,<br />

vor Gericht abzuweisen.<br />

<strong>Die</strong> Lippen des Toren<br />

beginnen Streit,<br />

und sein Mund<br />

schreit nach Schlägen.<br />

Das Vermögen des Reichen<br />

ist seine feste Stadt<br />

und wie eine hohe Mauer –<br />

in seiner Einbildung.<br />

Vor dem Sturz<br />

ist das Herz des Mannes<br />

überheblich,<br />

doch Demut<br />

geht der Ehre voran.<br />

Gibt einer Antwort,<br />

bevor er gehört hat,<br />

gereicht ihm dies<br />

zu Torheit und Schimpf.<br />

<strong>Die</strong> Geisteskraft eines Mannes<br />

vermag seine Krankheit<br />

zu tragen,<br />

doch wer richtet ein gedrücktes<br />

Gemüt wieder auf?<br />

Erkenntnis erwirbt<br />

das Herz des Einsichtigen,<br />

das Ohr der Weisen<br />

sucht Erkenntnis.<br />

Ein Bruder,<br />

an dem man sich vergangen hat,<br />

ist verschlossener<br />

als eine Festung,<br />

Streitigkeiten gleichen<br />

dem Riegel einer Burg.<br />

Ein Mann wird satt<br />

von der Frucht seines Mundes,<br />

er wird satt<br />

vom Ertrag seiner Lippen.<br />

Tod und Leben stehen<br />

in der Gewalt der Zunge,<br />

wer sie (zu gebrauchen) liebt,<br />

genießt ihre Frucht.<br />

Wer eine Frau gefunden,<br />

hat ein Gut gefunden<br />

und Wohlgefallen<br />

vom Herrn erlangt.<br />

Der Arme braucht<br />

Worte des Flehens,<br />

mit Härte aber<br />

antwortet der Reiche.<br />

207 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Manche Freunde<br />

führen ins Verderben,<br />

manche Freunde<br />

sind anhänglicher als ein Bruder.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Besser ein Armer,<br />

der schuldlos seinen Weg geht,<br />

als einer mit falschen Lippen,<br />

der ein Tor ist.<br />

Schon unvernünftiges Begehren<br />

ist vom Übel,<br />

und wer mit seinen Schritten<br />

hastet,<br />

der tritt fehl.<br />

<strong>Die</strong> Torheit des Menschen<br />

verdirbt ihm den Weg,<br />

und dann beschuldigt<br />

sein Herz den Herrn.<br />

Besitz verschafft<br />

viele Freunde,<br />

aber der Arme wird<br />

von seinem Freund verlassen.<br />

Ein falscher Zeuge<br />

bleibt nicht ungestraft,<br />

wer Lügen vorbringt,<br />

kommt nicht heil davon.<br />

Wer Verstand erwirbt,<br />

liebt sich selbst,<br />

wer der Einsicht treu bleibt,<br />

erlangt das Gute.<br />

Ein falscher Zeuge<br />

bleibt nicht ungestraft,<br />

wer Lügen vorbringt,<br />

kommt um.<br />

Wohlleben kommt<br />

einem Toren nicht zu,<br />

noch weniger einem Knecht,<br />

über Fürsten zu herrschen.<br />

Einsicht macht<br />

den Menschen langmütig,<br />

sein Ruhm ist es,<br />

über Fehler hinwegzusehen.<br />

Wie das Knurren eines Löwen<br />

ist der Zorn des Königs,<br />

aber wie Tau auf dem Gras<br />

ist seine Gunst.<br />

Ein Unglück für den Vater<br />

ist ein törichter Sohn,<br />

und wie ein ständig<br />

tropfendes Dach<br />

das Gezänk einer Frau.<br />

Haus und Habe<br />

sind das Erbe von den Vätern,<br />

aber eine verständige Frau<br />

kommt vom Herrn.<br />

Wer sich des Hilfsbedürftigen<br />

erbarmt,<br />

leiht dem Herrn,<br />

er wird ihm<br />

seine Guttat vergelten.<br />

Züchtige deinen Sohn,<br />

solange noch Hoffnung ist,<br />

aber trachte nicht danach,<br />

ihn zu töten.<br />

Wer jähzornig ist,<br />

muss dafür büßen;<br />

selbst wenn du<br />

schlichten möchtest,<br />

machst du es noch ärger.<br />

Höre auf Rat<br />

und nimm Zucht an,<br />

dass du weise wirst<br />

für die Zukunft.<br />

Im Herzen des Menschen<br />

sind vielerlei Pläne,<br />

doch Bestand hat<br />

der Ratschluss des Herrn.<br />

Das Begehrenswerte am<br />

Menschen<br />

ist seine Güte,<br />

aber besser ein Armer<br />

als ein Mann, der enttäuscht.<br />

Um die Gunst eines Vornehmen<br />

bemühen sich viele,<br />

und einem freigebigen Mann<br />

ist jedermann Freund.<br />

Faulheit<br />

versenkt in Schlaf,<br />

ein träger Mensch<br />

muss hungern.<br />

<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />

führt zum Leben,<br />

und gesättigt geht man zur Ruhe,<br />

ohne böse Heimsuchung.<br />

Den Armen hassen<br />

alle seine Brüder,<br />

um wie viel mehr bleiben<br />

seine Freunde ihm fern.<br />

Wer (Gottes) Gebot bewahrt,<br />

bewahrt sein Leben,<br />

wer aber seine Wege nicht achtet,<br />

muss sterben.<br />

Streckt der Faule<br />

seine Hand in die Schüssel,<br />

bringt er sie nicht einmal<br />

zum Mund zurück.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

208


20 Erste Spruchsammlung<br />

Schlägst du den Spötter,<br />

so wird der Unverständige klug;<br />

weist man<br />

den Verständigen zurecht,<br />

nimmt er Einsicht an.<br />

Wer den Vater misshandelt,<br />

die Mutter verjagt,<br />

handelt als Sohn<br />

schmachvoll und schändlich.<br />

Hörst du auf, mein Sohn,<br />

auf Mahnung zu hören,<br />

so irrst du bald ab<br />

von den Worten der Erkenntnis.<br />

Ein nichtsnutziger Zeuge<br />

verspottet das Recht,<br />

und der Mund der Frevler<br />

verschlingt Böses.<br />

Für die Spötter<br />

wird der Stock bereitgehalten,<br />

und Prügel<br />

für den Rücken der Toren.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Der Wein ist ein Spötter,<br />

ein Lärmer das Bier;<br />

keiner, der davon taumelt,<br />

wird weise.<br />

Dem Knurren des Löwen<br />

gleicht der Grimm des Königs,<br />

wer ihn reizt,<br />

hat sein Leben verwirkt.<br />

Beiseite zu bleiben bei Streit<br />

gereicht dem Mann zur Ehre,<br />

doch jeder Narr<br />

platzt los.<br />

Im Herbst<br />

will der Faule nicht pflügen,<br />

zur Erntezeit<br />

sucht er,<br />

aber nichts ist da.<br />

Der Ratschluss im Herzen<br />

des Mannes<br />

ist wie tiefes Wasser,<br />

doch ein Mann von Einsicht<br />

holt es herauf.<br />

Viele Leute<br />

führen ihre Güte im Mund,<br />

wer aber findet einen Mann,<br />

auf den Verlass ist?<br />

In seiner Lauterkeit<br />

geht der Gerechte seinen Weg:<br />

glücklich seine Kinder<br />

nach ihm!<br />

Sitzt der König<br />

auf dem Richterstuhl,<br />

sondert er alles Böse<br />

mit seinem Scharfblick aus.<br />

Wer darf sagen:<br />

Ich habe mein Herz geläutert,<br />

ich bin von meiner Sünde rein?<br />

Zweierlei Gewichte<br />

und zweierlei Maße,<br />

beide sind für den Herrn<br />

ein Abscheu.<br />

Schon ein Kind lässt<br />

in seinem Treiben erkennen,<br />

ob sein Handeln lauter<br />

und redlich sein wird.<br />

Das Ohr zum Hören,<br />

das Auge zum Sehen,<br />

beide hat der Herr gemacht.<br />

Nicht liebe den Schlaf,<br />

sonst verarmst du;<br />

halte die Augen auf,<br />

dann hast du Brot genug.<br />

Wie schlecht, wie schlecht,<br />

sagt der Käufer;<br />

ist er aber seines Weges gegangen,<br />

dann rühmt er sich.<br />

Gibt es auch Gold<br />

und viele Korallen,<br />

verständige Lippen<br />

sind eine Kostbarkeit.<br />

Nimm ihm das Gewand,<br />

er hat ja für einen anderen<br />

gebürgt;<br />

fremder Leute wegen<br />

pfände ihn!<br />

Das Brot der Lüge<br />

schmeckt dem Menschen gut,<br />

doch nachher füllt sich<br />

sein Mund mit Steinen.<br />

Pläne kommen<br />

durch Beratung zustande;<br />

führe also den Krieg<br />

mit Überlegung!<br />

Wer als Verleumder herumgeht,<br />

gibt Anvertrautes preis;<br />

darum lass dich<br />

mit dem nicht ein,<br />

der den Mund nicht halten<br />

kann!<br />

Wer Vater und Mutter verflucht,<br />

dessen Leuchte erlischt<br />

in tiefster Finsternis.<br />

209 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Schnell erraffter Besitz<br />

ist nicht gesegnet<br />

an seinem Ende.<br />

Sage nicht:<br />

Ich will das Böse heimzahlen!<br />

Vertrau auf den Herrn,<br />

er wird dir helfen.<br />

Ein Gräuel sind für den Herrn<br />

zweierlei Gewichte,<br />

eine falsche Waage<br />

ist verwerflich.<br />

Der Herr lenkt die Schritte<br />

des Menschen;<br />

wie könnte einer seinen Weg<br />

verstehen?<br />

Ein Fallstrick ist es<br />

für einen Menschen,<br />

unbedacht zu rufen: Geweiht!<br />

und sich erst nach dem Gelübde<br />

Gedanken zu machen.<br />

Ein weiser König<br />

sondert die Frevler aus<br />

und führt das Dreschrad<br />

über sie hin.<br />

Des Menschen Atem<br />

ist eine Leuchte des Herrn,<br />

er durchforscht<br />

alle Räume des Leibes.<br />

Güte und Treue<br />

behüten den König,<br />

durch Güte stützt er<br />

seinen Thron.<br />

Der Ruhm der Jungen<br />

ist ihre Kraft,<br />

die Zier der Alten<br />

das graue Haar.<br />

Blutige Striemen<br />

läutern den Schlechten,<br />

und Schläge die Kammern<br />

des Leibes.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Wie Wasserbäche<br />

ist das Herz des Königs<br />

in der Hand des Herrn;<br />

er leitet es, wohin er will.<br />

Jeder Weg eines Mannes<br />

ist in seinen Augen gerade,<br />

doch der Herr prüft die Herzen.<br />

Gerechtigkeit und Recht tun<br />

ist dem Herrn lieber als Opfer.<br />

Hochmut der Augen,<br />

Anmaßung des Herzens –<br />

was der Frevler auch beginnt,<br />

es ist Sünde.<br />

<strong>Die</strong> Pläne des Fleißigen<br />

führen zu Gewinn,<br />

doch der Hastige<br />

hat nur Mangel.<br />

Erwerb von Schätzen<br />

mit lügnerischer Zunge<br />

ist Windhauch für diejenigen,<br />

die den Tod suchen.<br />

Gewalttat reißt die Frevler<br />

selbst mit hinab,<br />

sie weigern sich ja,<br />

das Rechte zu tun.<br />

Gewunden ist der Weg<br />

des Schuldbeladenen,<br />

wer aber lauter ist,<br />

dessen Tun ist gerade.<br />

Besser in der Ecke<br />

des Daches wohnen<br />

als mit einer zänkischen Frau<br />

im gemeinsamen Haus.<br />

<strong>Die</strong> Seele des Frevlers<br />

giert nach Bösem,<br />

kein Erbarmen findet<br />

bei ihm sein Nächster.<br />

Muss der Spötter büßen,<br />

wird der Unverständige weise,<br />

doch belehrt man den Weisen,<br />

so nimmt er Erkenntnis an.<br />

Eine Lehre gibt der Gerechte<br />

dem Haus des Frevlers,<br />

wenn er die Frevler<br />

ins Unheil stürzt.<br />

Wer sein Ohr verstopft<br />

vor dem Schrei des Armen –<br />

auch er wird einmal rufen,<br />

ohne erhört zu werden.<br />

Heimliche Gabe<br />

beschwichtigt Zorn,<br />

ein Geschenk<br />

aus dem Gewandbausch<br />

heftigen Grimm.<br />

Recht zu üben<br />

ist Freude für den Gerechten,<br />

die Übeltäter aber versetzt<br />

das in Schrecken.<br />

Ein Mensch,<br />

der abirrt vom Weg<br />

der Einsicht,<br />

wird ruhen<br />

in der Versammlung<br />

der Totengeister.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

210


22 Erste Spruchsammlung<br />

Ein Mangelleidender wird,<br />

wer Vergnügungen liebt,<br />

wer Wein und Öl liebt,<br />

wird nicht reich.<br />

Der Frevler ist ein Lösegeld<br />

für den Gerechten,<br />

der Treulose tritt an die Stelle<br />

der Redlichen.<br />

Besser<br />

im Wüstenland wohnen<br />

als Ärger<br />

mit einer zänkischen Frau.<br />

Ein Schatz,<br />

kostbarer als Salböl,<br />

ist in der Wohnung der Weisen,<br />

doch ein törichter Mensch<br />

vergeudet ihn.<br />

Wer nach Gerechtigkeit<br />

und Güte strebt,<br />

wird Leben, Gerechtigkeit<br />

und Ehre erlangen.<br />

Der Weise ersteigt<br />

die Stadt der Mächtigen<br />

und stürzt die Befestigung,<br />

der sie vertraute.<br />

Wer Mund und Zunge hütet,<br />

bewahrt sein Leben<br />

vor Bedrängnissen.<br />

Der Übermütige, Stolze –<br />

sein Name ist Spötter,<br />

er handelt<br />

in vermessenem Übermut.<br />

<strong>Die</strong> Begierde des Faulen<br />

tötet ihn,<br />

seine Hände weigern sich<br />

nämlich zu schaffen.<br />

Den ganzen Tag<br />

begehrt er voll Gier,<br />

doch der Gerechte kann geben,<br />

ohne zu geizen.<br />

Abscheulich<br />

ist das Opfer der Frevler,<br />

besonders<br />

wenn man es in schlechter<br />

Absicht darbringt.<br />

Der Zeuge der Lüge<br />

kommt um,<br />

doch Bestand hat das,<br />

was der Mann sagt, der hört.<br />

Der Frevler macht<br />

ein trotziges Gesicht,<br />

doch der Rechtschaffene geht<br />

seinen Weg in Geradheit.<br />

Es gibt keine Weisheit<br />

und keine Einsicht,<br />

keinen Rat<br />

gegenüber dem Herrn.<br />

Für den Tag der Schlacht<br />

wird das Pferd gerüstet,<br />

aber beim Herrn steht der Sieg.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Ein guter Name<br />

ist begehrenswerter<br />

als großer Reichtum,<br />

besser als Silber<br />

und Gold<br />

ist Beliebtheit.<br />

Reiche und Arme<br />

treffen zusammen,<br />

der Herr hat ja alle beide<br />

geschaffen.<br />

Der Kluge sieht das Unheil<br />

und verbirgt sich,<br />

doch die Einfältigen gehen<br />

weiter:<br />

und müssen es büßen.<br />

Der Lohn für Demut<br />

und Furcht vor dem Herrn<br />

ist Reichtum,<br />

Ehre und Leben.<br />

Auf dem Weg des Falschen<br />

sind Dornen und Schlingen;<br />

wer sein Leben bewahren will,<br />

bleibt ihnen fern.<br />

Weise den Knaben ein<br />

in den Weg, den er gehen soll,<br />

dann wird er auch<br />

im Alter nicht von ihm weichen.<br />

Der Reiche<br />

beherrscht die Armen,<br />

der Schuldner ist der Knecht<br />

seines Gläubigers.<br />

Wer Unrecht sät,<br />

wird Unheil ernten,<br />

und der Stock seines Wütens<br />

nimmt ein Ende.<br />

Wessen Auge gütig blickt,<br />

der wird gesegnet,<br />

denn er gibt von seinem Brot<br />

dem Geringen.<br />

211 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Vertreibe den Spötter,<br />

dann zieht der Hader mit fort,<br />

und Streit und Schimpf<br />

haben ein Ende.<br />

Wer die Reinheit des Herzens<br />

liebt,<br />

und wessen Lippen gefällig<br />

reden,<br />

hat den König zum Freund.<br />

<strong>Die</strong> Augen des Herrn<br />

behüten Erkenntnis,<br />

doch vereitelt er das Gerede<br />

des Verräters.<br />

Der Faule sagt:<br />

Ein Löwe ist draußen,<br />

ich würde mitten<br />

auf der Straße getötet.<br />

Der Mund fremder Frauen<br />

ist eine tiefe Grube;<br />

wem der Herr zürnt,<br />

fällt hinein.<br />

Haftet Narrheit<br />

am Herzen des Knaben,<br />

die Zuchtrute<br />

entfernt sie davon.<br />

Wer den Armen bedrückt,<br />

um sich zu bereichern,<br />

wer dem Reichen gibt –<br />

(beides) bringt nichts ein.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

212


Worte der Weisen<br />

Kapitel 23<br />

—<br />

Wende hin dein Ohr und höre die Worte der Weisen,<br />

und richte dein Herz auf meine Erkenntnis!<br />

Denn schön ist es,<br />

wenn du sie in deinem Innern bewahrst,<br />

wenn sie alle fest bereitstehen auf deinen Lippen.<br />

Damit auf den Herrn dein Vertrauen sich gründe,<br />

lasse ich dich heute deinen Weg wissen.<br />

Habe ich dir nicht dreißig Sätze aufgeschrieben<br />

mit Ratschlägen und Erkenntnis,<br />

damit du die Wahrheit lehren kannst,<br />

und zuverlässige Worte dem antworten kannst,<br />

der dich gesandt hat?<br />

Beraube nicht den Armen, da er ja arm ist,<br />

und vernichte den Geringen nicht im Tor.<br />

Denn der Herr führt ihren Rechtsstreit<br />

und raubt das Leben ihren Räubern.<br />

Habe keine Gemeinschaft mit den Jähzornigen,<br />

und gehe nicht um mit dem Hitzkopf;<br />

sonst wirst du mit seinen Pfaden vertraut<br />

und schaffst eine Falle für dein Leben.<br />

Sei nicht bei denen, die Handschlag geben,<br />

bei denen, die für Schulden bürgen.<br />

Wenn du nichts hast, um zu zahlen, wird man<br />

dein Lager unter dir wegholen.<br />

Verrücke nicht die uralte Grenze,<br />

die deine Väter gezogen haben.<br />

Siehst du einen Mann,<br />

gewandt in seiner Tätigkeit:<br />

er wird vor Königen <strong>Die</strong>nst tun;<br />

keinesfalls tut er <strong>Die</strong>nst bei Geringen.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Wenn du dich setzt, um mit einem Gebieter<br />

zu speisen, so beachte nur, was vor dir steht;<br />

und setz dir ein Messer an die Kehle,<br />

wenn du zu gierig bist.<br />

Gelüste nicht nach seinen Leckerbissen,<br />

denn es ist eine trügerische Speise.<br />

Plage dich nicht ab, es zu Reichtum zu bringen,<br />

und dabei deine Klugheit aufzugeben.<br />

Lässt du zu ihm deine Blicke schweifen?<br />

Schon ist er ver schwunden!<br />

Denn er macht sich wahrhaftig Flügel<br />

wie ein Adler<br />

und fliegt in die Lüfte davon.<br />

Iss nicht die Speise eines Missgünstigen,<br />

und lass dich nicht<br />

nach seinen Leckerbissen gelüsten!<br />

Das wäre wie Sturm für deine Kehle!<br />

Iss und trink!, sagt er zu dir,<br />

doch sein Herz ist dir nicht zugetan.<br />

213 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Den Bissen, den du gegessen hast,<br />

musst du erbrechen,<br />

und deine freundlichen Worte hast du vergeudet.<br />

Zu den Ohren des Törichten rede nicht,<br />

denn er verachtet deine verständigen Worte.<br />

Verrücke nicht die uralte Grenze,<br />

und dringe nicht in die Felder der Waisen ein!<br />

Denn ihr Anwalt ist mächtig,<br />

er wird ihren Rechtsstreit gegen dich führen.<br />

Öffne dein Herz der Zucht<br />

und dein Ohr den Worten der Erkenntnis!<br />

Erspare dem Knaben nicht die Züchtigung;<br />

er stirbt nicht, wenn du ihn schlägst mit dem<br />

Stock. Du schlägst ihn zwar mit dem Stock,<br />

doch du rettest sein Leben vor der Unterwelt.<br />

Ist dein Herz weise, mein Sohn,<br />

so freue auch ich mich von Herzen,<br />

und mein Innerstes ist voll Jubel,<br />

wenn deine Lippen reden, was recht ist.<br />

Nicht ereifere dein Herz sich über die Sünder,<br />

vielmehr eifere alle Tage<br />

nach der Furcht des Herrn!<br />

Denn sicher gibt es eine Zukunft,<br />

und deine Hoffnung reißt nicht ab.<br />

Höre du, mein Sohn, und sei weise,<br />

und lenke dein Herz auf geraden Weg!<br />

Sei nicht unter Weinsäufern,<br />

bei den Schlemmern von Fleisch;<br />

denn Säufer und Schlemmer werden arm,<br />

und Verschlafenheit kleidet in Lumpen.<br />

Höre auf deinen Vater, er hat dich gezeugt,<br />

und verachte deine Mutter nicht, wenn sie alt ist.<br />

Wahrheit kaufe und verkauf sie nicht mehr:<br />

Weisheit, Zucht und Einsicht!<br />

Der Vater eines Gerechten jubelt laut;<br />

wer einen Weisen zeugte,<br />

kann sich über ihn freuen.<br />

Dein Vater möge sich freuen an dir,<br />

und jubeln soll die Mutter.<br />

Gib mir, mein Sohn, dein Herz,<br />

und deine Augen mögen an meinen Wegen<br />

Gefallen finden;<br />

denn eine tiefe Grube ist die Ehebrecherin,<br />

und ein enger Brunnen die Fremde.<br />

Ja, sie lauert auf wie ein Räuber<br />

und vermehrt die Verräter unter den Menschen.<br />

Wer hat Ach? Wer hat Wehe?<br />

Wer Gezänk? Wer Klage?<br />

Wer hat Wunden wegen nichts?<br />

Wer trübe Augen?<br />

<strong>Die</strong> bis spät beim Wein sitzen,<br />

die kommen, den Würzwein zu probieren.<br />

Schau nicht nach dem Wein, wie er rot erglüht,<br />

wie er funkelt im Becher,<br />

er trinkt sich so leicht!<br />

Am Ende beißt er wie eine Schlange<br />

und spritzt Gift, einer Viper gleich.<br />

Deine Augen sehen befremdliche Dinge,<br />

und wirres Zeug redet dein Herz.<br />

Du bist wie einer, der auf hoher See schläft,<br />

der sich auf der Spitze der Rahe bettet.<br />

Sie schlugen mich, doch es schmerzte mich nicht,<br />

sie prügelten mich, doch ich spürte nichts.<br />

Wann erwache ich?<br />

Ich suche ihn wieder, noch mehr!<br />

Kapitel<br />

—<br />

Sei auf böse Menschen nicht eifersüchtig,<br />

und begehre nicht, mit ihnen umzugehen;<br />

denn ihr Herz plant Gewalttat,<br />

und Unheil reden ihre Lippen.<br />

Ein Haus wird durch Weisheit gebaut<br />

und durch Einsicht gefestigt.<br />

Durch Erkenntnis werden die Kammern gefüllt<br />

mit allen Gütern, die wert und begehrt sind.<br />

Ein Weiser ist mächtiger als ein Starker,<br />

ein Verständiger mehr als ein Kräftiger.<br />

Denn durch Überlegung gewinnst du den Kampf,<br />

und Rettung kommt durch viele Berater.<br />

Zu hoch hängt den Toren die Weisheit,<br />

am Tor tut er seinen Mund nicht auf.<br />

Wer immer darauf sinnt, Böses zu tun,<br />

Spr 0,00–0,00<br />

214


24 Spruchsamlung der weisen<br />

den nennt man einen Ränkeschmied.<br />

Das Trachten der Torheit ist Sünde,<br />

der Spötter ist den Menschen ein Gräuel.<br />

Lässt du dich gehen am Tag der Not,<br />

so wird auch deine Kraft Schwäche sein.<br />

Errette, die man zum Sterben schleppt;<br />

die auf dem Gang zur Hinrichtung sind,<br />

hol sie zurück!<br />

Wenn du sagst: Er weiß von uns nichts! –<br />

wird er, der die Herzen prüft,<br />

es nicht durchschauen?<br />

Wird er, der deine Seele überwacht,<br />

es nicht wissen?<br />

Ja, er vergilt dem Menschen nach seinem Tun.<br />

Mein Sohn, iss Honig, denn er ist gut,<br />

und Wabenhonig ist süß deinem Gaumen.<br />

Wisse: So ist auch die Weisheit für dich.<br />

Hast du sie erlangt, ist die Zukunft gesichert,<br />

und deine Hoffnung reißt nicht ab.<br />

Belaure nicht frevelhaft die Stätte des Gerechten, zerstöre<br />

sein Lager nicht!<br />

Denn der Gerechte fällt siebenmal<br />

und steht wieder auf,<br />

aber die Frevler ins Unglück.<br />

Fällt dein Feind, so freu dich nicht,<br />

dein Herz juble nicht, wenn er hinstürzt,<br />

dass nicht der Herr es sieht und missbilligt<br />

und von ihm seinen Zorn abwendet.<br />

Über die Übeltäter erhitze dich nicht,<br />

und über die Frevler ereifere dich nicht;<br />

denn der Böse hat keine Zukunft,<br />

die Lampe der Frevler erlischt.<br />

Fürchte, mein Sohn, den Herrn und König,<br />

mit Andersdenkenden habe keinen Umgang!<br />

Denn plötzlich kommt von ihnen Verderben<br />

und unversehens Vernichtung von beiden.<br />

215 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Auch diese (Worte) stammen von Weisen:<br />

Parteiisch sein im Gericht ist übel.<br />

Wer zum Schuldigen spricht: Du hast Recht!,<br />

den verfluchen die Menschen,<br />

den verwünschen die Leute.<br />

Doch denen, die gerecht entscheiden,<br />

geht es gut,<br />

und Segen und Glück kommt über sie.<br />

Der gibt einen Kuss auf die Lippen,<br />

der redliche Worte erwidert.<br />

Besorge draußen deine Arbeit<br />

und bestell dein Feld,<br />

danach gründe deinen Hausstand!<br />

Tritt nicht als falscher Zeuge<br />

gegen deinen Nächsten auf,<br />

täusche nicht mit deinen Lippen!<br />

Sage nicht: Wie er mir getan, so will ich ihm tun,<br />

ich will einem jeden seinem Tun<br />

entsprechend vergelten.<br />

Am Feld eines Faulen ging ich vorüber<br />

und am Weinberg eines unverständigen Mannes:<br />

Und siehe, er war ganz überwuchert von Disteln,<br />

seine Fläche war überdeckt mit Unkraut,<br />

und der steinerne Wall lag in Trümmern.<br />

Ich besah es und machte mir keine Gedanken,<br />

ich betrachtete es und zog daraus die Lehre:<br />

Nur ein bisschen noch schlafen,<br />

ein bisschen noch schlummern,<br />

noch ein bisschen die Arme verschränken<br />

zum Ruhen.<br />

Da kommt schon die Armut über dich<br />

wie ein Wegelagerer,<br />

die Not wie ein unverschämter Kerl.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

216


Auch <strong>Die</strong>s<br />

sind Sprichwörter Salomos<br />

Kapitel 25<br />

—<br />

Auch dies sind Sprichwörter Salomos,<br />

welche die Männer Hiskijas, Königs von Juda,<br />

zusammengestellt haben:<br />

Gottes Ehre ist es,<br />

eine Sache zu verbergen,<br />

doch die Ehre der Könige ist es,<br />

eine Sache zu erforschen.<br />

Der Himmel an Höhe<br />

und die Erde an Tiefe<br />

und das Herz der Könige<br />

sind unerforschlich.<br />

Entferne aus dem Silber<br />

die Schlacken,<br />

dann gelingt dem Goldschmied<br />

das Gefäß.<br />

Entferne den Frevler<br />

aus der Nähe des Königs,<br />

so erlangt sein Thron Bestand<br />

durch Gerechtigkeit.<br />

Rühme dich nicht<br />

vor dem König,<br />

und stell dich nicht<br />

an den Platz der Großen.<br />

Denn besser,<br />

man sagt zu dir:<br />

Rück hier herauf!,<br />

als dass man dich<br />

vor einem Edlen herabsetzt.<br />

Haben deine Augen<br />

etwas gesehen,<br />

bringe es nicht<br />

übereilt vor Gericht.<br />

Denn was willst du sonst<br />

am Ende machen,<br />

wenn dich dein Nächster<br />

mit Schimpf widerlegt?<br />

Trage deinen Streit<br />

mit deinem Nächsten aus,<br />

doch stell eines anderen<br />

Geheimnis nicht bloß,<br />

sonst wird dich schmähen,<br />

wer es hört,<br />

und dein Gerede<br />

fällt auf dich zurück.<br />

Wie goldene Äpfel<br />

auf silbernen Schalen,<br />

so ein zur rechten Zeit<br />

gesprochenes Wort.<br />

Wie ein goldener Ring<br />

und Geschmeide<br />

aus feinstem Gold,<br />

so ist ein weiser Mahner<br />

für ein Ohr, das zuhört.<br />

Wie kühlender Schnee<br />

inmitten der Ernte<br />

ist ein zuverlässiger Bote<br />

für den, der ihn sendet;<br />

er erquickt<br />

die Seele seines Herrn.<br />

Aufkommende Wolken<br />

und Wind, doch kein Regen:<br />

so ist ein Mann,<br />

der prahlt mit erlogener Gabe.<br />

Mit Geduld kann<br />

ein Vorgesetzter<br />

umgestimmt werden,<br />

und sanfte Zunge vermag<br />

Knochen zu brechen.<br />

Hast du Honig gefunden,<br />

so iss nur nach deinem Bedarf,<br />

sonst bekommst du ihn satt<br />

und erbrichst ihn.<br />

217 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Mach deinen Fuß<br />

im Haus deines Nächsten selten,<br />

sonst bekommt er dich satt<br />

und verabscheut dich.<br />

Wie Keule, Schwert<br />

und scharfer Pfeil:<br />

so ist einer, der als falscher Zeuge<br />

gegen seinen Nächsten aussagt.<br />

Wie ein morscher Zahn<br />

und ein wankender Fuß:<br />

der Treulose am Tag<br />

der Bedrängnis,<br />

wie einer, der an kaltem Tag<br />

das Kleid ablegt.<br />

Essig auf eine Wunde:<br />

wer einem verstimmten Herzen<br />

Lieder vorsingt.<br />

Hungert dein Feind,<br />

so speise ihn mit Brot,<br />

und dürstet ihn,<br />

gib ihm Wasser zu trinken;<br />

so häufst du Kohlen<br />

auf sein Haupt,<br />

und der Herr<br />

wird dir vergelten.<br />

Der Wind aus dem Norden<br />

bringt Regenfall,<br />

und eine heimtückische Zunge<br />

betroffene Mienen.<br />

Besser in der Ecke<br />

des Daches wohnen,<br />

als mit einer zänkischen Frau<br />

im gemeinsamen Haus.<br />

Kühles Wasser<br />

für eine erschöpfte Seele<br />

ist eine gute Nachricht<br />

aus fernem Land.<br />

Ein getrübter Brunnen<br />

und eine verdorbene Quelle<br />

ist ein Gerechter,<br />

der vor einem Frevler wankt.<br />

Zu viel Honig essen<br />

ist von Übel,<br />

aber schwerwiegende Dinge<br />

erforschen<br />

ist Ehre.<br />

Eine geschleifte Stadt<br />

ohne Mauer<br />

ist ein Mann<br />

ohne Selbstbeherrschung.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Wie Schnee im Sommer<br />

und wie Regen zur Erntezeit,<br />

so unpassend ist<br />

für den Toren Ehre.<br />

Wie ein Sperling, der entweicht,<br />

wie die Schwalbe,<br />

die davonfliegt,<br />

so ist ein unverdienter Fluch:<br />

er trifft nicht ein.<br />

<strong>Die</strong> Peitsche dem Pferd,<br />

der Zaum dem Esel,<br />

der Stock<br />

dem Rücken der Toren.<br />

Erwidere dem Toren nicht<br />

seiner Narrheit entsprechend,<br />

sonst machst auch du dich<br />

ihm gleich.<br />

Erwidere dem Toren<br />

seiner Narrheit entsprechend,<br />

sonst dünkt er sich weise<br />

in seinen Augen.<br />

<strong>Die</strong> Füße haut sich ab,<br />

Unheil muss schlucken,<br />

wer Botschaft sendet<br />

durch einen Toren.<br />

Schlaff wie die Beine des Lahmen<br />

ist ein Sinnspruch<br />

im Mund der Toren.<br />

Wie einer, der einen Kiesel<br />

an der Schleuder festmacht,<br />

wer einem Toren Ehre erweist.<br />

Ein dorniger Zweig, in die Hand<br />

eines Trunkenen geraten:<br />

ein Sinnspruch im Mund<br />

der Toren.<br />

Ein Schütze,<br />

der alle verwundet:<br />

wer vorübergehende Toren<br />

und Betrunkene dingt.<br />

Wie ein Hund,<br />

der zurückkehrt<br />

zu seinem Erbrochenen,<br />

ist der Tor,<br />

der seine Narrheit wiederholt.<br />

Siehst du einen Mann,<br />

der sich für weise hält,<br />

so gibt es für den Toren<br />

mehr Hoffnung als für ihn.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

218


25 Spruchsammlung der weisen<br />

Der Faule sagt:<br />

Auf dem Weg<br />

liegt ein junger Löwe,<br />

ein Löwe ist mitten<br />

auf den Plätzen!<br />

<strong>Die</strong> Tür dreht sich<br />

in ihrer Angel,<br />

und der Faule<br />

auf seinem Lager.<br />

Hat der Faule seine Hand<br />

in die Schüssel gesteckt,<br />

ist er schon zu müde,<br />

sie zum Mund zu führen.<br />

Der Faule hält sich<br />

für weiser<br />

als sieben,<br />

die verständig erwidern.<br />

Der packt einen<br />

vorbeilaufenden Hund<br />

bei den Ohren,<br />

wer sich in einen<br />

fremden Streit einmischt.<br />

Wie einer,<br />

der sich verrückt gebärdet<br />

und Brandgeschosse schleudert,<br />

Pfeile und Tod,<br />

so ein Mann,<br />

der seinen Nächsten täuscht<br />

und sagt:<br />

Ich habe nur Spaß gemacht.<br />

Ist kein Holz mehr vorhanden,<br />

erlischt das Feuer;<br />

und wenn kein<br />

Ohrenbläser da ist,<br />

so legt sich der Streit.<br />

Kohlen die Glut<br />

und Holz das Feuer,<br />

so schürt ein zänkischer Mensch<br />

den Streit.<br />

Worte des Ohrenbläsers<br />

sind wie Leckerbissen,<br />

sie gleiten ins Innere<br />

des Leibes hinab.<br />

Mit Silberglasur<br />

überzogenes Tongeschirr:<br />

ein böses Herz<br />

und glatte Lippen.<br />

Mit seinen Lippen<br />

verstellt sich der Hasser,<br />

doch im Innern<br />

legt er Trug zurecht.<br />

Verleiht er seiner Stimme<br />

Freundlichkeit,<br />

so trau ihm nicht,<br />

denn in seinem Herzen<br />

sind sieben Gräuel.<br />

Verbirgt der Hass sich<br />

auch unter Täuschung,<br />

seine Bosheit wird<br />

in der Versammlung enthüllt.<br />

Wer eine Grube gräbt,<br />

fällt selbst hinein,<br />

und wer einen Stein hochwälzt,<br />

auf den rollt er zurück.<br />

Falsche Zunge hasst die,<br />

welche sie zermalmt,<br />

und glatter Mund<br />

bereitet Sturz.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Rühme dich nicht<br />

des morgigen Tages,<br />

denn du weißt nicht,<br />

was der Tag gebiert.<br />

Rühmen soll dich<br />

ein anderer,<br />

nicht dein eigener Mund,<br />

ein Fremder,<br />

doch nicht deine<br />

eigenen Lippen.<br />

Schwer ist der Stein<br />

und der Sand eine Last,<br />

doch der Verdruss<br />

mit einem Toren<br />

ist schwerer als beide.<br />

Grimm ist<br />

grausam und Zorn<br />

eine überströmende Flut;<br />

aber wer hält stand<br />

vor der Eifersucht?<br />

Besser ist offener Tadel<br />

als Liebe,<br />

die verborgen bleibt.<br />

Treu gemeint sind die Schläge<br />

des Liebenden,<br />

doch gefährlich die Küsse<br />

des Hassers.<br />

Der Satte<br />

tritt besten Honig mit Füßen,<br />

doch der Hungrige<br />

findet alles Bittere süß.<br />

Wie ein Vogel,<br />

seinem Nest entflogen,<br />

so ein Flüchtling<br />

fern von seinem Ort.<br />

Öl und Räucherwerk<br />

erfreuen das Herz,<br />

die Herzlichkeit<br />

eines Freundes<br />

wiegt mehr<br />

als eigenes Grübeln.<br />

219 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Deinen und deines<br />

Vaters Freund verlass nicht,<br />

und geh am Tag deines Unglücks<br />

nicht ins Haus deines Bruders.<br />

Besser ein naher Nachbar<br />

als ein ferner Bruder.<br />

Werde weise, mein Sohn,<br />

und erfreue mein Herz;<br />

dann kann ich dem,<br />

der mich schmäht,<br />

eine Antwort geben.<br />

Der Kluge sieht das Unheil<br />

und verbirgt sich,<br />

die Einfältigen gehen weiter<br />

und müssen es büßen.<br />

Nimm ihm das Gewand,<br />

er hat ja für einen<br />

anderen gebürgt;<br />

fremder Leute wegen<br />

pfände ihn!<br />

Wer seinen Nächsten<br />

mit lauter Stimme<br />

früh am Morgen begrüßt,<br />

dem wird es als Fluch<br />

angerechnet.<br />

Ein ständig tropfendes Dach<br />

in der Regenzeit<br />

und eine zänkische Frau<br />

gleichen einander.<br />

Wer sie zurückhält,<br />

hält den Wind zurück,<br />

und seine Rechte<br />

greift in Öl.<br />

Eisen schärft sich an Eisen;<br />

so glättet sich der Mensch<br />

im Umgang<br />

mit seinem Nächsten.<br />

Wer einen Feigenbaum pflegt,<br />

wird seine Frucht essen,<br />

und wer auf seinen Herrn<br />

Acht gibt,<br />

wird geehrt.<br />

Wie Wasser<br />

das Gesicht widerspiegelt,<br />

so das Menschenherz<br />

den Menschen.<br />

Unterwelt und Totenreich<br />

werden nicht satt,<br />

auch die Augen des Menschen<br />

werden nicht satt.<br />

Der Schmelztiegel<br />

prüft das Silber<br />

und der Ofen das Gold;<br />

den Menschen aber<br />

prüft der Mund dessen,<br />

der ihn lobt.<br />

Zerstießest du auch<br />

den Toren im Mörser,<br />

seine Narrheit würde nicht<br />

von ihm weichen.<br />

Achte gut auf das Aussehen<br />

deiner Schafe,<br />

widme deine Sorge den Herden;<br />

denn Vermögen bleibt nicht<br />

für alle Zeit,<br />

eine Krone überträgt sich nicht<br />

von Geschlecht zu Geschlecht.<br />

Sprießt Gras hervor,<br />

erscheint das Grün,<br />

sammelt man die Kräuter<br />

auf den Bergen,<br />

dann hast du Lämmer<br />

für deine Bekleidung<br />

und Böcke als Kaufpreis<br />

für Äcker<br />

und ausreichend Ziegenmilch<br />

zu deiner Ernährung<br />

und zum Lebensunterhalt<br />

für deine Mägde.<br />

Kapitel<br />

—<br />

Der Frevler flieht,<br />

obwohl ihn niemand verfolgt,<br />

doch der Gerechte<br />

fühlt sich sicher<br />

wie ein Löwe.<br />

Durch seine Frevel<br />

bekommt ein Land<br />

viele Herrscher,<br />

durch einen verständigen,<br />

einsichtigen Mann<br />

ist sein Bestand gesichert.<br />

Ein böser Mann,<br />

der die Geringen bedrückt,<br />

gleicht dem Regen,<br />

der wegschwemmt,<br />

statt Brot zu bringen.<br />

Wer die Weisung verlässt,<br />

rühmt den Frevler,<br />

doch wer die Weisung bewahrt,<br />

widersetzt sich ihm.<br />

<strong>Die</strong> bösen Menschen<br />

erfassen das Rechte nicht;<br />

die aber den Herrn suchen,<br />

fassen alles.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

220


27 Zweite Spruchsammlung<br />

Besser ein Armer,<br />

der ohne Schuld seinen Weg<br />

geht,<br />

als wer auf falschen Wegen geht<br />

und dabei reich ist.<br />

Wer die Weisung wahrt,<br />

ist ein verständiger Sohn;<br />

doch wer<br />

mit Schlemmern verkehrt,<br />

bringt seinen Vater in Schande.<br />

Wer sein Vermögen<br />

durch Zuschlag<br />

und Aufgeld vermehrt,<br />

sammelt für den,<br />

der sich der Bedrückten<br />

erbarmt.<br />

Hält einer sein Ohr<br />

vom Hören der Weisung fern,<br />

dann ist sogar sein Gebet<br />

ein Abscheu.<br />

Wer Redliche<br />

auf bösen Weg verführt,<br />

fällt selbst in seine Grube;<br />

den Schuldlosen aber<br />

wird Gutes zuteil.<br />

Ein reicher Mann<br />

hält sich selbst für klug,<br />

doch ein verständiger Armer<br />

durchschaut ihn.<br />

Triumphieren die Gerechten,<br />

ist das Gepränge groß;<br />

erheben sich aber die Frevler,<br />

verbirgt sich ein jeder.<br />

Wer seine Sünden verheimlicht,<br />

hat keinen Erfolg,<br />

doch wer sie bekennt und meidet,<br />

findet Erbarmen.<br />

Wohl dem Mann,<br />

der ständig Acht gibt;<br />

wer indessen sein Herz<br />

verhärtet,<br />

stürzt ins Unglück.<br />

Ein knurrender Löwe<br />

und ein gieriger Bär:<br />

wenn ein Frevler<br />

über ein schwaches Volk<br />

herrscht.<br />

Klein an Verstand,<br />

ist mancher Fürst<br />

ein großer Unterdrücker;<br />

wem unrechter Gewinn<br />

verhasst ist,<br />

der lebt lange.<br />

Ein Mensch,<br />

auf dem Blutschuld lastet,<br />

ist flüchtig bis zum Grab;<br />

man halte ihn nicht.<br />

Wer unsträflich seinen Weg geht,<br />

findet Rettung,<br />

doch wer falsche Wege<br />

beschreitet,<br />

fällt in die Grube.<br />

Wer seinen Acker bestellt,<br />

wird mit Brot gesättigt,<br />

doch wer<br />

nichtigen Dingen nachjagt,<br />

wird mit Armut gesättigt.<br />

Ein Mann von Festigkeit<br />

erlangt reichen Segen,<br />

wer aber hastet,<br />

sich zu bereichern,<br />

bleibt nicht straflos.<br />

Parteiisch sein ist übel,<br />

für einen Bissen Brot<br />

kann ein Mann<br />

zum Frevler werden.<br />

Nach Reichtum hascht einer<br />

mit neidischem Blick<br />

und sieht nicht voraus,<br />

dass Mangel über ihn kommt.<br />

Wer einen Menschen<br />

zurechtweist,<br />

findet zuletzt mehr Gunst<br />

als einer<br />

mit schmeichelnder Zunge.<br />

Wer Vater und Mutter beraubt<br />

und sagt:<br />

Es ist keine Sünde!,<br />

der ist ein Genosse<br />

des Verderbers!<br />

Zank<br />

erregt der Unersättliche,<br />

doch wer auf den Herrn vertraut,<br />

wird reichlich gelabt.<br />

Wer auf die eigene Einsicht<br />

vertraut,<br />

ist ein Tor;<br />

aber wer in Weisheit<br />

seinen Weg geht,<br />

der wird gerettet.<br />

Wer dem Armen gibt,<br />

erleidet nicht Mangel,<br />

doch wer seine Augen verhüllt,<br />

wird viel verflucht.<br />

Erheben sich die Frevler,<br />

verbergen sich die Menschen,<br />

gehen sie aber unter,<br />

mehren sich die Gerechten.<br />

221 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Kapitel<br />

—<br />

Ein Mann, der, oft verwarnt,<br />

doch halsstarrig bleibt,<br />

wird im Nu zerbrochen<br />

und es gibt keine Heilung.<br />

Regieren die Gerechten,<br />

so freut sich das Volk,<br />

doch herrscht der Frevler,<br />

so stöhnt das Volk.<br />

Ein Mann, der Weisheit liebt,<br />

erfreut seinen Vater;<br />

wer aber mit Dirnen verkehrt,<br />

bringt das Vermögen durch.<br />

Mit dem Recht<br />

baut ein König das Land auf,<br />

doch wer Abgaben erpresst,<br />

zerstört es.<br />

Ein Mann, der seinem Nächsten<br />

schmeichelt,<br />

legt ihm ein Netz vor die Füße.<br />

<strong>Die</strong> Sünde ist dem Bösen<br />

ein Fallstrick,<br />

doch der Gerechte jubelt<br />

und freut sich.<br />

Der Gerechte zeigt Verständnis<br />

für den Rechtsfall der Geringen,<br />

der Frevler kennt kein Verstehen.<br />

Hetzer bringen die Stadt<br />

in Aufruhr,<br />

doch Weise stillen den Zorn.<br />

Wenn ein weiser Mann<br />

mit einem törichten rechtet,<br />

so tobt der und lacht<br />

und gibt keine Ruhe.<br />

Blutmenschen hassen<br />

den Schuldlosen,<br />

aber Redliche bemühen sich<br />

um sein Leben.<br />

All seinen Unmut<br />

schüttet der Tor (gleich)<br />

heraus;<br />

doch der Weise hält sich zurück.<br />

Hört ein Herrscher<br />

auf Lügenwort,<br />

werden all seine Beamte<br />

zu Frevlern.<br />

Der Arme und der Bedrücker<br />

begegnen einander,<br />

doch der Herr<br />

erleuchtet die Augen beider.<br />

Richtet ein König die Geringen<br />

der Wahrheit gemäß,<br />

so hat sein Thron<br />

für immer Bestand.<br />

Rute und Rüge<br />

vermitteln Weisheit,<br />

doch ein zügelloser Knabe<br />

bringt seiner Mutter Schande.<br />

Regieren die Frevler,<br />

so mehrt sich die Sünde,<br />

aber die Gerechten<br />

schauen ihren Sturz.<br />

Züchtige deinen Sohn,<br />

so wird er sich zufrieden stellen<br />

und dir Freude bereiten.<br />

Ohne prophetische<br />

Offenbarung<br />

verwildert das Volk;<br />

aber wohl ihm,<br />

wenn es die Weisung befolgt.<br />

Durch Worte<br />

wird kein Sklave gebessert,<br />

denn er versteht,<br />

aber folgt nicht.<br />

Siehst du einen Mann,<br />

der nur so drauflos redet –<br />

für einen Toren<br />

gibt es mehr Hoffnung<br />

als für ihn.<br />

Wenn einer seinen Sklaven<br />

von Jugend an verwöhnt,<br />

so wird der zu guter Letzt<br />

aufsässig.<br />

Ein zornmütiger Mann<br />

erregt Streit,<br />

und ein Hitzkopf<br />

häuft Verfehlung.<br />

Der Hochmut<br />

eines Menschen<br />

demütigt ihn,<br />

doch Ehre erlangt,<br />

wer demütig ist.<br />

Wer mit dem <strong>Die</strong>b teilt,<br />

hasst sich selbst,<br />

er hört die Verfluchung<br />

und zeigt es doch nicht an.<br />

Menschenfurcht<br />

legt einen Fallstrick,<br />

doch wer auf den Herrn vertraut,<br />

wird geschützt.<br />

Viele suchen die Gunst<br />

des Herrschers,<br />

aber das Recht kommt<br />

für einen jeden vom Herrn.<br />

Ein Abscheu für die Gerechten<br />

ist der Übeltäter<br />

und ein Abscheu für den Frevler,<br />

wer redlich seinen Weg geht.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

222


Worte Agurs<br />

Kapitel<br />

—<br />

Worte Agurs, des Sohnes des Jake aus Massa.<br />

Spruch des Mannes für Laïtiël:<br />

Ich mühte mich ab mit Gott und bin am Ende.<br />

Denn ich bin vernunftloser als irgendein Mann<br />

und besitze keinen Menschenverstand,<br />

ich habe keine Weisheit gelernt,<br />

dass ich die Erkenntnis des Heiligen hätte.<br />

Wer stieg zum Himmel auf und kam hernieder?<br />

Wer fing den Wind in seinen Händen?<br />

Wer packte die Wasser in ein Tuch?<br />

Wer setzte fest alle Enden der Erde?<br />

Wie ist sein Name und wie der seines Sohnes, wenn du es weißt?<br />

Jedes Wort Gottes ist (im Feuer) geläutert;<br />

Schild ist er denen, die Zuflucht suchen bei ihm.<br />

Füg seinen Worten nichts hinzu,<br />

sonst zieht er dich zur Rechenschaft,<br />

und du stehst als Lügner da.<br />

Zwei Dinge erbitte ich von dir,<br />

nicht versage sie mir, bevor ich sterbe:<br />

Trug und Lügenwort halte fern von mir;<br />

gib mir nicht Armut, nicht Reichtum,<br />

lass mich essen mein zugemessenes Brot,<br />

dass ich weder, übersatt, dich leugne,<br />

indem ich sage: Wer ist der Herr?,<br />

noch, arm geworden, stehle<br />

und mich am Namen meines Gottes vergreife.<br />

Verleumde nicht den Knecht bei seinem Herrn,<br />

sonst verflucht er dich und du musst es büßen.<br />

Ein Geschlecht, das seinem Vater flucht<br />

und seine Mutter nicht segnet;<br />

ein Geschlecht, das rein ist in den eigenen Augen,<br />

doch sein Schmutz ist nicht abgewaschen;<br />

ein Geschlecht – wie stolz sind seine Augen<br />

und wie hochmütig seine Wimpern;<br />

ein Geschlecht, dessen Zähne Schwerter<br />

und dessen Gebiss Messer sind,<br />

um wegzufressen aus dem Land die Elenden<br />

und die Armen aus der Menschheit!<br />

223 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Der Blutegel hat zwei Töchter:<br />

Gib her! Gib her!<br />

Drei sind es, die nicht satt werden,<br />

und vier sagen niemals: Genug!<br />

<strong>Die</strong> Unterwelt und der unfruchtbare Mutterschoß,<br />

die niemals wassergesättigte Erde,<br />

und das Feuer, das nie sagt: Genug!<br />

Ein Auge, das den Vater verspottet<br />

und das hohe Alter der Mutter verachtet,<br />

das werden am Bach die Raben aushacken,<br />

und die Adlerjungen werden es fressen.<br />

Drei sind es, die für mich zu wunderbar sind,<br />

und vier, die ich nicht begreife:<br />

den Weg des Adlers am Himmel,<br />

den Weg der Schlange auf Felsgestein,<br />

den Weg des Schiffes auf hoher See<br />

und den Weg des Mannes bei der jungen Frau.<br />

So ist der Weg einer Frau, die Ehebruch treibt:<br />

Sie isst und wischt sich den Mund ab<br />

und sagt: Ich habe nichts Schlechtes getan.<br />

Unter dreien erbebt das Land,<br />

unter vieren wird es ihm unerträglich:<br />

unter einem Sklaven, wenn er König wird,<br />

und einem Toren, wenn er Brot in Fülle hat,<br />

unter einer Verschmähten,<br />

wenn sie geheiratet wird,<br />

und unter einer Sklavin,<br />

wenn sie ihre Herrin entthront.<br />

Vier sind die Kleinsten auf Erden<br />

und sind doch die Allerklügsten:<br />

<strong>Die</strong> Ameisen sind ein Volk ohne Kraft<br />

und sichern sich doch im Sommer ihr Futter.<br />

<strong>Die</strong> Klippdachse sind ein Volk ohne Stärke,<br />

und bauen doch in den Felsen ihre Behausung.<br />

Einen König haben die Heuschrecken nicht,<br />

und ziehen doch wohlgeordnet aus.<br />

<strong>Die</strong> Eidechse kann man mit Händen fangen,<br />

und sie hält sich doch in Königspalästen.<br />

Drei sind es, die stattlich einherschreiten,<br />

vier haben einen stolzen Gang:<br />

der Löwe, der Held unter den Tieren,<br />

der vor niemandem kehrtmacht;<br />

der Hahn, der einherstolziert, der Bock<br />

und der König, der vor seinem Volk auftritt.<br />

Begingst du eine Dummheit,<br />

indem du dich erhobst,<br />

oder denkst du nach –<br />

so lege die Hand auf den Mund!<br />

Denn wenn man Milch stößt,<br />

so kommt Butter heraus,<br />

stößt man die Nase,<br />

kommt Blut heraus,<br />

und stößt man den Zorn,<br />

so kommt Streit heraus.<br />

Spr 0,00–0,00<br />

224


30 Zweite Spruchsammlung<br />

Worte Lemuëls<br />

Kapitel 31<br />

—<br />

Worte Lemuëls, des Königs von Massa,<br />

mit denen ihn seine Mutter ermahnt hat:<br />

Was soll ich dir sagen, Lemuël, mein Erstgeborener,<br />

du Sohn meines Schoßes,<br />

was, du Sohn meiner Gelübde?<br />

Gib nicht deine Kraft den Frauen hin,<br />

noch deinen Leib an jene, die Könige verderben.<br />

Nicht sollen sich Könige, Lemuël,<br />

nicht sollen sich die Könige mit Wein betrinken,<br />

Fürsten nicht nach Rauschtrank verlangen.<br />

Sonst trinkt einer und vergisst seine Pflichten<br />

und entstellt die Rechtsansprüche aller Bedrückten.<br />

Gebt Rauschtrank dem Verzweifelnden,<br />

und Wein den Verbitterten.<br />

Er trinke, dann vergisst er seine Armut<br />

und denkt nicht mehr an seine Mühsal.<br />

Mach auf deinen Mund für den Stummen,<br />

für den Rechtsanspruch aller Haltlosen!<br />

Mach auf deinen Mund, entscheide gerecht,<br />

und schaffe Recht dem Bedrückten und Armen!<br />

225 Spr 0,00–0,00


Das Buch der Sprichwörter<br />

Lob auf die tüchtige Frau<br />

Eine tüchtige Frau, wer findet sie?<br />

Ihr Wert geht weit über Korallen.<br />

Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie,<br />

und es fehlt ihm nicht an Gewinn.<br />

Sie tut ihm Gutes und nichts Böses<br />

alle Tage ihres Lebens.<br />

Sie sieht sich um nach Wolle und Flachs,<br />

und schafft mit fleißigen Händen.<br />

Sie gleicht den Schiffen des Kaufmanns:<br />

Von weit her holt sie ihre Nahrung.<br />

Wenn es noch Nacht ist, steht sie schon auf<br />

und gibt Speise ihrem Haus,<br />

ihren Mägden die Tagesverpflegung.<br />

Nach Feld schaut sie aus und erwirbt es,<br />

sie pflanzt von ihrer Hände Ertrag einen Weinberg.<br />

Sie gürtet kraftvoll die Hüften<br />

und strengt ihre Arme an.<br />

Sie spürt den Erfolg ihrer Arbeit,<br />

auch des Nachts erlischt ihre Lampe nicht.<br />

Ihre Hände greifen nach dem Spinnstock,<br />

ihre Finger halten die Spindel.<br />

Sie tut ihre Hand dem Bedürftigen auf,<br />

und streckt die Arme dem Armen hin.<br />

Sie hat für ihr Haus den Schnee nicht zu fürchten,<br />

denn ihr ganzes Haus<br />

ist mit wollener Kleidung versehen.<br />

Decken hat sie sich angefertigt,<br />

ihre Kleidung ist Byssus-Leinen und Purpurwolle.<br />

Ihr Mann ist hochgeachtet in den Toren,<br />

wenn er zu Rat sitzt mit den Ältesten des Landes.<br />

Hemden stellt sie her und verkauft sie,<br />

und Gürtel liefert sie dem Händler.<br />

Stärke und Würde sind ihr Gewand,<br />

und so schaut sie froh in die Zukunft.<br />

In Weisheit tut sie den Mund auf,<br />

auf ihrer Zunge ist freundliche Weisung.<br />

Sie überwacht die Vorgänge in ihrem Haus<br />

und isst nicht etwa das Brot der Faulheit.<br />

Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich,<br />

auch ihr Gatte erhebt sich und rühmt sie:<br />

Viele Töchter haben sich tüchtig erwiesen,<br />

doch du übertriffst sie alle!<br />

Anmut ist trügerisch, Schönheit vergänglich:<br />

nur eine Frau, die den Herrn fürchtet,<br />

soll man rühmen.<br />

Spendet ihr Lob für die Frucht ihrer Hände,<br />

ihre Werke preise man in den Toren!<br />

Spr 0,00–0,00<br />

226


229 Status<br />

Das<br />

Buch<br />

Kohelet


<strong>Die</strong> Worte Kohelets, des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem.<br />

Windhauch, nur Windhauch,<br />

so spricht Kohelet;<br />

Windhauch, nur Windhauch.<br />

Alles ist W i n d h a u c h .<br />

Was bleibt dem Menschen von all seiner Mühe,<br />

womit er sich abmüht unter der Sonne?<br />

—<br />

1<br />

Koh 0,00–0,00<br />

230


—<br />

Kohelet 1<br />

Ein Geschlecht geht und ein anderes kommt;<br />

doch die Erde bleibt ewig bestehen.<br />

<strong>Die</strong> Sonne geht auf und die Sonne geht unter<br />

und eilt an ihren Ort, wo sie aufgeht.<br />

Er weht nach Süden, dann wendet er nach Norden;<br />

er dreht sich, kehrt um, kommt wieder, der Wind;<br />

so wiederholt der Wind seinen Umlauf.<br />

Alle Flüsse laufen ins Meer,<br />

doch wird das Meer nicht voll.<br />

Zum Ort, wohin die Flüsse gehen,<br />

dahin geht ihr Lauf immer wieder.<br />

Alle Dinge mühen sich ab.<br />

Keiner vermag alles auszudrücken,<br />

das Auge wird nicht satt beim Sehen<br />

und das Ohr nicht vom Hören voll.<br />

Was gewesen ist, dasselbe wird wieder sein,<br />

und was geschehen ist, wird wieder geschehen:<br />

Nichts Neues gibt es unter der Sonne.<br />

Sagt man von etwas:<br />

Sieh, das ist neu!,<br />

so war es schon längst zu den Zeiten,<br />

die vor uns gewesen sind.<br />

Kein Gedenken bleibt den Früheren;<br />

aber auch den Späteren, die kommen,<br />

wird kein Gedenken bleiben<br />

bei denen, die noch später sind.<br />

231 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 2<br />

Ich, Kohelet, war in Jerusalem König über Israel. Ich richtete mein<br />

Sinnen darauf, mit Hilfe der Weisheit alles zu untersuchen und zu<br />

erforschen, was unter dem Himmel geschieht. Eine schwierige Aufgabe<br />

hat Gott damit den Menschen gestellt, dass sie mit ihr sich<br />

plagen. Ich sah alle Taten an, die unter der Sonne geschehen; da<br />

zeigte sich: Alles ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft.<br />

Was krumm ist, kann nicht gerade werden,<br />

und was fehlt, kann man nicht zählen.<br />

Ich sagte zu mir selbst: Ja, ich habe ein Höchstmaß von Weisheit<br />

erworben über alle hinaus, die vor mir über Jerusalem herrschten.<br />

Mein Sinn lernte Weisheit und Wissen in Menge kennen. Dann<br />

richtete ich mein Sinnen darauf, Weisheit und Wissen, Torheit und<br />

Unverstand zu durchschauen. Da erkannte ich, dass auch dies Haschen<br />

nach Luft ist. Wirklich:<br />

Bei viel Weisheit ist viel Ärger<br />

und mehrt man das Wissen, so mehrt man den Schmerz.<br />

Ich sprach zu mir selbst: Wohlan! Versuche es mit der Freude und lass<br />

es dir gut gehen! Doch zeigte sich: Auch dies ist W i n d h a u c h.<br />

Zum Lachen sagte ich: Verrückt! und zur Freude: Was soll das?<br />

Ich nahm mir vor, meinen Leib mit Wein zu ergötzen, dabei aber<br />

mein Herz in der Weisheit zu bewahren und mich der Torheit hinzugeben,<br />

bis ich sähe, was für die Menschenkinder gut ist, um es<br />

die paar Tage ihres Lebens unter dem Himmel zu tun.<br />

Ich schuf große Werke: Ich baute mir Paläste und pflanzte mir<br />

Weinberge. Ich legte mir Gärten an und Parks und bepflanzte sie<br />

mit Fruchtbäumen jeder Art. Ich legte mir Wasserteiche an, um daraus<br />

die jungen Baumanlagen zu bewässern. Ich erwarb mir Sklaven<br />

und Sklavinnen und hatte hausgeborene Sklaven; auch Vieh, Rinder<br />

und Schafe besaß ich in Menge, mehr als alle vor mir in Jerusalem.<br />

Ich häufte mir auch Silber und Gold auf und die Schätze von Königen<br />

und Ländern. Ich verschaffte mir Sänger und Sängerinnen und<br />

die Lust der Menschensöhne: Frauen über Frauen.<br />

So wurde ich größer und reicher als alle vor mir in Jerusalem,<br />

wobei auch meine Weisheit mir verblieb. Was immer meine Augen<br />

begehrten, nichts davon versagte ich ihnen. Ich hielt mein Herz von<br />

keinerlei Freude ab. Ja, mein Herz gewann Freude aus all meiner<br />

—<br />

2<br />

Koh 0,00–0,00<br />

232


—<br />

Kohelet 2<br />

Mühe und dies war mein Lohn für all meine Mühe. Und nun prüfte<br />

ich all meine Werke, die meine Hände vollbracht hatten, und die<br />

Mühe, die ich beim Schaffen aufgewendet hatte, und es ergab sich:<br />

Alles ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft und es bleibt<br />

kein Nutzen unter der Sonne!<br />

Dann wandte ich mich dazu, die Weisheit zu betrachten und<br />

Torheit und Unverstand. Was tut denn der Mensch, der nach dem<br />

König kommt? Dasselbe, was man schon längst getan hat. Und ich<br />

sah, dass die Weisheit vor der Torheit einen solchen Vorteil hat wie<br />

das Licht vor der Finsternis:<br />

Der Weise hat Augen im Kopf;<br />

der Tor aber tappt in der Dunkelheit.<br />

Ich habe aber auch erkannt, dass ein und dasselbe Geschick alle beide<br />

trifft. Da sagte ich mir: Wenn das Geschick des Toren auch mich<br />

trifft, warum bin ich dann so übermäßig weise geworden? Und ich<br />

sprach zu mir selbst: Auch dies ist W i n d h a u c h ! 16 Wirklich,<br />

es gibt für den Weisen so wenig wie für den Toren ein Gedenken für<br />

immer. Schon in den Tagen, die bald kommen, sind beide längst<br />

vergessen. Ach, der Weise stirbt genau wie der Tor!<br />

Da hasste ich das Leben; denn widerwärtig erschien mir das Tun,<br />

das unter der Sonne geschieht. Ja, alles ist W i n d h a u c h und<br />

Haschen nach Luft!<br />

Da hasste ich all meine Mühe, womit ich mich abgemüht hatte<br />

unter der Sonne, weil ich es einem Menschen hinterlassen muss,<br />

der nach mir kommt. Und wer weiß, ob er weise ist oder ein Tor?<br />

Und doch wird er Vollmacht haben über allen Ertrag meiner Arbeit,<br />

auf den ich Mühe und Klugheit verwandte unter der Sonne. Auch<br />

dies ist Windhauch!<br />

Da kam ich so weit, dass ich mein Herz der Verzweiflung überließ<br />

wegen all der Mühe, womit ich mich abgemüht hatte unter der<br />

Sonne. Denn mancher hat sich mit Weisheit, Wissen und Tüchtigkeit<br />

bemüht und muss seinen Besitz dann einem Menschen<br />

übergeben, der keine Mühe dafür aufgewendet hat. Auch dies ist<br />

W i n d h a u c h und ein großes Übel. Ja, was bleibt dem Menschen<br />

von all seiner Mühe und seinem Streben, womit er sich<br />

abmühte unter der Sonne? Alle seine Tage sind nichts als Leid,<br />

und Kummer ist seine Beschäftigung. Selbst in der Nacht kommt<br />

sein Geist nicht zur Ruhe. Auch dies ist W i n d h a u c h .<br />

233 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 3<br />

Es gibt für den Menschen nichts Besseres als zu essen und zu trinken<br />

und es sich wohl sein zu lassen bei seiner Mühe. Auch dies, habe<br />

ich eingesehen, kommt von Gottes Hand. Denn wer kann essen,<br />

wer kann genießen, wenn nicht ich? Ja, dem Menschen, der ihm<br />

gefällt, gibt er Weisheit und Kenntnis und Freude; doch dem Sünder<br />

legt er die Plage auf, zu sammeln und aufzuhäufen, um es dann<br />

dem zu geben, der Gott gefällt. Auch dies ist W indhauch<br />

und Haschen nach Luft.<br />

Alles hat seine Stunde und für jedes Vorhaben unter dem Himmel<br />

gibt es eine Zeit:<br />

—<br />

3<br />

Eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben,<br />

eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit, die Pflanzen abzuernten,<br />

eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,<br />

eine Zeit zum Einreißen und eine Zeit zum Bauen,<br />

eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen,<br />

eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen,<br />

eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln,<br />

eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, sich der Umarmung zu enthalten,<br />

eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren,<br />

eine Zeit zum Aufbewahren und eine Zeit zum Wegwerfen,<br />

eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Nähen,<br />

eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden,<br />

eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen,<br />

eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.<br />

Was hat der, der etwas tut, davon, dass er sich abmüht? Ich besah<br />

mir die Arbeit, die Gott den Menschen auferlegt, sich damit zu plagen.<br />

Er macht alles und jedes vollkommen zu seiner Zeit. Zwar hat<br />

er ihnen auch eine Vorstellung vom gesamten Ablauf der Zeiten gegeben,<br />

doch ohne dass der Mensch das Werk, das Gott vollbringt,<br />

von Anfang bis Ende erfassen könnte.<br />

Da erkannte ich: Es gibt für den Menschen kein anderes Gut,<br />

als sich zu freuen und es sich wohl sein zu lassen in seinem Leben;<br />

Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Glück erfährt bei<br />

all seiner Mühe, ist eine Gabe Gottes. Ich erkannte: Alles, was Gott<br />

tut, das ist für immer. Dem gibt es nichts hinzuzufügen und davon<br />

ist nichts wegzunehmen. Gott hat es so gemacht, dass man Furcht<br />

vor ihm hat.<br />

Koh 0,00–0,00<br />

234


—<br />

Kohelet 4<br />

Was ist, ist schon längst gewesen,<br />

und was sein wird, ist schon lange da,<br />

und Gott sucht das Vergangene wieder hervor.<br />

Weiter sah ich unter der Sonne: An der Stätte des Rechts geschieht<br />

Unrecht und an der Stätte der Gerechtigkeit geschieht Unrecht! Da<br />

sagte ich bei mir selbst: Den Gerechten und den Frevler wird Gott<br />

richten. Denn eine bestimmte Zeit für jedes Unternehmen und für<br />

alles, was dort geschieht, gibt es [auch] dort.<br />

Was die Menschen betrifft, dachte ich, dass Gott sie prüft und<br />

dass sie erkennen sollen, dass sie eigentlich Tiere sind. Denn was<br />

das Geschick der Menschen und das Geschick der Tiere angeht: Sie<br />

haben ein und dasselbe Geschick. Wie diese sterben, so sterben auch<br />

jene. Den gleichen Atem haben sie alle und es gibt für den Menschen<br />

keinen Vorzug vor dem Tier, denn alles ist W i n d h a u c h .<br />

Alles geht an ein und denselben Ort.<br />

Alles ist aus Staub geworden und alles kehrt zum Staub zurück.<br />

— 4<br />

Wer weiß, ob der Atem der Menschen nach oben emporsteigt und<br />

ob der Atem der Tiere hinunter in die Erde hinabfährt? So sah ich<br />

ein, dass es für den Menschen nichts Besseres gibt, als sich bei seinem<br />

Tun zu freuen; denn dies ist sein Anteil. Denn wer ließe ihn<br />

dahin gelangen, Einsicht zu gewinnen in das, was nach ihm sein<br />

wird?<br />

Und wieder sah ich all das Unrecht, das unter der Sonne verübt<br />

wird. Da sind die Tränen der Bedrückten, aber kein Tröster ist für<br />

sie da, von der Hand ihrer Bedrücker geht Gewalttat aus, aber kein<br />

Tröster ist für sie da. Darum preise ich die Toten, die längst gestorben<br />

sind, glücklicher als die Lebenden, die noch leben. Aber mehr<br />

als sie beide preise ich den, der erst gar nicht zum Dasein gelangt,<br />

der das üble Treiben nicht gesehen, das unter der Sonne herrscht.<br />

Ich stelle fest: Alles Bemühen und aller Erfolg ist nur Eifersucht<br />

des einen gegen den anderen. Auch dies ist W i n d h a u c h und<br />

Haschen nach Luft.<br />

Der Tor legt die Hände in den Schoß<br />

und hat doch sein eigenes Fleisch zum Essen.<br />

Besser eine Handvoll und Ruhe,<br />

als beide Hände voll und Mühe und Haschen nach Luft!<br />

235 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 5<br />

Ich sah mich weiter um und erblickte wieder W i n d h a u c h<br />

unter der Sonne: Da ist einer und hat keinen zweiten, hat weder<br />

Sohn noch Bruder; und doch kennt alle sein Mühe kein Ende und<br />

mit keinem Reichtum sind seine Augen zufrieden. Doch wozu<br />

mühe ich mich dann ab und versage mir die guten Dinge? Auch<br />

dies ist W i n d h a u c h und es ist ein übles Geschäft.<br />

Besser sind zwei daran als ein einzelner, sofern ihnen guter<br />

Lohn aus ihrer Mühe zuteil wird. Kommen sie nämlich zu Fall, kann<br />

der eine dem anderen wieder aufhelfen. Wehe aber dem Einzelnen,<br />

wenn er fällt, und es ist doch kein zweiter da, ihn aufzurichten! Außerdem:<br />

Legen zwei sich zusammen nieder, so wird ihnen warm;<br />

aber einem Einzelnen, wie soll es ihm warm werden? Und wenn<br />

jemand einen einzelnen überwältigt, so sind ihm zwei gewachsen,<br />

und eine dreifache Schnur reißt nicht so rasch entzwei.<br />

Besser ein junger Mann, arm, aber weise, als ein König, alt, aber<br />

töricht, der nicht mehr die Einsicht hat, sich warnen zu lassen.<br />

Der junge Mann kam aus dem Gefängnis und wurde König, obwohl<br />

er arm während der Regierungszeit des anderen geboren war. Aber<br />

ich sah alle Lebenden unter der Sonne mit dem nächsten jungen<br />

Mann ziehen, der an dessen Stelle trat. Kein Ende nimmt die Volksmenge,<br />

ganz gleich, wer an ihrer Spitze steht. Doch auch die Späteren<br />

fanden keine Freude an ihm. Denn auch dies ist W i n d h a u c h<br />

und Haschen nach Luft.<br />

—<br />

Nimm deinen Fuß in Acht, wenn du zum Haus Gottes gehst!<br />

Tritt ein, um zu hören. Das ist besser, als wenn die Toren Opfer<br />

bringen. Sie haben ja keine Erkenntnis und tun darum<br />

Böses.<br />

Dein Mund überstürze sich nicht und dein Herz sei nicht<br />

rasch dabei, ein Wort vor Gott hervorzubringen; denn Gott ist<br />

im Himmel, doch du bist auf Erden. Darum mach nur wenig<br />

Worte.<br />

—<br />

5<br />

Zu Träumen kommt es bei so viel Geschäftigkeit, der Tor<br />

macht viele Worte. Hast du Gott etwas gelobt, so säume<br />

nicht, es zu erfüllen. Denn kein Gefallen hat er an Toren. Was<br />

du gelobt hast, erfülle! Du machst besser gar kein Gelübde,<br />

als dass du gelobst, und hältst es nicht.<br />

Koh 0,00–0,00<br />

236


—<br />

Kohelet 5<br />

Gestatte deinem Mund nicht, dich selbst in Schuld zu bringen,<br />

und sage nicht zu dem Boten: Es war ein Versehen!<br />

Warum sollte Gott über deine Äußerung zürnen und das<br />

Werk deiner Hände vernichten?<br />

Wo viele Träume und W indhauch und viel Geschwätz,<br />

da fürchte du Gott!<br />

Siehst du im Land Unterdrückung des Armen und Entzug von<br />

Recht und Gerechtigkeit, so wundere dich über die Sache nicht:<br />

Über den Hohen wacht ein Hoher, und über beiden noch Höhere.<br />

Auf jeden Fall ist es ein Vorteil für das Land, wenn ein König dafür<br />

sorgt, dass das Feld bebaut wird.<br />

Wer das Geld liebt, bekommt nie Geld genug;<br />

und wer Luxus liebt, hat nie genug Einkünfte –<br />

auch dies ist W i n d h a u c h .<br />

Mehrt sich das Gut,<br />

so vermehren sich auch die Verzehrer.<br />

Welchen Genuss hat der Besitzer davon,<br />

als dass seine Augen zusehen dürfen?<br />

Süß ist der Schlaf des Schaffenden,<br />

ob er wenig, ob er reichlich zu essen hat.<br />

Den Reichen lässt die Sattheit keinen Schlaf finden.<br />

Es gibt ein schlimmes Übel, das ich unter der Sonne sah: Reichtum,<br />

von seinem Besitzer gehütet zu seinem Unheil. Dann geht<br />

der Reichtum in einem Unglücksfall verloren und hat er einen<br />

Sohn gezeugt, bleibt diesem nichts in Händen. Wie er aus dem<br />

Schoß seiner Mutter hervorging, nackt geht er fort, wie er kam,<br />

und seine Mühe trägt ihm gar nichts ein, das er mit sich nehmen<br />

könnte. Auch dies ist ein schlimmes Übel: Ganz so, wie er kam,<br />

muss er gehen; und was bleibt ihm davon, dass er sich abmüht<br />

für Wind? So verbringt er alle seine Tage in Dunkel und Trauer,<br />

Unmut, Krankheit und Ärger.<br />

237 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 7<br />

Das nun stelle ich fest: Das Glück, das dem Menschen zukommt,<br />

ist dies: zu essen und zu trinken und es sich wohl sein zu lassen<br />

bei all der Mühe, die sich einer macht unter der Sonne, die paar<br />

Tage seines Lebens, die Gott ihm gegeben hat; denn dies ist sein<br />

Anteil. Ja, bei jedem Menschen, dem Gott Reichtum und Vermögen<br />

verliehen und ihn ermächtigt hat, davon zu genießen und<br />

seinen Anteil sich zu nehmen und aus seiner Mühe Freude zu<br />

ziehen, ist dies ein Gottesgeschenk. Denn er denkt dann nicht<br />

viel an die Kürze seines Lebens, weil Gott ihn mit seiner Herzensfreude<br />

beschäftigt.<br />

Es gibt ein Übel, das ich unter der Sonne sah und das schwer<br />

auf dem Menschen lastet: Gott hat einem Mann Reichtum und<br />

Vermögen und Ansehen verliehen und von allem, was sein Herz<br />

begehrt, mangelt ihm nichts; aber Gott ermächtigte ihn nicht,<br />

davon zu genießen; vielmehr genießt es ein Fremder. Das ist<br />

W i n d h a u c h und schlimmes Leid!<br />

Zeugt ein Mann auch hundert Söhne und erreicht ein hohes<br />

Lebensalter, kann sich aber an seinem Gut nicht sättigen – auch<br />

wenn er niemals ins Grab sänke –, ich behaupte: Eine Totgeburt<br />

ist besser daran als er. Denn: Sie kommt als W i n d h a u c h und<br />

ins Dunkel geht sie und mit Dunkel bleibt ihr Name bedeckt. Sie<br />

hat die Sonne nicht gesehen und nicht gekannt. So hat sie mehr<br />

Ruhe als jener. Selbst wenn er zweimal tausend Jahre lebte, konnte<br />

es sich aber nicht wohl sein lassen: gehen nicht beide zu ein und<br />

demselben Ort?<br />

Des Menschen ganzes Mühen ist für seinen Mund und doch<br />

wird der Schlund nicht voll. Was hat denn der Weise dem Toren<br />

voraus? Was nützt es dem Armen, dem es gelingt, vor den Lebenden<br />

zu bestehen?<br />

—<br />

6<br />

Besser, etwas vor Augen zu haben,<br />

als ein hungriger Schlund.<br />

Auch dies ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft!<br />

Was ist, wurde schon längst beim Namen genannt; auch ist vorherbestimmt,<br />

was ein Mensch sein wird, und so kann er mit dem<br />

nicht streiten, der stärker ist als er. Es gibt viele Worte, die nur den<br />

W i n d h a u c h vermehren. Was gewinnt der Mensch dabei? Wer<br />

weiß denn, was für den Menschen gut ist im Leben, für die paar<br />

Koh 0,00–0,00<br />

238


—<br />

Kohelet 7<br />

Tage seines Lebens voll W i n d h a u c h , die er wie ein Schatten<br />

verbringt? Denn wer verkündet dem Menschen, was nach ihm sein<br />

wird unter der Sonne?<br />

— 7<br />

Besser ist ein guter Name als gutes Salböl,<br />

und der Tag des Todes als der Tag der Geburt.<br />

Besser, in ein Haus zu gehen, wo man trauert,<br />

als in ein Haus, wo man feiert.<br />

Denn dies ist das Ende aller Menschen,<br />

und wer lebt, nimmt es sich zu Herzen.<br />

Besser betrübt sein als lachen;<br />

denn bei ernster Miene ist dem Herzen wohl.<br />

Das Herz der Weisen ist im Haus, wo man trauert;<br />

doch das Herz der Toren ist im Haus der Freude.<br />

Besser das Schelten des Weisen anhören,<br />

als dem Gesang der Toren lauschen.<br />

Denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel,<br />

so ist das Lachen des Toren.<br />

Aber auch dies ist W i n d h a u c h ; denn<br />

Erpressung verblendet den Weisen,<br />

und Bestechung verdirbt das Herz.<br />

Besser der Ausgang einer Angelegenheit als ihr Anfang<br />

besser ein Besonnener als ein Hochfahrender.<br />

—<br />

Überlass dich nicht rasch dem Unmut; denn Unmut nistet im<br />

Innern der Toren.<br />

Doch frag nicht: Wie kommt es nur, dass die früheren Zeiten besser<br />

als die jetzigen waren? Denn nicht aus Weisheit geschieht es, wenn<br />

du so fragst.<br />

239 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 7<br />

Weisheit ist gut wie Erbbesitz<br />

und ein Gewinn für die, welche die Sonne sehen.<br />

Denn wer sich im Schatten der Weisheit birgt,<br />

der birgt sich auch im Schatten des Geldes;<br />

aber der Vorzug der Erkenntnis ist der,<br />

dass die Weisheit ihre Besitzer am Leben erhält.<br />

—<br />

Achte aber auf Gottes Tun! Denn: Wer kann denn das, was er<br />

gekrümmt hat, gerade machen?<br />

Am guten Tag sei guter Dinge und am bösen Tag sieh ein,<br />

dass Gott auch diesen wie jenen gemacht hat, so dass der<br />

Mensch gar nichts von dem herausfinden kann, was nach ihm<br />

sein wird.<br />

Beides habe ich gesehen in meinen Tagen voll W i n d h a u c h :<br />

Es gibt Gerechte, die zugrunde gehen trotz ihrer Gerechtigkeit, und<br />

es gibt Frevler, die lange leben trotz ihrer Bosheit.<br />

—<br />

Sei nicht allzu gerecht und bemühe dich nicht, über die Maßen<br />

weise zu sein! Warum willst du dich zugrunde richten?<br />

Frevle nicht allzu sehr und sei kein Tor! Warum willst du vorzeitig<br />

sterben?<br />

Gut ist es, du hältst das eine fest und lässt auch das andere<br />

nicht aus der Hand gleiten. Ja, wer Gott fürchtet, bringt alles<br />

beide zuwege.<br />

<strong>Die</strong> Weisheit verleiht dem Weisen mehr Kraft<br />

als zehn Machthabern in der Stadt. –<br />

Ja, kein Mensch im Land ist so gerecht, dass er nur Gutes täte und<br />

nie sündigte.<br />

—<br />

Gib auch nicht auf alle Worte Acht, die gesprochen werden;<br />

sonst hörst du gar, wie dein Knecht über dich flucht; denn oft,<br />

das weißt du selbst, hast auch du über andere geflucht.<br />

Koh 0,00–0,00<br />

240


—<br />

Kohelet 8<br />

Alles dies versuchte ich mit der Weisheit. Ich sagte mir: Ich<br />

möchte Weisheit erlangen. Aber sie blieb mir fern. Fern ist alles,<br />

was geschehen ist, und tief, tief verborgen! Wer könnte es wiederfinden?<br />

Ich wandte mich um, und zwar mein Verstand, um zu erkennen<br />

und zu erforschen und um Weisheit, und zwar Einsicht, zu suchen,<br />

und um Bosheit als Torheit und die Dummheit als Verblendung zu<br />

erkennen. Da habe ich die Ansicht gefunden: Bitterer als der Tod<br />

ist die Frau, sie ist ein Fangnetz und ihre Hände sind Fesseln. Wer<br />

Gott gefällt, entkommt ihr; aber der Sünder wird von ihr gefangen.<br />

Siehe, dies habe ich gefunden, spricht Kohelet, indem ich alles<br />

zusammenrechnete, dass ich zwar gesucht, aber doch nichts gefunden<br />

habe: Einen Mann unter tausend fand ich, aber eine Frau habe<br />

ich unter allen nicht gefunden. Sieh, dies habe ich als einziges gefunden:<br />

Gott hat die Menschen aufrichtig geschaffen; aber sie versuchen<br />

sich in vielerlei Künsten.<br />

— 8 Wer ist wie der Weise? Wer versteht es, eine Sache zu klären? <strong>Die</strong><br />

Weisheit befähigt einen Mann, seine Mienen aufzuhellen und die<br />

Strenge der Züge zu mildern. Ich aber sage:<br />

—<br />

Den Spruch des Königs beachte, und zwar wegen des Gotteseides.<br />

Geh nicht vorschnell von ihm weg. Beharre nicht auf<br />

einer Sache, die ihm zuwider ist. Er kann ja doch immer tun,<br />

was ihm gefällt. Denn das Wort des Königs hat Macht, und<br />

wer dürfte zu ihm sagen: Was tust du da?<br />

Wer das Gebot hält, dem widerfährt nichts Schlimmes,<br />

und weiser Verstand kennt Zeit und Ordnung.<br />

Denn jedes Unternehmen hat seine Zeit und seinen Entscheid und<br />

schwer lastet die Gefahr auf dem Menschen. Er weiß ja nicht, was geschehen<br />

wird. Denn wer könnte vorhersagen, wie es kommen wird?<br />

Kein Mensch hat Macht über den Wind,<br />

dass er den Wind zurückhalten könnte;<br />

niemand ist Herr über den Tag des Todes.<br />

Es gibt keine Entlassung im Krieg.<br />

Auch bietet der Frevel seinen Urhebern keine Rettung.<br />

241 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 8<br />

<strong>Die</strong>s alles sah ich, als ich meinen Sinn auf alles Tun richtete, das<br />

unter der Sonne geschieht, wenn der Mensch über die Menschen<br />

herrscht zu ihrem Schaden. Dabei sah ich: Frevler wurden zu Grabe<br />

getragen an heiliger Stätte, während andere, die Rechtes getan<br />

hatten, wegziehen mussten und in der Stadt bald vergessen sein<br />

werden. Auch dies ist W indhauch! Denn:<br />

Wo keine Strafe verhängt wird,<br />

ist die Bosheit rasch am Werk.<br />

Deshalb wächst im Herzen der Menschen die Lust, Böses zu tun.<br />

Denn:<br />

Der Sünder kann hundertmal Böses tun<br />

und lebt dennoch lange.<br />

Gewiss, es ist auch mir bekannt:<br />

Gut wird es denen ergehen, die Gott fürchten,<br />

weil sie vor ihm sich fürchten.<br />

Dem Frevler ergeht es nicht gut,<br />

und er wird, dem Schatten gleich,<br />

seine Tage nicht verlängern können,<br />

weil er sich vor Gott nicht fürchtet.<br />

Doch kommt auf der Erde auch W i n d h a u c h vor; denn:<br />

Manche Gerechte empfangen den Lohn,<br />

den Frevler verdient hätten;<br />

und manche Frevler empfangen den Lohn,<br />

den Gerechte verdient hätten.<br />

Ich schloss daraus, dass auch dies W i n d h a u c h ist!<br />

Da pries ich nun die Freude. Denn es gibt für den Menschen<br />

unter der Sonne kein anderes Glück, als zu essen, zu trinken und<br />

sich zu freuen. <strong>Die</strong>s begleite ihn bei seiner Mühsal durch seine Lebenstage,<br />

die Gott ihm unter der Sonne gegeben hat.<br />

Als ich mir vorgenommen hatte, zu erkennen, was Wissen wirklich<br />

ist, und danach suchte, die Tätigkeiten zu durchschauen, die<br />

auf der Erde betrieben werden – denn weder bei Tag noch bei Nacht<br />

Koh 0,00–0,00<br />

242


—<br />

Kohelet 9<br />

— 9<br />

finden die Augen des Menschen Schlaf –, da sah ich: Alles ist Gottes<br />

Werk, doch der Mensch ist nicht imstande, die Vorgänge zu ergründen,<br />

die sich unter der Sonne abspielen. Wie viel der Mensch sich<br />

auch mit Forschen abmüht, er wird es nicht ergründen; und selbst<br />

der Weise, der meint, es zu kennen, vermag es nicht zu ergründen.<br />

All dies erwog ich in meinem Sinn und ich sah ein, dass die Gerechten<br />

und Weisen und ihre Werke in Gottes Hand sind. Weder um<br />

Liebe noch um Hass weiß der Mensch; beides liegt doch offen vor ihm.<br />

Alle trifft doch ein und dasselbe Geschick,<br />

den Gerechten und den Frevler,<br />

den Reinen und den Unreinen;<br />

den, der opfert, und den, der keine Opfer bringt;<br />

den Guten und den Sünder;<br />

den, der schwört, und den, der den Eid scheut.<br />

Das ist das Schlimme bei allem, was unter der Sonne geschieht,<br />

dass alle ein und dasselbe Geschick trifft, dass sich das Herz der<br />

Menschen mit Unheil füllt und dass man Torheiten ausdenkt, solange<br />

man lebt, und danach müssen sie zu den Toten. 4 Ja, wer noch<br />

lebt, für den gibt es noch Hoffnung. Denn:<br />

Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.<br />

Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden; doch die Toten<br />

wissen gar nichts; auch erhalten sie keine Belohnung mehr; denn<br />

die Erinnerung an sie gerät in Vergessenheit. 6 Ihr Lieben, ihr Hassen<br />

und auch ihr Eifern sind längst dahin. Auf ewig haben sie keinen<br />

Anteil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht.<br />

—<br />

Also: Iss fröhlich dein Brot und trink vergnügt deinen Wein;<br />

denn von jeher gefällt es Gott, wenn du so tust.<br />

Trag jederzeit weiße Kleider und auf deinem Haupt fehle<br />

nicht das Öl.<br />

Genieß das Leben mit einer Frau, die du liebst, alle Tage deines<br />

nichtigen Lebens, die Gott dir unter der Sonne gegeben<br />

hat. Denn dies ist dein Anteil am Leben und an deiner Mühe,<br />

die du dir unter der Sonne machst.<br />

243 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 10<br />

Alles, was deine Hand zu tun findet, das tu, solange du Kraft<br />

hast. Denn es gibt kein Tun und Planen, nicht Wissen und<br />

Weisheit in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist.<br />

Weiter sah ich unter der Sonne:<br />

Nicht den Schnellen gehört der Lauf,<br />

noch den Helden der Kampf;<br />

auch nicht den Weisen das Brot,<br />

auch nicht den Einsichtigen der Reichtum,<br />

auch nicht den Könnern der Beifall;<br />

vielmehr ereilen die Zeit und das Schicksal sie alle.<br />

Außerdem: Der Mensch kennt seine Zeit nicht.<br />

Wie die Fische, die im tückischen Netz gefangen sind,<br />

und wie die Vögel, die ins Klappnetz geraten sind,<br />

so werden die Menschen zur Stunde des Unheils gefasst,<br />

wenn sie plötzlich über sie kommt.<br />

Auch dies sah ich als Weisheit unter der Sonne und ich hielt es für<br />

bedeutsam: Es war eine kleine Stadt mit nur wenigen Einwohnern.<br />

Da zog ein großer König gegen sie aus. Er schloss sie ein und errichtete<br />

gegen sie große Belagerungstürme. Nun fand sich in ihr<br />

ein armer, aber weiser Mann, der die Stadt durch seine Weisheit<br />

rettete. Doch niemand erinnert sich später an diesen armen Mann.<br />

Da sagte ich:<br />

Weisheit ist besser als Macht,<br />

doch die Weisheit des Armen wird missachtet,<br />

und auf seine Worte hört man nicht.<br />

Worte der Weisen ruhig gesprochen<br />

sind besser als das Geschrei eines Herrschers von Toren.<br />

Weisheit ist besser als Kriegsgerät,<br />

aber ein einziger Fehler kann viel Gutes zerstören.<br />

Sterbende Fliegen verderben das Öl des Salbenmischers;<br />

eine kleine Torheit zählt schwerer als Weisheit und Ehre.<br />

—<br />

10<br />

Koh 0,00–0,00<br />

244


—<br />

Kohelet 10<br />

Der Verstand des Weisen nimmt den rechten Weg,<br />

der Verstand des Toren nimmt den linken;<br />

Doch welchen Weg der Tor auch wählt,<br />

ihm fehlt der Verstand,<br />

obwohl er jeden anderen für einen Dummkopf hält.<br />

—<br />

Erhebt sich der Unmut des Herrschers gegen dich, so verlasse<br />

nicht deinen Posten; denn Gelassenheit beugt großen<br />

Verfehlungen vor.<br />

Es ist ein Übel, das ich unter der Sonne sah, nämlich ein Missgriff,<br />

der ausgeht vom Herrscher: Der Torheit werden höchste<br />

Stellungen verliehen, während Reiche in Niedrigkeit sitzen. Ich<br />

sah Sklaven zu Pferd, aber Fürsten mussten wie Sklaven zu Fuß<br />

gehen.<br />

Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen,<br />

wer eine Mauer einreißt, den kann die Schlange beißen.<br />

Wer Steine bricht, kann sich dabei verletzen;<br />

wer Holz spaltet, kann sich dabei gefährden.<br />

Ist die Axt stumpf geworden<br />

und man schleift sie nicht zuvor,<br />

so muss man sich dafür mehr anstrengen.<br />

Der Vorteil der Weisheit aber ist der Erfolg.<br />

Wenn die Schlange beißt, bevor sie beschworen hat,<br />

so hat der Beschwörer nichts von seiner Kunst.<br />

<strong>Die</strong> Worte aus dem Mund des Weisen finden Beifall;<br />

doch die Lippen des Toren verschlingen ihn selbst.<br />

<strong>Die</strong> Worte seines Mundes beginnen mit Torheit,<br />

und der Schluss seiner Rede ist heillose Narrheit.<br />

Auch macht der Tor viele Worte. Dabei weiß kein Mensch, was sein<br />

wird. Wer sollte ihm auch verkünden, was nach ihm sein wird? <strong>Die</strong><br />

Anstrengung der Toren macht sie erschöpft; sie haben es nicht verstanden,<br />

in die Stadt zu ziehen.<br />

245 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 11<br />

Wehe dir, Land,<br />

dessen König ein Knabe ist<br />

und dessen Fürsten am Morgen schon tafeln!<br />

Wohl dir, Land,<br />

dessen König ein Edelmann ist<br />

und dessen Fürsten zur rechten Zeit speisen,<br />

als Männer und nicht als Trinker!<br />

Durch Faulenzerei senkt sich das Gebälk,<br />

und bei schlaffen Händen tropft es ins Haus.<br />

Festmähler werden zum Vergnügen gehalten,<br />

der Wein erfreut die Gemüter,<br />

und all dies ermöglicht das Geld.<br />

—<br />

Nicht einmal in deinen Gedanken fluch auf den König, und<br />

selbst in deinem Schlafgemach fluch nicht auf den Reichen;<br />

denn die Vögel des Himmels können den Laut forttragen, alles,<br />

was Flügel hat, kann das Wort weitermelden.<br />

Lege dein Brot auf die Fläche des Wassers, denn noch nach<br />

vielen Tagen wirst du es wieder finden.<br />

Verteile auf sieben oder gar auf acht; denn du kannst nicht<br />

wissen, welches Unglück über das Land kommt. Sind die<br />

Wolken mit Regen gefüllt, so schütten sie ihn auf das Land.<br />

—<br />

11<br />

Ob ein Baum gegen Süden oder gegen Norden fällt –<br />

an der Stelle, wohin der Baum fällt, da bleibt er liegen.<br />

Wer auf den Wind achtet, kommt nicht zum Säen,<br />

und wer nach den Wolken schaut, kommt nicht zum Ernten.<br />

—<br />

Wie du den Weg des Windes ebenso wenig<br />

wie das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren kennst,<br />

so weißt du auch nichts vom Tun Gottes, der das alles bewirkt.<br />

Am Morgen säe deine Saat und lass deine Hand bis zum<br />

Abend nicht ruhen; du weißt ja nicht, was gedeihen wird, dies<br />

oder jenes, oder ob beides gleich gut werden wird.<br />

Koh 0,00–0,00<br />

246


—<br />

Kohelet 12<br />

Süß ist das Licht, und den Augen tut es gut, die Sonne zu sehen. Ja,<br />

lebt ein Mensch auch viele Jahre, so soll er sich doch die ganze Zeit<br />

freuen, und zugleich an die dunklen Tage denken, dass auch sie viele<br />

sein werden. Alles, was kommt, ist W i n d h a u c h !<br />

Freue dich, junger Mann, in deiner Jugend,<br />

sei heiteren Herzens in deinen jungen Tagen!<br />

Geh, wohin dein Herz dich zieht<br />

und die Augen dich locken.<br />

[Doch wisse wohl, dass Gott dich über all dieses zur Rechenschaft ruft.]<br />

Vertreibe den Ärger aus deinem Sinn,<br />

und halte das Üble dir vom Leib;<br />

denn Jungsein und dunkles Haar sind W i n d h a u c h .<br />

— 12 Denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugend,<br />

ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen,<br />

von denen du sagen wirst: Sie gefallen mir nicht!,<br />

ehe die Sonne dunkler wird und das Licht und der Mond und die Sterne,<br />

und die Wolken nach dem Regen wiederkehren;<br />

an dem Tag, da die Wächter des Hauses zittern<br />

und die starken Männer sich krümmen,<br />

die Müllerinnen nicht mehr arbeiten, weil sie zu wenige sind,<br />

und es dunkel wird bei denen [den Frauen], die durch die Fenster schauen,<br />

und die Tore zur Straße geschlossen werden;<br />

wenn das Geräusch der Mühle leiser wird<br />

und man beim Zwitschern der Vögel aufsteht,<br />

doch alle Lieder schweigen;<br />

wenn man sich fürchtet vor der Anhöhe<br />

und vor dem Schrecken am Weg;<br />

der Mandelbaum blüht,<br />

die Heuschrecke schleppt sich dahin,<br />

die Frucht der Kaper platzt,<br />

doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus,<br />

und die Trauernden ziehen durch die Straßen –<br />

ja, ehe der silberne Strick zerreißt,<br />

die goldene Schale zerbricht,<br />

der Krug an der Quelle zerschellt,<br />

das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt,<br />

der Staub zur Erde zurückkehrt, als das, was er war,<br />

und der Atem zu Gott zurückkehrt,<br />

der ihn gegeben hat.<br />

247 Koh 0,00–0,00


—<br />

Kohelet 12<br />

Windhauch, Windhauch, so spricht Kohelet, alles ist<br />

Windhauch!<br />

Kohelet war nicht nur selbst ein Weiser, er lehrte auch das Volk Erkenntnis.<br />

Er berichtigte, untersuchte und formte viele Lehrsprüche. 10 Kohelet<br />

suchte, gefällige Worte zu finden, und hier sind diese Worte der Wahrheit<br />

redlich aufgeschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Worte der Weisen sind wie Ochsenstacheln,<br />

und wie eingeschlagene Pflöcke Sprüche aus Sammlungen.<br />

Sie sind von einem einzigen Hirten gegeben.<br />

—<br />

Über dies hinaus, mein Sohn, lass dich warnen! Das viele Büchermachen<br />

nimmt kein Ende und viel Studieren ermüdet den Leib. 13 Lasst uns<br />

die Summe des ganzen hören:<br />

Fürchte Gott und halte seine Gebote!<br />

Denn das ist die Pflicht jedes Menschen. 14 Gott bringt ja alles Tun<br />

vor das Gericht, alles Verborgene, ob es gut oder böse sei.<br />

Koh 0,00–0,00<br />

248


249


251 Status<br />

Das<br />

Hohelied


Das Hohelied<br />

Hld 0,00–0,00<br />

252


1 Das Lied der Lieder von Salomo.<br />

Dass er mich mit den Küssen seines Mundes<br />

küsste !<br />

Ja , köstlicher als Wein ist deine Liebe.<br />

Deine Öle sind köstlich an Duft ,<br />

wie ausgegossenes Öl ist dein Name ;<br />

darum lieben dich die Mädchen.<br />

Ziehe mich dir nach ! Lass uns enteilen !<br />

Der König bringt mich in seine Gemächer.<br />

Jauchzen wollen wir und deiner uns freuen ,<br />

deine Liebe höher rühmen als Wein.<br />

Man liebt dich wirklich zu Recht.<br />

Schwarz bin ich , aber schön ,<br />

ihr Töchter Jerusalems.<br />

wie die Zelte Kedars ,<br />

wie die Zeltdecken Salomos.<br />

Schaut nicht auf mich herab ,<br />

weil ich dunkel bin ,<br />

denn die Sonne hat mich verbrannt.<br />

Meiner Mutter Söhne waren mir böse ,<br />

sie machten mich zur Hüterin der Weinberge ;<br />

Meinen eigenen Weinberg konnte ich nicht<br />

hüten.<br />

Den meine Seele liebt , du sag mir ,<br />

wo du weidest ,<br />

wo du lagerst am Mittag.<br />

Warum soll ich eine sein , die herumirrt<br />

bei den Herden deiner Gefährten ?<br />

Wenn du es selbst nicht weißt ,<br />

du Schönste der Frauen ,<br />

so ziehe nur den Spuren der Schafe nach ,<br />

und weide deine Zicklein<br />

bei den Plätzen der Hirten<br />

Einer Stute bei Pharaos Wagen<br />

vergleiche ich dich , meine Freundin.<br />

Schön sind deine Wangen in den<br />

Schmuckgehängen ,<br />

dein Hals mit der Korallenkette.<br />

Wir wollen Kettchen von Gold für dich machen ,<br />

mit kleinen Kugeln von Silber.<br />

Solange der König bei seiner Tafelrunde liegt ,<br />

verströmt meine Narde ihren Duft.<br />

Mir ist mein Geliebter ein Myrrhenbeutel ,<br />

der zwischen meinen Brüsten ruht.<br />

Eine Hennablütentraube ist mir mein Geliebter<br />

in den Weingärten von En-Gedi.<br />

Ja , du bist schön , meine Freundin ,<br />

ja , du bist schön.<br />

Deine Augen sind Tauben.<br />

Ja , du bist schön , mein Geliebter , wirklich reizend.<br />

Unser Lager ist frisches Grün ,<br />

das Gebälk unseres Hauses sind Zedern ,<br />

unsre Wände Zypressen.<br />

2 Ich bin die Narzisse von Scharon ,<br />

die Lotusblume der Täler.<br />

Wie die Lotusblume unter den Dornen ,<br />

so ist meine Freundin unter den Mädchen.<br />

Wie der Apfelbaum unter den Waldesbäumen ,<br />

so ist mein Geliebter unter den Männern.<br />

In seinem Schatten begehre ich zu sitzen ,<br />

und seine Frucht schmeckt süß meinem Gaumen.<br />

253 Hld 0,00–0,00


Das Hohelied<br />

Er hat mich ins Weinhaus geführt ;<br />

sein Zeichen über mir ist Liebe.<br />

Stärkt mich mit Traubenkuchen ,<br />

erfrischt mich mit Äpfeln ;<br />

denn ich bin krank vor Liebe.<br />

Seine Linke liegt unter meinem Kopf ,<br />

seine Rechte umfängt mich.<br />

Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />

bei den Gazellen oder den Hirschkühen der Flur:<br />

Stört sie doch nicht und weckt sie nicht auf ,<br />

die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />

Horch ! Mein Geliebter !<br />

Sieh da , er kommt ,<br />

springt über die Berge ,<br />

hüpft über die Hügel.<br />

Mein Geliebter gleicht der Gazelle<br />

oder dem jungen Hirsch.<br />

Sieh da , nun steht er<br />

hinter der Wand unseres Hauses.<br />

Er schaut zu den Fenstern herein ,<br />

er späht durch die Gitter.<br />

Mein Geliebter spricht zu mir:<br />

Mach dich auf , meine Freundin ,<br />

meine Schöne , so komm doch !<br />

Denn sieh , der Winter ist vorüber ,<br />

der Regen ist ganz und gar vorbei.<br />

<strong>Die</strong> Blumen erscheinen im Land ,<br />

die Zeit zum Singen ist da ,<br />

und der Ruf der Turteltaube<br />

erschallt in unserem Land.<br />

Am Feigenbaum reift die erste Frucht ,<br />

und die Reben knospen und duften.<br />

Mach dich auf , meine Freundin ,<br />

meine Schöne , so komm doch !<br />

Meine Taube in den Felsklüften ,<br />

im Versteck der Klippe ,<br />

lass mich dich sehen ,<br />

lass mich hören deine Stimme !<br />

Denn deine Stimme ist betörend ,<br />

und dein Anblick ist hinreißend !<br />

Fangt uns die Füchse ,<br />

die kleinen Füchse !<br />

Sie verwüsten die Weinberge ,<br />

unsere Weinberge , die doch in Blüte stehen.<br />

Mein Geliebter ist mein und ich bin sein ;<br />

er weidet unter den Lotusblumen.<br />

Wenn der Tagwind zu wehen beginnt<br />

und die Schatten wachsen ,<br />

komm , du mein Geliebter ,<br />

werde gleich der Gazelle<br />

oder dem jungen Hirsch<br />

auf den Bergen von Beter.<br />

3 In der Nacht auf meinem Lager suchte ich ,<br />

den meine Seele liebt.<br />

Ihn suchte ich , doch ich fand ihn nicht.<br />

So will ich denn aufstehen , die Stadt zu<br />

durchstreifen ,<br />

die Straßen und Plätze ,<br />

ihn suchen , den meine Seele liebt.<br />

Ich suchte ihn , doch ich fand ihn nicht.<br />

<strong>Die</strong> Wächter trafen mich an<br />

auf ihrer Runde durch die Stadt.<br />

Habt ihr , den meine Seele liebt , gesehen ?<br />

Kaum war ich an ihnen vorüber ,<br />

da fand ich ihn , den meine Seele liebt.<br />

Ich halte ihn fest und will ihn nicht lassen ,<br />

bis ich ihn ins Haus meiner Mutter gebracht ,<br />

in die Kammer derer , die mich geboren hat.<br />

Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />

bei den Gazellen oder den Hirschkühen der Flur:<br />

Stört sie nicht und weckt sie nicht auf ,<br />

die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />

Hld 0,00–0,00<br />

254


Kapitel 3–4<br />

Wer ist , die da von der Wüste heraufzieht ,<br />

Rauchsäulen gleich ,<br />

Umwölkt von Myrrhe und Weihrauch ,<br />

von allen Gewürzen des Händlers ?<br />

Sieh , das ist seine , Salomos Sänfte ,<br />

sechzig Helden umgeben sie ,<br />

von Israels Helden ;<br />

sie alle ausgerüstet mit Schwertern ,<br />

geschult für den Kampf ,<br />

jeder sein Schwert an der Seite<br />

gegen den Schrecken der Nacht.<br />

Eine Sänfte ließ der König sich machen ,<br />

Salomo , aus Libanonholz.<br />

Ihre Pfosten ließ er aus Silber machen ,<br />

ihre Lehne aus Gold ,<br />

ihren Sitz aus Purpur ,<br />

in der Mitte ausgelegt mit Liebesszenen.<br />

Kommt heraus , Zions Töchter ,<br />

und schaut , ihr Töchter Zions ,<br />

König Salomo mit der Krone ,<br />

mit der seine Mutter ihn krönte<br />

am Tag seiner Hochzeit ,<br />

am Tag seiner Herzensfreude.<br />

4 Ja , du bist schön , meine Freundin ,<br />

ja , du bist schön !<br />

Deine Augen sind Tauben<br />

hinter deinem Schleier.<br />

Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen ,<br />

die vom Gileadgebirge herabkommt ,<br />

deine Zähne einer Herde zur Schur bereiter Schafe ,<br />

die der Schwemme entsteigen ,<br />

die allesamt Zwillinge haben ,<br />

und keines hat ein Junges verloren.<br />

Einem scharlachroten Band sind gleich deine Lippen ,<br />

und lieblich ist dein Mund.<br />

Dem Riss eines Granatapfels gleicht deine Wange<br />

hinter deinem Schleier ,<br />

dein Hals dem Davidsturm ,<br />

in Schichten aufgebaut ;<br />

tausend Schilde hängen an ihm ,<br />

alle Schilde der Helden.<br />

Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitzen ,<br />

Zwillinge einer Gazelle ,<br />

die unter Lotusblumen weiden.<br />

Wenn der Tageswind zu wehen beginnt ,<br />

und die Schatten wachsen ,<br />

komme ich zum Myrrhenberg<br />

und zum Weihrauchhügel.<br />

Alles ist schön an dir , meine Freundin ,<br />

und kein Makel haftet dir an.<br />

255 Hld 0,00–0,00


Das Hohelied<br />

Komm mit mir vom Libanon , Braut ,<br />

weg vom Libanon , komm mit mir !<br />

Steig herab vom Gipfel des Amana ,<br />

vom Gipfel des Senir und Hermon ,<br />

von den Lagern der Löwen ,<br />

von den Bergen der Panther !<br />

Du hast mich verzaubert , meine Schwester Braut ;<br />

verzaubert mit einem einzigen deiner Blicke ,<br />

mit einem einzigen Blick deiner Augen ,<br />

mit einem einzigen Blinken deiner Halsketten !<br />

Wie schön , meine Schwester Braut , ist deine<br />

Liebe ,<br />

wie viel süßer ist deine Liebe als Wein ,<br />

und der Duft deiner Salben köstlicher als alle<br />

Balsamdüfte !<br />

Von deinen Lippen , Braut , tropft Honig.<br />

Honig und Milch ist unter deiner Zunge ,<br />

und der Duft deiner Kleider<br />

ist wie der Duft des Libanon.<br />

Ein verschlossener Garten bist du ,<br />

meine Schwester Braut ,<br />

ein verschlossener Garten , ein versiegelter Quell.<br />

Deine Kanäle sind ein Garten von Granatbäumen<br />

mit den köstlichsten Früchten ,<br />

von Hennasträuchern und<br />

Weihrauchsträuchern ,<br />

von Narde und Krokus , Kalmus und Zimt<br />

samt allen Weihrauchhölzern , Myrrhe und<br />

Adlerholz<br />

und allerbestem Balsam.<br />

Ein Gartenquell bist du ,<br />

ein Brunnen lebendigen Wassers ,<br />

das herabfließt vom Libanon.<br />

Nordwind , erwache , und Südwind , eile herbei !<br />

Durchweht meinen Garten , dass seine Düfte<br />

strömen !<br />

Mein Geliebter komme in seinen Garten<br />

und esse von seinen köstlichen Früchten.<br />

5 Meine Schwester Braut , ich komme in meinen<br />

Garten ,<br />

ich pflücke meine Myrrhe samt meinem Balsam ,<br />

ich esse meine Wabe samt meinem Honig ,<br />

ich trinke meinen Wein samt meiner Milch.<br />

Esst , ihr Freunde , trinkt<br />

und berauscht euch an der Liebe !<br />

Hld 0,00–0,00<br />

256


Kapitel 5–7<br />

Ich schlafe , doch mein Herz ist wach.<br />

Horch , mein Geliebter pocht:<br />

Mach auf , meine Schwester , meine Freundin ,<br />

meine Taube , meine Makellose !<br />

Denn voll von Tau ist mein Kopf ,<br />

von Tropfen der Nacht meine Locken.<br />

Ich habe mein Kleid schon abgelegt ,<br />

wie soll ich es wieder anziehen ?<br />

Ich habe meine Füße gewaschen ,<br />

wie soll ich sie schmutzig machen ?<br />

Mein Geliebter streckte die Hand durch die Luke ;<br />

da bebte mir seinetwegen das Innerste.<br />

Ich erhob mich , meinem Geliebten zu öffnen ;<br />

meine Hände tropften von Myrrhe ,<br />

meine Finger von Myrrhe ,<br />

am Griff des Riegels.<br />

Ich öffnete meinem Geliebten:<br />

Doch mein Geliebter war weg , verschwunden.<br />

Ich geriet außer mir wegen seines Rückzugs.<br />

Ich suchte ihn , doch ich fand ihn nicht ;<br />

ich rief nach ihm , doch er gab mir keine<br />

Antwort.<br />

Da fanden mich die Wächter<br />

auf ihrer Runde durch die Stadt ;<br />

sie schlugen mich , verwundeten mich.<br />

Sie rissen den Überwurf mir weg<br />

die Wächter der Mauern.<br />

Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter:<br />

Wenn ihr meinen Geliebten trefft ,<br />

was sollt ihr ihm melden ?<br />

Dass ich krank bin vor Liebe !<br />

Was hat dein Geliebter den anderen voraus ,<br />

du Schönste der Frauen ?<br />

Was hat dein Geliebter den andern voraus ,<br />

dass du so uns beschwörst ?<br />

Mein Geliebter ist weiß und rot ,<br />

er sticht aus Zehntausenden hervor.<br />

Sein Haupt ist reines Gold ;<br />

wie Dattelrispen sind seine Locken ,<br />

schwarz wie ein Rabe.<br />

Seine Augen sind wie Tauben<br />

an Bächen voll Wasser ,<br />

gebadet in Milch ,<br />

fest in der Fassung.<br />

Seine Wangen sind wie Balsambeete ,<br />

wie Türme von Salben.<br />

Seine Lippen sind Lotusblumen ,<br />

die von flüssiger Myrrhe triefen.<br />

Seine Finger sind Stäbe aus Gold ,<br />

mit Tarschisch-Steinen besetzt.<br />

Sein Leib ist eine Elfenbeinplatte ,<br />

bedeckt mit Saphiren.<br />

Seine Schenkel sind Marmorsäulen ,<br />

gegründet auf Sockel von Feingold.<br />

Wie der Libanon ist seine Gestalt ,<br />

ohnegleichen wie Zedern.<br />

Sein Gaumen ist voll Süße ;<br />

und alles an ihm ist begehrenswert.<br />

Das ist mein Geliebter , ja das ist mein Freund ,<br />

ihr Töchter Jerusalems !<br />

257 Hld 0,00–0,00


Das Hohelied<br />

6 Wohin ist dein Geliebter gegangen ,<br />

du Schönste der Frauen ?<br />

Wohin hat sich dein Geliebter gewandt ,<br />

dass wir mit dir ihn suchen ?<br />

Mein Geliebter ging in seinen Garten<br />

hinunter ,<br />

zu den Beeten mit Balsam ,<br />

um in den Gärten zu weiden<br />

und Lotusblumen zu sammeln.<br />

Ich gehöre meinem Geliebten ,<br />

und mein Geliebter gehört mir ,<br />

der unter den Lotusblumen weidet.<br />

Du , meine Freundin , bist schön wie Tirza ,<br />

lieblich wie Jerusalem ,<br />

furchterregend wie das geordnete Heer.<br />

Wende ab von mir deine Augen ,<br />

denn sie verwirren mich.<br />

Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen ,<br />

die vom Gileadgebirge herabkommt ,<br />

deine Zähne einer Herde von Mutterschafen ,<br />

die der Schwemme entsteigen ,<br />

die allesamt Zwillinge haben ,<br />

und keines hat ein Junges verloren.<br />

Dem Riss eines Granatapfels gleicht deine Wange<br />

hinter deinem Schleier.<br />

Königinnen sind es sechzig ,<br />

und Nebenfrauen achtzig ,<br />

und Mädchen ohne Zahl.<br />

Doch einzig ist meine Taube , meine Makellose ,<br />

die Einzige ihrer Mutter ,<br />

untadelig ihrer Gebärerin.<br />

<strong>Die</strong> Töchter sehen sie und preisen sie ,<br />

die Königinnen und Nebenfrauen rühmen sie.<br />

Wer ist , die da niederschaut wie die<br />

Morgenröte ,<br />

schön wie der Vollmond ,<br />

klar wie die Sonne ,<br />

furchterregend wie das geordnete Heer ?<br />

In den Nussgarten ging ich hinunter ,<br />

um zu sehen , wie es ausschlägt im Talgrund ,<br />

um zu sehen , ob die Reben treiben ,<br />

die Granatapfelbäume blühen.<br />

Da – ich weiß nicht , wie –<br />

versetzte mich meine Seele<br />

zu den Wagen Amminadibs.<br />

7 Kehr um , kehr um , Schulammit !<br />

kehr um , kehr um , dass wir dich anschauen !<br />

Was wollt ihr an Schulammit sehen<br />

beim Reigentanz im Lager ?<br />

Wie schön sind deine Füße in den Sandalen ,<br />

du Fürstentochter !<br />

Deiner Hüften Rundungen sind wie Geschmeide ,<br />

gefertigt von Künstlerhand.<br />

Dein Nabel ist eine runde Schale ;<br />

nicht mangle der Würzwein.<br />

Dein Leib gleicht einem Weizenhügel ,<br />

umsäumt von Lotusblumen.<br />

Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitzen ,<br />

wie Zwillinge einer Gazelle.<br />

Dein Hals ist wie der Elfenbeinturm.<br />

Deine Augen gleichen den Teichen von Heschbon<br />

am Tor von Bat-Rabbim.<br />

Deine Nase ist wie der Libanonturm ,<br />

der gegen Damaskus Ausschau hält.<br />

Dein Haupt erhebt sich auf dir wie der Karmel ,<br />

und das fallende Haar deines Hauptes ist wie<br />

Purpur –<br />

ein König liegt in den Flechten gefangen.<br />

Wie schön bist du und wie reizvoll ,<br />

Liebe , Tochter aller Wonnen !<br />

Hld 0,00–0,00<br />

258


Kapitel 8<br />

Ja , dein Wuchs gleicht der Palme ,<br />

und deine Brüste Trauben.<br />

Ich denke: Ich will die Dattelpalme ersteigen ,<br />

will ihre Rispen ergreifen.<br />

Deine Brüste sollen nun sein wie Trauben des<br />

Weinstocks ,<br />

und dein Atem deiner Nase wie Apfelduft ,<br />

und dein Gaumen sei mir wie bester Wein ,<br />

der mir glatt hinuntergeht<br />

und Lippen und Zähne netzt.<br />

Ich gehöre meinem Geliebten ,<br />

und nach mir steht sein Verlangen.<br />

Komm , mein Geliebter , gehn wir aufs Land<br />

und nächtigen in den Dörfern.<br />

Früh lass uns dann zu den Weinbergen gehen<br />

und sehen , ob die Reben schon treiben ,<br />

ob die Blütenknospen aufbrechen ,<br />

die Granatbäume blühen.<br />

Dort will ich dir meine Liebe schenken.<br />

Es duften die Liebesäpfel ;<br />

und an unseren Türen liegen allerart köstliche<br />

Früchte ,<br />

neue und auch alte ;<br />

die habe ich aufgespart für dich ,<br />

mein Geliebter.<br />

8 Ach , wärst du doch mein Bruder ,<br />

der an der Brust meiner Mutter gesogen !<br />

Träfe ich dich auf der Gasse , ich küsste dich ,<br />

ohne dass mir es jemand verübelte.<br />

Ich wollte dich führen , dich bringen<br />

ins Haus meiner Mutter. Würdest du mich<br />

belehren , gäbe ich dir Würzwein zu trinken<br />

und meinen Granatapfelmost.<br />

Seine Linke liegt unter meinem Kopf ,<br />

seine Rechte umfängt mich.<br />

Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />

stört doch nicht und weckt sie nicht auf ,<br />

die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />

Wer ist es , die da von der Wüste heraufzieht ,<br />

gestützt auf ihren Geliebten ?<br />

Unter dem Apfelbaum habe ich dich erweckt ,<br />

dort , wo mit dir in Wehen kam deine Mutter ;<br />

dort , wo in Wehen lag , die dich gebar.<br />

Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz ,<br />

wie ein Siegel an deinen Arm !<br />

259 Hld 0,00–0,00


Das Hohelied<br />

Ja , stark wie der Tod ist die Liebe ,<br />

hart wie die Unterwelt die Leidenschaft.<br />

Ihre Brände sind Feuerbrände ,<br />

Flammen des Herrn.<br />

Gewaltige Wasser können die Liebe nicht<br />

löschen ;<br />

auch Ströme schwemmen sie nicht fort.<br />

Böte ein Mann seines Hauses ganzen Besitz für<br />

die Liebe ,<br />

man würde ihn nur verachten.<br />

Wir haben eine kleine Schwester ,<br />

noch ohne Brüste.<br />

Was sollen wir machen mit unserer Schwester<br />

am Tag , da man um sie freit ?<br />

Ist sie eine Mauer ,<br />

so bauen wir darauf eine silberne Zinne ;<br />

und ist sie eine Tür ,<br />

versperren wir sie mit einem Zedernbrett.<br />

Ich bin eine Mauer ,<br />

und wie Türme sind meine Brüste ;<br />

so hab ich in seinen Augen Gefallen gefunden.<br />

Salomo besaß einen Weinberg<br />

in Baal-Hamon ;<br />

er übergab den Weinberg an Hüter ;<br />

jeder bringt für seinen Ertrag tausend<br />

Silberstücke.<br />

Meinen eigenen Weinberg habe ich vor mir.<br />

<strong>Die</strong> tausend lass ich dir , Salomo ,<br />

und zweihundert den Hütern seines Ertrages.<br />

<strong>Die</strong> du in den Gärten weilst ,<br />

auf deine Stimme lauschen die Freunde ;<br />

lass sie mich vernehmen !<br />

Enteile , mein Geliebter ,<br />

der Gazelle gleich ,<br />

oder dem jungen Hirschauf den Balsambergen !<br />

Hld 0,00–0,00<br />

260


263 Status<br />

Das<br />

Buch<br />

Der<br />

Weisheit


I<br />

Liebt Gerechtigkeit<br />

II<br />

Lob der Weisheit<br />

III<br />

Vergegenwärtigung<br />

des Exodus


I<br />

Liebt Gerechtigkeit<br />

Kap. 01<br />

Liebt Gerechtigkeit, die ihr die Erde regiert!<br />

Denkt in rechter Gesinnung an den Herrn und sucht ihn in der Einfalt des Herzens!<br />

Denn er lässt sich von denen finden, die ihn nicht versuchen,<br />

und er offenbart sich denen, die ihm nicht misstrauen.<br />

Doch verkehrte Gedanken trennen von Gott,<br />

und die auf die Probe gestellte Allmacht stößt die Toren von sich.<br />

In eine Böses sinnende Seele kehrt ja die Weisheit nicht ein<br />

und nimmt nicht Wohnung in einem Leib, der ein Sklave der Sünde ist.<br />

Flieht doch der heilige Geist der Zucht vor der Falschheit<br />

und zieht weg von törichten Gedanken<br />

und wird verscheucht, sobald Ungerechtigkeit naht.<br />

Wohl ist die Weisheit ein menschenfreundlicher Geist.<br />

Sie kann aber den Lästerer seiner Reden wegen nicht ungestraft lassen.<br />

Ist Gott doch Zeuge seiner innersten Empfindungen,<br />

wirklicher Beobachter seines Herzens<br />

und Hörer seiner Worte.<br />

Der Geist des Herrn erfüllt ja den Erdkreis,<br />

und er, der alles zusammenhält, hat Kenntnis von jeglicher Rede.<br />

Darum bleibt keiner verborgen, der Unrechtes redet,<br />

und die strafende Gerechtigkeit geht an ihm nicht vorüber.<br />

265 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Denn die Pläne des Gottlosen werden untersucht;<br />

die Kunde von seinen Reden kommt vor den Herrn<br />

zur Bestrafung seiner Vergehen,<br />

weil das Ohr des Eifers alles vernimmt<br />

und auch das leiseste Gemurmel nicht verborgen bleibt.<br />

Hütet euch also vor nutzlosem Murren,<br />

bewahrt euere Zunge vor Verleumdung;<br />

denn heimliches Gerede bleibt nicht ungestraft,<br />

und ein Mund, der lügt, tötet die Seele.<br />

Trachtet nicht nach dem Tod durch den Irrweg eueres Lebens,<br />

und zieht nicht das Verderben herbei durch die Werke euerer Hände!<br />

Denn Gott hat den Tod nicht gemacht<br />

und hat keine Freude an dem Untergang der Lebenden.<br />

Hat er doch alles zum Sein erschaffen,<br />

und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt.<br />

Es ist kein verderbliches Gift in ihnen,<br />

noch gibt es auf Erden eine Herrschaft der Unterwelt.<br />

Denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.<br />

Kap. 02<br />

<strong>Die</strong> Gottlosen aber rufen ihn mit Gebärden und Worten herbei<br />

und verzehren sich in Sehnsucht nach ihm, als wäre er ihr Freund,<br />

und schließen einen Bund mit ihm,<br />

weil sie verdienen, ihm zu gehören.<br />

In ihrer verkehrten Sinnesart sprechen sie zueinander:<br />

Kurz und trübselig ist unser Leben;<br />

es gibt weder ein Heilmittel beim Ende des Menschen,<br />

noch ist der Retter aus der Unterwelt bekannt.<br />

Wir sind ja durch Zufall entstanden,<br />

und später werden wir sein, als wären wir nie gewesen.<br />

Ist doch nur Dunst der Hauch in unserer Nase<br />

und das Denken nur ein Funke beim Schlag unseres Herzens.<br />

Erlischt er, so wird der Leib zu Asche,<br />

und der Geist verflüchtigt sich wie dünne Luft.<br />

Selbst unser Name wird mit der Zeit vergessen,<br />

und niemand denkt mehr an unsere Taten.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

266


Liebt Gerechtigkeit<br />

Unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke<br />

und löst sich auf wie ein Nebel,<br />

der von den Strahlen der Sonne verscheucht<br />

und von ihrer Wärme zu Boden gedrückt wird.<br />

Denn unser Leben huscht vorbei wie ein Schatten,<br />

und unser Ende wiederholt sich nicht,<br />

weil es besiegelt ist und keiner wiederkehrt.<br />

Auf, lasst uns die augenblicklichen Güter genießen<br />

und eifrig die Welt ausnützen wie es der Jugend zukommt.<br />

Kostbare Weine und Salben wollen wir in Fülle genießen,<br />

und keine Frühlingsblume soll uns entgehen.<br />

Lasst uns mit knospenden Rosen bekränzen, ehe sie verwelken!<br />

Keiner von uns entziehe sich unserem ausgelassenen Treiben.<br />

Überall wollen wir Zeichen unserer Lust hinterlassen;<br />

denn das ist unser Anteil und das unser Los.<br />

Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken,<br />

die Witwe nicht schonen,<br />

noch das graue Haar des betagten Greises scheuen.<br />

Unsere Stärke sei Norm der Gerechtigkeit;<br />

denn das Schwache erweist sich als wertlos.<br />

Lasst uns dem Gerechten nachstellen, denn er ist uns im Weg.<br />

Er tritt unserem Treiben entgegen;<br />

er klagt uns der Gesetzesübertretung an<br />

und wirft uns unsere Verfehlungen gegen die Zucht vor.<br />

Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen,<br />

und nennt sich einen Knecht des Herrn.<br />

Er ist ein lebendiger Vorwurf unserer Gesinnung;<br />

schon sein Anblick ist uns lästig.<br />

Denn sein Lebenswandel weicht von allen anderen ab,<br />

und ungewöhnlich sind seine Wege.<br />

Wir gelten ihm als falsche Münze,<br />

und er meidet wie Unrat unsere Wege.<br />

Das Los der Gerechten aber preist er glücklich<br />

und nennt prahlend Gott seinen Vater.<br />

Lasst uns einmal sehen, ob seine Reden wahr sind;<br />

machen wir die Probe, wie es mit ihm endet.<br />

267 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Denn ist der Gerechte Gottes Sohn,<br />

so wird er sich seiner annehmen<br />

und ihn aus der Hand der Widersacher befreien.<br />

Durch Höhnen und Misshandlung wollen wir ihn prüfen,<br />

damit wir seine Sanftmut kennenlernen<br />

und seine Geduld erproben.<br />

Zu schimpflichem Tod wollen wir ihn verurteilen;<br />

denn nach seinen Worten wird ihm ja Gottes Schutz zuteil.<br />

So denken sie, aber sie täuschen sich;<br />

denn ihre Bosheit hat sie blind gemacht.<br />

Sie erkennen nicht die geheimnisvollen Absichten Gottes.<br />

Darum hoffen sie weder auf einen Lohn für die Frömmigkeit,<br />

noch wissen sie etwas von einem Ehrenpreis für untadelige Seelen zu schätzen.<br />

Gott hat ja den Menschen zur Unsterblichkeit erschaffen<br />

und ihn zum Abbild seines eigenen Wesens gemacht.<br />

Durch den Neid des Teufels aber ist der Tod in die Welt gekommen,<br />

und die ihm angehören, werden ihn erfahren.<br />

Kap. 03<br />

<strong>Die</strong> Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand,<br />

und keine Qual kann sie berühren.<br />

In den Augen der Toren schienen sie tot zu sein;<br />

ihr Ende wurde als Unglück angesehen<br />

und ihr Weggehen von uns als Vernichtung;<br />

sie aber sind im Frieden.<br />

Denn wenn sie auch nach der Ansicht der Menschen gestraft wurden,<br />

so war doch ihre Hoffnung von Unsterblichkeit erfüllt.<br />

Nach nur geringer Züchtigung<br />

empfangen sie große Wohltaten;<br />

denn Gott hat sie geprüft<br />

und sie seiner würdig befunden.<br />

Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt<br />

und wie ein vollkommenes Brandopfer angenommen.<br />

Zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie aufleuchten<br />

wie Funken, die durch die Stoppeln dahinfahren.<br />

Sie werden Völker richten<br />

Weish 0,00–0,00<br />

268


Liebt Gerechtigkeit<br />

und über Nationen herrschen;<br />

der Herr wird auf ewig ihr König sein.<br />

<strong>Die</strong> auf ihn vertrauten, werden die Wahrheit erkennen,<br />

und die treu gewesen sind, werden in Liebe bei ihm verweilen;<br />

denn Gnade und Erbarmen wird seinen Auserwählten zuteil.<br />

<strong>Die</strong> Gottlosen aber werden gemäß ihrer Gesinnung Strafe erleiden,<br />

sie, die den Gerechten verachteten und vom Herrn abgefallen sind.<br />

Denn unglücklich ist, wer Weisheit und Zucht verschmäht;<br />

nichtig ist ihre Hoffnung, vergeblich ihr Mühen,<br />

und unnütz sind ihre Werke.<br />

Ihre Frauen sind töricht,<br />

ihre Kinder böse,<br />

und verflucht ist ihr Geschlecht.<br />

Selig ist die Unfruchtbare, die unschuldig blieb,<br />

die kein sündiges Beilager kannte.<br />

Ihre Fruchtbarkeit wird sich zeigen beim Endgericht.<br />

Selig auch der Kinderlose, der nichts Gesetzwidriges mit seinen Händen tat,<br />

der nichts Böses gegen den Herrn im Sinn hatte,<br />

wird ihm doch der auserlesene Lohn der Treue zuteil<br />

und ein köstliches Erbe im Tempel des Herrn.<br />

Denn herrlich ist die Frucht guter Bemühungen,<br />

und die Wurzel der Klugheit stirbt nicht ab.<br />

<strong>Die</strong> Kinder der Ehebrecher aber gedeihen nicht,<br />

und die Frucht einer sündhaften Verbindung schwindet dahin.<br />

Wenn sie auch lange leben, so gelten sie dennoch nichts,<br />

und ehrlos wird am Ende ihr Alter sein.<br />

Sterben sie aber früh dahin, dann werden sie weder Hoffnung<br />

noch Trost am Tag der Entscheidung haben;<br />

denn schlimm ist das Ende eines ungerechten Geschlechts.<br />

Kap. 04<br />

Besser ist Kinderlosigkeit mit Tugend;<br />

denn unsterblich ist ihr Ruhm,<br />

weil sie bei Gott und den Menschen anerkannt wird.<br />

Ist sie gegenwärtig, so ahmt man sie nach;<br />

ist sie fern, so sehnt man sich nach ihr;<br />

269 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

in Ewigkeit schreitet sie, geschmückt mit dem Kranz, im Triumph daher,<br />

weil sie im edlen Wettkampf gesiegt hat.<br />

<strong>Die</strong> große Kinderschar der Gottlosen aber bringt keinen Nutzen;<br />

aus unechten Schösslingen entsprossen,<br />

treibt sie keine Wurzeln in die Tiefe,<br />

noch wird sie festen Boden fassen.<br />

Denn wenn sie auch eine Zeit lang üppig in die Zweige schießt,<br />

so wird sie doch, die ohne festen Halt dasteht,<br />

vom Wind hin und her geschüttelt<br />

und von der Gewalt der Stürme entwurzelt.<br />

Ringsum werden die noch unentwickelten Äste geknickt,<br />

und ihre Frucht ist unreif, ungenießbar<br />

und zu nichts nütze.<br />

Denn Kinder, die aus sündigem Beischlaf entsprossen sind,<br />

treten beim Gericht als Zeugen der Schlechtigkeit<br />

gegen ihre eigenen Eltern auf.<br />

Der Gerechte aber wird, auch wenn er vorzeitig stirbt,<br />

in Ruhe sein.<br />

Denn ein ehrenvolles Alter besteht nicht in einem langen Leben;<br />

es wird nicht nach der Zahl der Jahre gemessen.<br />

Vielmehr gilt für die Menschen Einsicht als graues Haar<br />

und mehr als Alter ein Leben ohne Makel.<br />

Da er Gott wohlgefällig war, wurde er von ihm geliebt,<br />

und weil er mitten unter Sündern lebte, wurde er entrückt.<br />

Er wurde weggenommen, damit nicht die Bosheit seinen Sinn verkehrte,<br />

und Arglist seine Seele verführte.<br />

Denn der Zauber des Lasters verdunkelt das Gute,<br />

und der Taumel der Lust verwandelt ein argloses Gemüt.<br />

Früh zur Vollendung gereift, hat er lange Zeit gelebt.<br />

Denn der Herr hatte an seiner Seele Wohlgefallen;<br />

darum eilte sie aus der Mitte der Gottlosigkeit hinweg.<br />

<strong>Die</strong> Leute sahen es, aber sie verstanden es nicht<br />

und nahmen es sich nicht zu Herzen,<br />

dass Gnade und Erbarmen seinen Auserwählten zuteil wird<br />

und gnädige Belohnung seinen Heiligen.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

270


Liebt Gerechtigkeit<br />

Der entschlafene Gerechte verurteilt die lebenden Gottlosen<br />

und die früh vollendete Jugend das an Jahren reiche Alter des Sünders.<br />

Denn sie sehen das Ende des Weisen, aber sie begreifen nicht,<br />

was der Herr über ihn beschlossen hat<br />

und warum er ihn in Sicherheit brachte.<br />

Sie sehen es und urteilen geringschätzig darüber;<br />

der Herr aber wird sie verspotten.<br />

Dann werden sie zu einem Leichnam, den man nicht achtet,<br />

und zum Gespött bei den Toten in Ewigkeit.<br />

Denn sie werden verstummen, wenn er sie lautlos kopfüber hinabstürzt<br />

und bis auf den Grund erschüttert;<br />

sie werden vollständig vernichtet<br />

und müssen Qual erdulden,<br />

und ihr Andenken wird verschwinden.<br />

Zitternd erscheinen sie zur Abrechnung ihrer Sünden,<br />

und ihre Missetaten treten als Ankläger gegen sie auf.<br />

Kap. 05<br />

Dann wird der Gerechte mit großer Zuversicht<br />

denen gegenübertreten, die ihn bedrängt<br />

und seine Mühsal gering geschätzt hatten.<br />

Wenn sie dies sehen, werden sie von schrecklicher Furcht erschüttert<br />

und geraten außer sich über seine unerwartete Rettung.<br />

Reuevoll sprechen sie zueinander<br />

und seufzen in ihrer Seelenangst:<br />

Der war es, den wir einst verlachten<br />

und den wir mit Spott überhäuften, wir Toren.<br />

Wir hielten seine Lebensart für Wahnsinn<br />

und sein Ende für Ehrlosigkeit.<br />

Wie kommt es, dass er zu den Söhnen Gottes gezählt wird<br />

und seinen Erbteil unter den Heiligen hat?<br />

So sind wir also vom Weg der Wahrheit abgeirrt,<br />

und das Licht der Gerechtigkeit hat uns nicht geleuchtet,<br />

und die Sonne ist uns nicht aufgegangen.<br />

Bis zur Erschöpfung sind wir<br />

die Pfade der Sünde und des Verderbens gegangen<br />

und durchwanderten unwegsame Wüsten,<br />

den Pfad des Herrn aber haben wir nicht erkannt.<br />

271 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Was hat uns der Übermut genützt<br />

und was der Reichtum mit seiner Prahlerei eingebracht?<br />

<strong>Die</strong>s alles ging vorüber wie ein Schatten,<br />

wie ein flüchtiges Gerücht,<br />

wie ein Schiff, das die wogende Flut durchschneidet,<br />

von dessen Fahrt keine Spur zu entdecken ist<br />

noch seines Kieles Pfad in den Wellen,<br />

Wie man von einem Vogel, der durch die Luft fliegt,<br />

kein Zeichen seiner Bahn findet –<br />

er peitscht die leichte Luft mit dem Schlag seiner Flügel<br />

und teilt sie mit gewaltig rauschenden Schwingen<br />

und hinterlässt doch keine Spur seines Fluges.<br />

Oder wie wenn ein Pfeil auf das Ziel geschossen wird<br />

und die durchschnittene Luft sofort wieder zusammenfließt,<br />

sodass man seine Bahn nicht mehr erkennt.<br />

So schwinden auch wir, kaum geboren, schon wieder dahin<br />

und hatten kein Zeichen von Tugend aufzuweisen,<br />

sondern wurden in unserer Bosheit dahingerafft.<br />

Ja, die Hoffnung der Gottlosen gleicht der Spreu, die der Wind verweht,<br />

dem leichten Schnee, den der Sturm verjagt,<br />

dem Rauch, den der Wind zerstäubt,<br />

der Erinnerung an einen Gast, der nur einen Tag verweilte.<br />

<strong>Die</strong> Gerechten aber leben in Ewigkeit,<br />

und ihr Lohn ist im Herrn<br />

und die Sorge für sie beim Höchsten.<br />

Deshalb werden sie das Reich der Herrlichkeit empfangen,<br />

die Krone der Schönheit aus der Hand des Herrn,<br />

weil er sie mit der Rechten schützen<br />

und mit dem Arm beschirmen wird.<br />

Er nimmt als Rüstung seinen Eifer<br />

und bewaffnet die Schöpfung zur Abwehr der Feinde.<br />

Als Panzer zieht er Gerechtigkeit an<br />

und setzt als Helm auf ein unbestechliches Gericht.<br />

<strong>Die</strong> Heiligkeit nimmt er als unüberwindlichen Schild,<br />

Weish 0,00–0,00<br />

272


Liebt Gerechtigkeit<br />

schärft grimmigen Zorn zum Schwert;<br />

mit ihm kämpft die Welt gegen die Toren.<br />

Blitzespfeile fahren aus den Wolken<br />

und treffen, wie vom wohlgerundeten Bogen geschleudert, auf ihr Ziel.<br />

Und eine Steinschleuder entsendet Hagelkörner voll des göttlichen Zorns,<br />

es wüten gegen sie die Wasser des Meeres<br />

und Ströme schlagen über ihnen ungestüm zusammen.<br />

Der Hauch der Allmacht erhebt sich gegen sie<br />

und verjagt sie wie ein Orkan.<br />

So wird Gottlosigkeit die ganze Welt verwüsten<br />

und Sünde die Throne der Herrscher stürzen.<br />

Kap. 06<br />

So hört nun, ihr Könige, und beherzigt es,<br />

lernt, die ihr die Enden der Erde regiert!<br />

Horcht auf, die ihr die Menge beherrscht<br />

und stolz seid auf die Masse der Völker!<br />

Euch wurde vom Herrn die Macht verliehen<br />

und die Herrschaft vom Höchsten,<br />

der euere Werke prüfen und euere Pläne erforschen wird.<br />

Ihr aber habt, obgleich <strong>Die</strong>ner seines Reichs, keine gerechten Urteile gefällt,<br />

das Gesetz nicht gehalten<br />

und nicht nach dem Willen Gottes gelebt.<br />

Furchtbar und schnell wird er über euch kommen,<br />

da an den Großen ein strenges Gericht vollzogen wird.<br />

Dem Geringen wird aus Mitleid Verzeihung gewährt,<br />

die Gewaltigen aber werden gewaltig gestraft.<br />

Denn der Herrscher des Alls scheut vor niemand zurück<br />

und fürchtet sich nicht vor irgendeiner Größe.<br />

Hat er doch Klein und Groß erschaffen<br />

und sorgt in gleicher Weise für alle.<br />

Den Mächtigen aber droht eine strenge Untersuchung.<br />

An euch also, ihr Fürsten, richten sich meine Worte,<br />

damit ihr Weisheit lernt und nicht zu Fall kommt.<br />

273 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Denn die das Heilige heilig behandeln, werden geheiligt,<br />

und die darin unterwiesen sind, werden sich verantworten können.<br />

Seid also begierig auf meine Worte,<br />

sehnt euch danach und ihr werdet belehrt werden:<br />

Strahlend und unverwelklich ist die Weisheit<br />

und wird leicht von denen erkannt, die sie lieben,<br />

und von denen gefunden, die sie suchen.<br />

Sie gibt sich denen, die nach ihr verlangen,<br />

schon im Voraus zu erkennen.<br />

Wer am frühen Morgen nach ihr ausschaut, braucht sich nicht abzumühen,<br />

denn sie sitzt an seiner Tür.<br />

Über sie nachdenken, ist vollendete Einsicht,<br />

und wer um ihretwillen wacht, ist bald aller Sorgen ledig.<br />

Denn sie selbst geht umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind,<br />

und erscheint ihnen freundlich auf den Wegen<br />

und begegnet ihnen in jedem Vorhaben.<br />

Denn ihr sicherster Anfang ist Verlangen nach Bildung,<br />

Sorge um Bildung aber ist Liebe zu ihr,<br />

Liebe aber ist Beachtung ihrer Gebote,<br />

Beachtung der Gebote aber ist Sicherung der Unsterblichkeit,<br />

Unsterblichkeit aber bringt in Gottes Nähe.<br />

So führt das Verlangen nach Weisheit zur Herrschaft.<br />

Wenn ihr also Freude habt an Thronen und Zeptern, ihr Herrscher der Völker,<br />

so achtet die Weisheit, damit ihr auf ewig herrscht.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

274


II<br />

Lob der Weisheit<br />

Was aber die Weisheit ist und wie sie entstand, will ich verkünden<br />

und will euch das Geheimnisvolle an ihr nicht verbergen.<br />

Vielmehr will ich sie vom ersten Ursprung an erforschen;<br />

was ich über sie weiß, will ich offenlegen<br />

und an der Wahrheit nicht vorübergehen.<br />

Auch will ich nicht mit dem verzehrenden Neid zusammengehen;<br />

denn dieser hat mit der Weisheit nichts gemein.<br />

Eine große Zahl von Weisen ist ja ein Segen für die Welt,<br />

und ein verständiger König bedeutet Wohlstand für das Volk.<br />

So lasst euch denn durch meine Worte belehren;<br />

es wird euch zum Nutzen sein:<br />

Kap. 07<br />

Auch ich bin ein sterblicher Mensch wie alle<br />

und ein Nachkomme des ersterschaffenen Erdgeborenen.<br />

Im Mutterleib wurde ich zu Fleisch gebildet<br />

in zehnmonatiger Frist, im Blut geronnen<br />

aus dem Samen des Mannes und in der Lust des Beischlafs.<br />

Als ich geboren war, atmete auch ich die gemeinsame Luft ein<br />

und fiel auf die Erde, wie solches allen widerfährt;<br />

Weinen war, wie bei allen, auch mein erster Laut.<br />

275 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

In Windeln wurde ich aufgezogen und in Sorgen.<br />

Denn kein König hat einen anderen Anfang seines Daseins.<br />

Der Eingang in das Leben ist für alle der eine,<br />

wie auch der Ausgang der gleiche ist.<br />

Daher betete ich und es wurde mir Einsicht verliehen;<br />

ich flehte und der Geist der Weisheit kam über mich.<br />

Ich stellte sie höher als Zepter und Throne,<br />

und Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.<br />

Keinen unschätzbaren Edelstein stellte ich ihr gleich;<br />

denn neben ihr ist alles Gold nur ein wenig Sand,<br />

und ihr gegenüber wird das Silber nur wie Kot geachtet.<br />

Mehr als Gesundheit und Schönheit liebte ich sie<br />

und gab ihrem Besitz den Vorzug vor dem Licht;<br />

denn nie verlöscht der Glanz, den sie ausstrahlt.<br />

Doch alle Güter kamen mir zugleich mit ihr,<br />

und ungezählter Reichtum war in ihren Händen.<br />

Ich hatte dennoch an alledem meine Freude,<br />

weil die Weisheit seine Führerin ist;<br />

ich wusste aber nicht, dass sie auch seine Urheberin ist.<br />

Arglos lernte ich, neidlos teile ich sie mit,<br />

ihren Reichtum verberge ich nicht.<br />

Sie ist ja den Menschen ein unerschöpflicher Schatz.<br />

<strong>Die</strong> sich seiner bedienten, haben Freundschaft mit Gott erworben,<br />

empfohlen durch die Gaben, die die Zucht verleiht.<br />

Mir aber möge Gott gewähren, seinem Sinn gemäß zu reden<br />

und Gedanken zu fassen, wie sie der verliehenen Gabe würdig sind.<br />

Denn er selbst ist Führer der Weisheit<br />

und der Weisen Lenker.<br />

In seiner Hand sind ja wir sowohl wie unsere Worte,<br />

jegliche Einsicht und das Geschick zu Kunstfertigkeiten.<br />

Denn er verlieh mir untrügliche Erkenntnis der Dinge,<br />

dass ich den Bau des Weltalls verstünde und die Wirksamkeit der Elemente,<br />

Anfang, Ende und Mitte der Zeiten,<br />

die Wende der Sonne und den Wandel der Jahreszeiten,<br />

den Kreislauf der Jahre und die Stellungen der Gestirne,<br />

Weish 0,00–0,00<br />

276


Lob der Weisheit<br />

die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere,<br />

die Gewalt der Geister und das Denken der Menschen,<br />

die Unterschiede der Pflanzen und die Heilkräfte der Wurzeln.<br />

Was verborgen und sichtbar ist, alles erkannte ich;<br />

denn die alles kunstvoll gestaltet, die Weisheit, hat es mich gelehrt.<br />

Kap. 08<br />

Denn in ihr ist ein Geist :<br />

verständig, heilig, einzig in seiner Art und vielfältig,<br />

fein, beweglich, durchdringend,<br />

unbefleckt, klar, unverletzlich, das Gute liebend,<br />

scharf, nicht zu hemmen, wohltätig,<br />

menschenfreundlich, beständig, sicher, sorgenlos,<br />

allmächtig, alles überschauend und alle Geister durchdringend:<br />

die denkenden, reinen und feinsten.<br />

Ist doch die Weisheit beweglicher als jede Bewegung;<br />

in ihrer Reinheit durchdringt und erfüllt sie alles.<br />

Sie ist ja ein Hauch der Kraft Gottes<br />

und ein reiner Ausfluss der Herrlichkeit des Allherrschers;<br />

darum fällt kein Schatten auf sie.<br />

Denn sie ist ein Abglanz des ewigen Lichts<br />

und ein makelloser Spiegel des göttlichen Wirkens<br />

und ein Abbild seiner Güte.<br />

Obwohl sie nur eine ist, vermag sie alles,<br />

und obgleich sie in sich selbst unverändert bleibt, erneuert sie alles.<br />

Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein<br />

und schafft so Freunde Gottes und Propheten.<br />

Denn Gott liebt keinen,<br />

der nicht mit der Weisheit verbunden ist.<br />

Denn sie ist herrlicher als die Sonne<br />

und erhaben über jedes Sternbild.<br />

Mit dem Licht verglichen, verdient sie den Vorzug;<br />

denn diesem folgt die Nacht,<br />

gegen die Weisheit aber ist die Bosheit machtlos.<br />

Sie erstreckt sich, kraftvoll wirkend, von einem Ende der Welt zum anderen<br />

und durchwaltet vortrefflich das All.<br />

277 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Sie liebte und ersehnte ich von meiner Jugend an;<br />

ich suchte sie als Braut mir heimzuführen<br />

und bin ein Verehrer ihrer Schönheit geworden.<br />

Einer edlen Abkunft kann sie sich rühmen, da sie mit Gott zusammenlebt<br />

und auch der Herr des Alls sie liebt.<br />

Denn sie ist in das Wissen Gottes eingeweiht<br />

und bestimmt seine Werke.<br />

Ist aber Reichtum ein begehrenswertes Gut im Leben,<br />

was ist reicher als die Weisheit, die alles schafft?<br />

Bringt Klugheit etwas zustande,<br />

wer in aller Welt ist eine größere Künstlerin als sie?<br />

Und liebt jemand Gerechtigkeit –<br />

was sie bewirkt, sind Tugenden.<br />

Denn sie lehrt Mäßigung und Klugheit,<br />

Gerechtigkeit und Starkmut.<br />

Etwas Vorteilhafteres als diese gibt es im Leben für den Menschen nicht.<br />

Verlangt aber einer nach reicher Lebenserfahrung:<br />

sie kennt das längst Vergangene und erschließt das Zukünftige;<br />

sie versteht sich auf die Kunst der Rede und auf das Lösen von Rätseln;<br />

Zeichen und Wunder weiß sie zu deuten<br />

und den Ausgang von Perioden und Zeiten.<br />

So beschloss ich denn, diese als Lebensgefährtin heimzuführen,<br />

da ich wusste, dass sie mich im Glück berät<br />

und in Sorgen und Kummer tröstet.<br />

Um ihretwillen werde ich Ansehen bei der Menge genießen<br />

und Ehre bei den Alten trotz meiner Jugend.<br />

Bei Gerichtsverhandlungen werde ich als scharfsinnig gelten<br />

und bei den Machthabern Bewunderung erregen.<br />

Schweige ich, so werden sie auf mich warten;<br />

ergreife ich das Wort, werden sie aufmerksam zuhören,<br />

und rede ich länger, dann legen sie die Hand auf den Mund.<br />

Um ihretwillen werde ich Unsterblichkeit erlangen<br />

und ein ewiges Andenken bei der Nachwelt hinterlassen.<br />

Ich werde Völker regieren,<br />

und Nationen werden mir untertan werden.<br />

Schreckliche Tyrannen werden mich fürchten, wenn sie von mir hören;<br />

Weish 0,00–0,00<br />

278


Lob der Weisheit<br />

unter dem Volk aber werde ich mich gütig zeigen und tapfer im Krieg.<br />

Kehre ich in das Haus zurück,<br />

so werde ich mich bei ihr erholen;<br />

denn der Umgang mit ihr hat nichts Bitteres,<br />

und das Zusammenleben mit ihr bringt nicht Verdruss,<br />

sondern Frohsinn und Freude.<br />

Indem ich dies bei mir überdachte<br />

und in meinem Herzen erwog,<br />

dass das Leben mit der Weisheit Unsterblichkeit verheißt<br />

und ihre Freundschaft reine Freude,<br />

die Arbeiten ihrer Hände unerschöpflichen Reichtum,<br />

der Umgang mit ihr Einsicht und ihre Teilnahme am Gespräch Ruhm,<br />

da ging ich umher und suchte,<br />

wie ich sie in mein Haus aufnehmen könnte.<br />

Ich war ein begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten,<br />

oder vielmehr, weil ich gut war,<br />

so war ich zu einem unverdorbenen Leib gekommen.<br />

Da ich aber einsah, dass ich nur durch Gott in ihren Besitz gelangen konnte –<br />

schon dies war Sache der Klugheit,<br />

dass ich begriff, wessen Gnadengeschenk sie ist –<br />

so wandte ich mich an den Herrn,<br />

betete zu ihm und sprach aus meinem ganzen Herzen:<br />

Kap. 09<br />

Gott der Väter und Herr des Erbarmens,<br />

der du das All durch dein Wort geschaffen<br />

und durch deine Weisheit den Menschen gebildet hast,<br />

dass er über die von dir hervorgebrachten Geschöpfe herrscht,<br />

die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leitet<br />

und in aufrichtiger Gesinnung regiert.<br />

Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront,<br />

und schließe mich nicht von der Schar deiner Kinder aus.<br />

Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd,<br />

ein schwacher und kurzlebiger Mensch,<br />

und verstehe wenig von Recht und Gesetz.<br />

Gälte einer bei den Menschen auch als vollkommen,<br />

fehlte ihm aber die von dir ausgehende Weisheit,<br />

er müsste für nichts geachtet werden.<br />

279 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Du warst es, der mich zum König deines Volkes erwählte<br />

und zum Richter über deine Söhne und Töchter.<br />

Du befahlst mir, einen Tempel auf deinem heiligen Berg<br />

und einen Opferaltar in der Stadt, in der du wohnst, zu bauen<br />

als ein Abbild des heiligen Zeltes, das du von Anbeginn bereitet hast.<br />

Bei dir ist die Weisheit, die deine Werke kennt<br />

und zugegen war, als du die Welt erschufst,<br />

die weiß, was in deinen Augen wohlgefällig ist<br />

und was recht ist nach deinen Geboten.<br />

Sende sie vom heiligen Himmel herab<br />

und schicke sie vom Thron deiner Herrlichkeit,<br />

dass sie mir bei meiner Arbeit hilft und ich erkenne,<br />

was dir wohlgefällt.<br />

Sie weiß und versteht ja alles;<br />

sie wird mich bei meinem Handeln verständig leiten<br />

und in ihrem Lichtglanz behüten.<br />

So werden dir meine Werke wohlgefallen,<br />

ich werde dein Volk gerecht regieren<br />

und des Thrones meines Vaters würdig sein.<br />

Welcher Mensch vermag denn Gottes Willen zu erkennen,<br />

oder wer kann erfassen, was der Herr verlangt?<br />

<strong>Die</strong> Gedanken der Sterblichen sind ja unsicher<br />

und unsere Absichten schwankend.<br />

Lähmt doch ein hinfälliger Leib die Seele<br />

und belastet das irdische Zelt den vielsinnenden Geist.<br />

Nur zur Not erraten wir, was auf Erden ist,<br />

und verstehen mit Mühe, was auf der Hand liegt.<br />

<strong>Die</strong> himmlischen Dinge aber, wer kann sie ergründen?<br />

Wer hat je deinen Willen erkannt, wenn nicht du die Weisheit gegeben<br />

und aus der Höhe deinen heiligen Geist gesandt hast?<br />

Nur so wurden die Pfade der Erdenbewohner geebnet<br />

und die Menschen über das belehrt, was dir wohlgefällig ist.<br />

Nur durch die Weisheit wurden sie gerettet.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

280


Lob der Weisheit<br />

Kap. 10<br />

Sie beschirmte den Urvater der Welt nach seiner Erschaffung, als<br />

er noch allein war, und riss ihn aus seinem Fall heraus; sie verlieh<br />

ihm auch die Kraft, über alles zu herrschen. Ein Gottloser aber,<br />

der in seinem Zorn von ihr abgefallen war, ging in brudermörderischem<br />

Grimm zugrunde. Da seinetwegen die Erde überschwemmt wurde, erwies<br />

sich die Weisheit wiederum als Retterin, indem sie den Gerechten<br />

auf einem armseligen Holz durch die Fluten steuerte. Als die Völker wegen<br />

eines einmütig begangenen Frevels verwirrt worden waren, erkannte<br />

sie den Gerechten und bewahrte ihn untadelig vor Gott und machte ihn<br />

stark auch gegenüber der Liebe zu seinem Sohn.<br />

Sie rettete einen Gerechten beim Untergang gottloser Menschen, sodass<br />

er dem Feuer entrann, das über das Gebiet der fünf Städte niederfuhr.<br />

Als Zeugnis ihrer Bosheit blieb von diesen noch ein ödes, immerfort<br />

rauchendes Land und Pflanzen, die zur Unzeit Früchte tragen, eine<br />

ragende Salzsäule als Denkmal einer ungläubigen Seele. Denn die an<br />

der Weisheit vorübergingen, wurden nicht nur dadurch gestraft, dass sie<br />

das Gute nicht erkannten, sondern sie hinterließen auch den Lebenden<br />

ein Denkmal ihrer Torheit, damit nicht verborgen bleiben könne, worin<br />

sie gesündigt hatten. Dagegen hat die Weisheit ihre <strong>Die</strong>ner aus Nöten<br />

errettet.<br />

Sie führte den Gerechten, als er vor dem Zorn des Bruders floh, auf<br />

geraden Wegen, zeigte ihm das Reich Gottes und verlieh ihm die Kenntnis<br />

heiliger Geheimnisse. Sie ließ ihn durch mühevollen <strong>Die</strong>nst zu Wohlstand<br />

gelangen und gab seinen Arbeiten reichen Erfolg. Bei der Habgier<br />

seiner Bedränger stand sie ihm bei und machte ihn reich. Sie schützte<br />

ihn vor Feinden und schirmte ihn gegen Verfolger und verlieh ihm den<br />

Sieg in einem schweren Kampf, damit er erkannte, dass die Frömmigkeit<br />

stärker als alles ist. Sie verließ nicht den Gerechten, der verkauft worden<br />

war, sondern bewahrte ihn vor der Sünde. Sie stieg mit ihm in den Kerker<br />

hinab und verließ ihn auch in Fesseln nicht, bis sie ihm das Zepter des<br />

Reiches und Gewalt über seine Bedränger verschafft, seine Verleumder<br />

als Lügner erwiesen und ihm ewigen Ruhm verliehen hatte.<br />

Sie hat ein heiliges Volk und ein untadeliges Geschlecht aus einem<br />

Volk von Bedrängern befreit. Sie ging in die Seele des <strong>Die</strong>ners des Herrn<br />

ein und trat furchtbaren Königen mit Zeichen und Wundern entgegen.<br />

Sie gab den Heiligen den Lohn für ihre Mühen, führte sie auf wunderbaren<br />

Pfaden und wurde ihnen zum Schutz am Tag und zum Sternenlicht in<br />

281 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Kap. 11<br />

der Nacht. Sie führte sie durch das Rote Meer und geleitete sie durch ein<br />

mächtiges Wasser. Ihre Feinde aber begrub sie in den Wogen und spülte<br />

sie aus der Tiefe des Meeres wieder ans Land. So konnten Gerechte Gottlose<br />

plündern und priesen, Herr, deinen heiligen Namen und rühmten<br />

einmütig deine schützende Hand. Denn die Weisheit öffnete den Mund<br />

der Stummen und machte die Zungen der Unmündigen beredt.<br />

Sie ließ alle ihre Unternehmungen gelingen unter der Führung des<br />

heiligen Propheten.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

282


III<br />

Vergegenwärtigung<br />

des Exodus<br />

Sie durchzogen eine unbewohnte Wüste und schlugen an unwegsamen<br />

Orten ihre Zelte auf; sie widerstanden ihren Feinden und wehrten Gegner<br />

ab.<br />

Als sie Durst litten, riefen sie dich an, und es wurde ihnen Wasser<br />

aus schroffem Felsen gegeben und aus hartem Stein ihr Durst gestillt.<br />

Denn womit ihre Feinde gezüchtigt wurden, das gereichte<br />

ihnen, wenn sie in Not waren, zum Segen. <strong>Die</strong> immerfließende Quelle<br />

des Stromes wurde jenen durch Mordblut getrübt zur Strafe für den<br />

Befehl zum Kindermorden. Ihnen aber gabst du unverhofft reichliches<br />

Wasser, nachdem du ihnen vorher durch den Durst gezeigt hattest, wie<br />

schwer ihre Gegner von dir gestraft worden waren. Denn als sie selbst<br />

geprüft wurden, erkannten sie, obwohl sie mit Milde zurechtgewiesen<br />

worden waren, welche Qual die Gottlosen erdulden mussten, die im<br />

Zorn gestraft wurden. <strong>Die</strong>se hast du wie ein mahnender Vater geprüft,<br />

jene aber wie ein strenger König verurteilend gestraft. Fern von den Israeliten<br />

wurden sie ebenso gequält wie in der Nähe. Denn ein doppeltes<br />

Wasser:<br />

Strafe und<br />

Wohltat<br />

283 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Leid und Seufzen erfasste sie bei der Erinnerung an das Vergangene. Als<br />

sie nämlich hörten, dass durch die gleichen Mittel sie Strafe, jene aber<br />

eine Wohltat empfingen, erinnerten sie sich an den Herrn. Denn den sie<br />

einst bei der Aussetzung weggeworfen und höhnend abgewiesen hatten,<br />

mussten sie am Ende der Ereignisse bestaunen, nachdem sie ganz anders<br />

Durst gelitten hatten als die Gerechten.<br />

Tiere:<br />

Strafen und<br />

Wohltaten<br />

Kap. 12<br />

Für die wahnwitzigen Gedanken ihrer Gottlosigkeit, durch die irregeleitet<br />

sie vernunftloses Gewürm und erbärmliches Getier verehrten,<br />

sandtest du ihnen zur Strafe eine Menge vernunftloser Tiere.<br />

Sie sollten erfahren, dass man mit dem gestraft wird, mit dem man sündigt.<br />

Deine allmächtige Hand, die doch die Welt aus gestaltlosem Stoff<br />

gebildet hat, wäre wohl imstande gewesen, gegen sie eine Menge von<br />

Bären oder grimmigen Löwen zu senden, oder neu geschaffene, wütende,<br />

bisher unbekannte Bestien, die feurigen Atem speien oder zischenden<br />

Dampf ausstoßen oder aus den Augen schreckliche Funken sprühen lassen,<br />

bei denen nicht nur der Angriff sie verderben, sondern allein schon<br />

der Entsetzen erregende Anblick sie vernichten konnte. Aber auch ohne<br />

diese hätten sie durch einen einzigen Hauch hinsinken können, verfolgt<br />

von der rächenden Gerechtigkeit und hingestreckt vom Hauch deiner<br />

Macht. Doch du hast alles nach Maß und Zahl und Gewicht geordnet.<br />

Denn es liegt jederzeit bei dir, deine große Macht zu entfalten, und<br />

wer könnte der Kraft deines Arms widerstehen? Ist doch die ganze Welt<br />

vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage und wie ein Tropfen Tau, der am<br />

Morgen auf die Erde fällt. Aber du hast mit allen Erbarmen, weil du alles<br />

vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie<br />

Buße tun. Denn du liebst alles, was da ist, und verabscheust nichts von<br />

dem, was du gemacht hast. Hättest du etwas gehasst, du hättest es nicht<br />

geschaffen. Wie hätte etwas Bestand gehabt, wenn du es nicht gewollt,<br />

oder wie wäre etwas erhalten worden, wenn es nicht von dir gerufen<br />

wäre? Du aber schonst alles, weil es dir gehört, Herr, Freund des Lebens.<br />

Denn dein unvergänglicher Geist ist in allen. Deshalb strafst du auch<br />

die Fehlenden gering und mahnst sie durch die Erinnerung an ihre Sünden,<br />

damit sie von der Bosheit ablassen und an dich glauben, Herr.<br />

Auch die früheren Bewohner deines heiligen Landes hast du gehasst,<br />

weil sie die schändlichsten Zauberkünste und ruchlose Geheimkulte<br />

trieben. Erbarmungslose Kindermörder (waren sie), die beim Opfermahl<br />

Weish 0,00–0,00<br />

284


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

Menschenfleisch und Menschenblut verzehrten. Darum nahmst du dir<br />

vor, mitten im Gelage die Teilnehmer und die Eltern, die eigenhändig hilflose<br />

Seelen mordeten, durch die Hände unserer Väter auszurotten, damit<br />

das bei dir am meisten geschätzte Land eine würdige Bevölkerung von<br />

Kindern Gottes erhielte. Aber auch gegen jene übtest du Schonung, weil<br />

sie Menschen waren, und sandtest Hornissen als Vorläufer deines Heeres,<br />

damit diese sie nach und nach vernichteten. Nicht als ob es dir unmöglich<br />

gewesen wäre, die Gottlosen in einer Schlacht den Gerechten zu unterwerfen<br />

oder durch schreckliche Tiere oder durch ein scharfes Wort mit<br />

einem Schlag zu vernichten. Aber du gabst ihnen dadurch, dass du die<br />

Strafe nach und nach vollzogst, Gelegenheit zur Umkehr, obgleich du<br />

wusstest, dass ihr Ursprung böse und ihre Verderbtheit angeboren war<br />

und dass sich ihr Sinn in Ewigkeit nicht ändern würde. Denn schon von<br />

Anfang an waren sie ein verfluchtes Geschlecht.<br />

Auch ließest du ihnen nicht aus Scheu vor irgendeiner Person Straflosigkeit<br />

für ihre Sünden angedeihen. Denn wer darf sagen: Was hast du<br />

getan? Oder wer kann sich deinem Urteil widersetzen? Wer darf dich<br />

wegen der Vernichtung von Völkern, die du selbst erschaffen hast, anklagen?<br />

Oder wer wollte gegen dich als Anwalt gottloser Menschen auftreten?<br />

Es gibt ja keinen Gott außer dir, der für alles sorgt, sodass du beweisen<br />

müsstest, dass du nicht unrecht gerichtet hast, noch kann ein König<br />

oder Machthaber dir entgegentreten um jener willen, die du gezüchtigt<br />

hast. Doch weil du gerecht bist, ordnest du alles mit Gerechtigkeit, erachtest<br />

es unvereinbar mit deiner Macht, den zu verurteilen, der keine<br />

Strafe verdient hat. Deine Stärke ist ja Grund deiner Gerechtigkeit und<br />

der Umstand, dass du alles beherrschst, gestattet dir, alles zu schonen.<br />

Stärke zeigst du nur, wenn man an die Machtfülle nicht glaubt, und du<br />

bestrafst den Trotz bei denen, die sie kennen. Obgleich du über Stärke<br />

verfügst, richtest du mit Milde und leitest uns mit großer Nachsicht;<br />

denn die Macht steht dir zur Verfügung, sobald du willst.<br />

Durch solches Verfahren hast du dein Volk belehrt, dass der Gerechte<br />

menschenfreundlich sein soll, und hast deine Söhne mit der frohen<br />

Hoffnung erfüllt, dass du nach Sünden Zeit zur Buße schenkst. Denn<br />

wenn du schon die Feinde deiner Kinder und die dem Tod Verfallenen<br />

mit solcher Schonung und Nachsicht bestraftest, indem du ihnen Zeit<br />

und Gelegenheit gabst, sich von der Bosheit loszumachen, mit welcher<br />

Sorgfalt hast du erst deine Söhne gezüchtigt, deren Vätern du unter Eid<br />

285 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Kap. 13<br />

einen Bund voll herrlicher Verheißungen gewährtest! Während du uns<br />

also erziehst, schlägst du unsere Feinde zehntausendfach, damit wir,<br />

wenn wir selbst richten, deine Güte uns zum Vorbild nehmen, und wenn<br />

wir gerichtet werden, auf Erbarmen hoffen.<br />

Deshalb hast du auch die Ungerechten, die in Torheit ihr Leben verbrachten,<br />

durch ihre eigenen Gräuel gezüchtigt. Denn sie hatten sich auf<br />

den Wegen des Irrtums allzu weit verirrt, als sie die verächtlichsten aller<br />

hässlichen Tiere für Götter hielten und wie unverständige Tiere sich<br />

täuschen ließen. Darum hast du ihnen wie unvernünftigen Kindern eine<br />

Plage gesandt, die sie zum Gespött machte. <strong>Die</strong> sich aber durch den Spott<br />

der Strafe nicht warnen ließen, mussten ein Gericht erfahren, das Gottes<br />

würdig war. Denn als sie in ihren Leiden sich über die ärgerten, die sie<br />

für Götter hielten, weil sie von ihnen geplagt wurden, sahen sie ein, dass<br />

jener, den sie vorher nicht kennen wollten, der wahre Gott sei. Darum<br />

kam auch die äußerste Strafe über sie.<br />

Toren waren ja von Natur schon alle Menschen, denen die Erkenntnis<br />

Gottes fehlte und die aus den sichtbaren Vollkommenheiten den Seienden<br />

nicht wahrzunehmen vermochten, noch bei der Betrachtung seiner<br />

Werke den Meister erkannten, sondern Feuer oder Wind oder die<br />

flüchtige Luft, den Kreis der Gestirne oder das gewaltige Wasser oder<br />

die Leuchten des Himmels für weltregierende Götter hielten. Wenn sie,<br />

durch deren Schönheit entzückt, schon in diesen Dingen Götter sahen,<br />

so hätten sie doch wissen sollen, um wie viel herrlicher ihr Gebieter ist.<br />

Denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen. Und wenn sie über<br />

deren Kraft und Wirksamkeit in Staunen gerieten, so mussten sie daraus<br />

schließen, um wie viel mächtiger ihr Schöpfer ist. Denn von der Größe<br />

und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer schließen.<br />

Indessen verdienen diese nur einen geringen Tadel. Denn sie gehen vielleicht<br />

nur irre, während sie wirklich Gott suchen und finden wollen. Mit<br />

seinen Werken beschäftigt, forschen sie ja nach ihm, lassen sich aber<br />

durch das Aussehen verführen, weil das Geschaute so schön ist. Dennoch<br />

sind auch sie nicht zu entschuldigen. Besaßen sie so viel geistige Fähigkeit,<br />

dass sie die Welt durchforschen konnten, wie kam es, dass sie nicht<br />

eher deren Herrn fanden?<br />

Unglückselig aber waren und auf tote Dinge setzten ihre Hoffnung, die<br />

Werke von Menschenhand Götter nannten, Gold und Silber, Kunstgebilde<br />

und Tiergestalten oder einen unnützen Stein, das Werk einer Hand<br />

Weish 0,00–0,00<br />

286


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

Kap. 14<br />

der Vorzeit. Da sägt ein Holzarbeiter einen tauglichen Stamm heraus,<br />

schält sachkundig seine ganze Rinde ringsum ab und verfertigt daraus<br />

in künstlerischer Bearbeitung ein nützliches Gerät für den Gebrauch des<br />

täglichen Lebens. Was von der Arbeit abfällt, verwendet er zur Bereitung<br />

der Mahlzeit und isst sich satt. Was aber dann noch übrig bleibt, weil<br />

es zu gar nichts taugt, krummes und mit Knoten durchwachsenes Holz,<br />

nimmt er, schnitzt daran in seinen Mußestunden und gibt ihm ohne<br />

große Sorgfalt irgendeine Gestalt. Er formt es zum Bild eines Menschen<br />

oder macht es irgendeinem ganz gewöhnlichen Tier ähnlich. Dann bestreicht<br />

er es mit Mennig und färbt seine Haut mit roter Schminke und<br />

übermalt jeden Flecken an ihm. Dann verfertigt er ihm ein passendes<br />

Gehäuse, stellt es an der Wand auf, an der er es mit einem Eisen befestigt.<br />

So sorgt er dafür, dass es nicht umfällt. Denn er weiß, dass es sich<br />

selbst nicht helfen kann, weil es nur ein Bild ist und der Unterstützung<br />

bedarf. Wenn er aber um Hab und Gut, für Frau und Kind beten will,<br />

dann scheut er sich nicht, das leblose Ding anzureden. Um Gesundheit<br />

ruft er das Kraftlose an, um Leben bittet er das Tote, um Hilfe fleht er das<br />

Ohnmächtige an, um gute Reise etwas, was keinen Fuß gebrauchen kann,<br />

für Erwerb, Arbeit und Erfolg im Handwerk begehrt er Kraft von dem,<br />

dessen Hände völlig kraftlos sind.<br />

Ein anderer wieder, der eine Seereise unternimmt und wilde Wogen<br />

durchfahren will, ruft ein Holz an, das gebrechlicher ist als das Fahrzeug,<br />

das ihn trägt. Denn dieses hat der Erwerbstrieb ersonnen und die Weisheit<br />

eines Künstlers hat es gebaut. Deine Vorsehung aber, Vater, steuert<br />

es; denn du gabst auch im Meer einen Weg und in den Wogen einen sicheren<br />

Pfad. Du zeigtest dadurch, dass du aus jeder Lage erretten kannst,<br />

selbst wenn einer auch ohne Erfahrung ein Schiff besteigen sollte. So<br />

willst du aber, dass die Werke deiner Weisheit nicht ungenutzt bleiben.<br />

Darum vertrauen die Menschen auch einem winzigen Holz ihr Leben an<br />

und fahren auf einem Floß, wohlbehalten durch die Wogen. So hatte sich<br />

auch in der Urzeit, als die übermütigen Riesen umkamen, die Hoffnung<br />

der Welt auf ein Floß geflüchtet und, von deiner Hand gesteuert, der Welt<br />

den Samen eines neuen Geschlechtes hinterlassen. Denn gesegnet ist das<br />

Holz, das gerechten Zwecken dient. Das von Menschenhand gefertigte<br />

Götzenbild aber ist verflucht, es selbst und der es gebildet hat. <strong>Die</strong>ser,<br />

weil er es angefertigt hat, jenes, weil es Gott genannt wurde, obwohl es<br />

ein vergängliches Ding war. Denn Gott sind in gleicher Weise der Gott-<br />

287 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

lose und sein gottloses Werk verhasst, wird doch das Werk samt seinem<br />

Bildner gestraft. Deshalb ergeht auch über die Götzen der Völker ein Gericht,<br />

weil sie in der Schöpfung Gottes zum Gräuel geworden sind, zum<br />

Ärgernis für die Seelen der Menschen und zum Fallstrick für die Füße<br />

der Toren.<br />

Denn Anfang des Abfalls ist das Ersinnen von Götzenbildern; derlei<br />

Erfindung aber ist Verderbnis des Lebens. Sie waren ja weder von Anfang<br />

da, noch werden sie ewig bleiben. Nur durch den törichten Wahn der<br />

Menschen sind sie in die Welt gekommen; deshalb ist ihnen auch ein jähes<br />

Ende zugedacht. Durch allzu frühe Trauer verzehrt, ließ ein Vater von<br />

dem so rasch entrissenen Kind ein Bild machen, verehrte den nunmehr<br />

toten Menschen wie einen Gott und ordnete für die Untergebenen geheimen<br />

Kult und Weihen an. Dann erstarkte im Lauf der Zeit die gottlose<br />

Sitte und wurde wie ein Gesetz befolgt; auf Befehl der Herrscher wurde<br />

das Schnitzwerk göttlich verehrt. Von denen, welche die Menschen nicht<br />

von Angesicht ehren konnten, weil sie weit entfernt wohnten, machten<br />

sie sich aus der Ferne eine Vorstellung von ihrer Gestalt, fertigten sich<br />

ein erkennbares Bild von dem verehrten König an, um dem Abwesenden<br />

mit Eifer so huldigen zu können, als ob er anwesend wäre. Zur Steigerung<br />

der Verehrung trieb der Ehrgeiz des Künstlers auch solche an, die<br />

ihn gar nicht kannten. Denn dieser bot, um dem Machthaber zu gefallen,<br />

seine ganze Kunst auf, die Ähnlichkeit noch schöner zu gestalten.<br />

<strong>Die</strong> Menge aber, von der Anmut des Kunstwerkes hingerissen, hielt nun<br />

den, der kurz zuvor noch als Mensch geehrt worden war, für einen Gegenstand<br />

der Anbetung. <strong>Die</strong>s gereichte dem Leben zum Verderben, dass<br />

die Menschen unter dem Druck eines Unglücks oder eines Machthabers<br />

Stein und Holz den Namen beilegten, der keinem anderen beigelegt werden<br />

darf.<br />

Aber nicht genug, in der Erkenntnis Gottes zu irren, nennen sie, die in<br />

dem großen Krieg der Unwissenheit dahinleben, solche Übel auch noch<br />

Frieden. Da sie kindermörderische Opfer oder verborgene Geheimkulte<br />

oder wüste Gelage mit absonderlichen Bräuchen feiern, bewahren<br />

sie weder Leben noch Ehe rein, sondern einer tötet heimtückisch den<br />

anderen oder kränkt ihn durch Ehebruch. Alles ohne Unterschied beherrscht<br />

Blut und Mord, <strong>Die</strong>bstahl und Betrug, Entehrung und Treulosigkeit,<br />

Aufruhr und Meineid, Verunsicherung der Guten, Vergessen<br />

der Wohltaten, Befleckung der Seelen, unnatürlicher Geschlechtsverkehr,<br />

Weish 0,00–0,00<br />

288


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

Kap. 15<br />

Zerrüttung der Ehen, Ehebruch und Ausschweifung. Denn die Verehrung<br />

der namenlosen Götzen ist aller Übel Anfang, Ursache und Ende. Rasen<br />

sie doch bei ihren Lustbarkeiten oder weissagen Lüge oder führen ein<br />

gottloses Leben oder schwören leichtfertig falsche Eide. Auf die Leblosigkeit<br />

ihrer Götzen vertrauend, erwarten sie, dass sie keinen Schaden<br />

leiden, wenn sie falsch schwören. Dennoch wird sie die gerechte Strafe<br />

für beides treffen, dass sie, den Göttern ergeben, verkehrte Vorstellungen<br />

von Gott hatten und dass sie aus Missachtung der Frömmigkeit in<br />

Arglist falsch geschworen haben. Denn nicht die Macht derer, bei denen<br />

sie schwören, sondern die den Sündern gebührende Strafe folgt stets den<br />

Übertretungen der Frevler nach.<br />

Du aber, unser Gott, bist gütig und treu; langmütig und voll Erbarmen<br />

regierst du das All. Auch wenn wir sündigen, sind wir dein, da wir deine<br />

Macht kennen. Wir wollen aber nicht sündigen, weil wir wissen, dass<br />

wir dir zugezählt sind. Denn dich erkennen ist vollkommene Gerechtigkeit<br />

und um deine Macht wissen ist die Wurzel der Unsterblichkeit. Uns<br />

hat ja weder die schlimme Erfindung der Menschen irregeführt noch<br />

auch die unnütze Arbeit der Maler, eine mit bunten Farben beschmierte<br />

Gestalt, deren Anblick in dem Toren Begierden weckt, dass er nach der<br />

leblosen Gestalt eines toten Bildes verlangt. Liebhaber des Bösen und<br />

würdig solcher Hoffnungen sind alle, die sie anfertigen, nach ihnen verlangen<br />

und sie verehren.<br />

Da müht sich ein Töpfer ab, den Ton durch Kneten geschmeidig zu<br />

machen, und formt daraus allerlei zu unserem Gebrauch. Aus dem gleichen<br />

Ton aber bildet er sowohl Gefäße, die guten Zwecken dienen, als<br />

auch solche für das Gegenteil, alle in gleicher Weise. Welchem Zweck<br />

aber ein jedes von ihnen dienen soll, bestimmt der Töpfer. Und so bildet<br />

er mit übel angewandter Mühe aus dem gleichen Ton einen nichtigen<br />

Gott, er, der vor kurzem selbst aus Erde entstand und bald zu ihr zurückkehrt,<br />

woher er genommen ist, wenn das Darlehen der Seele von ihm<br />

zurückgefordert wird. Aber das macht ihm keine Sorge, dass er bald dahinsinken<br />

wird und ihm nur ein kurzes Leben beschieden ist. Vielmehr<br />

wetteifert er mit Goldarbeitern und Silberschmieden und ahmt den Erzgießer<br />

nach und macht sich eine Ehre daraus, Trugbilder anzufertigen.<br />

Asche ist sein Herz und nichtiger als Staub seine Hoffnung und wertloser<br />

als Lehm sein Leben, weil er den nicht erkannte, der ihn gebildet<br />

und ihm eine tätige Seele eingehaucht und den Lebensatem eingeblasen<br />

289 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

hat. Er meinte vielmehr, unser Dasein sei ein Spiel und unser Leben ein<br />

Gewinn bringender Jahrmarkt. Denn man müsse, so sagt er, woher auch<br />

immer, selbst aus dem Bösen, Gewinn ziehen. Ein solcher weiß ja besser<br />

als alle, dass er sündigt, wenn er aus dem gleichen irdenen Stoff zerbrechliche<br />

Gefäße und Götzenbilder formt.<br />

Alle aber sind ganz unverständig und elender als die Seele eines Kindes<br />

sind die Feinde deines Volkes, die es bedrücken, weil sie sogar alle<br />

Götzen der Völker für Götter hielten, die weder Augen zum Sehen haben<br />

noch Nasen zum Einatmen der Luft, noch Ohren zum Hören noch Finger<br />

an den Händen zum Tasten, und deren Füße zum Gehen untauglich<br />

sind. Hat sie doch ein Mensch gemacht und einer, dem der Atem selbst<br />

nur geliehen ist, hat sie geformt. Kein Mensch vermag ja einen Gott zu<br />

bilden, der auch nur ihm selbst gleich wäre. Als Sterblicher kann er mit<br />

frevelhaften Händen nur Totes schaffen. Er selbst ist besser als die Gegenstände,<br />

die er anbetet, weil er Leben hat, jene aber nicht. Sogar die widerwärtigsten<br />

Tiere verehren sie, die Dümmsten im Vergleich mit allen<br />

anderen. Auch sind sie nicht schön, dass man an ihnen, wie sonst beim<br />

Anblick von Tieren, Gefallen haben könnte. Vielmehr sind sie des Lobes<br />

Gottes und seines Segens verlustig gegangen.<br />

Kap. 16<br />

Getier:<br />

Qual und<br />

genussvolle<br />

Nahrung<br />

Bisse<br />

von Tieren:<br />

Rettung<br />

und Strafe<br />

Deshalb wurden die Ägypter mit Recht durch ähnliche Wesen gestraft<br />

und durch eine Menge von Ungeziefer gequält. Deinem Volk aber erwiesest<br />

du Wohltaten statt dieser Züchtigung. Auf ihr heftiges Verlangen hin<br />

gabst du als besondere Kost Wachteln zur Nahrung. Jene sollten, wenn sie<br />

nach Speise verlangten, wegen des scheußlichen Aussehens der gegen sie<br />

gesandten Tiere selbst die Esslust verlieren, diese aber, nach einer kurzen<br />

Entbehrung, sogar eine wunderbare Speise empfangen. Denn über<br />

jene, die Unterdrücker, sollte ein unabwendbarer Mangel kommen; diesen<br />

aber sollte nur gezeigt werden, wie sehr ihre Feinde gequält wurden.<br />

Auch damals, als über sie die grimme Wut der wilden Tiere kam und<br />

sie durch die Bisse der sich ringelnden Schlangen umzukommen drohten,<br />

währte dein Zorn nicht bis zum Ende. Vielmehr wurden sie nur zur<br />

Warnung auf kurze Zeit in Schrecken gesetzt und erhielten ein Zeichen<br />

der Rettung zur Erinnerung an die Vorschrift deines Gesetzes. Denn wer<br />

sich dorthin wandte, wurde gerettet, nicht durch das Geschaute, sondern<br />

durch dich, den Retter aller. Auch dadurch bewiesest du unseren Fein-<br />

Weish 0,00–0,00<br />

290


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

den, dass du es bist, der aus jedem Leid erlöst. Jene töteten die Bisse der<br />

Heuschrecken und Stechfliegen und es fand sich kein Heilmittel für ihr<br />

Leben, weil sie es verdient hatten, durch solche Wesen gezüchtigt zu werden.<br />

Deinen Söhnen aber konnten nicht einmal die Zähne giftspritzender<br />

Schlangen schaden; denn dein Erbarmen trat dagegen auf und heilte<br />

sie. Nur um sie an deine Satzungen wieder zu erinnern, wurden sie gebissen<br />

und alsbald wieder geheilt, damit sie nicht in tiefes Vergessen verfielen<br />

und von deinem Wohltun abgezogen würden. Denn weder Kraut<br />

noch Pflaster machte sie gesund, sondern dein Wort, Herr, das alles heilt.<br />

Du hast ja Gewalt über Leben und Tod, führst hinab zu den Pforten der<br />

Unterwelt und wieder herauf. Ein Mensch kann wohl in seiner Bosheit<br />

einen Menschen töten, aber den entflohenen Geist bringt er nicht mehr<br />

zurück und befreit nicht die in die Unterwelt weggenommene Seele.<br />

Deiner Hand zu entrinnen, ist unmöglich. Gottlose, die leugneten,<br />

dich zu kennen, wurden durch die Macht deines Arms gezüchtigt;<br />

sie wurden durch ungewöhnliche Regengüsse, durch Hagel<br />

und furchtbare Gewitter verfolgt und durch Feuer verzehrt. Und was das<br />

seltsamste war: In dem Wasser, das sonst alles löscht, wütete das Feuer<br />

weit heftiger; denn die Schöpfung kämpft für den Gerechten. Bald wurde<br />

die Flamme gezähmt, damit sie nicht die gegen die Gottlosen gesandten<br />

Tiere verbrenne, sie selbst aber klar erkannten, dass sie durch Gottes<br />

Gericht verfolgt würden. Bald brannte sie selbst mitten im Wasser über<br />

die gewohnte Macht des Feuers hinaus, um die Erzeugnisse des gottlosen<br />

Landes zu vernichten.<br />

Stattdessen nährtest du dein Volk mit der Speise der Engel und reichtest<br />

ihnen unermüdlich fertiges Brot vom Himmel, das jeglichen Genuss<br />

gewährte und jedem Geschmack entsprach. Denn deine Gabe offenbarte<br />

deinen Kindern gegenüber deine Süßigkeit, indem sie dem Begehren<br />

dessen entgegenkam, der sie genoss, und sich in das verwandelte, was<br />

jeder wollte.<br />

Schnee und Eis widerstanden dem Feuer und schmolzen nicht, damit<br />

man merkte, dass das Feuer, das im Hagel brannte und in den Regengüssen<br />

blitzte, nur die Früchte der Feinde vernichtete, dass es jedoch seine<br />

eigene Kraft vergaß, damit Gerechte ernährt würden. Denn die Schöpfung,<br />

die dir, ihrem Schöpfer, untertan ist, wird zur Bestrafung der Sün-<br />

Vom<br />

Himmel<br />

Fallendes:<br />

Hagel<br />

und<br />

Manna<br />

291 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

der gesteigert; sie wird gemäßigt, um denen wohl zu tun, die auf dich<br />

vertrauen. Deshalb hat sie auch damals, in alles sich wandelnd, deiner<br />

allernährenden Gabe gemäß dem Wunsch der Bittenden gedient. Deine<br />

Söhne, die du liebst, Herr, sollten erfahren, dass nicht die mannigfachen<br />

Arten der Früchte den Menschen ernähren, sondern dass dein Wort die<br />

erhält, die auf dich vertrauen. Was nämlich das Feuer nicht vernichten<br />

konnte, schmolz sogleich, wenn es von einem flüchtigen Sonnenstrahl<br />

erwärmt wurde. Es sollte daraus erkannt werden, dass man mit der Danksagung<br />

gegen dich der Sonne zuvorkommen und schon gegen Aufgang<br />

des Lichts vor dir erscheinen muss. Denn die Hoffnung der Undankbaren<br />

schmilzt wie der Winterreif und verrinnt wie unbrauchbares Wasser.<br />

Kap. 17<br />

Finsternis:<br />

Angst oder<br />

Licht und<br />

Feuersäule<br />

Groß sind deine Gerichte und unerforschlich, daher verfielen unbelehrbare<br />

Seelen dem Irrtum. <strong>Die</strong> Frevler hatten nämlich geglaubt,<br />

ein heiliges Volk unterdrücken zu können; nun mussten<br />

sie daliegen, in Finsternis gefangen und von einer langen Nacht gefesselt,<br />

eingeschlossen in ihre Häuser, verbannt von der ewigen Vorsehung.<br />

Während sie sich mit ihren geheimen Sünden unter dem dunklen Schleier<br />

der Vergessenheit verborgen wähnten, wurden sie durch furchtbaren<br />

Schrecken auseinandergejagt und durch Trugbilder von Entsetzen ergriffen.<br />

Denn nicht einmal der Winkel, der sie umfing, bewahrte sie vor<br />

Furcht, sondern Schrecken erregende Geräusche umbrausten sie, und<br />

es erschienen düstere Gespenster mit finsteren Gesichtern. Keines Feuers<br />

Macht vermochte Licht zu schaffen, noch konnten die leuchtenden<br />

Flammen der Gestirne jene schauerliche Nacht erhellen. Nur ein von<br />

selbst entzündetes, Furcht erregendes Feuer leuchtete ihnen. In ihrer<br />

Angst hielten sie, wenn jene Erscheinung verschwand, das Geschaute für<br />

schlimmer, als es war. Machtlos waren die Gaukeleien der Zauberkünstler<br />

und die Probe auf das Wissen, mit dem sie prahlten, fiel jämmerlich aus.<br />

Denn sie, die Schrecken und Angst von kranken Gemütern zu bannen<br />

versprachen, krankten selbst an lächerlicher Furcht. Denn wenn auch gar<br />

nichts Furchtbares vorhanden war, das sie hätte erschrecken können, so<br />

wurden sie doch durch vorüberlaufendes Getier oder durch zischende<br />

Schlangen aufgescheucht und kamen fast vor Schrecken um und wollten<br />

nicht einmal in die Luft sehen, der man doch nirgends entrinnen kann.<br />

<strong>Die</strong> Bosheit erweist sich als feige und spricht sich selbst das Urteil.<br />

Durch das böse Gewissen bedrängt, nimmt sie stets das Schlimmste an.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

292


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

Kap. 18<br />

Denn Furcht ist nichts anderes als der Verzicht auf die von der Überlegung<br />

gebotenen Hilfsmittel. Je geringer aber im Herzen die Erwartung<br />

der Hilfe ist, für umso schlimmer hält sie die Unkenntnis über die Ursache,<br />

welche die Qual veranlasst. Jene aber, welche die ohnmächtige, aus<br />

den Tiefen der ohnmächtigen Unterwelt heraufgekommene Nacht wie<br />

immer schlafend verbringen wollten, wurden teils durch schreckliche<br />

Gespenster verfolgt, teils durch die Verzagtheit der Seele gelähmt; denn<br />

plötzliche und unerwartete Furcht kam über sie. So wurde jeder dort, wo<br />

er hinsank, festgehalten und in einem Kerker ohne Riegel eingeschlossen.<br />

Denn mochte es ein Landmann oder ein Hirt oder Taglöhner sein,<br />

der an einem einsamen Ort beschäftigt war: Von ihr überrascht, erlag<br />

er dem unentrinnbaren Zwang. Sie alle waren durch die eine Kette der<br />

Finsternis gefesselt. War es nun das Säuseln des Windes, der liebliche<br />

Gesang der Vögel im dichten Laubwerk, das Rauschen eines mächtig<br />

strömenden Wassers, das wilde Getöse herabstürzender Felsblöcke, das<br />

unsichtbare Laufen hüpfender Tiere, das Geheul brüllender wilder Bestien<br />

oder das aus den Schluchten der Berge zurückgeworfene Echo, alles<br />

versetzte sie in Schrecken und lähmte sie. Denn die ganze übrige Welt<br />

erstrahlte in glänzendem Licht und konnte sich unbehindert der Arbeit<br />

widmen. Nur über jene lag tiefe Nacht ausgebreitet, ein Bild der Finsternis,<br />

die sie aufnehmen sollte. Aber sie selbst waren sich mehr zur Qual<br />

als die Finsternis.<br />

Deine Heiligen aber befanden sich im hellsten Licht. Als jene ihre<br />

Stimme hörten, aber die Gestalten nicht sahen, priesen sie diese glücklich,<br />

dass sie nicht gelitten hatten. Sie dankten, dass sie ihnen trotz der<br />

früheren Misshandlungen keinen Schaden zufügten, und baten um Verzeihung<br />

für ihr feindliches Verhalten. Ihnen aber gabst du eine flammende<br />

Feuersäule als Führerin auf der unbekannten Reise und als nicht<br />

schadende Sonne auf der ruhmvollen Wanderschaft. Jene hatten es freilich<br />

verdient, des Lichtes beraubt und in Finsternis gefangen zu werden,<br />

da sie deine Söhne, durch die der Welt das unvergängliche Licht des Gesetzes<br />

gegeben werden sollte, in Gewahrsam gehalten hatten.<br />

Jenen aber, die beschlossen hatten, die Kinder der Heiligen zu töten,<br />

wobei nur ein Kind zwar ausgesetzt, aber gerettet worden war, nahmst<br />

du zur Strafe eine Menge ihrer Kinder und ließest sie zusammen in<br />

einer gewaltigen Wasserflut untergehen.<br />

Tod der<br />

Erstgeborenen:<br />

Tod in<br />

der Wüste<br />

293 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

Jene Nacht wurde unseren Vätern im Voraus angekündigt, damit sie in<br />

sicherer Kenntnis der eidlichen Zusicherungen, denen sie glaubten,<br />

guten Mutes sein konnten. So wurde nun von deinem Volk Rettung<br />

der Gerechten und Untergang der Feinde erwartet. Denn womit du<br />

die Gegner strafst, eben damit hast du uns verherrlicht, indem du uns<br />

riefst. Im Geheimen opferten ja die frommen Söhne trefflicher Eltern<br />

und verpflichteten sich einmütig auf das göttliche Gesetz, dass die Heiligen<br />

in gleicher Weise an den gleichen Gütern und an den gleichen Gefahren<br />

teilnehmen sollten, und stimmten schon im Voraus die Lobgesänge<br />

der Väter an. Es antwortete ihnen das misstönende Geschrei der<br />

Feinde und dazwischen hindurch tönte das Wehklagen über die betrauerten<br />

Kinder. Mit der gleichen Strafe wurde der Sklave wie der Herr gezüchtigt<br />

und der gemeine Mann erlitt das Gleiche wie der König. Durch<br />

die gleiche Todesart hatten alle unzählige Tote, sodass die Lebenden<br />

zum Begraben nicht ausreichten, da mit einem Schlag ihre vornehmsten<br />

Nachkommen dahingerafft wurden. <strong>Die</strong> bei allem wegen der Zauberkünste<br />

ungläubig geblieben waren, bekannten nun beim Untergang<br />

der Erstgeborenen, dass das Volk Gottes Sohn sei. Denn während tiefes<br />

Schweigen alles umfing und die Nacht in ihrem schnellen Lauf bis zur<br />

Mitte vorgerückt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel<br />

her, vom königlichen Thron, gleich einem wilden Krieger mitten in das<br />

dem Verderben geweihte Land. Als scharfes Schwert trug es deinen unwiderruflichen<br />

Befehl, trat hin und erfüllte alles mit Tod; es berührte<br />

den Himmel, während es auf der Erde dahinschritt. Damals wurden sie<br />

plötzlich durch Traumgebilde furchtbar in Schrecken versetzt und es<br />

überfiel sie unerwartete Angst. Der eine stürzte hier, der andere dort halb<br />

tot nieder und bekannte, aus welchem Grund er sterben müsste. Denn<br />

die Träume, die sie schreckten, hatten es zuvor angezeigt, damit sie nicht<br />

umkämen, ohne zu wissen, warum sie so Übles erlitten.<br />

Wohl traf auch die Gerechten eine Prüfung des Todes und eine große<br />

Menge wurde in der Wüste dahingerafft; aber der Zorn währte nicht<br />

lang. Denn alsbald trat ein untadeliger Mann als Vorkämpfer auf, indem<br />

er die Waffe seines Amtes trug, Gebet und sühnendes Räucherwerk. Er<br />

trat dem Zorn entgegen und machte der Plage ein Ende. So bewies er,<br />

dass er dein <strong>Die</strong>ner war. Nicht durch Körperkraft noch durch Gewalt der<br />

Waffen besiegte er ihren Unwillen, sondern durch das Wort unterwarf er<br />

den Strafenden, indem er an die den Vätern geschworenen Eide und an<br />

Weish 0,00–0,00<br />

294


Vergegenwärtigung des Exodus<br />

Kap. 19<br />

die Bündnisse erinnerte. Denn als die Toten schon haufenweise aufeinander<br />

lagen, trat er dazwischen und wehrte dem Wüten und versperrte<br />

ihm den Weg zu den Lebenden. Auf seinem herabwallenden Gewand war<br />

die ganze Welt dargestellt, die ruhmreichen Namen der Väter auf den<br />

vier Reihen geschnittener Steine und deine Herrlichkeit auf dem Diadem<br />

seines Hauptes. Davor wich der Verderber zurück, das scheute er;<br />

denn es genügte schon diese Probe des Zornes.<br />

Über die Gottlosen aber kam bis zum Ende unerbittlicher Zorn. Denn er<br />

wusste auch ihr zukünftiges Verhalten voraus, dass sie nämlich, obgleich<br />

sie selbst zum Auszug gedrängt und sie eilends entlassen hatten, sich bald<br />

anders besinnen und sie verfolgen würden. Während sie noch trauerten<br />

und an den Gräbern der Toten klagten, fassten sie schon einen anderen<br />

törichten Entschluss und verfolgten die wie Flüchtlinge, die sie mit flehentlichem<br />

Bitten fortgeschickt hatten. Es trieb sie das verdiente Verhängnis<br />

zu diesem Untergang und ließ sie das Geschehene vergessen, damit sie<br />

die an ihren Plagen noch fehlende Züchtigung vollständig machten. Dein<br />

Volk aber sollte eine wunderbare Wanderung erleben, während jene einen<br />

ungewöhnlichen Tod fänden.<br />

Denn die ganze Schöpfung wurde in ihrem Wesen aufs Neue gestaltet,<br />

um ganz besonderen Befehlen zu gehorchen, damit deine Kinder<br />

unversehrt erhalten blieben. Es erschien die Wolke, die das Lager überschattete,<br />

und es tauchte trockenes Land auf, wo vorher Wasser war, ein<br />

unversperrter Weg aus dem Roten Meer und eine grünende Flur aus der<br />

reißenden Flut. Darüber zogen mit allem Volk die von deiner Hand Beschirmten<br />

und sahen staunenswerte Wunder. Wie Pferde weideten sie<br />

und hüpften wie Lämmer und priesen dich, Herr, als ihren Retter. Denn<br />

sie dachten noch an ihre Erlebnisse im fremden Land, wie Mücken nicht<br />

von Tieren, sondern von der Erde hervorgebracht wurden, und der Fluss<br />

statt der Wassertiere eine Menge Frösche ausspie. Später sahen sie auch<br />

ein neuartiges Entstehen von Vögeln, als sie in ihrer Gier nach Leckerbissen<br />

verlangten. Denn zur Befriedigung ihrer Lust stiegen Wachteln<br />

vom Meer herauf.<br />

Auch die Strafen kamen über die Sünder nicht, ohne dass Zeichen<br />

durch heftige Donnerschläge vorausgegangen waren. Denn sie litten mit<br />

Recht für ihre bösen Taten. Hatten sie doch einen besonders schlimmen<br />

Fremdenhass gezeigt. Andere nahmen unbekannte Ankömmlinge nicht<br />

Untergang<br />

im Meer –<br />

Rettung<br />

durch das<br />

Meer<br />

295 Weish 0,00–0,00


Das Buch der Weisheit<br />

auf; diese aber machten Gäste, die ihre Wohltäter waren, zu Sklaven.<br />

Und nicht nur dies! Gewiss wird auch jene eine Strafe treffen, weil sie<br />

die Fremden gleich anfangs gehässig aufgenommen hatten. <strong>Die</strong>se aber<br />

hatten sie mit Festlichkeiten aufgenommen und dann, nachdem sie der<br />

gleichen Rechte teilhaft geworden waren, mit schwerem Frondienst geplagt.<br />

Sie wurden aber ebenso mit Blindheit geschlagen wie jene an der<br />

Tür des Gerechten, als sie von dichter Finsternis umgeben waren und<br />

jeder den Eingang zu seiner Tür suchte.<br />

<strong>Die</strong> Elemente wandeln nämlich sich selbst um,<br />

wie bei einem Saiteninstrument die Töne den Rhythmus ändern,<br />

während sie in ihrem Klang stets gleich bleiben.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich bei der Betrachtung der Geschehnisse deutlich erkennen.<br />

Denn Landtiere wurden in Wassertiere umgewandelt<br />

und schwimmende Tiere stiegen ans Land.<br />

Das Feuer zeigte im Wasser größere Kraft<br />

und das Wasser vergaß seine löschende Wirkung.<br />

Flammen wiederum verzehrten nicht das Fleisch<br />

leicht vergänglicher Wesen, die hineingerieten,<br />

noch ließ sich die leicht schmelzende, eisartige himmlische Nahrung<br />

schmelzen.<br />

Denn in allem hast du, Herr,<br />

dein Volk groß und herrlich gemacht, hast es nie vergessen<br />

und bist ihm zu jeder Zeit und an jedem Ort beigestanden.<br />

Weish 0,00–0,00<br />

296


301 Status<br />

Das<br />

Buch<br />

Jesus<br />

Sirach


3 vorwort des<br />

übersetzers<br />

5 erziehung zur<br />

weisheit und<br />

zu individuellen<br />

tugenden<br />

34 der grosse<br />

weisheitshymnus<br />

37 erziehung zur<br />

weisheit<br />

und zu sozialen<br />

tugenden<br />

61 die herrlichkeit<br />

gottes<br />

74 anhänge<br />

Sir 0,00–0,00<br />

300


vorwort des<br />

übersetzers<br />

301 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Vieles und Großes ist uns durch das Gesetz, die Propheten und die<br />

anderen Schriften, die ihnen folgen, geschenkt worden, um derentwillen Israel<br />

wegen seiner Bildung und Weisheit zu loben ist. <strong>Die</strong> darin zu lesen verstehen,<br />

sollen nicht nur sich selbst bilden, sie sollen auch, wenn sie sich tiefer hinein<br />

versenken, andere durch Wort und Schrift fördern. Deshalb hat sich mein<br />

Großvater Jesus – nachdem er sich sorgfältig mit dem Gesetz, den Propheten<br />

und den übrigen von den Vätern überkommenen Schriften befasst und sich<br />

eine gründliche Kenntnis davon verschafft hatte – entschlossen, auch seinerseits<br />

etwas zu schreiben, was Bildung und Weisheit fördert. Auf diese Weise<br />

sollte, wer sich diese mit Lust und Liebe angeeignet hätte, mehr und mehr<br />

wachsen durch ein Leben nach dem Gesetz.<br />

So seid ihr nun gebeten, euch mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit<br />

an die Lektüre zu begeben. Übt auch Nachsicht, wo die – obzwar mit Sorgfalt<br />

vorgenommene – Übersetzung vielleicht in ihrem Ausdruck unzulänglich ist.<br />

Denn es ist nicht das Gleiche, ob man etwas im hebräischen Urtext liest, oder<br />

ob es in eine andere Sprache übertragen wurde. Nicht nur dieses Buch, auch<br />

das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften weisen keinen geringen<br />

Unterschied auf, wenn man sie in ihrer Ursprache liest. Ich fand, als ich im<br />

achtunddreißigsten Jahr des Königs Euergetes nach Ägypten kam und mich zu<br />

seiner Zeit dort aufhielt, nicht geringere Bildung vor. Darum scheute ich keinen<br />

Eifer und keine Mühe, dieses Buch zu übersetzen. So habe ich mich denn<br />

in der Zwischenzeit unermüdlich darangemacht, das Buch zu vollenden und<br />

für jene herauszugeben, die auch in der Fremde sich hineinvertiefen wollen<br />

und die sich vorgenommen haben, nach dem Gesetz zu leben.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

302


erziehung zur<br />

weisheit und<br />

zu individuellen<br />

tugenden<br />

303 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

das geheimnis der weisheit<br />

1<br />

Alle Weisheit stammt vom Herrn und ist bei ihm für immer. Den<br />

Sand des Meeres, die Tropfen des Regens und die Tage der Vorzeit, wer kann<br />

sie zählen? <strong>Die</strong> Höhe des Himmels, die Breite der Erde und die Tiefe des Meeres,<br />

wer kann sie ergründen?<br />

Früher als alle Dinge ist die Weisheit erschaffen, die verständige Einsicht<br />

seit Ewigkeit. [<strong>Die</strong> Quelle der Weisheit ist das Wort Gottes in den Höhen,<br />

und ihre Wege sind die ewigen Gebote.] <strong>Die</strong> Wurzel der Weisheit, wem wurde<br />

sie enthüllt, ihre Pläne, wer hat sie durchschaut? [<strong>Die</strong> Lehre der Weisheit, wem<br />

wurde sie offenbart, ihre vielfältigen Wege, wer hat sie erkannt?]<br />

Nur einer ist weise, Ehrfurcht gebietend: der da sitzt auf seinem<br />

Thron, der Herr. Er hat sie geschaut und gezählt, er hat sie ausgegossen über<br />

all seine Werke und alles Fleisch, gemäß seiner Gabe, er spendet sie denen, die<br />

ihn fürchten.<br />

gottesfurcht<br />

Den Herrn fürchten ist Ehre und Ruhm, Fröhlichkeit und ein Kranz<br />

zur Festfeier. <strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn erquickt das Herz, Freude gibt sie,<br />

Frohsinn und langes Leben. Dem, der den Herrn fürchtet, wird es wohl ergehen<br />

am Ende, am Tag seines Todes wird er gepriesen.<br />

Der Anfang der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, den Getreuen<br />

wird sie im Mutterschoß gegeben. Bei den Menschen siedelte sie sich an<br />

auf sicherem Grund, und auch bei ihren Nachkommen wird sie festen Bestand<br />

haben. <strong>Die</strong> Fülle der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, sie erquickt sie mit<br />

ihren Früchten. Ihr ganzes Haus füllt sie mit Kostbarkeiten, ihre Speicher mit<br />

ihren Erzeugnissen. <strong>Die</strong> Krone der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, aufsprossen<br />

lässt sie Heil und Gesundheit. Verständnis und weise Einsicht lässt<br />

sie strömen, wer sie festhält, dem erhöht er den Ruhm. Wurzel der Weisheit ist<br />

die Furcht vor dem Herrn, ihre Zweige sind langes Leben.<br />

geduld und selbstbeherrschung<br />

<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn nimmt die Sünden weg; wer in ihr verbleibt,<br />

wendet den Zorn ab. Der Zorn des Ungerechten kann ihn nicht rechtfertigen,<br />

denn das Gewicht seines Zorns bringt ihn zu Fall. Der Geduldige hält<br />

aus bis zur gegebenen Zeit, doch dann erfüllt ihn Freude. Bis zur rechten Zeit<br />

hält er mit seinen Worten zurück, dann werden die Lippen vieler seine Klugheit<br />

preisen.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

304


weisheit und rechtschaffenheit<br />

25<br />

Unter den Schätzen der Weisheit sind Sprüche voll Einsicht, ein<br />

Gräuel aber für den Sünder ist die Gottesfurcht. Begehrst du nach Weisheit, so<br />

halte die Gebote, und der Herr wird sie dir schenken. Denn Weisheit und Bildung<br />

bestehen in der Furcht vor dem Herrn, und sein Wohlgefallen sind Treue<br />

und Milde. Widerstrebe nicht der Furcht vor dem Herrn, und nahe ihr nicht<br />

mit zwiespältigem Herzen.<br />

Sei vor den Menschen kein Heuchler, und gib Acht auf deine Lippen.<br />

Überhebe dich nicht, damit du nicht fällst und Schande über dich bringst. Denn<br />

der Herr wird enthüllen, was du verbirgst, er wird dich stürzen inmitten der<br />

Gemeinde, weil du dich der Gottesfurcht genaht hast, obwohl dein Herz voll<br />

Trug war.<br />

gottesfurcht bei der prüfung<br />

2<br />

Mein Sohn, wenn du dem Herrn dienen willst, dann mach dich gefasst<br />

auf Prüfungen. Sei tapfer und stark, auch überstürze nichts in der Zeit<br />

der Heimsuchung. Hänge ihm an und weiche nicht ab, damit du erhöht wirst<br />

an deinem Ende. Alles, was über dich kommen mag, nimm an, halt aus in der<br />

Bedrängnis. Denn im Feuer wird das Gold geprüft, der Mensch aber, der Gott<br />

gefällt, im Ofen der Bedrängnis. So vertrau auf Gott und er wird sich deiner<br />

annehmen, geh auf geraden Wegen und hoffe auf ihn.<br />

<strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, hofft auf sein Erbarmen. Weicht nicht ab,<br />

damit ihr nicht fallt. <strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, vertraut auf ihn, und euer<br />

Lohn wird euch nicht entgehen. <strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, hofft auf Gutes,<br />

auf immerwährende Freude und Erbarmen. Schaut auf die Geschlechter der<br />

Vergangenheit und erkennt: Wer hat auf den Herrn vertraut und wurde verlassen?<br />

Oder wer verharrte in der Furcht vor ihm und wurde verlassen? Oder wer<br />

rief ihn an und er hätte ihn übersehen? Denn gnädig und barmherzig ist der<br />

Herr; er lässt die Sünden nach und hilft in bedrängten Zeiten. Weh den mutlosen<br />

Herzen und den schlaffen Händen und dem Sünder, der auf zweierlei<br />

Wegen geht! Weh dem schlaffen Herzen, weil es nicht vertraut; darum wird es<br />

ohne Schutz sein. Weh euch, die ihr die Hoffnung verloren habt, denn was werdet<br />

ihr tun, wenn der Herr euch heimsucht?<br />

<strong>Die</strong> den Herrn fürchten, sind nicht ungehorsam gegen sein Wort, und<br />

die ihn lieben, werden seine Wege einhalten. <strong>Die</strong> den Herrn fürchten, suchen<br />

sein Wohlgefallen, und die ihn lieben, sind vom Gesetz erfüllt. <strong>Die</strong> den Herrn<br />

fürchten, machen ihre Herzen bereit und ergeben sich ihm demütig. Wir wollen<br />

in die Hände Gottes fallen, aber nicht in die Hände von Menschen. Denn<br />

wie seine Größe, so ist auch sein Erbarmen, und wie sein Name, so sind auch<br />

seine Werke.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

305 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

pflichten gegen die eltern<br />

3<br />

Hört, ihr Kinder, auf mich, den Vater, und handelt danach, dass ihr<br />

das Heil erlangt. Denn der Herr ehrt den Vater in seinen Kindern, und er stellt<br />

das Recht der Mutter über die Söhne sicher.<br />

Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden, und einem, der<br />

Schätze sammelt, gleicht, wer seine Mutter achtet. Wer den Vater ehrt, wird<br />

selbst Freude an Kindern erleben, und wenn er betet, wird er erhört werden.<br />

Wer den Vater hoch schätzt, wird viele Tage sehen, wer auf den Herrn hört, erweist<br />

seiner Mutter Ehre. Wer den Herrn fürchtet, ehrt seinen Vater. Er dient<br />

seinen Eltern wie Herren.<br />

Mein Sohn, in Wort und Werk ehre deinen Vater, damit sein Segen<br />

auf dich herabkommt. Der Segen des Vaters festigt das Haus der Kinder, doch<br />

der Fluch der Mutter wird die Fundamente ausreißen. Suche deinen Ruhm<br />

nicht in der Schmähung deines Vaters, denn deines Vaters Schande bringt kein<br />

Ansehen für dich. <strong>Die</strong> Ehre eines Menschen ist die Ehre seines Vaters, und<br />

schimpflich ist für die Kinder eine Mutter in Unehre. Mein Sohn, nimm dich<br />

deines Vaters im Alter an und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Auch wenn<br />

sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und verachte ihn nicht, wenn du in<br />

der Blüte deiner Jahre stehst. Mitleid gegen den Vater wird nicht in Vergessenheit<br />

geraten, für deine Sünden wird es dir angerechnet. Am Tag der Prüfung<br />

wird Gott deiner gedenken, und wie Reif in der Wärme, so schmelzen deine<br />

Sünden dahin. Ein Frevler ist, wer seinen Vater im Stich lässt, und vom Herrn<br />

verflucht, wer seine Mutter erzürnt.<br />

demut<br />

Mein Sohn, führe deine Werke in Demut aus, und du wirst mehr geliebt<br />

werden als einer, der Gaben austeilt. Je größer du bist, desto mehr demütige<br />

dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott. [Denn groß ist die Macht des<br />

Herrn, und den Demütigen enthüllt er seine Geheimnisse.] Denn groß ist die<br />

Macht Gottes, und von den Demütigen wird er geehrt.<br />

Was dir zu schwierig ist, suche nicht zu erforschen, und was über deine<br />

Kräfte geht, untersuche nicht. Was dir vorgeschrieben ist, daran denke und<br />

mühe dich nicht um das Verborgene. Was deine Kraft übersteigt, damit plage<br />

dich nicht, du hast Belehrung empfangen, die größer ist als das Begreifen der<br />

Menschen. Denn viele sind irregegangen in ihrem Hochmut, und schlimmer<br />

Wahn hat ihre Gedanken verwirrt. [Ohne Augapfel fehlt dir das Licht; des Wissens<br />

ledig, versuche nicht zu überzeugen.]<br />

Sir 0,00–0,00<br />

306


hochmut<br />

Ein trotziges Herz nimmt ein böses Ende, und wer die Gefahr liebt,<br />

kommt darin um. Ein trotziges Herz wird sich viel Leid schaffen, und der Sünder<br />

häuft Sünde auf Sünde. Für die Wunden des Stolzen gibt es keine Heilung,<br />

denn ein Gewächs der Bosheit ist, was in ihm gewachsen. Ein weises Herz ist<br />

aufgetan für die Sprüche der Weisen, und ein aufmerksames Ohr ist die Sehnsucht<br />

des Weisen.<br />

liebe zu den armen<br />

Ein loderndes Feuer löscht man mit Wasser; so sühnt barmherzige<br />

Liebe die Sünden. Wer Wohltaten erweist, denkt an die Zukunft, und am Tag,<br />

an dem er wankt, findet er eine Stütze.<br />

4<br />

Mein Sohn, verweigere dem Armen nicht den Lebensunterhalt, und<br />

lass die Augen des Bedrückten nicht verschmachten. Lass den Hungrigen nicht<br />

leiden, und verbittere niemand in seiner Ausweglosigkeit. Sei nicht hart gegen<br />

das Herz eines Unglücklichen und verweigere dem Bedürftigen nicht deine<br />

Gabe. Den Bedrängten, der hilflos ist, weise nicht ab, und wende deinen<br />

Blick nicht weg von dem Armen. Wende dein Auge nicht weg vom Bedürftigen,<br />

und gib ihm keinen Grund, dich zu verfluchen. Denn wenn er dich verflucht<br />

im Schmerz seiner Seele, so wird sein Schöpfer sein Flehen erhören. Mach<br />

dich beliebt in der Gemeinde, und beuge das Haupt vor dem Hochgestellten.<br />

Öffne dem Armen dein Ohr, und erwidere ihm leutselig den Gruß. Rette den<br />

Bedrängten vor seinen Bedrängern, und sei nicht kleinmütig in deinem Urteilsspruch.<br />

Sei wie ein Vater den Waisen und wie ein Gatte den Witwen. Dann<br />

wirst du wie ein Sohn des Höchsten sein, er wird dich mehr lieben als deine<br />

Mutter.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

erziehung durch weisheit<br />

<strong>Die</strong> Weisheit erzieht ihre Söhne und nimmt auf, die sie suchen. Wer<br />

sie liebt, liebt das Leben, und die sie vom Morgen an suchen, werden mit Freude<br />

erfüllt. Wer sie ergreift, wird Ehre erlangen, und wohin er auch geht, segnet<br />

ihn der Herr. Der <strong>Die</strong>nst an ihr ist <strong>Die</strong>nst am Heiligtum; die sie lieben,<br />

liebt der Herr. Wer auf sie hört, wird gerecht richten, wer sich nach ihr richtet,<br />

wird in Sicherheit wohnen. Wenn er auf sie vertraut, wird er sie als Erbteil erlangen,<br />

und auch seine Nachkommen werden sie besitzen. Denn zuerst führt<br />

sie ihn auf gewundenem Pfad, lässt Furcht und Zittern über ihn kommen. Und<br />

setzt ihm zu mit ihrer Zucht, bis sie ihm vertrauen kann, und prüft ihn durch<br />

307 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

ihre Vorschriften. Dann aber führt sie ihn wieder auf geradem Weg und enthüllt<br />

ihm ihre Geheimnisse. Weicht er ab, so verlässt sie ihn und gibt ihn seinem<br />

Verderben preis.<br />

echte und falsche scham<br />

Mein Sohn, achte auf die rechte Zeit und hüte dich vor dem Bösen!<br />

Du sollst dich deiner selbst nicht schämen müssen. Eine Scham gibt es, die zur<br />

Sünde führt, wie es eine Scham gibt, die Ehre und Ruhm einträgt.<br />

Sei nicht parteiisch gegen dich selbst, und habe keine falsche Scham,<br />

dir selbst zum Schaden. Halte das Wort nicht zurück, wenn es retten kann, und<br />

halte deine Weisheit nicht verborgen. Denn in der Rede tut sich die Weisheit<br />

kund, und die Einsicht durch die Antwort der Zunge. Widerspreche nicht der<br />

Wahrheit; deiner Unwissenheit sollst du dich schämen. Schäme dich nicht, deine<br />

Sünden zu bekennen, und stelle dich nicht der Strömung des Flusses entgegen.<br />

Unterwerfe dich nicht dem Toren, und nimm keine Rücksicht auf einen<br />

Mächtigen. Bis zum Tod streite für die Wahrheit, und Gott, der Herr, wird<br />

für dich kämpfen. Sei nicht prahlerisch mit deiner Zunge und schlaff und matt<br />

in deinen Taten. Sei nicht wie ein Löwe in deinem Haus, aber ein Feigling mit<br />

deinen Knechten.<br />

reichtum und vermessenheit<br />

Deine Hand sei nicht offen zum Nehmen<br />

und verschlossen zum Geben.<br />

5<br />

Verlass dich nicht auf deinen Reichtum, und sprich nicht: Ich habe<br />

genug. Folge nicht deiner Neigung und deinem Vermögen, um nach den Begierden<br />

deines Herzens zu leben. Sage nicht: Wer hat Macht über mich? Denn<br />

der Herr wird nicht säumen, dich zu bestrafen. Sage nicht: Ich habe gesündigt,<br />

doch was ist mir geschehen? Denn der Herr hat einen längeren Atem. Sei der<br />

Vergebung nicht so sicher, dass du Sünde auf Sünde häufst. Sage nicht: Seine<br />

Barmherzigkeit ist groß, er wird mir auch die Menge meiner Sünden verzeihen.<br />

Zwar ist Barmherzigkeit bei ihm, aber auch Zorn, und auf den Sündern<br />

ruht sein Grimm. Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschieb es<br />

nicht Tag um Tag. Denn der Zorn des Herrn bricht plötzlich aus, und du wirst<br />

in der Zeit der Vergeltung dahingerafft. Vertraue nicht auf unrecht erworbene<br />

Schätze, denn sie nützen nichts am Tag des Zorns.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

308


eständigkeit und selbstbeherrschung<br />

Worfle nicht bei jedem Wind, und geh nicht auf jedem Pfad. [So<br />

macht es der doppelzüngige Sünder.] Bleibe fest bei deiner Überzeugung, eindeutig<br />

sei deine Rede. Sei schnell bereit zum Hören, aber mit Bedächtigkeit<br />

gib Antwort. Wenn du etwas weißt, so antworte deinem Mitmenschen, wenn<br />

nicht, so lege die Hand auf deinen Mund. Ehre und Schmach liegen in der Rede,<br />

des Menschen Zunge ist sein Untergang. Dass man dich nicht doppelzüngig<br />

nennen muss und du kein hinterhältiger Schwätzer bist! Denn wenn für den<br />

<strong>Die</strong>b Schande bestimmt ist, trifft den Doppelzüngigen harte Verurteilung. Im<br />

Kleinen wie im Großen verfehle dich nicht, und werde nicht aus einem Freund<br />

zum Feind.<br />

6<br />

Schlechten Ruf und Schande bringt die Schmährede hervor, ebenso<br />

ergeht es dem Doppelzüngigen. Verfalle nicht der Macht deiner Gier, damit sie<br />

dich nicht abweidet wie ein Stier. Dein Laub wird sie fressen und deine Früchte<br />

verderben und dich zurücklassen wie einen dürren Baum. Eine leidenschaftliche<br />

Seele richtet ihren Besitzer zugrunde und macht ihn zum Gespött seiner<br />

Feinde.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

freundschaft<br />

Sanfte Rede erwirbt viele Freunde, und eine freundliche Zunge vermehrt<br />

die Umgänglichkeit. Viele mögen es sein, die in Frieden mit dir leben,<br />

dein Vertrauter aber sei nur einer unter tausend.<br />

Erwirbst du einen Freund, erwirb ihn durch Erprobung, und schenk<br />

ihm dein Vertrauen nicht allzu schnell. Denn mancher ist ein Freund je nach<br />

der Zeit und hält nicht stand am Tag der Not. Mancher Freund wird zum Feind<br />

und bringt den schmählichen Streit mit dir an den Tag. Mancher ist nur<br />

Freund als Tischgenosse, aber am Tag des Unheils ist er nicht mehr zu finden.<br />

In deinem Glück ist er eins mit dir und tritt freimütig vor deinem Gesinde auf.<br />

Wenn es dir schlecht geht, dann wendet er sich gegen dich und hält sich vor<br />

dir verborgen. Von deinen Feinden halte dich fern, und vor deinen Freunden<br />

sei auf der Hut. Ein treuer Freund ist eine starke Stütze, wer einen solchen findet,<br />

hat ein Vermögen gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis,<br />

und nichts wiegt seinen Wert auf. Wie ein Beutel des Lebendigen ist ein treuer<br />

Freund; wer den Herrn fürchtet, findet ihn. Wer den Herrn fürchtet, hält<br />

rechte Freundschaft, denn wie er selbst, so ist auch sein Freund.<br />

309 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

streben nach weisheit<br />

Mein Sohn, von deiner Jugend an lerne Zucht, und du wirst Weisheit<br />

erwerben, bis du ergraut bist. Wie einer, der pflügt und mäht, so pflege sie, und<br />

warte auf ihre herrlichen Früchte. Du wirst mit ihrer Pflege nur wenig Mühe<br />

haben und bald ihre Früchte genießen.<br />

Rau erscheint sie den Toren, und nicht hält es bei ihr aus, wer ohne<br />

Einsicht ist. Wie ein schwerer Stein liegt sie auf ihm, und er zögert nicht, sie<br />

abzuwerfen. Denn die Zucht ist wie ihr Name, und es gibt nicht viele, denen<br />

sie liegt. Höre, mein Sohn, nimm meine Lehre an, und verschmäh nicht meinen<br />

Rat. Bring deine Füße in ihre Fessel und unter ihr Joch deinen Hals. Beuge<br />

deinen Nacken, sie zu tragen, und werde ihre Stricke nicht leid. Mit ganzem<br />

Herzen schreite auf sie zu, und mit all deiner Kraft halte ihre Wege ein. Spüre<br />

ihr nach und suche und sie wird dir kund; hast du sie aber gefasst, so lasse sie<br />

nicht wieder los. Denn schließlich wirst du bei ihr Ruhe finden, und sie wird<br />

sich dir in Freude verwandeln. Ihre Fesseln werden dir zu einem mächtigen<br />

Schutz und ihre Stricke zu einem Prachtgewand. Ein Goldschmuck ist ihr Joch,<br />

und ihre Stricke sind ein Purpurband. Als Prachtgewand wirst du sie anlegen<br />

und wie eine Ehrenkrone sie aufsetzen. Wenn es dir gefällt, mein Sohn, kannst<br />

du belehrt werden, und wenn du deinen Sinn darauf richtest, wirst du klug.<br />

Wenn du bereit bist zuzuhören, wirst du lernen, und wenn du dein Ohr neigst,<br />

weise werden.<br />

Verweile gern im Kreis der Alten, und wer weise ist, dem gesell dich<br />

zu. Höre gern jedes Wort, das von Gott kommt, und lass dir keinen Weisheitsspruch<br />

entgehen. Sieh dich um, wer Einsicht hat und suche ihn auf, dein Fuß<br />

soll ihm die Türschwellen abtreten. Betrachte die Vorschriften des Herrn, und<br />

über seine Gebote sinne allezeit nach. Dann wird er dein Herz aufrichten, und<br />

die Weisheit, nach der du verlangst, wird dir gewährt.<br />

ratschläge verschiedener art<br />

7<br />

Tue nichts Böses, so trifft dich nichts Böses, halte dich fern von der<br />

Sünde und sie weicht von dir. Säe nicht in den Furchen des Unrechts, damit<br />

du es nicht siebenfach ernten wirst. Begehre von Gott kein Herrscheramt und<br />

ebenso wenig vom König einen Ehrenplatz. Halte dich nicht für gerecht vor<br />

dem Herrn, und tu nicht weise vor dem König. Begehre nicht danach, ein Herrscher<br />

zu werden, wenn du die Kraft nicht hast, das Unrecht auszurotten. Du<br />

würdest zuviel Rücksicht nehmen vor dem Mächtigen und Anstoß erregen trotz<br />

deiner Rechtschaffenheit.<br />

Lass dir nichts zuschulden kommen bei der Versammlung am Tor,<br />

und komm nicht zu Fall vor der Gemeinde. Sinne nicht darauf, die Sünde zu<br />

wiederholen; denn schon bei einer bleibst du nicht straffrei. Sage nicht: Gott<br />

Sir 0,00–0,00<br />

310


wird auf die Menge meiner Gaben sehen, und er wird sie annehmen, wenn ich<br />

sie dem Höchsten bringe. Sei nicht kleinmütig beim Gebet, und sei nicht säumig<br />

beim Wohltun.<br />

Verlache keinen Menschen, dessen Herz verbittert ist; denn einer ist<br />

es, der ihn erniedrigt und erhöht. Ersinne keine Lüge gegen deinen Bruder,<br />

ebenso wenig wie gegen deinen Freund. Es missfalle dir jede Lüge; denn aus<br />

ihr kann nichts Gutes hervorgehen. Sei nicht schwatzhaft in der Versammlung<br />

der Ältesten, und wiederhole deine Worte nicht beim Gebet.<br />

Verachte nicht die mühevolle Arbeit auf dem Acker; denn der Höchste<br />

hat sie verordnet. Überschätze dich nicht vor dem Volk; denke an den Zorn,<br />

der nicht ausbleibt. Tief demütige dich, denn Feuer und Würmer sind die Strafe<br />

für den Gottlosen.<br />

Wechsle einen Freund nicht für Geld und einen wahren Bruder nicht<br />

für Ofirgold. Verachte nicht eine weise und gute Frau; denn ihre Anmut geht<br />

über Gold. Misshandle keinen Sklaven, der treu arbeitet, ebenso wenig den<br />

Taglöhner, der sich für dich einsetzt. Einen klugen Sklaven liebe wie dich selbst<br />

und verweigere ihm die Freilassung nicht.<br />

kinder<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

Hast du Vieh, so achte darauf; und wenn es brauchbar ist, so behalte<br />

es. Hast du Söhne, so halte sie in Zucht, und beuge ihren Nacken von Jugend<br />

auf. Hast du Töchter, so behüte ihren Leib, zeige dich ihnen nicht allzu freundlich.<br />

Verheirate deine Tochter, so hast du ein großes Werk vollbracht, doch verheirate<br />

sie nur mit einem verständigen Mann. Hast du eine Frau, so verstoße<br />

sie nicht, aber wenn du sie nicht liebst, schenk ihr kein Vertrauen.<br />

eltern<br />

Von ganzem Herzen ehre deinen Vater, und vergiss niemals die<br />

Schmerzen deiner Mutter. Denke daran, dass du durch sie geworden bist; wie<br />

wirst du ihnen vergelten, was sie für dich für getan haben?<br />

priester<br />

Mit deinem ganzen Herzen fürchte den Herrn, und halt seine Priester<br />

in Ehren. Mit deiner ganzen Kraft liebe deinen Schöpfer, und lass seine<br />

<strong>Die</strong>ner nicht im Stich. Fürchte den Herrn und achte den Priester, entrichte<br />

ihm den Anteil, wie dir geboten ist von Anfang an: das Schuldopfer, die Opfergabe<br />

der Schulterteile, Heiligkeitsopfer und Erstlingsgabe.<br />

311 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

arme und leidende<br />

Auch dem Armen streck deine Hand entgegen, damit dein Segen vollkommen<br />

sei. Schenk deine Gabe jedem Lebenden, selbst dem Toten versage<br />

deine Liebe nicht. Entziehe dich nicht den Weinenden, und mit den Trauernden<br />

trauere auch du. Scheue dich nicht, die Kranken zu besuchen, denn aus<br />

solchem Tun wirst du Liebe gewinnen. Bei all deinen Werken denke an das<br />

Ende, so wirst du nie eine Sünde begehen.<br />

klugheit und bedachtsamkeit<br />

8<br />

Streite nicht mit einem Mächtigen; damit du ihm nicht in die Hände<br />

fällst. Streite nicht mit einem Reichen, damit er nicht sein Geld gegen dich<br />

ausspielt. Denn viele schon hat das Gold verdorben, die Herzen der Könige hat<br />

es gebeugt. Streite dich nicht mit einem Schwätzer, und lege nicht noch Holz<br />

aufs Feuer. Scherze nicht mit einem Toren, damit deine Ahnen nicht beschimpft<br />

werden. Beschäme keinen, der sich von der Sünde bekehrt hat; denke<br />

daran, dass wir alle schuldig sind. Beschimpfe keinen alten Mann, denn<br />

auch von uns werden manche alt werden. Freue dich nicht, wenn einer gestorben<br />

ist; bedenke, dass wir alle dahingerafft werden. Verachte die Worte der Weisen<br />

nicht, stütze dich vielmehr auf ihre Sinnsprüche. Denn von ihnen wirst du<br />

Bildung empfangen, sodass du vor Fürsten bestehen kannst. Verschmähe nicht,<br />

was du von den Alten hören kannst, denn auch sie haben es wieder von ihren<br />

Vätern vernommen. Denn so wirst du Einsicht gewinnen, um zur rechten Zeit<br />

Antwort geben zu können. Lege kein Feuer auf die Kohlen des Sünders, damit<br />

du nicht in der Flamme seines Feuers verbrennst. Lass dich nicht von einem<br />

Spötter zum Äußersten hinreißen, dies wäre eine Falle, dir vor deinen Mund<br />

gestellt. Borge keinem, der mächtiger ist als du; hast du aber geborgt, so betrachte<br />

dich als Verlierer. Bürge nicht über dein Vermögen; hast du gebürgt, so<br />

kümmere dich darum, als ob du bereits bezahlen müsstest. Streite mit keinem<br />

Richter, denn er richtet nach seinem Belieben. Mit einem Verwegenen habe<br />

keinen Umgang, damit du nicht Unglück über dich bringst. Denn dieser geht<br />

nach seinem eigenen Kopf, und du wirst durch seine Torheit mit zugrunde gehen.<br />

Mit einem Jähzornigen fange keinen Streit an, und durchwandere nicht<br />

mit ihm die Wüste. Denn leicht wiegt in seinen Augen die Blutschuld; und wo<br />

kein Helfer ist, bringt er dich um. Mit einem Toren führe kein vertrauliches<br />

Gespräch, denn er vermag nichts geheim zu halten. Vor einem Fremden tue<br />

nichts, was geheim bleiben soll; denn du weißt nicht, was er aushecken wird.<br />

Nicht einem jeden öffne dein Inneres, und stoße das Glück nicht von dir.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

312


frauen<br />

9<br />

Hege nicht Eifersucht gegen die Frau an deinem Herzen, und lehre<br />

sie dadurch nicht, Böses gegen dich zu tun. Liefere dich nicht einer Frau aus,<br />

dass sie dir nicht über den Kopf wächst. Geh nicht zu einer Dirne, dass du nicht<br />

in ihre Netze fällst. Mit einer Saitenspielerin liege nicht zu Tisch, dass du nicht<br />

durch ihre Künste gefangen wirst. Gib dich nicht zuviel mit einem Mädchen<br />

ab, damit du nicht seinetwegen straffällig wirst. Gib dich nicht mit einer Dirne<br />

ab, damit sie dich nicht um dein Erbe bringt. Halte nicht Umschau an den<br />

Zugängen der Stadt, und streife nicht umher in ihren abgelegenen Winkeln.<br />

Verhülle das Auge vor einer schönen Frau, und schau auf keine Schönheit, die<br />

nicht dein Eigen ist. Durch die Schönheit einer Frau sind schon viele ins Verderben<br />

gestürzt, wie Feuer entflammt an ihr die Leidenschaft. Mit einer Ehefrau<br />

sitze nicht zusammen, und liege nicht berauscht mit ihr zu Tisch, damit<br />

du ihr nicht das Herz zuneigst und du in deiner Leidenschaft zugrunde gehst.<br />

verhältnis von mann zu mann<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

Gib einen alten Freund nicht auf, denn ein neuer wiegt ihn nicht auf.<br />

Neuer Wein – neuer Freund: Erst wenn er alt geworden ist, magst du ihn mit<br />

Wohlbehagen trinken.<br />

Sei nicht neidisch auf den Erfolg des Sünders, denn du weißt nicht,<br />

wie es enden wird. Habe keinen Gefallen am Erfolg der Gottlosen, bedenk, dass<br />

sie nicht bis zum Tod straffrei bleiben. Halte dich zurück von einem Mann,<br />

der die Macht hat, zu töten, so hast du die Schrecken des Todes nicht zu fürchten.<br />

Kommst du aber mit ihm zusammen, so beobachte ihn gut, damit er dir<br />

nicht das Leben nimmt. Wisse, dass du zwischen Schlingen einhergehst und<br />

über eine Fanggrube schreitest.<br />

So gut du kannst, antworte deinem Mitmenschen, und berate dich<br />

mit Weisen. Mit den Einsichtsvollen stelle deine Überlegungen an, und jede<br />

deiner Beratungen stehe im Einklang mit dem Gesetz des Höchsten. Gerechte<br />

Männer seien deine Tischgenossen, und dein Ruhm bestehe in der Furcht<br />

vor dem Herrn. Ein Werk aus der Hand des Künstlers verdient Lob, der Herrscher<br />

des Volkes aber sei, wer gut zu reden weiß. Ein Schrecken in der Stadt ist<br />

der Maulheld, und verhasst ist der Schwätzer.<br />

313 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

der weise herrscher<br />

10<br />

Ein weiser Herrscher festigt sein Volk, und die Regierung eines Einsichtigen<br />

ist wohl geordnet. Wie der Herrscher des Volkes, so sind auch seine<br />

Beamten, und wie das Haupt der Stadt, so auch die Bewohner. Ein König ohne<br />

Zucht richtet die Stadt zugrunde, bevölkert aber wird die Stadt durch die Klugheit<br />

ihrer Regenten. In der Hand des Herrn liegt die Herrschaft über den Erdkreis,<br />

zur rechten Zeit setzt er den rechten Mann über ihn ein. In der Hand des<br />

Herrn liegt das Gelingen für einen jeden, und er verleiht dem Gesetzgeber seine<br />

Würde.<br />

gegen überheblichkeit<br />

Hege keinen Groll gegen deinen Nächsten, wie seine Fehler auch seien,<br />

und lass dich nicht auf übermütige Handlungen ein. Verhasst ist dem<br />

Herrn und den Menschen der Übermut, und beide erachten das Unrecht als<br />

Frevel. <strong>Die</strong> Herrschaft geht über von Volk zu Volk wegen Unrecht, Gewalttat<br />

und Geld. Wie kommt der Mensch aus Staub und Asche dazu, sich zu überheben,<br />

da doch sein Leib schon zu seinen Lebzeiten verwest? Eine lange Krankheit<br />

spottet des Arztes; König heute – morgen tot. Stirbt der Mensch, werden<br />

ihm zuteil Maden, Geschmeiß und Gewürm.<br />

Der Übermut fängt an, wenn der Mensch den Herrn verlässt und von<br />

seinem Schöpfer das Herz abwendet. Der Anfang des Übermuts ist die Sünde;<br />

wer an ihr festhält, fließt über von Schandtaten. Darum lässt der Herr Schandtaten<br />

ergehen und vernichtet den Sünder völlig. Den Thron der Stolzen stürzt<br />

Gott um, die Bedrückten aber setzt er an ihre Stelle. Der Herr entwurzelt die<br />

Stolzen und pflanzt an ihre Stelle die Demütigen. Das Gebiet der Völker zerstört<br />

der Herr, und er vernichtet sie bis auf den Grund der Erde. Er fegt sie weg<br />

von der Erde und rottet sie aus, und von der Erde getilgt ist ihr Gedächtnis.<br />

Nicht ziemt sich für den Menschen der Hochmut, noch frecher Zorn für die,<br />

die von einer Frau geboren sind.<br />

achtung und ehre<br />

Welches Geschlecht ist geachtet? Das der Menschen. Welches Geschlecht<br />

ist geachtet? Das der Gottesfürchtigen. Welches Geschlecht ist verachtet?<br />

Das der Menschen. Welches Geschlecht ist verachtet? Das der Gesetzesübertreter.<br />

Im Kreise von Brüdern ist ihr Oberhaupt geehrt, aber der Gottesfürchtige<br />

in den Augen Gottes. [<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist der Anfang der Annahme<br />

durch Gott, aber der Anfang der Verwerfung sind Verhärtung und Überheblichkeit.]<br />

Der Reiche, der Angesehene und der Arme: ihr Ruhm ist die Furcht<br />

Sir 0,00–0,00<br />

314


vor dem Herrn. Nicht darf man den Armen, der weise ist, verachten, nicht darf<br />

man einen Sünder ehren. Fürst, Herrscher und Machthaber werden geehrt,<br />

doch keiner ist größer, als wer den Herrn fürchtet. Einem verständigen Sklaven<br />

dienen Freie, doch ein einsichtiger Mensch wird nicht aufbegehren.<br />

demut und wahrheit<br />

Spiel nicht den Weisen, wenn du deine Arbeit tust, und rühm dich<br />

nicht, während du in Not bist. Besser, wer arbeitet und Überfluss genug hat,<br />

als wer sich rühmt und nichts zu essen hat.<br />

Mein Sohn, in Demut ehre dich selbst, und gib dir das Ansehen, das<br />

du verdienst. Wer sich selbst unrecht tut, wer wird den für gerecht halten?<br />

Und wer wird den ehren, der sich selber die Ehre abspricht? Es gibt Arme, die<br />

sind angesehen wegen ihrer Klugheit, und es gibt Leute, die sind geehrt wegen<br />

ihres Reichtums. Wer schon als Armer geehrt ist, um wie viel mehr, wenn<br />

er reich wäre? Wer auch als Reicher verachtet ist, um wie viel mehr, wenn er<br />

arm wäre?<br />

nicht dem anschein trauen<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

11<br />

<strong>Die</strong> Weisheit des Geringen erhebt sein Haupt und lässt ihn zwischen<br />

Fürsten sitzen. Lobe keinen Menschen um seiner Schönheit willen, und verachte<br />

keinen Menschen um seines Aussehens willen. Unansehnlich unter den<br />

geflügelten Tieren ist die Biene, doch was sie hervorbringt, ist von erlesener<br />

Süße. Sei nicht stolz auf die Kleider, die du trägst, und werde nicht stolz, wenn<br />

man dich ehrt. Denn unbegreiflich sind die Werke des Herrn, und den Menschen<br />

verborgen ist sein Walten.<br />

Viele, die herrschten, mussten auf dem Erdboden sitzen, und mancher,<br />

dessen niemand gedachte, trug eine Krone. Viele, die mächtig waren, wurden<br />

verachtet, und Leute, die in Ehren standen, wurden der Gewalt eines anderen<br />

preisgegeben.<br />

bedachtsamkeit und ruhe<br />

Ehe du nicht nachgeprüft hast, mach keine Vorwürfe, untersuche zuerst<br />

und nachher tadle. Antworte nicht, bevor du zugehört hast, und während<br />

einer Darlegung rede nicht dazwischen. Um eine Sache, die dich nichts angeht,<br />

streite nicht, und am Streit der Gottlosen beteilige dich nicht.<br />

Mein Sohn, unternimm nicht viele Geschäfte. Wenn du sie mehrst,<br />

bleibst du nicht frei von Schuld. Selbst wenn du rennst, kommst du nicht ans<br />

315 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Ziel, und wenn du fliehst, kannst du doch nicht entkommen. Da ist einer, der<br />

sich müht und quält und abhastet, doch umso mehr bleibt er zurück.<br />

vertrauen auf gott allein<br />

Da ist einer, entkräftet und der Hilfe bedürftig, arm an Stärke und<br />

reich an Schwäche, Doch das Auge des Herrn schaut ihn gütig an, und er hebt<br />

ihn aus seinem Elend. Er erhebt sein Haupt, dass viele über ihn staunen.<br />

Gutes und Böses, Leben und Tod, Armut und Reichtum kommen vom<br />

Herrn. [Weisheit, Wissen und Erkenntnis des Gesetzes kommen vom Herrn,<br />

Liebe und Wandel in guten Werken kommen von ihm. Torheit und Finsternis<br />

sind für die Sünder erschaffen; bei denen, die sich des Bösen freuen, wird das<br />

Böse alt.] <strong>Die</strong> Gabe des Herrn hat Bestand für die, die ihn fürchten, und sein<br />

Wohlgefallen sichert das Gedeihen für immer.<br />

Da ist einer, der reich wurde, weil er sich abgeplagt und gegeizt hat,<br />

und das wird sein Lohn sein: Am Tag, an dem er sagt: Ich habe nun Ruhe gefunden,<br />

und so will ich jetzt meine Güter genießen. Da weiß er nicht, welche<br />

Frist ihn gesetzt ist, und er hinterlässt es einen anderen, denn er muss sterben.<br />

Bleibe bei deiner Pflicht und hab deine Freude daran, werde alt in<br />

deiner Beschäftigung. Bewundere nicht die Werke des Sünders, vertraue auf<br />

den Herrn und harre aus in deiner Arbeit. Denn leicht ist es in den Augen Gottes,<br />

schnell und unvermutet den Armen reich zu machen. Der Segen des Herrn<br />

ist der Lohn des Gerechten, zur bestimmten Zeit lässt Gott seinen Segen erblühen.<br />

Sage nicht: Was brauche ich noch, was kann mir noch entgehen? Sage<br />

nicht: Ich bin versorgt, welches Unglück kann mich noch treffen? Ein Glückstag<br />

lässt das Unglück vergessen, und ein Unglückstag lässt das Glück vergessen.<br />

Leicht ist in den Augen des Herrn, am Tag des Todes dem Menschen nach<br />

seinen Taten zu vergelten. Schlimme Zeit lässt die Lust vergessen, und das Ende<br />

des Menschen offenbart sein Tun. Vor dem Tod preise niemand glücklich, denn<br />

an seinem Ende erkennt man den Menschen.<br />

vorsicht gegenüber fremden<br />

Nicht jeden Menschen bringe ins Haus, denn zahlreich sind die Listen<br />

des Hinterhältigen. Wie ein im Korb gefangenes Rebhuhn ist das Herz des<br />

Stolzen, es gleicht einem Spion, der nach einer Bresche späht. Gutes verkehrt<br />

ins Böse der Verleumder, noch an den besten Dingen hat er zu mäkeln. Ein<br />

Funken entzündet Kohlenglut, und ein nichtsnutziger Mensch lauert auf Blut.<br />

Hüte dich vor einem Bösewicht, denn er sinnt auf Böses, auf dass er dir nicht<br />

einen ewigen Makel beibringt. Nimm einen Fremden in dein Haus – er wird<br />

dir Verwirrung bringen und dich deinen Angehörigen entfremden.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

316


gutes tun<br />

12<br />

Wenn du Gutes tust, wisse, wem du es tust, und du wirst für deine<br />

Wohltaten Dank ernten. Tue dem Gerechten Gutes und du wirst Dank finden,<br />

wenn nicht bei ihm, so doch beim Höchsten. Wohltaten sind nicht am Platz<br />

bei dem, der im Bösen verharrt und sich weigert, Gutes zu tun. Gib dem Gerechten,<br />

und komm dem Sünder nicht zu Hilfe. Tue Gutes dem Demütigen,<br />

und gib nicht dem Gottlosen. Verweigere ihm sein Brot, gib es ihm nicht, er<br />

würde sonst stärker als du. Doppeltes Unheil wird dich treffen für all das Gute,<br />

das du ihm erwiesen hast. Denn der Höchste hasst doch die Sünder, und an<br />

den Frevlern übt er Vergeltung. Gib dem guten Menschen, einem Sünder aber<br />

komm nicht zu Hilfe.<br />

wahre und falsche freunde<br />

Nicht kann man im Glück erkennen, wer ein Freund ist, doch nicht<br />

verborgen bleibt im Unglück der Feind. Wenn jemand glücklich ist, haben seine<br />

Feinde Verdruss, im Unglück zieht sich auch der Freund zurück.<br />

Traue niemals deinem Feind, denn seine Bosheit ist wie Eisen, das<br />

rostet. Selbst wenn er sich dir hörig zeigt und unterwürfig wandelt, nimm dich<br />

in Acht und hüte dich vor ihm. Verhalte dich zu ihm wie beim Spiegelputzen,<br />

und achte auch noch auf den Rest des Rosts. Lass ihn nicht an deiner Seite stehen,<br />

damit er dich nicht stürzt und an deine Stelle tritt. Lass ihn nicht zu deiner<br />

Rechten sitzen, dass er nicht strebt, deinen Sitz einzunehmen und du<br />

schließlich meine Worte einsiehst und eingedenk meiner Rede Reue empfindest.<br />

Wer bemitleidet einen Zauberer, den die Schlange beißt, der einen, der<br />

sich reißenden Tieren nähert? So ist es, wenn sich einer einem Sünder verbindet<br />

und sich in dessen Sünden verstrickt. Solange er neben dir steht, enthüllt<br />

er sich nicht, wenn du aber wankst, hält er nicht mehr an sich. Mit dem Mund<br />

tut der Feind freundlich, in seinem Herzen aber sinnt er darauf, dich in die<br />

Grube zu stürzen. Mit seinen Augen weint der Feind, hat er aber eine Gelegenheit<br />

gefunden, wird er nicht satt an Blut. Wenn dich ein Unglück trifft, wirst<br />

du ihn noch vor dir finden; er spielt den Helfer, spürt aber deiner Ferse nach.<br />

Er schüttelt das Haupt und klatscht in die Hände, und mit viel Getuschel ändert<br />

er das Gesicht.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

317 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

von der rechten verwendung des reichtums<br />

13<br />

Wer Pech anrührt, an dessen Hand klebt es fest, und wer sich dem<br />

Spötter anschließt, wird ihm ähnlich. Etwas, was für dich zu schwer ist, wie<br />

kannst du es heben? Einem, der stärker und reicher ist als du, wie kannst du<br />

dich ihm anschließen? Wie kann sich der irdene Topf zum ehernen Kessel gesellen?<br />

Denn dieser stößt an ihn und jener zerbricht.<br />

Der Reiche tut Unrecht und prahlt noch, der Arme erleidet Unrecht,<br />

aber er muss um Erbarmen flehen. Wenn du ihm nützlich bist, dann hilft er<br />

dir, wenn du zu langsam bist, verlässt er dich. Wenn du etwas hast, wird er mit<br />

dir leben, dann aber macht er dich arm, ohne dass es ihm Leid tut. Hat er etwas<br />

nötig von dir, betört er dich, er lächelt dir zu und erweckt dein Vertrauen.<br />

Er spricht dir freundlich zu und sagt: Was brauchst du? Bei seinen Festmählern<br />

wird er dich erniedrigen, bis er dich zweimal und dreimal beraubt hat,<br />

und am Ende verspottet er dich. Sieht er dich nachher wieder, geht er an dir<br />

vorüber und schüttelt seinen Kopf über dich. Hüte dich und lass dich nicht irreführen,<br />

damit du nicht erniedrigt wirst in deiner Torheit.<br />

Ruft dich ein Vornehmer, so halte dich zurück, umso mehr wird er<br />

dich heranziehen. Sei nicht zudringlich, dass du nicht fortgewiesen wirst, halte<br />

dich nicht allzu fern, dass du nicht vergessen wirst. Verlass dich nicht auf<br />

den freien Umgang mit ihm, und bau nicht auf seine vielen Reden. Mit dem<br />

häufigen Geplauder prüft er dich, er lächelt dir zu und horcht dich aus. Unbarmherzig<br />

ist, wer die Worte weiterverbreitet, er verschont dich weder vor<br />

Schlägen noch Ketten. Hüte dich also und sei vorsichtig, denn mit deinem eigenen<br />

Verderben gehst du um. [Wenn du davon hörst, wach auf aus deinem<br />

Schlaf; dein ganzes Leben liebe den Herrn und ruf ihn an zu deinem Heil.]<br />

Jedes Lebewesen liebt seinesgleichen, und jeder Mensch den, der ihm<br />

ähnlich ist. Jedes Lebewesen hat seinesgleichen um sich, und mit seinesgleichen<br />

verbinde sich auch der Mensch. Gesellt sich etwa der Wolf zum Lamm?<br />

Ebensowenig der Gottlose zum Gerechten. Lebt etwa die Hyäne mit dem Hund<br />

in Eintracht? Wie kann der Reiche in Eintracht leben mit dem Armen? Des Löwen<br />

Fraß sind die Wildesel in der Wüste; so sind die Armen die Weide des Reichen.<br />

Ein Gräuel ist dem Stolzen die Demut, ein Gräuel ist dem Reichen der<br />

Geringe. Ein Reicher, der wankt, wird vom Freund gestützt, wankt aber ein Armer,<br />

so wird er vom Freund verstoßen. Stolpert ein Reicher, nehmen ihn viele<br />

in ihren Armen auf, und sie beglückwünschen ihn, wenn er Torheiten redet.<br />

Stolpert ein Armer, macht man ihm Vorwürfe; selbst wenn er klug redet, gibt<br />

man ihm nicht Raum. Redet ein Reicher, so schweigt alles, und sie heben seine<br />

Klugheit bis an die Wolken. Redet ein Armer – Wer ist das? sagt man dann;<br />

und wenn er strauchelt, stoßen sie ihn noch nieder. Gut ist der Reichtum, wenn<br />

er ohne Schuld ist, schlimm ist die Armut, die aus Übermut entstand.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

318


Das Herz des Menschen verändert sein Gesicht, sei es heiter, sei es<br />

traurig. Zeichen eines glücklichen Herzens ist ein leuchtendes Angesicht, das<br />

Ausdenken von Sinnsprüchen ist eine mühevolle Arbeit.<br />

14<br />

Glücklich der Mann, der nicht sündigt in Worten und der nicht gequält<br />

wird vom Schmerz über die Sünde. 2 Glücklich der Mann, dessen Herz ihn<br />

nicht anklagt und dessen Hoffnung nicht am Schwinden ist.<br />

neid und habsucht<br />

Einem kleinlichen Mann steht der Reichtum nicht an, einem gierigen<br />

Mann – was nützen ihm Schätze? Wer gegen sich selber geizt, sammelt für<br />

einen anderen, und ein Fremder wird in seinen Gütern schwelgen. Wer sich<br />

selbst nichts gönnt, wem wird er etwas Gutes tun? Er freut sich nicht einmal<br />

seiner eigenen Güter. Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst<br />

nichts gönnt, und das ist der Lohn seiner Schlechtigkeit. Tut er mal etwas Gutes,<br />

tut er es aus Versehen, und zum Schluss zeigt er doch noch seine Bosheit.<br />

Schlimm ist, wer ein missgünstiges Auge hat, wer sein Gesicht abkehrt und das<br />

Leben des anderen verachtet. Der Habsüchtige ist nicht zufrieden mit dem, was<br />

er hat, die Begehrlichkeit trocknet die Seele aus. Der Geizige knausert mit Brot,<br />

und Mangel herrscht an seinem Tisch.<br />

Mein Sohn, wenn du es hast, so gönne dir etwas Gutes, und bring<br />

dem Herrn die Gaben, die er fordert. Denke daran, dass der Tod nicht wartet<br />

und das Bündnis mit der Unterwelt dir nicht bekannt ist. Bevor du stirbst, tu<br />

Gutes dem Freund, und so viel du vermagst, beschenk ihn. Versage dir nicht<br />

das Glück von heute, und an deinem Anteil an Lust geh nicht vorüber. Wirst<br />

du nicht einem anderen dein Gut überlassen müssen und dein mühsam Erworbenes<br />

denen, die das Los werfen? Gib und nimm und gönn dir etwas, denn<br />

in der Unterwelt ist es vorbei, nach Genuss zu suchen. Jeder Leib altert wie ein<br />

Kleid, und das uralte Gesetz heißt: Du musst sterben! Wie das Gespross der<br />

Blätter am grünen Baum, wo das eine welkt und das andere wächst, so sind die<br />

Geschlechter aus Fleisch und Blut, das eine stirbt, das andere wird geboren.<br />

Alle ihre Werke vermodern ganz und gar, und der sie vollbringt, folgt ihnen<br />

nach.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

das glück des weisen<br />

Glücklich der Mann, der über die Weisheit nachsinnt und mit seiner<br />

Einsicht überlegt, der seinen Sinn richtet auf die Wege zu ihr und auf ihre Geheimnisse<br />

achtet, der ihr nachgeht wie ein Späher und die Zugänge zu ihr belauert,<br />

der durch ihre Fenster schaut und an ihren Türen lauscht, der in ihres<br />

319 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Hauses Umkreis sich niederlässt und an ihrer Mauer sein Zeltseil befestigt, der<br />

sein Zelt an ihrer Seite aufschlägt und so ein angenehmes Heim bewohnt, der<br />

seine Kinder in ihre Hut gibt und ausruht unter ihren Zweigen, der in ihrem<br />

Schatten sich vor der Hitze verbirgt und in ihrer Herrlichkeit wohnt.<br />

15<br />

Wer den Herrn fürchtet, handelt so, und wer das Gesetz einhält, erlangt<br />

sie. Sie geht ihm entgegen wie eine Mutter, und wie eine junge Gattin<br />

nimmt sie ihn auf. Sie nährt ihn mit dem Brot der Klugheit und tränkt ihn mit<br />

dem Wasser der Einsicht. Er stützt sich auf sie und wankt nicht, er vertraut auf<br />

sie und wird nicht enttäuscht. Sie erhöht ihn über seine Mitmenschen, und inmitten<br />

der Gemeinde öffnet sie ihm den Mund. Jubel und Freude findet er, und<br />

sie beschenkt ihn mit unvergänglichem Namen.<br />

Nicht erlangen sie schlechte Menschen, und Gottvergessene werden<br />

sie nicht schauen. Fern ist sie von Überheblichkeit, und lügnerische Menschen<br />

erinnern sich ihrer nicht. Gotteslob ziemt sich nicht im Mund des Gottlosen,<br />

denn nicht ist es ihm vom Herrn zugeteilt. In Weisheit soll das Gotteslob erklingen,<br />

und der Herr wird es leiten.<br />

die freiheit des menschen<br />

Sage nicht: Vom Herrn kommt meine Sünde; denn was er hasst, bewirkt<br />

er nicht. Sage nicht: Er hat mich zu Fall gebracht; denn er bedarf der<br />

schlechten Menschen nicht. Allen Gräuel hasst der Herr, und gar keinen lieben<br />

die, die ihn fürchten. Er schuf am Anfang den Menschen und überließ ihn<br />

der Macht der eigenen Entscheidung.<br />

Wenn du willst, kannst du die Gebote halten, und Treue zu üben liegt<br />

in deiner Macht. Hingeschüttet hat er vor dich Feuer und Wasser, wonach dich<br />

verlangt, streck deine Hand aus. Vor dem Menschen liegen Leben und Tod; was<br />

er will, wird ihm gegeben. Reich ist die Weisheit des Herrn, er ist stark an Macht<br />

und sieht alles. Seine Augen schauen auf die, die ihn fürchten, und jede Tat<br />

des Menschen ist ihm bekannt. Niemandem hat er befohlen zu freveln, und<br />

keinem Erlaubnis gegeben zu sündigen.<br />

das verderben der gottlosen<br />

16<br />

Verlange nicht nach zahlreichen Kindern, wenn sie nichts taugen,<br />

und freue dich nicht über Söhne, die missraten sind. Mögen sie auch zahlreich<br />

sein, sei nicht stolz auf sie, wenn sie keine Gottesfurcht besitzen. Verlass dich<br />

nicht darauf, dass sie am Leben bleiben, und setze keine Hoffnungen auf ihr<br />

Sir 0,00–0,00<br />

320


Schicksal. Denn besser einer als tausend und besser kinderlos sterben als gottlose<br />

Kinder zu haben. Durch einen einzigen Einsichtigen wird die Stadt bevölkert,<br />

der Stamm der Gottlosen aber verödet.<br />

Vieles davon sah mein Auge, und Gewichtigeres noch als dies vernahm<br />

mein Ohr: In der Rotte der Gottlosen flammt das Feuer auf, und gegen<br />

das frevelhafte Pack entbrennt der Zorn. Nicht ertrug er die Riesen der Vorzeit,<br />

die abtrünnig wurden in ihrer Stärke. Er verschonte nicht die Mitbürger Lots;<br />

ein Gräuel war ihm ihr Übermut. Er erbarmte sich nicht des verdorbenen Geschlechts,<br />

das aus dem Besitz vertrieben wurde in seinen Sünden. Ebenso wenig<br />

der sechshunderttausend Mann Fußvolk, die dahingerafft wurden in ihrer<br />

Herzenshärte. Und erst wenn ein Einzelner halsstarrig ist – es wäre ein Wunder,<br />

wenn er straflos bliebe. Denn Erbarmen und Zorn sind bei ihm, er verzeiht<br />

und vergibt, aber er gießt auch den Zorn aus. So groß wie sein Erbarmen ist<br />

auch seine Züchtigung, und jeden richtet er nach seinen Werken. Nicht entkommt<br />

der Verbrecher mit seinem Raub, doch die Erwartung des Gerechten<br />

vernichtet er niemals. Er lässt seinem Erbarmen freien Lauf; jedem wird vergolten<br />

nach seinen Werken. [Gott verhärtete das Herz des Pharao, dass es ihn<br />

nicht erkannte, damit seine Werke offenbar wurden unter dem Himmel. Der<br />

ganzen Schöpfung ist sein Erbarmen sichtbar, sein Licht und sein Dunkel hat<br />

er den Menschen zugeteilt.]<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

der ernst der vergeltung<br />

Sage nicht: Ich werde mich vor dem Herrn verbergen; wer in der Höhe<br />

denkt an mich? In der großen Menge bleibe ich unbemerkt; und was bin ich<br />

in der unermesslichen Schöpfung? Siehe, der Himmel und der Himmel des<br />

Himmels, der Ozean und die Erde, sie wanken, wenn er sie heimsucht. <strong>Die</strong> Gipfel<br />

der Berge und die Grundfesten des Erdkreises, sie erbeben mächtig, wenn<br />

er sie nur anblickt. Doch auf dies alles lenkt man nicht seinen Sinn; und wer<br />

achtet auf seine Wege? Auch der Sturm bleibt unsichtbar, die meisten seiner<br />

Werke geschehen im Verborgenen. Das gerechte Tun, wer macht es kund, und<br />

wer erwartet es? Denn fern liegt noch das Strafgericht. Nur ein Unvernünftiger<br />

wird solches behaupten, nur ein törichter, irregeleiteter Mensch hat solche<br />

Gedanken.<br />

der mensch in der schöpfung<br />

Mein Sohn, hör auf mich und nimm Weisheit an, richte den Sinn auf<br />

meine Worte. Ich will dir die Lehre wohlabgewogen offenbaren und mit Sorgfalt<br />

mein Wissen kundtun. Als Gott am Anfang seine Werke schuf und zu ihrem<br />

Dasein die Gesetze gab, da ordnete er seine Werke für immer, von ihren<br />

Anfängen an bis zu ihrer fernen Zukunft. Sie ermatten nicht und werden nicht<br />

müde, noch erlahmen sie in ihrem Wirken. Keines kommt dem anderen zu<br />

321 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

nahe, und bis in Ewigkeit ist keines ungehorsam seinem Wort. Danach schaute<br />

der Herr zur Erde und füllte sie mit seinen Gütern an. Mit allerlei Lebewesen<br />

bedeckte er ihre Oberfläche und zu ihr lässt er sie auch wieder zurückkehren.<br />

17<br />

Der Herr hat auch den Menschen aus Erde erschaffen und lässt ihn<br />

wieder zu ihr zurückkehren. Er teilte dem Menschen eine Zahl von Tagen und<br />

eine bestimmte Frist zu und übertrug ihm die Herrschaft über alle Wesen auf<br />

ihr. Ähnlich sich selbst bekleidete er die Menschen mit Kraft und schuf sie<br />

nach seinem Bild. Er legte die Furcht vor ihnen auf alles Fleisch zur Herrschaft<br />

über Tiere und Vögel. [Sie empfingen den Gebrauch der fünf Kräfte des Herrn,<br />

als Sechste wurde ihnen Anteil am Verstand gegeben und als Siebte das Wort,<br />

den Deuter seiner Kräfte.] Er bildete Mund und Zunge, Auge und Ohr und gab<br />

ihnen ein Herz zum Denken. Mit verständiger Einsicht erfüllte er sie und zeigte<br />

ihnen, was gut und böse ist. Er setzte ihnen sein Auge in das Herz, um ihnen<br />

die Größe seiner Werke kundzutun. Sie sollten für immer seine Wunderwerke<br />

rühmen, seinen heiligen Namen loben und die Größe seiner Werke<br />

weiter verkünden. Er hat ihnen die Weisheit zum Geschenk gemacht und das<br />

Gesetz des Lebens in Besitz gegeben. Einen ewigen Bund hat er mit ihnen geschlossen<br />

und ihnen seine Gebote mitgeteilt. Seine majestätische Herrlichkeit<br />

haben ihre Augen gesehen und seine machtvolle Stimme in ihren Ohren vernommen.<br />

Er sprach zu ihnen: Hütet euch vor jedem Unrecht! Er ordnete das<br />

Verhalten eines jeden zu seinem Nächsten.<br />

der göttliche richter<br />

Ihre Wege liegen vor ihm allezeit, und nicht sind sie verborgen vor<br />

seinen Augen. [Ihre Wege sind von Jugend an auf das Böse gerichtet, und sie<br />

vermögen ihr steinernes Herz nicht in ein Herz von Fleisch zu verwandeln.]<br />

Jedem Volk hat er seinen Fürsten gesetzt, aber Israel ist der Anteil des Herrn,<br />

[sein Erstgeborener, den er liebevoll aufzog, an den er das Licht seiner Liebe<br />

austeilte, ohne ihn aufzugeben.] Alle ihre Werke liegen wie die Sonne vor ihm,<br />

und seine Augen ruhen stets auf ihren Wegen. Nicht sind vor ihm ihre Frevel<br />

verborgen, alle ihre Sünden liegen vor dem Herrn. [Aber der Herr ist gut und<br />

kennt sein Geschöpf, weder vernichtet er sie, noch verlässt er sie, sondern er<br />

verschont sie.]<br />

Das Almosen eines Menschen ist wie ein Siegelring bei ihm, und eines<br />

Menschen Güte hütet er wie den Augapfel. Er lässt seinen Söhnen und<br />

Töchtern Umkehr zuteil werden. Später erhebt er sich und zahlt ihnen heim,<br />

Vergeltung lässt er kommen über jedes Haupt. Den Reumütigen hat er einen<br />

Rückweg gewährt, und er spricht denen zu, die die Hoffnung verloren haben.<br />

aufforderung zur umkehr<br />

Sir 0,00–0,00<br />

322


Kehre dich zum Herrn und lass ab von der Sünde, flehe vor ihm und<br />

beseitige das Ärgernis. Kehre zum Höchsten zurück und wende dich von der<br />

Ungerechtigkeit, ganz entschieden hasse den Gräuel.<br />

Wer wird den Höchsten in der Unterwelt preisen an Stelle der Lebenden,<br />

die ihm Lobpreis darbringen? Bei einem Toten, der nicht mehr ist, hat<br />

der Lobgesang ein Ende, nur wer lebt und gesund ist, kann den Herrn preisen.<br />

Wie groß ist das Erbarmen des Herrn und die Nachsicht gegen die, die sich<br />

ihm zuwenden! Denn im Menschen kann nicht alles sein, ist der Mensch doch<br />

nicht unsterblich. Was ist heller als die Sonne? Und selbst diese verdunkelt<br />

sich; Fleisch und Blut können nur Böses ausdenken.Das Heer in der Höhe des<br />

Himmels mustert er, erst recht die Menschen, die doch alle nur Staub und<br />

Asche sind.<br />

gottes grösse<br />

18<br />

Der da lebt in Ewigkeit, schuf alles insgesamt, der Herr allein erweist<br />

sich als gerecht. [Keinen anderen gibt es außer ihm. Er fasst die Welt mit der<br />

Spanne seiner Hand, und alles gehorcht seinem Willen; denn er ist König über<br />

alle Dinge, die in seiner Macht stehen. Er sondert darin das Heilige vom Profanen.]<br />

Keiner ist imstande, seine Werke zu verkünden, und wer ergründet seine<br />

Großtaten? Seine gewaltige Größe, wer kann sie beschreiben, und wer<br />

kommt ans Ende beim Aufzählen seiner Hulderweise? Man kann nichts wegnehmen<br />

und nichts hinzufügen, unmöglich ist es, den Herrn zu durchschauen.<br />

Wenn jemand am Ende angelangt ist, dann steht er erst am Anfang, und<br />

wenn er aufhört, dann ist er ratlos. Was ist der Mensch und wozu nützt er? Was<br />

ist das Gute an ihm und was das Schlechte? <strong>Die</strong> Zahl der Tage des Menschen –<br />

wenn es viele sind, dann hundert Jahre. Wie ein Wassertropfen aus dem Meer<br />

und ein Sandkorn, so wenig bedeuten die Jahre in der Zeit der Ewigkeit. Darum<br />

ist der Herr langmütig mit ihnen und gießt über sie sein Erbarmen aus. Er<br />

sieht voraus und weiß, dass ihr Ende schlimm ist, darum zeigt er eine so große<br />

Versöhnlichkeit. Das Erbarmen des Menschen gilt nur dem Nächsten, das<br />

Erbarmen des Herrn aber allem Fleisch. Er weist zurecht, züchtigt und belehrt<br />

und führt wie ein Hirt seine Herde wieder heim. Er hat Mitleid mit denen, die<br />

die Lehre annehmen und die mit Eifer seine Satzungen suchen.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

323 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

rechtes geben<br />

Mein Sohn, gib zu einer Wohltat nicht Tadelworte hinzu und zu keiner<br />

Gabe kränkende Reden. Lässt nicht der Tau die Hitze schwinden? So ist ein<br />

Wort besser als die Gabe. Geht nicht ein Wort über eine gute Gabe? Beides aber<br />

ist Sache eines wohltätigen Mannes. Der Tor macht auf lieblose Weise Vorwürfe,<br />

und die Gabe eines neidischen Menschen lässt die Augen brennen.<br />

überlegung und vorsorge<br />

Bevor du zu reden hast, bereite dich vor, und ehe du krank wirst, sorge<br />

vor. Vor dem Urteilsspruch erforsche dich selbst, und du wirst in der Stunde<br />

der Prüfung Nachsicht finden. Ehe du niedergebeugt wirst, demütige dich,<br />

und in den Zeiten der Sündhaftigkeit lass Umkehr erkennen.<br />

Lass dich nicht aufhalten, ein Gelübde rechtzeitig einzulösen, und<br />

warte nicht bis zum Tod, ehe du deine Schuldigkeit tust. Bevor du ein Gelübde<br />

machst, bereite dich dazu, und sei nicht wie ein Mensch, der den Herrn versucht.<br />

Sei eingedenk des Zornes in den Tagen des Endes und der Zeit der Vergeltung,<br />

wenn er sein Angesicht abwendet. Sei eingedenk der Zeit des Hungers<br />

zur Zeit des Überflusses, der Armut und Not in den Tagen des Reichtums. Vom<br />

Morgen bis zum Abend verrinnt die Zeit, und alles eilt dahin vor dem Herrn.<br />

Ein weiser Mensch übt in allem Bedachtsamkeit, und in Zeiten der<br />

Sünde hütet er sich vor Verfehlung. Jeder Verständige hat die Weisheit erkannt,<br />

und jeder, der sie fand, soll ihr Lob verkünden. Wer sich auf Sprüche versteht,<br />

ist selbst Lehrer der Weisheit und sprudelt über von trefflichen Gleichnissen.<br />

selbstbeherrschung<br />

Deinen Begierden gehe nicht nach, und von deinen Gelüsten halte<br />

dich fern. Wenn du erfüllst, was deine Seele begehrt, wird sie dich zum Gespött<br />

deiner Feinde machen. Freu dich nicht über ein Leben voll Lust, schließ dich<br />

solcher Gesellschaft nicht an. Mach dich nicht arm durch Gelage mit geliehenem<br />

Geld, während du nichts im Beutel hast.<br />

19<br />

Wer das tut, wird niemals reich, und wer das Wenige gering schätzt,<br />

wird von allem entblößt. Wein und Frauen verderben den Einsichtsvollen, und<br />

wer sich an Dirnen hängt, wird frech. Moder und Würmer nehmen ihn in Besitz,<br />

und die freche Leidenschaft wird hinweggerafft werden.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

324


gegen den klatsch<br />

Wer schnell vertraut, ist leichtsinnig, und wer sündigt, verfehlt sich gegen sich<br />

selbst. Wer sich über Böses freut, wird selbst verurteilt, wer aber den Klatsch<br />

hasst, entgeht dem Bösen.<br />

Wiederhole niemals, was man dir sagte, so wird man dir niemals<br />

schaden. Sprich nicht über Freund noch Feind, und wenn es dir nicht zur<br />

Schuld gereicht, so äußere nichts. Denn wer dich hört, wird sich vor dir hüten<br />

und zur gegebenen Zeit Hass gegen dich hegen. Ist dir ein Wort zu Ohren gekommen,<br />

so sterbe es mit dir; sei unbesorgt, es wird dich nicht zerreißen. Um<br />

eines Wortes willen kommt der Tor in Wehen wie eine Gebärende durch ihre<br />

Leibesfrucht. Wie ein Pfeil, der im Schenkel steckt, so ist ein Wort im Inneren<br />

des Toren.<br />

Stelle den Freund zur Rede, ob er etwas getan hat, und wenn er es getan<br />

hat – damit er es nicht wieder tut. Stelle den Nächsten zur Rede, ob er etwas<br />

gesagt hat, und wenn er es gesagt hat – damit er es nicht wiederholt. Stelle<br />

den Freund zur Rede, denn oft geschieht Verleumdung; deshalb trau nicht<br />

jedem Wort. Mancher gleitet aus, doch nicht mit Absicht, und wer hätte mit<br />

seiner Zunge noch nicht gesündigt? Stelle deinen Nächsten zur Rede, ehe du<br />

Drohungen aussprichst, und gib Raum dem Gesetz des Allerhöchsten. [<strong>Die</strong><br />

Furcht des Herrn ist der Anfang der Vergebung, Weisheit erlangt Liebe bei ihm.<br />

Erkenntnis der Gebote des Herrn ist Lebenszucht; die das tun, was ihm gefällt,<br />

ernten vom Baum der Unsterblichkeit.]<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

rechte und falsche weisheit<br />

Alle Weisheit ist Furcht vor dem Herrn, und in jeder Weisheit liegt<br />

die Erfüllung des Gesetzes [und die Erkenntnis seiner Allmacht. Der Knecht,<br />

der zu seinem Herrn spricht: Was dir gefällt, tue ich nicht – selbst wenn er es<br />

danach tut, erzürnt er den, der ihn ernährt.]<br />

<strong>Die</strong> Kenntnis des Schlechten ist keine Weisheit, und der Rat der Sünder<br />

ist keine Einsicht. Es gibt eine Schlauheit und die ist ein Gräuel; ohne Verstand<br />

ist der, dem die Weisheit fehlt. Besser arm an Klugheit und gottesfürchtig<br />

als reich an Einsicht und ein Gesetzesbrecher. Es gibt eine listige Schläue<br />

und die ist schlecht, und mancher will sich Recht schaffen durch Betrug. Es<br />

gibt manchen, der gebeugt wie in Trauer einhergeht, doch sein Inneres ist voll<br />

Hinterlist. Er neigt den Kopf und stellt sich taub; wo er sich aber nicht durchschaut<br />

sieht, tritt er gegen dich auf. Und falls mangelnde Kraft ihn hemmt, Unrecht<br />

zu tun, so wird er doch Böses tun, wenn sich die Gelegenheit bietet.<br />

An seinem Aussehen erkennt man einen Menschen, am Gesichtsausdruck<br />

erkennt ihn der Weise. <strong>Die</strong> Kleidung eines Mannes, das Lachen seiner<br />

Zähne und der Gang eines Menschen tun kund, was an ihm ist.<br />

325 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

reden und schweigen<br />

20<br />

Manche Zurechtweisung erfolgt nicht rechtzeitig, und mancher<br />

schweigt und der ist klug. Wie ist es doch besser, zur Rede zu stellen, als zu<br />

grollen! Und wer bekennt, bleibt vor Schaden bewahrt.<br />

Wie ein Entmannter, der mit einem Mädchen schlafen will, so ist, wer<br />

mit Gewalt Recht durchzusetzen sucht. Manch einer schweigt und wird für weise<br />

gehalten, und mancher macht sich verhasst wegen seines vielen Redens. Mancher<br />

schweigt, weil er keine Antwort weiß, und mancher schweigt, weil er auf<br />

die rechte Zeit sieht. Der Weise schweigt bis zur rechten Zeit, doch der Tor achtet<br />

nicht auf die Zeit. Wer viele Worte macht, den verabscheut man, und der<br />

Anmaßende ist verhasst. Mancher Erfolg führt zum Unheil, und mancher Gewinn<br />

zum Verlust. Es gibt Geschenke, die kein Gewinn sind, und es gibt Geschenke,<br />

die man doppelt vergütet. Es gibt eine Demütigung um des Ruhmes<br />

willen, und manch einer erhob das Haupt aus der Erniedrigung. Manch einer<br />

kauft viel für wenig Geld und bezahlt es doch siebenfach.<br />

Wenn der Weise redet, so macht er sich beliebt, die Liebenswürdigkeit<br />

der Toren aber ist vergebens. Das Geschenk des Toren nützt dir nichts,<br />

denn er hat statt eines viele Augen. Er gibt wenig und schimpft viel und reißt<br />

seinen Mund auf wie ein Ausrufer. Heute borgt er und morgen fordert er zurück;<br />

widerwärtig ist solch ein Mensch. Der Tor sagt: Mir ist niemand Freund,<br />

und es gibt keinen Dank für meine Wohltaten. <strong>Die</strong> mein Brot essen, haben böse<br />

Zungen. Wie haben ihn viele und oft verlacht! Lieber durch den Erdboden als<br />

durch die Zunge zu Fall kommen; ebenso wird der Sturz der Bösen schnell erfolgen.<br />

Ein unangenehmer Mensch – ein unzeitiges Wort, im Mund des Ungebildeten<br />

findet es sich jederzeit. Ein Spruch aus dem Mund des Toren wird verachtet,<br />

denn er spricht ihn nicht zur rechten Zeit.<br />

Mancher wird durch Armut verhindert, Unrecht zu tun, und in seiner<br />

Ruhe wird er nicht gestört. Mancher richtet sich aus Scham zugrunde, und<br />

weil er sich verstellt, geht er unter. Mancher macht dem Freund Versprechungen<br />

aus Scham und macht ihn sich ohne Grund zum Feind.<br />

Ein böser Schandfleck am Menschen ist die Lüge, und im Mund des<br />

Ungebildeten findet sie sich jederzeit. Besser ein <strong>Die</strong>b als einer, der allzeit lügt;<br />

doch beider Anteil ist der Untergang. Das Betragen eines lügenhaften Menschen<br />

ist ein Gräuel, seine Schande haftet allezeit an ihm.<br />

grösse und gefahr des weisen<br />

Wer weise ist in der Rede, bringt sich voran, und ein kluger Mensch<br />

gefällt den Machthabern. Wer sein Land bebaut, wird seine Garben hoch aufhäufen,<br />

und wer den Großen gefällt, kann Unrecht gutmachen. Geschenke und<br />

Gaben blenden die Augen der Weisen, wie ein Zaumzeug im Maul lenken sie<br />

Sir 0,00–0,00<br />

326


Vorwürfe ab. Verdeckte Weisheit und verborgener Schatz, welchen Nutzen bringen<br />

sie beide? Besser, es versteckt einer seine Torheit, als dass ein Mensch seine<br />

Weisheit verbirgt.<br />

verschiedene sünden<br />

21<br />

Mein Sohn, wenn du gesündigt hast, tu es nicht wieder, und bete wegen<br />

deiner früheren Sünden. Wie vor einer Schlange flieh vor der Sünde, denn<br />

wenn du ihr zu nahe kommst, beißt sie dich. Ihre Zähne sind wie die Zähne<br />

des Löwen, sie rauben dem Menschen das Leben.<br />

Wie ein zweischneidiges Schwert ist jede Ungerechtigkeit, und für<br />

ihren Hieb gibt es keine Heilung. Gewalttat und Hochmut verwüsten den Wohlstand,<br />

so wird das Haus des Übermütigen vernichtet. Das Gebet des Armen<br />

dringt zu seinen Ohren, so wird sein Gericht mit Schnelligkeit kommen. Wer<br />

Ermahnung hasst, geht in des Sünders Spur, doch wer den Herrn fürchtet,<br />

nimmt sie sich zu Herzen. Von weitem erkennt man den Schwätzer und der<br />

Weise merkt es, wenn jener entgleist. Wer sein Haus mit fremdem Geld erbaut,<br />

ist wie einer, der Steine zu seinem Grabhügel zusammenträgt. Ein Bündel Werg<br />

ist die Versammlung der Gottlosen, und ihr Ende ist die Feuerflamme. Der Weg<br />

des Sünders ist mit Steinen geebnet, doch an seinem Ende liegt die Tiefe der<br />

Unterwelt.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

der weise und der tor<br />

Wer das Gesetz befolgt, beherrscht seinen Trieb, und Vollendung der<br />

Gottesfurcht ist Weisheit. Mancher kann nichts lernen, weil er nicht begabt ist,<br />

aber es gibt eine Begabung, die viel Bitterkeit bringt.<br />

<strong>Die</strong> Erkenntnis des Weisen wächst wie eine Flut, und sein Rat ist wie<br />

ein lebendiger Quell. Das Innere des Toren ist wie ein zersprungenes Gefäß,<br />

keinerlei Weisheit hält es in sich fest. Wenn der Einsichtige ein weises Wort<br />

hört, lobt er es und fügt ein weiteres hinzu. Hört es der Leichtfertige, so hat er<br />

daran Missfallen, und er wirft es hinter sich. Das Gespräch mit einem Toren<br />

ist wie eine Last auf der Reise, auf den Lippen des Weisen aber findet man<br />

Wohllaut. Nach dem Mund des Verständigen verlangt man in der Versammlung,<br />

und seine Worte erwägt man im Herzen. Wie ein Haus in Trümmern ist<br />

die Weisheit des Toren, und des Toren Erkenntnis ist unverständliches Gerede.<br />

Wie Ketten an den Füßen ist dem Unvernünftigen die Zucht und wie Handschellen<br />

an der rechten Hand. Der Tor lässt beim Lachen die Stimme laut erschallen,<br />

der kluge Mann lächelt kaum leise. Ein goldener Schmuck ist dem<br />

Weisen die Zucht und wie ein Zierstück am rechten Arm.<br />

327 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Der Fuß des Toren eilt rasch ins Haus, der viel erfahrene Mensch aber<br />

übt Zurückhaltung. Der Tor schaut schon von der Tür her ins Haus hinein, der<br />

wohlerzogene Mensch aber bleibt draußen stehen. Unerzogenheit eines Menschen<br />

ist es, wenn er an der Tür horcht; der Weise aber verschließt sein Ohr<br />

vor dem Unehrenhaften.<br />

<strong>Die</strong> Lippen der Schwätzer wiederholen die Worte der anderen, die<br />

Worte der Weisen jedoch sind auf der Waage abgewogen. Im Mund der Toren<br />

ist ihr Herz, das Herz der Weisen aber ist ihr Mund. Wenn der Gottlose den<br />

Widersacher verflucht, dann verflucht er sich selbst. Der Verleumder beschmutzt<br />

sich selbst, und wo er wohnt, hasst man ihn.<br />

faulheit<br />

22<br />

Einem beschmutzten Stein gleicht der Faule, und jeder ruft Pfui wegen<br />

seiner Ekelhaftigkeit. Einem Kothaufen gleicht der Faule, jeder, der ihn<br />

anrührt, schüttelt die Hand ab.<br />

missratene kinder<br />

Schmachvoll ist es für einen Vater, einen Missratenen gezeugt zu haben,<br />

eine derartige Tochter wird ihm zum Schaden geboren. Eine kluge Tochter<br />

bringt ihrem Mann Besitz ein, eine schändliche aber ist ein Kummer für<br />

den Vater. Dem Vater und dem Gatten bringt eine Freche Schande, darum wird<br />

sie von beiden verachtet.<br />

Wie Musik in der Trauer ist eine Rede zur Unzeit, jedoch Schläge und<br />

Zucht sind allezeit voll Weisheit. [Kindern, die ein gutes Leben führen und denen<br />

nichts mangelt, lassen die niedrige Herkunft ihrer Eltern vergessen. Kinder,<br />

die sich in Verächtlichkeit und Unerzogenheit brüsten, entehren den Adel<br />

ihrer Verwandten.]<br />

weisheit und torheit<br />

Scherben leimt zusammen, wer einen Toren belehrt, oder sucht einen<br />

Schlafenden aus tiefem Schlummer zu wecken. Zu einem Schlummernden<br />

spricht, wer zu einem Toren spricht; denn am Ende fragt dieser: Was ist?<br />

Über einen Toten weine, denn das Lebenslicht erlosch; weine auch<br />

über einen Toren, denn sein Geisteslicht erlosch. Weniger weine über einen<br />

Toten, denn er hat Frieden; aber das schlechte Leben des Toren ist schlimmer<br />

als der Tod. <strong>Die</strong> Trauer um einen Toten währt sieben Tage, die um einen Toren<br />

und Gottlosen alle Tage seines Lebens.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

328


Mit einem Unverständigen sprich nicht viel, und mit einem Schwein<br />

gehe nicht um. Hüte dich vor ihm, dass du keine Scherereien hast und dich<br />

nicht besudelst, wenn es sich schüttelt. Geh ihm aus dem Weg und du wirst<br />

Ruhe haben, und du wirst keinen Verdruss bekommen durch seinen Unverstand.<br />

Was ist schwerer als Blei? Wie könnte es anders heißen als: der Tor? Sand<br />

und Salz und Klumpen von Eisen sind leichter zu tragen als ein unverständiger<br />

Mensch.<br />

Hölzernes Gebälk, zu einem Bauwerk verbunden, löst sich bei keiner<br />

Erschütterung. So steht ein Herz fest bei wohlberatener Überlegung; zu keiner<br />

Zeit verzagt es. Ein Herz, gegründet auf kluger Denkart, ist wie Sandverputz an<br />

glatter Mauer. Steinchen, die obenauf liegen, halten vor dem Wind nicht stand.<br />

So wird auch ein furchtsames Herz mit dem Denken eines Toren vor keinerlei<br />

Schrecken standhalten.<br />

freundschaft<br />

Wer ins Auge stößt, ruft Tränen hervor, wer ins Herz stößt, löst<br />

Schmerzempfindung aus. Wer Steine wirft nach Vögeln, verscheucht sie, und<br />

wer den Freund beschimpft, löst die Freundschaft auf.<br />

Wenn du gegen den Freund das Schwert gezogen hast, verzweifle nicht,<br />

denn es gibt noch einen Rückweg. Hast du gegen den Freund den Mund aufgetan,<br />

sei unbesorgt, denn es gibt noch Versöhnung. Doch bei Beschimpfung,<br />

Verachtung, Verrat von Geheimnissen und verletzender Hinterlist, bei diesen<br />

entflieht jeder Freund. Halt deinem Nächsten die Treue, auch in der Armut,<br />

dass du gleichfalls an seinem Glück teilhaben kannst. Zur Zeit der Not harre<br />

bei ihm aus, damit du auch an seinem Erbe Anteil hast.<br />

Dem Feuer gehen Rauch im Kamin und Qualm voraus, ebenso dem<br />

Blutvergießen Schimpfworte. Den Freund zu schützen, werde ich mich nicht<br />

schämen, und ich werde mich nicht vor ihm verstecken. Sollte mich um seinetwillen<br />

etwas Schlimmes treffen, so wird jeder, der es hört, ihn dann in Ruhe<br />

lassen.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

wachsamkeit<br />

Wer gibt mir vor den Mund eine Wache und auf meine Lippen ein<br />

festes Siegel, dass ich nicht durch sie zu Fall komme, und meine Zunge mich<br />

nicht zugrunde richtet?<br />

23<br />

Herr, Vater und Gebieter meines Lebens, überlass mich nicht ihren<br />

Anschlägen, lass mich nicht durch sie zu Fall kommen.<br />

329 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Wer schwingt die Peitsche über mein Denken und über meinem Herzen<br />

die Zuchtrute der Weisheit, dass sie mich nicht schonen bei den Verfehlungen<br />

und ihnen keine Sünde gestatten, dass meine Unbedachtsamkeiten<br />

nicht zunehmen und meine Sünden sich nicht mehren, dass ich vor meinen<br />

Feinden nicht zu Fall komme und mein Gegner nicht über mich triumphiert?<br />

Herr, Vater und Gott meines Lebens, gib mir nicht Hoffart der Augen,<br />

und die Begierde halte fern von mir. <strong>Die</strong> Begierde des Fleisches und die<br />

Sinnenlust sollen mich nicht erfassen, und einem schamlosen Sinn überlasse<br />

mich nicht.<br />

schwören<br />

<strong>Die</strong> Zucht des Mundes vernehmt, ihr Söhne, und wer sie bewahrt, verfängt<br />

sich nicht. Mit seinen Lippen verstrickt sich der Sünder, der Lästerer und<br />

Überhebliche kommt durch sie zu Fall. Ans Schwören gewöhne nicht deinen<br />

Mund, auch gewöhne dir nicht an, den Namen des Heiligen zu nennen. Denn<br />

wie ein Sklave, der dauernd straffällig wird, von Striemen nicht verschont bleibt,<br />

so ist auch, wer stets schwört und den heiligen Namen missbraucht, von Sünden<br />

nie rein.<br />

Ein Mann, der viel schwört, häuft Schuld auf sich, und die Strafrute<br />

wird von seinem Haus nicht weichen. Wenn er sich verfehlt, liegt Schuld auf<br />

ihm, und wenn er es übersah, sündigt er doppelt. Wenn er falsch schwört, kann<br />

er nicht für gerecht erachtet werden, denn sein Haus erfährt zahlreiche Heimsuchungen.<br />

schmutzige reden<br />

Es gibt ein Reden, das den Tod verdient; möge es sich im Erbe Jakobs<br />

nicht finden. Denn den Frommen liegt dies alles fern, und sie wälzen sich nicht<br />

in Sünden.<br />

An Zuchtlosigkeiten gewöhne nicht deinen Mund, denn es kommt<br />

dabei zu sündhaften Reden. Denke an deinen Vater und deine Mutter, wenn du<br />

inmitten von Großen sitzt. Niemals vergiss dich vor ihnen, und lass dich nicht<br />

etwa durch die Gewohnheit betören, so dass du wünschen müsstest, du wärest<br />

nie geboren, und den Tag deiner Geburt verfluchst. Ein Mensch, der an schmutzige<br />

Reden gewöhnt ist, nimmt zeit seines Lebens keine Zucht mehr an.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

330


unzucht<br />

Zwei Gruppen von Menschen häufen die Sünden, und die Dritte zieht<br />

den Zorn herbei: Leidenschaftliche Begier brennt wie Feuer, und sie erlischt<br />

nicht, bis sie sich verzehrt hat. Der Mensch, der am eigenen Leib Unzucht treibt,<br />

hört nicht auf, bis das Feuer ausgebrannt ist; dem Unzüchtigen ist jedes Brot<br />

süß, und er ermüdet nicht, bis er stirbt. Der Mann, der auf seinem Lager sündigt,<br />

denkt bei sich: Wer sieht mich? Dunkel hüllt mich ein und die Wände verbergen<br />

mich, niemand bemerkt mich; was trage ich Bedenken, zu sündigen?<br />

Der Höchste denkt nicht an meine Sünden. Nur die Augen der Menschen sind<br />

seine Furcht. Er bedenkt nicht, dass die Augen des Herrn zehntausendmal heller<br />

sind als die Sonne. Sie schauen auf alle Wege der Menschen und durchdringen<br />

die verborgensten Winkel. Schon ehe er sie erschaffen, waren alle Dinge<br />

ihm bekannt, so erst recht nach ihrer Vollendung. Jener wird auf den Straßen<br />

der Stadt zur Rechenschaft gezogen, und wo er es nicht vermutet, wird er festgehalten.<br />

Ebenso auch die Frau, die ihren Mann verließ und einen Erben von<br />

einem Fremden zur Welt bringt. Denn erstens war sie dem Gesetz des Höchsten<br />

ungehorsam, und ferner hat sie sich gegen ihren Mann verfehlt. Drittens<br />

hat sie in Unzucht die Ehe gebrochen und von einem fremden Mann Kinder<br />

zur Welt gebracht. Sie wird vor die Gemeinde geführt werden, und auf ihren<br />

Kindern wird die Strafe ruhen. Ihre Kinder werden keine Wurzel fassen, und<br />

ihre Zweige werden keine Früchte bringen. Sie wird ihr Andenken zum Fluch<br />

hinterlassen, und ihre Schande wird nicht ausgetilgt werden. Und die nach ihr<br />

kommen, werden es einsehen, dass nichts besser ist als die Furcht vor dem<br />

Herrn und nichts süßer als die Erfüllung seiner Gebote.<br />

erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />

331 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

der grosse<br />

weisheitshymnus<br />

Sir 0,00–0,00<br />

332


lob der weisheit<br />

24<br />

<strong>Die</strong> Weisheit lobt sich selbst, inmitten ihres Volkes rühmt sie sich. In<br />

der Gemeinde des Höchsten tut sie ihren Mund auf, und rühmt sich vor seinen<br />

Scharen: Ich ging hervor aus dem Mund des Höchsten und bedeckte dem<br />

Nebel gleich die Erde. Ich hatte in der Höhe gewohnt, und mein Thron stand<br />

auf einer Wolkensäule. Den Kreis des Himmels habe ich umschritten, ich allein,<br />

und in den Tiefen des Abgrunds ging ich umher. Über die Fluten des Meeres<br />

und über die ganze Erde, über jedes Volk und jede Nation besaß ich Herrschaft.<br />

Bei ihnen allen suchte ich einen Ort der Ruhe und in wessen Erbteil ich<br />

mich aufhalten könnte. Da erging Befehl an mich vom Schöpfer des Alls, und<br />

der mich erschuf, gab meinem Zelt eine bleibende Stätte. Er sprach: In Jakob<br />

schlag dein Zelt auf, in Israel gewinn einen Erbbesitz. Von der Urzeit her, im<br />

Anfang hat er mich erschaffen, und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. Im heiligen<br />

Zelt tat ich <strong>Die</strong>nst vor ihm, und so wurde ich in Zion eingesetzt. In der<br />

Stadt, die er ebenso liebt wie ich, ließ ich mich nieder, in Jerusalem ist mein<br />

Machtbereich. So fasste ich Wurzel in einem ehrenwerten Volk, im Anteil des<br />

Herrn, in seinem Erbbesitz.<br />

Wie eine Zeder des Libanon wuchs ich empor und wie eine Zypresse<br />

auf dem Hermongebirge. Wie eine Palme in En-Gedi wuchs ich empor und wie<br />

eine Rosenpflanzung in Jericho. Wie ein prächtiger Ölbaum in der Schefela<br />

und wie eine Platane am Wasser wuchs ich empor. Wie Zimt duftete ich und<br />

wie fein riechendes Gewürzroh, wie erlesene Myrrhe strömte ich Wohlgeruch<br />

aus, wie Galbanum, Onyx und Stakte und wie Weihrauchwolken im heiligen<br />

Zelt. Ich breitete meine Äste aus wie eine Terebinthe, meine Zweige voll Schönheit<br />

und Anmut. Ich trieb wie ein Weinstock liebliche Sprossen, und meine<br />

Blüten wurden zu prächtiger und reicher Frucht. [Ich bin die Mutter der schönen<br />

Liebe und der Furcht, der Erkenntnis und der heiligen Hoffnung. Allen<br />

meinen Kindern werde ich gegeben als ewige, jenen, die von ihm bestimmt<br />

sind.] Kommt her zu mir, die ihr mich begehrt, sättigt euch an meinen Früchten.<br />

Denn an mich zu denken ist süßer als Honig, und mich zu besitzen ist besser<br />

als Wabenhonig. Wer mich genießt, den hungert noch, und wer mich trinkt,<br />

den dürstet noch. Wer auf mich hört, wird nicht zuschanden, und wer sich um<br />

mich abmüht, wird nicht sündigen.<br />

die weisheit und das gesetz<br />

<strong>Die</strong>s alles gilt vom Buch des Bundes des höchsten Gottes, vom Gesetz,<br />

das Mose uns anbefahl, als Erbe für die Gemeinden Jakobs. [Hört nicht<br />

auf, stark zu sein im Herrn; haltet euch fest an ihm, damit er euch stärkt. Der<br />

allmächtige Herr ist der einzige Gott, und es gibt keinen Erlöser außer ihm.]<br />

Das Gesetz bietet die Weisheit in Fülle wie der Pischon, wie der Tigris in den<br />

333 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Tagen der Erstlingsfrüchte. Es lässt die Einsicht anwachsen, wie der Eufrat anschwillt,<br />

wie der Jordan in den Tagen der Ernte. Es strömt von Bildung über<br />

wie der Nil, wie der Gihon in den Tagen der Weinlese. Nicht kam zu Ende, wer<br />

als Erster es zu erkennen versuchte, und ebenso wenig ergründet es auch der<br />

Letzte. Übervoll wie das Meer ist sein Sinn, und sein Rat tiefer als der große<br />

Abgrund. Ich selbst war wie ein Wassergraben aus einem Fluss, wie ein Kanal,<br />

der hinabfließt zum Garten. Ich sprach: Ich will meinen Garten tränken, meine<br />

Beete will ich bewässern. Doch mein Graben wurde zum Fluss, und mein<br />

Fluss wurde zum Meer.<br />

So will ich auch weiterhin meine Lehre leuchten lassen wie die Morgenröte<br />

und will sie strahlen lassen bis in die Fernen. Noch weiter will ich Belehrung<br />

ausschütten wie Prophetenworte und sie den fernsten Geschlechtern<br />

hinterlassen. Seht, so habe ich mich nicht allein für mich gemüht, sondern für<br />

alle, die nach ihr suchen.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

334


erziehung zur<br />

weisheit<br />

und zu sozialen<br />

tugenden<br />

335 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

sprichwörter<br />

25<br />

An drei Dingen hat mein Herz Wohlgefallen, und sie sind angenehm<br />

vor Gott und den Menschen: Eintracht unter Brüdern und Liebe zwischen<br />

Freunden, und Mann und Frau, die sich gegenseitig verstehen.<br />

Drei Gruppen von Menschen sind mir verhasst, und ich verabscheue<br />

ihre Lebensweise: den überheblichen Armen, den heuchlerischen Reichen und<br />

den ehebrecherischen Greis ohne Vernunft.<br />

alte<br />

Hast du in der Jugend nicht gesammelt, wie kannst du etwas vorfinden<br />

in deinem Alter? Wie gut steht den Grauköpfen ein gutes Urteil an und<br />

den Alten, guten Rat zu wissen! Wie gut steht den Alten die Weisheit an und<br />

den Ehrwürdigen Überlegung und Planung! Der Ehrenkranz der Alten ist die<br />

reiche Erfahrung, und ihr Ruhm ist die Furcht vor dem Herrn.<br />

zahlenspruch<br />

Neun, die ich im Sinne habe, preise ich, und das Zehnte liegt mir<br />

schon auf der Zunge: ein Mann, der Freude erlebt an seinen Kindern, und wer<br />

bei Lebzeiten seine Feinde stürzen sieht.<br />

Glücklich der Gatte einer vernünftigen Frau, und wer nicht mit Ochs<br />

und Esel zusammen pflügen muss. Glücklich, wer mit seiner Zunge nicht zu<br />

Fall kommt und niemandem dienen muss, der seiner unwürdig ist. Glücklich,<br />

wer die Klugheit fand und wer sprechen darf zu Ohren, die hören. Wie groß ist<br />

einer, der Weisheit fand! Aber keiner ist über dem, der den Herrn fürchtet.<br />

<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn überragt alles; wer an ihr festhält, mit wem<br />

ist er zu vergleichen? [<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn ist der Anfang der Liebe zu<br />

ihm, der Glaube aber der Anfang der Gemeinschaft mit ihm.]<br />

frauen<br />

Jede Wunde, nur keine Herzenswunde, und jede Bosheit, nur keine<br />

Frauenbosheit! Jede Heimsuchung, nur keine durch Hass, und jede Rache, nur<br />

keine von Feinden! Kein Gift ist schlimmer als Schlangengift, und keine Wut<br />

ist schlimmer als die Wut eines Feindes. Lieber mit Löwen und Drachen zusammenhausen<br />

als zusammenwohnen mit einer bösen Frau.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

336


<strong>Die</strong> Bosheit der Frau macht ihr Aussehen finster und verdunkelt ihr<br />

Antlitz wie das einer Bärin. Da sitzt im Kreis der Freunde ihr Mann, und unwillkürlich<br />

seufzt er. Kaum ein Unheil gleicht dem Unheil von einer Frau, das<br />

Los des Sünders möge sie treffen. Was ein sandiger Aufstieg für die Füße des<br />

Greises, das ist eine zungenfertige Frau für einen stillen Mann.<br />

Komm nicht zu Fall durch Frauenschönheit, trage kein Verlangen<br />

nach ihr. Denn Zorn und Schande und Schmach gibt es, wenn eine Frau ihren<br />

Mann ernähren soll. Bedrückter Sinn und betrübtes Gesicht und eine Wunde<br />

im Herzen ist eine böse Frau. Schlaffe Hände und wankende Knie erzeugt eine<br />

Frau, die ihren Mann nicht glücklich macht.<br />

Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, und ihretwegen müssen<br />

wir alle sterben. Gib dem Wasser keinen Ausfluss und einer bösen Frau keine<br />

Gelegenheit zu reden. Wenn sie nicht Hand in Hand mit dir geht, so trenne<br />

sie ab von deinem Leib.<br />

26<br />

Eine gute Frau – ein glücklicher Mann, die Zahl seiner Tage verdoppelt<br />

sich. Eine tüchtige Frau ist die Freude ihres Mannes, so vollendet er seine<br />

Tage in Frieden. Eine gute Frau ist ein guter Anteil; denen, die Gott fürchten,<br />

wird sie zugewiesen. Ob reich oder arm, das Herz ist guter Dinge, zu jeder<br />

Zeit ist das Angesicht heiter.<br />

Vor drei Dingen bangt mir das Herz, und vor dem Vierten fürchte ich<br />

mich: Nachrede in der Stadt, Volksauflauf und Verleumdung; alles ist schlimmer<br />

als der Tod. Herzeleid und Kummer gibt es, wenn eine Frau auf eine andere<br />

eifersüchtig ist, und eine Geißel der Zunge sind sie alle vier zusammen.<br />

Ein scheuerndes Ochsenjoch ist eine böse Frau; wer sie anrührt, dem ist, als<br />

hätte er einen Skorpion angefasst. Ein großer Verdruss ist eine Frau, die trinkt;<br />

sie kann ihre Schande nicht verbergen. <strong>Die</strong> lüsterne Frau wird an ihrem Augenaufschlag<br />

und an ihren Wimpern erkannt. Gegen eine schamlose Tochter<br />

verstärke die Wachsamkeit, damit sie nicht einen unbedachten Augenblick findet<br />

und für sich ausnützt. Vor einer Frau mit frechem Blick sei auf der Hut,<br />

und wundere dich nicht, wenn sie dich hintergeht. Wie ein durstiger Wanderer<br />

den Mund auftut und von jedem Wasser trinkt, das er findet, so lässt sie<br />

sich vor jedem Pfahl nieder und öffnet den Köcher vor dem Pfeil.<br />

<strong>Die</strong> Anmut der Frau entzückt den Mann, und ihre Klugheit erfrischt<br />

seine Glieder. Eine Gabe des Herrn ist eine verschwiegene Frau, und keinen<br />

Kaufpreis gibt es für eine, die wohlerzogen ist. Anmut über Anmut ist eine<br />

schamhafte Frau; und keinen Gegenwert gibt es für eine, die sich selbst beherrscht.<br />

Wie die Sonne aufstrahlt in den Höhen des Herrn, so die Schönheit<br />

der guten Frau als Zier ihres Hauses. Wie die Lampe auf dem heiligen Leuchter<br />

erstrahlt, so ein schönes Antlitz auf edler Gestalt. Wie goldene Säulen auf<br />

silberner Basis sind ebenmäßige Beine auf schlanken Fesseln. [Mein Sohn, bewahre<br />

die Blüte deiner Jugend gesund, und gib deine Kraft nicht Fremden hin.<br />

Hast du dir auf dem ganzen Feld einen fruchtbaren Acker gesucht, so säe ge-<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

337 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

trost deine Saat im Vertrauen auf den Adel deines Geschlechts. Dann werden<br />

deine Kinder dich umgeben, und sie werden groß werden im Vertrauen auf<br />

ihre edle Herkunft.<br />

Eine käufliche Frau ist dem Auswurf gleichzuachten, eine Verheiratete<br />

aber hat für ihre Liebhaber als Turm des Todes zu gelten. Eine gottlose<br />

Frau wird dem Frevler zum Anteil gegeben, eine Fromme aber bekommt, wer<br />

den Herrn fürchtet. Eine schamlose Frau wird sich aus der Schande nichts machen,<br />

eine Schamhafte hat selbst vor ihrem Mann Scham. Eine schamlose Frau<br />

wird wie ein Hund geachtet, die Schamhafte aber fürchtet den Herrn. Eine Frau,<br />

die ihren Mann ehrt, gilt allen als weise; die ihn aber verachtet, wird von allen<br />

als gottlos in ihrem Hochmut erkannt.<br />

Eine gute Frau – ein glücklicher Mann, die Zahl seiner Tage verdoppelt<br />

sich. Eine keifende und zungenfertige Frau gleicht einer Kriegstrompete,<br />

die zum Angriff bläst; jeder Mann in solchen Verhältnissen verbringt sein Leben<br />

in Kriegsunruhen.]<br />

verschiedene warnungen<br />

Über zwei Dinge ist mein Herz betrübt, und wegen des dritten überkommt<br />

mich der Zorn: ein tüchtiger Mann, der Mangel leidet, weil ihm das<br />

Nötigste fehlt, und verständige Männer, die verkannt werden; einer, der sich<br />

von der Gerechtigkeit weg zur Sünde wendet – der Herr hat ihn bestimmt fürs<br />

Schwert. Schwerlich bleibt ein Kaufmann frei von Schuld, ein Geschäftsmann<br />

wird von Sünde nicht rein bleiben.<br />

27<br />

Des Geldes wegen haben schon viele gesündigt, und wer reich zu werden<br />

sucht, schaut nicht so genau hin. Zwischen Steinfugen lässt sich ein Pflock<br />

hineintreiben; so drängt sich zwischen Verkauf und Kauf die Sünde ein. Wer<br />

nicht mit Eifer an der Furcht des Herrn festhält, dem wird bald das Haus zerstört<br />

sein. Beim Schütteln des Siebes bleibt der Kehricht zurück, ebenso zeigt<br />

sich der Unrat eines Menschen, wenn man über ihn nachdenkt. Was das Töpfergeschirr<br />

taugt, richtet sich nach der Brennhitze im Ofen, ebenso beurteilt<br />

man einen Menschen nach seiner Rede. <strong>Die</strong> Pflege, die man für einen Baum<br />

aufwandte, erweist seine Frucht; eine Untersuchung erweist, wie ein Mensch<br />

gesinnt ist. Bevor du ihn beurteilt hast, lobe keinen Menschen, denn so vollzieht<br />

sich die Prüfung der Menschen.<br />

Wenn du nach Gerechtigkeit strebst, wirst du sie erlangen und wirst<br />

sie wie ein Prachtgewand anlegen. Vögel lassen sich nur bei ihresgleichen nieder,<br />

so kommt die Treue zu denen, die sie üben. Der Löwe lauert auf Beute; so<br />

auch die Sünde auf jene, die Unrecht tun.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

338


<strong>Die</strong> Rede des Frommen ist allezeit Weisheit, der Tor aber wechselt<br />

wie der Mond. Bist du mit Toren zusammen, so achte auf die Zeit, im Kreis der<br />

Weisen dagegen verweile. Das Geschwätz der Toren ist ein Gräuel, und ihr Lachen<br />

ist voll sündhafter Freude. Beim Gerede dessen, der viel schwört, sträuben<br />

sich die Haare, und hat er Streit, verstopft man sich die Ohren. Der Streit<br />

der Übermütigen führt zu Blutvergießen, ihr Gezänk anzuhören, ist grässlich.<br />

geheimnisverrat und falschheit<br />

Wer Geheimnisse verrät, verliert das Vertrauen, und er findet keinen<br />

Freund, der zu ihm steht. Liebe den Freund und bleibe ihm treu; doch hast du<br />

seine Geheimnisse verraten, besuch ihn ja nicht mehr. Denn wie einer, der seinen<br />

Feind zugrunde richtet, so hast du die Freundschaft deines Gefährten zugrunde<br />

gerichtet. Als ob du einen Vogel aus der Hand fortgelassen hättest, so<br />

hast du deinen Freund preisgegeben und wirst ihn nicht wiedererlangen. Folge<br />

ihm nicht, denn er hat sich weit entfernt, er floh wie eine Gazelle aus der<br />

Schlinge. Eine Wunde nämlich ist zu verbinden und ein Streit zu schlichten,<br />

doch wer Geheimnisse verrät, hat keine Hoffnung.<br />

Wer mit dem Auge zwinkert, plant Böses, keiner kann ihn davon abbringen.<br />

Vor deinen Augen macht er süße Worte und bewundert, was du<br />

sprichst. Nachher aber dreht er seine Worte um und macht aus deinen Reden<br />

ein Ärgernis. Vieles ist mir verhasst, aber nichts so wie er; auch der Herr wird<br />

ihn hassen. Wer einen Stein hochwirft, trifft sich selbst auf den Kopf, und wer<br />

hinterhältig schlägt, verwundet sich selbst. Wer eine Grube gräbt, fällt in sie<br />

hinein, und wer eine Falle stellt, fängt sich in ihr. Wer Böses tut, auf den rollt<br />

es zu, und er weiß nicht, woher es kommt. Spott und Schimpf dem Übermütigen,<br />

die Strafe lauert auf ihn wie ein Löwe. In der Falle fangen sich, die sich<br />

freuen über den Sturz der Gerechten, und der Schmerz verzehrt sie schon vor<br />

ihrem Tod.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

rachsucht<br />

Groll und Zorn sind gleichfalls abscheulich,<br />

und nur der Sünder hält daran fest.<br />

28<br />

Wer Rache übt, erfährt selbst Rache vom Herrn, er wird ihm seine<br />

Sünden sicher anrechnen. Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden<br />

dir auf dein Gebet hin auch deine Sünden erlassen.<br />

339 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Einer hält gegen den anderen am Zorn fest, und doch will er beim<br />

Herrn Heilung suchen? Mit seinesgleichen hat er kein Erbarmen und bittet<br />

doch wegen seiner eigenen Sünden? Er selbst ist nur Fleisch und hält am Groll<br />

fest, wer wird da seine Sünden vergeben?<br />

Denke an die letzten Dinge und beende die Feindschaft, an Untergang<br />

und Tod, und verharre bei den Geboten. Denke an die Gebote, grolle dem<br />

Nächsten nicht, an den Bund mit dem Höchsten, und vergib die Schuld.<br />

streit<br />

Halt dich vom Streit fern und du verringerst die Zahl der Sünden;<br />

denn ein jähzorniger Mensch entfacht den Streit. Ein sündhafter Mensch<br />

bringt Freunde durcheinander, und unter Friedfertige schleudert er Hass. Je<br />

nach dem Brennstoff flammt das Feuer auf, je nach der Heftigkeit vergrößert<br />

sich der Streit. Je nach der Macht des Menschen ist seine Wut, und je nach dem<br />

Reichtum steigert er seinen Zorn. Ein plötzlicher Streit entfacht das Feuer, und<br />

ein jäher Zank bringt Blutvergießen. Bläst du in den Funken, so flammt er auf,<br />

spuckst du ihn an, so erlischt er; und beides kommt aus deinem Mund.<br />

verleumdung<br />

Den Verleumder und Doppelzüngigen verfluche; denn viele, die friedlich<br />

lebten, haben sie zugrunde gerichtet. <strong>Die</strong> Verleumdung hat schon viele<br />

zum Wanken gebracht und sie von Volk zu Volk getrieben. Auch hat sie feste<br />

Städte zerstört und selbst Häuser von Großen gestürzt. <strong>Die</strong> Verleumdung hat<br />

schon tüchtige Frauen verstoßen und um den Ertrag ihrer Arbeit gebracht. Wer<br />

auf sie achtet, findet keine Ruhe und kann nicht in Frieden wohnen. Der Schlag<br />

mit der Peitsche bewirkt eine Strieme, der Schlag mit der Zunge aber zerbricht<br />

Knochen. Viele schon fielen durch die Schärfe des Schwertes, doch nicht so<br />

viele, wie durch die Zunge gefallen sind. Glücklich, wer vor ihr geborgen ist<br />

und nicht ihrer Wut verfiel, wer nicht ihr Joch ziehen muss und mit ihren Stricken<br />

nicht gebunden ist. Denn ihr Joch ist ein eisernes Joch, und ihre Stricke<br />

sind eherne Stricke. Ein schlimmer Tod ist der Tod durch sie, und besser als<br />

sie ist die Unterwelt. Über Fromme hat sie keine Macht, und sie werden in ihrer<br />

Flamme nicht versengt. <strong>Die</strong> den Herrn verlassen, fallen ihr anheim, und<br />

sie flammt an ihnen auf, ohne zu erlöschen. Sie wird auf sie losgelassen wie<br />

ein Löwe und zerreißt sie wie ein Panther. Siehe, du zäunst deinen Besitz mit<br />

Dornen ein, dein Silber und Gold verwahrst du; bestimme Waage auch und Gewicht<br />

für dein Wort, Türen und Riegel mach auch für deinen Mund. Achte, dass<br />

du durch sie nicht strauchelst, und nicht fällst vor einem, der darauf lauert.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

340


orgen<br />

29<br />

Wer rechte Liebe übt, leiht dem Nächsten, und wer ihm die Hand entgegenstreckt,<br />

hält die Gebote. Borg dem Nächsten zur Zeit seiner Not, doch<br />

zahl auch dem Nächsten zurück zur rechten Zeit. Halte Wort und zeige dich<br />

ihm als zuverlässig, so wirst du allzeit erhalten, wessen du bedarfst.<br />

Viele halten das Geborgte für einen guten Fund, dann aber bereiten<br />

sie ihren Helfern Verdruss. Bis er es bekommt, küsst er ihm die Hand, und um<br />

des Geldes des andern willen redet er demütig. Doch zur Zeit der Rückzahlung<br />

hält er ihn hin, zahlt mit Klagereden und entschuldigt sich mit der Zeit. Kann<br />

er dann zahlen, so erhält der Bürge kaum die Hälfte zurück, und betrachtet es<br />

wie einen Fund. Kann er aber nicht, so ist er um sein Geld gebracht und hat<br />

unverdient einen Feind mehr. Mit Flüchen und Schimpfworten zahlt er ihm<br />

heim, und statt mit Ehre vergilt er ihm mit Schmach. Viele weigern sich zu entleihen,<br />

nicht aus Bosheit, sondern weil sie sich fürchten vor nutzlosem Streit.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

almosen<br />

Dennoch hab Geduld mit einem Leidgebeugten, und laß ihn nicht<br />

auf das Almosen warten. Um des Gebotes willen nimm dich des Armen an, und<br />

entsprechend seiner Not lass ihn nicht leer von dir gehen. Setze das Geld ein<br />

für den Bruder und Freund, und lass es nicht bis zum Verderben rosten unter<br />

dem Stein. Lege dir einen Schatz nach den Geboten des Höchsten an, und er<br />

wird dir mehr nützen als Gold. Verschließe Wohltaten in deiner Schatzkammer,<br />

und sie werden dich aus allem Unglück retten. Besser als ein starker Schild<br />

und eine schwere Lanze werden sie für dich gegen den Feind streiten.<br />

bürgen<br />

Der gute Mensch bürgt für seinen Nächsten, nur wer die Scham verloren<br />

hat, lässt ihn im Stich. <strong>Die</strong> Gefälligkeiten des Bürgen vergiss nicht, er<br />

gab sich selbst für dich hin. Der Bösewicht richtet die Güter des Bürgen zugrunde,<br />

und der undankbar Gesinnte lässt seinen Retter im Stich.<br />

Bürgschaft hat schon viele ruiniert, denen es gut ging, und hat sie<br />

wie eine Meereswoge umgeworfen. Reiche Männer hat sie heimatlos gemacht,<br />

und sie irrten bei fremden Völkern umher.<br />

Der Sünder leistet eilig Bürgschaft, wer dem Gewinn nachjagt, wird<br />

der Strafe verfallen. Nimm dich des Nächsten an nach deinen Kräften, doch<br />

hab Acht auf dich, dass du nicht hereinfällst.<br />

341 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

gastfreundschaft<br />

<strong>Die</strong> Hauptsache zum Leben sind Wasser und Brot, und Kleidung und<br />

Wohnung, um sich zu schützen. Besser das Leben des Armen unter schirmendem<br />

Dach als köstliche Leckerbissen in der Fremde. Ob wenig oder viel, sei<br />

zufrieden, dann hörst du keinen Vorwurf in der Fremde.<br />

Schlimm ist ein Leben von Haus zu Haus, denn wo du als Fremder<br />

lebst, darfst du den Mund nicht auftun. Ein Fremder bist du und Schmach<br />

musst du schlucken und noch bittere Worte hören: Auf, Fremder, deck den<br />

Tisch, und wenn du etwas hast, gib mir zu essen! Fort, Fremder, ich habe eine<br />

Ehrenpflicht, der Bruder ist als Gast gekommen, ich brauche das Haus. Hart<br />

ist für einen verständigen Menschen das Schelten des Hausherrn und das<br />

Schimpfen des Gläubigers.<br />

kindererziehung<br />

30<br />

Wer seinen Sohn liebt, hält stets den Stock für ihn bereit, damit er<br />

später Freude an ihm erleben kann. Wer seinen Sohn züchtigt, wird Freude an<br />

ihm haben, bei seinen Bekannten wird er seinetwegen gerühmt werden. Wer<br />

seinen Sohn unterweist, wird den Feind neidisch machen, vor seinen Freunden<br />

aber kann er auf ihn stolz sein. Stirbt sein Vater, so ist es, als wäre er nicht<br />

tot, denn er hat sich ein Abbild zurückgelassen. Zu Lebzeiten kann er sich freuen,<br />

sooft er ihn sieht, und bei seinem Hinscheiden ist er ohne Besorgnis. Den<br />

Feinden gegenüber hinterlässt er einen Rächer, den Freunden aber einen, der<br />

ihnen die Liebe vergilt.<br />

Wer den Sohn verzärtelt, wird sich selbst Wunden verbinden müssen,<br />

und bei jedem Schrei zittert sein Herz. Ein ungebändigtes Pferd nimmt wild<br />

Reißaus, und ein Sohn, der sich selbst überlassen ist, wird ungezogen. Verzärtele<br />

deinen Sohn und er wird dich in Schrecken setzen, scherze mit ihm und<br />

er wird dich betrüben. Lache nicht mit ihm, dass er dir nicht Verdruss macht<br />

und dir schließlich die Zähne stumpf werden. Lass ihn nicht eigenmächtig werden<br />

in seiner Jugend und dulde keine Bosheiten von ihm.<br />

Beuge ihm den Kopf, solange er jung ist, und schlag ihn aufs Gesäß,<br />

solange er klein ist, damit er nicht verrohe und gegen dich widerspenstig wird<br />

und dir dann durch ihn Herzeleid entsteht. Züchtige deinen Sohn und erzieh<br />

ihn gut, damit er sich in seiner Torheit nicht gegen dich erhebt.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

342


gesundheit<br />

Besser arm, aber gesunde Glieder, als reich und mit einem kranken<br />

Leib geschlagen. Ein Leben in Gesundheit liebe ich mehr als Gold und einen<br />

gesunden Leib mehr als Perlen. Kein Reichtum geht über den Reichtum gesunder<br />

Glieder, und kein Gut geht über ein frohes Herz.<br />

Besser sterben als ein trauriges Leben, und besser die ewige Ruhe als<br />

beständiges Leid. Leckerbissen, dargeboten einem verschlossenen Mund, gleichen<br />

einer Opferspeise, auf ein Grab gestellt. Was nützt diese den Götzenbildern,<br />

die weder essen noch riechen können? So steht es mit dem, den der Herr<br />

verfolgt. Mit seinen Augen sieht er und seufzt, wie ein Entmannter ist er, der<br />

ein Mädchen umarmt und seufzt.<br />

freude<br />

Gib dich nicht der Sorge hin und komm nicht zu Fall durch dein Grübeln.<br />

Freude des Herzens ist für den Menschen Leben, und Frohsinn verlängert<br />

seine Tage. Rede dir selber gut zu, beruhige dein Herz und halte den Ärger<br />

dir fern. Denn viele tötet die Sorge, und ohne Nutzen ist der Kummer. Neid<br />

und Verdruss verkürzen das Leben, und die Sorge lässt vor der Zeit altern. Dem<br />

freigiebigen Herzen schmeckt es bei Tisch, und sein Essen bekommt ihm.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

reichtum<br />

31<br />

Schlaflosigkeit wegen des Reichtums lässt das Fleisch schwinden,<br />

und die Sorge um ihn verscheucht den Schlaf. <strong>Die</strong> Sorge um den Unterhalt<br />

vertreibt den Schlummer, und schwere Krankheit verjagt den Schlaf. Der Reiche<br />

quält sich, ein Vermögen zu sammeln, und wenn er ruht, greift er nach<br />

Lust. Der Arme plagt sich, weil er des Vermögens entbehrt, und wenn er ruht,<br />

muss er hungern. Wer das Gold liebt, bleibt nicht ohne Schuld, und wer dem<br />

Geld nachjagt, wird darum betrogen. Viele sind Opfer des Goldes geworden,<br />

und plötzlich stand ihr Verderben vor ihnen. Eine Falle ist es für die, die ihm<br />

opfern, und jeder Unverständige fängt sich darin. Glücklich der Reiche, der<br />

schuldlos befunden und nicht hinter dem Geld herläuft. Wo ist ein solcher,<br />

dass wir ihn preisen können? Denn Wunderbares vollbrachte er in seinem Volk.<br />

Wer ist es, der versucht wurde und unversehrt blieb? Es soll ihm das zum Ruhm<br />

gereichen. Wer konnte sich verfehlen und verfehlte sich nicht, konnte Böses<br />

tun und tat es nicht? Darum steht sein Glück gefestigt, und Wohltaten verkündet<br />

die Gemeinde.<br />

343 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

tischsitten. völlerei<br />

Wenn du an der Tafel eines Großen sitzt, dann reiß dabei den Mund<br />

nicht auf. Sprich nicht: Überreichlich ist aufgetragen. Sei eingedenk, wie hässlich<br />

ein gieriges Auge ist. Ist etwas Schlimmeres als das Auge erschaffen? Darum<br />

muss es auch bei jeder Gelegenheit weinen. Dorthin, wohin dein Gastgeber<br />

blickt, streck deine Hand nicht aus, damit du mit ihm nicht zusammentriffst<br />

in der Schüssel.<br />

Schätze deinen Nächsten nach dir selbst ein, und sei besonnen in allem.<br />

Iss wie ein wohlerzogener Mensch, was man dir vorsetzt, und schlürfe<br />

nicht, dass man dich nicht verachtet. Hab den Anstand, als Erster aufzuhören,<br />

und sei kein Vielfraß, dass du nicht unangenehm auffällst. Und wenn du unter<br />

vielen sitzt, so greife deinem Nachbarn nicht vor. Genügt nicht auch wenig<br />

für einen verständigen Menschen? Dann ist sein Atem auch ruhig auf seinem<br />

Lager. Gesunden Schlaf hat, der den Magen nicht überlädt; wacht er dann am<br />

Morgen auf, so ist er gleich bei sich.Schlaflosigkeit, Erbrechen und Leibschmerzen<br />

bekommt ein unmäßiger Mensch. Wurdest du aber dennoch von den Leckerbissen<br />

verführt, steh auf, spei sie aus und es wird dir leichter werden. Höre,<br />

mein Sohn, und missachte mich nicht, so wirst du schließlich meine Worte<br />

verstehen. Bei all deinem Tun sei beherrscht, so wird dich keine Krankheit treffen.<br />

Man rühmt hoch einen freigebigen Gastgeber, und das Zeugnis für<br />

seine Freigebigkeit währt immer. Aber über einen schlechten Gastgeber redet<br />

man schlecht in der Stadt, zu Recht sieht man darin ein Zeugnis für seinen<br />

Geiz.<br />

wein<br />

Beim Wein spiel nicht den starken Mann, denn schon viele hat der<br />

Rebensaft zu Fall gebracht. Wie der Ofen die Härte des Eisens prüft, so ist der<br />

Wein eine Erprobung für Leichtsinnige. Wie Lebenswasser ist der Wein dem<br />

Menschen, wenn er ihn mit Maß genießt. Was hat der für ein Leben, der den<br />

Wein entbehrt! <strong>Die</strong>ser ist ja von Anfang an zur Freude der Menschen geschaffen.<br />

Frohsinn und Herzensfreude ist der Wein, zur rechten Zeit und mit Bedacht<br />

getrunken. Bitterkeit der Seele ist der Wein, im Übermaß in Erregung<br />

und Zorn getrunken. Zu viel Wein steigert den Zorn des Toren zu seinem Fall,<br />

er schwächt die Kraft und schlägt viele Wunden.<br />

Beim Weingelage tadle nicht deinen Freund, und verachte ihn nicht<br />

in seiner Heiterkeit. Sprich kein Schmähwort zu ihm und dränge ihn nicht mit<br />

einer Geldforderung.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

344


gastmähler<br />

32<br />

Hat man dir den Vorsitz übertragen, so überheb dich nicht und sei<br />

unter ihnen wie einer ihresgleichen. Sorg erst für sie, dann lass auch du dich<br />

nieder. Hast du all deine Pflichten erfüllt, dann setze dich. So wirst du dich<br />

mit ihnen erfreuen können und wirst der guten Ordnung wegen den Kranz erhalten.<br />

Ergreife das Wort, Alter, es geziemt dir, doch halt dich zurück mit Belehrung<br />

und stör den Gesang nicht. Während des Singens, wer wird da Gespräche<br />

führen, wer zur Unzeit sein Wissen anbringen? Ein Rubin in goldenem<br />

Geschmeide, so ist eine gesungene Weise beim Weingelage. Ein Siegel von Smaragd<br />

in goldener Einfassung, das ist der Klang der Lieder bei köstlichem Wein.<br />

Ergreife das Wort, du Junger, nur, wenn du musst und man dich dringend<br />

zwei- oder dreimal ersucht. Fasse zusammen und mache es recht kurz,<br />

und sei einer, der weiß und doch schweigen kann. Im Kreis der Vornehmen<br />

überheb dich nicht, und den Älteren werde nicht lästig mit Wortgefechten. Vor<br />

dem Donner leuchtet der Blitzstrahl, vor dem Bescheidenen leuchtet die Gunst.<br />

Zur festgesetzten Zeit verweile nicht länger, geh nach Haus und sei<br />

nicht ausgelassen. Dort sei lustig und überlass dich der Laune, aber sündige<br />

nicht durch ein stolzes Wort. Auch preise deinen Schöpfer für all dies, der dich<br />

so reichlich gelabt hat mit seinen Gütern.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

gottesfurcht und vertrauen auf das gesetz<br />

Wer den Herrn fürchtet, empfängt Unterweisung, und wer sich an<br />

ihn wendet, findet Wohlgefallen. Wer das Gesetz erforscht, wird von ihm erfüllt,<br />

wer aber heuchelt, verfängt sich in ihm. Wer den Herrn fürchtet, erkennt,<br />

was recht ist und lässt seine gerechten Aussprüche leuchten wie ein Licht. Der<br />

Sünder nimmt die Zurechtweisung nicht an und findet Ausflüchte, wie er sie<br />

braucht. Der weise Mann verschleiert das Erkannte nicht, der überhebliche<br />

Gottlose kennt das Gesetz nicht.<br />

Unternimm nichts ohne Überlegung, dann brauchst du nach deiner<br />

Tat nichts zu bereuen. Geh nicht auf einem holprigen Weg, und strauchle nicht<br />

auf steinigem Boden. Sei nicht vertrauensselig auf dem glatten Weg und nimm<br />

dich vor deinen Kindern in Acht. Bei all deinen Werken achte auf dich selbst,<br />

denn so beachtest du das Gesetz. Wer auf das Gesetz vertraut, hält seine Gebote,<br />

und wer auf den Herrn vertraut, wird nicht zuschanden.<br />

33<br />

Wer den Herrn fürchtet, den trifft kein Unheil; sollte er in Versuchung<br />

fallen, hilft er ihm wieder heraus. Nicht weise ist, wer das Gesetz hasst,<br />

und wer ihm gegenüber heuchelt, schwankt wie ein Schiff im Sturm.<br />

345 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Ein verständiger Mann vertraut auf das Gesetz, und das Gesetz ist<br />

ihm verlässlich wie das Orakel. Bereite deine Rede vor, dann hört man dich<br />

gern, fasse die Lehrweisheit zusammen und dann antworte. Wie ein Wagenrad<br />

ist das Innere des Toren, wie eine sich drehende Rolle ist sein Denken. Wie ein<br />

geiles Pferd, so ist ein spottender Freund, unter jedem Reiter wiehert es.<br />

ungleichheit unter den geschöpfen<br />

Warum ragt ein Tag über den anderen empor, wo doch alles Licht des<br />

Jahres von der Sonne kommt? Durch die Weisheit des Herrn sind sie gesondert,<br />

und er hat die Zeiten und Feste geschieden. Einige hat er erhöht und geheiligt<br />

und einige unter die gewöhnlichen Tage eingereiht. <strong>Die</strong> Menschen sind<br />

alle aus Lehm geformt, aus der Erde ist Adam erschaffen worden.<br />

Doch in Weisheit hat Gott auch sie geschieden und hat ihre Wege<br />

mannigfaltig gemacht. Auch von ihnen hat er einige gesegnet und erhöht, einige<br />

von ihnen hat er geheiligt und ließ sie sich nahen. Einige hat er verflucht<br />

und erniedrigt und vertrieb sie von ihrer Stelle. Wie der Ton des Töpfers in seiner<br />

Hand, geformt nach seinem Belieben, so ist der Mensch in der Hand seines<br />

Schöpfers, ihm weist er (sein Geschick) zu nach seiner Entscheidung.<br />

Dem Bösen gegenüber steht das Gute, dem Tod gegenüber das Leben,<br />

und dem Gerechten gegenüber der Sünder. Und schaust du auf alle Werke des<br />

Höchsten: paarweise sind sie geschaffen, eines entsprechend dem anderen. So<br />

habe auch ich mich schließlich rastlos gemüht wie einer, der Nachlese hält<br />

hinter den Winzern. Mit Gottes Segen aber kam ich voran, und wie ein Winzer<br />

füllte ich die Kelter. Seht, ich habe mich nicht für mich allein gemüht, sondern<br />

für alle, die nach Bildung trachten. So hört auf mich, ihr Großen des Volkes,<br />

ihr Vorsteher der Gemeinde, merkt auf.<br />

unabhängigkeit<br />

Dem Sohn, der Frau, dem Bruder und Freund gib keine Gewalt über<br />

dich, solange du lebst. Tritt keinem anderen dein Vermögen ab, damit du nicht<br />

wieder um etwas bitten musst. Solange du lebst und noch Atem in dir ist, vertausche<br />

deine Stellung mit keinem anderen. Denn es ist besser, dass deine Kinder<br />

dich bitten müssen, als dass du auf die Hände deiner Söhne schauen musst.<br />

Bei all deinen Werken behaupte dich als Herr, und bring keinen Makel auf deine<br />

Ehre. Wenn deine Lebenstage zu Ende gehen, in der Stunde des Todes erst<br />

verteil das Erbe.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

346


sklaven<br />

Heu, Stock und Last sind für den Esel, Brot, Zucht und Arbeit für den<br />

Sklaven. Gib dem Sklaven Arbeit und du wirst deine Ruhe haben; gib ihm die<br />

Hand frei und er wird die Freiheit suchen. Joch und Strick beugen den Nacken,<br />

dem schlechten Sklaven gehören Block und Schläge. Halte ihn also zur Arbeit<br />

an, damit er nicht untätig ist, denn vielerlei Bosheit lehrt der Müßiggang. Stelle<br />

ihn an die Arbeit, wie es sich für ihn gehört, und wenn er nicht gehorcht,<br />

lege ihn in schwere Fußketten. Aber tue gegen niemand etwas im Übermaß und<br />

unternimm nichts ohne Recht.<br />

Hast du nur einen Sklaven, so sei er dir wie du selbst, denn mit deinem<br />

Blut hast du ihn erworben. Hast du nur einen Sklaven, behandle ihn wie<br />

einen Bruder; denn du brauchst ihn wie dich selbst. Wenn du ihn schlecht behandelst<br />

und er macht sich auf und davon, auf welchem Weg willst du ihn wieder<br />

finden?<br />

nichtigkeit der träume<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

34<br />

Leere und trügerische Hoffnungen hat ein unverständiger Mensch:<br />

denn Träume setzen nur Toren in Erregung. Wie einer, der nach dem Schatten<br />

greift und den Wind zu haschen versucht, so ist einer, der sich auf Träume verlässt.<br />

Verwandt sind Spiegel und Träume, das Bild eines Gesichts erscheint dem<br />

Gesicht selbst gegenüber. Wie ist von einem Unreinen Reines zu erwarten, und<br />

wie von der Lüge Wahrheit?<br />

Wahrsagen, Zeichendeuterei und Träume sind nichtig, Einbildungen<br />

einer schwangeren Frau. Wenn sie nicht vom Höchsten zur Warnung gesandt<br />

sind, so schenk ihnen keinerlei Beachtung. Träume haben schon viele in die<br />

Irre geführt; weil sie ihnen vertrauten, strauchelten sie. Mit Sicherheit wird<br />

das Gesetz in Erfüllung gehen; die Weisheit in einem ehrlichen Mund ist vollkommen.<br />

reisen<br />

Ist einer viel herumgekommen, so hat er ein reiches Wissen, und ein<br />

viel erfahrener Mann kann verständige Ausführungen geben. Wer nichts erfahren<br />

hat, weiß wenig, doch wer viel herumgekommen ist, erwarb Klugheit in<br />

Fülle. Vieles habe ich gesehen, als ich unterwegs war, und ich habe mehr erfahren,<br />

als ich erzählen könnte. Oft schwebte ich in Todesgefahr, doch ich wurde<br />

wegen all dieser Erfahrungen gerettet.<br />

347 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Der Geist derer, die den Herrn fürchten, wird leben; denn sie sind<br />

voller Hoffnung auf ihren Retter. Wer den Herrn fürchtet, verzagt nicht, er zittert<br />

nicht, denn er ist seine Hoffnung. Glücklich die Seele des Gottesfürchtigen.<br />

Auf wen verlässt er sich und wer ist seine Stütze? <strong>Die</strong> Augen des Herrn<br />

sind auf die gerichtet, die ihn lieben, ist er doch ein starker Schild und eine<br />

mächtige Stütze, ein Schutz vor der Glut und ein Schirm gegen die Mittagshitze,<br />

eine Bewahrung vor dem Anstoß und eine Hilfe vor dem Fall, eine Freude<br />

des Herzens und ein Licht für die Augen, ein Heilmittel des Lebens und ein<br />

Segen.<br />

opfer<br />

Ein Opfer von unrechtem Gut ist eine Gabe zum Hohn, und die Gaben<br />

der Gottlosen sind kein Wohlgefallen. Kein Gefallen hat der Höchste an<br />

den Gaben der Frevler, auch bei einer Fülle von Opfern verzeiht er die Sünden<br />

nicht. Den Sohn opfert vor den Augen des Vaters, wer eine Gabe darbringt vom<br />

Gut der Armen. Ein kärgliches Brot ist der Lebensunterhalt der Armen; wer es<br />

ihnen verwehrt, ist ein Blutsauger. Ein Mörder seines Nächsten ist, wer ihm<br />

den Unterhalt wegnimmt, und Blut vergießt, wer dem Arbeiter den Lohn vorenthält.<br />

Der eine baut, der andere reißt ein, was haben sie mehr davon als Mühe?<br />

Der eine betet, der andere flucht, auf wessen Stimme wird der Herr hören? Reinigt<br />

sich einer nach der Berührung eines Toten und fasst ihn wieder an, was<br />

hat einer von seinem Waschen? So ist ein Mensch, der seiner Sünden wegen<br />

fastet und doch wieder dasselbe tut. Wer wird auf sein Gebet hören, und was<br />

hat er von seiner Kasteiung?<br />

35<br />

Wer das Gesetz befolgt, bringt viele Opfer dar, Gemeinschaftsopfer,<br />

wer die Gebote hält. Wer Liebe übt, bringt Speiseopfer dar, und wer ein Almosen<br />

gibt, spendet Dankopfer. Das Wohlgefallen des Herrn ist die Abkehr vom<br />

Bösen, und ein Sühnopfer die Abkehr vom Unrecht.<br />

Erscheine nicht mit leeren Händen vor dem Herrn, denn dies alles<br />

geschieht nach der Vorschrift. Das Opfer des Gerechten macht den Altar fett,<br />

und es ist Wohlgeruch vor dem Herrn. Das Opfer des Gerechten ist angenehm,<br />

sein Gedenkopfer wird nicht vergessen werden. Mit gebefreudigem Herzen<br />

ehre den Herrn, und lass die Erstlinge, die du opferst, nicht zu gering ausfallen.<br />

Bei all deinen Abgaben mach ein freundliches Gesicht, und weihe den<br />

Zehnten mit frohem Sinn. Gib dem Höchsten entsprechend seinen Gaben an<br />

dich, gebefreudig und nach bestem Können. Denn der Herr zahlt zurück, und<br />

siebenfach wird er es dir erstatten.<br />

Unternimm keine Bestechung, denn er nimmt sie nicht an. Verlass<br />

dich nicht auf Opfer aus unrechtem Gut, denn der Herr ist Richter, und bei<br />

ihm ist kein Ansehen der Person.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

348


gebet und hilfe<br />

Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, und er erhört die Gebete aus<br />

der Not. Er verwirft nicht das Rufen der Waisen noch die Witwe mit der Menge<br />

ihrer Klagen. <strong>Die</strong> Tränen der Witwe, die über ihre Wangen fließen, und das<br />

Schluchzen, sprechen sie nicht gegen den, der sie verursacht?<br />

Wer dem Herrn von Herzen dient, findet Aufnahme, und seine Bitte<br />

kommt bis zu den Wolken. Das Geschrei des Elenden dringt durch die Wolken<br />

und tröstet sich nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis der Allerhöchste<br />

herschaut und gerecht richtet und Recht schafft. Auch wird Gott nicht zögern<br />

und Geduld an ihnen üben, bis er die Hüften des Bedrückers zerschmettert<br />

und an den Völkern Vergeltung geübt hat, bis er die Menge der Stolzen zerschlagen<br />

und das Zepter der Frevler zerbrochen hat, bis er dem Menschen sein<br />

Tun vergolten und das Treiben des Menschen gemäß seiner Anschläge, bis er<br />

seinem Volk Gerechtigkeit erwiesen und es erfreut hat durch sein Erbarmen.<br />

Willkommen ist das Erbarmen des Herrn in der Zeit der Bedrängnis, wie ein<br />

Gewitterregen in der Zeit der Dürre.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

gebet um die befreiung und<br />

wiederherstellung israels<br />

36<br />

Erbarme dich unser, Herr, du Gott des Alls, schau her und lege deinen<br />

Schrecken auf alle Völker. Schwinge die Hand gegen die fremden Völker, damit<br />

sie deine großen Taten sehen. Wie du dich an uns heilig erwiesen hast vor ihren<br />

Augen, so erweise dich groß gegen sie vor unseren Augen, damit sie erkennen,<br />

wie wir es erkannt haben, dass es keinen Gott gibt außer dir, Herr. Erneuere die<br />

Zeichen und wiederhole die Wunder, erweise als herrlich deine Hand und als<br />

stark deinen rechten Arm. Erwecke deinen Zorn und ergieß deinen Grimm, beuge<br />

den Gegner und vernichte den Feind. Beschleunige das Ende und gedenke<br />

des Eides, dass man deine großen Taten preist.<br />

Durch rächendes Feuer werde verzehrt, wer überlebt; und die Bedrücker<br />

deines Volkes sollen zugrunde gehen. Zerschmettere die Köpfe der fremden<br />

Fürsten, die da sagen: Es gibt niemanden außer uns! Sammle alle Stämme Jakobs,<br />

und verteil den Erbbesitz wie in den Tagen der Vorzeit. Erbarme dich des Volkes,<br />

das nach deinem Namen benannt ist, Israels, das du als Erstgeborenen bezeichnet<br />

hast. Erbarme dich deiner heiligen Stadt, Jerusalems, des Ortes deiner Wohnung.<br />

Erfülle Zion mit deinem Lob und mit deiner Herrlichkeit deinen Tempel.<br />

Lege Zeugnis ab für die, die schon von Anfang an deine Knechte waren, und stehe<br />

ein für die Verheißung, die in deinem Namen erging. Belohne, die auf dich<br />

hoffen, und deine Propheten erweise als zuverlässig. Erhöre das Gebet deiner<br />

<strong>Die</strong>ner gemäß dem Segen Aarons über deinem Volk. Und alle Enden der Erde<br />

sollen erkennen, dass du der Herr bist, der ewige Gott.<br />

349 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

vom unterscheiden<br />

Jede Speise nimmt der Magen auf, aber die eine Speise ist besser als<br />

die andere. Der Gaumen prüft die Leckerbissen und ein verständiges Herz die<br />

Lügenworte. Ein arglistiges Herz bereitet Kummer, aber ein geschickter Mann<br />

zahlt es ihm zurück.<br />

wahl einer frau<br />

Eine Frau nimmt einen jeden Mann, aber es gibt Mädchen, die besser<br />

sind als andere. <strong>Die</strong> Schönheit der Frau erheitert das Angesicht und übertrifft<br />

alle Lust des Mannes. Wenn auf ihrer Zunge Güte und Milde ist, dann ist<br />

ihr Mann der glücklichste der Menschen. Wer eine Frau besitzt, hat den Ursprung<br />

des Glücks, eine ihm entsprechende Hilfe und eine stützende Säule.<br />

Fehlt der Zaun, wird der Besitz geplündert, fehlt die Frau, seufzt der<br />

Mann und geht in die Irre. Wer traut einem <strong>Die</strong>b, der unterwegs ist, der von<br />

Stadt zu Stadt eilt? So ist es mit dem Mann, der kein Heim hat, er hält Rast, wo<br />

es gerade Abend wird.<br />

falsche freunde<br />

37<br />

Jeder Freund sagt: Ich bin dir gut. Aber mancher ist nur dem Namen<br />

nach Freund. Ist es nicht ein Kummer, der dem Tod gleichkommt, wenn ein<br />

Kamerad oder ein Freund zum Feind wird? Böse Menschennatur, wozu bist du<br />

erschaffen? Um die ganze Erde mit Falschheit zu erfüllen?<br />

Ein schlechter Freund nützt den Freund aus im Glück, zur Zeit der<br />

Not aber tritt er als Gegner gegen ihn auf. Ein schlechter Freund zeigt Mitleid<br />

mit dem Freund aus Eigennutz, zur Zeit des Kampfes aber ergreift er den Schild.<br />

Vergiss den treuen Freund nicht im Kampf, und vergiss ihn nicht inmitten deines<br />

Reichtums.<br />

ratgeber<br />

Jeder Ratgeber erteilt Rat, aber es gibt auch Ratgeber, die an den eigenen<br />

Vorteil denken. Sei also vor dem Ratgeber auf der Hut, erkenne zuvor,<br />

was er nötig hat – denn auch er denkt an sich selbst –, damit er nicht sein begieriges<br />

Auge auf dich wirft. Er sagt zu dir: Du bist auf dem rechten Weg. Dann<br />

aber bleibt er von fern stehen, zu sehen, was dir geschieht.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

350


Berate dich nicht mit deinem Neider, und mit dem Eifersüchtigen<br />

sprich nicht über deine Pläne. (Berate dich) nicht mit einer Frau über ihre Rivalin,<br />

nicht mit einem Feigling über den Kampf, nicht mit einem Händler über<br />

den Verkauf, nicht mit einem Käufer über die Ware, nicht mit einem Geizhals<br />

über Erweis von Wohltaten, nicht mit einem Hartherzigen über Barmherzigkeit,<br />

nicht mit einem Faulenzer über eine Arbeit, nicht mit einem Arbeiter über<br />

die Vollendung einer Aufgabe, Nicht mit einem faulen Sklaven über Arbeitslast.<br />

Nicht auf solche verlasse dich, wenn du Rat suchst.<br />

Wohl aber berate dich stets mit einem gottesfürchtigen Mann, von<br />

dem du weißt, dass er die Gebote hält, der in seinem Herzen nach deinem Herzen<br />

ist und, wenn du strauchelst, sich um dich bemüht.<br />

Doch auch den Rat des Gewissens beachte, denn wer ist zuverlässiger<br />

als dieses? Das Gewissen des Menschen gibt bessere Auskunft als sieben<br />

Wächter auf der Warte. Und bei allem bete zum Höchsten, dass er deine Schritte<br />

in Treue lenke.<br />

wahre und falsche weisheit<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

Der Anfang einer jeden Tat ist der Verstand, der Anfang eines jeden<br />

Werkes ist die Überlegung. <strong>Die</strong> Wurzel der Pläne ist das Herz. Vier Zweige<br />

sprossen aus ihm hervor: Gutes und Böses, Leben und Tod; doch herrscht<br />

über sie alle die Zunge.<br />

Es gibt Weise, die sind für viele weise, für sich aber sind sie einfältig.<br />

Es gibt Weise, die mit ihrer Redekunst abgelehnt werden; ihnen wird jeder<br />

Lebensunterhalt fehlen. Denn der Herr gewährt ihm nicht seine Huld;<br />

er ist aller Weisheit bar. Es gibt Weise, die für sich selber weise sind, und die<br />

Früchte ihres Wissens sind nur in seinem Mund wahr. Es gibt Weise, die für<br />

ihr Volk weise sind, und der Ertrag ihres Wissens ist von Dauer. Der Weise<br />

wird mit Segen gesättigt, und es preisen ihn alle glücklich, die ihn sehen.<br />

[Das Leben des Menschen ist in seinen Tagen gezählt, aber Israels Tage sind<br />

ohne Zahl.] Wer für das Volk weise ist, erlangt Vertrauen, und sein Name<br />

bleibt immer lebendig.<br />

masshalten<br />

Mein Sohn, prüfe dich in deiner Lebensweise, beobachte, was dir<br />

schlecht bekommt, und erlaub es dir nicht. Denn nicht alles ist für alle gut,<br />

und nicht für jeden ist jede Speise zuträglich. Giere nicht nach jedem Genuss,<br />

und stürze dich nicht auf jeden Leckerbissen. Denn im Übermaß von Speisen<br />

steckt die Krankheit, und beim Unmäßigen kommt es zu heftigem Erbrechen.<br />

Durch Unmäßigkeit sind schon viele zu Tod gekommen, wer sich aber in Acht<br />

nimmt, verlängert das Leben.<br />

351 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

arzt und krankheit<br />

38<br />

Ehre den Arzt, wie es ihm zukommt, seinen <strong>Die</strong>nsten gemäß, denn<br />

auch ihn hat der Herr erschaffen. Vom Höchsten kommt die Heilung, und vom<br />

König empfängt man Geschenke. Das Wissen des Arztes erhöht sein Haupt,<br />

und bewundert wird er bei Fürsten. Der Herr bringt aus der Erde die Heilmittel<br />

hervor, und ein verständiger Mensch verschmäht sie nicht. Ist nicht durch<br />

ein Holz das Wasser süß geworden, um so Gottes Macht kundzutun? Einsicht<br />

gab er den Menschen, um sich durch seine Wunderkräfte zu verherrlichen. Der<br />

Arzt gebraucht sie, um zu pflegen und zu lindern, und ebenso bereitet der Salbenmischer<br />

die Arznei, damit Gottes Wirken nicht aufhört und Wohlbefinden<br />

durch ihn auf der Erde sich einstellt.<br />

Mein Sohn, in der Krankheit säume nicht, bete zum Herrn und er<br />

macht dich gesund. Meide die Sünde und lass die Hände rechtschaffen sein,<br />

von allem Bösen reinige dein Herz. Bringe den Wohlgeruch eines Gedenkopfers<br />

dar, und spende reichlich, so gut du vermagst.<br />

Aber auch dem Arzt gewähr Zutritt, denn der Herr hat auch ihn erschaffen;<br />

er soll nicht wegbleiben, denn auch er ist notwendig. Zu gegebener<br />

Zeit nämlich liegt in seiner Hand der Erfolg; denn auch er betet ja zum Herrn,<br />

dass er ihm die Linderung gelingen lässt und die Heilung zur Erhaltung des<br />

Lebens. Wer gegen seinen Schöpfer sündigt, gerät in die Hand des Arztes.<br />

trauer<br />

Mein Sohn, um den Toten lass Tränen fließen, trauere und stimm das<br />

Klagelied an. Wie es ihm zukommt, bestatte seinen Leib, und verbirg dich nicht<br />

bei seinem Begräbnis. Weine bitterlich, mein Sohn, und klage vor Schmerz,<br />

und halte die Trauer um ihn, wie es ihm gebührt, Ein, zwei Tage, dass man dir<br />

nichts nachsagen kann; dann aber tröste dich über den Schmerz.<br />

Traurigkeit führt zum Tod, ebenso bricht Trübsinn die Kraft. Mit dem<br />

Begräbnis soll auch der Schmerz ausziehen, ein Leben voll Trauer greift an das<br />

Herz. Überlasse dein Herz nicht der Traurigkeit, weise sie zurück und denke<br />

an das (eigene) Ende. Vergiss nicht: Es gibt keine Rückkehr. Was kannst du ihm<br />

also nützen? Dir aber schadest du. Denke daran: Was ihm bestimmt war, ist<br />

auch deine Bestimmung, gestern ihm und heute dir. Wie der Tote ruht, ruhe<br />

auch der Gedanke an ihn, tröste dich über ihn, wenn sein Leben erloschen ist.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

352


handwerk<br />

<strong>Die</strong> Weisheit des Schriftgelehrten wird in der Muße erworben, und<br />

wer frei ist von schwerer Arbeit, kann Weisheit erlangen.<br />

Wie kann der zur Weisheit gelangen, der den Pflug hält und sich mit<br />

dem Ochsenstachel großtut, der die Rinder treibt, sie bei der Arbeit nicht verlässt<br />

und sich nur über Kälber unterhält, wer seinen Sinn auf das Eggen richtet<br />

und danach trachtet, die Mast zu vollenden? Ebenso beschäftigt ist der Handwerker<br />

und Künstler, der in der Nacht wie am Tag seine Arbeit hat, der<br />

Siegelringe schneidet und seine Geduld auf den Wechsel der Farben aufwendet,<br />

der seinen Sinn darauf richtet, ein Bild getreu wiederzugeben und ganz<br />

bemüht ist, sein Werk zu vollenden. So auch der Schmied, der am Amboss sitzt<br />

und der das rohe Eisen anschaut. <strong>Die</strong> Feuersglut lässt ihm das Fleisch schmelzen,<br />

und er hat mit der Hitze des Ofens zu kämpfen. Das Getöse des Hammers<br />

betäubt ihm das Ohr, und sein Auge ruht auf dem Muster des Gerätes. Er achtet<br />

darauf, sein Werk zu vollenden und es nach seiner Fertigstellung zu verzieren.<br />

So auch der Töpfer, der an seiner Arbeit sitzt und mit seinen Füßen die<br />

Scheibe dreht. Seine Werke bearbeitet er mit Sorgfalt, und alle seine Bewegungen<br />

sind abgemessen. Mit seinem Arm formt er den Ton, und mit den Füßen<br />

macht er dessen Zähigkeit geschmeidig; aufmerksam bereitet er die Glasur und<br />

ist um das Brennen im Ofen bemüht. All diese vertrauen auf ihre Hände, und<br />

jeder ist tüchtig in seinem Beruf. Ohne sie wird keine Stadt besiedelt, man<br />

könnte weder in der Fremde siedeln noch umherziehen.<br />

Aber zur Volksversammlung werden sie nicht hinzugezogen, und in<br />

der Gemeinde treten sie nicht hervor. Sie sitzen nicht auf dem Stuhl des Richters,<br />

und das Gesetz verstehen sie nicht. Bildung und Urteilsfähigkeit offenbaren<br />

sie nicht, und unter denen, die Spruchweisheit schaffen, sind sie nicht<br />

aufzufinden. Aber sie kennen sich in weltlichen Dingen aus und ihr Gebet richtet<br />

sich auf das Betreiben ihres Gewerbes.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

schriftgelehrte<br />

39<br />

Anders, wer die Aufmerksamkeit seines Geistes und sein Sinnen auf<br />

das Gesetz des Höchsten richtet. <strong>Die</strong> Weisheit aller Vorfahren erforscht er, auch<br />

bemüht er sich um die Weissagungen. Er bewahrt die Rede namhafter Männer,<br />

und in die Tiefen der Spruchweisheit dringt er ein. Er forscht nach dem Sinn<br />

der Gleichnisse und verweilt bei den Rätseln der Sinnsprüche. Im Kreis der<br />

Großen tut er <strong>Die</strong>nst, und auch bei den Fürsten erscheint er. Er durchzieht das<br />

Land fremder Völker und erforscht Gutes und Böses unter den Menschen.<br />

Sein Herz aber richtet er darauf, sich vom Morgen an dem Herrn, seinem<br />

Schöpfer, zuzuwenden. Er erhebt seine Seele zum Höchsten, er öffnet seinen<br />

Mund, um zu beten, und er fleht für seine Sünden. Wenn es dem Herrn,<br />

353 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

dem Großen, gefällt, wird er mit dem Geist der Einsicht erfüllt. Er lässt dann<br />

Worte der Weisheit hervorsprudeln und lobpreist im Gebet den Herrn. Er versteht<br />

Rat und Wissenschaft und sinnt über seine Geheimnisse nach. Er offenbart<br />

die Zucht seiner Lehre und rühmt sich des Bundesgesetzes des Herrn.<br />

Viele preisen seine Einsicht, und niemals wird sie vergehen. Sein Andenken<br />

wird niemals verschwinden, sein Name lebt bis in ferne Geschlechter.<br />

Von seiner Weisheit erzählen die Völker, und sein Lob verkündet die Gemeinde.<br />

Wenn er lebt, wird sein Name mehr als tausend andere gepriesen, und wenn<br />

zur Ruhe eingeht, so wird sein Ruhm noch größer.<br />

aufforderung zum gotteslob<br />

Abermals will ich wohl überlegt meine Rede führen, denn wie der<br />

Vollmond bin ich gefüllt. Hört auf mich, fromme Söhne, und sprossen werdet<br />

ihr wie die Rose, die da wächst am Wasserlauf. Wie der Weihrauch werdet ihr<br />

Duft ausströmen und Blüten treiben wie die Lilie. Erhebt die Stimme und singt<br />

ein Loblied, und preist den Herrn wegen seiner Werke. Gebt seinem Namen<br />

die Ehre, und preist ihn mit einem Lobgesang, mit Liedern zum Saitenspiel.<br />

Sprecht mit Jubel: <strong>Die</strong> Werke des Herrn sind alle gewaltig, alles, was er befiehlt,<br />

geschieht zur rechten Zeit.<br />

Man sage nicht: Wozu ist denn dieses oder jenes? Alles muss erforscht<br />

werden zu seiner Zeit. Durch sein Wort hat er die Wasser wie einen Wall geschichtet,<br />

und durch den Befehl seines Mundes öffnet sich ihr Speicher. Auf<br />

seine Weisung geschieht alles, was er will, und es gibt kein Hindernis für seine<br />

Hilfe. <strong>Die</strong> Taten aller Menschen liegen offen vor ihm, und nichts ist vor seinen<br />

Augen verborgen. Von Urzeit her und für immer schaut er herab; nichts<br />

ist zu wunderbar für ihn.<br />

Man sage nicht: Wozu ist denn dieses oder jenes? Denn alles ist zu<br />

seinem Zweck ausersehen. So wie sein Segen alles bedeckt hat wie ein Fluss<br />

und den Erdkreis getränkt hat wie eine Flut, ebenso gibt er den Völkern seinen<br />

Zorn als Erbteil, verwandelt wasserreiches Land zum Salzmeer. Seine Pfade<br />

sind für die Rechtschaffenen eben, wie sie für die Gottlosen unwegsam sind.<br />

Gutes hat er von Anfang an den Guten bestimmt, wie für die Schlechten Böses.<br />

Das Wichtigste für das Menschenleben ist: Wasser, Feuer, Eisen und Salz, das<br />

Mark des Weizens, Milch und Honig, das Blut der Trauben, Öl und Kleidung.<br />

All das erweist sich den Guten als gut, wie es den Schlechten zum Bösen ausschlägt.<br />

Es gibt Winde, die sind zur Strafe geschaffen, und in seinem Zorn hat<br />

er sie zu Geißeln gemacht. Zur Zeit des Verderbens verströmen sie Kräfte und<br />

beruhigen den Zorn ihres Schöpfers. Feuer und Hagel, Hunger und Pest, auch<br />

sie sind zur Strafe erschaffen, reißende Tiere, Skorpione und Nattern und das<br />

Schwert der Rache zur Vertilgung der Gottlosen. Alle diese Dinge sind zu ihrem<br />

Zweck erschaffen, sie sind im Speicher aufbewahrt und werden zu ihrer<br />

Zeit losgelassen. Gebietet er ihnen, so jauchzen sie, bereit sind sie, wenn er ih-<br />

Sir 0,00–0,00<br />

354


er bedarf, ergeht an sie der Befehl, widerstehen sie nicht seinem Wort. Darum<br />

war ich von Anfang an überzeugt, durchdachte es und legte es schriftlich<br />

nieder: <strong>Die</strong> Werke Gottes sind alle gut, und alles Nötige spendet er reichlich<br />

zur rechten Zeit.<br />

Man sage nicht: <strong>Die</strong>ses ist schlechter als jenes, denn alles ist zu seiner<br />

Zeit von Wert. Nun jubelt aus ganzem Herzen und Mund, und preist den<br />

Namen des Herrn.<br />

das elend des menschen<br />

40<br />

Große Mühsal ist allen Menschen bestimmt, und ein schweres Joch<br />

lastet auf den Kindern Adams von dem Tag an, da sie hervorgehen aus dem<br />

Schoß ihrer Mutter, bis zum Tag ihrer Rückkehr zur Mutter aller Lebendigen.<br />

Inhalt ihres Sinnens und die Furcht ihres Herzens besteht in der angstvollen<br />

Erwartung des Tages ihres Todes.<br />

Von dem, der hoch auf dem Thron sitzt, bis zu dem, der in Staub und<br />

Asche sitzt, von dem, der Stirnreif und Krone trägt, bis zu dem, der ein Gewand<br />

von Fellen trägt: Zorn, Eifersucht, Kummer und Schrecken, Todesfurcht, Zank<br />

und Streit. Selbst zur Zeit der Ruhe auf seinem Lager verwirrt der nächtliche<br />

Schlaf ihm den Sinn. Ein wenig, einen Augenblick etwa, hat er Ruhe und schläft<br />

doch gleich wie am helllichten Tag. Er flieht vor dem Traumgesicht seiner Seele<br />

wie ein Entronnener, der vor dem Verfolger flieht. Zur Zeit seiner Rettung<br />

wacht er auf und wundert sich über die grundlose Furcht.<br />

Über alles Fleisch vom Menschen bis zum Vieh kommen über den<br />

Sünder siebenfach dazu: Tod und Blut, Streit und Schwert, Verwüstung und<br />

Verderben, Hunger und Drangsal. Für die Gottlosen ist das alles erschaffen,<br />

und um ihretwillen kam die Flut. Alles, was aus der Erde stammt, kehrt zur<br />

Erde wieder zurück, und was aus dem Wasser stammt, zum Meer.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

verschiedene grundsätze<br />

Jede Bestechung und Ungerechtigkeit wird ausgerottet, aber die Redlichkeit<br />

besteht auf ewig.<br />

Der Reichtum des Frevlers schwindet hin wie ein Bach, wie ein Donnerschlag,<br />

der beim Regenguss erschallt. Wenn er anschwillt, werden Felsen<br />

bewegt, aber plötzlich versiegt er für immer. Der Schössling des Gewalttätigen<br />

setzt keine Triebe an, denn die Wurzel des Gottlosen liegt auf Felsenriffen. Das<br />

Schilf auf den Wassern und an den Ufern des Flusses wird zuerst ausgerissen.<br />

Aber die Güte ist wie ein gesegnetes Paradies, und die Wohltätigkeit hat Bestand<br />

für immer.<br />

355 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

lebensregeln<br />

Der Freie und der Arbeiter haben ein süßes Leben, doch mehr als beide<br />

hat, wer einen Schatz findet. Nachkommen und Stadtgründung geben dem<br />

Namen Bestand, doch mehr als beide, wer Weisheit findet. Viehzucht und Gartenbau<br />

bringen den Namen zum Wachsen, doch mehr als beide eine liebe Frau.<br />

Wein und Künste stimmen froh das Herz, doch mehr als beide die Liebe zur<br />

Weisheit. Flöte und Harfe verschönern das Lied, doch mehr als beide eine reine<br />

Stimme. Anmut und Schönheit entzücken das Auge, doch mehr als beide<br />

die Saat auf dem Feld. Freund und Bruder geleiten zur rechten Zeit, doch mehr<br />

als beide Frau und Mann. Bruder und Helfer sind für die Zeit der Not, doch<br />

mehr als beide rettet Almosen. Gold und Silber stützen den Fuß, doch mehr<br />

als beide ein guter Rat. Reichtum und Macht erhöhen das Herz, doch mehr als<br />

beide die Furcht vor dem Herrn.<br />

Bei der Gottesfurcht leidet man keinen Mangel, und man braucht neben<br />

ihr keine Stütze zu suchen. <strong>Die</strong> Gottesfurcht ist ein gesegnetes Paradies,<br />

sie schützt besser als alle Herrlichkeit.<br />

betteln<br />

Mein Sohn, führe nicht das Leben eines Bettlers, denn besser sterben,<br />

als betteln. Wer nach fremden Tischen Ausschau hält, dessen Leben ist<br />

nicht als Leben zu rechnen. Befleckung für die Seele sind geschenkte Bissen,<br />

ein verständiger und erzogener Mann hütet sich davor. Im Mund des Unverschämten<br />

ist süß das Bitten, doch in seinem Innern brennt es wie Feuer.<br />

tod<br />

41<br />

Tod, wie bitter ist der Gedanke an dich für den Menschen, der ruhig<br />

sein Heim bewohnt, für den Menschen, der sorglos lebt und in allem Glück<br />

hat, der noch kräftig genug ist, das Vergnügen zu genießen. Tod, wie gut ist<br />

deine Sendung für einen Unglücklichen und den, dem die Kräfte schwinden,<br />

für den Alten, der verbraucht und von Sorgen geplagt ist, der mürrisch geworden<br />

und die Geduld verloren hat!<br />

Fürchte dich nicht vor dem Tod, will er dir bestimmt ist, denke daran,<br />

dass er Vor- und Nachfahren in gleicher Weise trifft. Er ist als Anteil allem<br />

Fleisch von Gott bestimmt, warum also unwillig sein gegen die Bestimmung<br />

des Höchsten? Ob tausend Jahre, hundert oder zehn, in der Unterwelt gibt es<br />

keine Klage über die Lebensdauer.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

356


schicksal der gottlosen<br />

Eine schändliche Brut ist das Geschlecht der Gottlosen, und ein törichtes<br />

Gezücht hat Wohnung bei den Bösen. Das Erbe der Kinder von Gottlosen<br />

gerät in Verlust, und ihre Nachkommen leben für immer in Schmach. Den<br />

gottlosen Vater verfluchen die Kinder, denn um seinetwillen werden sie verachtet.<br />

Weh euch, ihr gottlosen Männer, die ihr das Gesetz des Höchsten verlassen<br />

habt! Wenn ihr euch vermehrt, so ist es zum Leid, und wenn ihr sterbt,<br />

ist es zum Fluch. Alles, was aus der Erde stammt, kehrt wieder zur Erde zurück;<br />

so auch die Gottlosen vom Fluch ins Verderben. Der Mensch trauert um seinen<br />

Leib, doch der verfluchte Name der Sünder verweht. Trage Sorge für deinen<br />

Namen, denn er geleitet dich besser als tausend kostbare Schätze. Das Gut<br />

des Lebens währt nur begrenzte Zeit, das Gut des Namens aber unbegrenzte<br />

Zeit.<br />

scham<br />

Haltet, ihr Kinder, in Frieden meine Unterweisungen. Verdeckte Weisheit<br />

und ein verborgener Schatz, welchen Nutzen bringen sie beide? Besser, es<br />

versteckt einer seine Torheit, als dass ein Mensch seine Weisheit verbirgt. Seid<br />

schamhaft nach meiner rechten Art, denn nicht jede Art von Scham zu üben<br />

ziemt sich, und nicht jedes Verstecken ist gut angebracht.<br />

Schäm dich vor Vater und Mutter der Unzucht, vor dem Fürsten und<br />

Herrscher der Lüge, vor dem Richter und Ratsherrn des Vergehens, vor der Gemeinde<br />

und dem Volk der Übertretung, vor dem Kameraden und Freund der<br />

Untreue, und vor dem Ort, wo du wohnst, des <strong>Die</strong>bstahls, vor der Wahrheit Gottes<br />

und dem Bund der Verletzung, (schäme dich), den Ellbogen bei Tisch aufzustützen,<br />

Geschenke anzubieten denen, die sie verachten, keine Antwort zu<br />

geben denen, die dich grüßen, deinen Blick auf eine Dirne zu wenden, deinen<br />

Landsmann zurückzustoßen, dir den Anteil eines anderen anzueignen oder das<br />

Geschenk, das man ihm machte, nach einer Frau zu schauen, die ihrem Mann<br />

gehört, Vertraulichkeiten mit einer Magd zu haben und dich ihrem Lager zu<br />

nähern. (Schäme dich), den Freund zu schmähen und nach einer Wohltat zu<br />

schimpfen, ein Wort weiterzuerzählen, das du gehört hast, und irgendein vertrauliches<br />

Gespräch auszuplaudern. Dann bist du in Wahrheit schamhaft und<br />

findest Beifall bei allen Lebenden.<br />

erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />

42<br />

Aber folgender Dinge schäme dich nicht, und nimm keine Rücksicht,<br />

denn es wäre Sünde: Des Gesetzes des Höchsten und des Bundes sowie des<br />

Rechts, das sogar dem Gottlosen zu seinem Recht verhilft, der Abrechnung mit<br />

dem Reisegefährten und der Verteilung von Erbe an deine Freunde, des Abstaubens<br />

von Waagschalen und Waage, des Erwerbs, sei es viel, sei es wenig, des<br />

357 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

Gewinns aus Handel, der häufigen Züchtigung der Kinder, der Schläge auf die<br />

Lenden eines schlechten Sklaven. Bei einer neugierigen Frau ist es klug, ein<br />

Siegel zu gebrauchen, und wo viele Hände sind, einen Schlüssel. Wo du etwas<br />

hinterlegst, genau bei Zahl und Gewicht, Ausgabe und Einnahme, da schreibe<br />

alles auf. (Schäme dich nicht) der Zurechtweisung des Unverständigen und Toren<br />

und des ergrauten Alten, der mit Jungen Streitreden führt. Dann bist du<br />

in Wahrheit vorbildlich und geehrt vor aller Welt.<br />

sorgen des vaters um seine tochter<br />

Eine Tochter bereitet dem Vater, ohne zu wissen, sorgenvolle Nächte,<br />

und die Sorge um sie verscheucht den Schlaf: in ihrer Jugend, dass sie nicht<br />

zu spät heiratet, und verheiratet, dass sie nicht verhasst wird, als Mädchen, dass<br />

sie sich nicht verführen lässt und im Haus ihres Vaters schwanger wird, bei ihrem<br />

Mann, dass sie nicht untreu wird, und verheiratet, dass sie nicht kinderlos<br />

bleibt.<br />

Über eine unbelehrbare Tochter wache streng, dass sie dir nicht einen<br />

bösen Namen macht, zum Stadtgespräch wird, zum Gerede beim Volk, und<br />

dich beschämt vor den Augen aller. Keinem Mann zeige sie ihre Schönheit, und<br />

unter Frauen halte sie sich nicht auf. Denn aus dem Kleid kommt die Motte<br />

her, aus der einen Frau die Bosheit der anderen. Weniger schlimm ist die Bosheit<br />

eines Mannes als die Güte einer Frau, und eine Tochter, die schandbar lebt,<br />

bringt Schande.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

358


die herrlichkeit<br />

gottes<br />

359 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

in der natur<br />

lob des schöpfers<br />

Gedenken will ich der Werke des Herrn, und was ich gesehen habe,<br />

will ich erzählen. Durch die Worte des Herrn sind seine Werke geschaffen, und<br />

die Schöpfung gehorcht seinem Willen. <strong>Die</strong> strahlende Sonne erblickt alle Dinge,<br />

und das Werk des Herrn ist erfüllt von seiner Herrlichkeit.<br />

<strong>Die</strong> Heiligen sind nicht in der Lage, alle Wunder des Herrn zu verkünden,<br />

die der Herr, der Allherrscher, fest begründet hat, damit das All vor<br />

seiner Herrlichkeit bestehen kann. Meerestiefe und Herz erforscht er, und all<br />

ihre Geheimnisse sind ihm bekannt. Denn der Höchste hat Kenntnis von allem<br />

und schaut auf die Zeichen der Zeit. Er kündet Vergangenes und Künftiges<br />

und enthüllt die verborgenen Rätsel. Kein einziger Gedanke entgeht ihm,<br />

kein einziges Wort bleibt ihm verborgen. <strong>Die</strong> Wunder seiner Weisheit hat er<br />

geordnet, denn von Ewigkeit zu Ewigkeit ist er. Nichts ist hinzuzufügen und<br />

nichts wegzunehmen, und nicht bedarf er eines Lehrers. Wie lieblich sind all<br />

seine Werke, und wie leuchtende Funken ist ihr Anblick! Alles lebt und besteht<br />

für immer, für jeden Zweck ist alles bereit. Alle Dinge sind verschieden, das<br />

eine vom andern, und nichts hat er geschaffen, das versagt. Das eine bestärkt<br />

den Wert des anderen, und wer kann sich satt sehen am Anblick ihrer Schönheit?<br />

die sonne<br />

43<br />

Der Himmelshöhe Stolz ist das Firmament in seiner Klarheit, und<br />

die Himmel selbst tun seine Herrlichkeit kund. <strong>Die</strong> Sonne, die aufstrahlt, ruft<br />

bei ihrem Aufgang: Was für ein Wunder ist das Werk des Höchsten! Steht sie<br />

im Zenit, so lässt sie die Welt verdorren, wer kann es aushalten in ihrer Hitze?<br />

Ein entfachter Ofen bringt Glut hervor, dreimal mehr brennt die Sonne die<br />

Berge. Glut sendet sie aus, und durch ihr Feuer erblindet das Auge. Groß ist<br />

der Herr, ihr Schöpfer, sein Wort lenkt ihren schnellen Lauf.<br />

der mond<br />

Der Mond, in allem zur rechten Zeit, bezeichnet die Monate und teilt<br />

die Zeit ein. Der Mond bestimmt die Feste, dieses Gestirn, das abnimmt, wenn<br />

es voll geworden ist. Am Neumond ist so, wie sein Namen sagt: wunderbar erneuert<br />

er sich nach seinem Wechsel. Er lehrt das Heer in der Höhe, das am Firmament<br />

des Himmels leuchtet.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

360


die sterne<br />

<strong>Die</strong> Schönheit des Himmels ist die Pracht der Sterne, sie schmücken<br />

mit ihrem Schein die Höhen des Herrn. Durch das Wort des Heiligen hat die<br />

Ordnung Bestand, und sie ermatten nicht auf ihrer Nachtwache.<br />

der regenbogen<br />

Schau den Regenbogen und preise seinen Schöpfer, denn überaus<br />

herrlich ist er an Pracht. Das Himmelsgewölbe umspannt er mit seinem Glanz,<br />

die Hände des Höchsten haben ihn ausgespannt.<br />

die herrlichkeit gottes<br />

die wunder der natur<br />

Durch seine Anordnung lässt der Herr den Schnee fallen, er schleudert<br />

die Blitze. Zu seinem <strong>Die</strong>nst öffnet er seine Speicher, und die Wolken fliegen<br />

wie Vögel. In seiner Größe verdichtet er die Wolken und zerstößt die Hagelsteine.<br />

b Bei seinem Anblick wanken die Berge, a bei der Stimme seines<br />

Donners gerät die Erde in Wehen. a Nach seinem Willen jagt der Südwind dahin<br />

bund ebenso der Orkan aus dem Norden und die Wirbelstürme. Wie Vögel<br />

lässt er seine Schneeflocken fliegen, und wie einfallende Heuschrecken ist ihr<br />

Fall. Ihr weißer Glanz blendet die Augen, und bei seinem Rieseln freut sich das<br />

Herz. Auch den Reif gießt er aus wie Salz, ihn wandelt der Frost in Spitzen von<br />

Dornen. Den kalten Nordwind lässt er wehen, und auf dem Wasser bildet sich<br />

das Eis. Jedes stehende Gewässer überzieht er mit einer Decke und bekleidet<br />

es wie mit einem Panzer. Er verzehrt die Berge und brennt die Wüste aus und<br />

versengt das Gras wie eine Flamme. Doch Linderung für alles bringt die Wolke,<br />

und der Tau schenkt Leben nach der Trockenheit. Nach seinem Beschluss<br />

ließ er die Wasser sich senken und pflanzte die Inseln. <strong>Die</strong> das Meer befahren,<br />

erzählen von seiner Gefahr, und wenn unsere Ohren es hören, sind wir voll<br />

Staunen. Dort gibt es Wunderdinge, die erstaunlichsten seiner Schöpfung, aller<br />

Art Lebewesen und die Ungeheuer des Weltmeers.<br />

Gott sei Dank endet alles gut, und alles fügt wieder sich nach seinem<br />

Wort. Viel könnten wir noch sagen und kämen nicht ans Ende, darum sei der<br />

Rede Schluss: Er ist alles! Wo finden wir die Kraft, ihn zu preisen? Er ist ja größer<br />

als all seine Werke. Furchtbar ist der Herr und überragend groß, und wunderbar<br />

sind seine Taten. Euer Lobpreisen erhebe den Herrn, so viel ihr könnt,<br />

denn er ist noch größer. Wenn ihr anhebt, schöpft neue Kraft, und werdet nicht<br />

müde, denn ergründen könnt ihr ihn nicht. Wer hätte ihn gesehen und könnte<br />

davon erzählen, und wer kann ihn preisen, so wie es ihm gebührt? <strong>Die</strong> Menge<br />

des Unbekannten ist größer als dies, wenig nur sah ich von seinen Werken.<br />

Alles das aber hat der Herr hervorgebracht, und den Frommen hat er Weisheit<br />

verliehen.<br />

361 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

in der geschichte<br />

lob der väter<br />

44<br />

<strong>Die</strong> berühmten Männer will ich preisen, unsere Väter, wie sie einander<br />

folgten. Viel Ehre hat der Höchste geschaffen und seine Größe gezeigt seit<br />

den Tagen der Vorzeit. Herrscher des Landes in ihrer Königswürde und berühmte<br />

Männer in ihrer Macht. Ratgeber in ihrer Einsicht und prophetische<br />

Seher aller Dinge, Lenker des Volkes durch ihre Ratschlüsse, Kenner des Volkes<br />

und Lehrer der Weisheit, Dichter von Liedern und Sammler von Sprüchen<br />

in ihren Schriften, Männer, reich und gestützt durch Macht, in Sicherheit lebend<br />

auf ihrem Wohnsitz. Hoch angesehen waren sie zu ihrer Zeit, und in ihren<br />

Tagen erstrahlte ihr Ruhm. Sie hinterließen einen Namen, von dem man<br />

immer noch voll des Lobes spricht. Andere blieben ohne Gedenken, und sie<br />

waren vergessen, sobald sie dahingegangen waren. Sie waren, als wären sie niemals<br />

gewesen, wie auch ihre Söhne nach ihnen.<br />

Doch jene dagegen sind würdige Männer, und ihre Wohltaten sind<br />

nicht vergessen. Bei ihren Nachkommen finden sie ein reiches Erbe, das von<br />

ihnen ausgegangen ist. Ihr Stamm bleibt den Satzungen treu und ihre Kinder<br />

um ihretwillen. Auf ewig bleibt ihr Geschlecht, und ihre Gerechtigkeit gerät<br />

nicht in Vergessenheit. Ihr Leib ist in Frieden bestattet, und ihr Name lebt fort<br />

von Generation zu Generation. Von ihrer Weisheit erzählt die Gemeinde, und<br />

ihr Lob verkündet die Versammlung.<br />

henoch<br />

Henoch gefiel dem Herrn und wurde entrückt, ein Beispiel der Bekehrung<br />

für Generationen.<br />

noach<br />

Noach wurde vollkommen gerecht befunden, und zur Zeit des Zorns<br />

wurde er der Spross. Um seinetwillen war ein Rest geblieben, als die Flut kam.<br />

Ein ewiger Bund wurde mit ihm geschlossen, nie wieder zu vertilgen alles Leben<br />

durch die Flut.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

362


abraham<br />

Abraham war der berühmte Vater einer Menge von Völkern, niemand<br />

war ihm an Ehre gleich. Er befolgte die Anordnung des Allerhöchsten und ging<br />

den Bund mit ihm ein. An seinem Leib bestätigte er den Bund, und in der Prüfung<br />

wurde er treu befunden. Darum versprach er ihm mit einem Schwur, durch<br />

seine Nachkommen die Völker zu segnen, sie zahlreich zu machen wie den<br />

Staub der Erde und seinen Stamm wie die Sterne zu erhöhen, ihnen Besitz zu<br />

geben von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.<br />

die herrlichkeit gottes<br />

isaak und jakob<br />

Auch dem Isaak bestätigte er es ebenso um Abrahams, seines Vaters<br />

willen. Den Segen über alle Menschen und den Bund ließ er auf dem Haupt<br />

Jakobs ruhen. Er bestätigte ihn in seinen Segnungen und gab ihm das Land<br />

zum Erbbesitz. Er schied es ihm in seine Teile und teilte es unter die zwölf<br />

Stämme.<br />

mose<br />

45<br />

Er ließ aus ihm einen rechtschaffenen Mann hervorgehen, der Gnade<br />

fand in den Augen aller, den Liebling Gottes und der Menschen, Mose,<br />

sein Andenken sei gepriesen. Er verlieh ihm Ehre, die den Heiligen gleichkommt,<br />

und machte ihn groß zum Schrecken der Feinde. Auf sein Wort hin<br />

ließ er die Wunderzeichen geschehen, und er verherrlichte ihn vor Königen.<br />

Er gab ihm Aufträge an das Volk und ließ ihn von seiner Herrlichkeit schauen.<br />

Wegen seiner Treue und Milde heiligte er ihn, er wählte ihn aus von allen<br />

Menschen. Er ließ ihn seine Stimme hören und führte ihn hinein ins<br />

Dunkel der Wolke. Er gab ihm die Gebote von Angesicht zu Angesicht, das<br />

Gesetz des Lebens und der Einsicht, um Jakob seine Gebote zu lehren und<br />

Israel seine Satzungen.<br />

aaron<br />

Auch erhöhte er einen Heiligen gleich ihm, Aaron, seinen Bruder, aus<br />

Levis Stamm. Er schloss mit ihm einen ewigen Bund und verlieh ihm das Priestertum<br />

für das Volk. Er beglückte ihn mit seiner Pracht und bedeckte ihn mit<br />

einem Gewand der Ehre. Er kleidete ihn ganz in Prunk und schmückte ihn mit<br />

den Prachtgewändern, Beinkleid, Leibrock und Efod, rings umsäumt mit Granatäpfeln<br />

und vielen Glöckchen rundum, dass sie lieblich erklingen sollten bei<br />

363 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

seinen Schritten, damit ihr Laut im Tempel zu hören war zur Erinnerung für<br />

die Kinder seines Volkes. (Auch schmückte er ihn) mit dem heiligen Gewand<br />

aus Gold und violettem Purpur sowie aus rotem Purpur – einer Kunststickerarbeit<br />

–, mit dem Brustschild der Rechtsprechung, den Urim und Tummim,<br />

dem Gürtel aus Karmesin – einer Weberarbeit –, mit den Edelsteinen, graviert<br />

wie Siegel, in Fassung von Gold – die Arbeit eines Steinschneiders –, zur Erinnerung<br />

mit eingegrabenen Schriftzeichen, entsprechend der Zahl der Stämme<br />

Israels, mit dem goldnen Diadem auf dem Kopfbund, mit der eingravierten<br />

Aufschrift der Weihe, eine herrliche Pracht und ein großartiges Werk, eine Lust<br />

für das Auge, dieser Schmuck! Vor ihm gab es so etwas nicht, und nie darf es<br />

jemals ein Unbefugter tragen, sondern nur seine Söhne und deren Nachkommen<br />

für immer. Seine Opfer wurden gänzlich verbrannt, täglich zweimal, auf<br />

ewige Zeiten. Mose belehnte ihn mit seinem Amt, salbte ihn mit heiligem Öl,<br />

und es wurde ihm zum ewigen Bund, wie auch seinem Geschlecht, solange der<br />

Himmel steht: dem <strong>Die</strong>nst vorzustehen und ihm Priester zu sein und sein Volk<br />

zu segnen in seinem Namen. Er wählte ihn aus allen Menschen, damit er das<br />

Opfer des Herrn darbringt und dass er den lieblichen Wohlgeruch spendet und<br />

das Gedenkopfer, um so das Volk zu entsühnen. Er vertraute ihm auch seine<br />

Gebote an und übergab ihm die Vorschriften des Gesetzes, um Jakob seine<br />

Zeugnisse zu lehren und Israel sein Gesetz zu erklären. Doch als Unbefugte<br />

sich gegen ihn empörten und in der Wüste auf ihn eifersüchtig waren, die Männer<br />

um Datan und Abiram nämlich sowie die Rotte Korachs mit mächtiger Wut,<br />

da sah es der Herr und geriet in Zorn, und er vernichtete sie in der Glut seines<br />

Zornes. Er bewirkte an ihnen ein Wunder und vertilgte sie durch eine Feuerflamme.<br />

Dann vermehrte er noch Aarons Ehre, indem er ihm sein Erbe gab:<br />

Er gewährte ihm die Erstlingsgaben, und bereitete ihm vor allem Brot zum<br />

Sattwerden. Von den Opfern des Herrn sollten sie genießen dürfen, die er ihm<br />

und seinen Nachkommen gab. Aber am Landbesitz des Volkes erhielt er keinen<br />

Anteil, und in ihrer Mitte fiel ihm kein Erbe zu. Vielmehr ist der Herr sein<br />

Anteil und Erbbesitz.<br />

pinhas<br />

Pinhas ferner, der Sohn Eleasars, erhielt die Würde als Dritter, weil<br />

er Eifer zeigte in der Furcht vor dem Herrn, weil er fest blieb vor der Empörung<br />

des Volkes mit edlem Mut; so erlangte er Sühne für Israel. Darum wurde<br />

auch mit ihm ein Bund des Friedens besiegelt, der ihn zum Führer des Heiligtums<br />

und des Volkes machte: Ihm nämlich und seinem Geschlecht sollte zu eigen<br />

sein die Hohepriesterwürde für immer. Es bestand ein Bund mit David,<br />

dem Sohn Isais aus dem Stamm Juda, eine Erbfolge vom Vater auf einen einzigen<br />

seiner Söhne. Aber die Erbfolge Aarons geht auf alle seine Nachkommen.<br />

Gott gebe euch Weisheit ins Herz, sein Volk zu richten in Recht, damit<br />

die Tugenden der Ahnen nicht schwinden und ihr Ruhm übergeht auf ihre<br />

Nachkommen.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

364


josua<br />

46<br />

Ein Kriegsheld war Josua, der Sohn Nuns, der Nachfolger des Mose<br />

im Prophetenamt. Er zeigte sich seinem Namen gemäß groß in der Rettung der<br />

Auserwählten, um Rache zu üben am Feind und Israel in sein Erbteil einzuführen.<br />

Wie herrlich war er, als er die Hand erhob, damals, als er den Degen<br />

schwang gegen die Städte! Wen gab es, der vor ihm standhalten konnte? Führte<br />

er doch die Kriege des Herrn. Blieb nicht auf seinen Wink hin die Sonne<br />

stehen, sodass sich ein Tag verdoppelte?<br />

Er rief zu Gott, dem Höchsten, als er in Bedrängnis war, von seinen<br />

Feinden umringt, und der Herr erhörte ihn und schleuderte Hagelsteine von<br />

unerhörter Gewalt. Er ließ sie niederfallen auf das feindliche Volk und vernichtete<br />

so den Gegner am Abhang, um den Völkern die Kraft seiner Waffen zu offenbaren<br />

und dass ihr Gegner der Herr war.<br />

die herrlichkeit gottes<br />

kaleb<br />

Aber auch weil er dem Allmächtigen folgte und in den Tagen des Mose<br />

Frömmigkeit bewies, Er und Kaleb, der Sohn Jefunnes, als sie der Menge widerstanden<br />

und so das Volk zu sündigen hinderten, dadurch dass sie das üble<br />

Gerede zum Schweigen brachten: – darum wurden auch sie ausgenommen von<br />

den sechshunderttausend Mann zu Fuß, und sie durften in ihr Erbland eingehen,<br />

das Land, das von Milch und Honig fließt.<br />

Auch verlieh er dem Kaleb Stärke, die ihm bis zum Greisenalter erhalten<br />

blieb, dass er die Höhen des Landes ersteigen konnte; auch seine Nachkommen<br />

erhielten das Erbe. So sollte ganz Israel erkennen, wie heilvoll es ist,<br />

dem Herrn in allem zu folgen.<br />

die richter<br />

Weiterhin die Richter, jeder nach seinem Namen, ein jeder, dessen<br />

Herz nicht untreu wurde und der nicht abwich von Gott; gepriesen sei ihr Andenken!<br />

Ihre Gebeine mögen emporsprossen aus ihrer Ruhestätte, und ihr<br />

Name erneuere sich in den Söhnen dieser berühmten Männer.<br />

samuel<br />

Samuel war der Liebling des Herrn; als Prophet des Herrn gründete<br />

er das Königtum und salbte Fürsten über das Volk. Im Gesetz des Herrn richtete<br />

er die Gemeinde, und der Herr wachte über Jakob. Wegen seiner Treue<br />

365 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

wurde er als Prophet anerkannt und war auch in seinen Worten ein zuverlässiger<br />

Seher. Auch er rief zum allmächtigen Herrn, als ihn die Feinde ringsum<br />

bedrängten, und brachte ein Milchlamm zum Opfer dar. Vom Himmel her aber<br />

donnerte der Herr, mit gewaltigem Dröhnen vernahm man seine Stimme. Er<br />

vernichtete die feindlichen Führer und alle Fürsten der Philister. Dann aber,<br />

als er zur Ruhe kam auf seinem Lager, rief er den Herrn und seinen Gesalbten<br />

zum Zeugen an: Geschenke, und seien es auch nur Sandalen, von wem nahm<br />

ich sie an? Und keiner klagte ihn an. Auch nach seinem Tod noch wurde er befragt,<br />

und er verkündete dem König sein Ende. Er erhob aus der Erde weissagend<br />

seine Stimme, um die Sünde des Volkes zu tilgen.<br />

natan<br />

47<br />

Ferner stand nach ihm Natan auf,<br />

um in der Zeit Davids zu weissagen.<br />

david<br />

Denn wie Fett herausgehoben ist aus dem Opferfleisch, so David aus<br />

den Söhnen Israels. <strong>Die</strong> Löwen verlachte er wie Böcklein, und die Bären, als<br />

wären sie junge Lämmer. In seiner Jugend erschlug er den Riesen und nahm<br />

vom Volk die Schmach, indem er seine Hand mit der Schleuder schwang und<br />

das Prahlen Goliats zerschlug. Er rief nämlich zum Herrn, dem Höchsten, und<br />

dieser gab ihm Kraft in seine Rechte, um den kriegserprobten Mann niederzustrecken<br />

und so die Macht seines Volkes zu erhöhen.<br />

Darum gab man ihm den Ruhm über Zehntausend und lobte ihn im<br />

Lobpreis des Herrn, indem man ihm eine Krone der Ehre brachte. Denn er zerstörte<br />

ringsum die Feinde, er vernichtete die feindlichen Philister und zerbrach<br />

ihre Macht bis auf den heutigen Tag. Bei jeder seiner Taten stimmte er<br />

Lobgesänge an und verherrlichte den Heiligen, Höchsten. Aus ganzem Herzen<br />

sang er und erwies so Liebe seinem Schöpfer. Begleitinstrumente zum Gesang<br />

stellte er am Altar bereit, deren Begleitung die Lieder noch lieblicher machte.<br />

Glanz verlieh er den Festen um vollkommene Pracht den Festfeiern. Bei ihrem<br />

Lobsingen auf seinen heiligen Namen hallte schon vor dem Morgengrauen das<br />

Heiligtum wider.<br />

Auch verzieh ihm der Herr seine Sünden und erhöhte seine Macht<br />

für immer. Er übergab ihm das Königsgesetz und richtete seinen Thron auf<br />

über Jerusalem.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

366


salomo<br />

Nach ihm trat ein weiser Sohn auf, der um seinetwillen in Sicherheit<br />

wohnen konnte. Salomo war König in einer Zeit des Friedens, und Gott verschaffte<br />

ihm Ruhe ringsum, weshalb er seinem Namen ein Haus erbaute und<br />

ein Heiligtum errichtete für immer.<br />

Wie warst du weise in deiner Jugend und voll wie ein Fluss an Einsicht.<br />

<strong>Die</strong> Erde bedecktest du mit deiner Einsicht und erfülltest sie mit rätselvollen<br />

Sprüchen. Bis zu den fernen Inseln drang dein Ruhm, und du<br />

wurdest geliebt um deines Friedens willen. Durch Lied, Spruch, Rätsel und<br />

Gleichnisse hast du die Welt in Staunen versetzt. Im Namen Gottes, des Herrn,<br />

den man den Gott Israels nennt, häuftest du wie Zinn das Gold auf und hattest<br />

Silber in Menge wie Blei. Doch du gabst dich den Frauen hin und bist zum<br />

Sklaven deiner Sinnlichkeit geworden. So brachtest du einen Makel auf deine<br />

Ehre und hast dein Geschlecht entweiht, sodass du Zorn über deine Kinder<br />

herbeiführtest und Bedrängnis über deine Nachkommen: Es entstand eine doppelte<br />

Herrschaft, aus Efraim ging ein rebellisches Reich hervor. Doch Gott gab<br />

seine Liebe nicht auf, und keines seiner Worte ließ er zu Boden fallen. Nicht<br />

hat er seinem Erwählten Nachkommenschaft verweigert und nicht den Stamm<br />

dessen ausgerottet, der ihn liebte. Er hat Jakob einen Rest gelassen und David<br />

einen Wurzelspross aus ihm selbst.<br />

die herrlichkeit gottes<br />

rehabeam<br />

Salomo legte sich zu seinen Vätern und hinterließ als Nachfolger einen aus seinem<br />

Geschlecht: Der größte Tor des Volkes, arm an Einsicht, Rehabeam, der<br />

das Volk zur Empörung trieb.<br />

jerobeam<br />

Ferner Jerobeam, der Sohn Nebats, der Israel zur Sünde verführte<br />

und Efraim den Weg des Bösen lehrte. Seitdem wurden ihre Sünden sehr groß,<br />

sodass sie dadurch in die Verbannung gerieten, fern ihres Landes. Denn sie<br />

suchten Böses aller Art, bis die Strafe sie ereilte.<br />

367 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

elija<br />

48<br />

Da stand der Prophet Elija auf wie Feuer, sein Wort war wie ein flammender<br />

Ofen. Er brachte Hungersnot über sie, sodass er sie durch sein Eifern<br />

verminderte. Auf das Wort des Herrn hin verschloss er den Himmel und ließ<br />

dreimal Feuer niederfahren.<br />

Wie herrlich warst du, Elija, durch deine Wundertaten. Wer kann sich<br />

in seinem Stolz mit dir vergleichen? Du hast einen Verstorbenen vom Tod erweckt<br />

aus der Unterwelt, nach dem Wort des Höchsten. Du hast Könige ins<br />

Grab sinken lassen und Vornehme von ihren Lagern. Du hast am Sinai Strafdrohungen<br />

vernommen und am Horeb Urteilssprüche der Rache. Du hast Könige<br />

zur Vergeltung gesalbt und Propheten als deine Nachfolger. Du wurdest<br />

nach oben entrückt im Sturm auf einem Wagen mit Feuerpferden. Du bist bezeichnet<br />

für künftige Drohungen, um den Zorn zu beschwichtigen, bevor er<br />

entbrennt, um das Herz der Väter den Söhnen zuzuwenden und wiederherzustellen<br />

die Stämme Jakobs. Selig, wer dich sieht und entschläft in der Liebe,<br />

denn auch wir werden das Leben besitzen.<br />

elischa<br />

Elija war es, der im Sturm entrückt wurde, Elischa aber wurde mit<br />

seinem Geist erfüllt. In seinem Leben konnte ihn kein Fürst erschüttern, und<br />

kein Mensch hatte Gewalt über seinen Geist. Kein Ding war ihm zu wunderbar,<br />

und noch aus dem Grab wirkte sein Leib prophetisch. Zu Lebzeiten vollbrachte<br />

er Wundertaten und bei seinem Tod staunenswerte Werke.<br />

untreue und bestrafung<br />

Trotz allem aber bekehrte das Volk sich nicht, und sie ließen nicht<br />

ab von ihren Sünden, bis sie aus ihrem Land gerissen wurden und über die<br />

ganze Erde hin zerstreut. Es blieb nur ein wenig Volk übrig und dem Haus Davids<br />

noch ein Fürst. Einige von ihnen taten, was recht ist, andere aber mehrten<br />

die Sünden.<br />

hiskija<br />

Hiskija sicherte die Stadt, indem er das Wasser mitten in sie hineinleitete.<br />

So durchbohrte er mit dem Eisen die Felsen und baute Zisternen.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

368


In seinen Tagen zog Sanherib heran und entsandte den Rabschake.<br />

<strong>Die</strong>ser erhob seine Hand gegen Zion im Übermut seines Stolzes. Da erbebten<br />

ihre Herzen und Hände, und sie wanden sich wie eine Frau in Wehen. Sie flehten<br />

zum Herrn, dem Erbarmer, und breiteten ihre Hände nach ihm aus. Und<br />

schnell hörte vom Himmel aus der Heilige auf sie und rettete sie durch die<br />

Hand Jesajas. Er schlug das Lager der Assyrer, und sein Engel rottete sie aus.<br />

jesaja<br />

die herrlichkeit gottes<br />

Denn Hiskija tat, was dem Herrn gefiel, und blieb fest auf den Wegen<br />

Davids, die ihm der Prophet Jesaja gewiesen hatte, der Große und in seinen<br />

Visionen Zuverlässige. In seinen Tagen ging die Sonne zurück, und er verlängerte<br />

dem König das Leben. Gewaltigen Geistes schaute er die letzten<br />

Dinge und tröstete die Trauernden in Zion. Für alle Zeiten verkündete er das<br />

Zukünftige und das Verborgene, bevor es eintrat.<br />

joschija<br />

49<br />

Das Andenken Joschijas ist wie wohlduftender Weihrauch, gut gewürzt<br />

und bereitet vom Salbenmischer. Süß wie Honig auf dem Gaumen ist<br />

sein Andenken und wie Gesang beim Weintrinken.<br />

Er selbst schlug den rechten Weg ein, nämlich das Volk zu bekehren,<br />

und schaffte die Gräuel des Götzendienstes ab. Auch richtete er sein Herz auf<br />

den Herrn und übte Frömmigkeit in den Tagen des Frevels.<br />

die letzten könige und propheten<br />

Außer David, Hiskija und Joschija vervielfachten alle die Übertretungen<br />

und verließen das Gesetz des Höchsten: <strong>Die</strong> Könige von Juda verschwanden.<br />

Sie verloren ihre Macht an einen andern und ihre Ehre an ein fremdes<br />

Volk. <strong>Die</strong> Feinde setzten die heilige auserwählte Stadt in Brand, sodass ihre<br />

Straßen verödeten um Jeremias willen; denn ihn hatten sie misshandelt, ihn,<br />

der doch vom Mutterschoß an zum Propheten geschaffen war, um einzureißen<br />

und auszureißen und zu vernichten, und ebenso um zu bauen und zu pflanzen.<br />

Ezechiel schaute eine herrliche Vision, die Gott ihm zeigte auf dem Wagen der<br />

Kerubim. Er gedachte auch Ijobs, der alle Wege der Gerechtigkeit einhielt. Ferner<br />

die Zwölf Propheten, deren Gebeine aus ihrer Grabstätte emporsprossen<br />

mögen. Denn sie haben Jakob getröstet, sie haben ihn erlöst in Glaube und<br />

Hoffnung.<br />

369 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

serubbabel und jeschua<br />

Wie vermöchte man Serubbabel zu preisen, war er doch ein Siegelring<br />

an der rechten Hand, ferner Jeschua, den Sohn des Jozadak, die in ihren<br />

Tagen das Gotteshaus erbauten; sie führten ein heiliges Volk zum Herrn, das<br />

zu immer dauernder Herrlichkeit bestimmt ist.<br />

nehemia<br />

Nehemia – sein Andenken sei in Ehren – baute uns die zertrümmerten<br />

Mauern wieder auf, setzte Tor und Riegel wieder ein und baute unsere Wohnungen<br />

wieder auf.<br />

rückblick<br />

Keiner der auf der Erde Erschaffenen kommt Henoch gleich, so wurde<br />

er denn auch entrückt. Wurde etwa ein Mann wie Josef geboren, Haupt seiner<br />

Brüder, Stütze seines Volkes? Seine Gebeine wurden besucht. Sem und Set<br />

sind ehrenwert unter den Menschen, aber über aller lebenden Kreatur steht<br />

Adam.<br />

simeon, der hohepriester<br />

50<br />

Der Hohepriester Simeon, der Sohn Onias, besserte in seiner Zeit das<br />

Gotteshaus aus und befestigte in seinen Tagen den Tempel. Von ihm wurde die<br />

doppelte Höhe gebaut, die Ecktürme der Umfassungsmauer des Tempels. In<br />

seiner Zeit wurde der Teich gegraben, ein Becken, groß wie das Meer. Er trug<br />

Sorge für das Volk gegen den Untergang und befestigte die Stadt gegen Belagerung.<br />

Wie herrlich war er, umgeben von seinem Volk, sobald er hervortrat<br />

hinter dem Vorhang. Wie der Morgenstern zwischen den Wolken, wie der Vollmond<br />

in den Tagen des Festes, wie die strahlende Sonne über dem Tempel des<br />

Höchsten und wie der Regenbogen, der in herrlichen Wolken erscheint, wie<br />

eine Rose im Frühling und wie eine Lilie an den Wasserläufen, wie der Zweig<br />

eines Weihrauchbaumes in den Tagen des Sommers und wie die Weihrauchglut<br />

in der Räucherpfanne, wie ein mit Gold überzogenes Gefäß, das besetzt<br />

ist mit Edelsteinen aller Art, wie ein Olivenbaum voll von Früchten und wie<br />

eine Zypresse, die in die Wolken ragt. Wenn er sein Prachtgewand anlegte und<br />

sich mit prächtigem Schmuck bekleidete, wenn er emporgestiegen war zum<br />

geweihten Altar und die Umgebung des Heiligtums mit Glanz erfüllte, wenn<br />

er die Opferstücke aus der Hand der Priester genommen hatte, während er<br />

Sir 0,00–0,00<br />

370


selbst an der Feuerstelle des Altars stand, dann war rings um ihn der Kranz der<br />

Brüder wie eine Zeder des Libanon in ihrem Laub; wie Palmenstämme umgaben<br />

ihn dann alle Söhne Aarons in ihrem Schmuck, die Opfergaben des Herrn<br />

in ihrer Hand vor der ganzen Gemeinde Israels, bis er den <strong>Die</strong>nst am Altar vollendet<br />

und mit Adel die Opfergabe dargeboten hatte für den Allerhöchsten, den<br />

Allmächtigen. Dann streckte er seine Hand nach dem Becher aus und opferte<br />

vom Blut der Trauben; er goss es am Fuß des Altars aus zum lieblichen Wohlgeruch<br />

für den Höchsten, den König des Alls. Dann riefen die Söhne Aarons<br />

laut, sie stießen in die getriebenen Trompeten; sie ließen sie mit gewaltigem<br />

Schall erklingen zur Erinnerung vor dem Höchsten.<br />

Das ganze Volk beeilte sich und warf sich auf sein Angesicht zur Erde<br />

nieder, um anzubeten vor dem Herrn, dem Allmächtigen, dem höchsten Gott.<br />

Jetzt stimmte man die Gesänge an und ließ sie über die Menge hin in lieblicher<br />

Melodie ertönen. Da flehte das Volk zum höchsten Herrn, betend vor dem<br />

Barmherzigen, bis schließlich der <strong>Die</strong>nst vor dem Herrn vollendet und die Feier<br />

zu Ende gegangen war. Dann stieg er herab und erhob seine Hände hin über<br />

Israels ganze Gemeinde, um mit lauter Stimme den Segen des Herrn zu erteilen<br />

und sich der Ehre zu rühmen, seinen Namen auszusprechen. Das Volk aber<br />

fiel zum zweiten Mal nieder, den Segen des Höchsten zu empfangen.<br />

die herrlichkeit gottes<br />

ermahnung<br />

Nun lobt den Gott des Alls, der große Dinge tut, der unsere Tage erhöht<br />

hat vom Mutterschoß an und an uns handelt nach seinem Erbarmen. Er<br />

gebe uns ein fröhliches Herz, gewähre Frieden unserer Zeit, in Israel, bis in<br />

Ewigkeit. Seine Huld bleibe beständig bei uns, er erlöse uns zu unserer Zeit.<br />

371 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

anhänge<br />

Sir 0,00–0,00<br />

372


zahlenspruch<br />

Zwei Völkerschaften verabscheut meine Seele, und die dritte ist kein<br />

Volk: <strong>Die</strong> Bewohner von Seïr und die Philister und das törichte Volk, das in Sichem<br />

wohnt.<br />

schluss<br />

Lehre voll Weisheit und Einsicht habe ich niedergeschrieben in diesem<br />

Buch: Jesus, der Sohn Eliasars, des Sohnes Sirachs, Bürger von Jerusalem,<br />

der Weisheit aus seinem Herzen wie Regen hervorquellen ließ. Wohl dem Mann,<br />

der hierüber nachsinnt; wer es sich zu Herzen nimmt, wird weise. Wer danach<br />

handelt, hat Kraft zu allem, denn das Licht des Herrn ist sein Pfad.<br />

danklied<br />

51<br />

Lass mich dich preisen, mein Herr, mein König, dir lobsingen, Gott<br />

meines Heils. Ich will deinem Namen Dank singen.<br />

Denn Beschützer und Helfer bist du für mich geworden, du hast meinen<br />

Leib vom Verderben errettet, aus der Schlinge der bösen Zunge und vor<br />

den Lippen derer, die Lügen erdichten. Vor denen, die mich umstehen, bist du<br />

mein Beistand geworden und hast mich befreit nach der Fülle deines Erbarmens<br />

und der Herrlichkeit deines Namens vor den Bissen derer, die bereit sind,<br />

mich zu verschlingen, aus der Hand jener, die mir nach dem Leben trachteten,<br />

aus vielen Drangsalen, die mich umfingen, aus Feuersnöten rings um mich<br />

und aus Flammengluten, die ich nicht geschürt, aus den Tiefen des Schoßes<br />

der Unterwelt, vor schandbaren Lippen und Erdichtern von Lügen, vor Verleumdung<br />

einer ungerechten Zunge beim König.<br />

Denn nahe schon war ich dem Tod, und mein Leben war herabgestiegen<br />

zu den Toren der Unterwelt. Ich wandte mich nach allen Seiten, doch fand<br />

sich kein Helfer, ich spähte aus nach einer Stütze, aber keine war da. Da gedachte<br />

ich deiner Barmherzigkeit, Herr, und deines Wirkens von Ewigkeit her.<br />

Denn du hilfst denen, die auf dich hoffen, und rettest sie aus den<br />

Händen ihrer Feinde. So erhob ich von der Erde meine Stimme und flehte um<br />

Errettung vom Tod. Ich rief: Herr, mein Vater bist du, mein Gott, mein rettender<br />

Held. Verlasse mich nicht am Tag der Not, zur Zeit der Zornwütigen und<br />

der Verlassenheit.<br />

Lass mich deinen Namen preisen allezeit und dir lobsingen in Dank.<br />

Da wurde mein Gebet erhört. Du hast mich errettet vor dem Untergang, du hast<br />

mich befreit aus schlimmer Zeit. Darum preise ich dich und will dich loben<br />

und will den Namen des Herrn besingen.<br />

373 Sir 0,00–0,00


das buch jesus sirach<br />

gedicht über das suchen nach weisheit<br />

Als ich ein Knabe war, vor meinen Reisen, verlangte ich offen nach<br />

Weisheit im Gebet. Am Tor des Heiligtums lernte ich sie schätzen und will bis<br />

zum Ende nach ihr suchen. In seiner Blüte – wie die Traube, wenn sie sich dunkel<br />

färbt –, freute sich mein Herz an ihr. Mein Fuß ging auf geradem Weg, und<br />

seit meiner Jugend spürte ich ihr nach. Ich lieh ihr kurz mein Ohr, und schon<br />

fand ich Unterweisung in Menge. Mit ihrer Hilfe kam ich voran; den, der mir<br />

Weisheit gegeben hat, will ich verherrlichen. Ich sann darauf, sie zu üben, mit<br />

Eifer suchte ich das Gute und wurde nicht enttäuscht. Mein Herz hat um sie<br />

gerungen, und das Gesetz zu halten, darauf achtete ich. <strong>Die</strong> Hände erhob ich<br />

zum Himmel, und meine Unwissenheit beklagte ich. Ich richtete auf sie meine<br />

Seele, und in Reinheit fand ich sie. Von Anbeginn wandte ich mein Herz auf<br />

sie, so werde ich auch nicht verlassen sein. Mein Inneres erglühte, sie zu schauen,<br />

darum erwarb ich sie als kostbaren Schatz.<br />

Der Herr verlieh mir als Lohn meine Zunge, und mit ihr will ich ihm<br />

danken. So naht euch mir, ihr Unwissenden, und in meinem Lehrhaus haltet<br />

euch auf. Wie lange noch wollt ihr dieses und jenes entbehren, soll euere Seele<br />

denn so durstig bleiben? Ich öffne meinen Mund und rede, unentgeltlich<br />

erwerbt euch Besitz. Beugt eueren Hals unter ihr Joch, euere Seele nehme Zurechtweisung<br />

an, nahe ist sie denen, die sie suchen. Seht es mit eigenen Augen,<br />

wie wenig Mühe ich hatte und wie viel Ruhe ich für mich gefunden habe. Erwerbt<br />

die Lehre für Silber in großer Zahl, ihr werdet viel Gold um ihretwillen<br />

erlangen. Es möge euere Seele sich erfreuen an der Barmherzigkeit des Herrn,<br />

seines Lobes sollt ihr euch nicht schämen. Tut euere Werke vor der Zeit, so<br />

wird er euch den Lohn geben zu seiner Zeit.<br />

Weisheit des Jesus,<br />

des Sohnes Sirachs.<br />

Sir 0,00–0,00<br />

374


375 Sir 0,00–0,00

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!