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atp edition Bedienbilder auf Knopfdruck (Vorschau)

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11 / 2011<br />

53. Jahrgang B3654<br />

Oldenbourg Industrieverlag<br />

Automatisierungstechnische Praxis<br />

<strong>Bedienbilder</strong> <strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong> | 30<br />

Softwareagenten für<br />

das Testmanagement | 40<br />

Kompatibilität: der zentrale<br />

Schlüssel für Nachhaltigkeit | 50<br />

Verfügbarkeitsberechnung von<br />

Automatisierungsnetzwerken | 58


Effiziente Bedienung – optimale Produktion?<br />

Definitiv.<br />

Das ideale Prozessleitsystem liefert dem Anlagenfahrer alle wichtigen Informationen<br />

für schnelle und richtige Entscheidungen. Somit behält er auch in schwierigen<br />

Situationen den Überblick, kann effektiv eingreifen und so Anlagenausfälle vermeiden.<br />

Mit den modernen und besonders ergonomischen Bedienoberflächen<br />

von ABB gibt es keine Alarm- und Informationsüberflutung. Dadurch kann sich<br />

der Anlagenfahrer <strong>auf</strong> das Wesentliche konzentrieren und die Produktivität der<br />

Anlage erhöhen. Wünschen Sie sich auch so eine effiziente Anlagenbedienung?<br />

www.abb.de/controlsystems<br />

ABB Automation GmbH<br />

Tel. +49 69 7930 4142<br />

Fax. +49 69 7930 4499<br />

E-Mail: process.automation@de.abb.com


editorial<br />

Integration – der Schlüssel<br />

zum Leitsystem der Zukunft<br />

Die Prozessleittechnik, für manche die Königsdisziplin der industriellen Automatisierung,<br />

steht nicht mehr so im Mittelpunkt wie noch vor Jahren. Das<br />

mag man beklagen, aber eigentlich ist das ja die Idealvorstellung. Denn die Leittechnik<br />

tritt geräuschlos in den Hintergrund, während sie immer größere Komplexitätsgrade<br />

in der Produktion beherrschen hilft und die Betreiber sich <strong>auf</strong> ihr<br />

Kerngeschäft konzentrieren können.<br />

In den letzten Jahren haben moderne Leitsysteme immer mehr Funktionen<br />

übernommen: Geräteintegration, Diagnose, Anlagenoptimierung, Integration<br />

sicherheitsgerichteter Funktionen, Advanced Process Control, Informationsmanagement,<br />

Alarmmanagement, Virtualisierung, Kopplung mit Business Systemen<br />

und so fort. All das sind heute integrierte Bausteine einer modernen<br />

Leitsystem architektur, die Anlagenbetreibern einen klaren Zusatznutzen verschaffen:<br />

mehr Produktivität und weniger Risiken über den Lebenszyklus der<br />

Komponenten hinweg.<br />

Ein weiterer Baustein ermöglicht die intelligente Nutzung von Energie. Zeitgemäße<br />

Leitsysteme kommunizieren über den IEC 61850 Standard mit der Energietechnik.<br />

Die Vorteile: Auch der Energiebedarf wird optimiert, signifikante<br />

Einsparpotenziale werden im Interesse einer nachhaltigen Produktion möglich.<br />

Mit der FDI-Initiative zur Geräteintegration (Namur-Empfehlung 105) wird eine<br />

weitere wichtige Erkenntnis umgesetzt. Integration muss Zusatznutzen ermöglichen,<br />

aber gleichzeitig unerwünschte Rückwirkungen, insbesondere <strong>auf</strong> die<br />

Kernfunktionen des Leitsystems, ausschließen.<br />

Weniger Schnittstellen in einem integrierten System erhöhen auch die Sicherheit<br />

und verhindern Netzattacken. Konventionell vernetzte Leitsysteme haben<br />

hier einen klaren Nachteil.<br />

Je komplexer und umfassender die Leittechnik, desto wichtiger ihr Werterhalt.<br />

Die Software-Wartung gewährleistet dabei nicht nur die Produktivität der Anlage.<br />

Kontinuierlicher Service zeigt auch Potenziale zur Betriebsoptimierung <strong>auf</strong>.<br />

Neue Bausteine beispielsweise zur Advanced Process Control oder zum Energiemanagement<br />

erhöhen wiederum die Produktivität.<br />

Doch was können künftige Entwicklungen noch leisten? Hier rücken neue<br />

Bedienkonzepte ins Blickfeld. Die jungen Bediener von heute, die Digital Natives,<br />

haben andere Ansprüche. Es ist heute schon schwer, gute Bediener für Anlagen<br />

zu finden, die stundenlang <strong>auf</strong>merksam die Produktion beobachten. Erforderlich<br />

sind deshalb moderne, zeitgemäße Konzepte, die die Aufmerksamkeit erhalten<br />

und den Blick <strong>auf</strong> das Wesentliche lenken.<br />

Auch die kommenden Jahre werden viele neue Anforderungen stellen, bei<br />

deren Lösung Leitsysteme eine entscheidende Rolle spielen werden. Eine sinnvolle<br />

Integration der Funktionen wird das Schlüsselthema einer zukunftsgerichteten<br />

Leitsystemarchitektur sein.<br />

Dr. Peter Terwiesch,<br />

Vorstandsvorsitzender der ABB AG<br />

und Leiter der Region Zentraleuropa<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

3


Inhalt 11 / 2011<br />

Verband<br />

8 | Hans Heinz Zimmer als Vorstand des<br />

europäischen Ingenieurverbands bestätigt<br />

Dechema ehrt Alfred Pühler und Jens Weitkamp<br />

Esco Forum im ZVEI und NRW-Landesstelle<br />

des Verbandes bestimmen neue Vorstände<br />

Forschung<br />

9 | Thomas Bauernhansl leitet das Institut für Produktionstechnik<br />

DKE unterstützt Diplomarbeiten zu Branchentrends<br />

Deutschland führend in der Mikrosystemtechnik<br />

branche<br />

10 | Elektrische Prozessautomation erreicht ein Plus<br />

von 15 Prozent – gedämpfte Zuversicht für 2012<br />

Robotik und Automation erwarten neue Rekorde<br />

Wireless: <strong>auf</strong> dem Weg zu einheitlichen Standards<br />

11 | FDI Cooperation soll eine gemeinsame und<br />

einheitliche Integrationstechnologie vorantreiben<br />

Innovationspreis für Sensorik und Messtechnik<br />

12 | Normung als Schlüsselfaktor: aktiv mitwirken,<br />

intensiv kooperieren und gemeinsam gestalten<br />

14 | Erst die richtige Kombination explosions geschützter<br />

Elektogeräte macht Anlagen sicher<br />

18 | Redundanzmodule überwachen Stromversorgung<br />

ab Ausgangsspannung bis zur Verdrahtung<br />

4<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Praxis<br />

20 | Füllstand von Flachmännern wird im<br />

Durchlicht-Verfahren effizient kontrolliert<br />

24 | Durchgängige Softwarelösung von der<br />

Produktion bis zur Qualitätssicherung<br />

28 | Software zur Prozessmodellierung<br />

vereinfacht den Übergang von Pilotphase<br />

zu kommerzieller Anlage<br />

Hauptbeiträge<br />

30 | <strong>Bedienbilder</strong> <strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong><br />

F. Doherr, L. Urbas, O. Drumm und V. Franze<br />

40 | Softwareagenten für das Testmanagement<br />

M. Nadj, C. Malz, N. Jazdi und P. Göhner<br />

50 | Kompatibilität: der zentrale Schlüssel<br />

für Nachhaltigkeit<br />

R. Schrieber, M. Wollschlaeger, M. Mühlhause<br />

und J. Niemann<br />

58 | Verfügbarkeitsberechnung von<br />

Automatisierungsnetzwerken<br />

Karl-Heinz Niemann<br />

rubriken<br />

3 | Editorial<br />

66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong>


VigilantPlant:<br />

das Automatisierungskonzept von Yokogawa<br />

Im Sinne der klassischen Automatisierungspyramide<br />

stellen die vier Initiativen von VigilantPlant Ihren<br />

Weg zur Operational Excellence sicher.<br />

Yokogawa Deutschland GmbH · Broichhofstraße 7-11 · D-40880 Ratingen<br />

Telefon +49(0)2102- 4983-0 · Telefax +49(0)2102- 4983-22 · www.yokogawa.com/de · info@de.yokogawa.com


verband<br />

Hans Heinz Zimmer als Vorstand des<br />

europäischen Ingenieurverbands bestätigt<br />

Der Vorstandsvorsitzende des VDE (Verband der<br />

Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.)<br />

Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer ist für weitere drei Jahre in<br />

den Vorstand der Europäischen Vereinigung nationaler<br />

Ingenieurverbände (FEANI) gewählt worden. Dies beschloss<br />

die Generalversammlung des internationalen<br />

Verbandes Anfang September in Genf.<br />

Als Präsident bestätigten die FEANI-Mitglieder den<br />

Dänen Lars Bytoft. Er ist für eine zweite Amtszeit von<br />

drei Jahren gewählt worden. Vizepräsident ist Dr. Rafael<br />

Fernandez Aller aus Spanien. Den weiteren Vorstand<br />

neben Hans Heinz Zimmer bilden Prof. Dr. Karl Gotlih<br />

(Slowenien), Prof. Eng. José Manuel Pereira Vieira (Portugal),<br />

Jonathan Layton Prichard (Großbritannien), Peter<br />

Reichel (Österreich), Daniel Ameline<br />

(Frankreich) und Dr.-Ing. Roberto<br />

Brandi (Italien).<br />

Im kommenden Jahr tritt Mazedonien<br />

dem Verband FEANI bei. Prof. Dr.<br />

Alexander Dimitrov repräsentiert<br />

dann den nationalen ingenieurwissenschaftlichen<br />

Verband IMI (Engineers’<br />

Institution of Macedonia).<br />

Hans Heinz<br />

Zimmer Bild: VDE<br />

VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK<br />

ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V.,<br />

Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com<br />

Dechema ehrt Alfred Pühler und Jens Weitkamp<br />

Mit ihrer höchsten Ehrung würdigt die Dechema Gesellschaft<br />

für Chemische Technik und Biotechnologie<br />

e.V. sowohl Prof. Dr.-Ing. Jens Weitkamp als auch Prof.<br />

Dr. Alfred Pühler. Ihnen wurde im Rahmen des 8th European<br />

Congress of Chemical Engineering am 25. September<br />

in Berlin die Ehrenmitgliedschaft verliehen.<br />

Für den Einsatz zur Entwicklung der modernen Biotechnologie<br />

in Deutschland und die Etablierung der Technologie<br />

in der Dechema erhält Alfred Pühler die Auszeichnung.<br />

Er engagierte sich bei der Gründung der Fachsektion<br />

Biotechnologie sowie der Einführung neuer Arbeitsgebiete.<br />

Im Jahre 2008 erhielt der Physiker bereits die<br />

Dechema-Medaille für außerordentliche Verdienste. Das<br />

Bundesverdienstkreuz erhielt er ein Jahr später für sein<br />

Wirken als Wissenschaftler und für die Gesellschaft. Jens<br />

Weitkamp erhält die Ehrenmitgliedschaft in Würdigung<br />

seines erfolgreichen Einsatzes für die Zeolith- und Katalyseforschung,<br />

sein Wirken im Dechema-Vorstand und der<br />

Etablierung von ProcessNet. Er trug dazu bei, der Zeolith-<br />

Forschung bedeutendes Ansehen zu verleihen. Dabei war<br />

ihm die Verknüpfung von Grundlagenforschung und industrieller<br />

Anwendung stets wichtig. Der Chemiker besitzt<br />

bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen.<br />

DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik<br />

und Biotechnologie e.V.,<br />

Theodor-Heuss-Allee 25, D-60486 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 756 40<br />

Esco Forum im ZVEI und NRW-Landesstelle<br />

des Verbandes bestimmen neue Vorstände<br />

Gewählt: Marcus<br />

Bort, Jobst Klien und<br />

Peter Köhler (v.l.n.r.).<br />

Bilder: ZVEI/Weidmüller<br />

Das „Esco Forum“ im ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik-<br />

und Elektronikindustrie e. V.) hat einen neuen Vorstand.<br />

Die Vorsitzenden sind Marcus Bort (EnBW Energy<br />

Solutions) und der im Amt bestätigte Dr. Jobst Klien (Hochtief<br />

Energy Management). Im „Esco Forum“ sind Energiedienstleister<br />

und Contracting-Unternehmen organisiert. Der<br />

Schwerpunkt liegt hier bei der Energieeffizienz. Zum siebenköpfigen<br />

Vorstand gehören ebenfalls Rüdiger Peter<br />

Quint (Gasag Wärmeservice), Peter Eilers (Imtech),<br />

Dr. Karl Gerhold (Getec), Dr. Reiner Lübke (MVV) und<br />

Norbert Speckmann (Cofely). „Der Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien und der Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur<br />

zu intelligenten Netzen sind für die Energiewende<br />

wesentlich. In der Energieeffizienzsteigerung bestehen<br />

enorme Potenziale, die sich kurzfristig realisieren lassen“,<br />

so der neue Vorsitzende Bort. In das Energiesystem der<br />

Zukunft müssen viele Akteure einbezogen werden. Sie<br />

sind keine passiven Abnehmer von Endenergie mehr,<br />

sondern partizipieren als Investoren an Effizienztechnik<br />

und dezentralen Systemen.<br />

Einen neuen Vorstand gibt es auch in der Landesstelle<br />

Nordrhein-Westfalen des ZVEI. Dr. Peter Köhler, Vorstandssprecher<br />

des Industrial-Connectivity-Herstellers<br />

Weidmüller, wurde in das Amt gewählt.<br />

ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und<br />

Elektronikindustrie e. V.,<br />

Lyoner Str. 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 22, Internet: www.zvei.org<br />

8<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


forschung<br />

Thomas Bauernhansl leitet das<br />

Institut für Produktionstechnik<br />

Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl übernimmt mit<br />

Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl die Führung des<br />

Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung<br />

IPA in Stuttgart. Zudem wird Bauernhansl<br />

das Universitätsinstitut für Industrielle Fertigung und<br />

Fabrikbetrieb (IFF) leiten.<br />

Der neue Leiter Bauernhansl unterhält gute Beziehungen<br />

zu Industrie und Forschung. Nach seiner Promotion am<br />

Lehrstuhl für Produktionssystematik des Laboratoriums für<br />

Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH<br />

Aachen arbeitete der heute 42-Jährige bei der Freudenberg<br />

KG. Dort bekleidete er den Posten als Geschäftsführer im<br />

Bereich Werkzeugbau und schließlich als Sprecher der Geschäftsführung.<br />

Zuletzt war er als Leiter Global Process<br />

Technology für die Produktionsführung in über 50 Standorten<br />

verantwortlich. Dort befasste er sich mit der Standortund<br />

Fabrikplanung, der Produktionsverlagerung und dem<br />

Anl<strong>auf</strong>management neuer Produkte, sowie der Investitionsplanung<br />

und Herstellung der Formgebungswerkzeuge.<br />

Bauernhansl folgt Prof. Engelbert Westkämper, der in<br />

den Ruhestand geht. Westkämpers wissenschaftliche<br />

Schwerpunkte lagen im Bereich Digitale<br />

und Virtuelle Produktion, Advanced<br />

Industrial Engineering, intelligente<br />

Produktionssysteme und<br />

Life Cycle Management.<br />

Auf europäischer Ebene erlangte<br />

Westkämper großen Einfluss als<br />

Gründungsmitglied der Expertengruppe<br />

„Future Manufacturing<br />

Technology – Manufuture“. Nach<br />

Thomas Bauernhansl<br />

übernimmt<br />

das Fraunhofer-IPA<br />

in Stuttgart.<br />

Bild: Fraunhofer.<br />

seiner Emeritierung will Westkämper weiter an EU-Programmen<br />

mitwirken.<br />

In Stuttgart profitiert man nun von den neuen Ideen<br />

von Thomas Bauernhansl. Er will dank seiner internationalen<br />

Erfahrung der anwendungsorientierten Forschung<br />

entscheidende Impulse geben.<br />

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung<br />

der angewandten Forschung e.V.,<br />

Hansastraße 27c, D-80686 München,<br />

Tel. +49 (0) 89 120 50, Internet: www.fraunhofer.de<br />

DKE unterstützt Diplomarbeiten zu Branchentrends<br />

Die DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik<br />

Informationstechnik im DIN und VDE (VDE | DKE)<br />

unterstützt Abschlussarbeiten, die sich mit Elektromobilität,<br />

technischen Assistenzsystemen (Ambient Assisted<br />

Living) oder Smart Grid befassen. Das Sience-to-Standards-Programm<br />

(STS) der DKE bietet Studierenden deutscher<br />

Hochschulen ein halbjähriges Stipendium und<br />

Kontakte zu Experten aus der Industrie. Die Stipendiaten<br />

erhalten überdies die Möglichkeit, Einsicht in die Erarbeitung<br />

von Normen und Standards zu nehmen.<br />

Teilnahmeberechtigt sind Diplom-, Bachelor-, oder Masterarbeiten,<br />

in denen die Autoren analysieren, inwieweit<br />

strategisch ausgerichtete Normungsvorhaben die Entwicklung<br />

und Markteinführung von elektrotechnischen<br />

Systemen und Produkten fördern können. Das Sience-to-<br />

Standards-Programm startete bereits 2009 mit dem Ziel,<br />

technologische Trends kontinuierlich zu beobachten.<br />

Gleichfalls legen die Initiatoren großen Wert <strong>auf</strong> die<br />

Vernetzung zwischen Forschung und Industrie an deutschen<br />

Hochschulen.<br />

Weitere Informationen erhalten Interessenten unter<br />

der E-Mail-Adresse: standardisierung@vde.com<br />

DKE Deutsche Kommission<br />

Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik<br />

im DIN und VDE,<br />

Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.dke.de<br />

Deutschland führend in der Mikrosystemtechnik<br />

Mikrosystemtechnik wird in den kommenden Jahren in<br />

Deutschland neue Arbeitsplätze schaffen und einen<br />

wachsenden Anteil an der Wertschöpfung haben. Das ist<br />

das Ergebnis einer Studie von Prognos, die <strong>auf</strong> dem 4. Mikrosystemtechnikkongress<br />

in Darmstadt Mitte Oktober vorgestellt<br />

wurde. Bis zum Jahr 2020 wird demnach die Zahl der<br />

direkt oder indirekt mit der Mikrosystemtechnik verbundenen<br />

Arbeitsplätze um mehr als ein Viertel von derzeit<br />

754 000 <strong>auf</strong> 963 000 steigen. Der Marktanteil Deutschlands<br />

am weltweiten Gesamtumsatz der Mikrosystemtechnik<br />

dürfte von derzeit 19 <strong>auf</strong> 21 Prozent wachsen.<br />

Wolf-Dieter Lukas, Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien<br />

im Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) sieht die Forschungsförderung als we­<br />

sentlichen Innovationstreiber. Sie soll, so der Abteilungsleiter,<br />

zukünftig noch ausgebaut werden.<br />

Trotz des fortgeschrittenen Reifegrads der Mikrosystemtechnik<br />

widmeten sich die Beiträge <strong>auf</strong> dem Kongress<br />

den technologischen Grundlagen, also Materialien und<br />

Mikrofertigungsverfahren. An diesen Grundlagen werde,<br />

laut VDE, ständig weiter gearbeitet. Besonderen Auftrieb<br />

für die Mikrosystemtechnik erwartet die Branche in<br />

Entwicklungserfolg-abhängigen Bereichen wie Energieeffizienz,<br />

E-Mobility und Smart Grids.<br />

VDI | VDE Innovation + Technik GmbH,<br />

Steinplatz 1, D-10623 Berlin, Tel. +49 (0) 30 310 07 80,<br />

Internet: www.mikrosystemtechnik-kongress.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

9


anche<br />

Elektrische Prozessautomation erreicht ein Plus<br />

von 15 Prozent – gedämpfte Zuversicht für 2012<br />

Die elektrische Prozessautomation zeigt sich bislang<br />

unbeeindruckt von den wirtschaftlichen Turbulenzen:<br />

„Wir rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum<br />

von knapp 15 Prozent bei den weltweiten Auftragseingängen“,<br />

sagte Michael Ziesemer, Vorsitzender des Fachbereichs<br />

Messtechnik und Prozessautomatisierung. Für<br />

2012 erwartet er eine weitere Zunahme der Auftragseingänge<br />

im mittleren einstelligen Bereich – „falls nicht die<br />

Finanzmärkte noch dunkle Wolken herüberschicken“.<br />

Bei den Abnehmerbranchen sei das Wachstum breit<br />

abgestützt. „Die Wachstumsspitzen liegen in den Branchen<br />

rund um die Energieträger Öl und Gas sowie erneuerbare<br />

Energien. Dem gegenüber liegt das Geschäft in der<br />

Chemie noch zurück. Insbesondere die Geschäftsbereiche<br />

Instrumentierung und das Systemgeschäft sorgen<br />

zurzeit für die gute Entwicklung“, so Ziesemer.<br />

Der ZVEI ist zuversichtlich, dass trotz der Euro-Schuldenkrise<br />

die gesamte deutsche Elektronindustrie auch<br />

im nächsten Jahr weiter wachsen wird. Verbandspräsident<br />

Friedhelm Loh: „2012 dürften wir ein Produktionsplus<br />

von fünf Prozent schaffen – wenn die Staaten vor<br />

allem in Europa ihre Schuldenprobleme in den Griff<br />

bekommen.“ Für 2011 Jahr schätzt der ZVEI, dass die<br />

Elektroindustrie ein Produktionsplus in Höhe von zehn<br />

Prozent und damit wieder mehr als 180 Milliarden Euro<br />

Umsatz erzielt. Unterdessen wächst die deutsche Elektroindustrie<br />

weiter und beschleunigt das Tempo sogar<br />

wieder. Im August seien die Auftragseingänge der Branche<br />

um sechs Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. Sowohl<br />

die Auslands- als auch die Inlandsbestellungen<br />

hätten im August um sechs Prozent zugelegt.<br />

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />

Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org<br />

Robotik und Automation erwarten neue Rekorde<br />

Für 2011 erwartet der VDMA-Fachverband Robotik und<br />

Automation einen Rekordumsatz. Er soll um 37 Prozent<br />

<strong>auf</strong> 10,3 Milliarden Euro steigen, wie Geschäftsführer<br />

Thilo Brodtmann betont. Für 2012 geht der Verband von<br />

weiterem Wachstum aus. Denn die anhaltend starke Zunahme<br />

der Auftragseingänge in den ersten sieben Mona-<br />

9,3 6,2 7,5 10,3 11,1<br />

2008 2009 2010 2011<br />

(Prognose)<br />

2012<br />

(Prognose)<br />

Höhenflug:<br />

Der VDMA<br />

Robotik und<br />

Automation<br />

erwartet<br />

deutliche<br />

Steigerungen.<br />

(Quelle: VDMA)<br />

ten des Jahres 2011 sichere 2012 ein weiteres Umsatzwachstum<br />

von sieben Prozent <strong>auf</strong> 11,1 Milliarden Euro.<br />

Es werde allerdings erwartet, dass die Dynamik bei den<br />

Auftragseingängen in den kommenden Monaten zyklisch<br />

bedingt nachlasse. Unsicherheitsfaktoren seien die Schuldenkrise<br />

und die Verwerfungen <strong>auf</strong> den Finanzmärkten.<br />

2011 dürften alle drei Teilbranchen Rekorde erzielen:<br />

Der Umsatz von Montage- und Handhabungstechnik<br />

werde 2011 sechs Milliarden Euro überschreiten (plus<br />

42 Prozent). Die Robotik soll 2,7 Milliarden Euro (plus<br />

38 Prozent) erreichen. Der Umsatz der industriellen Bildverarbeitung<br />

werde sich um weitere 20 Prozent <strong>auf</strong><br />

1,5 Milliarden Euro erhöhen.<br />

VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN-<br />

UND ANLAGENBAU E.V.<br />

Lyoner Straße 18, D-60528 Frankfurt/Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 660 30, Internet: www.vdma.org<br />

Wireless: <strong>auf</strong> dem Weg zu einheitlichen Standards<br />

Die Namur-Empfehlung 133 „Wireless Sensor Netzwerke:<br />

Anforderungen an die Konvergenz der verfügbaren<br />

Standards“ ist nun in einer zweiten Version verfügbar.<br />

Darin werden unter anderem die Anwenderanforderungen<br />

an den aktuellen Stand der Technik angepasst,<br />

ergänzende Anforderungen an physikalische Netze sowie<br />

Security-Maßnahmen und Verfügbarkeitsanforderungen<br />

formuliert und die Ergänzungen der chinesischen<br />

WIA Alliance berücksichtigt. Damit reagiert die<br />

Namur <strong>auf</strong> die Fortschritte in den Bemühungen um einen<br />

einheitlichen Standard für drahtlose Sensornetzwerke.<br />

Die NE 133 war in einer ersten Version 2010 veröffentlicht<br />

worden als Reaktion <strong>auf</strong> die drohende Konkurrenz<br />

von inzwischen drei Standards für drahtlose Sensornetzwerke.<br />

Beteiligt waren daran auch die WIB, ISA,<br />

Hart Communication Foundation und Hersteller von<br />

WirelessHart wie auch von ISA-SP100-Produkten.<br />

Mit der zweiten Version der NE 133 ist erstmals eine<br />

Namur-Empfehlung auch in Chinesisch verfügbar. Damit<br />

will die Namur unterstreichen, dass an einer Einigung<br />

<strong>auf</strong> globaler Ebene alle Betroffenen beteiligt sein sollten.<br />

NAMUR – GESCHÄFTSSTELLE,<br />

c/o Bayer Technology Services GmbH,<br />

Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,<br />

Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de<br />

10<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


FDI Cooperation soll eine gemeinsame und<br />

einheitliche Integrationstechnologie vorantreiben<br />

Die fünf Interessenverbände FDT Group, Fieldbus<br />

Foundation, Hart Communication Foundation, Profibus<br />

& Profinet International und OPC Foundation haben<br />

eine einheitliche Lösung für die Feldgeräteintegration<br />

(Field Device Integration, FDI) entwickelt und nun eine<br />

gemeinsame Firma gegründet, um ihre Anstrengungen<br />

in diesem Rahmen fortzusetzen. Die FDI Cooperation,<br />

LLC soll für für das Management einer gemeinsamen<br />

und einheitlichen Lösung für die Feldgeräteintegration<br />

(FDI) zuständig sein.<br />

Vertreter aller beteiligten Organisationen haben kürzlich<br />

die entsprechenden Verträge untezeichnet. Die FDI<br />

Cooperation wird von einem Vorstand geführt, der sowohl<br />

aus Vertretern der beteiligten Organisationen als<br />

auch Managern weltweit führender Leitsystem- und Gerätehersteller<br />

wie ABB, Emerson, Endress+Hauser, Honeywell,<br />

Invensys, Siemens und Yokogawa besteht.<br />

Hans-Georg Kumpfmüller von Siemens übernimmt die<br />

Position des Vorstandsvorsitzenden. Achim Laubenstein<br />

von ABB wurde zum Geschäftsführer ernannt.<br />

Die Organisation hat sich folgende Ziele gesetzt:<br />

Abschluss der Standardisierung von FDI in der IEC<br />

Betreuung der FDI-Spezifikation<br />

Fertigstellung der FDI-Toolkits für System- und<br />

Gerätehersteller<br />

Das FDI-Projekt wurde im Jahre 2007 ins Leben gerufen und<br />

seitdem in Richtung der konvergierten FDI-Lösung voran-<br />

Nach getaner Arbeit, v.l.n.r.: Rich Timoney (Fieldbus<br />

Foundation), Jörg Freitag (Profibus & Profinet International),<br />

Thomas Burke (OPC Foundation), Glenn Schulz (FDT Group)<br />

und Ron Helson (Hart Communication Foundation) unterzeichneten<br />

die Verträge zur Gründung der FDI Cooperation. Foto: FDI<br />

getrieben. FDI bezeichnet eine einheitliche Lösung, die<br />

einfache und komplexe Feldgeräte einschließt und den verschiedenen<br />

Aufgaben in allen Lifecycle-Phasen dieser Geräte<br />

Rechnung trägt.<br />

FDI Cooperation LLC,<br />

c/o Hans-Georg Kumpfmüller,<br />

Östliche Rheinbrückenstrasse 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel.: +49 (721) 595 45 60,<br />

Internet: www.fdi-cooperation.com<br />

Innovationspreis für Sensorik und Messtechnik<br />

Noch bis zum 16. Januar können Bewerbungen für den<br />

AMA-Innovationspreis 2012 eingereicht werden. Mit<br />

dieser Auszeichnung würdigt der AMA Fachverband für<br />

Sensorik innovative, wissenschaftliche Entwicklungen<br />

mit erkennbarem Marktansatz aus den Bereichen Sensorik<br />

und Messtechnik. Bewerben können sich Einzelpersonen<br />

und Entwicklerteams mit innovativen, herausragenden<br />

Forschungs- und Entwicklungsleistungen. Dotiert<br />

ist der Preis mit 10 000 Euro.<br />

Der AMA-Innnovationspreis wird seit zwölf Jahren für<br />

außergewöhnliche Forschungs- und<br />

Entwicklungsleistungen verliehen<br />

und gilt als einer der renommiertesten<br />

Preise in Sensorik und Messtechnik.<br />

„Viele unserer Bewerber bestätigten<br />

uns, dass sie bereits als Nominierte<br />

des Innovationspreises interessante<br />

Investorengespräche führen<br />

konnten“, sagt AMA-Geschäftsführer<br />

Thomas<br />

Simmons: Der<br />

Innovationspreis<br />

öffnet Türen zu<br />

Investoren.<br />

Bild: AMA<br />

Thomas Simmons. Damit dient der<br />

Innovationspreis auch als Sprungbrett<br />

aus den Entwicklungslaboren<br />

hinein in die Anwenderindustrien.<br />

Die Jury besteht aus Wissenschafts-<br />

und Wirtschaftsvertretern,<br />

die sowohl die wissenschaftliche<br />

Leistung, als auch die Marktchancen beurteilen. Den<br />

Vorsitz führt Professor Andreas Schütze von der Universität<br />

des Saarlandes. Die Preisverleihung erfolgt zur Eröffnung<br />

der Messe Sensor+Test 2012 in Nürnberg.<br />

AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.<br />

Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,<br />

Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20, Internet: www.ama-sensorik.de<br />

Analoge oder digitale Schnittstellen<br />

Redundant, CANopen Safety SIL2<br />

1 oder 2 Messachsen<br />

www.twk.de<br />

Neigungssensoren<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

11


anche<br />

Normung als Schlüsselfaktor: aktiv mitwirken,<br />

intensiv kooperieren und gemeinsam gestalten<br />

China verfügt bereits über eine eigene Normungs-Infrastruktur <strong>auf</strong> und engagiert sich international<br />

Technische Automation Regelsetzung & Drives <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik in China<br />

Zuständig für die<br />

Automatisierungtechnik:<br />

In China ist die Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet<br />

der Automatisierungstechnik an die ITEI<br />

delegiert. Dieses „Technology & Economy<br />

Instrumentation Institute“ befasst sich<br />

mit Forschung, Prüfung, Zertifizierung<br />

und Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der<br />

Automatisierungstechnik.<br />

(BJ,Sep.2011 SLC I IA AS BU GMO Prof.Hui ,Dunyan)<br />

SAC handelt als<br />

Gesetzgeber und<br />

Verwalter für<br />

technischen<br />

Regelsetzung<br />

in China<br />

CSBTS/CSAS SAC<br />

Standardization Administration of China<br />

TC124/ ITEI-<br />

TC 124 & TC 338 im ITEI<br />

Technology&Economy<br />

& Economy<br />

Instrumentat<br />

Instrumentation<br />

ion<br />

Institute<br />

Institute<br />

(IEC (spiegelt TC65 IEC & IEC TC TC66) 65, IEC TC<br />

66 und ISO TC30)<br />

Planung und Verabschiedung<br />

von GB-, GB/T- und GB/Z-Normen<br />

Staatsrat<br />

Mitteilungen über veröffentlichte<br />

JB/T-Normen<br />

Anträge für GB-, GB/Tund<br />

GB/Z-Normen<br />

MIIT<br />

Ministerium of Industry and<br />

Information Technology of China<br />

C M I F<br />

China Machinery Industry<br />

Federation<br />

TC124/ TC124/<br />

ITEI<br />

Weitere<br />

Institute<br />

CAMETA<br />

Planung und Verabschiedung von JB/T-Normen (z.B. für den<br />

Maschinenbau), Vorschläge für GB-, GB/T- und GB/Z-Normen<br />

Die Automatisierungstechnik hat sich in den letzten 40<br />

Jahren zu einer Schlüsseltechnologie unter anderem<br />

der Verfahrens- und Fertigungstechnik entwickelt. Sie ist<br />

zum Rückgrat der industriellen Produktion und Motor<br />

vieler Innovationen geworden. Sie verbessert die Qualität<br />

von Produkten und macht die Anlagen für deren Herstellung<br />

sicherer, energieeffizienter und produktiver.<br />

Gerade China als <strong>auf</strong>strebendes Land ist <strong>auf</strong> die Ergebnisse<br />

dieser Entwicklung angewiesen. Der Fortschritt der<br />

Mikroelektronik war eine wichtige Voraussetzung, aber<br />

auch die Normung spielte eine nicht zu unterschätzende<br />

Rolle. Das wird in Zukunft auch für die „digitale Fabrik“<br />

gelten, die zurzeit in aller Munde ist. Zweifellos stehen wir<br />

hier am Anfang einer neuen Entwicklung. Wie schnell sie<br />

voranschreiten und an Bedeutung gewinnen wird, wird<br />

davon abhängen, ob es gelingt, Normen für ein universelles<br />

Datenmodell zu schaffen und am Markt durchzusetzen.<br />

Und hierbei gilt: Wer die Norm setzt, hat den Markt.<br />

SAC TC 124 ALS SPIEGELKOMITEE ZUR IEC TC 65<br />

Die internationale Normung der Automatisierungstechnik<br />

bildet den Arbeitsbereich des technischen Komitees TC 65<br />

„Industrial-Process Measurement and Control“ der Internationalen<br />

Elektrotechnischen Kommission IEC. Das chinesische<br />

Spiegelkomitee hierzu, SAC TC 124, wurde 2001<br />

gegründet. Es verfolgt die Arbeit des IEC TC 65 nicht nur<br />

mit großer Aufmerksamkeit, sondern arbeitet auch durch<br />

Entsendung chinesischer Experten aktiv hierin mit.<br />

Doch wie ist die Normung in China organisiert?<br />

Je nach Bereich, in dem eine Norm gilt, werden diese in<br />

folgende Klassen eingeteilt:<br />

nationale Norm (GB); sie gilt in ganz China in<br />

allen in Frage kommenden Technologiegebieten<br />

Branchennorm; sie gilt in ganz China, aber nur<br />

für eine bestimmte Industriebranche<br />

Lokalnorm; sie gilt nur in einer bestimmten<br />

Provinz Chinas<br />

Werksnorm, sie gilt nur in einem bestimmten<br />

Unternehmen<br />

VOM GESETZESCHARAKTER BIS ZUR EMPFEHLUNG<br />

Die nationalen Normen wiederum unterteilen sich nach<br />

der Verbindlichkeit, mit der sie anzuwenden sind, in:<br />

GB, sie haben den gleichen Stellenwert wie Gesetze.<br />

Die Exekutive setzt ihre Anwendung durch. Hierzu<br />

gehören Vorschriften für Medikamente und Lebensmittel,<br />

aber auch Sicherheitsvorschriften für<br />

elektrische Geräte, wie zum Beispiel die chinesische<br />

Übernahme der IEC 61010 für die Sicherheit<br />

von MSR-Geräten (in Deutschland ist dies die Normenreihe<br />

DIN EN 61010 (VDE 0411))<br />

GB/T, sie haben Empfehlungscharakter<br />

GB/Z, Anleitungsdokument zur versuchsweisen Anwendung,<br />

ähnlich wie eine IEC Publicly Available<br />

Specification oder eine deutsche Vornorm<br />

Die Normung in China obliegt SAC, der Standardisation Administration<br />

of China, die direkt dem Staatsrat untersteht,<br />

siehe auch (1). Mit der Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik<br />

hat sie ITEI be<strong>auf</strong>tragt (Technology & Economy<br />

Instrumentation Institute). Dort findet automatisierungstechnische<br />

Normung in den Komitees SAC TC 124 und<br />

SAC TC 338 statt. Nur diese arbeiten GB-, GB/T- und GB/Z-<br />

Normen <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik aus.<br />

PROFIBUS-NORM GILT ALS MUSTERBEISPIEL<br />

Zu den Arbeitsgebieten von ITEI gehören Forschung, Prüfung,<br />

Zertifizierung und Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der<br />

12<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Automatisierungstechnik. Die zugehörigen Abläufe in der<br />

technischen Regelsetzung sind in der Grafik dargestellt.<br />

Nach dem Ende des sogenannten Feldbuskrieges bei der<br />

IEC galt es auch in China, aus der verfahrenen Situation<br />

sinnvolle Handlungsanleitungen zu gewinnen. SAC TC 124<br />

befasste sich mit dieser strategischen Aufgabe. Als Ergebnis<br />

wurde IEC 61158/61784 Typ 3 (Profibus) in eine chinesische<br />

Norm überführt. 2006 verabschiedete SAC die entsprechende<br />

GB/T 20540.1-6.-2006. Dieses Projekt gilt in China als<br />

Musterbeispiel für die Zusammenarbeit von Regierung, Normungsorganisation,<br />

Universitäten, Forschungsinstituten,<br />

Herstellern und Anwendern. Auch die PNO war hieran beratend<br />

beteiligt. Der chinesische Markt konnte an dem Technologiesprung,<br />

den die Einführung moderner industrieller<br />

Kommunikationstechnik mit sich brachte, teilhaben und<br />

die Wettbewerbsfähigkeit des Landes somit gestärkt werden.<br />

Seitdem schritt die Arbeit im ITEI voran und wurde so<br />

ausgeweitet, dass heute folgende Komitees der IEC und<br />

ISO betreut werden:<br />

IEC TC 65 „Industrial-process measurement,<br />

control and automation”<br />

IEC TC 66 „Safety of measuring, control and<br />

laboratory equipment”<br />

IEC TC 76 „Optical radiation safety and laser<br />

equipment”<br />

IEC TC 85 „Measuring equipment for electrical<br />

and electromagnetic quantities“<br />

ISO TC 30 „Measurement of fluid flow in closed<br />

conduits“<br />

ISO TC 172 „Optics and photonics“<br />

ISO TC 184 „Automation systems and integration“<br />

STÄNDIGER SITZ IM VORSTAND DER ISO<br />

Die aktive Mitwirkung Chinas an der internationalen<br />

Normung durch Entsendung von Experten konnte in<br />

jüngster Zeit erfreulich ausgeweitet werden. Ebenso wurden<br />

zahlreiche Normungsvorschläge bei IEC und ISO<br />

eingereicht (sogenannte new work item proposals), von<br />

denen 66 bereits zu einer Internationalen Norm geführt<br />

haben. Demnächst wird voraussichtlich auch die<br />

IEC 62601 dazugehören, eine Norm zur drahtlosen Kommunikation<br />

in der Prozessautomation (WIA-PA), die sich<br />

gerade in der Schlussabstimmung bei IEC befindet (2). Zur<br />

Zeit sind 35 Sekretariate von IEC- oder ISO-Komitees in<br />

China angesiedelt, seit 2008 nimmt China zudem einen<br />

ständigen Sitz im Vorstand der ISO ein.<br />

Vor kurzem hat China den zwölften Fünfjahresplan<br />

verabschiedet. Für die industrielle Automatisierungstechnik<br />

wurden in folgenden Bereichen Ziele definiert:<br />

Ethernet-basierte Kommunikationstechniken als<br />

Ergänzung zu den klassischen Feldbussen<br />

drahtlose Kommunikation – funktionale Sicherheit,<br />

insbesondere Absicherung von Produktionsanlagen<br />

IT-Sicherheit (Security), darunter Absicherung von<br />

Netzwerken<br />

intelligente Feldgeräte<br />

digitale Fabrik, hier insbesondere Integrationstechniken<br />

Energieeffizienz<br />

STILLSTAND IST RÜCKSCHRITT<br />

SAC TC 124 wird diese Themen in einer ganzheitlichen<br />

Strategie zusammenführen – eine herausfordernde Aufgabe.<br />

In China ist man der Ansicht, dass beim Erfahrungsaustausch<br />

mit internationalen Partnern beide Seiten profitieren<br />

können. SAC TC 124 wird deshalb weiterhin<br />

Experten in internationale Gremien entsenden und ist<br />

besonders an einer Zusammenarbeit mit deutschen Partnern,<br />

zum Beispiel VDE/DKE und Namur interessiert.<br />

Es ist meine Überzeugung, dass wir dabei gemeinsam<br />

gewinnen können. Denn wie sagt man doch in Deutschland<br />

so treffend: „Stillstand ist Rückschritt.“<br />

Danksagung<br />

Mein besonderer Dank gilt Herrn Ingo Rolle,<br />

Referent der DKE, und Herrn Roland Heidel,<br />

Vor sitzender IEC TC65 und Standards & Regulation<br />

Manager Siemens I IA und DT, für die wertvolle<br />

Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Beitrages.<br />

LITERATUR<br />

Autor<br />

(1) Deutsch-Chinesisches<br />

Normen informationsportal<br />

www.standards-portal.de/<br />

web_de/ueber_sac<br />

(2) Jinsong Ouyang und Liu Dan:<br />

WIA-PA: A new standard for<br />

wireless communication,<br />

<strong>atp</strong> 5/2011<br />

Prof. Dun Yan Hui, Mitglied von SAC TC 124,<br />

Senior Automation Adviser of Siemens Ltd.<br />

China, lehrt an der Southwest University in<br />

Chongqing, China<br />

Siemens Ltd., China I IA AS&SE BU GMO<br />

7, Wangjing Zhonghuan Nanlu, Chaoyang District,<br />

P.O.Box 8543, Beijing 100102, P.R. China,<br />

Tel. +86 10 64 76 37 14, E-Mail: dunyan.hui@siemens.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

13


anche<br />

Erst die richtige Kombination explosions geschützter<br />

Elektogeräte macht Anlagen sicher<br />

Geräte lassen sich durch regen Informationsaustausch optimal zuordnen<br />

Installateur bei<br />

der Anlagenmontage:<br />

Er kann<br />

die Anlage nur dann<br />

sicher planen, wenn<br />

er die grundsätzlichen<br />

Unterschiede<br />

der Zündschutzarten<br />

kennt. Fotos:<br />

Bartec GmbH<br />

Die Einteilung explosionsgeschützter elektrischer Geräte<br />

in Gerätekategorien (Richtlinie 94/9/EG) und Geräteschutzniveaus<br />

(nach DIN EN 60079-0 (VDE 0170):2010)<br />

systematisiert und erleichtert grundsätzlich deren Auswahl<br />

und Anwendung. Wenn alle Akteure ihre Haus<strong>auf</strong>gaben<br />

machen und ein reger Informationsaustausch stattfindet,<br />

ist die Zuordnung der Geräte eindeutig und es<br />

entsteht sicherheitstechnisch eine optimale Lösung.<br />

Ex-Schutz-Dokument legt Bedingungen<br />

für Betriebsmittel fest<br />

Zunächst muss für den Auswahlprozess explosionsgeschützter<br />

Geräte mit der Erstellung des Arbeitsplatzund<br />

Anlagenkonzeptes begonnen werden. Im Rahmen<br />

seiner Gefährdungsbeurteilung im Sinne der Richtlinie<br />

1999/92/EG (in Deutschland übernommen in die Betr-<br />

SichV) legt der Betreiber die wesentlichen Explosionsschutzparameter<br />

für die Prozessanlage fest und dokumentiert<br />

sie im Explosionsschutzdokument. Dieses<br />

Dokument beinhaltet neben Zonenplänen alle weiteren<br />

für den Explosionsschutz relevanten Informationen (sicherheitstechnische<br />

Kennzahlen, Umgebungstemperaturbereich,<br />

chemische, mechanische Umweltbedingungen<br />

und ähnliche). Es definiert konkret die Einsatzbedingungen<br />

für die Betriebsmittel.<br />

Der Hersteller muss im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens<br />

nach RL 94/9/EG seine Geräte kennzeichnen<br />

und eine Nutzerdokumentation mitliefern. Die<br />

Kennzeichnung beinhaltet alle wesentlichen technischen<br />

Merkmale eines industriellen Gerätes sowie die Explosionsschutzparameter,<br />

die das Gerät erfüllt. Zudem wird<br />

mit dem X <strong>auf</strong> dem Kennzeichnungsschild <strong>auf</strong> besondere<br />

Anwendungsbedingungen, beispielsweise bei der Installation<br />

oder dem Betrieb des Gerätes hingewiesen. Somit<br />

legt der Hersteller mit der Gerätekennzeichnung und den<br />

ergänzenden Angaben in der Betriebsanleitung die bestimmungsgemäße<br />

Anwendung seines Gerätes fest.<br />

Für die Auswahl reicht prinzipiell ein Blick ins Explosionsschutzdokument<br />

und <strong>auf</strong> das Kennzeichnungsschild<br />

beziehungsweise in die Betriebsanleitung und das Gerät<br />

kann eingesetzt werden. In Europa sind mit den ATEX-<br />

Richtlinien die Pflichten für Betreiber und Hersteller eindeutig<br />

definiert. In der Praxis, an der Nahtstelle zwischen<br />

Hersteller und Betreiber, handeln sehr oft weitere Akteure<br />

wie Planungs- und Installationsfirmen oder Reparaturfachbetriebe.<br />

Deren Rolle wurde bei der Gestaltung der<br />

Richtlinien und Normen nicht immer in Betracht gezogen.<br />

Sehr oft entstehen im Auswahlprozess aus dem Blickwinkel<br />

der Anwendung die ersten Fragen, etwa welche Anschlusstechnik<br />

ist für das druckfeste Gehäuse ausreichend<br />

und wer bestimmt das oder wer kann ein ATEXzertifiziertes<br />

Begleitheizungssystem installieren?<br />

Leider treten im Auswahlprozess auch Hindernisse<br />

<strong>auf</strong>. Beispielsweise sind die Ex-Parameter schlichtweg<br />

14<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


| EK12-05G |<br />

EtherCAT-Klemmen.<br />

Das schnelle All-in-One-System<br />

für alle Automatisierungsfunktionen.<br />

nicht bekannt oder das Wissen zu den relevanten Auswahlkriterien<br />

ist nicht vorhanden. Oft sind Projektspezifikationen<br />

nicht mehr <strong>auf</strong> dem letzten Stand oder das<br />

Explosionsschutzdokument wurde nicht aktualisiert.<br />

Hinweise in der Gerätedokumentation werden nicht berücksichtigt<br />

oder sind zu spät verfügbar.<br />

Eine wesentliche Informationsquelle und für alle Akteure<br />

gleichermaßen relevant, sind neben der Produktdokumentation<br />

technische Normen. Speziell in<br />

Deutschland sind die Technischen Regeln zur Betriebssicherheit<br />

erhältlich. Insbesondere für die Projektierung<br />

elektrischer Anlagen in explosionsgefährdeten<br />

Bereichen von Gasen, Dämpfen und Stäuben ist die DIN<br />

EN 60079-14 (VDE 0165-1):2009 ein sehr umfassendes<br />

und nützliches Nachschlagewerk.<br />

Diese Norm definiert ergänzend zu den europäischen<br />

Richtlinien 1999/92/EG (in Deutschland übernommen<br />

in die BetrSichV) und 94/9/EG (in Deutschland übernommen<br />

in das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz)<br />

unter anderem die wesentlichen Auswahlkriterien für<br />

explosionsgeschützte elektrische Betriebsmittel.<br />

Die Anwendung bestimmt das Sicherheitsniveau<br />

Ein neuerer Sachverhalt in den Normen (DIN EN 60079-0<br />

(VDE 0170-1):2010)) ist die Einführung der EPLs (Equipment<br />

Protection Levels beziehungsweise Geräteschutzniveaus).<br />

Die Auswahl eines Gerätes mit dem geeigneten<br />

Sicherheitsniveau für die Ex Zone 0, 1, 2 (Gas) oder 20, 21,<br />

22 (Staub) ist einfacher geworden. Eine pauschale Aussage<br />

„das Gerät soll für den Ex-Bereich geeignet sein“, ist<br />

allerdings nicht ausreichend. Die neue „graduierte“ Auswahl<br />

setzt voraus, dass die Einteilung der explosionsgefährdeten<br />

Bereiche in Zonen geschehen ist und diese<br />

Information auch zur Verfügung steht.<br />

Die Zündschutzarten werden zukünftig einem Geräteschutzniveau<br />

(EPL) zugeordnet. Folglich sind alle Zündschutzarten<br />

eines Geräteschutzniveaus bezüglich der<br />

Sicherheit gleichrangig. Entscheidend für die Auswahl ist<br />

neben dem technischen Umfeld oder der gewünschten<br />

Technologie die Wirtschaftlichkeit der Lösung. Der Planer<br />

muss technisch-konstruktive Grundlagen der verschiedenen<br />

Zündschutzarten verstehen und kennen, um für<br />

seinen Anwendungsfall auch das Gerät mit der bestgeeigneten<br />

Zündschutzart auswählen zu können.<br />

Da die Anschlusstechnik die Zündschutzart und somit<br />

das Sicherheitsniveau des Gerätes mitbestimmt, beispielsweise<br />

Leitungseinführung für druckfeste Gehäuse,<br />

muss der Gerätehersteller eine entsprechende Technik<br />

anbieten (direkte Einführung oder Ex e Anschlussgehäuse)<br />

und der Planer wiederum muss über Kenntnisse verfügen,<br />

um die richtige Anschlusstechnik auszuwählen.<br />

In analoger Weise kann der Installateur eine sichere<br />

Montage nur dann durchführen, wenn er ebenfalls die<br />

grundsätzlichen Unterschiede einer Leitungseinführung<br />

in der Zündschutzart „d“ oder „e“ kennt.<br />

Bedingt durch die Anforderungen an die Gerätekennzeichnung<br />

in Europa nach der RL 94/9/EG und den Normen<br />

der Reihe EN 60079ff. sowie der ständigen Weiter-<br />

IPC<br />

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Anschluss direkt am Standard-Ethernet-Port.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

15


anche<br />

Die Auswahl eines Gerätes setzt voraus, dass die Einteilung<br />

der explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen geschehen ist.<br />

Der rege Informationsaustausch<br />

schafft die optimale Lösung.<br />

entwicklung der Normen sind <strong>auf</strong> den Geräten einige<br />

Ex-Parameter (Gerätekategorie und Geräteschutzniveaus)<br />

mehrfach vorhanden. Dies führt in der Übergangsphase<br />

zu einem erhöhten Klärungsbedarf, verdeutlicht aber<br />

gleichzeitig die Notwendigkeit einer aktuellen Informationsbasis.<br />

Neben den gängigen Werkzeugen sollten auch<br />

aktuelle Normen allen Beteiligten zur Verfügung stehen.<br />

Sicherheitstechnische KenngröSSen<br />

müssen erkennbar sein<br />

Damit eine optimierte Zuordnung der Explosionsschutzmaßnahmen<br />

zu den chemisch-physikalischen Eigenschaften<br />

brennbarer Gase, Dämpfe und Stäube erfolgen kann,<br />

müssen die sicherheitstechnischen Kenngrößen bekannt<br />

sein. Die Zündung explosionsfähiger Gemische aus Gasen<br />

und Dämpfen an einer heißen Oberfläche wird durch die<br />

Zündtemperatur definiert und über die Temperaturklassen<br />

(T1 bis T6) quantifiziert. Gemäß diesen Temperaturklassen<br />

werden explosionsgeschützte Betriebsmittel in ihren Oberflächentemperaturen<br />

so ausgelegt, dass eine Zündung ausgeschlossen<br />

wird. Etwas komplexer ist der Umgang mit<br />

Stäuben. Hier müssen sowohl die Zündtemperatur der<br />

Staubwolke als auch die der Staubschicht (Glimmtemperatur)<br />

bekannt sein. Oberster Grundsatz beim Umgang mit<br />

brennbaren Stäuben ist die Reinhaltung beziehungsweise<br />

Vermeidung von Staubschichten. Wenn sich <strong>auf</strong> Geräten<br />

Staubablagerungen von mehr als 5 mm Staubdicke bilden<br />

können, muss die maximal zulässige Oberflächentemperatur<br />

entsprechend reduziert werden. Hilfestellung erhält<br />

der Anwender in der DIN EN 60079-14 (VDE 0165-1):2009.<br />

Die Zündung der Gase und Dämpfe durch elektrische<br />

Funken oder durch einen heißen Gasstrahl aus einem<br />

dünnen Spalt werden mit Hilfe der Untergruppen IIA,<br />

IIB, IIC quantifiziert. Dieser Zusammenhang ist in der<br />

Praxis bei Gasen und Dämpfen relativ gut bekannt.<br />

Neu sind die Explosionsgruppen bei Stäuben. Brennbare<br />

Stäube werden in drei Untergruppen eingeteilt: IIIA<br />

Flusen; IIIB nicht leitfähige Stäube; IIIC leitfähige Stäube.<br />

Zum Beispiel müssen Gehäuse in der Zündschutzart<br />

„Schutz durch Gehäuse (Ex t)“ beim Einsatz in einer explosionsfähigen<br />

Staubatmosphäre aus leitfähigem Staub<br />

(Gruppe IIIC), staubdicht (IP 6X) ausgeführt sein und zwar<br />

für alle Gerätekategorien beziehungsweise Schutzniveaus.<br />

Dadurch wird verhindert, dass Staub eintritt und eventuell<br />

Kurzschlüsse <strong>auf</strong> Leiterbahnen verursacht. Der IP-<br />

Schutz wird jedoch nur dann dauerhaft erreicht, wenn<br />

der Installateur die speziellen Anforderungen kennt und<br />

anwendet. Dazu gehört, den Deckel des Gehäuses mit allen<br />

vorgesehenen Schrauben zu schließen sowie Kabeldurchmesser<br />

und Leitungseinführung passend auszuführen.<br />

Der graduierte Explosionsschutz berücksichtigt die unterschiedlichen<br />

Gefahren durch explosionsfähige Atmosphären<br />

und ermöglicht Maßnahmen, die den Verhältnissen<br />

sowohl aus sicherheitstechnischer Sicht als auch der<br />

Wirtschaftlichkeit entsprechen. Vorrausetzung ist, dass<br />

alle Beteiligten (Hersteller, Betreiber, Planer, Installateure)<br />

den Stand der Dinge kennen und danach handeln.<br />

Autor<br />

Johannes Buhn ist<br />

Leiter der Safe.t Academy<br />

von Bartec.<br />

Bartec GmbH,<br />

Max-Eyth-Str. 16, 97980 Bad Mergentheim,<br />

Tel. +49 (0) 7931 59 71 14,<br />

E-Mail: johannes.buhn@bartec.de<br />

16<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


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anche<br />

Redundanzmodule überwachen Stromversorgung<br />

ab Ausgangsspannung bis zur Verdrahtung<br />

In Kombination mit Tauchlackierung minimieren die Geräte Stillstandszeiten<br />

Die Tauchlackierung der Stromversorgungen<br />

erreicht sonst unzugäng liche<br />

Stellen der Platine, so dass die lackierten<br />

Bereiche blau erscheinen.<br />

Die Produktfamilie Quint Power gestaltet die<br />

Stromversorgung in der Prozessindustrie zuverlässiger.<br />

Sie tritt als Redundanzmodul mit integrierter,<br />

tauchlackierter Stromversorgung <strong>auf</strong>.<br />

Das Produktionsumfeld der Prozessindustrie stellt besonders<br />

hohe Anforderungen an die Stromversorgung.<br />

Die Geräte müssen auch bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit<br />

und emittierten Schadgasen zuverlässig arbeiten.<br />

Der Anlagenplaner muss außerdem eine Entscheidung<br />

für oder gegen den Aufbau eines redundanten Systems<br />

treffen. Die Produktfamilie Quint Power von Phoenix<br />

Contact kombiniert beide Anforderungen und verspricht<br />

so, Stillstandszeiten zu minimieren.<br />

TAUCHLACKIERUNG BEDECKT ALLE geräteTEILE<br />

Abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit entsteht<br />

ein Feuchtefilm <strong>auf</strong> der Leiterplatte, was als elektrochemische<br />

Migration bezeichnet wird. Der Oberflächenwiderstand<br />

sinkt und damit die Isolationsfähigkeit der Baugruppe.<br />

Leiterbahnen und Lötwerkstoffe verlieren ihre<br />

Kontakteigenschaften und Leitfähigkeit. Es kann zum<br />

Ausfall des Gerätes kommen. Weitere Probleme ergeben<br />

sich aus korrosionsbedingten Kriechströmen und Unterbrechungen,<br />

die an Kupferkontakten vorkommen. Solche<br />

Störungen treten hauptsächlich in sulfierenden Atmosphären<br />

mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von mehr als<br />

60 Prozent <strong>auf</strong>.<br />

Die Beschichtung von Baugruppen schützt vor derartigen<br />

Ausfällen, wobei die Lackierung optimal <strong>auf</strong>getragen<br />

werden muss. Die Schutzlacke werden bei den<br />

Stromversorgungen der Produktfamilie Quint Power<br />

durch Eintauchen als dünner Film appliziert. Der Lack<br />

passt sich an die Konturen der Elektronik an. Im Vergleich<br />

zur Sprühlackierung sind bedrahtete Bauelemente<br />

wie Brückengleichrichter und Leistungshalbleiter<br />

komplett mit Lack versehen. Bauteile-Unterseiten, Hohlräume<br />

und Platinen-Schnittkanten werden ebenfalls<br />

vollständig lackiert.<br />

STROMVERSORGUNGEN ERFÜLLEN DIE ATEX-RICHTLINIE<br />

Neben den üblichen Zulassungen entsprechen die tauchlackierten<br />

Stromversorgungen mit 5 A und 10 A Nennstrom<br />

der EN 60079-15 (ATEX-Richtlinie). Sie dürfen also innerhalb<br />

des explosionsgefährdeten Bereichs montiert werden,<br />

in dem Betriebsmittel der Kategorie 3G erforderlich sind<br />

(II 3 G Ex nA nC IIC T4 Gc). Darüber hinaus liegt die Zulassung<br />

gemäß IECEx vor (Ex nA nC IIC T4 Gc). Alle Geräte<br />

der Produktfamilie Quint Power erfüllen zudem die<br />

UL-Norm ANSI/ISA 12.12.01 sowie die Vorgaben Class I,<br />

Division 2, Groups A, B, C und D (Hazardous Locations).<br />

Hat sich der Anwender für eine Stromversorgung entschieden,<br />

bleibt die Frage nach dem Aufbau der Versorgungs-<br />

Lösung. Redundanz spielt dabei eine große Rolle.<br />

KONTINUIERLICHE Spannungsversorgung<br />

Sofern der Betreiber ein besonders zuverlässiges Konzept<br />

fordert, wird eine „1+1“-Redundanz umgesetzt. Das bedeutet,<br />

dass zwei Module mit je 20 A ausgangsseitig parallel<br />

geschaltet sind, um eine 20 A-Last zu versorgen.<br />

Kommt es bei einem der Geräte zu einem internen Defekt<br />

oder zum Ausfall der primärseitigen Netzspannungs-<br />

Versorgung, übernimmt die zweite Stromversorgung<br />

automatisch die Belieferung der Verbraucher. Dazu müssen<br />

die Netzteile so dimensioniert sein, dass der komplette<br />

Strombedarf der angekoppelten Lasten in sämtlichen<br />

Betriebszuständen von nur einem Modul abgedeckt<br />

werden kann. Diese Lösung allerdings besitzt zwei Fehlerquellen:<br />

Tritt ein Kurzschluss in der zuführenden<br />

18<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

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NAMUR-Signal reicht<br />

Leitung <strong>auf</strong>, sinkt die Spannung an der Last <strong>auf</strong> 0 V,<br />

da der gesamte Strom in den Kurzschluss fließt. Ein<br />

unbemerkter Leitungsbruch oder ein falsch angeschlossenes<br />

Netzteil führen ebenfalls zu Problemen.<br />

Die Last würde dann vom funktionsfähigen Gerät versorgt.<br />

Es besteht jedoch keine Redundanz mehr, was<br />

der Anwender erst dann bemerkt, wenn auch diese<br />

Stromversorgung nicht mehr arbeitet.<br />

Werden die Stromversorgungen entkoppelt, hat ein<br />

Kurzschluss am Ausgang eines der Netzteile oder in<br />

der Zuleitung vom Netzteil zur Diode keinen Einfluss<br />

mehr <strong>auf</strong> die Last. Zum Einsatz in der Prozesstechnik<br />

eignen sich insbesondere Quint Dioden für Lastströme<br />

bis 40 A und 24 oder 48 V DC. Die Dioden entsprechen<br />

der EN 60079-15.<br />

Die Redundanzmodule Trio Diode mit 2 x 10 A Spannung<br />

von 24 bis 48 V DC kontrollieren die Ausgangsspannungen<br />

der Stromversorgungen sowie die Verdrahtung<br />

bis zur Diode. Sie informieren dann via potentialfreiem<br />

Relaiskontakt und die LED „Redundancy<br />

OK“ über Spannungseinbrüche. Entsteht <strong>auf</strong> einem der<br />

Pfade ein Kurzschluss, wird die Last weiterhin beliefert.<br />

Die Trio Diode erkennt außerdem Leitungsbrüche<br />

und meldet sie an die Steuerung.<br />

GLEICHMÄSSIGE AUSLASTUNG REDUNDANTER TEILE<br />

Die Redundanzmodule Quint Oring überwachen als<br />

einzige Geräte die gesamte redundante Lösung von der<br />

Ausgangsspannung der Stromversorgungen bis zur<br />

kompletten Verdrahtung zwischen Netzteilen und Last<br />

sowie der Entkopplungsstrecke bis zum Laststrom. Kritische<br />

Betriebszustände zeigen sie frühzeitig an.<br />

Die Auto Current Balancing Technology (ACB) verdoppelt<br />

die Lebensdauer der redundant betriebenen<br />

Stromversorgungen, indem beide Netzteile gleichmäßig<br />

ausgelastet werden. Zu diesem Zweck arbeiten<br />

die Quint-Oring-Module mit Mosfets statt der herkömmlichen<br />

Schottky- oder Silizium-Dioden. Die<br />

Mosfets regeln Eingangsspannungs-Differenzen bis<br />

300 mV aus. Der Laststrom teilt sich automatisch vollkommen<br />

symmetrisch <strong>auf</strong>. Im Vergleich zu den bisherigen<br />

Lösungen spart diese Anwendung bis zu 70<br />

Prozent Energie ein. Anzeige und Darstellung erfüllen<br />

die Namur-Empfehlung.<br />

Autorin<br />

Dipl.-Ing. Anja Moldehn ist<br />

Mitarbeiterin im Marketing<br />

Strom versorgung bei der<br />

Phoenix Contact Electronics<br />

GmbH.<br />

Phoenix Contact Electronics GmbH,<br />

Dringenauer Str. 30, D-31812 Bad Pyrmont,<br />

Tel. +49 (0) 5281 94 60,<br />

E-Mail: amoldehn@phoenixcontact.com<br />

Der elektronische Grenzsignalgeber Typ<br />

3738 mit Magnetventil bietet die ideale<br />

Lösung für Schwenkarmaturen. Als erstes<br />

Gerät seiner Art ermöglicht es die Speisung<br />

von Elektronik und berührungslosem<br />

Wegsensor aus dem NAMUR-Signal. So<br />

kann die Verkabelung unverändert bleiben.<br />

Trotzdem bietet es eine Fülle zusätzlicher<br />

Funktionen bei der Automatisierung<br />

von Auf/Zu-Armaturen, wie zum Beispiel<br />

die Konfigurierung per Tastendruck, Selbstabgleich<br />

und Diagnose. Justierarbeiten<br />

entfallen ganz. Dank integrierter Luftführung<br />

braucht das Gerät keine externe Verrohrung.<br />

Einfach anschrauben, Knopf für<br />

Selbstabgleich drücken, fertig.<br />

Der neue Grenzsignalgeber macht die<br />

Auf/Zu-Armatur smart und kompakt.<br />

A01087DE<br />

SAMSON AG · MESS- UND REGELTECHNIK<br />

Weismüllerstraße 3 · 60314 Frankfurt am Main<br />

Telefon: 069 4009-0 · Telefax: 069 4009-1507<br />

E-Mail: samson@samson.de · Internet: www.samson.de


praxis<br />

Füllstand von Flachmännern wird im<br />

Durchlicht-Verfahren effizient kontrolliert<br />

Flascheninspektion bei Getränkehersteller mit Leuze electronic Smart-Kamera realisiert<br />

Bevor Getränke zur Auslieferung gelangen, gibt es<br />

einiges zu kontrollieren – schließlich muss die<br />

Qualität in jeder Hinsicht stimmen. Dazu gehören<br />

Kontrollen der Etiketten, des Füllstands und der Verschlüsse.<br />

Mehr oder weniger transparente Flaschen<br />

und Flüssigkeiten, hohe Durchl<strong>auf</strong>geschwindigkeiten<br />

und eine raue, meist auch feuchte Industrieumgebung<br />

bilden anspruchsvolle Rahmenbedingungen<br />

für die Sensorik sogenannter Flaschen-Inspektionsanlagen.<br />

In der Kornbrennerei Wilhelm Büchter prüfen<br />

die Smart-Kameras LSIS 412i von Leuze electronic<br />

mit spezieller Analysetechnik, mehrere Merkmale<br />

in Sekundenbruchteilen.<br />

AUSWERTUNG ERFORDERTE VIEL MANUELLE ARBEIT<br />

Die Küppersbusch GmbH in Velbert entwickelt und baut<br />

seit 1972 Füllmaschinen für flüssige bis pastöse Produkte,<br />

Verschließ- und Etikettiermaschinen sowie Endkontrollsysteme.<br />

Dazu gehören auch automatisierte Messund<br />

Prüfsysteme, wie Flascheninspektoren für den Bereich<br />

der Qualitätssicherung. Die Anlagen sind den jeweiligen<br />

Kundenanforderungen angepasst. Die<br />

verwendeten Anlagenelemente sind jedoch bewährte<br />

Module. „Dennoch entwickeln wir immer neue Ideen,<br />

um die Qualiät und Leistungsfähigkeit unserer Anlagen<br />

zu verbessern“, sagt Jochen Küppersbusch, Geschäftsführer<br />

des Unternehmens.<br />

Mit dieser Zielsetzung fertigte die Firma auch einen<br />

Inspektor für die Endkontrolle von 0,2-Liter-Taschenflaschen<br />

mit Spirituosen, sogenannten Flachmännern, an<br />

(Bild 1 und Kastentext). Die Kernkomponente bildet das<br />

Kamera-Kontrollsystem <strong>auf</strong> Basis der Smart-Kamera<br />

LSIS 412i von Leuze electronic. Sie prüft mehrere Merkmale<br />

gleichzeitig (Bilder 2 und 3).<br />

3 klare PRO SEKUNDE, 10 000 FLASCHEN STüNDlich<br />

Der neue Flascheninspektor ist für 10 000 Flaschen pro<br />

Stunde, also knapp drei Flaschen in der Sekunde, ausgelegt.<br />

In dieser kurzen Zeit muss er kontrollieren, ob<br />

Etiketten vorhanden sind, die Füllmenge stimmt und<br />

ob die Flaschen richtig verschlossen sind. „Die klaren<br />

Flüssigkeiten in transparenten Flaschen stellen besondere<br />

Anforderungen“, erklärt Klaus Voigt, der bei Küppersbusch<br />

für Entwicklung, Konstruktion und Inbetriebnahme<br />

verantwortlich ist. Insgesamt reicht das<br />

Spektrum der im Wechsel zu kontrollierenden Produkte<br />

von ganz klaren, durchsichtigen über diffus bräunlichen<br />

bis zu fast undurchsichtigen Spirituosen. Für<br />

diese Anforderungen ist die Smart-Kamera LSIS 412i<br />

eine gute Lösung. Besonders wegen der integrierten Binary<br />

Large Objects-Analyse (BLOB-Analyse) mit pixel-<br />

Kumpel, Korn und Kohlenstaub<br />

Die „Flachmänner“ (Taschenflaschen)<br />

sind seit den frühen Jahren<br />

der Wilhelm Büchter Kornbrennerei<br />

in Castrop-Rauxel Erfolgsträger.<br />

Was mit dem ersten Brennrecht<br />

des Bauern August Büchter<br />

im Jahr 1880 begann, fand als<br />

„Rachenputzer“ rasch Freunde bei<br />

den Kumpels unter Tage. Sie<br />

ließen sich vor Schichtbeginn<br />

„Alter Büchter“ in die blechernen<br />

Kaffekannen füllen und erhofften<br />

sich davon ein probates Mittel<br />

gegen den gefährlichen Kohlenstaub.<br />

Echt westfälischer Korn ist nach<br />

wie vor eine Traditionsmarke<br />

unter Büchters Edelsprituosen.<br />

Seit 1964 fließen diese mit<br />

ständiger Qualitätskontrolle aus<br />

vollautomatischen Abfüllanlagen.<br />

Jährliche DLG-Prämierungen<br />

zeichnen die Büchter´schen<br />

Kornbrände aus. Die Tradition des<br />

Unternehmens wird bereits in<br />

vierter und fünfter Generation<br />

fortgesetzt.<br />

20<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Herausforderung<br />

Automatisierungstechnik<br />

Mit dem <strong>atp</strong>-award werden zwei Autoren der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> für<br />

hervorragende Beiträge ausgezeichnet. Ziel dieser Initiative<br />

ist es, Wissenschaftler und Praktiker der Automatisierungstechnik<br />

anzuregen, ihre Ergebnisse und Erfahrungen in Veröffentlichungen<br />

zu fassen und die Wissenstransparenz in der<br />

Automatisierungstechnik zu fördern. Teilnehmen kann jeder<br />

Autor der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht älter als<br />

35 Jahre ist. Nach Veröffentlichung eines Beitrags ist der Autor,<br />

wenn er die Bedingung erfüllt, automatisch im Pool. Die<br />

Auswahl des Gewinners übernimmt die <strong>atp</strong>-Fachredaktion.<br />

Derjenige Autor, der im Autorenteam der jüngste ist, erhält<br />

stellvertretend für alle Autoren die Auszeichnung. Der Preis<br />

wird in zwei Kategorien ausgelobt: Industrie und Hochschule.<br />

Die Kategorien ermittlung ergibt sich aus der in dem Beitrag<br />

angegebenen Adresse des jüngsten Autors.<br />

Bild 1: Im Durchlicht-Verfahren wird der Füllstand<br />

als dunkle Linie sichtbar – hervorgerufen durch die<br />

Lichtbrechung an der Flüssigkeitsoberfläche.<br />

Bilder: Leuze Electronic<br />

genauer Auswertung sagt Voigt: „Ich wüsste nicht wie<br />

man es besser lösen könnte.“<br />

BINARY LARGE OBJECTS-ANALYSE MACHT’S MÖGLICH<br />

Die Binary Large Object-Analyse der verwendeten Gerätevariante<br />

LSIS 412i realisiert prozesssicher die gestellten<br />

Kontroll<strong>auf</strong>gaben. Ein sogenanntes BLOB kennzeichnet<br />

einen zusammenhängenden Bereich von Bildpunkten<br />

(Pixel), deren Lichtintensität zwischen definierten<br />

Grenzwerten liegt. Durch Einstellung von<br />

BLOB-Merkmalen lassen sich einzelne Objekte oder<br />

Objektgruppen anhand ihrer geometrischen Merkmale<br />

sicher erkennen und unterscheiden – auch dann noch,<br />

wenn andere Verfahren bereits fehlerhafte Ergebnisse<br />

liefern. Die an den Anlagenbauer gestellten Aufgaben,<br />

wie die Erkennung der Etiketten, der Verschlüsse sowie<br />

der dunklen Füllstandslinie, sind typische Aufgaben<br />

der BLOB-Analyse.<br />

Zur Bewertung von Objekten stehen verschiedene Kriterien<br />

wie Fläche, Umfang, Formfaktor sowie Höhe beziehungsweise<br />

Breite, Länge, Winkel und Mittelpunkt zur<br />

Verfügung. Eine Fläche ist beispielsweise die Summierung<br />

der in einem BLOB eingeschlossenen Pixel, gegebenenfalls<br />

sogar einschließlich möglicher Freiflächen innerhalb<br />

des BLOBs. Der Umfang wird über die Länge der<br />

äußeren Konturlinie eines BLOBs in Pixel definiert. Die<br />

leistungsfähige Analyse macht es möglich, diverse Erken-<br />

Veröffentlichungen – Beitrag zum Wissenspool im<br />

Fachgebiet Automatisierungstechnik<br />

Die Entwicklung eines Wissensgebietes erfolgt durch einen<br />

kooperativen Prozess zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung,<br />

Konzept- und Lösungsentwicklung und Anwendung<br />

in der Praxis. Ein solcher Prozess bedarf einer gemeinsamen<br />

Informationsplattform. Veröffentlichungen<br />

sind die essentielle Basis eines solchen Informationspools.<br />

Der <strong>atp</strong>-award fördert den wissenschaftlichen Austausch<br />

im dynamischen Feld der Automationstechnik. Nachwuchsinge<br />

nieure sollen gezielt ihre Forschungen präsentieren<br />

können und so leichter den Zugang zur Community erhalten.<br />

Der Preis ist mit einer Prämie von jeweils 2000€ dotiert.<br />

Die Auswahl erfolgt in zwei Stufen:<br />

Voraussetzung für die Teilnahme ist die Veröffentlichung<br />

des Beitrags in der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>. Jeder Aufsatz, der als Hauptbeitrag<br />

für die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> eingereicht wird, durchläuft das<br />

Peer-Review-Verfahren. Die letzte Entscheidung zur Veröffentlichung<br />

liegt beim Chefredakteur. Wird ein Beitrag veröffentlicht,<br />

kommt er automatisch in den Pool der <strong>atp</strong>-award-<br />

Bewerber, vorausgesetzt einer der Autoren ist zum Zeitpunkt<br />

der Veröffentlichung nicht älter als 35 Jahre. Ausgezeichnet<br />

wird der jüngste Autor stellvertretend für alle Autoren der<br />

Gruppe. Eine Jury aus Vertretern der <strong>atp</strong>-Fachredaktion<br />

und des -Beirats ermittelt schließlich den Gewinner in den<br />

jeweiligen Kategorien Hochschule und Industrie.<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Beiträge richten Sie bitte an:<br />

Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />

Herrn Prof. Leon Urbas<br />

Chefredakteur <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> / automatisieren! by <strong>atp</strong><br />

Rosenheimer Straße 145 • 81761 München<br />

Tel. +49 (0) 89 45051 418 • E-Mail: urbas@oiv.de<br />

Beachten Sie die Autorenhinweise der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

für Hauptbeiträge unter folgendem Link:<br />

http://www.<strong>atp</strong>-online.de<br />

Bitte senden Sie Ihre Beiträge an: urbas@oiv.de


praxis<br />

Bild 2: Im kompakten Gehäuse der<br />

LSIS 400i Smart-Kamera sind alle<br />

notwendigen Komponenten integriert.<br />

Bild 3: Die Smart-<br />

Kamera LSIS 412i von<br />

Leuze electronic<br />

eignet sich gut für die<br />

Kontroll <strong>auf</strong>gaben im<br />

Flachmann-Inspektor<br />

von Küppersbusch.<br />

nungsmerkmale zusammenzufassen und mit einer Einstellung<br />

alle Flüssigkeits- und Flaschenvarianten abzudecken.<br />

„Die Erkennung funktioniert so gut, dass selbst bei<br />

schwappender Flüssigkeit der Füllstand prozesssicher<br />

erfasst wird“, ergänzt Voigt.<br />

AUTOMATISCHE AUSWERTUNG<br />

Dass die Identifikation und Qualitätssicherung derart<br />

fehlerfrei funktioniert, ermöglichen LSIS 412i Smart-<br />

Kameras. Sie bieten alle notwendigen Komponenten,<br />

von der Beleuchtung über die Bildverarbeitung, Bildund<br />

Programmspeicher, Display, Ergebnisanzeige und<br />

Schnittstellen in einem Gehäuse mit kompakter B<strong>auf</strong>orm.<br />

Damit sind sie unter engen Platzverhältnissen in<br />

Maschinenkonzepte zu integrieren. Dank industrietauglicher,<br />

robuster Ausführung ist die LSIS-Baureihe<br />

für die raue und meist feuchte Umgebung in der Getränkeproduktion<br />

geeignet.<br />

Die motorische Fokusverstellung erlaubt den flexiblen<br />

Einsatz der Kameras. Dank dieser Technologie können<br />

Applikationen mit variierenden Kameraabständen,<br />

wie etwa bei unterschiedlichen Flaschengrößen, realisiert<br />

werden. Die entsprechende Fokuseinstellung erfolgt<br />

automatisch über die Programmauswahl und<br />

muss bei einem Sortenwechsel nicht manuell durchgeführt<br />

werden. Außerdem ist so die optimale Einstellung<br />

reproduzierbar.<br />

Ebenfalls qualitätsrelevant ist die integrierte Beleuchtung.<br />

Anstatt wie üblich nur LEDs zu verwenden,<br />

hat Leuze electronic hierfür zusätzlich eine spezielle<br />

Optik entwickelt. Sie liefert ein rechteckig intensiv<br />

und gleichmäßig ausgeleuchtetes Bildfeld, das in einer<br />

Entfernung von 50 bis 250 mm zum Prüfobjekt besonders<br />

homogen ist.<br />

Für Kontroll<strong>auf</strong>gaben im Durchlicht-Verfahren, wie<br />

im Fall der Flachmann-Inspektion, lässt sich die integrierte<br />

Beleuchtung ausschalten und durch eine externe<br />

Lichtquelle ersetzen (Bild 1). „Damit erkennen wir<br />

auch bei klaren Flüssigkeiten in transparenten Flaschen<br />

die Füllstände“, erklärt Voigt. Der Füllstand ist als<br />

dunkle Linie sichtbar, die über die Bewertungskriterien<br />

der bereits erwähnten BLOB-Analyse erkennbar ist.<br />

PARAMETIERUNG DER KAMERAS ÜBER WEBBROWSER<br />

Neben der Funktionssicherheit der LSIS 412i freut sich<br />

Voigt über die einfache Parametrierung, die er direkt<br />

über den Webbrowser erledigt hat.<br />

Dank der Parametrieroberfläche webConfig ist die Installation<br />

einer speziellen Software <strong>auf</strong> einem separaten<br />

Rechner nicht notwendig. Der Zugang zum Gerät erfolgt<br />

via Ethernet.<br />

Autor<br />

Leuze Electronic GmbH + Co. KG,<br />

In der Braike 1, D-73277 Owen,<br />

Tel. +49 (0) 7021 57 31 40,<br />

E-Mail: werner.partl@leuze.de<br />

Dipl.-Ing. (FH) Werner<br />

partl ist Produktmanager<br />

Bildverarbeitung im<br />

Geschäftsbereich Logistik<br />

der Leuze Electronic GmbH.<br />

22<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


„ Mit PLICSMOBILE bieten wir eine preiswerte<br />

Lösung zur drahtlosen Messdatenübertragung.“<br />

Neu von VEGA: Prozessdatenübertragung per GSM/GPRS mit PLICSMOBILE.<br />

Kostengünstig und zuverlässig überbrückt PLICSMOBILE jede Entfernung – ohne<br />

Leitungen, einfach über das Mobiltelefonnetz. Die Messdaten einzelner und verteilter Messstellen<br />

stehen weltweit zur Verfügung. Und selbstverständlich ist PLICSMOBILE vollständig<br />

in das modulare VEGA-Gerätekonzept plics ® integriert.<br />

www.vega.com/innovation


praxis<br />

Durchgängige Softwarelösung von der<br />

Produktion bis zur Qualitätssicherung<br />

Im kompletten Herstellungsprozess eine klare Leistungssteigerung erzielt<br />

Herbert Schrobenhauser ist als Elektrotechniker für<br />

die Steuerungs- und Prozessleittechnik bei der Adelholzener<br />

Alpenquellen GmbH zuständig.<br />

In der Anlage werden stündlich<br />

240 000 Flaschen abgefüllt.<br />

Die Adelholzener Alpenquellen GmbH stellt Heilwasser,<br />

Mineralwässer und Erfrischungsgetränke unter den<br />

Marken Adelholzener und Active O2 her. Das Wasser hierfür<br />

stammt aus den bayerischen Alpen und wird direkt<br />

aus einem 140 Meter tiefen Mineralwasservorkommen<br />

unterhalb eines Naturschutzgebietes entnommen. Die Firma<br />

setzt für die Abfüllanlagen aktuelle Technologien ein<br />

und ist damit in der Lage, die hohen Ansprüche an Qualität<br />

und Hygiene beim Abfüllprozess zu erfüllen. Gemeinsam<br />

mit den Maschinenlieferanten der Füllanlagen<br />

verwirklicht Adelholzener die Anforderungen an Qualität<br />

und Umweltschutz. Um die eigenen Produktionsanlagen<br />

zu bedienen und zu überwachen, nutzt der Getränkeanbieter<br />

die HMI/Scada-Software von Copa-Data.<br />

Effiziente Abfüllung in neun Anlagen<br />

Produziert wird <strong>auf</strong> insgesamt neun Füllanlagen. Davon<br />

sind drei Anlagen zur Abfüllung von PET-Mehrwegflaschen,<br />

drei zur Abfüllung von PET-Einwegflaschen und<br />

drei Anlagen für die Abfüllung von Glas-Mehrwegflaschen<br />

eingerichtet.<br />

Der Getränkeanbieter kann damit stündlich etwa<br />

240 000 Flaschen des Produktsortiments produzieren.<br />

Für den PET-Mehrwegbereich verfügt das Unternehmen<br />

seit 2004 über insgesamt zwei Flaschensortieranlagen.<br />

Das computergesteuerte, vollautomatische Flaschensortierzentrum<br />

ermöglicht es, umweltschonende PET-Mehrwegflaschen<br />

wiederzuverwenden. Die Befüllung der<br />

PET-Flaschen geschieht in Reinräumen unter aseptischen,<br />

also keimfreien, Bedingungen.<br />

UMFASSEND BEOBACHTen UND INTUITIV BEDIENEN<br />

Für die Abfüllanlagen setzt das Traditionshaus <strong>auf</strong> die<br />

Software Zenon. Früher dominierten Insellösungen die<br />

Produktionsanlage. Die Kommunikation zwischen den<br />

Systemen war in der Regel seriell.<br />

„Ziel war es, unsere Anlagen und Maschinen umfassend<br />

beobachten und intuitiv und flexibel bedienen zu<br />

können. Copa-Data betrachten wir als Vorreiter für Visualisierungslösungen.<br />

Wir setzen konsequent <strong>auf</strong> das<br />

Windows-basierende HMI/Scada-System Zenon“, erklärt<br />

Herbert Schrobenhauser, Verantwortlicher für Steuerungs-<br />

und Prozessleittechnik bei der Adelholzener Alpenquellen<br />

GmbH.<br />

Ein weiterer Grund für diese Lösung war die Durchgängigkeit<br />

des Systems. Die Software lässt sich im Internet/Intranet<br />

einsetzen und läuft <strong>auf</strong> allen Microsoft-<br />

Betriebssystemen wie Windows CE oder Windows Vista.<br />

Somit ist sie <strong>auf</strong> verschiedenen Zielgeräten verfügbar:<br />

Egal ob es sich um ein Panel oder einen PC handelt, der<br />

Anwender kann in jeder Situation mit ein und demselben<br />

Editor arbeiten. Alle erstellten Variablen, Bilder und<br />

24<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Objekte lassen sich ohne Änderung <strong>auf</strong> den unterschiedlichen<br />

Plattformen nutzen.<br />

Zenon ermöglicht es, mittels eines Integrationsprojekts<br />

<strong>auf</strong> einfache Art und Weise eine dezentrale Anlagenkonfiguration<br />

realitätsnah abzubilden. Die Software ist ein<br />

intuitives Werkzeug, das keine Programmierungen notwendig<br />

macht. Da die Lösung von verschiedenen Anwendern<br />

genutzt wird – von einem Elektroplaner ebenso<br />

wie von Mitarbeitern aus der Instandhaltung –, ist dies<br />

ein entscheidender Pluspunkt. „Ebenso wichtig war es<br />

für uns, mit einem europäischen, deutschsprachigen<br />

Partner zusammenzuarbeiten, der selbst bei anspruchsvollen<br />

Aufgaben schnell reagiert und uns unbürokratisch<br />

in allen Fragen unterstützt“, ergänzt der Verantwortliche<br />

Herbert Schrobenhauser.<br />

SOFTWARE FÜR Produktion und GLT<br />

Die Software wird für die Bedienung und Beobachtung<br />

der Abfüllmaschinen eingesetzt. Der Getränkeanbieter<br />

kontrolliert Temperatur, Wirkungsgrad der Fülllinie,<br />

CO 2<br />

-Wert im Getränk, Brix-Wert oder Mischungsverhältnis<br />

mit der Lösung und dokumentiert alle produktionsnahen<br />

Bedienhandlungen damit.<br />

Auch das Alarmmanagement überlässt Adelholzener<br />

der Software: In der Wasserver- und entsorgung überwacht<br />

sie die gewünschte Wasserqualität. Zudem dient<br />

Zenon der Objektüberwachung der im Standortumkreis<br />

verteilten Wasserbrunnen. Die Lösung wird auch für die<br />

Gebäudeleittechnik eingesetzt. Sie überwacht Arbeitsluft,<br />

Sterilluft, Dampf, Strom, CO 2<br />

, O 2<br />

, N 2<br />

, und kontrolliert<br />

Heizungs-, Lüftungs- und Klimaeinrichtungen.<br />

Die betriebseigene Kläranlage wird nach kommunalen<br />

Regeln ebenfalls mit der Software gesteuert. Die Klärwerte<br />

haben sich inzwischen <strong>auf</strong> ein überdurchschnittliches<br />

Reinheitsniveau verbessert. Der Vorteil für den<br />

Anwender: Der Schulungs<strong>auf</strong>wand reduziert sich für die<br />

Mitarbeiter erheblich, da sie sich nur einmal einarbeiten<br />

müssen und das Gelernte in verschiedenen Unternehmensbereichen<br />

anwenden können. Auch der Administrations<strong>auf</strong>wand<br />

lässt sich damit senken.<br />

ISO 26000 in der Praxis<br />

DER RATGEBER ZUM LEITFADEN FÜR SOZIALE<br />

VERANTWORTUNG UND NACHHALTIGKEIT<br />

Planung, Produktion und analyse<br />

Zenon stellt die Kennzahlen aller Fülllinien, wie beispielsweise<br />

Flaschenzahlen, Chargen-Kennzahlen und<br />

Zeitspannen dar und archiviert auch Daten mit dem<br />

Archivserver.<br />

Die archivierten Daten liegen als komprimierte und<br />

manipulationssichere Dateien <strong>auf</strong> dem zentralen Leitstandserver.<br />

Damit wird Adelholzener den Anforderungen<br />

der FDA gerecht. FDA steht für „Food and Drug Administration“<br />

und ist als Arzneimittelzulassungsbehörde<br />

im US-Gesundheitsministerium verantwortlich für<br />

den Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie der Überwachung<br />

von Medizinprodukten und Lebensmitteln.<br />

Die abgespeicherten und archivierten Daten können anschließend<br />

in „Qualifax“ weiterverarbeitet werden. Qua-<br />

NEU-<br />

ERSCHEINUNG<br />

ERSCHEINUNG<br />

✁<br />

Die ISO 26000 ist ein Leitfaden, der Orientierung gibt, wie sich Organisationen verhalten<br />

sollten, damit sie nach internationalem Verständnis als gesellschaftlich verantwortungsvoll<br />

angesehen werden. Im Fokus dieses aktuellen Ratgebers steht<br />

das Wirtschaftsleben im Zeitalter der Globalisierung.<br />

Hrsg.: K.-C. Bay<br />

1. Auflage 2010, ca. 200 Seiten, Hardcover<br />

Oldenbourg Industrieverlag München<br />

www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />

SOFORTANFORDERUNG PER FAX: +49 (0)201 / 82002-34 oder im Fensterumschlag einsenden<br />

Ja, ich bestelle gegen Rechnung 3 Wochen zur Ansicht<br />

Ex.<br />

ISO 26000 in der Praxis<br />

1. Auflage 2010 – ISBN: 978-3-8356-3222-6 für € 49,90 (zzgl. Versand)<br />

Die bequeme und sichere Bezahlung per Bankabbuchung wird mit einer Gutschrift<br />

von € 3,- <strong>auf</strong> die erste Rechnung belohnt.<br />

Firma/Institution<br />

Vorname, Name des Empfängers<br />

Straße/Postfach, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Antwort<br />

Vulkan Verlag GmbH<br />

Versandbuchhandlung<br />

Postfach 10 39 62<br />

45039 Essen<br />

Telefon<br />

Telefax<br />

E-Mail<br />

Branche/Wirtschaftszweig<br />

Bevorzugte Zahlungsweise Bankabbuchung Rechnung<br />

Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder<br />

durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die<br />

rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH, Versandbuchhandlung, Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der l<strong>auf</strong>enden Kommunikation werden personenbezogene<br />

Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom<br />

Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien- und Informationsangebote<br />

informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.<br />

Bank, Ort<br />

Bankleitzahl<br />

✘<br />

Datum, Unterschrift<br />

Kontonummer<br />

PAISO12010<br />

ISO_26000Anzeige_A5_quer.indd 1<br />

18.10.2010 17:23:51 Uhr


praxis<br />

Bild 3:<br />

Die Software<br />

visualisiert einen<br />

Tank des Zuckertanklagers<br />

und zeigt<br />

produktionsrelevante<br />

Statusinformationen<br />

an.<br />

Bilder: Copa-Data<br />

lifax ist das Weihenstephaner Managementinformationssystem,<br />

das alle relevanten Informationen aus Produktion<br />

und Qualitätssicherung zusammenführt und schnell Auskunft<br />

über die Daten des gesamten Produktionsabl<strong>auf</strong>s<br />

vom Rohstoffeingang bis zum Warenausgang liefert.<br />

Gekoppelt sind die beiden Lösungen über das Archivmodul.<br />

Die manipulationssicheren Dateien werden in<br />

die Qualifax-Datenbank exportiert. Diese Produktionsdaten<br />

werden mit den Artikelstammdaten (wie Etikette,<br />

Verschluss, Rezept) verarbeitet, um die Produktionsplanung<br />

und die entsprechende Logistik zu verbessern.<br />

Damit der Getränkelieferant die geplanten Produkte in<br />

den gewünschten Chargenprozessen erzeugen kann,<br />

müssen die Rohstoffe über automatisierte Scannerfunktionen<br />

eindeutig ausgewählt werden.<br />

Ein Barcodescanner liest hierfür die Informationen der<br />

Container ein. Damit wird auch die eindeutige Chargenrückverfolgung<br />

sichergestellt. Stimmt die Qualität, können<br />

sich die Mitarbeiter des Getränkeanbieters vollkommen<br />

<strong>auf</strong> die Ausbringleistung konzentrieren.<br />

Die erwähnte Lösung erfasst dazu alle relevanten Daten<br />

wie Flaschenanzahl, Getränk und Produktionszeitraum.<br />

Anschließend archiviert die Software diese Informationen<br />

und stellt die Daten als Trend dar. Diese Kennlinien<br />

verdeutlichen den Ist-Zustand der Produktion.<br />

Zusätzlichen Überblick verschafft das von der Krones<br />

AG applizierte „Zenon Weltbild“. Hier ist das gesamte<br />

Linienlayout erfasst, alle Maschinen und Aggregate werden<br />

übersichtlich dargestellt.<br />

Das Weltbild ermöglicht eine überlagerte Liniendiagnose<br />

und zeigt <strong>auf</strong>, an welchem Aggregat Störungen <strong>auf</strong>treten<br />

und um welche Störungen es sich handelt. Der<br />

Benutzer kann das Linienlayout <strong>auf</strong>zoomen, um die Maschinen<br />

und Aggregate bis ins Detail – beispielsweise<br />

eines einzelnen Ventils – zu betrachten.<br />

DIE LEISTUNG DER ANLAGE KLAR GESTEIGERT<br />

Ziel der Adelholzener Alpenquellen ist es, mit Zenon<br />

die Produktionsanlagen besser zu bedienen und zu<br />

warten, eine umfassende Kontrolle über die Ist-Leistung<br />

zu bekommen und gleichzeitig die Anlagenauslastung<br />

zu optimieren. Herbert Schrobenhauser: „Die<br />

Ziele, die Produktionsanlagen besser zu bedienen und<br />

zu warten, die Ist-Leistung umfassend zu kontrollieren<br />

und die Anlagenauslastung zu optimieren haben wir<br />

erreicht. Wir sichern so die Qualität unserer Produkte.<br />

Dies ist entscheidend in der Lebensmittelbranche. Parallel<br />

dazu identifizieren wir weitere Leistungspotenziale,<br />

um die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens<br />

zu erhalten und stärken.“<br />

Heute sind <strong>auf</strong> einen Blick alle Produktionsdaten in<br />

den Abfüllanlagen sichtbar. Adelholzener kann Entscheidungen<br />

für eine optimale Ausbringleistung<br />

schnell treffen. Die Ausbringleistung liegt heute bei<br />

400 Millionen Füllungen pro Jahr. Das ist eine Steigerung<br />

innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 100<br />

Millionen Füllungen.<br />

Autor<br />

Jürgen Schrödel<br />

ist Managing Director<br />

der Copa-Data GmbH.<br />

Copa-Data GmbH,<br />

Haidgraben 2, D-85521 Ottobrunn,<br />

Tel. +49 (0) 89 66 02 98 90<br />

26<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Sprechstunde<br />

2. Explosionsschutz-Sprechstunde<br />

Explosionsschutz<br />

17. + 18.11.2011, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />

www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />

Programm<br />

Eigensicherheit<br />

SIL und Explosionsschutz<br />

Zündschutzarten und ausgewählte Beispiele<br />

Betriebssicherheitsverordnung<br />

Technische Regeln Betriebssicherheit TRBS<br />

Referenten<br />

Moderation: Jürgen George,<br />

Pepperl+Fuchs GmbH<br />

Jürgen George, Dr. Andreas Hildebrandt,<br />

Gerhard Jung, Patrick Lerévérend,<br />

Michael Wenglorz, Thomas Westers<br />

Pepperl+Fuchs GmbH<br />

Wolfgang Gohm<br />

Extronic Gohm Consulting<br />

Arnold Staedel<br />

TÜV SÜD Industrie Service GmbH<br />

Reinhard Wilkens<br />

Physikalisch-Technische-Bundesanstalt<br />

Christoph Thust<br />

Infracor GmbH<br />

Dr. Michael Wittler<br />

DEKRA Exam GmbH<br />

Wann und Wo?<br />

Termin<br />

Donnerstag, 17.11.2011<br />

Veranstaltung (11:30 – 17:30 Uhr)<br />

„Get-Together“ mit Abendessen (ab 18:30 Uhr)<br />

Freitag, 18.11.2011<br />

Veranstaltung (9:00 – 15:00 Uhr)<br />

Ort<br />

Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />

Zielgruppe<br />

Anwender und Hersteller aus der<br />

Prozessautomatisierung<br />

Teilnahmegebühr<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>-Abonnenten 540 €<br />

Firmenempfehlung 590 €<br />

reguläre Teilnahmegebühr 690 €<br />

Im Preis enthalten sind die Tagungsunterlagen<br />

sowie das Catering (Kaffee, 2x Mittagsimbiss,<br />

„Get-Together“ mit Abendessen).<br />

Veranstalter<br />

§ 12<br />

BetrSichV<br />

Fragen Sie!<br />

Die Explosionsschutz-Sprechstunde gibt Ihnen ausreichend<br />

Gelegenheit, Ihre individuellen Fragen zu stellen und offen<br />

mit den praxiserfahrenen Referenten zu diskutieren.<br />

Stellen Sie Ihre Fragen rechtzeitig unter<br />

www.explosionsschutz-sprechstunde.de.<br />

Weitere Informationen und Online-Anmeldung unter<br />

www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />

Fax-Anmeldung: 089 - 450 51-323 oder unter www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />

Ich habe die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> abonniert<br />

Ich habe die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> nicht abonniert<br />

Ich komme <strong>auf</strong> Empfehlung von Firma: .....................................................................................................................................................................<br />

Vorname, Name des Empfängers<br />

Telefon<br />

Telefax<br />

Firma/Institution<br />

E-Mail<br />

Straße/Postfach<br />

Land, PLZ, Ort<br />

Nummer<br />

✘<br />

Ort, Datum, Unterschrift<br />

Ihre freiwilligen Angaben werden zusammen mit den für die Vertragsabwicklung erforderlichen Daten von uns und der Unternehmensgruppe, unseren Dienstleistern sowie anderen<br />

ausgewählten Unternehmen verarbeitet und genutzt, um Sie über Produkte und Dienstleistungen zu informieren.<br />

Wenn Sie dies nicht mehr wünschen, schreiben Sie bitte an: Oldenbourg Industrieverlag, Rosenheimer Str. 145, D-81671 München


praxis<br />

Software zur Prozessmodellierung vereinfacht den<br />

Übergang von Pilotphase zu kommerzieller Anlage<br />

Bioraffinierie erzeugt hochwertiges Synthesegas aus Abfallprodukt der Zelluloseherstellung<br />

Das schwedische Unternehmen Chemrec hat eine<br />

Technologie für die Vergasung von Schwarzlauge<br />

entwickelt, durch deren Einsatz Zellstoffanlagen zu<br />

Bioraffinerien werden können. Beim Übergang von der<br />

Pilotphase <strong>auf</strong> eine vollständig kommerziell betriebene<br />

Anlage stieß das Unternehmen mit den internen Prozessmodellierungsinstrumenten<br />

an seine Grenzen. Mit<br />

der UniSim-Design-Plattform von Honeywell konnte<br />

Chemrec Prozesse und Anlagen je nach Bedarf planen<br />

und simulieren.<br />

Die von Chemrec entwickelte Technologie nutzt die bei<br />

der Zellstoffproduktion anfallende Schwarzlauge – also<br />

Biomasse –, um daraus große Mengen erneuerbarer Motorkraftstoffe<br />

oder Strom aus Biomasse zu erzeugen. Der<br />

Prozess basiert <strong>auf</strong> einer unter Hochtemperatur erfolgenden<br />

Flugstromvergasung von Schwarzlauge, bei der hochwertiges<br />

Synthesegas entsteht. Das hauptsächlich aus<br />

Wasserstoff und Kohlenmonoxid bestehende Gasgemisch<br />

wird als Ausgangsmaterial für viele Biokraftstoffe verwendet.<br />

Chemrec ermöglicht damit Zellstoff- und Papierwerken<br />

mit seiner proprietären Technologie der Schwarzlaugevergasung<br />

den Übergang zu Bioraffinerien.<br />

NEUE TOOLS ZUR PROZESSMODELLIERUNG NÖTIG<br />

Mit einer Versuchsanlage im schwedischen Pitea kann<br />

das Unternehmen <strong>auf</strong> eine zwanzigjährige Erfahrung in<br />

der Vergasungstechnologie für Schwarzlauge zurückblicken.<br />

In dieser Zeit verbesserte das Unternehmen die<br />

Technologie in Demonstrationsanlagen und einer kommerziellen<br />

Anlage in New Bern im US-Bundesstaat North<br />

Carolina. Mit einer Machbarkeitsstudie untersuchte<br />

Chemrec die Möglichkeit, seine Prozesse für die Vergasungstechnologie<br />

zu testen, auszulegen, zu überwachen<br />

und zu bewerten. Chemrec wollte seinen Prozess gewinnbringend<br />

einsetzen und brauchte daher eine Technologie<br />

für den internen Test und die Simulation seiner Prozesse,<br />

um den Übergang von der Pilotphase <strong>auf</strong> eine vollständig<br />

kommerziell betriebene Anlage zu vollziehen. Die bisherigen<br />

Lösungen erwiesen sich als unzureichend und berücksichtigten<br />

nicht alle Aspekte des Gesamtprozesses.<br />

„Unsere internen Prozessmodellierungsinstrumente<br />

waren nicht effizient genug, um alle Aspekte des Prozesses<br />

zu erfassen und uns ein detailliertes Bild von einer<br />

vollständigen kommerziellen Anlage zu vermitteln“, sagt<br />

Erik Furusjö, Verfahrensingenieur für Anlagenplanung<br />

bei Chemrec. „Wir brauchten die Zusammenarbeit mit<br />

einem Partner, der über eine bewährte Simulationslösung<br />

verfügte und uns bei der erforderlichen Optimierung<br />

unserer aktuellen Prozesse und der zukünftigen<br />

Weiterentwicklung <strong>auf</strong> diesem innovativen Gebiet unterstützen<br />

konnte.“<br />

EINSATZFELDER FÜR SYNTHESEGAS UNTERSUCHT<br />

Chemrec verglich verschiedene Software-Lösungen und<br />

entschied sich letztlich für die UniSim-Design-Plattform<br />

von Honeywell. Mit UniSim war Chemrec in der Lage,<br />

Prozesse je nach Bedarf zu planen und zu simulieren. Das<br />

Unternehmen setzte die Software für die Planung seiner<br />

neuen Anlage in Domsjö und für die Prozessentwicklung<br />

der Pilotanlage in Pitea in Schweden ein, dem Standort<br />

der weltweit ersten BioDME-Anlage (DME: Dimethylether).<br />

Des Weiteren wird die UniSim-Software dazu verwendet,<br />

alternative Einsatzfelder von Synthesegas zu<br />

untersuchen und verschiedene Prozesskonfigurationen<br />

und Produkte zu testen. Aufgrund der Kopplung mit<br />

der Simulationssoftware von OLI Systems kann Chemrec<br />

UniSim außerdem für die Simulation von Eigenschaften<br />

konzentrierter Elektrolytlösungen einsetzen,<br />

was bei der Integration in Zellstoffwerken eine wichtige<br />

Rolle spielt.<br />

Ingenieure können mit der Software sowohl stationäre<br />

als auch dynamische Modelle für die Auslegung,<br />

Überwachung und das Testen von Anlagen entwickeln.<br />

UniSim Design ermöglicht die stationäre Simulation<br />

chemischer und anderer Prozesse und unterstützt <strong>auf</strong>grund<br />

schneller Prozessoren mit der Fähigkeit zur<br />

Rückwärtsberechnung, und damit unmittelbar verfügbarer<br />

Untersuchungsergebnisse, die Anwender bei der<br />

Entscheidungsfindung. Zusätzlich erlauben es die Möglichkeiten<br />

der dynamischen Simulation, stationäre Modelle<br />

<strong>auf</strong> transiente Modelle auszuweiten. Dadurch<br />

stehen konsistente thermodynamische Eigenschaften<br />

und Modellkonfigurationen für die Analyse von Prozessübergängen,<br />

die Untersuchung des Regelungsverhaltens<br />

und für Bedienerschulungen zur Verfügung.<br />

ANLAGE ERZEUGT BIO-DIMETHYLETHER<br />

Durch den Einsatz seiner patentierten Vergasungstechnologie<br />

kann Chemrec die in der Zellstofffabrik erzeugte<br />

Schwarzlauge in hochwertiges Synthesegas umwandeln.<br />

Synthesegas ist ein hauptsächlich aus Wasserstoff und<br />

Kohlenmonoxid bestehendes Gasgemisch, das zu verschiedenen<br />

Kraftstoffen und Chemikalien verarbeitet<br />

werden kann. Das während des Chemrec-Prozesses erzeugte<br />

Synthesegas ist das Ausgangsmaterial für die Synthese<br />

zahlreicher potenzieller Biokraftstoffe, wie Dimethylether<br />

und Methanol, zwei herausragende Biokraftstoffe,<br />

die die Anforderungen hinsichtlich Produktkosten,<br />

Umweltverträglichkeit und Prozessreife erfüllen.<br />

Gemeinsam mit Volvo Trucks und einigen anderen<br />

Unternehmen beteiligt sich Chemrec am BioDME-Projekt,<br />

mit dem die gesamte Kette von der erneuerbaren<br />

forstwirtschaftlichen Biomasse bis zum Einsatz von<br />

BioDME in Schwertransportern entwickelt und demonstriert<br />

werden soll.<br />

WELCHER EINSATZ IST WIRTSCHAFTLICH?<br />

„Wir haben gleich neben der Vergasungs-Pilotanlage in<br />

Pitea eine neue DME-Anlage gebaut. Dort wird Synthesegas<br />

aus dem Vergaser in BioDME umgewandelt und<br />

gleichzeitig die Gasreinigung, Gas<strong>auf</strong>bereitung und Kraftstoffsynthese<br />

durchgeführt“, berichtet Furusjö. Die<br />

Chemrec-Anlage produziert über vier Tonnen BioDME<br />

pro Tag, das bis 2012 zu Testzwecken in der Fahrzeugflotte<br />

von Volvo eingesetzt wird. „UniSim Design ist eines<br />

der Werkzeuge die wir zur Auslegung einer vollständig<br />

28<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


kommerziell betriebenen Anlage eingesetzt haben. Die<br />

Software kann außerdem zur konzeptionellen Bewertung<br />

des alternativen Einsatzes von Synthesegas verwendet<br />

werden“, sagt Furusjö. „Durch das Austesten verschiedener<br />

Prozesskonfigurationen, Prozesse und Produkte kann<br />

Chemrec heute Fragen wie ‚Wofür können wir das Synthesegas<br />

verwenden?‘ und ‚Was ist technisch und wirtschaftlich<br />

machbar?‘ leichter beantworten. Chemrec berücksichtigt<br />

diese Fragen und ist in der Lage, die Auslegung<br />

der Vergasungsanlage <strong>auf</strong> das verwendete Ausgangsmaterial<br />

und das gewünschte Endprodukt abzustimmen.“<br />

Aufgrund der Integration mit der Elektrolysesimulation<br />

von OLI Systems können mit UniSim Simulationen<br />

konzentrierter Elektrolytlösungen bei hohem Druck<br />

und hohen Temperaturen durchgeführt werden. „Wir<br />

können mit einer einzigen Lösung sowohl den petrochemischen<br />

Teil unserer Anlagen als auch den Bereich<br />

Zellstoff und Papier simulieren. Die Vergasungsanlage<br />

befindet sich an der Schnittstelle zwischen den beiden<br />

Industriebereichen, die völlig unterschiedliche Ansprüche<br />

stellen“, kommentiert Furusjö. „Mit der Lösung<br />

von Honeywell in Kombination mit unseren internen<br />

Werkzeugen für die Vergasungssimulation sind wir in<br />

der Lage, Experimente zu simulieren. Wir können beispielsweise<br />

feststellen, ob eine Qualitätsveränderung<br />

bei der als Ausgangsmaterial verwendeten Schwarzlauge<br />

die Rohgaseigenschaften beeinflusst und vor allen<br />

Dingen die Gründe dafür nachvollziehen. Die Zusammenarbeit<br />

mit dem Honeywell-Team funktionierte reibungslos.<br />

Wir haben das erforderliche Know-how erworben,<br />

um diese hervorragende Technologie in die<br />

Praxis umzusetzen.“<br />

Mithilfe der UniSim-Design-Lösung von Honeywell<br />

sieht Chemrec sich <strong>auf</strong> dem Gebiet der Biokraftstoffe für<br />

die Zukunft bestens <strong>auf</strong>gestellt und beabsichtigt eine<br />

Übertragung seiner Technologien in andere Anlagen.<br />

Energie aus Biomasse: Die Technologie von Chemrec<br />

ermöglicht die Vergasung von Schwarzlauge und damit auch die<br />

Erzeugung großer Mengen Motorkraftstoffe oder Strom.<br />

Die Software zur Prozessmodellierung erlaubt das<br />

Erstellen stationärer und dynamischer Modelle für die Auslegung<br />

von Anlagen, die Überwachung der Leistungsfähigkeit, die Fehlersuche<br />

und die Optimierung von Betriebsabläufen.<br />

Autor<br />

Herbert Fittler ist Senior<br />

Consultant bei Honeywell<br />

Process Solutions.<br />

Honeywell Process Solutions,<br />

Heinrich-Hertz-Str. 40, D-40699 Erkrath,<br />

Tel. +49 (0) 211 920 64 14,<br />

E-Mail: herbert.fittler@honeywell.com<br />

Bilder: Honeywell<br />

Mithilfe der<br />

UniSim-Technologie<br />

kann Chemrec<br />

Gasprozesse vorhersagen<br />

und damit die<br />

Qualität der Schwarzlauge<br />

in seinem Werk<br />

für alternative Biokraftstoffe<br />

optimieren.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

29


hauptbeitrag<br />

<strong>Bedienbilder</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong><br />

Modellbasierte Erzeugung von Fließbilddarstellungen<br />

Die Erstellung von <strong>Bedienbilder</strong>n für die Prozessführung ist <strong>auf</strong>wendig und fehleranfällig.<br />

Eine Analyse der Informationsströme zeigt jedoch <strong>auf</strong>, dass sich unter bestimmten<br />

Voraussetzungen ein Großteil der Aktivitäten automatisieren lässt. In einer Kooperation<br />

von Hochschule und Industrie wurde ein theoretischer Lösungsansatz in einen funktionalen<br />

Demonstrator überführt, mit dem die in den digitalen Planungsdaten bereits erhaltene<br />

Information effektiv und effizient für die automatische Erstellung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />

genutzt werden kann. Basis für die automatische Erstellung ist eine Beschreibung des<br />

<strong>Bedienbilder</strong> (HMI)-Engineerings als regelgeleitete Modelltransformation. Der Demonstrator<br />

eröffnet bereits jetzt neue Wege für die tiefe Integration von Prozessmodulen und<br />

Kompaktteilanlagen (Package Units) und zur Unterstützung von Inbetriebsetzung und<br />

Operatortraining.<br />

SCHLAGWÖRTER Prozessführung / Mensch-Maschine-System / Integriertes Engineering<br />

Model-based Generation of HMI-Mimics for Supervisory Control in Process Industries<br />

The preparation of human-machine interfaces (HMIs) in the process industries is costintensive<br />

and error-prone. Work flow analysis shows that under certain conditions many<br />

of the activities can be automated. A functional demonstrator has been developed which<br />

derives HMIs directly from the engineering data. The automatic generation is based on a<br />

description of the HMI engineering as rule-governed model transformation. The demonstrator<br />

already opens new possibilities for the deep integration of process modules and<br />

package units, and supports commissioning and operator training.<br />

KEYWORDS Supervisory Control / Human-Machine-Interaction / Integrated Engineering<br />

30<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Falk Doherr, Leon Urbas, TU Dresden<br />

Oliver Drumm, Volker Franze, Siemens<br />

Wegen steigender Anforderungen an Wirtschaftlichkeit<br />

und Sicherheit werden die<br />

Anlagen der Prozessindustrie kompakter<br />

und komplexer. Gleichzeitig verkürzen<br />

sich die für die Anlagenplanung zugestandenen<br />

Zeiten immer mehr und die Planungsmannschaften<br />

werden kleiner. Daher ist eine stetige Effizienzsteigerung<br />

notwendig, um in Europa Anlagen<br />

weiterhin konkurrenzfähig planen zu können. Eine<br />

Schlüsselrolle kommt dabei einer Verbesserung der<br />

Weiterleitung von Planungsinformationen im gesamten<br />

Lebenszyklus zwischen Phasen und Werkzeugen zu.<br />

Diese Integration ist alles andere als trivial. Denn der<br />

mit den Planungstätigkeiten verbundene Informationsbedarf<br />

in den Phasen und in den unterschiedlichen<br />

Gewerken unterscheidet sich deutlich. Er hat zu einer<br />

heterogenen Landschaft lokal sehr effizienter, hochspezialisierter<br />

Werkzeuge geführt.<br />

Davon ist besonders die Erstellung der <strong>Bedienbilder</strong><br />

für die Prozessleitsysteme betroffen. Hier werden Informationen<br />

vieler unterschiedlicher Gewerke benötigt.<br />

Diese liegen vielfach bereits in digitaler Form vor. Aufgrund<br />

fehlender Schnittstellen, einheitlicher Standards<br />

und umfangreicher Integrations-, Anreicherungs- und<br />

Transformationstätigkeit ist die <strong>Bedienbilder</strong>stellung<br />

dennoch ein weitgehend manueller und fehleranfälliger<br />

Arbeitsschritt. Bild 1 zeigt die wesentlichen Vorgänge<br />

bei der Gestaltung der Mensch-Prozess-Kommunikation<br />

und die benötigten Informationsflüsse aus den verfahrenstechnischen<br />

und automatisierungstechnischen Engineeringphasen.<br />

Verursacht durch die hohen Aufwände,<br />

wird die <strong>Bedienbilder</strong>stellung – trotz ihrer großen<br />

Bedeutung für die Prozessführung – üblicherweise erst<br />

sehr spät im Projekt angegangen.<br />

Vielfach wäre es jedoch hilfreich, bereits in früheren<br />

Phasen, beispielsweise zur Durchführung der Risikound<br />

Betreibbarkeitsanalyse (engl. Hazard and Operability<br />

Analysis), erste Vorschläge zur Prozessführung mit<br />

Bildschirmen zur Verfügung zu haben, da hier die Arbeitsteilung<br />

zwischen Bedienmannschaft und Automatisierungssystem<br />

<strong>auf</strong> dem Prüfstand steht. Ebenso würden<br />

Inbetriebsetzung und Operatortraining von einer<br />

schnellen Verfügbarkeit von funktional korrekten Zwischenständen<br />

des Bediensystems profitieren. Nicht zuletzt<br />

könnte die Prozessoptimierung erheblich beschleunigt<br />

werden, wenn große Teile der <strong>Bedienbilder</strong>stellung<br />

automatisiert abl<strong>auf</strong>en könnten.<br />

1. Mensch-Prozess-Kommunikation<br />

Die Anlagen der Prozessindustrie werden überwiegend<br />

aus zentralen Leitwarten überwacht und geführt. Die<br />

Mensch-Maschine-Nahtstelle wird dabei mit Rechnerbildschirmen<br />

realisiert. Dabei sind die speziell <strong>auf</strong> die harten<br />

Anforderungen der Industrie ausgelegten Hard- und Softwaresysteme<br />

<strong>auf</strong> dem Rückzug; aus wirtschaftlichen<br />

Gründen werden <strong>auf</strong> breiter Front aus dem Büro bekannte<br />

Hardware und Betriebssysteme eingesetzt. Dies gilt allerdings<br />

nur eingeschränkt für die Software zur Realisierung<br />

der Mensch-Prozess-Kommunikation (HMI, Human-Machine-Interface).<br />

Für Datenerfassungs- und -auswertungs<strong>auf</strong>gaben<br />

sowie für die Berichterstellung kommen aus der<br />

Bürowelt bekannte Tabellenverarbeitungs- und Schreibprogramme<br />

zum Einsatz. Da das HMI jedoch eine kritische<br />

Nahtstelle der „Augen“ und „Hände“ des Operators zu<br />

dem komplexen technischen Prozess darstellt, bleibt ein<br />

<strong>auf</strong> die Aufgaben der Prozessführung in der Prozessindustrie<br />

optimierter Zugang nach wie vor notwendig und sinnvoll.<br />

Die Blätter der VDI/VDE-Richtlinie 3699 „Prozessführung<br />

mit Bildschirmen“ [1], die aktuell im GMA FA<br />

5.23 überarbeitet werden, geben für die Ausgestaltung von<br />

beispielsweise Kurvenbildern, Fließbildern und Meldelisten<br />

wertvolle Hinweise. Für die Meldesysteme zeigt [3],<br />

dass die Empfehlungen dieser Richtlinie in den Prozessleitsystemen<br />

nahezu vollständig umgesetzt sind.<br />

1.1 Fließbilder<br />

Ein wesentliches Element der HMIs in der Prozessindustrie<br />

sind schematische grafische Darstellungen<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

31


Hauptbeitrag<br />

BILD 2: Beispiel eines<br />

Bedienbilds in der<br />

Prozessindustrie<br />

BILD 1: Aktivitäten und Informationsströme bei der<br />

Gestaltung der Mensch-Prozess-Kommunikation [2]<br />

BILD 3:<br />

Rohrleitungs- und<br />

Instrumentierungsdiagramm<br />

(R&I-Diagramm)<br />

der prozesstechnischen und automatisierungstechnischen<br />

Struktur der Anlagen. Dazu werden ausgewählte<br />

Apparate, die verbindenden Rohrleitungen<br />

und die für den Informationsbereich wesentlichen<br />

Instrumente angezeigt. Zum anderen können die Anlagenfahrer<br />

über die Bedienbildsymbole den Prozess<br />

direkt oder indirekt beeinflussen. Der Eingriff erfolgt<br />

üblicherweise indirekt über gerätespezifische Bedienleitfelder<br />

(Faceplates), die den Zustand eines Instruments<br />

oder Regelkreises sowie die spezifischen Eingriffsmöglichkeiten<br />

darstellen. Zuletzt enthalten die<br />

<strong>Bedienbilder</strong> üblicherweise Schaltflächen für die<br />

Navigation innerhalb der Anlagenstruktur, für das<br />

Ein- und Ausblenden von Schrittketten und Kurvendarstellungen<br />

oder zur Anwahl von bereichsspezifischen<br />

Programmen.<br />

32<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


1.2 Bedienbild-Engineering<br />

Eine durchschnittliche Chemieanlage ist mit etwa 2500<br />

bis 7500 EMSR (Elektrisches Messen, Steuern, Regeln)-<br />

Stellen und 130-500 Prozessbedienbildern ausgestattet<br />

[4]. Der Aufwand für die Erstellung der Prozessbedienbilder<br />

hängt von Automatisierungs- und Wiederholgrad<br />

von Lösungsmustern ab, ist aber generell nicht zu vernachlässigen,<br />

da der Entwurf der Mensch-Maschine-<br />

Schnittstelle hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen<br />

unterliegt. Diese spiegeln sich konzentriert in<br />

den in der VDI/VDE-Richtlinie 3699, Blatt 2, <strong>auf</strong>geführten<br />

Grundsätzen der Mensch-Maschine-Systemgestaltung<br />

wider. Zwei in diesem Kontext wichtige Punkte<br />

sind die Forderung nach Einheitlichkeit und Eindeutigkeit.<br />

Demnach ist gleiche Information immer gleich<br />

darzustellen. Das bedeutet auch, dass zwischen den<br />

Planungsdokumenten und den Systemen der Betriebsphase<br />

eine weitgehende Konsistenz anzustreben ist.<br />

Aufgrund der jeweils systemspezifisch notwendigen<br />

Detailkenntnisse wird die Erstellung der HMI in den<br />

meisten Fällen vom Leitsystemlieferanten oder Systemintegrator<br />

durchgeführt. Die Design- und Strukturvorgaben<br />

erhält er von den verfahrenstechnischen und automatisierungstechnischen<br />

Planungsbereichen des Anlagenbauers<br />

und vom Endkunden der Anlage.<br />

Die wesentlichen Aufgaben bei Erstellung der Prozessbedienbilder<br />

sind<br />

1 | Navigationsstruktur konzipieren und <strong>Bedienbilder</strong><br />

anlegen,<br />

2 | statische und dynamische Symbole auswählen<br />

und in den <strong>Bedienbilder</strong>n platzieren,<br />

3 | Verbindungen zwischen den Symbolen, beispielsweise<br />

für Rohrleitungen zur Darstellung von<br />

Materialströmen, herstellen,<br />

4 | Symbole mit den Variablen des Automatisierungssystems<br />

verbinden und schließlich<br />

5 | Elemente zur Präsentation von Prozessalarmen<br />

und Trenddarstellungen in das HMI-System<br />

integrieren.<br />

Die wichtigsten dabei verwendeten Informationsquellen<br />

sind:<br />

Rohrleitungs- und Instrumentenfließbild (R&I):<br />

technologische Darstellung des Prozesses (Bild 3)<br />

Instrumentierungsliste: Auflistung aller Instrumente<br />

mit den wichtigsten Informationen (wie<br />

Messtyp, Messbereich, Signalart, Alarm)<br />

Konfiguration des Automatisierungssystems<br />

Liste der Kontrollfunktionen: Präsentation der<br />

Steuerungsfunktionen durch die Automatisierungstechnik<br />

(Continuous Function Charts (CFC)<br />

and Sequential Function Charts (SFC))<br />

Das R&I-Diagramm stellt ein essenzielles Dokument<br />

an der Schnittstelle von Verfahrenstechnik und Automatisierungstechnik<br />

dar. Im R&I werden die Anforderungen<br />

an die Automatisierung formuliert, und dort<br />

sind neben der Prozesstopologie eine Vielzahl von<br />

Randbedingungen für die Instrumentierung <strong>auf</strong>geführt.<br />

Entsprechend kommt dieser Dokumentenart<br />

auch bei der HMI-Erstellung eine zentrale Rolle zu.<br />

Durch „Einwolken“ werden <strong>auf</strong> den bis zu DIN A0 großen<br />

Papierplänen sinnvolle Untermengen für die Darstellung<br />

<strong>auf</strong> einzelnen <strong>Bedienbilder</strong>n definiert. Zusammen<br />

mit den EMSR-Stellenlisten, Funktionsplänen<br />

und weiterer Eingangsinformationen entstehen dann<br />

in Handarbeit und einigen Revisions- und Iterationsschritten<br />

die l<strong>auf</strong>fähigen Prozessbedienbilder.<br />

Dieser Prozess wird von den meisten Leitsystemen<br />

durch jeweils spezifische Bibliothekskonzepte sowie<br />

leitsystemspezifische Programmierschnittstellen oder<br />

Makrosprachen zur Definition von anpassbaren Vorlagen<br />

und zur Automatisierung von wiederkehrenden<br />

Teil<strong>auf</strong>gaben, unterstützt. So können beispielsweise in<br />

einigen Systemen <strong>Bedienbilder</strong> als Vorlage für funktional<br />

gleiche Teilanlagen verwendet und die Prozessanbindung<br />

mit wenigen Handgriffen angepasst werden,<br />

falls die Struktur der Kennzeichnungssysteme für die<br />

Automatisierung dies durch einfache Textersetzungsregeln<br />

ermöglicht.<br />

Die automatische Übernahme der Eingangsinformation<br />

in das Engineering der Bediensysteme ist aktuell nur<br />

rudimentär ausgeprägt. Üblicherweise lassen sich Listen<br />

mit den Namen von Automatisierungsobjekten und Prozessvariablen<br />

importieren und verwerten. Darüber hinausgehende<br />

Strukturinformation wie das R&I werden<br />

derzeit in keinem System verwertet.<br />

2. HMI-Engineering als Transformationsprozess<br />

Auf einer abstrakten informationstechnischen Ebene<br />

lässt sich die <strong>Bedienbilder</strong>stellung als eine Sequenz<br />

von Transformationsschritten beschreiben. Die Ausgangsinformation<br />

wird dabei ausgewählt, weiter ausspezifiziert,<br />

angereichert oder verfeinert. In der Prozessindustrie<br />

haben sich <strong>auf</strong>grund der hohen Anzahl<br />

von für die Prozessführung relevanten, gleichartigen,<br />

projekt- und domänenspezifischen Elementen (wie beispielsweise<br />

Messpunkten, Ventilen, Pumpen oder Reglern)<br />

Bibliotheks konzepte bewährt. Eine sorgfältige<br />

Analyse der Arbeitsschritte zeigt, dass ein Großteil der<br />

Transformationsschritte durch mehr oder weniger<br />

komplizierte Regeln beschrieben werden kann.<br />

2.1 Das Cameleon Reference Framework<br />

Die automatische Generierung von Dialogen aus abstrakten<br />

Modellen der Interaktion, wie beispielsweise<br />

MOTIF [5], ist bereits seit über zwei Jahrzehnten in Entwicklung<br />

und Anwendung. Das Kernkonzept besteht<br />

darin, eine abstrakte Problembeschreibung zu erstellen,<br />

die völlig zielsystemunabhängig ist, und diese dann<br />

über Anreicherungs- und Transformationsschritte in<br />

eine finale Anwendung zu überführen. Dieser Ansatz<br />

ist auch bereits zur HMI-Erstellung genutzt worden, wie<br />

beispielsweise bei MOBI-D [6] oder TERESA [7]. Zur<br />

strukturierten Einteilung der Ansätze lässt sich das<br />

Cameleon Reference Framework (CRF) [8] heranziehen.<br />

Mit diesem ist es möglich, verschiedene HMI–MDSE-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

33


Hauptbeitrag<br />

Ansätze (Model-driven Software Engineering [9]) zu<br />

vergleichen. Das CRF definiert Ontologien, Modelle und<br />

generische Abstraktionen und Verfeinerungsschritte.<br />

Bild 4 zeigt das Framework grafisch.<br />

Das CRF besteht aus vier Abstraktionsebenen. Als Erstes<br />

betrachtet das Konzept- und Aufgabenmodell die notwendigen<br />

logischen Aktivitäten, um die Ziele des Nutzerdialogs<br />

zu erreichen und identifiziert jene Objekte, die<br />

zu manipulieren sind, um die Aufgaben zu erfüllen. Als<br />

Zweites adressiert das Modell der abstrakten Nutzerschnittstelle<br />

die Komponenten des Nutzerdialogs, die zur<br />

Aufgabenerfüllung benötigt werden. Es berücksichtigt<br />

dabei nur die logische Struktur ohne Festlegung der Modalität<br />

und Beschreibung von Realisierungsdetails. In der<br />

dritten Ebene, dem konkreten Modell der Nutzerschnittstelle,<br />

werden die abstrakten Interaktionsobjekte der<br />

zweiten Ebene durch konkrete (das heißt mittels einer<br />

festgelegten Modalität realisierte) Objekte ersetzt. Diese<br />

Ebene wird in die endgültige Benutzeroberfläche im Sinne<br />

einer generischen Softwareumgebung (zum Beispiel<br />

XHTML, Java) oder industrietaugliche HMI-L<strong>auf</strong>zeitumgebungen,<br />

wie Simatic WinCC (Siemens), PVSS II (ETM)<br />

oder InTouch (Wonderware) transformiert.<br />

Die MDSE-Technologien haben bereits ihr großes Potenzial<br />

zur automatischen Erzeugung von dialoggetriebenen<br />

Nutzerschnittstellen für unterschiedliche Zielplattformen<br />

zeigen können. Damit ist MDSE auch sehr<br />

interessant für die Prozessführungsschnittstellen mit<br />

ihren großen Datenmengen, verschiedenen Darstellungsgrößen<br />

und unterschiedlichen Zieltechnologien.<br />

Einige MDSE-Ansätze für die HMI-Generierung sind in<br />

Bezug <strong>auf</strong> CRF durch [8] klassifiziert. Dies hilft beim<br />

Vergleich der unterschiedlichen Ansätze. Daher wird<br />

das Konzept zur automatischen Erzeugung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />

in der Prozessindustrie (kurz: autoHMI) im<br />

Rahmen von CRF vorgestellt.<br />

Archetypal models<br />

Ontological<br />

models<br />

Domain<br />

Concepts<br />

Tasks<br />

Context ofuse<br />

User<br />

Platform<br />

Environment<br />

Config 1<br />

Concepts<br />

(D1)<br />

Tasks<br />

(D2)<br />

User<br />

(D3)<br />

Platform<br />

(D4)<br />

Environment<br />

(D5)<br />

Concepts and<br />

Task Model<br />

(D8)<br />

Abstract<br />

interface<br />

(D9)<br />

Concrete<br />

interface<br />

(D10)<br />

D8<br />

D1, D2, D3<br />

D9<br />

D8<br />

D10<br />

D8, D9, D4, D5<br />

Config 2<br />

D1<br />

D2<br />

D3<br />

D4<br />

D5<br />

BILD 4: Cameleon<br />

Reference<br />

Framework [8]<br />

Adaptation<br />

Evolution<br />

Transition<br />

Evolution<br />

(D6)<br />

Transition<br />

(D7)<br />

S<br />

C<br />

E<br />

FinalUIfor<br />

Config 1<br />

(D11)<br />

D11<br />

D9, D10, R3,R4<br />

S<br />

C<br />

E<br />

D6<br />

D7<br />

Observed<br />

models<br />

S<br />

C<br />

E<br />

Runtime Infrastructure R5<br />

BILD 5:<br />

Transformationskette<br />

von autoHMI<br />

Metamodell SCADA-Objekte:<br />

Entwurf, Klassen, Verhalten und Animationen<br />

Analyse<br />

SCADA-<br />

Frameworks<br />

VisiWinNET<br />

aCAE<br />

(CAEX)<br />

CAE-<br />

Entwicklungswerkzeug<br />

HMI-<br />

Design-<br />

Assistent<br />

ABSTRAKTES<br />

HMI-<br />

MODEL<br />

(aHMI)<br />

Model-Model-<br />

Transformation<br />

WinCC/PCS7<br />

InTouch<br />

-TAGNAMES<br />

-STRUCTURES<br />

-GUI-O BJEKTS<br />

-(ALARMS)<br />

CoDeSys<br />

XVCML<br />

Templates &Typicals<br />

-VDI/V DE 3699<br />

-Kundenrichtlinien<br />

HMI-<br />

Gestaltungsregeln<br />

Transformationsregeln,<br />

Templates<br />

-Engineering-Erfahrungen<br />

34<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


2.2 autoHMI-Konzept<br />

Angelehnt an das CRF ist autoHMI ein Ansatz, der <strong>auf</strong>bauend<br />

<strong>auf</strong> Basisplanungsdaten mittels Informationsanreicherung<br />

ein HMI in einem Zielsystem entstehen<br />

lassen soll. Bild 5 zeigt die Modellkette von autoHMI.<br />

Die detaillierte Beschreibung des autoHMI-Konzepts<br />

bezüglich des CRF findet sich in [2]. Hier werden nur<br />

die wesentlichen Aspekte herausgehoben, die für das<br />

Verständnis der beschriebenen konkreten autoHMI-<br />

Realisierung notwendig sind:<br />

1 | Basisdaten > aCAE (Konzept- und Aufgabenmodell)<br />

Das Konzept- und Aufgabenmodell von autoHMI ist<br />

eine Datensammlung aller HMI relevanten Informationen,<br />

die während der Planungsphasen im CAE-<br />

System zur Verfügung stehen. Dieses „abstrakte CAE-<br />

Modell“ (aCAE) sollte mit nur minimalem manuellem<br />

Aufwand erzeugt werden können. Bezüglich der<br />

Anlagenplanungsdaten ist aCAE eine Implementierung<br />

des CAEX Meta Modells [10], welches bereits die<br />

Basisbegriffe der Richtlinie IEC 61512, wie Units,<br />

Equipment und Control Modules, einführt. Gemäß<br />

der VDI/VDE-Richtlinie 3699 [1] sollten HMI sowohl<br />

Informationen zur Struktur als auch zu den funktionalen<br />

Beziehungen der Objekte enthalten. Daher beinhaltet<br />

aCAE als Erweiterung zur IEC 61512 auch<br />

Informationen über die Verbindungen und Platzierungen<br />

der Planungsobjekte <strong>auf</strong> den schematischen<br />

Prozesszeichnungen (R&I).<br />

2 | aCAE > aHMI (Modell der abstrakten<br />

Nutzerschnittstelle)<br />

Zur übersichtlichen Gestaltung und um mehrere<br />

Zielsysteme mit autoHMI bedienen zu können, ist<br />

die Einführung eines Modells des abstrakten Interfaces<br />

nach dem CRF sinnvoll. Das CRF unterscheidet<br />

strikt zwischen dem abstrakten und dem konkreten<br />

Interface. Das abstrakte Interfacemodell enthält nach<br />

CRF noch keine Darstellungsmodalitäten. Das aHMI-<br />

Modell von auto-HMI hingegen beinhaltet bereits<br />

diese Informationen und vereinigt somit beide CRF-<br />

Modelltypen. Allerdings bleibt aHMI noch immer<br />

plattformunabhängig in seiner Modellierung. Der<br />

abstrakte Teil von aHMI transformiert die Strukturinformation<br />

von aCAE in eine Interaktions- und<br />

Navigationshierarchie. Diese Zuordnung steht in<br />

Bezug zum Aufgabenmodell der VDI/VDE-Richtlinie<br />

3699 [1]. Units, Equipment und Control Module werden<br />

<strong>auf</strong> abstrakte Interaktionsobjekte abgebildet und<br />

relevante Informationen werden übertragen. Der<br />

konkrete Teil von aHMI enthält Implementierungsinformationen<br />

für die Detaildarstellung <strong>auf</strong> 2D-Display<br />

in Leitwarten. Die Transformation der aCAE-<br />

Daten in die konkrete Beschreibung der Bedienoberflächen<br />

wird über ladbare, aber feste Zuordnungsschemen<br />

gesteuert, wie die Zuordnung einer<br />

abstrakten Rolle eines aCAE-Objektes zu einem<br />

animierten und interaktiven Grafik objekt (Symbol)<br />

oder die Zuordnung des Prozessmediums einer Rohrleitung<br />

zum Farbcode der repräsentierenden Linie<br />

<strong>auf</strong> dem Bedienbild.<br />

3 | aHMI > endgültige Benutzeroberfläche<br />

Der letzte Schritt in der Werkzeugkette ist die Überführung<br />

des abstrakten HMI in die Darstellungsformen<br />

eines Zielsystems. Dieser Schritt ist immer systemspezifisch<br />

zu implementieren. Hierbei wird wiederum<br />

über Anreicherung basierend <strong>auf</strong> Vorlagen und<br />

Transformationsvorschriften ein Format erzeugt,<br />

welches sich in das Zielsystem integrieren lässt.<br />

3. autoHMI-Realisierung<br />

BILD 6: Auszug aus dem abstrakten<br />

HMI Modell (aHMI)<br />

Die autoHMI-Werkzeugkette wurde als eine Reihe von<br />

Programmen modular implementiert, welche XML-<br />

Daten einlesen, Transformationen durchführen und<br />

XML-Daten wieder ausgeben (Bild 7). Der in diesem<br />

Artikel beschriebene Kern der Umwandlung wird<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

35


Hauptbeitrag<br />

durch die Komponente „HMI-Design-Assistent“ repräsentiert.<br />

Dieser Teil ermöglicht die Eingabe wesentlicher<br />

Nutzerangaben, die für die Steuerung der<br />

Transformationen notwendig sind, erzeugt das abstrakte<br />

Zwischenformat aHMI und führt die Verfeinerungsschritte<br />

hinsichtlich der endgültigen Benutzeroberfläche<br />

für ein spezifisches HMI-Zielsystem durch.<br />

Die drei wichtigsten Teile der Werkzeugkette werden<br />

in den folgenden Abschnitten erläutert.<br />

3.1 CAE-Export – aCAE-Erzeugung<br />

Als CAE-Werkzeug kommt Comos von Siemens zum<br />

Einsatz. Mit diesem Werkzeug können unter anderem<br />

das Prozessdesign und das automatisierungstechnische<br />

Engineering <strong>auf</strong> einer Datenbasis durchgeführt<br />

werden. Durch eine nutzerdefinierte Abfrage und die<br />

integrierten XML-Connectoren ist es möglich, interne<br />

Planungsdaten von Comos in ein beliebiges XML-Format<br />

zu exportieren. Die wesentliche Aufgabe der XML-<br />

Connectoren ist also, das Mapping zwischen dem Datenmodell<br />

in Comos und dem aCAE-Modell herzustellen.<br />

Neben dem Export der allgemeinen Strukturinformationen<br />

ist es möglich, die Position eines Objektes<br />

<strong>auf</strong> dem R&I, <strong>auf</strong> dem es sich befindet, und wichtige<br />

Eigenschaften der Objekte, wie beispielsweise den Objekttyp<br />

(role), zu extrahieren.<br />

3.2 HMI-Design-Assistent<br />

Der HMI-Design-Assistent verarbeitet in einem ersten<br />

Schritt die im CAEX-Format exportierten Daten und<br />

erzeugt daraus eine abstrakte, technologieunabhängige<br />

Repräsentation des Bedienbildes. Der Assistent entscheidet<br />

anhand der Rollen (Objekttyp) der Anlagenelemente,<br />

in welcher Form diese in das aHMI-Format konvertiert<br />

werden. Dabei werden Kopiervorlagen (Templates),<br />

die jeweils eine Rolle widerspiegeln, mit den<br />

Eigenschaften des jeweiligen Anlagenelements aus<br />

Comos instanziiert. Die instanziierten Templates werden<br />

unter dem Knoten „Grafikinstanzen“ nach ihrer<br />

Rolle angeordnet (Bild 6). Unbekannte Anlagenelemente<br />

werden unter der Rolle „Default“ genannt. Zusätzlich<br />

existieren noch sonstige Objekte (Rolle „Sonstiges“),<br />

zum Beispiel T-Stücke, Handventile, Distanzscheiben.<br />

Diese stellen Anlagenelemente dar, die <strong>auf</strong> dem R&I<br />

gezeichnet wurden, für die Darstellung <strong>auf</strong> dem Bedienbild<br />

jedoch nicht in Frage kommen. Die sonstigen Objekte<br />

werden für die Darstellung der Rohrleitungen als<br />

Verbindungspunkte benötigt und deshalb in das aHMI-<br />

Format überführt.<br />

Im zweiten Schritt erzeugt der HMI-Design-Assistent,<br />

wiederum unter Zuhilfenahme von Templates und<br />

Transformationsvorschriften basierend <strong>auf</strong> den Typen<br />

von Grafiktemplates, ein für Simatic WinCC interpretierbares<br />

HMI. Dieses wird im WinCC Control File<br />

(WFC) abgelegt. Es enthält zeilenweise Anweisungen,<br />

die <strong>auf</strong> einem im Entwicklungsmodus geöffneten Bedienbild<br />

durchzuführen sind. Diese Befehle sind beispielsweise<br />

die Erzeugung von Standardobjekten (Linie,<br />

Text, Rechteck), das Instanziieren von Bibliothekssymbolen<br />

und die Veränderung von Symbolobjekteigenschaften.<br />

3.3 WCF Execution Wizard<br />

Zum internen Eingriff in WinCC wird ein Wizard erzeugt.<br />

Programmierbare Wizards gehören zur Standardkonfiguration<br />

von WinCC. Der WCF Execution<br />

Wizard führt die in der WCF definierten Anweisungen<br />

der Reihe nach aus. Das Abarbeiten beginnt, indem ausgelesen<br />

wird, welche Objekte schon vorhanden sind.<br />

Vorhandene Objekte entstehen durch die Funktionalität<br />

von Simatic PCS 7, mit der aus dem Steuerungsengineering<br />

Bildsymbole für bedien- und beobachtbare Objekte<br />

(zum Beispiel Ventile) <strong>auf</strong> einem HMI automatisch<br />

generiert werden können. Die von PCS 7 automatisch<br />

erzeugten Bediensymbole werden der Reihe nach am<br />

oberen Rand angeordnet (Bild 8).<br />

Danach erfolgt die zeilenweise Verarbeitung der WCF.<br />

Nach Abarbeitung der WCF werden alle Objekte, die<br />

nicht erstellt oder zugeordnet wurden, an den rechten<br />

unteren Rand des Bildes verschoben.<br />

4. Anwendungsfall<br />

Als Anwendungsfall dient ein R&I einer Siemens-Laboranlage<br />

(Bild 3). Das Fließbild und die dar<strong>auf</strong> befindlichen<br />

Elemente sind im CAE-Tool Comos enthalten. Es<br />

sind sowohl statische (Behälter, Rohrleitungen), als<br />

auch dynamische Elemente (Pumpen, Ventile) zu finden.<br />

Jeder Rohrleitung ist ein Medium zugeordnet, welches<br />

darin enthalten ist. Den Ausgangspunkt in WinCC<br />

zeigt Bild 8. Die dort vorhandenen Elemente wurden<br />

durch die Funktion „Bausteinsymbole erzeugen“ von<br />

Simatic PCS 7 automatisch platziert. Das sind neben<br />

Ventilen und Motoren auch Faceplates von Abl<strong>auf</strong>steuerungen<br />

(SFCs).<br />

Um die Machbarkeit des Ansatzes zu zeigen, wurden folgende<br />

Einschränkungen in Bezug <strong>auf</strong> den Testfall getroffen:<br />

Es werden nur Informationen eines R&I verarbeitet.<br />

Symbole werden nicht rotiert.<br />

Es wird mit einer festen Auflösung der Arbeitsfläche<br />

gearbeitet. Verletzungen von Richtlinien des guten<br />

Designs werden zunächst in K<strong>auf</strong> genommen.<br />

Es werden keine Wirk- und Signallinien und<br />

Bildsprünge generiert.<br />

4.1 Ergebnis<br />

Die Anwendung der Werkzeugkette <strong>auf</strong> das Referenz-<br />

R&I war erfolgreich und ist in Bild 9 zu sehen. Die Verifikation<br />

an einem Beispiel hat gezeigt, dass alle Komponenten<br />

zusammenarbeiten und ein nachvollziehbares<br />

Ergebnis liefern.<br />

Beim Vergleich von R&I und erzeugtem HMI zeigt sich,<br />

dass die funktionalen Anforderungen aus der Zielstellung<br />

erfüllt wurden:<br />

36<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


PCS 7(WinCC)<br />

OS-G enerierung<br />

R&I<br />

&<br />

CFC<br />

CAE-Werkzeug<br />

Comos<br />

XML<br />

Connectoren<br />

HMI-Design-A ssistent<br />

Erzeugung des<br />

abstrakten HMI<br />

Modells<br />

Erzeugung des<br />

WinCC Control<br />

Files<br />

WinCC Execution Wizard<br />

Objektimport<br />

Objekt<br />

Mapping<br />

Objekt<br />

Erzeugung<br />

Veränderung<br />

von<br />

Eigenschaften<br />

aCAE<br />

aHMI<br />

WCF<br />

Strukturierte<br />

Hierarchie der<br />

Objekte<br />

Rollenspezifische<br />

Eigenschaften<br />

R&I-Objekte<br />

Name<br />

Position<br />

Verbindungen<br />

Chem. Medium<br />

Zeilenweise Befehle<br />

Zuordnung<br />

Position<br />

Eigenschaften<br />

BILD 7:<br />

Aufbau der autoHMI Realisierung mit<br />

dem Zielsystem Simatic WinCC<br />

BILD 8:<br />

Ergebnis der<br />

Simatic PCS<br />

7-Funktionalität<br />

„Bildbausteine<br />

erzeugen“<br />

BILD 9:<br />

Bedienbild in<br />

Simatic WinCC<br />

nach Anwendung<br />

der Werkzeugkette<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

37


Hauptbeitrag<br />

Die von PCS 7 bereits generierten Bedien- und Anzeigeelemente<br />

werden unter Beibehaltung der wesentlichen<br />

Layoutstruktur des R&Is platziert.<br />

Alle Objekte, die von PCS 7 noch nicht erzeugt wurden,<br />

werden aus einem Bibliotheksbild kopiert und<br />

anschließend auch platziert.<br />

Mithilfe der dynamischen Verbinder von WinCC<br />

werden die Verknüpfungen (Rohrleitungen) zwischen<br />

den verbunden Apparaten und Ventilen hergestellt.<br />

Entsprechend den in Comos hinterlegten<br />

Prozessmedieninformationen werden die Rohrleitungsfarben<br />

verändert.<br />

Alle Objekte, die nicht <strong>auf</strong> dem R&I in Comos platziert<br />

sind, aber durch PCS 7 erzeugt wurden, werden in die<br />

untere rechte Ecke des Bedienbilds verschoben.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die in einem<br />

R&I hinterlegten Informationen unter bestimmten Voraussetzungen<br />

direkt für die Gestaltung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />

genutzt werden können. Dabei wurde deutlich,<br />

dass die derzeitigen Voraussetzungen und Beschränkungen<br />

für einen <strong>auf</strong> eine große Bandbreite von<br />

Nutzungskontexten generalisierbaren Ansatz noch zu<br />

restriktiv sind. Entsprechend des Gestaltungsprozesses<br />

der OS (Operator Station)-Ebene (Bild 9) lassen<br />

sich folgende Herausforderungen für die Nutzung von<br />

R&I-Informationen für die Generierung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />

identifizieren:<br />

Automatische Generierung aller Detailbedienbilder<br />

einer Anlage<br />

Automatische Erstellung der Quer-Navigationsstruktur<br />

über mehrere <strong>Bedienbilder</strong><br />

Erstellung der statischen und dynamischen<br />

Elemente von Bildern der Bedienbildhierarchie<br />

Berücksichtigung mehrerer <strong>Bedienbilder</strong> pro R&I<br />

Das aHMI-Modell und die Werkzeugkette zeigen deutliche<br />

Potenziale zur Reduzierung der manuellen Tätigkeiten<br />

bei der HMI-Erstellung in der Prozessindustrie.<br />

Weiterhin ermöglicht der MDSE-Ansatz eine Erzeugung<br />

Autoren<br />

Dipl.-Ing. Falk Doherr<br />

(geb.1981) ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter und Leiter der<br />

Arbeitsgruppe Funktions- und<br />

Informationsinte gration an der<br />

Professur für Prozessleittechnik<br />

an der Technischen Universität<br />

Dresden. Sein Hauptarbeitsgebiet<br />

ist das integrierte<br />

prozessleittechnische Engineering mit Fokus<br />

feldnaher Kommunikationssysteme.<br />

TU Dresden, Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />

D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62,<br />

E-Mail: falk.doherr@tu-dresden.de<br />

Dr.-Ing. Oliver Drumm<br />

(geb.1972) ist Projektleiter in der<br />

Vorfeldentwicklung des Sektors<br />

Industry in der Division Industry<br />

Automation der Siemens AG.<br />

Hauptarbeitsgebiete: Durchgängige<br />

Prozesse und Werkzeuge im<br />

Engineering für verfahrenstechnische<br />

Anlagen entlang des<br />

gesamten Lebenszyklus.<br />

Siemens AG, I IA IA&DT-ATS 3,<br />

Östliche Rheinbrückenstraße 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 45 98,<br />

E-Mail: oliver.drumm@siemens.com<br />

Siemens AG, I IA AS ST&P,<br />

Gleiwitzer Straße 555, D-90475 Nürnberg,<br />

Tel. +49 (0) 911 895 22 23,<br />

E-Mail: volker.franze@siemens.com<br />

Dipl.-Ing. Volker Franze (geb. 1982) ist<br />

Innovation Manager der Business Unit<br />

Industrial Automation Systems in der<br />

Division Industry Automation des Sektors<br />

Industry der Siemens AG. Eines seiner<br />

Hauptarbeitsgebiete ist dabei auch das<br />

Thema Digital Enterprise.<br />

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas (geb. 1965) ist Inhaber der<br />

Professur für Prozessleittechnik an der Technischen<br />

Universität Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete<br />

umfassen Engineering verteilter sicherheitskritischer<br />

Systeme, insbesondere Funktionsintegration,<br />

modellgetriebenes Engineering, Modularisierung,<br />

Informationsmodelle der Prozessindustrie, Prozessinformations-<br />

und Managementsysteme und Middleware<br />

in der Automatisierungstechnik. Gebrauchstauglichkeit<br />

von multimodalen und mobilen Nahtstellen in Automatisierungssystemen,<br />

Analyse, Gestaltung und Bewertung von Alarmierungs- und<br />

Unterstützungssystemen sowie Methoden der Benutzermodellierung zur<br />

prospektiven Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion.<br />

TU Dresden, Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />

D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,<br />

E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de<br />

38<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


der <strong>Bedienbilder</strong> in früheren Planungsphasen ohne<br />

Mehr<strong>auf</strong>wand. Das ist ein elementares Merkmal, durch<br />

das sich die Kenntnisse von erfahrenen Anlagenfahrern<br />

früh und einfach in den Gestaltungsprozess der Automatisierung<br />

einbeziehen lassen.<br />

In Zukunft sind weitere Arbeiten bezüglich der automatischen<br />

Platzierung der grafischen Objekte <strong>auf</strong> den<br />

<strong>Bedienbilder</strong>n notwendig. Um eine zufriedenstellende<br />

Platzierung zu erzeugen, müssen Gestaltungsrichtlinien<br />

und Expertenwissen in einer differenzierteren Art und<br />

Weise formalisiert werden, als dies derzeit in der Werkzeugkette<br />

realisiert ist.<br />

Manuskripteingang<br />

29.08.2011<br />

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Referenzen<br />

[1] VDI/VDE 3699: Prozessführung mit Bildschirmen,<br />

2005-2008<br />

[2] L. Urbas und F. Doherr.: autoHMI: a model driven<br />

software engineering approach for HMIs in process<br />

industries. Proceedings IEEE CSAE 2011<br />

[3] D. Lippmann und L. Urbas.: Dynamisierung von<br />

Alarmsystemen. Tagungsband Automation 2009,<br />

S. 81-84. Düsseldorf: VDI-Verlag<br />

[4] M. Kirmas.: Implementierung von Typicals.<br />

<strong>atp</strong> 49(1) 2007, S. 18–19, 2007<br />

[5] A.Fountain, J. Huxtable, P. Ferguson und D. Heller.:<br />

Motif Programming Manual, 2001<br />

[6] A. Puerta:. A model-based interface development<br />

environment.Software, IEEE, 1997,14:40–47,<br />

[7] G. Mori, F. Patern`o, und C. Santoro.: Design and<br />

development of multi-device user interfaces t<br />

hrough multiple logical descriptions. IEEE Transactions<br />

Software Engineering Volume 30 Issue 8<br />

[8] G. Calvary, J. Coutaz, D. Thevenin, Q. Limbourg,<br />

L. Bouillon, und J. Vanderdonck.: A unifying reference<br />

framework for multi-target user interfaces.<br />

Interacting with Computers, 2003,15(3):289–308<br />

[9] Sendall, S., und Kozaczynski, W.: Model<br />

transformation:the heart and soul of model-driven<br />

software development. IEEE Transactions Software<br />

Engineering 20(5), S. 42–45<br />

[10] IEC 62424.: Representation of process control<br />

engineering request in P&I diagrams and data<br />

exchange between P&ID tools and PCE-CAE tools, 2008<br />

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<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> erscheint in der Oldenbourg Industrieverlag GmbH, Rosenheimer Str. 145, 81671 München


hauptbeitrag<br />

Softwareagenten für<br />

das Testmanagement<br />

Fehler erkennen und Testfälle priorisieren mit Fuzzy-Logik<br />

Automatisierte Systeme unterliegen hohen Qualitätsanforderungen. Den entscheidenden<br />

Einfluss <strong>auf</strong> die Qualität hat dabei der Software-Systemtest. In diesem Beitrag wird ein<br />

Testmanagementsystem vorgestellt, das <strong>auf</strong> agentenbasierter Softwareentwicklung und<br />

Fuzzy-Logik basiert. Dieses System kann fehleranfällige Stellen identifizieren und die<br />

dazu passenden Testfälle so priorisieren, dass frühzeitig viele Fehler gefunden werden.<br />

Die Autoren zeigen eine Möglichkeit <strong>auf</strong>, die Testfallpriorisierung durchzuführen, bei der<br />

einerseits die Vielzahl an relevanten Eigenschaften und Abhängigkeiten berücksichtigt<br />

wird und andererseits unscharfes Wissen modelliert werden kann. Hierzu hat das Institut<br />

für Automatisierungs- und Softwaretechnik (IAS) das adaptive Testmanagementsystem<br />

(ATMS) entwickelt, das mithilfe von Softwareagenten relevante Informationen für das<br />

Testmanagement sammelt, verarbeitet und <strong>auf</strong> Grundlage von Fuzzy-Logik eine Reihenfolge<br />

zur Ausführung von Testfällen bestimmt.<br />

SCHLAGWÖRTER Softwareagenten / Fuzzy-Logik / Testmanagement / Testfallpriorisierung<br />

Software Agents for Test Management –<br />

Detection of Faults and Prioritization of Test Cases with Fuzzy Logic<br />

The quality requirements of automation systems are increasingly demanding. Effective<br />

and focused software system testing has a very important influence on quality. We introduce<br />

a test management system based on agent-based software development and fuzzy<br />

logic. The system is able to identify critical locations and to prioritize the appropriate test<br />

cases in order to detect as many faults as possible at an early stage.<br />

KEYWORDS Software agents / fuzzy logic / test management / test case prioritization<br />

40<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Michael Nadj, Christoph Malz, Nasser Jazdi, Peter Göhner, Universität Stuttgart<br />

Ein Großteil der Funktionen von automatisierten<br />

Systemen wird von Mikroprozessoren, speicherprogrammierbaren<br />

Steuerungen oder Industrie-<br />

PCs übernommen und durch Software umgesetzt.<br />

Dadurch ist die Qualität der Software zum entscheidenden<br />

Faktor für den Erfolg von Produkten oder Unternehmen<br />

geworden [1]. Aus diesem Grund streben viele<br />

Unternehmen an, die Qualität ihrer Softwaresysteme zu<br />

verbessern. Ein Weg, um dies zu erreichen, ist das systematische<br />

Prüfen und Testen von Softwaresystemen [1]. Da<br />

es in einem Softwaresystem allerdings nicht möglich ist,<br />

den gesamten Code mit allen Abhängigkeiten und Aufrufmöglichkeiten<br />

zu testen, müssen Testfälle entsprechend<br />

ihrer Relevanz für das Softwaresystem priorisiert werden.<br />

Ein Testfall (TF) umfasst dabei die zu einem Test gehörenden<br />

Randbedingungen, Voraussetzungen zur Ausführung,<br />

Eingabewerte und erwarteten Ausgabewerte [1]. Die Priorisierung<br />

von Testfällen ist die Aufgabe des Testmanagements.<br />

Dabei geht es darum, so früh wie möglich einen<br />

möglichst großen Prozentsatz an Fehlern <strong>auf</strong>zudecken.<br />

1. Grundlagen der Testfallpriorisierung<br />

1.1 Testobjekt, Testeinheiten und Testfälle<br />

Der Artikel behandelt das Thema Testen aus der Sicht des<br />

Software-Systemtests, bei dem das vollständige zu testende<br />

System gegen funktionale und nichtfunktionale Anforderungen<br />

getestet wird. Die Durchführung von Tests bedeutet<br />

im Allgemeinen das Ausführen von definierten<br />

Testfällen [1]. Das zu testende System wird als Testobjekt<br />

bezeichnet. Ein Testobjekt kann sowohl Hard- als auch<br />

Software umfassen und wird in kleinere Bestandteile, Testeinheiten,<br />

zerlegt. Eine Testeinheit (TE) kann zum Beispiel<br />

eine bestimmte Funktion realisieren oder ein zusammenhängendes<br />

Modul bilden. Bild 1 zeigt eine Aufteilung eines<br />

Testobjekts in mehrere Testeinheiten am Beispiel eines<br />

automatisierten Systems. Es werden ausschließlich Softwareelemente<br />

betrachtet, da eine Auseinandersetzung mit<br />

der Hardware des Systems nicht Fokus dieses Beitrags ist.<br />

Das automatisierte System in Bild 1 verfügt über drei typische<br />

Software-Module: Die Benutzungsschnittstelle zur<br />

Kommunikation mit dem Benutzer, einen Regler, der Stellgrößen<br />

berechnet und die Datenerfassung, über die Sensorwerte<br />

erfasst werden. Die Module haben verschiedene Abhängigkeiten<br />

untereinander, beispielsweise Funktions<strong>auf</strong>rufe,<br />

welche über die Verbindungslinien dargestellt sind.<br />

Jedes Modul wird als eine separate Testeinheit (TE) betrachtet,<br />

die über individuelle Eigenschaften verfügt. Den Testeinheiten<br />

sind unterschiedliche Testfälle (TF) zugeordnet,<br />

mit denen das zu testende System nach Fehlern durchsucht<br />

wird. Ein Testfall kann dabei eine oder mehrere Testeinheiten<br />

prüfen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Zuordnung<br />

der Testfälle zu den Testeinheiten bekannt ist. Ebenso<br />

wie die Testeinheiten verfügen auch die Testfälle über spezifische<br />

Eigenschaften, <strong>auf</strong> die in den folgenden Abschnitten<br />

im Detail eingegangen wird.<br />

In der Praxis ist Zeit eine sehr kritische Ressource, die<br />

mit steigendem Projektfortschritt kontinuierlich abnimmt.<br />

So steht in späten Entwicklungsphasen, wie dem Testen,<br />

oft nicht genug Zeit zur Verfügung, um jeden einzelnen<br />

Testfall auszuführen. Eine der Herausforderungen beim<br />

Testmanagement ist es deshalb, die Testfälle geeignet zu<br />

priorisieren, um bereits mit wenigen Testfällen viele Fehler<br />

zu entdecken. Um dies zu gewährleisten, müssen für<br />

die Priorisierung eine Vielzahl an Informationen berücksichtigt<br />

werden, die in Kapitel 2 näher erläutert werden.<br />

Eine Möglichkeit, die große, zu berücksichtigende Anzahl<br />

an Eigenschaften und die daraus resultierende hohe<br />

Komplexität zu beherrschen, ist der Einsatz von Softwareagenten.<br />

Sie können autonom miteinander interagieren,<br />

um die Testfälle so zu priorisieren, dass bereits beim<br />

Durchführen von nur wenigen Testfällen möglichst viele<br />

Fehler gefunden werden.<br />

1.2 Agentenorientierte Softwareentwicklung<br />

Wenn von agentenorientierter Softwareentwicklung gesprochen<br />

wird, bedeutet das nicht etwa, dass man einen<br />

speziellen, normierten Agenten-Baustein bei der Pro-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

41


Hauptbeitrag<br />

grammierung verwendet, der eine nicht agentenorientiert<br />

entwickelte Applikation in eine agentenorientierte<br />

umwandelt. Vielmehr umfasst es eine bestimmte Denkund<br />

Herangehensweise bei der Entwicklung von Software,<br />

die das Softwaresystem mit gewissen Eigenschaften<br />

ausstattet. Die grundlegenden Eigenschaften eines<br />

Softwareagenten sind nach [3, 4, 5, 6]: Autonomie, Kapselung,<br />

Zielorientierung, Reaktivität, Proaktivität, Persistenz<br />

und Interaktion, wie in Bild 2 dargestellt. Eine<br />

detaillierte Abhandlung über die Grundlagen von Softwareagenten<br />

findet sich in [7, 8, 9].<br />

Die genannten Eigenschaften bilden den Kerngedanken<br />

der agentenorientierten Softwareentwicklung und eröffnen<br />

vielfältige Möglichkeiten der Anwendung dieser Art der<br />

Softwareentwicklung. Mit der Fähigkeit zur Interaktion<br />

unterschiedlicher Softwareagenten miteinander sowie deren<br />

Autonomie, lassen sich Softwareagenten zum selbstständigen<br />

Verarbeiten vieler und auch voneinander abhän-<br />

Testobjekt: Automatisiertes System<br />

(Softwaresicht)<br />

TF A<br />

TE 1<br />

Datenerfassung<br />

Kapselung<br />

Benutzungsschnittstelle<br />

TE 2<br />

TF B<br />

Dynamische Informationen<br />

aus der Testausführung und<br />

Entwicklung<br />

TF C<br />

Autonomie<br />

TE 3<br />

Zielorientierung TF D<br />

Interaktion<br />

Regler<br />

Agent<br />

TE i = TF x =<br />

Testeinheit i Testfall Reaktivität, x<br />

Proaktivität<br />

BILD 1: Testeinheiten Persistenz und Testfälle<br />

Testeinheit-<br />

Informationen<br />

Testeinheit-<br />

Agent<br />

Informationenen über<br />

andere Testeinheiten<br />

Testwichtigkeit<br />

Kapselung<br />

Testeinheit-<br />

Agent<br />

Autonomie<br />

Zielorientierung<br />

BILD 4: Bestimmung der Testwichtigkeit<br />

Agent<br />

Interaktion<br />

Reaktivität,<br />

Proaktivität<br />

Persistenz<br />

BILD 2: Grundkonzepte der Agentenorientierung<br />

Faktor<br />

Mensch<br />

Testeinheit-Informationen bzgl.<br />

zugeordneter Testeinheit<br />

Testeinheit-<br />

Informationen<br />

Adaptives Testmanagementsystem<br />

(ATMS)<br />

Aufgabe:<br />

Priorisierung von Testfällen<br />

Agent 1<br />

Testfallpriorität<br />

Testeinheit-<br />

Informationen<br />

Testeinheit-<br />

Agent<br />

Lokale<br />

Priorität<br />

Informationenen über<br />

Testeinheiten<br />

Testfall-<br />

Informationen<br />

Agent 2<br />

Faktor<br />

Mensch<br />

Agent 3<br />

Testeinheit-<br />

Agent<br />

Testeinheit-<br />

Informationen<br />

Dynamische<br />

Adaptives Testmanagementsystem<br />

Informationen<br />

(ATMS)<br />

Aufgabe:<br />

Priorisierung von Testfällen<br />

BILD 3: Adaptives Testmanagementsystem<br />

Agent 1<br />

Testfallpriorität<br />

BILD 5: Bestimmung der lokalen Priorität<br />

Testfall-<br />

Informationen<br />

Agent 2<br />

Agent 3<br />

42<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

Dynamische<br />

Informationen


giger Informationen einsetzen. Die Zielorientierung, Reaktivität<br />

und Proaktivität können ebenfalls sehr vorteilhaft<br />

im Bereich des Testmanagements zum Einsatz kommen,<br />

wodurch dem Testmanager <strong>auf</strong>wendige Arbeitsschritte<br />

vereinfacht oder ganz abgenommen werden und die Softwareagenten<br />

ihm zuarbeiten. Wie dies umgesetzt werden<br />

kann, wird am Beispiel des am IAS konzipierten adaptiven<br />

Testmanagementsystems (ATMS) näher beschrieben.<br />

2. Das adaptive Testmanagementsystem<br />

Die Aufgabe des ATMS ist es, den Testmanager, der unter<br />

anderem für die Testplanerstellung verantwortlich ist, zu<br />

unterstützen. Ein Testplan besteht dabei aus einer priorisierten<br />

Liste von festgelegten Testfällen. Um diese Testfälle<br />

so zu priorisieren, dass als erstes diejenigen Testfälle<br />

ausgeführt werden, die die höchste Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>auf</strong>weisen, Fehler zu entdecken, müssen zahlreiche Parameter<br />

berücksichtigt werden. Dazu zählen die in Bild 3<br />

modellierten spezifischen Informationen über die jeweiligen<br />

Testeinheiten und Testfälle, sowie dynamische Informationen,<br />

die aus der Testausführung und dem Entwicklungsprozess<br />

gewonnen werden. Zusätzlich werden auch<br />

die Einflussfaktoren der Personen betrachtet, die im Testund<br />

Entwicklungsprozess involviert sind. Diese bilden den<br />

„Faktor Mensch“, der in bisherigen Testmanagementsystemen,<br />

trotz seiner Beteiligung in nahezu jedem Entwicklungsschritt,<br />

nicht ausreichend berücksichtigt wird.<br />

Um diese große Anzahl an Informationen auszuwerten<br />

und für die Testfall-Priorisierung zu verwenden, werden<br />

im ATMS Softwareagenten eingesetzt. Sie sammeln die<br />

Informationen, tauschen sich untereinander aus und bestimmen<br />

in mehreren Schritten die Prioritäten der Testfälle<br />

des Systems. Es existieren zwei Typen von Agenten:<br />

Testfall-Agenten und Testeinheit-Agenten. Jede Testeinheit<br />

und jeder Testfall wird dabei von einem entsprechenden<br />

Softwareagenten repräsentiert.<br />

2.1 Der Testeinheit-Agent<br />

Der Testeinheit-Agent sammelt alle Informationen, die<br />

dazu verwendet werden können, die Wichtigkeit des Testens<br />

der repräsentierten Testeinheit zu bestimmen. Dazu<br />

zählen alle Informationen, die es erlauben, eine Aussage<br />

darüber zu treffen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist,<br />

dass sich in der Testeinheit Fehler befinden. Auf Grundlage<br />

dieser Informationen bestimmt jeder Testeinheit-<br />

Agent eine Testwichtigkeit (TW) für die vertretene Testeinheit,<br />

wie in Bild 4 dargestellt.<br />

Es lassen sich drei unterschiedliche Informationsquellen<br />

identifizieren: grundlegende Testeinheit-Informationen,<br />

dynamische Informationen aus der Testausführung<br />

und Entwicklung sowie Informationen von anderen Agenten.<br />

Zu den grundlegenden Testeinheit-Informationen zählen<br />

die eher statischen Informationen über die Testeinheit,<br />

die sich im Testverl<strong>auf</strong> nicht oder nur wenig ändern. Unter<br />

ihnen finden sich beispielsweise die Codekomplexität einer<br />

Testeinheit, die über die zyklomatische Komplexität<br />

oder McCabe-Metrik ausgedrückt werden kann [2]. Andere<br />

Parameter sind ihre Größe, die Anzahl an enthaltenen<br />

Funktionen oder auch die Menge ihrer Abhängigkeiten zu<br />

anderen Testeinheiten. Hinzu kommen Daten aus der Entwicklung<br />

der Testeinheit, die den Faktor Mensch mit einbeziehen.<br />

Dazu zählt zum Beispiel die Erfahrung des an<br />

der Entwicklung der Testeinheit beteiligten Entwicklers.<br />

Mit dynamischen Informationen aus der Testausführung<br />

und Entwicklung werden Informationen aus der Testausführung<br />

beschrieben, die aus den einzelnen Testzyklen gewonnen<br />

werden und sich somit häufig ändern. Hierzu zählen<br />

die Anzahl an in der Testeinheit gefundenen Fehlern<br />

oder die an ihr durchgeführten Änderungen. Im Falle einer<br />

Modifikation der Testeinheit wird hier wiederum der Faktor<br />

Mensch berücksichtigt, indem dessen Arbeitsbelastung sowie<br />

die Summe an Modifikationen, die er vorgenommen hat<br />

und wie viel Zeit dafür <strong>auf</strong>gewendet wurde, betrachtet wird.<br />

Hinzu kommen auch Informationen über den Testverl<strong>auf</strong>,<br />

wie die Testüberdeckung durch ausgeführte Testfälle.<br />

Die dritte Quelle an für die Testwichtigkeit relevanten<br />

Informationen sind andere Softwareagenten. Da die Testeinheiten<br />

in ihrer Gesamtheit ein einzelnes Testobjekt<br />

repräsentieren, existieren verschiedene Abhängigkeiten<br />

zwischen ihnen, wie beispielsweise der Aufruf von Funktionen<br />

einer Testeinheit durch eine andere Testeinheit. Die<br />

Softwareagenten wissen, welche Abhängigkeiten sie haben<br />

und kommunizieren relevante Informationen miteinander,<br />

wie beispielsweise Änderungen an einer Funktion, die von<br />

einer anderen Testeinheit <strong>auf</strong>gerufen wird. So kann die<br />

Bestimmung der Testwichtigkeit entsprechend angepasst<br />

werden, um auch Fehler zu berücksichtigen, die sich <strong>auf</strong><br />

diese Weise fortpflanzen.<br />

2.2 Der Testfall-Agent<br />

Der einen Testfall repräsentierende Testfall-Agent sammelt<br />

alle Informationen, die Einfluss <strong>auf</strong> die Wichtigkeit<br />

der Ausführung des Testfalls haben. Dazu zählen grundlegende<br />

Informationen über den Testfall und spezifische<br />

Informationen über die Testeinheit, der er zugeordnet ist<br />

sowie Informationen über die eigentliche Zuordnung.<br />

Diese Parameter verwendet der Testfall-Agent, um eine<br />

lokale Priorität (LP) des Testfalls für die Testeinheit zu<br />

bestimmen, der er zugeordnet ist. Über die lokale Priorität<br />

eines Testfalls zu einer Testeinheit wird ausgedrückt,<br />

wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Testfalls<br />

ist, bei seiner Ausführung in der zugeordneten Testeinheit<br />

Fehler <strong>auf</strong>zuspüren. Ein Testfall kann auch mehreren<br />

Testeinheiten zugeordnet sein. In diesem Fall bestimmt<br />

der Testfall-Agent für jede Testeinheit eine eigene<br />

lokale Priorität. Bild 5 zeigt die für die lokale Priorität<br />

relevanten Informationen.<br />

Eine Testfall-Information, die von einem Testfall-<br />

Agenten für die lokale Priorisierung verwendet wird,<br />

ist der Status des Testfalls, beispielsweise ob er bereits<br />

durchgeführt wurde oder nicht. Hinzu kommen die<br />

eventuelle Relevanz des Testfalls, um geforderten Normen<br />

zu genügen, sowie die Fehlerfindungsrate, die ausdrückt,<br />

wie viele Fehler der Testfall durchschnittlich<br />

in vergangenen Testläufen entdeckt hat.<br />

Zu den Testfall-Informationen bezüglich der dem Testfall<br />

zugeordneten Testeinheit gehören die Anzahl der vom Testfall<br />

überdeckten Funktionen sowie eine erhöhte Relevanz<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

43


Hauptbeitrag<br />

bei der Abdeckung sicherheitskritischer Funktionen. Des<br />

Weiteren berücksichtigt der Testfall-Agent auch Informationen,<br />

die von den Testeinheit-Agenten kommuniziert werden,<br />

wie die an einer Testeinheit durchgeführten Änderungen<br />

und gefundenen Fehler, damit berücksichtigt werden<br />

kann, ob diese von dem Testfall überdeckt werden können.<br />

2.3 Priorisierung von Testfällen<br />

Um eine globale Aussage über die Priorität eines Testfalls<br />

treffen zu können, wird neben der lokalen Priorität<br />

und der Testwichtigkeit noch eine weitere Größe<br />

benötigt, die globale Priorität (GP). Mit ihr wird die<br />

Grundlage zur Testfallpriorisierung geschaffen, indem<br />

sie die Priorität eines Testfalls in Bezug <strong>auf</strong> das Gesamtsystem<br />

ausdrückt. Dies wird erreicht, indem für jeden<br />

Testfall dessen lokale Prioritäten mit den Testwichtigkeiten<br />

der zugehörigen Testeinheiten multipliziert werden<br />

und das Ergebnis durch die Summe aller Testwichtigkeiten<br />

geteilt wird (Formel 1).<br />

(1)<br />

Auf Grundlage der globalen Priorität kann dann die<br />

Reihenfolge der auszuführenden Testfälle für den Testplan<br />

bestimmt werden. Bild 6 stellt die Zusammenhänge<br />

der Testwichtigkeiten, lokalen Prioritäten und globalen<br />

Prioritäten dar.<br />

Der Abl<strong>auf</strong> der einzelnen Schritte zur Priorisierung der<br />

Testfälle sowie die zugehörigen Verantwortlichkeiten sind<br />

in Bild 7 illustriert.<br />

3. Wissensmodellierung der Softwareagenten<br />

Im vorangegangenen Abschnitt wurden die relevanten<br />

Informationen für die Testeinheiten und Testfälle erklärt,<br />

mit denen die entsprechenden Agenten eine Testwichtigkeit,<br />

lokale Priorität und die dar<strong>auf</strong> basierende globale<br />

Priorität bestimmen. Für die Durchführung von Tests <strong>auf</strong><br />

Code-Ebene gibt es zahlreiche Verfahren und Algorithmen,<br />

um eine geeignete Testfallpriorisierung durchzuführen,<br />

die in [10] und [11] beschrieben sind. Auf der<br />

Ebene des Systemtests ist dies allerdings ungleich schwieriger,<br />

<strong>auf</strong>grund des wesentlich größeren und komplexeren<br />

Testobjekts sowie Anforderungen an die Testdurchführung,<br />

für die sich kein direkter Code-Bezug mehr herstellen<br />

lässt. Die Regeln zur Testplanerstellung beruhen zum<br />

großen Teil <strong>auf</strong> ungenauen und unscharfen Aussagen, die<br />

oft nur in verbaler Form vorliegen [12]. Bei der Berücksichtigung<br />

des Faktors Mensch stoßen die bekannten mathematischen<br />

Algorithmen ebenfalls schnell an Grenzen.<br />

Ein Lösungsansatz für diese Problematiken ist Fuzzy-<br />

Logik [13]. Sie stellt eine mathematisch präzise Methode<br />

zur Berechnung von Unschärfe dar. Durch die Anlehnung<br />

an das menschliche Schlussfolgern, die Regelbildung<br />

mithilfe von verbalen Formulierungen und das<br />

unscharfe Annähern an Lösungen kann die Fuzzy-Logik<br />

hier sehr gut eingesetzt werden [14]. Die Fuzzy-Logik<br />

zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass man mit ihr<br />

dem menschlichen Denken nachempfundenes, unscharfes<br />

Wissen abbilden kann, sondern die Wissensmodellierung<br />

darüber hinaus auch sehr einfach und transparent<br />

möglich ist. Die eigentliche Wissensbasis eines<br />

Fuzzy-Logik Systems wird von einem Fuzzy-Logik-Regelwerk<br />

gebildet. In ihm werden in linguistischer Form<br />

die Zusammenhänge zwischen Ein- und Ausgangsgrößen<br />

formuliert. Dies geschieht über „Wenn-Dann-Regeln“<br />

[15]. Um diese Regelbildung zu ermöglichen, müssen die<br />

zu verarbeitenden Eingangsgrößen in Form von Fuzzy-<br />

Werten vorliegen. Numerische Werte werden anhand von<br />

Zugehörigkeitsfunktionen in Fuzzy-Werte überführt.<br />

Eine solche Zugehörigkeitsfunktion gibt die Zugehörigkeit<br />

eines numerischen Wertes zu einem linguistischen<br />

Term an, wie in Bild 8 beispielhaft dargestellt.<br />

Bild 8 zeigt drei Zugehörigkeitsfunktionen, über die die<br />

Anzahl an Änderungen in einer Testeinheit von einem numerischen<br />

Wert in einen Fuzzy-Wert überführt wird. Die<br />

Fuzzy-Werte werden dabei über die linguistischen Terme<br />

„wenige“, „mehrere“ und „viele“ beschrieben. Auf diesem<br />

Weg wird ein numerischer Wert, wie „Anzahl Änderungen<br />

= 6“, in eine verbale Aussage, wie „mehrere Änderungen<br />

innerhalb der Testeinheit“ umgewandelt. Diese Aussage<br />

kann dann einem resultierenden Wert, wie einer „hohen<br />

Testwichtigkeit“, über eine verbal formulierte Regel wie<br />

„WENN Anzahl Änderungen = mehrere DANN Testwichtigkeit<br />

= hoch“ verknüpft werden. Auf diese Weise kann<br />

auch weiteres unscharfes Expertenwissen, wie „Eine hohe<br />

Belastung der Entwickler führt zu einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit<br />

für Fehler“ [2], modelliert werden. Fuzzy-<br />

Logik Systeme bieten eine gute Möglichkeit, solche unscharfen<br />

menschlichen Bewertungsmaßstäbe, Denkmuster<br />

und Schlussfolgerungsabläufe nachzubilden [17].<br />

Das vorgestellte Agentensystem besteht aus zwei Agententypen:<br />

Dem Testeinheit-Agenten und dem Testfall-<br />

Agenten. Um aus den vorhandenen Informationen eine<br />

Testfallpriorisierung zu erhalten, die in wenigen Testläufen<br />

viele Fehler findet, werden von den Testeinheit-Agenten<br />

die Testwichtigkeiten und von Testfall-Agenten die<br />

lokalen Prioritäten berechnet. Daraus folgt die Notwendigkeit<br />

von zwei verschiedenen Fuzzy-Logik-Systemen, die<br />

in den beiden Softwareagententypen integriert sind. Der<br />

Testeinheit-Agent enthält ein Fuzzy-Logik-System zur Bestimmung<br />

der Testwichtigkeit. Es wandelt alle zur Ermittlung<br />

der Testwichtigkeit relevanten Information mithilfe<br />

von Zugehörigkeitsfunktionen in Fuzzy-Werte um und<br />

ermittelt über das implementierte Fuzzy-Logik-Regelwerk<br />

den resultierenden Ausgangswert – die Testwichtigkeit<br />

der vom Agenten repräsentierten Testeinheit. Ein exemplarisches<br />

Fuzzy-Logik-System zeigt Bild 9.<br />

Innerhalb des Testfall-Agenten arbeitet ein Fuzzy-Logik-<br />

System, das Informationen über den Testfall und die zugeordnete<br />

Testeinheit auswertet. Analog zum Testeinheit-<br />

Agenten werden hier wiederum die Informationen in<br />

Fuzzy-Werte umgewandelt und über das interne Regelwerk<br />

wird ein Ausgangswert bestimmt. Dieser Ausgangswert<br />

ist in diesem Fall die lokale Priorität des Testfalls in Bezug<br />

<strong>auf</strong> eine Testeinheit. Dabei berechnet das Fuzzy-Logik-<br />

System für jede zugeordnete Testeinheit des Testfalls eine<br />

44<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


1<br />

estimmung der<br />

lobalen Priorität<br />

LP C1<br />

Bestimmung der<br />

lokalen Priorität<br />

LP C1<br />

LP B3<br />

Durchführung<br />

der Testfälle<br />

BILD 7: Schritte zur Testfallpriorisierung<br />

LP B3<br />

LP B3<br />

Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />

Aufgabe des Testfall-Agenten<br />

Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />

GPB<br />

TF B<br />

GP D<br />

TF D<br />

GP x =<br />

Globale<br />

Priorität<br />

von Testfall x<br />

Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />

Zugehörigkeit<br />

wenige<br />

1,0<br />

0,75<br />

0,5<br />

0,25<br />

Aufgabe des Testfall-Agenten<br />

e 1<br />

Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />

Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />

e 1<br />

e 2<br />

e n<br />

Zugehörigkeit<br />

wenige<br />

1,0<br />

0,75<br />

0,5<br />

0,25<br />

Anzahl an Änderungen<br />

mehrere<br />

2 4 6 8 10 12<br />

Änderungen<br />

Anzahl an Änderungen<br />

mehrere<br />

viele<br />

viele<br />

2 4 6 8 10 12<br />

Änderungen<br />

BILD 8: Zugehörigkeitsfunktionen<br />

der Eingangsvariablen<br />

„Anzahl an Änderungen“<br />

Regelbasis<br />

WENN ...<br />

DANN ...<br />

WENN ...<br />

DANN ...<br />

Aufgabe e 2<br />

des Testfall-Agenten<br />

WENN ...<br />

Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />

DANN ...<br />

Regelbasis<br />

Fuzzifizierung Inferenz Defuzzifizierung<br />

WENN ...<br />

DANN ...<br />

BILD 9: Fuzzy-Logik-System WENN ... zur<br />

Berechnung DANN der Testwichtigkeit<br />

...<br />

WENN ...<br />

DANN ...<br />

Testwichtigkeit<br />

Testwichtigkeit<br />

GPA<br />

TW 1 TW 2<br />

GPB<br />

TF A<br />

TE 1<br />

TE 2<br />

TF B<br />

LP A1<br />

LP B2<br />

GPA Benutzungsschnittstelle<br />

Datenerfassung<br />

TW 2<br />

TW 1<br />

GP C<br />

TW 3<br />

GP D<br />

TF A<br />

TE 1<br />

TE 2<br />

LP<br />

TF C<br />

A1<br />

LP<br />

TW 1 TW 2<br />

TE 3GPB<br />

TF D B2<br />

LP C3 Benutzungsschnittstelle<br />

TF B<br />

LP D3 Datenerfassung<br />

TE 1<br />

Regler<br />

GP TE C 2<br />

LP B2<br />

TW 3<br />

Benutzungsschnittstelle<br />

Testeinheit i erfassung Testfall x Testwichtigkeit LP C3 Lokale Priorität Globale LP D3<br />

TE i = TF x = TW i =<br />

LP xi =<br />

GP x =<br />

TF<br />

Daten-<br />

C<br />

TE 3<br />

TW 3<br />

GP D<br />

von Testeinheit i von Regler Testfall x zu Priorität<br />

Testeinheit i von Testfall x<br />

TE 3 TE i = TF x = TW TF i = D<br />

LP LP xi =<br />

C3<br />

LP D3<br />

Testeinheit i Testfall x Testwichtigkeit Lokale Priorität<br />

BILD Regler 6: Wichtigkeiten und Prioritäten<br />

von Testeinheit i von Testfall x zu<br />

x = TW i =<br />

LP<br />

Testeinheit i<br />

xi =<br />

GP x =<br />

stfall x Testwichtigkeit Lokale Priorität Globale<br />

Bestimmung der<br />

Testwichtigkeit<br />

von Testeinheit i von Testfall x zu Priorität<br />

Testeinheit Bestimmung i der von Testfall Durchführung x<br />

globalen Priorität der Testfälle<br />

Bestimmung Bestimmung der der<br />

lokalen Priorität Testwichtigkeit<br />

Bestimmung der Durchführung<br />

globalen Priorität der Testfälle<br />

e n<br />

eigene lokale Priorität. Sowohl die Testeinheit-Agenten als<br />

auch die Testfall-Agenten tauschen für ihre Berechnungen<br />

relevante Informationen mit den anderen Agenten aus,<br />

unter anderem auch Ergebnisse wie die Testwichtigkeit,<br />

die mit den lokalen Prioritäten eines Testfalls zu dessen<br />

globaler Priorität verrechnet wird.<br />

4. Prototyp<br />

Zur Evaluierung des Ansatzes wurde ein Prototyp<br />

entwickelt. Der Prototyp des adaptiven Testmanagementsystems<br />

besteht aus einem nach den Grundlagen<br />

der agentenorientierten Softwareentwicklung realisierten<br />

Softwareagentensystem. Dieses Agentensystem<br />

wurde mithilfe von JADE [16], einem Framework<br />

zur Entwicklung von Softwareagenten erstellt. Das<br />

Wissen zur Testfallpriorisierung, mit der frühzeitig<br />

möglichst viele Fehler gefunden werden können, kapselt<br />

jeder Agent in sich selbst. Dieses Wissen ist in den<br />

Agenten in Form eines Fuzzy-Logik-Systems enthalten.<br />

Grundlage aller im System verwendeter Fuzzy-<br />

Logik ist die Open-Source-Bibliothek jFuzzyLogic.<br />

Fuzzifizierung Inferenz Defuzzifizierung<br />

Das Konzept des ATMS ist dahingehend ausgerichtet,<br />

dass es sich aus den Informationen bestehender Testmanagementdatenbanken<br />

bedient. Da zum Zeitpunkt<br />

der Erstellung des Prototyps noch keine Datenbankinfrastruktur<br />

zur Bereitstellung aller von den Softwareagenten<br />

benötigten Informationen vorhanden<br />

war, wurden verschiedene grafische Benutzungsoberflächen<br />

erstellt, über die den Agenten alle notwendigen<br />

Informationen übermittelt werden können und<br />

die gleichzeitig auch als Ausgabe und Visualisierung<br />

von Informationen der Softwareagenten dienen. In<br />

Bild 10 ist der Austausch von Informationen schematisch<br />

dargestellt. Dabei wurde der Informationsfluss<br />

in vier Stufen unterteilt.<br />

Die erste Stufe der Kommunikation zwischen dem<br />

Benutzer und den grafischen Benutzungsoberflächen<br />

dient sowohl zur Eingabe von Informationen für das<br />

System, als auch zur Visualisierung von Eigenschaften<br />

und Ergebnissen für den Benutzer. Auf der zweiten<br />

Stufe verarbeiten die Softwareagenten die übermittelten<br />

Daten und geben benutzerrelevante Informationen<br />

zurück. Die dritte Stufe wird von den Agenten zum<br />

Austausch verschiedener Eigenschaften oder berech-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

45


Hauptbeitrag<br />

neter Werte verwendet, die für die individuelle Aufgabenerfüllung<br />

notwendig sind. Die vierte Stufe der agenteninternen<br />

Kommunikation dient den Agenten zur<br />

Berechnung der lokalen Prioritäten und Testwichtigkeiten<br />

unter Verwendung der Fuzzy-Logik-Systeme.<br />

Eine detaillierte Darstellung der Systemarchitektur ist<br />

in Bild 11 gegeben.<br />

Zur Veranschaulichung der Funktionalität des ATMS<br />

wird in Bild 12 die grafische Benutzungsoberfläche eines<br />

Testeinheit-Agenten dargestellt.<br />

Jeder Testeinheit-Agent besitzt eine eigens ihm zugeordnete<br />

Benutzungsoberfläche. Über sie werden spezifische<br />

Informationen einer Testeinheit ausgegeben und<br />

auch Meldungen anderer Agenten visualisiert. Außerdem<br />

ermöglich sie die Eingabe von Daten, die relevant<br />

sind für die Bestimmung der Testwichtigkeit. Die Benutzungsoberfläche<br />

des Testfall-Agenten ist analog der des<br />

Testeinheit-Agenten <strong>auf</strong>gebaut und erfüllt die entsprechenden<br />

Aufgaben für die Testfälle, wie die Berechnung<br />

und Visualisierung der lokalen und globalen Priorität.<br />

Adaptives Testmanagementsystem<br />

3<br />

Benutzer<br />

GUIs<br />

1 2<br />

agent<br />

Softwareagent<br />

Softwareagent<br />

4<br />

BILD 10:<br />

ATMS Informationsfluss<br />

Benutzereingabe<br />

Benutzerausgabe<br />

Benutzer<br />

Benutzerein-/Ausgabe<br />

Benutzerein-/<br />

Ausgabe<br />

1. Stufe<br />

Benutzer - GUI<br />

Startup-<br />

GUI<br />

Output-<br />

GUI<br />

Testfall-<br />

GUI<br />

Testeinheit-<br />

GUI<br />

Anzahl<br />

Testeinheiten<br />

und Testfälle<br />

Testfallreihenfolge<br />

Testfall<br />

Eigenschaften<br />

Testeinheit<br />

Eigenschaften<br />

GUI<br />

Informationen<br />

GUI<br />

Informationen<br />

2. Stufe<br />

GUI - Agenten<br />

Pionier-<br />

Agent<br />

Informationsaustausch<br />

Testeinheit-<br />

Agent<br />

Informationsaustausch<br />

Globale Priorität<br />

Testfall-<br />

Agent<br />

Informationsaustausch<br />

3. Stufe<br />

Agenten -Agenten<br />

Informationen zur<br />

Berechnung<br />

Lokale<br />

Priorität<br />

Informationen<br />

zur<br />

Berechnung<br />

Testwichtigkeit<br />

4. Stufe<br />

Agentenintern<br />

BILD 11:<br />

Detaillierter<br />

Informationsfluss<br />

Fuzzy Logik<br />

Lokale<br />

Priorität<br />

Fuzzy Logik<br />

Testwichtigkeit<br />

BILD 12:<br />

Grafische Benutzungsoberfläche<br />

eines<br />

Testeinheit-Agenten<br />

46<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Eine Priorisierung von Testfällen, um deren Durchführungsreihenfolge<br />

zu bestimmen, läuft in dem Prototypen<br />

des ATMS wie folgt ab: Zunächst werden die Anzahl<br />

an Testeinheiten, in die das zu testende Testobjekt<br />

unterteilt ist, sowie die Anzahl der Testfälle, die für das<br />

Testobjekt relevant sind, angegeben. Dar<strong>auf</strong>hin wird<br />

stellvertretend für jede Testeinheit und jeden Testfall ein<br />

entsprechender Softwareagent erzeugt. Diese Softwareagenten<br />

können über ihre jeweiligen Benutzungsoberflächen<br />

mit einer Vielzahl an priorisierungsrelevanten<br />

Informationen versorgt werden, die von den Agenten<br />

im Bedarfsfall untereinander kommuniziert werden. Die<br />

erhaltenen Daten führt jeder Agent einem Fuzzy-Logik-<br />

System zu, welches das Wissen enthält, um daraus eine<br />

Testwichtigkeit für die repräsentierte Testeinheit beziehungsweise<br />

die lokalen Prioritäten für den repräsentierten<br />

Testfall zu bestimmen. Die Ergebnisse tauschen die<br />

Agenten miteinander aus, um daraus für jeden Testfall<br />

eine globale Priorität zu bestimmen, die seine Wichtigkeit<br />

in Hinblick <strong>auf</strong> das gesamte Testobjekt ausdrückt.<br />

Somit ergibt sich die Reihenfolge zur Durchführung aller<br />

Testfälle, die dem Testmanager zurückgemeldet wird.<br />

5. Evaluierungsergebnisse<br />

Um die Vorteile des Konzepts und der Methodik gegenüber<br />

einer üblichen und manuellen Priorisierung der<br />

Testfälle zu demonstrieren, wurde ein konkretes Beispiel<br />

herangezogen. Hierbei wurde die Steuerung eines<br />

am IAS vorhandenen industriellen Kaffeeautomaten<br />

betrachtet. Sie besteht aus 29 Softwaremodulen (Testeinheiten)<br />

mit insgesamt 101 Funktionen. Für die Steuerung<br />

wurden 30 Testfälle definiert. In der ersten Version<br />

dieser Steuerungssoftware wurden 7 Fehler gefunden<br />

und 11 neue Änderungen durchgeführt. Die Priorisierung<br />

der Testfälle wurde zunächst durch das<br />

ATMS und anschließend durch 6 unabhängige Entwickler<br />

durchgeführt. Die jeweilige Priorisierung wurde<br />

anhand folgender Formeln bewertet:<br />

1 | Fehlerentdeckungsgrad (FEG), die Summe <strong>auf</strong>gedeckter<br />

gewichteter Fehler im Test dividiert<br />

durch die Summe aller gewichteter Fehler<br />

2 | Testeffektivität, die Summe <strong>auf</strong>gedeckter<br />

gewichteter Fehler im Test dividiert durch die<br />

Anzahl ausgeführter Testfälle<br />

Dabei ist die Summe <strong>auf</strong>gedeckter gewichteter Fehler<br />

die Summe <strong>auf</strong>gedeckter Fehler in jeder Fehlerschwerestufe<br />

multipliziert mit der Gewichtung der Fehlerschwerestufe.<br />

In die neue Version der Steuerungssoftware wurden<br />

4 Fehler mit der Gewichtung 1 (normale Fehler) und 4<br />

mit der Gewichtung 2 (schwere Fehler) injiziert. Das<br />

bedeutet, dass die Summe aller gewichtete Fehler<br />

gleich 12 war (4.1 +4.2). Pro Testfall wurde 1 Stunde<br />

Zeit angenommen und es stand eine Testzeit von 8<br />

Stunden zur Verfügung, das heißt es wurden die ersten<br />

8 am höchsten priorisierten Testfälle ausgeführt. Nach<br />

der Durchführung der Evaluierung wurden folgende<br />

Ergebnisse erzielt:<br />

Referenzen<br />

[1] Spillner, A., Linz, T.: Basiswissen Softwaretest,<br />

Aus- und Weiterbildung zum Certified Tester.<br />

Heidelberg: dpunkt.verlag, 2005<br />

[2] Spillner, A., Roßner T., Winter, M., Linz, T.:<br />

Praxiswissen Softwaretest, Testmanagement.<br />

Heidelberg: dpunkt.verlag, 2008<br />

[3] Jennings, N.R., Sycara, K, and Wooldridge, M.:<br />

A Roadmap of Agent Research and Development.<br />

Autonomous Agents and Multi-Agent Systems,<br />

1, 1998, S. 275-306<br />

[4] Jennings, N.R.: On agent-based software engineering.<br />

Artificial Intelligence 117, 2000, S. 227-296<br />

[5] Wooldridge, M., Jennings, N.R.: Agent Theories,<br />

Architectures, and Languages: A Survey.<br />

In Wooldridge and Jennings (Eds.) Intelligent Agents,<br />

Springer Verlag, Berlin, 1995<br />

[6] Wooldridge, M.: Agent-based Software Engineering.<br />

IEE Proceedings on Software Engineering 144 (1),<br />

1997, S. 26-37<br />

[7] Wagner, T., Göhner, P., Urbano, P.: Software -<br />

agenten – Einführung und Überblick über eine<br />

alternative Art der Softwareentwicklung.<br />

Teil I: Agentenorientierte Softwareentwicklung.<br />

Atp – Automatisierungstechnische Praxis 45 (2003),<br />

Heft 10<br />

[8] Wagner, T.: Agentenunterstütztes Engineering von<br />

Automatisierungsanlagen. IAS-Forschungsberichte,<br />

Band 1/2008<br />

[9] http://www.fipa.org/ - The Foundation for Intelligent<br />

Physical Agents, Stand: August 2010<br />

[10] G. Rothermel, M. J. Harrold: “Analyzing Regression<br />

Test Selection Techniques” IEEE Transactions on<br />

Software Engineering, vol. 22, no. 8, August 1996<br />

[11] T. L. Graves, M. J. Harrold, J.-M. Kim, A. Porter,<br />

G. Rothermel: “An Empirical Study of Regression<br />

Test Selection Techniques” IEEE Proceedings of<br />

the 1998 International Conference on Software<br />

Engineering, pp. 188-197, April 1998<br />

[12] Z. Xu, K. Gao, T. M. Khoshgoftaar: “Application of<br />

Fuzzy Expert System In Test Case Selection For<br />

System Regression Test“, IEEE International<br />

Conference on Information Reuse and Integration,<br />

pp. 120-125, August 2005<br />

[13] Zadeh, L.: “Fuzzy Sets” Information and Control 8,<br />

338-353, 1965<br />

[14] E. Avineri, M. Köppen, K. Dahal, Y. Sunitiyoso,<br />

R. Roy: “Applications of Soft Computing - Updating<br />

the State of the Art”<br />

Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, 2009<br />

[15] Göhner, P.: „Prozessautomatisierung II“<br />

Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, 1999.<br />

[16] http://jade.tilab.com/ - Java Agent Development<br />

Framework, Stand: August 2010<br />

[17] Lippe, W.-M.: Soft-Computing – mit Neuronalen<br />

Netzen, Fuzzy-Logic und Evolutionären Algorithmen.<br />

Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2006<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

47


Hauptbeitrag<br />

Die Evaluierungsergebnisse zeigen eine deutliche Aufwandreduzierung<br />

und Steigerung des Fehlerentdeckungsgrads<br />

und der Testeffektivität durch das ATMS<br />

gegenüber der herkömmlichen Methode. Mit steigender<br />

Anzahl der Module und der Testfälle wird diese Divergenz<br />

noch viel deutlicher.<br />

Fazit<br />

In diesem Beitrag werden die Probleme des Testmanagements<br />

mit dem Fokus <strong>auf</strong> der Priorisierung von<br />

Testfällen diskutiert. Dabei wird eine Lösung <strong>auf</strong>gezeigt,<br />

wie mit den Herausforderungen im Bereich des<br />

Testmanagements, der Informationsvielfalt, den<br />

schwer überschaubaren Abhängigkeiten und dem unscharfen<br />

Wissen umgegangen werden kann. Diese Lösung<br />

beschreibt den Einsatz von Softwareagenten, die<br />

über unscharf modelliertes Wissen in Form von Fuzzy-<br />

Logik verfügen. Es wird ein Konzept vorgestellt, in<br />

dem Testeinheiten und Testfälle durch Softwareagenten<br />

repräsentiert werden, die relevante Informationen<br />

Priorisierungsdauer<br />

Fehlerentdeckungsgrad<br />

Testeffektivität<br />

ATMS<br />

Mensch<br />

(Durchschnittswert)<br />

< 1 Sekunde 900 Sekunden<br />

0,83 0,33<br />

1,25 0,5<br />

für die Priorisierung der Testfälle zur Durchführung<br />

sammeln und miteinander austauschen. Dabei enthalten<br />

die Softwareagenten Fuzzy-Logik-Systeme, die es<br />

ihnen ermöglichen, mit unscharfem Wissen ihre<br />

Wichtigkeit und damit Priorität in Hinblick <strong>auf</strong> das zu<br />

testende Testobjekt derart zu bestimmen, dass eine<br />

möglichst frühzeitige Erkennung von möglichst vielen<br />

Fehlern erzielt wird. Dieses Konzept wurde anhand<br />

eines Prototyps evaluiert. Erste Ergebnisse von Industriepartnern<br />

zeigen bereits die vielfältigen Vorteile<br />

und Möglichkeiten beim Einsatz des ATMS.<br />

Manuskripteingang<br />

11.05.2011<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Autoren<br />

Dr.-Ing. Nasser Jazdi (geb. 1963) war<br />

von 1997 bis 2003 als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter tätig und ist seit 2003<br />

akademischer Oberrat am Institut für<br />

Automatisierungs- und Softwaretechnik<br />

der Universität Stuttgart. Besondere<br />

Arbeitsschwerpunkte sind „Softcomputing<br />

Methoden-, Zuverlässigkeit und<br />

Sicherheit- und Lernfähigkeit in der<br />

Automatisierungstechnik“.<br />

Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />

Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />

Tel. +49 (0) 711 68 56 73 03,<br />

E-Mail: nasser.jazdi@ias.uni-stuttgart.de<br />

Dipl.-Ing. Michael Nadj (geb. 1982) ist<br />

wissenschaftlicher Assistent am Institut für<br />

Automatisierungs- und Softwaretechnik der<br />

Universität Stuttgart. Er betreut die Vorlesung<br />

Automatisierungstechnik I und setzt sich in<br />

seinem Forschungsschwerpunkt mit der<br />

Lernfähigkeit von automatisierten Systemen<br />

auseinander.<br />

Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />

Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />

Tel. +49 (0) 711 68 56 73 01,<br />

E-Mail: ias@ias.uni-stuttgart.de<br />

Dipl.-Ing. Christoph Malz, M. Sc.,<br />

(geb. 1980) ist wissenschaftlicher<br />

Assistent am Institut für Automatisierungs-<br />

und Softwaretechnik der<br />

Universität Stuttgart. Er betreut die<br />

Vorlesung Grundlagen der Softwaretechnik<br />

und setzt sich in seinem<br />

Forschungsschwerpunkt mit dem<br />

agentenbasierten Testmanagement<br />

auseinander.<br />

Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />

Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />

Tel. +49 (0) 711 68 56 72 95,<br />

E-Mail: christoph.malz@ias.uni-stuttgart.de<br />

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Peter Göhner<br />

(geb. 1950) ist Leiter des Instituts für Automatisierungs-<br />

und Softwaretechnik (IAS) an<br />

der Universität Stuttgart. Seine Hauptarbeitsgebiete<br />

sind Wiederverwendungskonzepte in der<br />

Automatisierungstechnik, Verlässlichkeit von<br />

automatisierten Systemen, Energieoptimierung<br />

in technischen Systemen, Agentenorientierte<br />

Konzepte in der Automatisierungstechnik und<br />

Benutzerorientierte Automatisierung.<br />

Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />

Pfaffenwaldring 47, 70550 Stuttgart,<br />

Tel. +49 (0) 711 68 56 73 00,<br />

E-Mail: peter.goehner@ias.uni-stuttgart.de<br />

48<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

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Bezug um ein Jahr.<br />

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Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (Brief, Fax, E-Mail) oder durch<br />

Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Datum, Unterschrift<br />

PAATPE0311<br />

Absendung des Widerrufs oder der Sache an den Leserservice <strong>atp</strong>, Postfach 91 61, 97091 Würzburg.<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pfl ege der l<strong>auf</strong>enden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst, gespeichert und verarbeitet. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom<br />

Oldenbourg Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag □ per Post, □ per Telefon, □ per Telefax, □ per E-Mail, □ nicht über interessante Fachangebote informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


hauptbeitrag<br />

Kompatibilität: der zentrale<br />

Schlüssel für Nachhaltigkeit<br />

Life-Cycle-Excellence durch proaktives Handeln<br />

In der Automation l<strong>auf</strong>en die Lebenszyklen (Life Cycle) von Komponenten, Geräten und<br />

Systemen gegenüber der Lebenszeit der Gesamtanlage zunehmend auseinander. Die hohe<br />

Innovationsrate bei Hard- und Software und die steigende Funktionalität der Komponenten<br />

verkürzen den Life-Cycle der Automatisierungsprodukte stetig. Der Beitrag fasst die<br />

unterschiedlichen Dimensionen in einem Gesamtmodell zur Life-Cycle-Excellence zusammen,<br />

in dem die Kompatibilität zentrale Bedeutung hat. Proaktives Handeln in Kooperation<br />

zwischen allen Partnern ist der Schlüssel für nachhaltige Lösungen.<br />

SCHLAGWÖRTER Life-Cycle-Management / Life-Cycle-Modell / Kompatibilität<br />

Compatibility and Life-Cycle Excellence in Automation<br />

There is an increasing divergence between the life-cycles of components, devices and<br />

systems involved in automation and the lifetime of the plant as a whole. The high rate<br />

of innovation in hardware and software and the increasing functionality of components<br />

is continuously shortening the life-cycle of automation products. We correlate the various<br />

dimensions in a comprehensive model of life-cycle excellence, paying particular<br />

attention to compatibility. Proactive cooperation between all partners is the key to<br />

sustainable solutions.<br />

KEYWORDS Life-Cycle Management / Life-Cycle Model / Compatibility<br />

50<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Reinhard Schrieber, Siemens Energy<br />

Martin Wollschlaeger, TU Dresden<br />

Mathias Mühlhause, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg<br />

Jörg Niemann, ABB Automation<br />

Eine wesentliche Herausforderung für das Management<br />

einer Anlage ist die Sicherstellung des Betriebs<br />

aller Anlagenteile unter Einhaltung funktionaler<br />

und wirtschaftlicher Anforderungen über<br />

deren komplette Nutzzeit. Dabei ist für die Leittechnik<br />

der Anlage ein zunehmendes Auseinanderdriften der<br />

Lebenszyklen (Life-Cycle) der Systeme sowie deren Komponenten<br />

in Bezug <strong>auf</strong> die Lebenszeit der Gesamtanlage zu<br />

beobachten. So differieren die branchenspezifischen Anlagennutzzeiten<br />

etwa von 7–8 Jahren für Produktionsstrecken<br />

im Automobilbereich <strong>auf</strong>steigend über typischerweise 15–25<br />

Jahren für verfahrenstechnische Anlagen bis hin zu 50 Jahren<br />

für Kraftwerke und Transportsysteme. Demgegenüber<br />

stehen die ohnehin zu großen Teilen geringeren Life-Cycle<br />

der eingesetzten Automatisierungsprodukte, die durch steigende<br />

Funktionalität, hohe Innovationsraten verwendeter<br />

Hardware und Software weiter verkürzt werden (Bild 1).<br />

Dieses Spannungsfeld verdeutlicht, dass die Aufrechterhaltung<br />

des Anlagenbetriebs – das Life-Cycle-Management<br />

– auch in der Automation zunehmendes Gewicht bekommt,<br />

nicht zuletzt dadurch, dass nicht nur der Betreiber einer<br />

Anlage selbst, sondern auch Systemintegratoren und Hersteller<br />

mit ihren Lieferketten an diesem Prozess beteiligt<br />

sind. Globale, rechtliche und technische Einflüsse, Anforderungen<br />

der Nutzer an höhere Wirtschaftlichkeit, Funktionalität,<br />

Zuverlässigkeit und Effizienz sowie der Einfluss der<br />

IT-Technologien in der Automatisierung wirken hier wechselseitig<br />

und lassen den Umfang dieses Themas erahnen.<br />

Der Lösungsansatz zur Beherrschung des Life-Cycles von<br />

Anlagen liegt gemäß [1] in einem proaktiven Life-Cycle-<br />

Management, das eine bereits in der Planungsphase beginnende<br />

aktive Gestaltung der Lebenszeit einer Anlage sowie<br />

der eingesetzten Komponenten über die Maßnahmen zur<br />

Qualitätssicherung [2] sowie des Obsoleszenzmanagements<br />

[3] hinaus vorsieht. Dies schließt neben den vielfältigen Anforderungen<br />

an Funktionalität, Sicherheit oder Regularien<br />

explizit auch Kriterien des wirtschaftlichen Betriebs im<br />

Sinne des Life-Cycle-Costings [4] mit ein. Durch die frühzeitige<br />

und kontinuierliche Betrachtung von vorhersehbaren<br />

Einflüssen <strong>auf</strong> die Anlage wie zum Beispiel Technologiewechsel<br />

oder sich ändernde Regularien können funktional<br />

und wirtschaftlich sinnvolle Strategien zur Absicherung<br />

des Betriebs geplant und durchgeführt werden.<br />

Proaktives Life-Cycle-Management bedeutet weiterhin,<br />

eine Anlage während der Nutzzeit nachhaltig zu optimieren.<br />

Maßnahmen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit<br />

des Life-Cycle-Managements können nur durch die intensive<br />

Zusammenarbeit der Anwender mit den Herstellern<br />

definiert werden. Dabei ist insbesondere die Analyse folgender<br />

Faktoren erforderlich:<br />

die Lebenszeit der Anlage sowie der mit ihr<br />

gefertigten Produkte,<br />

die Lebenszeit beziehungsweise Zuverlässigkeit<br />

der Systemkomponenten (zum Beispiel <strong>auf</strong> Grundlage<br />

ihrer Ausfallwahrscheinlichkeiten),<br />

die Auswahl von Lieferanten nach Life-Cyclerelevanten<br />

Kriterien wie wirtschaftliche Robustheit,<br />

Leistungsfähigkeit, aber auch Unterstützung der<br />

Anforderungen aus dem Life-Cycle der Anlage,<br />

die Lieferbedingungen für Erzeugnisse und<br />

Leistungen, inklusive denen für Software [5].<br />

Grundlage des Life-Cycle-Managements ist ein gemeinsames<br />

Verständnis wesentlicher Begriffe, Modelle und deren<br />

Anwendung in entsprechenden Strategien. Diese werden im<br />

Beitrag <strong>auf</strong>gezeigt. Der Artikel erweitert die Ergebnisse des<br />

Leitfadens „Life-Cycle-Management für Produkte und Systeme<br />

der Automation“ [6], der vom ZVEI-Arbeitskreis Systemaspekte<br />

im Fachverband Automation erstellt wurde. Der<br />

Leitfaden enthält unter anderem ein umfangreiches Glossar,<br />

<strong>auf</strong> das im vorliegenden Artikel Bezug genommen wird.<br />

1. Modelle des Life-Cycle-Managements<br />

1.1 Life-Cycle-Modell für Produkttypen<br />

und Produktinstanzen<br />

Die Erarbeitung des Leitfadens [6] hat gezeigt, dass sich<br />

typische Einflussgrößen wie zum Beispiel die Nutzzeit<br />

<strong>auf</strong> den Life-Cycle von Produkten und Systemen aus-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

51


Hauptbeitrag<br />

wirken. Diese Einflussgrößen umfassen Life-Cycle-bezogene,<br />

branchenspezifische, technische, regulatorische<br />

und gesellschaftliche Herausforderungen. Ein<br />

Life-Cycle-Modell muss dies berücksichtigen. Eine<br />

grundlegende Definition stellt dabei die Unterscheidung<br />

zwischen Produkttypen und Produktinstanzen<br />

dar (Bild 2).<br />

Ein Typ ist gekennzeichnet durch eine eindeutige<br />

Produkt-ID (beispielsweise die Bestellnummer), einen<br />

Satz von Entwicklungsdokumenten, Fertigungs- und<br />

Prüfbeschreibungen und eine technischen Dokumentation.<br />

Für die Zulassung eines Typs für Anwendungen<br />

können Zertifikate gefordert und ausgestellt werden.<br />

Diese Definition ist gültig für Hardwareprodukte, Softwareprodukte<br />

und Produkte als Bundle aus Hardware<br />

und Software. Alle Tätigkeiten, die im Rahmen der Entwicklung,<br />

Pflege und Betreuung eines Produktes geleistet<br />

werden – unabhängig davon, wie oft es gefertigt wird<br />

– beziehen sich <strong>auf</strong> den Produkttyp. Zur Verwaltung<br />

von Änderungen am Typ, ausgeprägt als Versionen und<br />

Ausgabestände, ist ein Konfigurationsmanagement erforderlich.<br />

Sämtliche Programme und Werkzeuge für<br />

Entwicklung, Test, Fertigung und Service unterliegen<br />

ebenfalls einem Entwicklungs- und Pflegeprozess, alle<br />

Informationen sind mindestens bis zum Ende des Service<br />

vorzuhalten.<br />

Der typische Life-Cycle eines Produktes (Typ) lässt<br />

sich in verschiedene Lebensphasen gliedern, siehe Bild<br />

2. Die Summe der Lebensphasen eines Typs wird auch<br />

als Life-Cycle des Produkts (Product-Life-Cycle) bezeichnet.<br />

Der Begriff Zyklus soll ausdrücken, dass es<br />

sich um einen wiederkehrenden Abl<strong>auf</strong> im Sinne der<br />

Produktevolution handelt. Dadurch entstehen neue Versionen<br />

des Produktes. Diese Versionen sind in Bezug<br />

<strong>auf</strong> die Kompatibilität von hoher Relevanz und erfordern<br />

herstellerübergreifende Konventionen für das Versionsmanagement,<br />

zum Beispiel nach Namur-Empfehlung<br />

NE53 [7].<br />

Jede gefertigte Einheit eines Typs bildet eine Instanz<br />

dieses Typs. Die Instanz ist immer ein individuelles Exemplar<br />

und ist durch eine eindeutige Kennung (zum<br />

Beispiel Seriennummer) identifizierbar. Alle Tätigkeiten,<br />

die mit der Fertigung und dem Service während des Einsatzes<br />

des Produktes in einer Anlage geleistet werden,<br />

beziehen sich <strong>auf</strong> die Produktinstanz.<br />

Wie in Bild 2 dargestellt besitzt jede Instanz eines Produktes<br />

eine Lebenszeit (Product-Life-Time), die vom<br />

Zeitpunkt ihrer Erzeugung (Meilenstein a) bis zur Entsorgung<br />

(Meilenstein f) reicht. Sie kann deutlich über<br />

das Ende des Life-Cycle des Produkttyps (Abkündigung,<br />

Meilenstein 6) hinaus gehen. Der wesentliche Abschnitt<br />

der Lebenszeit ist die Nutzzeit, die bei Meilenstein c beginnt<br />

und mit der Außerbetriebsetzung (Meilenstein e)<br />

endet. Nach Außerbetriebsetzung werden insbesondere<br />

kostenintensive Produktinstanzen zunehmend <strong>auf</strong>bereitet<br />

und wiederverwendet. Die Gewährleistungszeit beginnt<br />

mit dem Gefahrübergang an den Kunden (Meilenstein<br />

b) – zum Beispiel dem Erwerb eines Produktes oder<br />

der Übergabe einer Anlage an den Kunden nach Abnahme<br />

– und endet gemäß gesetzlicher Regelungen oder<br />

Kundenverträgen (Meilenstein d).<br />

Mit der Abkündigung des Produktes als Typ (Meilenstein<br />

6) enden alle vom Hersteller standardmäßig vorgehaltenen<br />

produktbezogenen Lieferungen und Leistun-<br />

BILD 1: Lebenzyklen von Anlagen und ihren Komponenten<br />

BILD 2: Generisches Life-Cycle-Modell<br />

von Produkttypen und ‐instanzen<br />

52<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


gen. Nach diesem Zeitpunkt greifen Maßnahmen, die<br />

durch den Einsatz kompatibler Nachfolgeprodukte oder<br />

Migration die Aufrechterhaltung der Funktion absichern.<br />

In Ausnahmefällen kann ein Support durch Sondervereinbarungen<br />

erbracht werden.<br />

1.2 Integrationsmodell<br />

Ein System ist eine abgegrenzte, geordnete Gesamtheit<br />

von Komponenten, die zur Erfüllung einer Funktion <strong>auf</strong>einander<br />

einwirken oder miteinander in Beziehung stehen<br />

(Bild 3).<br />

Ein wesentliche Aufgabe im Rahmen des Integrationsprozesses<br />

von Systemen der Automation ist die Integration<br />

von Komponenten Dritter. Zur Veranschaulichung<br />

dient das Beispiel in Bild 3. Es zeigt eine hierarchische<br />

Struktur mit wachsender Systemfunktion, wobei <strong>auf</strong> jeder<br />

Ebene Komponenten zu Systemen integriert sind. Der<br />

Betrachtungsraum der Automation definiert Grenzen für<br />

die Begriffe Komponente und System. Die untere Betrachtungsgrenze<br />

stellt Bauteile dar, als obere Betrachtungsgrenze<br />

werden die leittechnischen Einrichtungen<br />

einer Anlage festgelegt.<br />

Jedes System, unabhängig von der Ebene, besitzt einen<br />

eigenen Life-Cycle, der vom individuellen Life-Cycle der<br />

integrierten Komponenten abhängt. Es ist eine große Herausforderung<br />

für den Hersteller eines Systems, die Abhängigkeiten<br />

vom individuellen Life-Cycle der Komponenten<br />

durch kontinuierliche evolutionäre Weiterentwicklung<br />

so zu gestalten, dass die Kompatibilitätsanforderungen<br />

an das System erfüllt bleiben.<br />

1.3 Kompatibilitätsmodell<br />

Unverzichtbare Voraussetzung für Life-Cycle-Management<br />

ist ein klares Verständnis des Begriffs Kompatibilität.<br />

In der Automation wird unter Kompatibilität die<br />

Austauschbarkeit, Vereinbarkeit oder Gleichwertigkeit<br />

von technischen Eigenschaften verstanden. Die systematische<br />

Erfassung der Kompatibilitätsanforderungen an<br />

Komponenten sollte unter drei Sichten erfolgen. Diese<br />

sind die Sichten <strong>auf</strong> die Kompatibilität zwischen der<br />

Komponente und dem Prozess, zwischen der Komponente<br />

und dem Menschen sowie zwischen der Komponente<br />

und dem System.<br />

Die Eigenschaften einer Komponente können verschiedenen<br />

Dimensionen zugeordnet werden [8], deren spezifische<br />

Ausprägungen Abhängigkeiten untereinander<br />

<strong>auf</strong>weisen. Diese Dimensionen stellen dar:<br />

die automatisierungstechnischen Funktionen<br />

(zum Beispiel Messen, Stellen, Alarmieren),<br />

Geräte, die diese Funktionen realisieren<br />

(wie Feldgeräte, Steuerungen),<br />

Orte, an denen die Geräte eingesetzt werden<br />

(beispielsweise Leitwarte, Feld).<br />

Der Kompatibilitätsgrad (Grad der Austauschbarkeit,<br />

Vereinbarkeit oder Gleichwertigkeit) definiert die Erfüllung<br />

der Anforderungen, die für ein spezifisches<br />

Kompatibilitätsprofil relevant sind. In der Praxis haben<br />

sich vorwiegend qualitative Betrachtungen etabliert,<br />

für die in [6] Kompatibilitätsprofile definiert<br />

werden. Typische Kompatibilitätsprofile sind beispielsweise<br />

vollkompatibel, funktionskompatibel oder<br />

anschlusskompatibel (Tabelle 1).<br />

Mithilfe einer Analyse relevanter Anforderungen an<br />

eine auszutauschende Komponente eines Systems und<br />

der Zuordnung eines Soll-Kompatibilitätsprofils kann<br />

nach objektiven Kriterien verglichen werden, welche<br />

Ersatzkomponente sich für einen gegebenen Anwendungsfall<br />

unter Berücksichtigung der System-Performance<br />

nach technischen Gesichtspunkten am besten<br />

eignet. Diese Anforderungen müssen mit ihren Einzelkriterien<br />

messbar beziehungsweise prüfbar spezifiziert<br />

werden. Die Sollwerte für die Kriterien ergeben das Soll-<br />

Profil (Bild 4). Dem gegenüber steht das Ist-Profil, das<br />

durch die Eigenschaften einer Ersatzkomponente definiert<br />

wird. Ein typischer Anwendungsfall – der Austausch<br />

eines defekten Gerätes – ist in [9] beschrieben.<br />

2. Strategien zum Life-Cycle-Management<br />

Bild 3: Hierarchische Systemstruktur<br />

Die Hersteller und Anwender von Automatisierungsprodukten<br />

haben Methoden und Strategien entwickelt,<br />

um innerhalb einer Systemgeneration sowohl Produkttypen<br />

als auch die jeweils gelieferten Produkte (Instanzen)<br />

über den geplanten Life-Cycle des Produkts<br />

(Typ) betreuen zu können, um ihre Nutzbarkeit <strong>auf</strong>recht<br />

zu erhalten.<br />

Für die Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit von Instanzen<br />

existieren eingeführte Methoden der Instand-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

53


Hauptbeitrag<br />

TABELLE 1:<br />

Definition von Kompatibilitätsgraden<br />

mittels Kompatibilitätsanforderungen<br />

Vollkompatibel<br />

Funktionskompatibel<br />

Kompatibilitätsgrad<br />

Softwarekompatibel<br />

Signalkompatibel<br />

Datenkompatibel<br />

Ein-/Aufbautechnikkompatibel<br />

Typische Kategorien von Anforderungen<br />

Ergebnisse der Verarbeitungsfunktionen X X X<br />

Funktionale Schnittstellen X X X X X<br />

Präsentation X X X<br />

Handhabung (funktional) X X X<br />

Engineering X X X<br />

Informationsmanagement X X X X<br />

Kommunikationsdienste X X X X<br />

Redundanzmechanismen X X X<br />

Aufbau- und Anschlusstechnik X X X<br />

Stromversorgung X X X<br />

Handhabung (z.B. phys. Geräteaustausch) X X<br />

Physikalische Schnittstellen X X X<br />

Leistungsdaten X X X<br />

Zertifikate X X X X<br />

funktionsbezogen<br />

gerätetechnisch<br />

ortsbezogen<br />

Elektrische Umgebungsbedingungen X X<br />

Klimatische Umgebungsbedingungen X X<br />

Mechanische Umgebungsbedingungen X X<br />

Schutzart X X<br />

Explosionsschutz X X X<br />

Anschlusskompatibel<br />

Ist-Profil Soll-Profil<br />

ANFORDERUNGEN<br />

funktional<br />

- Bedienen/Beobachten<br />

Untererfüllung<br />

- Aktualisierungsrate Präsentation 1s 100ms<br />

- Engineering<br />

- Kommunikationsdienste<br />

- PROFIBUS MS0 MS1 MS2 MS3<br />

Übererfüllung<br />

***<br />

gerätetechnisch<br />

- Anschlusstechnik<br />

- Energiebedarf 60W 40W 20W 10W<br />

- Zertifikate<br />

***<br />

ortsbezogen<br />

- Klimatische Umgebungsbed.<br />

Erfüllung<br />

- Schutzart IP20 IP54 IP67<br />

***<br />

BILD 4: Vergleich eines Soll-Profils einer<br />

auszutauschenden Komponente mit Ist-Profilen<br />

möglicher Ersatzkomponenten<br />

haltung, für die von Produkttypen werden spezifische<br />

Strategien wie Resteindeckung, Substitution, Re-Design<br />

und Migration – vielfach auch in Kombination – angewandt.<br />

Die Aufwendungen zur Umsetzung der Strategien<br />

sind bei Anwender und Hersteller unterschiedlich.<br />

Um eine Auswahl geeigneter Strategien vornehmen zu<br />

können, müssen unter anderem Kriterien wie Kompatibilität,<br />

Zeitbedarf für die Umsetzung (Reaktionszeit),<br />

Nachhaltigkeit, Aufwand und Innovationspotenzial<br />

betrachtet und bewertet werden. Eine detaillierte Beschreibung<br />

und Bewertung der oben erwähnten Strategien<br />

mit ihren Merkmalen ist in [6] enthalten. Bild 5<br />

zeigt eine typische Bewertung dieser Strategien. Wegen<br />

individueller Gegebenheiten ist die Bewertung <strong>auf</strong>gabenspezifisch<br />

durchzuführen.<br />

Beispielhaft soll die Strategie Re-Design betrachtet<br />

werden. Re-Design ist die Entwicklung einer Variante<br />

eines Produkttyps, die die Spezifikation und damit das<br />

Kompatibilitätsprofil des Vorgängertyps erfüllt oder<br />

übererfüllt. Dies schließt die Aktivitäten zur Aufrechterhaltung<br />

der geforderten Qualifizierung und Zertifizierung<br />

ein. Eine typische Ursache für ein Re-Design<br />

ist die Abkündigung einer Komponente, wenn gleichzeitig<br />

die Strategien Resteindeckung (identische Komponente)<br />

und Substitution (vollkompatible Ersatzkomponente)<br />

keine geeigneten Lösungen darstellen, weil<br />

beispielsweise Kompatibilitätseinschränkungen des<br />

Nachfolgeproduktes existieren.<br />

In Bild 6 wird Komponente 2 durch die neue Komponente<br />

2’ ersetzt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit,<br />

eine neue Version für das System zu entwickeln<br />

(Version x+1), wobei die Kompatibilitätsanforderungen<br />

zu beachten sind. Hierdurch kann sich eine Verlängerung<br />

des Life-Cycle des Systems durch Verschiebung<br />

von Fertigungsende (Meilenstein 4) und Abkündigung<br />

(Meilenstein 6) ergeben. Dabei ist zu beachten,<br />

dass auch andere Komponenten (in Bild 6 Komponente<br />

1) mit ihrem spezifischen Life-Cycle zur begrenzenden<br />

Komponente für den Life-Cycle des Systems werden<br />

können.<br />

Für das gewählte Beispiel ergibt sich analog zu Bild 5<br />

folgende Bewertung:<br />

Kompatibilität: Einschränkungen sind zu erwarten<br />

Reaktionszeit: länger als Substitution, in der Regel<br />

kürzer als Migration<br />

(abhängig vom Integrations<strong>auf</strong>wand)<br />

Nachhaltigkeit: besser als Substitution, wird durch<br />

Life-Cycle der neuen Systemversion bestimmt<br />

Aufwand: Kosten für Entwicklung, Test, Qualifizierung<br />

und so weiter sowie Systemintegration,<br />

Vermeidung der Resteindeckungskosten<br />

Innovationspotenzial: vorhanden, neue Version kann<br />

neue Funktionen beinhalten<br />

Allgemein lässt sich feststellen, dass mit höheren Kompatibilitätsanforderungen<br />

die Einsatzmöglichkeit von<br />

Substitution (vollkompatibler Ersatz) eingeschränkt wird,<br />

sodass ein in der Regel <strong>auf</strong>wendigeres Re-Design erforderlich<br />

wird.<br />

54<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Bewertungskriterien<br />

Strategien<br />

Kompatibilität<br />

Reaktionsfähigkeit<br />

Nachhaltigkeit<br />

Aufwand<br />

Innovationspotential<br />

Resteindeckung +++ +++ + + +<br />

Substitution +++ ++ ++ ++ +<br />

Re-Design ++ + ++ ++ ++<br />

Migration + + +++ +++ +++<br />

BILD 5: Bewertung von Strategien<br />

zum Life-Cycle-Management<br />

BILD 6: Re-Design eines Systems bei<br />

Fertigungsende einer Komponente<br />

3. Anwendung der Strategien und der Modelle<br />

Life-Cycle-Modell, Integrationsmodell und Kompatibilitätsmodell<br />

bilden die Grundmodelle für ein koordiniertes<br />

Vorgehen aller Beteiligten aus verschiedenen Fachdisziplinen,<br />

die im Rahmen von Planung, Errichtung,<br />

Betrieb und Rückbau einer Anlage das Life-Cycle-Management<br />

gemeinsam betreiben.<br />

Die branchenspezifischen Anforderungen an das<br />

Life-Cycle-Management wurden in [6] analysiert. Dabei<br />

haben sich branchenübergreifend hohe Anforderungen<br />

an die Kompatibilität als das führende Kriterium herauskristallisiert.<br />

Bild 7 stellt beispielhaft eine Anlage mit einer Nutzzeit<br />

von 30 Jahren dar, bei der in der Mitte dieses Zeitbereichs<br />

durch Migration eine Umstellung <strong>auf</strong> ein neues<br />

System zur Nutzung technologischer Fortschritte<br />

durchgeführt wird. In jeder der Phasen 1 und 2 sind<br />

die Life-Cycle der Komponenten des Systems zu beherrschen.<br />

Innerhalb einer Phase treten für einzelne<br />

Komponenten Typwechsel <strong>auf</strong>. Die Häufigkeit dieser<br />

Typwechsel kann sehr unterschiedlich sein und ist<br />

durch die Länge der Life-Cycle der Komponenten bestimmt.<br />

So ist bei PCs ein Typwechsel nach etwa zwei<br />

bis drei Jahren zu erwarten, während bei IO-Baugruppen<br />

die Phase der Vermarktung (Bild 2) selten unter 10<br />

Jahren liegt. Insbesondere bei components-off-the-shelf<br />

(COTS) sind häufigere Typwechsel zu erwarten, da diese<br />

Komponenten meist für schnelllebigere Märkte ohne<br />

signifikante Einflussmöglichkeit der Automation entwickelt<br />

und produziert werden. Bei Komponenten hingegen,<br />

die spezifisch für die Domäne der Automation<br />

entwickelt werden, kann der Typwechsel durch den<br />

Hersteller gezielt beeinflusst werden.<br />

Typischerweise wird zunächst bei Herstellern und<br />

Anwendern die Strategie Resteindeckung angewandt.<br />

Sie ist durch die Verfügbarkeit eines Produkttyps am<br />

Markt und technischer beziehungsweise wirtschaftlicher<br />

Aufwendungen beschränkt anwendbar, ein entsprechender<br />

Ersatz wird somit notwendig. Bei einem solchen<br />

Typwechsel sind Ersatztypen zu identifizieren. Die technische<br />

Bewertung erfolgt durch Anwendung des Kompatibilitätsprofils.<br />

Jeder Ersatztyp bedingt die Anwendung<br />

einer der Strategien Substitution oder Re-Design.<br />

Die Entscheidung für den optimalen Ersatztyp kann nur<br />

durch eine ganzheitliche Betrachtung der im Bild 5 dargestellten<br />

Kriterien sowie unter Berücksichtigung von<br />

strategischen Gesichtspunkten getroffen werden. Der<br />

Zeitbereich bis zur Lieferfreigabe des durch Substitution<br />

oder Re-Design erzeugten Ersatztyps muss gegebenenfalls<br />

durch Resteindeckung überbrückt werden.<br />

Der zunehmende Aufwand zur Pflege einer alternden<br />

Systemtechnik und das Interesse an der Erschließung<br />

der Potenziale einer neuen Systemgeneration führen zur<br />

Anwendung der Strategie Migration. Dabei wird zumeist<br />

schrittweise vorgegangen, beginnend mit Systemen zur<br />

Prozessführung und endend in der Feldebene.<br />

Eine systematische Kompatibilitätsbetrachtung bildet<br />

den Kern für das Life-Cycle-Management. Dabei ist über<br />

die Zeit zu beobachten, dass sich die Anforderungen an<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

55


Hauptbeitrag<br />

BILD 7:<br />

Anwendung von<br />

Strategien über<br />

die Nutzzeit<br />

einer Anlage<br />

(Beispiel)<br />

die Kompatibilität (Tabelle 1) ändern, was sich im Kompatibilitätsprofil<br />

durch Hinzufügen oder Wegfallen von<br />

Kriterien widerspiegelt. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung<br />

von neuen Speichermedien, bei der die Funktion<br />

erhalten bleibt, sich gerätetechnische Anforderungen<br />

jedoch ändern (zum Beispiel Übergang von Magnetband<br />

zu Festplatte). Außerdem ist davon auszugehen, dass sich<br />

Änderungen des Soll-Profils einer Komponente (Bild 4)<br />

ergeben. So können beispielsweise verschärfte Regularien<br />

aus dem produktbezogenen Umweltschutz oder zusätzliche<br />

Energieeffizienzklassen zu neuen Ausprägungen bestehender<br />

Anforderungen führen.<br />

Der Einfluss der Technologien aus dem Bürobereich<br />

führt zur Akzeptanz von neuen Funktionalitäten und<br />

Präsentationsmöglichkeiten an der Schnittstelle Mensch-<br />

System. Dadurch steigt die Bereitschaft – bis hin zur<br />

Kundenforderung – und damit der Bedarf, diese Technologien<br />

auch in der Automation einzusetzen. Diese<br />

Änderungen der Anforderungen führen zur Notwendigkeit,<br />

die Kompatibilitätsforderungen anzupassen. Ein<br />

Beispiel hierfür sind browserbasierte Systeme zur Prozessführung;<br />

zukünftig ist davon auszugehen, dass die<br />

Bedienkonzepte und die Applikationen aus dem Bereich<br />

der Smartphones auch in der Prozessführung Einfluss<br />

nehmen werden.<br />

Entscheidungen im Life-Cycle-Management werden in<br />

der Regel unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit getroffen.<br />

Das hat zur Folge, dass in zunehmendem Umfang<br />

Hard- und Softwaretechnologien aus der IT-Welt sowie<br />

COTS eingesetzt werden. Aufgrund der hohen technischen<br />

Anforderungen der Automation erfolgt die Integration<br />

solcher Komponenten abhängig von der Erfüllung<br />

dieser spezifischen Anforderungen. Demzufolge begann<br />

diese Integration in den oberen Ebenen der Automatisierungspyramide<br />

und dringt stetig in andere Bereiche ein<br />

(zum Beispiel Ethernet, PC-basierte Automation, industrielle<br />

Funklösungen).<br />

Markante Eigenschaften dieser Komponenten sind –<br />

gemessen an der Nutzzeit einer Anlage – der kurze Lebenszyklus,<br />

aber auch die fehlende Unterstützung der<br />

Nutzung der Instanzen über den relevanten Zeitraum.<br />

Diese Eigenschaften werden zu bestimmenden Faktoren<br />

für das Life-Cycle-Management der Anlage. Sie erfordern<br />

eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der<br />

Maßnahmen, die wiederum auch mit der Betreiberstrategie<br />

abgestimmt werden müssen.<br />

Wenn keine Anpassungen der Kompatibilitätsanforderungen<br />

erfolgen, wird der Zeitbereich der Anwendung<br />

der Strategie Substitution begrenzt, und der Aufwand<br />

für Re-Design steigt. Dies führt dazu, dass der Zeitpunkt,<br />

ab dem nur noch Funktionskompatibilität erzielbar ist,<br />

vom Life-Cycle der Komponenten abhängig ist. Beim<br />

Einsatz von COTS wird daher der Zeitpunkt deutlich<br />

früher erreicht. Je mehr COTS eingesetzt werden, desto<br />

mehr müssen auch Maßnahmen zur Beherrschung von<br />

Inkompatibilitäten ergriffen werden. Das Risiko, dass die<br />

Grenzen technischer Machbarkeit und wirtschaftlicher<br />

Vertretbarkeit erreicht werden, steigt über die Zeit.<br />

Fazit<br />

Ein gemeinsames Verständnis bezüglich Begriffen und<br />

Modellen ist unverzichtbar für eine kooperatives Vorgehen<br />

im Life-Cycle-Management in der Automation.<br />

Im Kern dieser Zusammenhänge stehen die Kompatibilität<br />

und dar<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>bauend ein Satz von erprobten<br />

Strategien. Wie in Abschnitt 3 gezeigt, ändern sich die<br />

56<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Kompatibilitätsanforderungen über die Zeit, wesentlich<br />

bestimmt durch technische, sozioökonomische<br />

und regulatorische Einflüsse. Damit verändern sich im<br />

spezifischen Anwendungsfall auch die Einsatzmöglichkeiten<br />

der beschriebenen Strategien. Da das Erfüllen<br />

von Kompatibilitätsanforderungen über die Zeit<br />

immer schwieriger wird, müssen sich diese Anforderungen<br />

<strong>auf</strong> die wesentlichen Aspekte konzentrieren.<br />

Dabei haben die Anforderungen an die Funktionskompatibilität<br />

höchste Priorität.<br />

Proaktives Handeln ist der Schlüssel zu Life-Cycle-<br />

Excellence. Dies schließt die aktive Beteiligung der<br />

Automation bei der Entwicklung von Standards und<br />

Normen ein, um nachhaltig Interoperabilität und<br />

Kompatibilität <strong>auf</strong>wandsarm sicherstellen zu können.<br />

Als konsequente Forderung aus diesen Betrachtungen<br />

muss die Life-Cycle-Kompetenz bei allen<br />

Partnern der Wertschöpfungskette ein stärkeres Gewicht<br />

bekommen.<br />

Manuskripteingang<br />

01.08.2011<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Referenzen<br />

[1] H<strong>auf</strong>f, T., Weigel, O.: Langfristige Sicherstellung der Feldgeräteintegration; In<br />

Tagungsband: EKA 2008 - Entwurf komplexer Automatisierungssysteme, 2008<br />

[2] NAMUR-Empfehlung NE 121: Qualitätssicherung leittechnischer Systeme, 2008<br />

[3] IEC 62402: Anleitung zum Obsoleszenzmanagement, Beuth-Verlag, 2005<br />

[4] Niemann, J., Tichkiewitch, S. und Westkämper, E.: Design of Sustainable<br />

Product Life Cycles. Springer Verlag, Heidelberg Berlin, 2009<br />

[5] Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.: ZVEI-Softwareklausel<br />

zur Überlassung von Standard-Software als Teil von Lieferungen.<br />

Ergänzung und Änderung der "Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse<br />

und Leistungen der Elektroindustrie", Frankfurt, 2004<br />

[6] Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.: Life-Cycle-Management<br />

für Produkte und Systeme der Automation, Frankfurt, 2010<br />

[7] NAMUR-Empfehlung NE 53: Software von Feldgeräten und signalverarbeitenden<br />

Geräten mit Digitalelektronik. 2003<br />

[8] IEC 81346-2: Industrial systems, installations and equipment and industrial<br />

products - Structuring principles and reference designations - Part 2:<br />

Classification of objects and codes for classes. Juli 2009<br />

[9] Schrieber, R.; Mühlhause, M.; Wollschlaeger, M.; Birkhofer, R.; Niemann, J.;<br />

Kalhoff, J.; Wickinger, J.: Generisches Lebenszyklusmodell für Produkte und<br />

Systeme der Automation. Automation 2010, 15.-16.06.2010, Tagungsband<br />

Autoren<br />

Siemens AG, Energy F IE 51,<br />

Siemensallee 84, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 61 70,<br />

E-Mail: reinhard.schrieber@siemens.com<br />

Dipl.-Ing. Reinhard Schrieber (geb.<br />

1947) leitet den Product Management<br />

Support für Kraftwerksleitsysteme mit<br />

den Schwerpunkten Quality and<br />

Processes, Standardisation and<br />

Regulation, Intellectual Property bei<br />

der Siemens AG, Energy Sector, Fossil<br />

Power Generation Division, Instrumentation<br />

& Electrical.<br />

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Martin<br />

Wollschlaeger (geb. 1964) ist seit<br />

2003 Inhaber der Professur Prozesskommunikation<br />

an der TU Dresden.<br />

Arbeitsgebiete sind industrielle<br />

Automatisierungsnetze, Management<br />

von heterogenen industriellen Netzen,<br />

Informationsmodelle und Beschreibungssprachen<br />

sowie Integrationsprozesse<br />

in der Automation.<br />

TU Dresden,<br />

Institut für Angewandte Informatik,<br />

D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 70,<br />

E-Mail: martin.wollschlaeger@tu-dresden.de<br />

Dipl.-Ing. Mathias Mühlhause (geb. 1979) ist<br />

seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Lehrstuhl Integrierte Automation an der<br />

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.<br />

Seine Forschungsgebiete sind Engineeringkonzepte,<br />

Merkmalbeschreibungen sowie die<br />

Geräteintegration in den Lebenszyklus automatisierungstechnischer<br />

Anlagen. Weiterhin<br />

engagiert er sich in verschiedenen Arbeitskreisen<br />

des VDI GMA, ZVEI sowie im Prolist e.V.<br />

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />

Lehrstuhl Integrierte Automation,<br />

PF 4120, D-39016 Magdeburg,<br />

Tel. +49 (0) 391 671 29 20, E-Mail: mathias.muehlhause@ovgu.de<br />

Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Jörg Niemann (geb.<br />

1970), ist Gruppenleiter Life Cycle Management<br />

im Bereich Service Prozessleittechnik<br />

bei der ABB Automation GmbH. Zuvor war er<br />

in der Forschung und Beratung beim Fraunhofer<br />

Institut für Produktionstechnik und<br />

Automatisierung (IPA) und dem Institut für<br />

Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb<br />

(IFF) der Uni Stuttgart im Bereich<br />

Produktionsoptimierung tätig.<br />

ABB Automation GmbH,<br />

Oberhausener Straße 33, D-40472 Ratingen,<br />

Tel. +49 (0) 2102 12 11 89, E-Mail: joerg.niemann@de.abb.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

57


hauptbeitrag<br />

Verfügbarkeitsberechnung von<br />

Automatisierungsnetzwerken<br />

Teil 2: Topologien und Designempfehlungen<br />

Der Beitrag befasst sich mit der Berechnung der Verfügbarkeit von Ethernet-basierten<br />

Automatisierungsnetzwerken. Teil 1 behandelte die Grundlagen der Verfügbarkeitsrechnung.<br />

Teil 2 beschreibt die typischen Netzwerktopologien der Automatisierungstechnik<br />

und deren Verfügbarkeit. Abschließend werden Maßnahmen diskutiert, wie sich die<br />

Verfügbarkeit eines Netzwerks durch entsprechende Auslegung verbessern lässt.<br />

SCHLAGWÖRTER Verfügbarkeit / Verfügbarkeitsberechnung / Ethernet / MTBF / MTTR /<br />

Automatisierungstechnik / Automatisierungsnetzwerk<br />

Availability Calculation of Automation Networks –<br />

Part 2: Topologies and Design Recommendations<br />

This article deals with availability calculations for Ethernet-based automation networks.<br />

Part 1 dealt with the principles of the availability calculation. This part analyses typical<br />

network topologies of automation systems and their availability, and concludes with a<br />

discussion of ways to increase the availability of a network by improved design.<br />

KEYWORDS Availability / Availability calculation / Ethernet / MTBF / MTTR /<br />

Process Control / Automation Network<br />

58<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Karl-Heinz Niemann, Fachhochschule Hannover<br />

Der in <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 10/2011 veröffentlichte Teil 1<br />

des Beitrags hatte die Grundlagen der Verfügbarkeitsrechnung<br />

zum Thema. Begriffe wie<br />

MTTF, MTBF, MTTR und Verfügbarkeit wurden<br />

erläutert:<br />

MTTF: Mean Time to Failure. Zeit bis zum ersten<br />

Ausfall eines Gerätes<br />

MTTR: Mean Time to Recover. Zeit für den Austausch<br />

oder die Reparatur eines Gerätes<br />

V: Verfügbarkeit. V = MTTF / (MTTF + MTTR)<br />

Weiterhin wurden Zusammenschaltungen mehrerer<br />

Komponenten betrachtet und es wurden ein Berechnungsverfahren<br />

und ein Berechnungswerkzeug zur Berechnung<br />

vermaschter Ethernet-basierter Netzwerke<br />

vorgestellt. Daraus ergab sich:<br />

Bei einer Serienschaltung mehrerer Komponenten<br />

müssen alle Komponenten im Pfad funktionsfähig<br />

sein. Die resultierende Verfügbarkeit der Gesamtanordnung<br />

sinkt unter die Verfügbarkeit der Einzelteile.<br />

Bei einer Parallelschaltung mehrerer Komponenten<br />

muss lediglich eine der Komponenten im Parallelzweig<br />

funktionsfähig sein. Die Verfügbarkeit der<br />

Gesamtanordnung ist höher als die Verfügbarkeit<br />

der Einzelkomponenten.<br />

1. Verfügbarkeiten ausgesuchter Topologien<br />

In Teil 2 werden typische Netzwerktopologien in Bezug<br />

<strong>auf</strong> ihre Verfügbarkeit untersucht. Eine Analyse unter<br />

Kostengesichtspunkten und unter dem Aspekt von<br />

Durchl<strong>auf</strong>zeiten wurde bereits in früheren Veröffentlichungen<br />

vorgenommen. [1], [2], [3].<br />

Im Sinne einer einfachen Vergleichbarkeit der Ergebnisse<br />

wird zunächst für alle betrachteten Topologien mit<br />

identischen MTTF- und MTTR-Werten für die Kabel und<br />

Switches gearbeitet (Tabelle 1). Die Anzeige-/Bedienkomponente<br />

(ABK, Leitstation) und prozessnahe Komponente<br />

(PNK, SPS oder Controller) wird mit der Verfügbarkeit 1,0<br />

angesetzt, um diese beiden Komponenten aus der Betrachtung<br />

zu entfernen. Es wurden bewusst relativ geringe<br />

MTTF-Angaben für Kabel und Switches gewählt,<br />

um die Unterschiede zwischen den Topologien besser<br />

herausarbeiten zu können.<br />

In den folgenden Beispielen wird aus Vereinfachungsgründen<br />

eine Netzwerktopologie angenommen, bei der<br />

alle ABK und alle PNK in einer Kommunikationsbeziehung<br />

zueinander stehen. Dies ist zum Beispiel bei Kompaktautomatisierungssystemen<br />

der Fall, wo jeder Controller<br />

mit jeder Leitstation kommunizieren kann. Es wird<br />

der Fall untersucht, wie hoch die Verfügbarkeit der Netzwerkverbindung<br />

zwischen einer Leitstation (ABK) und<br />

einer Prozessstation (PNK) ist.<br />

1.1 Sterntopologie<br />

Bild 1 zeigt eine nicht redundante Sterntopologie. Alle<br />

Geräte sind an einen zentralen Switch angebunden. Die<br />

Anschlusskabel zu den Endteilnehmern l<strong>auf</strong>en an diesem<br />

zentralen Knotenpunkt zusammen. Die Verfügbarkeitsangaben<br />

zeigen, dass die Verfügbarkeit zum Beispiel<br />

zwischen ABK1 und PNK1 und zwischen ABK1 und PNK4<br />

identisch ist. Dies leuchtet ein, da die Verfügbarkeiten<br />

der Geräte und Verbindungen für beide Strecken identisch<br />

sind. Bei den zu Grunde gelegten MTTF- und MTTR-<br />

Werten liegt die Verfügbarkeit bei 99,835796 %. Das entspricht<br />

der Verfügbarkeitsklasse VK1 (normale Verfügbarkeit)<br />

gemäß der Klassifizierung des Bundesamtes für<br />

Sicherheit in der Informationstechnik BSI [4].<br />

Eine deutliche Verbesserung der Verfügbarkeit einer<br />

Sterntopologie lässt sich erreichen, wenn das Netzwerk<br />

redundant ausgeführt ist, siehe Bild 2. Hier liegt die<br />

Verfügbarkeit bei 99,999730 %. Das entspricht der Verfügbarkeitsklasse<br />

VK4 (höchstverfügbar). Dieses Systemkonzept<br />

setzt voraus, dass die angeschlossenen<br />

Endgeräte (PNK und ABK) jeweils über zwei Netzwerkanschlüsse<br />

verfügen und ein entsprechendes Redundanzprotokoll<br />

unterstützen. Zudem verdoppeln sich die<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

59


1 2 3 4 0,99999730<br />

Hauptbeitrag<br />

Komponente MTTF MTTR<br />

Switch 43.800 h =<br />

5 Jahre<br />

Kabel 43.800 h =<br />

5 Jahre<br />

Verfügbarkeit<br />

Komponente<br />

24 h 0,99945235<br />

24 h 0,99945235<br />

ABK – – 1,0 (geht so nicht<br />

in Betrachtung ein)<br />

PNK – – 1,0 (geht so nicht<br />

in Betrachtung ein)<br />

TABELLE 1: MTTF- und MTTR-Angaben für den<br />

Topologievergleich<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

v01<br />

ABK<br />

ABK<br />

ABK<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 1 1<br />

SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />

4 3 2<br />

4 3 2<br />

v21 v22<br />

v24 v25<br />

v23<br />

v26<br />

1<br />

PNK<br />

1<br />

SW 1<br />

SW 2<br />

5<br />

6<br />

v10<br />

v11<br />

1 1<br />

1<br />

PNK<br />

2<br />

v02<br />

1 2 3<br />

4<br />

1<br />

PNK<br />

3<br />

v03<br />

v04<br />

BILD 3: Baumtopologie<br />

1<br />

PNK<br />

4<br />

1<br />

PNK<br />

5<br />

1<br />

PNK<br />

6<br />

Nicht redundant:<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99726477<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99726477<br />

Redundant:<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99999252<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99999252<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

v01<br />

ABK<br />

2<br />

ABK<br />

3<br />

ABK<br />

4<br />

1 1 1<br />

v02 v03<br />

v04<br />

1 2 3<br />

4<br />

SW 1<br />

8 7 6 5<br />

Nicht redundant:<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99835796<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99835796<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

v01<br />

v11<br />

ABK<br />

ABK<br />

ABK<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 1 1<br />

v02 v03<br />

1 2 3<br />

4<br />

v04<br />

SW 1<br />

SW 2<br />

5<br />

Nicht redundant:<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99726477<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99617278<br />

v11<br />

1 1 1 1<br />

PNK<br />

PNK<br />

2<br />

3<br />

PNK<br />

1<br />

v12<br />

v13<br />

v14<br />

PNK<br />

4<br />

v21<br />

1<br />

PNK<br />

1<br />

1 2<br />

v12<br />

1<br />

SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />

5 4 3<br />

2<br />

4 3<br />

v22<br />

v24 v25<br />

v23<br />

v26<br />

1<br />

PNK<br />

2<br />

1<br />

PNK<br />

3<br />

1<br />

PNK<br />

4<br />

1<br />

PNK<br />

5<br />

1<br />

PNK<br />

6<br />

Redundant:<br />

V(ABK1-PNK1)=<br />

0,99999252<br />

V(ABK1-PNK4)=<br />

0,99998535<br />

BILD 1: Sterntopologie, nicht redundant<br />

BILD 4: Linientopologie<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

v01<br />

v02<br />

1 2 3 4<br />

SW 1<br />

8 7 6 5<br />

ABK<br />

ABK<br />

ABK<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 1 1<br />

v03<br />

v04<br />

SW 2<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

v01<br />

v02<br />

1 2 3 4<br />

SW 1<br />

6 5<br />

ABK<br />

ABK<br />

ABK<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 1 1<br />

v03<br />

v04<br />

v10<br />

SW 2<br />

Nicht redundant:<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99781032<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99781032<br />

v11<br />

1 1 1 1<br />

PNK<br />

PNK<br />

2<br />

3<br />

PNK<br />

1<br />

v12<br />

v13<br />

v14<br />

PNK<br />

4<br />

Redundant:<br />

V(ABK1-PNK1)=<br />

0,99999730<br />

V(ABK1-PNK4)=<br />

0,99999730<br />

v21<br />

1<br />

PNK<br />

1<br />

v12<br />

1 2<br />

v11 1 2<br />

SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />

3<br />

5 4 3<br />

5 4<br />

v22 v23 v24 v25 v26<br />

1<br />

PNK<br />

2<br />

1<br />

PNK<br />

3<br />

1<br />

PNK<br />

4<br />

1<br />

PNK<br />

5<br />

1<br />

PNK<br />

6<br />

Redundant:<br />

V(ABK1-PNK1)=<br />

0,99999521<br />

V(ABK1-PNK4)=<br />

0,99999521<br />

BILD 2: Sterntopologie, redundant<br />

BILD 5: Ringtopologie<br />

60<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Verkabelungskosten und die Kosten für die Netzwerkswitches.<br />

Die Längenbegrenzung von 100 m für<br />

Ethernet-Kupferkabel ist zu beachten.<br />

1.2 Baumtopologie<br />

Bild 3 zeigt eine Automatisierungsanlage in einer<br />

Baumtopologie. Diese kann sowohl redundant (alle<br />

Komponenten und Verbindungen wie dargestellt) als<br />

auch nicht redundant (nur SW1, SW3 und SW5 und die<br />

roten Verbindungen) ausgeführt sein. Eine Baumtopologie<br />

ist zum Beispiel sinnvoll, wenn Anlagenteile<br />

räumlich voneinander entfernt sind, jedoch mehrere<br />

Einheiten an einem gemeinsamen Ort installiert werden.<br />

In Bild 3 könnte beispielsweise der Switch SW1<br />

im Wartenraum stehen, der Switch SW3 ist in einem<br />

Schaltschrank zusammen mit PNK1, PNK2 und PNK3<br />

installiert. Die Verfügbarkeitsangaben in diesem Beispiel<br />

zeigen, dass sowohl für die nicht redundante als<br />

auch für die redundante Ausführung die Verfügbarkeit<br />

etwas abgenommen hat. Dies ist nachvollziehbar,<br />

weil die Datenpakete zum Beispiel <strong>auf</strong> dem Weg von<br />

ABK1 zu PNK1 jetzt zwei Switches und drei Kabel<br />

durchl<strong>auf</strong>en müssen, wo vorher, bei der sternförmigen<br />

Topologie, nur ein Switch und zwei Kabel zu passieren<br />

waren. Die deutlichen Unterschiede in der Verfügbarkeit<br />

zwischen redundantem und einfachem<br />

Netzwerk bleiben bestehen. Da alle Wege von den ABK<br />

zu den PNK die gleiche Anzahl von Komponenten<br />

durchl<strong>auf</strong>en ist die Verfügbarkeit der Verbindung<br />

ABK1 zu PNK1 gleich der Verfügbarkeit der Verbindung<br />

von ABK1 zu PNK4.<br />

1.3 Linientopologie<br />

Bild 4 zeigt eine Linientopologie in zwei Ausführungen:<br />

in redundanter (alle Netzwerkkomponenten) und nicht<br />

redundanter (nur SW1, SW3, SW5 und die roten Verbindungen).<br />

Bei diesem Beispiel läuft das Nachrichtenpaket<br />

über unterschiedliche Distanzen, abhängig davon, ob<br />

zum Beispiel ABK1 mit PNK1 oder mit PNK4 kommuniziert.<br />

Die Verfügbarkeit nimmt mit zunehmender Länge<br />

der Linie ab (hier bei nicht redundanter Ausführung<br />

Abnahme von V=99,7 % <strong>auf</strong> V=99,6 %). Wegen der geringen<br />

Länge der Linie ist der Unterschied klein. Bei einer<br />

größeren Linienlänge wird die Reduktion entsprechend<br />

stärker ausfallen. Dieser Aspekt wird später noch näher<br />

betrachtet. Die Abhängigkeit der Verfügbarkeit von der<br />

Linienlänge ist für die redundante und die nicht redundante<br />

Ausführung zu erkennen.<br />

1.4 Ringtopologie<br />

Bild 5 zeigt eine Ringtopologie in einer redundanten<br />

(alle Netzwerkkomponenten und Verbindungen) und<br />

einer nicht redundanten Ausführung (nur SW1, SW3,<br />

SW5 und die rot markierten Verbindungen). Der Ring<br />

zeigt im Vergleich zur Linientopologie eine bessere<br />

Verfügbarkeit, da sich durch das zusätzliche Ringsegment<br />

ein alternativer Datenpfad ergibt. Eine Reduzierung<br />

der Verfügbarkeit wird aber auch hier mit zunehmender<br />

Anzahl der Ringteilnehmer eintreten, allerdings<br />

im Vergleich zur Linie <strong>auf</strong> geringerem Niveau.<br />

Linie und Ring weisen in Hinsicht <strong>auf</strong> Verkabelungs<strong>auf</strong>wand<br />

und Verkabelungskosten Vorteile gegenüber<br />

der Sternstruktur <strong>auf</strong>. Diese wurden in [1] [2] [3] diskutiert.<br />

Die für den Ring verwendeten Netzwerk-Switches<br />

müssen ein entsprechendes Ring-Redundanzprotokoll<br />

unterstützen.<br />

1.5 Vermaschte Topologie<br />

Bild 6 zeigt eine vermaschte Topologie, welche aus der<br />

Applikationsschrift eines Leitsystemherstellers [5] abgeleitet<br />

wurde. Es ist zu erkennen, dass es in diesem<br />

Konzept, trotz redundanter Teilnehmeranschlüsse,<br />

keine strikte Trennung zwischen dem primären und<br />

sekundären Netzwerk gibt. Die dargestellten schwarzen<br />

Verbindungen sind weder dem primären noch dem<br />

sekundären Netzwerk zuzuordnen. Darüber hinaus ist<br />

ersichtlich, dass die Verfügbarkeit, trotz redundanter<br />

Teilnehmeranschlüsse und trotz einer hohen Anzahl<br />

alternativer Wege zwischen zwei Stationen, nicht besser<br />

ausfällt, als die eines einfachen, redundanten<br />

Sterns. An diesem Beispiel wird klar, das ein hoher<br />

Material<strong>auf</strong>wand und eine hohe Anzahl paralleler Pfade<br />

nicht zwangsläufig zu einer besseren Verfügbarkeit<br />

führen als einfachere Strukturen. Vielmehr gibt es ein<br />

Optimum, ab dem sich die Verfügbarkeit durch hinzufügen<br />

weiterer Pfade, trotz deutlich höheren Material<strong>auf</strong>wands,<br />

nicht mehr wesentlich verbessern lässt. Die<br />

Regel hierzu ist einfach zu erklären: Jede zusätzliche<br />

Komponente im System ist auch eine potenzielle Fehlerquelle.<br />

Trägt eine Komponente nicht signifikant zur<br />

Erzeugung alternativer Pfade bei, kann das zusätzliche<br />

Ausfallrisiko den erhofften Verfügbarkeitsgewinn<br />

durch zusätzliche Datenpfade <strong>auf</strong>heben.<br />

1.6 Vergleich der Verfügbarkeiten verschiedener<br />

Topologien<br />

Tabelle 2 stellt die gefundenen Ergebnisse dar. Der<br />

deutliche Unterschied zwischen den redundanten und<br />

nicht redundanten Netzwerken ist erkennbar. Weiterhin:<br />

Der Stern hat die günstigsten Verfügbarkeitswerte,<br />

gefolgt von Ring, Baum und Linie. Trotz der guten<br />

Verfügbarkeit scheidet in vielen Anwendungen der<br />

Stern wegen des hohen Verkabelungs<strong>auf</strong>wandes und<br />

wegen der Längenlimitierung bei Kupferkabel für bestimmte<br />

Applikationen aus. Da für diesen Beitrag sehr<br />

kleine Netzwerke verwendet wurden, ist davon auszugehen,<br />

dass die Abweichungen zwischen den Topologien<br />

für größere Netzwerke stärker ausfallen werden.<br />

Für alle Switches wurden in diesem Beispiel aus<br />

Vereinfachungsgründen identische MTTF- und MTTR-<br />

Werte angenommen. Ein großer, zentraler Switch in<br />

einer Sterntopologie wird mehr Ports <strong>auf</strong>weisen, als<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

61


Hauptbeitrag<br />

die kleinen, dezentralen Switches in einer Ringoder<br />

Linientopologie. Somit wird <strong>auf</strong> Grund der<br />

größeren Komplexität eines zentralen Switches seine<br />

MTTF kleiner sein als die eines kleineren Switches<br />

(siehe Tabelle 1 in Teil 1 des Beitrags). Möglicherweise<br />

wird auch die MTTR steigen, da eventuell<br />

ein großer, zentraler Switch nicht als Ersatzteil vor<br />

Ort bevorratet wird.<br />

Werden zum Beispiel in der nicht redundanten Sterntopologie<br />

die MTTF <strong>auf</strong> 14 600 Stunden (ein Drittel des<br />

Ursprungswertes) reduziert und die MTTR <strong>auf</strong> 48 Stunden<br />

(das Doppelte des Ursprungswertes) erhöht, so verringert<br />

sich die Verfügbarkeit des Netzes zwischen ABK1<br />

und PNK4 von ursprünglich 99,835796 % <strong>auf</strong> 99,563170 %.<br />

In jedem Fall sollten vor einer Entscheidung für oder<br />

gegen eine Topologie, Berechnungen mit konkreten<br />

MTTF- und MTTR-Werten der geplanten Geräte vorgenommen<br />

werden. Die Beispiele in diesem Beitrag liefern<br />

lediglich Anhaltspunkte.<br />

2. Fallstudie: Optimierung eines<br />

Automatisierungsnetzes<br />

In diesem Abschnitt wird exemplarisch die Optimierung<br />

einer gegebenen Netzwerktopologie unter Verfügbarkeitsgesichtspunkten<br />

beschrieben. Zur Vereinfachung<br />

der Darstellung werden nur eine ABK und zwei<br />

PNK betrachtet.<br />

Bild 7 zeigt eine Automatisierungsanlage. Es wird<br />

angenommen, dass in einer Warte mehrere ABKs betrieben<br />

werden. Eine ABK (ABK1) ist exemplarisch dargestellt.<br />

Über eine längere Verbindung werden die ABK<br />

an den Produktionsbereich angebunden. Hier steht ein<br />

Verteiler-Switch (SW2), an den mehrere Automatisierungsanlagen<br />

in Linientopologie angeschlossen sind.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass wegen der einfachen<br />

Verkabelung eine Linientopologie im Produktionsbereich<br />

gefordert ist. Solche linienförmigen Topologien<br />

findet man, wenn zum Beispiel in Remote-E/A-<br />

Baugruppen bereits ein Zweiport-Ethernet-Switch integriert<br />

ist. Die Switch-Ketten SW10 bis SW23 und SW30<br />

bis SW43 können somit auch als Hintereinanderschaltung<br />

von Remote-E/A-Baugruppen mit integriertem<br />

Switch interpretiert werden. Es wird nun der Fall untersucht,<br />

dass ABK1 eine Verbindung zu PNK23 oder<br />

PNK43 benötigt. Es gelten die bei den vorherigen Untersuchungen<br />

benutzten Werte für MTTF = 43 800 h und<br />

MTTR = 24 h für alle Switches und die Kabel. Um den<br />

Einfluss der PNK- und ABK-Verfügbarkeit aus der Betrachtung<br />

zu eliminieren werden diese beiden Komponenten<br />

mit einer Verfügbarkeit von 1,0 angesetzt. Damit<br />

geben die berechneten Verfügbarkeitsangaben des Beispiels<br />

ausschließlich die Verfügbarkeit des Netzwerkes,<br />

ohne die ABK und ohne die PNK an.<br />

Wird die Verfügbarkeit der Verbindung von ABK1 zu<br />

PNK23 bestimmt, so ergibt sich ein Wert von<br />

99,399128 %. Datenpakete zwischen ABK1 und PNK23<br />

durchl<strong>auf</strong>en 16 Switches und 17 Kabelverbindungen<br />

mit insgesamt 34 Steckverbindern, die alle aus Verfügbarkeitssicht<br />

in Serie geschaltet sind. Wie in Teil<br />

1 des Beitrags erläutert, reduziert sich durch die Multiplikation<br />

der Einzelverfügbarkeiten die gesamte Verfügbarkeit<br />

der Anordnung.<br />

Als erster Optimierungsschritt wird die Switch-Reihe<br />

SW10 bis SW23 durch die zusätzliche Verbindung V25<br />

zwischen SW23 und SW2 zu einem Ring erweitert. Hierdurch<br />

haben Datenpakete von der PNK23 zwei alternative<br />

Wege zum Switch SW2. Es ist zu beachten, dass die<br />

eingesetzten Komponenten ein entsprechendes Ring-<br />

Redundanzprotokoll unterstützen müssen. Sollte der<br />

inaktive Teil des Ringes zwischen SW16 und SW17 liegen,<br />

würde sich im Normalbetrieb zudem eine Halbierung<br />

der Durchl<strong>auf</strong>zeiten durch die Linie ergeben.<br />

Bild 8 zeigt die zum Ring ergänzte Linientopologie.<br />

Die Verfügbarkeit steigt <strong>auf</strong> 99,890391 % an. Gegebenenfalls<br />

könnte man den so erzeugten Ring auch noch in<br />

zwei Teilringe mit halber Switch-Anzahl <strong>auf</strong>teilen. Dies<br />

würde auch die Durchl<strong>auf</strong>zeit der Datenpakete verkürzen.<br />

Es stehen, ausgehend von PNK23, zwei alternative<br />

Übertragungswege bis zum Switch SW2 zur Verfügung.<br />

Der Rest der Strecke zwischen SW2 und ABK1 wird nun<br />

allerdings aus Verfügbarkeitssicht zum Engpass, da hier<br />

immer nur eine einzige Verbindung zur Übertragung der<br />

Daten zur Verfügung steht. Somit werden zum Beispiel<br />

SW2 und V02 zum „Single Point of Failure“. Durch die<br />

Schaffung alternativer Datenwege lässt sich diese<br />

Schwachstelle beseitigen.<br />

Bild 9 zeigt die zweite Stufe der Optimierung. Hier<br />

wird mit SW3 und SW4 ein alternativer Datenweg zur<br />

Leitebene gebildet. Vorzugsweise sollten die Verbindungskabel<br />

zur Leitebene (V02 und V26) <strong>auf</strong> getrennten<br />

Wegen geführt werden, genauso wie die Verbindung V25<br />

getrennt von den Verbindungen V10 bis V23 verlegt werden<br />

sollte. Die Verfügbarkeit des Netzwerkes erhöht sich<br />

durch diese Maßnahme nun <strong>auf</strong> 99,926765 %.<br />

Trotz aller Optimierungsmaßnahmen und trotz zusätzlicher<br />

Komponenten (zwei zusätzliche Switches, vier<br />

zusätzliche Kabelverbindungen) liegt die erzielte Verfügbarkeit<br />

nur in der Verfügbarkeitsklasse 2. Die Ausfallzeit<br />

pro Jahr würde bei etwa 6,4 Stunden liegen. Es stellt sich<br />

die Frage, warum das Netzwerk, trotz der zusätzlichen<br />

parallelen Pfade, keine höhere Verfügbarkeit <strong>auf</strong>weist.<br />

Um diese Frage zu beantworten, stellen wir die Topologie<br />

aus Bild 10 einmal etwas abgeändert dar.<br />

Wir fassen in Bild 10 die Netzwerkkomponenten zusammen<br />

und unterstellen, dass das so realisierte Netzwerk<br />

ideal ist und die Verfügbarkeit 1,0 habe. In der Verbindung<br />

zwischen ABK1 und PNK23 liegen jetzt nur noch<br />

die Reihenschaltung der beiden Anschlusskabel V01 und<br />

V24 und das als ideal angenommene Netzwerk. Und genau<br />

hier liegt das Problem. Egal wie hoch die Verfügbarkeit<br />

des Netzwerkes ist (1,0), egal wie hoch die angenommene<br />

Verfügbarkeit von PNK und ABK sind (auch zu 1,0<br />

angenommen). Die beiden Anschlussleitungen verbleiben<br />

im Datenpfad als kritisches Glied. Wir können bei<br />

dem angenommenen idealen Netzwerk die Zusammenschaltung<br />

der Komponenten als Reihenschaltung gemäß<br />

Formel 1 und 2 berechnen:<br />

(1)<br />

62<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


(2)<br />

Bei idealen Netzwerkkomponenten mit Verfügbarkeit<br />

1,0 und gegebener Verfügbarkeit der Anschlusskabel<br />

von 0,9998 beträgt die maximale Verfügbarkeit<br />

99,96 %. Damit liegt die in der zweiten Optimierung<br />

gefundene Topologie schon relativ dicht am theoretisch<br />

erreichbaren Maximum für Geräte mit nicht<br />

redundantem Teilnehmeranschluss. Erst wenn die<br />

Verfügbarkeit der Anschlussleitungen signifikant erhöht<br />

oder die Teilnehmeranschlussleitungen redundant<br />

ausgeführt werden, lässt sich die Verfügbarkeit<br />

weiter steigern.<br />

Bild 11 zeigt die dritte Optimierungsstufe des Netzwerkes,<br />

nun mit redundanten Teilnehmeranschlüssen.<br />

Es ist zu beachten, dass die redundanten Teilneh-<br />

1<br />

PNK<br />

1<br />

ABK ABK<br />

ABK ABK<br />

1<br />

2<br />

1 3<br />

4<br />

2<br />

1 1 2<br />

1 2<br />

2<br />

1 2 1 2<br />

1 2 1 2<br />

3<br />

4<br />

SW 10 3 SW 11 SW 12 SW 13<br />

4 4<br />

3 4 3<br />

V41<br />

V 11<br />

1 1<br />

1 2 5 1<br />

2<br />

2<br />

SW 20 SW 21<br />

SW 22 SW 23<br />

5 4 3 5 4 3<br />

5 4 3<br />

4 3<br />

2<br />

v43<br />

V12<br />

V13<br />

V21<br />

V31<br />

V42<br />

10<br />

9<br />

V22<br />

V 23<br />

V44<br />

1 2 3<br />

1 2 3<br />

4 V01 10<br />

5 V02 9<br />

SW 01 6<br />

SW 02<br />

8 7<br />

8 7 6<br />

V32<br />

v45<br />

V33<br />

V 14<br />

v46<br />

V 24<br />

V34<br />

V 25<br />

2 1 2 1 2<br />

1 2 1 2 1 2<br />

PNK<br />

2<br />

PNK<br />

3<br />

PNK<br />

4<br />

PNK<br />

5<br />

PNK<br />

6<br />

V35<br />

V47<br />

BILD 6: Vermaschte Topologie<br />

V15<br />

V36<br />

V48<br />

V26<br />

V37<br />

V27<br />

v49<br />

4<br />

5<br />

V 16<br />

V38<br />

V 28<br />

v50<br />

V17<br />

V51<br />

V18<br />

v52<br />

Vermascht<br />

V(ABK1-PNK1) =<br />

0,99999730<br />

V(ABK1-PNK4) =<br />

0,99999730<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

1<br />

SW 1<br />

2<br />

V01<br />

V02<br />

BILD 7: Beispielnetzwerk<br />

für Fallstudie<br />

1 V10 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

1<br />

2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />

3<br />

3 V24<br />

ABK<br />

1<br />

PNK<br />

V30 1<br />

23<br />

V31 V32 V33 V34 V35 V36 V37 V38 V39 V40 V41 V42 V43<br />

1<br />

V01<br />

1<br />

1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW30 SW31 SW32 SW33 SW34 SW35 SW36 SW37 SW38 SW39 SW40 SW41 SW42 SW43<br />

SW 1<br />

2<br />

3<br />

Zusätzliche Verbindung macht<br />

V44<br />

aus der Linie einen Ring<br />

1<br />

PNK<br />

V02<br />

43<br />

V25<br />

Topologie<br />

V(AKB1-PNK4)<br />

nicht redundantes<br />

Netzwerk<br />

V(ABK1-PNK4)<br />

redundantes<br />

Netzwerk<br />

ABK1<br />

3 V10 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

1 1<br />

2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

1 Ergänzung zum Ring<br />

SW V01 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />

1<br />

SW 1<br />

2<br />

V02<br />

BILD 8: Fallstudie: Erste Optimierung,<br />

V25<br />

Zusätzliche Verbindung macht<br />

aus der Linie einen Ring<br />

3<br />

1<br />

PNK<br />

23<br />

V24<br />

Stern 0,99835796 0,99999730<br />

Baum 0,99726477 0,99999252<br />

1<br />

SW 2<br />

V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

1<br />

2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />

3 V24<br />

1<br />

PNK<br />

23<br />

Linie 0,99617278 0,99998535<br />

Ring 0,99781032 0,99999521<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

1<br />

V01<br />

BILD 9: Fallstudie: Zweite Optimierung,<br />

parallele Datenwege zur Leitwarte<br />

PNK<br />

Nicht zutreffend,<br />

da vermaschtes<br />

Netzwerk<br />

0,99999730<br />

SW 1<br />

2<br />

V02<br />

Zusätzliche Switches erzeugen parallele<br />

Verbindung zur Leitebene<br />

V25<br />

V27<br />

1<br />

SW 3<br />

2<br />

V26<br />

TABELLE 2: Zusammenfassung der Verfügbarkeiten<br />

verschiedener Topologien<br />

ABK1<br />

V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

3 1<br />

1 1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

2<br />

1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW V01 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />

1<br />

1<br />

3 V24<br />

V27<br />

1 1<br />

SW 1<br />

PNK<br />

SW 3<br />

2<br />

23 2<br />

V02<br />

Zusätzliche Switches erzeugen parallele<br />

Verbindung zur Leitebene<br />

V26<br />

V25<br />

1 V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

3 1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

2<br />

1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />

3 V24<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 1<br />

11 / 2011 PNK<br />

63<br />

23


Hauptbeitrag<br />

ABK<br />

1<br />

1<br />

1<br />

V01<br />

Ideales Netzwerk<br />

Verfügbarkeit = 1,0<br />

3<br />

1<br />

PNK<br />

23<br />

BILD 10: Fallstudie: Vereinfachte<br />

Darstellung der zweiten Optimierung<br />

V24<br />

1<br />

SW 1<br />

2<br />

3<br />

V02<br />

V01<br />

Redundanter<br />

Teilnehmeranschluss<br />

V25<br />

1<br />

ABK<br />

1<br />

V28<br />

Redundanter<br />

Teilnehmeranschluss<br />

PNK<br />

23<br />

SW 3<br />

1 V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />

V26 3 1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

2<br />

1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />

3 3<br />

V30 V24<br />

2 1<br />

2<br />

V29<br />

3<br />

1<br />

2<br />

V27<br />

BILD 11: Fallstudie:<br />

Dritte<br />

Optimierung,<br />

redundante<br />

Teilnehmeranschlüsse<br />

Topologie Maßnahme zur Verbesserung V(AKB1-PN23)<br />

Ausgangstopologie mit Linie – 99,399128 %<br />

Optimierung 1 Ergänzung der Linie zum Ring 99,890391 %<br />

Optimierung 2 Zusätzlich redundante Anbindung zur Leitebene 99,926765 %<br />

Optimierung 3 Zusätzlich redundanter Teilnehmeranschluss 99,999684 %<br />

TABELLE 3:<br />

Zusammenfassung<br />

Optimierungsschritte<br />

der<br />

Fallstudie<br />

meranschlüsse <strong>auf</strong> unterschiedliche Switches <strong>auf</strong>gelegt<br />

werden. So wird PNK23 an SW22 und SW23 angebunden.<br />

Dies ist möglicherweise bei Geräten mit<br />

integriertem Switch nicht möglich. Die Verfügbarkeit<br />

beträgt jetzt 99,999683 % und liegt damit in der Verfügbarkeitsklasse<br />

4. Es ist zu beachten, dass die verwendeten<br />

Geräte den redundanten Anschluss über<br />

ein entsprechendes Redundanzprotokoll unterstützen<br />

müssen. Bitte bedenken Sie, dass für diese Beispielrechnung<br />

die Verfügbarkeit von ABK und PNK zu 1,0<br />

definiert wurde.<br />

Mit diesem Schritt ist die Optimierung der Netzwerktopologie<br />

abgeschlossen. Durch entsprechende Maßnahmen<br />

lässt sich die Verfügbarkeit des Netzwerkes in weiten<br />

Bereichen skalieren. Es wurde gezeigt, dass ab einer<br />

bestimmten Verfügbarkeitsklasse der redundante Anschluss<br />

der Endgeräte erforderlich wird.<br />

3. 10 Schritte zum hochverfügbaren Netzwerk<br />

Das sind die wichtigsten Regeln für den Entwurf hochverfügbarer<br />

Netzwerke:<br />

1 | Es sind zuverlässige Geräte (zum Beispiel Switches)<br />

mit einer hohen MTTF einzusetzen.<br />

2 | Kabel und Steckverbinder sollten von hoher Qualität<br />

sein. Diese Komponenten bestimmen die Verfügbarkeit<br />

der Anlage maßgeblich mit. Ein Ausfall<br />

kann genauso durch ein defektes Kabel, wie durch<br />

einen defekten Switch entstehen.<br />

3 | Bei Lichtwellenleiterkabeln über längere Strecken<br />

sollte die Verlegung von Ersatzadern erwogen werden.<br />

Diese sollten bereits mit Steckverbindern versehen<br />

sein. Damit kann im Störungsfall schnell <strong>auf</strong><br />

eine Ersatzader umgesteckt werden und die MTTR<br />

entsprechend verringert werden.<br />

4 | Eine hohe Betriebstemperatur lässt die Ausfallrate<br />

elektronischer Geräte exponentiell anwachsen. Bei<br />

hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit ist eine<br />

ausreichende Kühlung eine gute Maßnahme, die<br />

MTTF zu verbessern.<br />

5 | Redundante Netzteile können die MTTF von elektronischen<br />

Geräten deutlich verbessern, da Netzteile<br />

<strong>auf</strong> Grund bestimmter Bauelemente (zum Beispiel<br />

große Elektrolytkondensatoren) eine relativ<br />

geringe MTTF <strong>auf</strong>weisen.<br />

6 | Der Anlagenbetreiber sollte zur Erzielung geringer<br />

MTTR-Zeiten Netzwerkmanagmentsysteme in Betracht<br />

ziehen. Diese ermöglichen das schnelle Melden<br />

von Netzwerkfehlern und die sichere Identifikation<br />

fehlerhafter Geräte. Die Bevorratung ent-<br />

64<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


sprechender Ersatzteile verkürzt die MTTR und<br />

erhöht somit die Verfügbarkeit. Die Konfiguration<br />

von Switches muss schnell in Ersatzgeräte nachladbar<br />

sein (Netzwerkmanagment-Tool oder gegebenenfalls<br />

Speichermodul im Gerät).<br />

7 | Verfügbarkeitsengpässe (Single Point of Failure)<br />

sollten vermieden werden. Nachrichtenpakete sollten<br />

über alternative Routen l<strong>auf</strong>en können.<br />

8 | Der redundante Anschluss von Teilnehmern oder<br />

die redundante Ausführung von Teilnehmern können<br />

bei hohen Verfügbarkeitsanforderungen erforderlich<br />

werden.<br />

9 | „Overengineering“ kann die Verfügbarkeit einer<br />

Anlage reduzieren. Es gibt ein Optimum, ab dem<br />

die Verfügbarkeit nicht weiter ansteigt (siehe Beispiel<br />

vermaschtes Netzwerk). Es ist zu bedenken:<br />

Jede zusätzliche Komponente ist auch eine potenzielle<br />

Fehlerquelle.<br />

10 | In der Planungsphase sollten die Verfügbarkeitsanforderungen<br />

an das Netzwerk abgeklärt werden<br />

und in kritischen Fällen sollte eine Verfügbarkeitsberechnung<br />

erfolgen.<br />

Fazit<br />

In Teil 2 wurde die Verfügbarkeit von Standardtopologien<br />

untersucht. Es zeigte sich, dass redundante Strukturen,<br />

wie zu erwarten ist, deutlich bessere Verfügbarkeiten<br />

<strong>auf</strong>weisen als nicht redundante Strukturen. Mit redundanten<br />

Strukturen lassen sich Netzwerke der Verfügbarkeitsklassen<br />

4 und höher realisieren. Am Beispiel<br />

einer hoch vermaschten Topologie zeigte sich, dass die<br />

Verfügbarkeit mit steigendem Materialeinsatz nicht<br />

zwangsläufig ansteigt. In jedem Fall ist die Berechnung<br />

der Verfügbarkeit bei kritischen Topologien eine sinnvolle<br />

Investition, da die ermittelten Zahlen in vielen<br />

Fällen eine bessere Einschätzung ermöglichen als rein<br />

qualitative Betrachtungen.<br />

Berechnungen des Autors aus verschiedenen Projekten<br />

zur Netzwerkverfügbarkeit bestätigen dies. Neben der<br />

Topologie spielen gerade die MTTF der Switches und Kabel<br />

eine wesentliche Rolle. Neben zuverlässigen Geräten<br />

sind hochwertige Steckverbinder und eine ausreichende<br />

Kühlung der elektronischen Komponenten ein Schlüssel<br />

zu hoher Verfügbarkeit. Im Bereich der MTTR kann durch<br />

organisatorische Maßnahmen (Netzwerkmanagement<br />

und Diagnose) sowie eine Bevorratung kritischer Ersatzteile<br />

ein Beitrag zur hohen Verfügbarkeit eines Netzwerkes<br />

geleistet werden.<br />

Manuskripteingang<br />

01.10.2010<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Referenzen<br />

[1] Niemann, K.-H.: Vergleichende Untersuchung von<br />

Netzwerktopologien für Automatisierungssysteme.<br />

4. Industrial Ethernet Kongress. 4.-5. Juli 2006.<br />

Stuttgart. Auf CD erschienen<br />

[2] Niemann, K.-H.: Überlegungen zur Topologie von<br />

Automatisierungsnetzwerken. Teil 1: Grundlagen<br />

und Stand der Standardisierung von Netzwerktopologien.<br />

In <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />

Praxis 9/2006. Oldenbourg Verlag, München,<br />

2006, S. 50-56<br />

[3] Niemann, K.-H.: Überlegungen zur Topologie von<br />

Automatisierungsnetzwerken. Teil 2: Kosten und<br />

Performanceanalyse. In <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />

Praxis 10/2006. Oldenbourg Verlag, München,<br />

2006, S. 64-72<br />

[4 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik:<br />

Hochverfügbarkeitskompendium V1.2. Definitionen und<br />

Metriken für die Hochverfügbarkeit.<br />

https://www.bsi.bund.de/cae/servlet/contentblob/483606/publicationFile/30961/1_2_Definitionen_<br />

pdf.pdf<br />

[5] Invensys Process Systems: The MESH Control Network<br />

Architecture. Document Number PSS 21H-7C2 B3.<br />

IPS Corporate Headquarters, Plano, TX, 2009.<br />

http://resource.invensys.com/iaseries/<br />

pss/21h7/21h7c2b3.pdf<br />

Autor<br />

Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz<br />

Niemann (geb. 1959) vertritt<br />

seit dem Jahr 2005 die<br />

Lehrgebiete Prozessinformatik<br />

und Automatisierungstechnik<br />

an der Fachhochschule<br />

Hannover. Von 2002<br />

bis 2005 war er an der<br />

Fachhochschule Nordostniedersachsen<br />

für das Lehrgebiet Prozessdatenverarbeitung<br />

verantwortlich. Davor war er in<br />

leitender Stellung in der Entwicklung von<br />

Prozessleitsystemen unter anderem bei ABB,<br />

Elsag Bailey und Hartmann & Braun tätig.<br />

Fachhochschule Hannover,<br />

Fakultät I – Elektro- und Informationstechnik,<br />

Postfach 92 02 61, D-30441 Hannover,<br />

Tel. +49 (0) 511 92 96 12 64,<br />

E-Mail: Karl-Heinz.Niemann@FH-Hannover.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011<br />

65


impressum / <strong>Vorschau</strong><br />

Impressum<br />

<strong>Vorschau</strong><br />

Verlag:<br />

Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />

Rosenheimer Straße 145<br />

D-81671 München<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-0<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />

Geschäftsführer:<br />

Carsten Augsburger<br />

Jürgen Franke<br />

Hans-Joachim Jauch<br />

Herausgeber:<br />

Dr. V. Huck<br />

Dr. G. Kegel<br />

Dipl.-Ing. H. Kumpfmüller<br />

Dr. N. Kuschnerus<br />

Beirat:<br />

Dr.-Ing. K. D. Bettenhausen<br />

Prof. Dr.-Ing. Ch. Diedrich<br />

Prof. Dr.-Ing. U. Epple<br />

Prof. Dr.-Ing. A. Fay<br />

Prof. Dr.-Ing. M. Felleisen<br />

Prof. Dr.-Ing. G. Frey<br />

Prof. Dr.-Ing. P. Göhner<br />

Dipl.-Ing. Th. Grein<br />

Prof. Dr.-Ing. H. Haehnel<br />

Dr.-Ing. J. Kiesbauer<br />

Dipl.-Ing. R. Marten<br />

Dipl.-Ing. G. Mayr<br />

Dr. J. Nothdurft<br />

Dr.-Ing. J. Papenfort<br />

Dr. A. Wernsdörfer<br />

Dipl.-Ing. D. Westerkamp<br />

Dr. Ch. Zeidler<br />

Organschaft:<br />

Organ der GMA<br />

(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />

Automatisierungs technik)<br />

und der NAMUR<br />

(Interessen gemeinschaft<br />

Automatisierungs technik der<br />

Prozessindustrie).<br />

Redaktion:<br />

Gerd Scholz (verantwortlich)<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-3 44<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

E-Mail: scholz@oiv.de<br />

Anne Hütter<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-4 18<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

E-Mail: huetter@oiv.de<br />

Einreichung von Hauptbeiträgen:<br />

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />

(Chefredakteur, verantwortlich<br />

für die Hauptbeiträge)<br />

Technische Universität Dresden<br />

Fakultät Elektrotechnik<br />

und Informationstechnik<br />

Professur für Prozessleittechnik<br />

D-01062 Dresden<br />

Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />

E-Mail: urbas@oiv.de<br />

Fachredaktion:<br />

M. Blum<br />

Prof. Dr. J. Jasperneite<br />

Dr. B. Kausler<br />

Dr. N. Kiupel<br />

Dr. W. Morr<br />

I. Rolle<br />

F. Schiller<br />

Bezugsbedingungen:<br />

„<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis“ erscheint<br />

monatlich mit einer Doppelausgabe im<br />

Januar/Februar und Juli/August.<br />

Bezugspreise:<br />

Abonnement (Deutschland):<br />

€ 460,– + € 30,– Versand<br />

Abonnement (Ausland):<br />

€ 460,– + € 35,– Versand<br />

Einzelheft: € 55,– + Versand<br />

Die Preise enthalten bei Lieferung<br />

in EU-Staaten die Mehrwertsteuer,<br />

für alle übrigen Länder sind es<br />

Nettopreise. Mitglieder der GMA: 30%<br />

Ermäßigung <strong>auf</strong> den Heftbezugspreis.<br />

Bestellungen sind jederzeit über den<br />

Leserservice oder jede Buchhandlung<br />

möglich.<br />

Die Kündigungsfrist für Abonnement<strong>auf</strong>träge<br />

beträgt 8 Wochen zum<br />

Bezugsjahresende.<br />

Abonnement-/<br />

Einzelheftbestellung:<br />

Leserservice <strong>atp</strong><br />

Postfach 91 61, D-97091 Würzburg<br />

Telefon + 49 (0) 931 4170-1615<br />

Telefax + 49 (0) 931 4170-492<br />

E-Mail: leserservice@oiv.de<br />

Verantwortlich für<br />

den Anzeigenteil:<br />

Annemarie Scharl-Send<br />

Mediaberatung<br />

sales & communications Medienagentur<br />

Kirchfeldstraße 9, D-82284 Grafrath<br />

Tel. +49 (0) 8144 9 96 95 12<br />

Fax +49 (0) 8144 9 96 95 14<br />

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Druck:<br />

Druckerei Chmielorz GmbH<br />

Ostring 13<br />

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt<br />

Gedruckt <strong>auf</strong> chlor- und<br />

säurefreiem Papier.<br />

Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />

Praxis – rtp“ gegründet.<br />

© 2011 Oldenbourg Industrieverlag<br />

GmbH München<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Mit Ausnahme<br />

der gesetzlich zugelassenen Fälle ist<br />

eine Verwertung ohne Ein willigung des<br />

Verlages strafbar.<br />

ISSN 2190-4111<br />

Die Ausgabe 12 / 2011 der<br />

erscheint am 15.12.2011<br />

Mit folgenden Beiträgen:<br />

Leitfaden zur Entwicklung<br />

von Safety-Applikationen <strong>auf</strong><br />

Anwenderebene<br />

Modellgetriebene Entwicklung<br />

von Human Machine Interfaces<br />

Effiziente Prozessführung<br />

durch an den Mensch<br />

angepasste Interaktion und<br />

Visualisierung<br />

Mobile Interaktionstechniken<br />

in der Fabrik der Zukunft<br />

...und vielen weiteren Themen.<br />

Aus aktuellem Anlass können sich die Themen<br />

kurzfristig verändern.<br />

LeserService<br />

e-Mail:<br />

leserservice@oiv.de<br />

Telefon:<br />

+ 49 (0) 931 4170-1615<br />

66<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

11 / 2011


Fernwirken mit dem<br />

WAGO-Automatisierungssystem<br />

Versorgungsnetze komfortabel automatisieren<br />

Die skalierbaren Fernwirksteuerungen aus dem WAGO-<br />

Automatisierungssystem unterstützen die IEC-Kommunikation<br />

Fernwirken mit WAGO:<br />

• Steuerungen übertragen nach IEC 60870-5-101/104,<br />

IEC 61850 oder IEC 61400<br />

• Konfigurationstool zum Parametrieren der IEC-Protokolle<br />

• Skalierbar von der kompakten Fernwirksteuerung bis zum<br />

leistungsstarken I/O-IPC<br />

Die Vorteile des WAGO-Automatisierungssystems:<br />

• Kompakt, flexibel und feldbusunabhängig<br />

• Vielseitig, mit mehr als 400 verschiedenen I/O-Modulen<br />

• Programmierbar, mit CoDeSys nach IEC 61131-3<br />

• Ex-i-Signale direkt integrierbar<br />

www.wago.com


In der Chemie und Petrochemie werden<br />

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Anforderungen gestellt: Klimafestigkeit für<br />

den Einsatz im On- und Offshore-Betrieb,<br />

hohe Kontakt- und Vibrationsfestigkeit<br />

sowie schnelle Montage und Handhabung<br />

zur Verkürzung von Installationsund<br />

Wartungszeiten sind nur einige<br />

Herausforderungen. Die Zuverlässigkeit,<br />

Qualität und das einfache Handling der<br />

eingesetzten Produkte spielt deshalb eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Reihenklemmenprogramm<br />

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WAGO-Process-Automation<br />

WAGO-I/O-SYSTEM<br />

Explosive Umgebung –<br />

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WAGO-Komponenten, mit der universellen<br />

CAGE CLAMP ® -Anschlusstechnik, bewähren<br />

sich im täglichen Einsatz auch unter<br />

Extrembedingungen. Aktuelle Zulassungen<br />

für den Einsatz in explosionsgefährdeten<br />

Bereichen, ausgewählte Kunststoffe und<br />

Materialien für den Einsatz in aggressiven<br />

Umgebungsmedien sowie sichere und<br />

wartungsfreie Anschlusstechnik sind<br />

Anforderungen, denen sich WAGO seit<br />

Jahren stellt – mit Sicherheit!<br />

WAGO-SPEEDWAY,<br />

modulares I/O-System IP67<br />

TO-PASS ® -Fernwirkmodul<br />

und GPRS-Modem<br />

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Optokopplerbausteine


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Feldbusunabhängig<br />

in den Ex-Bereich!<br />

Das WAGO-I/O-SYSTEM 750 ist sowohl für den Einsatz in nicht<br />

explosionsgefährdeten als auch in explosionsgefährdeten Bereichen<br />

der Industrie und des Bergbaus ausgelegt.<br />

Im industriellen Ex-Bereich kann das WAGO-I/O-SYSTEM 750<br />

in der Zone 2 / 22 eingesetzt werden und bietet eine sichere,<br />

einfache und wirtschaftliche Verbindung zur Sensorik und Aktorik<br />

der Zone 0 / 20 und 1 / 21.<br />

Die hierfür entwickelten Ex i Busmodule bilden hierbei ein eigensicheres<br />

Segment, das integriert in einen Standardbusknoten dem<br />

Anwender sämtliche Vorzüge moderner Feldbustechnik bietet:<br />

Feldbusunabhängigkeit, Flexibilität, Modularität, IEG 61131-3 Programmierbarkeit,<br />

Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit, etc.<br />

Zur Verfügung stehen die Ex i Busmodule: Digital NAMUR Eingang,<br />

Digital Ausgang, Analog Eingang 4-20mA, Analog Eingang<br />

4-20mA HART, Analog Eingang RTD, Analog Eingang TC, Analog<br />

Ausgang 0-20mA und die Ex i Einspeisungen 0,5A/1,0A.<br />

www.wago.com

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