atp edition Bedienbilder auf Knopfdruck (Vorschau)
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11 / 2011<br />
53. Jahrgang B3654<br />
Oldenbourg Industrieverlag<br />
Automatisierungstechnische Praxis<br />
<strong>Bedienbilder</strong> <strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong> | 30<br />
Softwareagenten für<br />
das Testmanagement | 40<br />
Kompatibilität: der zentrale<br />
Schlüssel für Nachhaltigkeit | 50<br />
Verfügbarkeitsberechnung von<br />
Automatisierungsnetzwerken | 58
Effiziente Bedienung – optimale Produktion?<br />
Definitiv.<br />
Das ideale Prozessleitsystem liefert dem Anlagenfahrer alle wichtigen Informationen<br />
für schnelle und richtige Entscheidungen. Somit behält er auch in schwierigen<br />
Situationen den Überblick, kann effektiv eingreifen und so Anlagenausfälle vermeiden.<br />
Mit den modernen und besonders ergonomischen Bedienoberflächen<br />
von ABB gibt es keine Alarm- und Informationsüberflutung. Dadurch kann sich<br />
der Anlagenfahrer <strong>auf</strong> das Wesentliche konzentrieren und die Produktivität der<br />
Anlage erhöhen. Wünschen Sie sich auch so eine effiziente Anlagenbedienung?<br />
www.abb.de/controlsystems<br />
ABB Automation GmbH<br />
Tel. +49 69 7930 4142<br />
Fax. +49 69 7930 4499<br />
E-Mail: process.automation@de.abb.com
editorial<br />
Integration – der Schlüssel<br />
zum Leitsystem der Zukunft<br />
Die Prozessleittechnik, für manche die Königsdisziplin der industriellen Automatisierung,<br />
steht nicht mehr so im Mittelpunkt wie noch vor Jahren. Das<br />
mag man beklagen, aber eigentlich ist das ja die Idealvorstellung. Denn die Leittechnik<br />
tritt geräuschlos in den Hintergrund, während sie immer größere Komplexitätsgrade<br />
in der Produktion beherrschen hilft und die Betreiber sich <strong>auf</strong> ihr<br />
Kerngeschäft konzentrieren können.<br />
In den letzten Jahren haben moderne Leitsysteme immer mehr Funktionen<br />
übernommen: Geräteintegration, Diagnose, Anlagenoptimierung, Integration<br />
sicherheitsgerichteter Funktionen, Advanced Process Control, Informationsmanagement,<br />
Alarmmanagement, Virtualisierung, Kopplung mit Business Systemen<br />
und so fort. All das sind heute integrierte Bausteine einer modernen<br />
Leitsystem architektur, die Anlagenbetreibern einen klaren Zusatznutzen verschaffen:<br />
mehr Produktivität und weniger Risiken über den Lebenszyklus der<br />
Komponenten hinweg.<br />
Ein weiterer Baustein ermöglicht die intelligente Nutzung von Energie. Zeitgemäße<br />
Leitsysteme kommunizieren über den IEC 61850 Standard mit der Energietechnik.<br />
Die Vorteile: Auch der Energiebedarf wird optimiert, signifikante<br />
Einsparpotenziale werden im Interesse einer nachhaltigen Produktion möglich.<br />
Mit der FDI-Initiative zur Geräteintegration (Namur-Empfehlung 105) wird eine<br />
weitere wichtige Erkenntnis umgesetzt. Integration muss Zusatznutzen ermöglichen,<br />
aber gleichzeitig unerwünschte Rückwirkungen, insbesondere <strong>auf</strong> die<br />
Kernfunktionen des Leitsystems, ausschließen.<br />
Weniger Schnittstellen in einem integrierten System erhöhen auch die Sicherheit<br />
und verhindern Netzattacken. Konventionell vernetzte Leitsysteme haben<br />
hier einen klaren Nachteil.<br />
Je komplexer und umfassender die Leittechnik, desto wichtiger ihr Werterhalt.<br />
Die Software-Wartung gewährleistet dabei nicht nur die Produktivität der Anlage.<br />
Kontinuierlicher Service zeigt auch Potenziale zur Betriebsoptimierung <strong>auf</strong>.<br />
Neue Bausteine beispielsweise zur Advanced Process Control oder zum Energiemanagement<br />
erhöhen wiederum die Produktivität.<br />
Doch was können künftige Entwicklungen noch leisten? Hier rücken neue<br />
Bedienkonzepte ins Blickfeld. Die jungen Bediener von heute, die Digital Natives,<br />
haben andere Ansprüche. Es ist heute schon schwer, gute Bediener für Anlagen<br />
zu finden, die stundenlang <strong>auf</strong>merksam die Produktion beobachten. Erforderlich<br />
sind deshalb moderne, zeitgemäße Konzepte, die die Aufmerksamkeit erhalten<br />
und den Blick <strong>auf</strong> das Wesentliche lenken.<br />
Auch die kommenden Jahre werden viele neue Anforderungen stellen, bei<br />
deren Lösung Leitsysteme eine entscheidende Rolle spielen werden. Eine sinnvolle<br />
Integration der Funktionen wird das Schlüsselthema einer zukunftsgerichteten<br />
Leitsystemarchitektur sein.<br />
Dr. Peter Terwiesch,<br />
Vorstandsvorsitzender der ABB AG<br />
und Leiter der Region Zentraleuropa<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
3
Inhalt 11 / 2011<br />
Verband<br />
8 | Hans Heinz Zimmer als Vorstand des<br />
europäischen Ingenieurverbands bestätigt<br />
Dechema ehrt Alfred Pühler und Jens Weitkamp<br />
Esco Forum im ZVEI und NRW-Landesstelle<br />
des Verbandes bestimmen neue Vorstände<br />
Forschung<br />
9 | Thomas Bauernhansl leitet das Institut für Produktionstechnik<br />
DKE unterstützt Diplomarbeiten zu Branchentrends<br />
Deutschland führend in der Mikrosystemtechnik<br />
branche<br />
10 | Elektrische Prozessautomation erreicht ein Plus<br />
von 15 Prozent – gedämpfte Zuversicht für 2012<br />
Robotik und Automation erwarten neue Rekorde<br />
Wireless: <strong>auf</strong> dem Weg zu einheitlichen Standards<br />
11 | FDI Cooperation soll eine gemeinsame und<br />
einheitliche Integrationstechnologie vorantreiben<br />
Innovationspreis für Sensorik und Messtechnik<br />
12 | Normung als Schlüsselfaktor: aktiv mitwirken,<br />
intensiv kooperieren und gemeinsam gestalten<br />
14 | Erst die richtige Kombination explosions geschützter<br />
Elektogeräte macht Anlagen sicher<br />
18 | Redundanzmodule überwachen Stromversorgung<br />
ab Ausgangsspannung bis zur Verdrahtung<br />
4<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Praxis<br />
20 | Füllstand von Flachmännern wird im<br />
Durchlicht-Verfahren effizient kontrolliert<br />
24 | Durchgängige Softwarelösung von der<br />
Produktion bis zur Qualitätssicherung<br />
28 | Software zur Prozessmodellierung<br />
vereinfacht den Übergang von Pilotphase<br />
zu kommerzieller Anlage<br />
Hauptbeiträge<br />
30 | <strong>Bedienbilder</strong> <strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong><br />
F. Doherr, L. Urbas, O. Drumm und V. Franze<br />
40 | Softwareagenten für das Testmanagement<br />
M. Nadj, C. Malz, N. Jazdi und P. Göhner<br />
50 | Kompatibilität: der zentrale Schlüssel<br />
für Nachhaltigkeit<br />
R. Schrieber, M. Wollschlaeger, M. Mühlhause<br />
und J. Niemann<br />
58 | Verfügbarkeitsberechnung von<br />
Automatisierungsnetzwerken<br />
Karl-Heinz Niemann<br />
rubriken<br />
3 | Editorial<br />
66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong>
VigilantPlant:<br />
das Automatisierungskonzept von Yokogawa<br />
Im Sinne der klassischen Automatisierungspyramide<br />
stellen die vier Initiativen von VigilantPlant Ihren<br />
Weg zur Operational Excellence sicher.<br />
Yokogawa Deutschland GmbH · Broichhofstraße 7-11 · D-40880 Ratingen<br />
Telefon +49(0)2102- 4983-0 · Telefax +49(0)2102- 4983-22 · www.yokogawa.com/de · info@de.yokogawa.com
verband<br />
Hans Heinz Zimmer als Vorstand des<br />
europäischen Ingenieurverbands bestätigt<br />
Der Vorstandsvorsitzende des VDE (Verband der<br />
Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.)<br />
Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer ist für weitere drei Jahre in<br />
den Vorstand der Europäischen Vereinigung nationaler<br />
Ingenieurverbände (FEANI) gewählt worden. Dies beschloss<br />
die Generalversammlung des internationalen<br />
Verbandes Anfang September in Genf.<br />
Als Präsident bestätigten die FEANI-Mitglieder den<br />
Dänen Lars Bytoft. Er ist für eine zweite Amtszeit von<br />
drei Jahren gewählt worden. Vizepräsident ist Dr. Rafael<br />
Fernandez Aller aus Spanien. Den weiteren Vorstand<br />
neben Hans Heinz Zimmer bilden Prof. Dr. Karl Gotlih<br />
(Slowenien), Prof. Eng. José Manuel Pereira Vieira (Portugal),<br />
Jonathan Layton Prichard (Großbritannien), Peter<br />
Reichel (Österreich), Daniel Ameline<br />
(Frankreich) und Dr.-Ing. Roberto<br />
Brandi (Italien).<br />
Im kommenden Jahr tritt Mazedonien<br />
dem Verband FEANI bei. Prof. Dr.<br />
Alexander Dimitrov repräsentiert<br />
dann den nationalen ingenieurwissenschaftlichen<br />
Verband IMI (Engineers’<br />
Institution of Macedonia).<br />
Hans Heinz<br />
Zimmer Bild: VDE<br />
VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK<br />
ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V.,<br />
Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com<br />
Dechema ehrt Alfred Pühler und Jens Weitkamp<br />
Mit ihrer höchsten Ehrung würdigt die Dechema Gesellschaft<br />
für Chemische Technik und Biotechnologie<br />
e.V. sowohl Prof. Dr.-Ing. Jens Weitkamp als auch Prof.<br />
Dr. Alfred Pühler. Ihnen wurde im Rahmen des 8th European<br />
Congress of Chemical Engineering am 25. September<br />
in Berlin die Ehrenmitgliedschaft verliehen.<br />
Für den Einsatz zur Entwicklung der modernen Biotechnologie<br />
in Deutschland und die Etablierung der Technologie<br />
in der Dechema erhält Alfred Pühler die Auszeichnung.<br />
Er engagierte sich bei der Gründung der Fachsektion<br />
Biotechnologie sowie der Einführung neuer Arbeitsgebiete.<br />
Im Jahre 2008 erhielt der Physiker bereits die<br />
Dechema-Medaille für außerordentliche Verdienste. Das<br />
Bundesverdienstkreuz erhielt er ein Jahr später für sein<br />
Wirken als Wissenschaftler und für die Gesellschaft. Jens<br />
Weitkamp erhält die Ehrenmitgliedschaft in Würdigung<br />
seines erfolgreichen Einsatzes für die Zeolith- und Katalyseforschung,<br />
sein Wirken im Dechema-Vorstand und der<br />
Etablierung von ProcessNet. Er trug dazu bei, der Zeolith-<br />
Forschung bedeutendes Ansehen zu verleihen. Dabei war<br />
ihm die Verknüpfung von Grundlagenforschung und industrieller<br />
Anwendung stets wichtig. Der Chemiker besitzt<br />
bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen.<br />
DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik<br />
und Biotechnologie e.V.,<br />
Theodor-Heuss-Allee 25, D-60486 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 756 40<br />
Esco Forum im ZVEI und NRW-Landesstelle<br />
des Verbandes bestimmen neue Vorstände<br />
Gewählt: Marcus<br />
Bort, Jobst Klien und<br />
Peter Köhler (v.l.n.r.).<br />
Bilder: ZVEI/Weidmüller<br />
Das „Esco Forum“ im ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik-<br />
und Elektronikindustrie e. V.) hat einen neuen Vorstand.<br />
Die Vorsitzenden sind Marcus Bort (EnBW Energy<br />
Solutions) und der im Amt bestätigte Dr. Jobst Klien (Hochtief<br />
Energy Management). Im „Esco Forum“ sind Energiedienstleister<br />
und Contracting-Unternehmen organisiert. Der<br />
Schwerpunkt liegt hier bei der Energieeffizienz. Zum siebenköpfigen<br />
Vorstand gehören ebenfalls Rüdiger Peter<br />
Quint (Gasag Wärmeservice), Peter Eilers (Imtech),<br />
Dr. Karl Gerhold (Getec), Dr. Reiner Lübke (MVV) und<br />
Norbert Speckmann (Cofely). „Der Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien und der Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur<br />
zu intelligenten Netzen sind für die Energiewende<br />
wesentlich. In der Energieeffizienzsteigerung bestehen<br />
enorme Potenziale, die sich kurzfristig realisieren lassen“,<br />
so der neue Vorsitzende Bort. In das Energiesystem der<br />
Zukunft müssen viele Akteure einbezogen werden. Sie<br />
sind keine passiven Abnehmer von Endenergie mehr,<br />
sondern partizipieren als Investoren an Effizienztechnik<br />
und dezentralen Systemen.<br />
Einen neuen Vorstand gibt es auch in der Landesstelle<br />
Nordrhein-Westfalen des ZVEI. Dr. Peter Köhler, Vorstandssprecher<br />
des Industrial-Connectivity-Herstellers<br />
Weidmüller, wurde in das Amt gewählt.<br />
ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und<br />
Elektronikindustrie e. V.,<br />
Lyoner Str. 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 22, Internet: www.zvei.org<br />
8<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
forschung<br />
Thomas Bauernhansl leitet das<br />
Institut für Produktionstechnik<br />
Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl übernimmt mit<br />
Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl die Führung des<br />
Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung<br />
IPA in Stuttgart. Zudem wird Bauernhansl<br />
das Universitätsinstitut für Industrielle Fertigung und<br />
Fabrikbetrieb (IFF) leiten.<br />
Der neue Leiter Bauernhansl unterhält gute Beziehungen<br />
zu Industrie und Forschung. Nach seiner Promotion am<br />
Lehrstuhl für Produktionssystematik des Laboratoriums für<br />
Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH<br />
Aachen arbeitete der heute 42-Jährige bei der Freudenberg<br />
KG. Dort bekleidete er den Posten als Geschäftsführer im<br />
Bereich Werkzeugbau und schließlich als Sprecher der Geschäftsführung.<br />
Zuletzt war er als Leiter Global Process<br />
Technology für die Produktionsführung in über 50 Standorten<br />
verantwortlich. Dort befasste er sich mit der Standortund<br />
Fabrikplanung, der Produktionsverlagerung und dem<br />
Anl<strong>auf</strong>management neuer Produkte, sowie der Investitionsplanung<br />
und Herstellung der Formgebungswerkzeuge.<br />
Bauernhansl folgt Prof. Engelbert Westkämper, der in<br />
den Ruhestand geht. Westkämpers wissenschaftliche<br />
Schwerpunkte lagen im Bereich Digitale<br />
und Virtuelle Produktion, Advanced<br />
Industrial Engineering, intelligente<br />
Produktionssysteme und<br />
Life Cycle Management.<br />
Auf europäischer Ebene erlangte<br />
Westkämper großen Einfluss als<br />
Gründungsmitglied der Expertengruppe<br />
„Future Manufacturing<br />
Technology – Manufuture“. Nach<br />
Thomas Bauernhansl<br />
übernimmt<br />
das Fraunhofer-IPA<br />
in Stuttgart.<br />
Bild: Fraunhofer.<br />
seiner Emeritierung will Westkämper weiter an EU-Programmen<br />
mitwirken.<br />
In Stuttgart profitiert man nun von den neuen Ideen<br />
von Thomas Bauernhansl. Er will dank seiner internationalen<br />
Erfahrung der anwendungsorientierten Forschung<br />
entscheidende Impulse geben.<br />
Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung<br />
der angewandten Forschung e.V.,<br />
Hansastraße 27c, D-80686 München,<br />
Tel. +49 (0) 89 120 50, Internet: www.fraunhofer.de<br />
DKE unterstützt Diplomarbeiten zu Branchentrends<br />
Die DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik<br />
Informationstechnik im DIN und VDE (VDE | DKE)<br />
unterstützt Abschlussarbeiten, die sich mit Elektromobilität,<br />
technischen Assistenzsystemen (Ambient Assisted<br />
Living) oder Smart Grid befassen. Das Sience-to-Standards-Programm<br />
(STS) der DKE bietet Studierenden deutscher<br />
Hochschulen ein halbjähriges Stipendium und<br />
Kontakte zu Experten aus der Industrie. Die Stipendiaten<br />
erhalten überdies die Möglichkeit, Einsicht in die Erarbeitung<br />
von Normen und Standards zu nehmen.<br />
Teilnahmeberechtigt sind Diplom-, Bachelor-, oder Masterarbeiten,<br />
in denen die Autoren analysieren, inwieweit<br />
strategisch ausgerichtete Normungsvorhaben die Entwicklung<br />
und Markteinführung von elektrotechnischen<br />
Systemen und Produkten fördern können. Das Sience-to-<br />
Standards-Programm startete bereits 2009 mit dem Ziel,<br />
technologische Trends kontinuierlich zu beobachten.<br />
Gleichfalls legen die Initiatoren großen Wert <strong>auf</strong> die<br />
Vernetzung zwischen Forschung und Industrie an deutschen<br />
Hochschulen.<br />
Weitere Informationen erhalten Interessenten unter<br />
der E-Mail-Adresse: standardisierung@vde.com<br />
DKE Deutsche Kommission<br />
Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik<br />
im DIN und VDE,<br />
Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.dke.de<br />
Deutschland führend in der Mikrosystemtechnik<br />
Mikrosystemtechnik wird in den kommenden Jahren in<br />
Deutschland neue Arbeitsplätze schaffen und einen<br />
wachsenden Anteil an der Wertschöpfung haben. Das ist<br />
das Ergebnis einer Studie von Prognos, die <strong>auf</strong> dem 4. Mikrosystemtechnikkongress<br />
in Darmstadt Mitte Oktober vorgestellt<br />
wurde. Bis zum Jahr 2020 wird demnach die Zahl der<br />
direkt oder indirekt mit der Mikrosystemtechnik verbundenen<br />
Arbeitsplätze um mehr als ein Viertel von derzeit<br />
754 000 <strong>auf</strong> 963 000 steigen. Der Marktanteil Deutschlands<br />
am weltweiten Gesamtumsatz der Mikrosystemtechnik<br />
dürfte von derzeit 19 <strong>auf</strong> 21 Prozent wachsen.<br />
Wolf-Dieter Lukas, Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien<br />
im Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
(BMBF) sieht die Forschungsförderung als we<br />
sentlichen Innovationstreiber. Sie soll, so der Abteilungsleiter,<br />
zukünftig noch ausgebaut werden.<br />
Trotz des fortgeschrittenen Reifegrads der Mikrosystemtechnik<br />
widmeten sich die Beiträge <strong>auf</strong> dem Kongress<br />
den technologischen Grundlagen, also Materialien und<br />
Mikrofertigungsverfahren. An diesen Grundlagen werde,<br />
laut VDE, ständig weiter gearbeitet. Besonderen Auftrieb<br />
für die Mikrosystemtechnik erwartet die Branche in<br />
Entwicklungserfolg-abhängigen Bereichen wie Energieeffizienz,<br />
E-Mobility und Smart Grids.<br />
VDI | VDE Innovation + Technik GmbH,<br />
Steinplatz 1, D-10623 Berlin, Tel. +49 (0) 30 310 07 80,<br />
Internet: www.mikrosystemtechnik-kongress.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
9
anche<br />
Elektrische Prozessautomation erreicht ein Plus<br />
von 15 Prozent – gedämpfte Zuversicht für 2012<br />
Die elektrische Prozessautomation zeigt sich bislang<br />
unbeeindruckt von den wirtschaftlichen Turbulenzen:<br />
„Wir rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum<br />
von knapp 15 Prozent bei den weltweiten Auftragseingängen“,<br />
sagte Michael Ziesemer, Vorsitzender des Fachbereichs<br />
Messtechnik und Prozessautomatisierung. Für<br />
2012 erwartet er eine weitere Zunahme der Auftragseingänge<br />
im mittleren einstelligen Bereich – „falls nicht die<br />
Finanzmärkte noch dunkle Wolken herüberschicken“.<br />
Bei den Abnehmerbranchen sei das Wachstum breit<br />
abgestützt. „Die Wachstumsspitzen liegen in den Branchen<br />
rund um die Energieträger Öl und Gas sowie erneuerbare<br />
Energien. Dem gegenüber liegt das Geschäft in der<br />
Chemie noch zurück. Insbesondere die Geschäftsbereiche<br />
Instrumentierung und das Systemgeschäft sorgen<br />
zurzeit für die gute Entwicklung“, so Ziesemer.<br />
Der ZVEI ist zuversichtlich, dass trotz der Euro-Schuldenkrise<br />
die gesamte deutsche Elektronindustrie auch<br />
im nächsten Jahr weiter wachsen wird. Verbandspräsident<br />
Friedhelm Loh: „2012 dürften wir ein Produktionsplus<br />
von fünf Prozent schaffen – wenn die Staaten vor<br />
allem in Europa ihre Schuldenprobleme in den Griff<br />
bekommen.“ Für 2011 Jahr schätzt der ZVEI, dass die<br />
Elektroindustrie ein Produktionsplus in Höhe von zehn<br />
Prozent und damit wieder mehr als 180 Milliarden Euro<br />
Umsatz erzielt. Unterdessen wächst die deutsche Elektroindustrie<br />
weiter und beschleunigt das Tempo sogar<br />
wieder. Im August seien die Auftragseingänge der Branche<br />
um sechs Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. Sowohl<br />
die Auslands- als auch die Inlandsbestellungen<br />
hätten im August um sechs Prozent zugelegt.<br />
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />
Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org<br />
Robotik und Automation erwarten neue Rekorde<br />
Für 2011 erwartet der VDMA-Fachverband Robotik und<br />
Automation einen Rekordumsatz. Er soll um 37 Prozent<br />
<strong>auf</strong> 10,3 Milliarden Euro steigen, wie Geschäftsführer<br />
Thilo Brodtmann betont. Für 2012 geht der Verband von<br />
weiterem Wachstum aus. Denn die anhaltend starke Zunahme<br />
der Auftragseingänge in den ersten sieben Mona-<br />
9,3 6,2 7,5 10,3 11,1<br />
2008 2009 2010 2011<br />
(Prognose)<br />
2012<br />
(Prognose)<br />
Höhenflug:<br />
Der VDMA<br />
Robotik und<br />
Automation<br />
erwartet<br />
deutliche<br />
Steigerungen.<br />
(Quelle: VDMA)<br />
ten des Jahres 2011 sichere 2012 ein weiteres Umsatzwachstum<br />
von sieben Prozent <strong>auf</strong> 11,1 Milliarden Euro.<br />
Es werde allerdings erwartet, dass die Dynamik bei den<br />
Auftragseingängen in den kommenden Monaten zyklisch<br />
bedingt nachlasse. Unsicherheitsfaktoren seien die Schuldenkrise<br />
und die Verwerfungen <strong>auf</strong> den Finanzmärkten.<br />
2011 dürften alle drei Teilbranchen Rekorde erzielen:<br />
Der Umsatz von Montage- und Handhabungstechnik<br />
werde 2011 sechs Milliarden Euro überschreiten (plus<br />
42 Prozent). Die Robotik soll 2,7 Milliarden Euro (plus<br />
38 Prozent) erreichen. Der Umsatz der industriellen Bildverarbeitung<br />
werde sich um weitere 20 Prozent <strong>auf</strong><br />
1,5 Milliarden Euro erhöhen.<br />
VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN-<br />
UND ANLAGENBAU E.V.<br />
Lyoner Straße 18, D-60528 Frankfurt/Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 660 30, Internet: www.vdma.org<br />
Wireless: <strong>auf</strong> dem Weg zu einheitlichen Standards<br />
Die Namur-Empfehlung 133 „Wireless Sensor Netzwerke:<br />
Anforderungen an die Konvergenz der verfügbaren<br />
Standards“ ist nun in einer zweiten Version verfügbar.<br />
Darin werden unter anderem die Anwenderanforderungen<br />
an den aktuellen Stand der Technik angepasst,<br />
ergänzende Anforderungen an physikalische Netze sowie<br />
Security-Maßnahmen und Verfügbarkeitsanforderungen<br />
formuliert und die Ergänzungen der chinesischen<br />
WIA Alliance berücksichtigt. Damit reagiert die<br />
Namur <strong>auf</strong> die Fortschritte in den Bemühungen um einen<br />
einheitlichen Standard für drahtlose Sensornetzwerke.<br />
Die NE 133 war in einer ersten Version 2010 veröffentlicht<br />
worden als Reaktion <strong>auf</strong> die drohende Konkurrenz<br />
von inzwischen drei Standards für drahtlose Sensornetzwerke.<br />
Beteiligt waren daran auch die WIB, ISA,<br />
Hart Communication Foundation und Hersteller von<br />
WirelessHart wie auch von ISA-SP100-Produkten.<br />
Mit der zweiten Version der NE 133 ist erstmals eine<br />
Namur-Empfehlung auch in Chinesisch verfügbar. Damit<br />
will die Namur unterstreichen, dass an einer Einigung<br />
<strong>auf</strong> globaler Ebene alle Betroffenen beteiligt sein sollten.<br />
NAMUR – GESCHÄFTSSTELLE,<br />
c/o Bayer Technology Services GmbH,<br />
Gebäude K 9, D-51368 Leverkusen,<br />
Tel. +49 (0) 214 307 10 34, Internet: www.Namur.de<br />
10<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
FDI Cooperation soll eine gemeinsame und<br />
einheitliche Integrationstechnologie vorantreiben<br />
Die fünf Interessenverbände FDT Group, Fieldbus<br />
Foundation, Hart Communication Foundation, Profibus<br />
& Profinet International und OPC Foundation haben<br />
eine einheitliche Lösung für die Feldgeräteintegration<br />
(Field Device Integration, FDI) entwickelt und nun eine<br />
gemeinsame Firma gegründet, um ihre Anstrengungen<br />
in diesem Rahmen fortzusetzen. Die FDI Cooperation,<br />
LLC soll für für das Management einer gemeinsamen<br />
und einheitlichen Lösung für die Feldgeräteintegration<br />
(FDI) zuständig sein.<br />
Vertreter aller beteiligten Organisationen haben kürzlich<br />
die entsprechenden Verträge untezeichnet. Die FDI<br />
Cooperation wird von einem Vorstand geführt, der sowohl<br />
aus Vertretern der beteiligten Organisationen als<br />
auch Managern weltweit führender Leitsystem- und Gerätehersteller<br />
wie ABB, Emerson, Endress+Hauser, Honeywell,<br />
Invensys, Siemens und Yokogawa besteht.<br />
Hans-Georg Kumpfmüller von Siemens übernimmt die<br />
Position des Vorstandsvorsitzenden. Achim Laubenstein<br />
von ABB wurde zum Geschäftsführer ernannt.<br />
Die Organisation hat sich folgende Ziele gesetzt:<br />
Abschluss der Standardisierung von FDI in der IEC<br />
Betreuung der FDI-Spezifikation<br />
Fertigstellung der FDI-Toolkits für System- und<br />
Gerätehersteller<br />
Das FDI-Projekt wurde im Jahre 2007 ins Leben gerufen und<br />
seitdem in Richtung der konvergierten FDI-Lösung voran-<br />
Nach getaner Arbeit, v.l.n.r.: Rich Timoney (Fieldbus<br />
Foundation), Jörg Freitag (Profibus & Profinet International),<br />
Thomas Burke (OPC Foundation), Glenn Schulz (FDT Group)<br />
und Ron Helson (Hart Communication Foundation) unterzeichneten<br />
die Verträge zur Gründung der FDI Cooperation. Foto: FDI<br />
getrieben. FDI bezeichnet eine einheitliche Lösung, die<br />
einfache und komplexe Feldgeräte einschließt und den verschiedenen<br />
Aufgaben in allen Lifecycle-Phasen dieser Geräte<br />
Rechnung trägt.<br />
FDI Cooperation LLC,<br />
c/o Hans-Georg Kumpfmüller,<br />
Östliche Rheinbrückenstrasse 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel.: +49 (721) 595 45 60,<br />
Internet: www.fdi-cooperation.com<br />
Innovationspreis für Sensorik und Messtechnik<br />
Noch bis zum 16. Januar können Bewerbungen für den<br />
AMA-Innovationspreis 2012 eingereicht werden. Mit<br />
dieser Auszeichnung würdigt der AMA Fachverband für<br />
Sensorik innovative, wissenschaftliche Entwicklungen<br />
mit erkennbarem Marktansatz aus den Bereichen Sensorik<br />
und Messtechnik. Bewerben können sich Einzelpersonen<br />
und Entwicklerteams mit innovativen, herausragenden<br />
Forschungs- und Entwicklungsleistungen. Dotiert<br />
ist der Preis mit 10 000 Euro.<br />
Der AMA-Innnovationspreis wird seit zwölf Jahren für<br />
außergewöhnliche Forschungs- und<br />
Entwicklungsleistungen verliehen<br />
und gilt als einer der renommiertesten<br />
Preise in Sensorik und Messtechnik.<br />
„Viele unserer Bewerber bestätigten<br />
uns, dass sie bereits als Nominierte<br />
des Innovationspreises interessante<br />
Investorengespräche führen<br />
konnten“, sagt AMA-Geschäftsführer<br />
Thomas<br />
Simmons: Der<br />
Innovationspreis<br />
öffnet Türen zu<br />
Investoren.<br />
Bild: AMA<br />
Thomas Simmons. Damit dient der<br />
Innovationspreis auch als Sprungbrett<br />
aus den Entwicklungslaboren<br />
hinein in die Anwenderindustrien.<br />
Die Jury besteht aus Wissenschafts-<br />
und Wirtschaftsvertretern,<br />
die sowohl die wissenschaftliche<br />
Leistung, als auch die Marktchancen beurteilen. Den<br />
Vorsitz führt Professor Andreas Schütze von der Universität<br />
des Saarlandes. Die Preisverleihung erfolgt zur Eröffnung<br />
der Messe Sensor+Test 2012 in Nürnberg.<br />
AMA FACHVERBAND FÜR SENSORIK E.V.<br />
Sophie-Charlotten-Str. 15, D-14059 Berlin,<br />
Tel. +49 (0) 30 221 90 36 20, Internet: www.ama-sensorik.de<br />
Analoge oder digitale Schnittstellen<br />
Redundant, CANopen Safety SIL2<br />
1 oder 2 Messachsen<br />
www.twk.de<br />
Neigungssensoren<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
11
anche<br />
Normung als Schlüsselfaktor: aktiv mitwirken,<br />
intensiv kooperieren und gemeinsam gestalten<br />
China verfügt bereits über eine eigene Normungs-Infrastruktur <strong>auf</strong> und engagiert sich international<br />
Technische Automation Regelsetzung & Drives <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik in China<br />
Zuständig für die<br />
Automatisierungtechnik:<br />
In China ist die Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet<br />
der Automatisierungstechnik an die ITEI<br />
delegiert. Dieses „Technology & Economy<br />
Instrumentation Institute“ befasst sich<br />
mit Forschung, Prüfung, Zertifizierung<br />
und Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der<br />
Automatisierungstechnik.<br />
(BJ,Sep.2011 SLC I IA AS BU GMO Prof.Hui ,Dunyan)<br />
SAC handelt als<br />
Gesetzgeber und<br />
Verwalter für<br />
technischen<br />
Regelsetzung<br />
in China<br />
CSBTS/CSAS SAC<br />
Standardization Administration of China<br />
TC124/ ITEI-<br />
TC 124 & TC 338 im ITEI<br />
Technology&Economy<br />
& Economy<br />
Instrumentat<br />
Instrumentation<br />
ion<br />
Institute<br />
Institute<br />
(IEC (spiegelt TC65 IEC & IEC TC TC66) 65, IEC TC<br />
66 und ISO TC30)<br />
Planung und Verabschiedung<br />
von GB-, GB/T- und GB/Z-Normen<br />
Staatsrat<br />
Mitteilungen über veröffentlichte<br />
JB/T-Normen<br />
Anträge für GB-, GB/Tund<br />
GB/Z-Normen<br />
MIIT<br />
Ministerium of Industry and<br />
Information Technology of China<br />
C M I F<br />
China Machinery Industry<br />
Federation<br />
TC124/ TC124/<br />
ITEI<br />
Weitere<br />
Institute<br />
CAMETA<br />
Planung und Verabschiedung von JB/T-Normen (z.B. für den<br />
Maschinenbau), Vorschläge für GB-, GB/T- und GB/Z-Normen<br />
Die Automatisierungstechnik hat sich in den letzten 40<br />
Jahren zu einer Schlüsseltechnologie unter anderem<br />
der Verfahrens- und Fertigungstechnik entwickelt. Sie ist<br />
zum Rückgrat der industriellen Produktion und Motor<br />
vieler Innovationen geworden. Sie verbessert die Qualität<br />
von Produkten und macht die Anlagen für deren Herstellung<br />
sicherer, energieeffizienter und produktiver.<br />
Gerade China als <strong>auf</strong>strebendes Land ist <strong>auf</strong> die Ergebnisse<br />
dieser Entwicklung angewiesen. Der Fortschritt der<br />
Mikroelektronik war eine wichtige Voraussetzung, aber<br />
auch die Normung spielte eine nicht zu unterschätzende<br />
Rolle. Das wird in Zukunft auch für die „digitale Fabrik“<br />
gelten, die zurzeit in aller Munde ist. Zweifellos stehen wir<br />
hier am Anfang einer neuen Entwicklung. Wie schnell sie<br />
voranschreiten und an Bedeutung gewinnen wird, wird<br />
davon abhängen, ob es gelingt, Normen für ein universelles<br />
Datenmodell zu schaffen und am Markt durchzusetzen.<br />
Und hierbei gilt: Wer die Norm setzt, hat den Markt.<br />
SAC TC 124 ALS SPIEGELKOMITEE ZUR IEC TC 65<br />
Die internationale Normung der Automatisierungstechnik<br />
bildet den Arbeitsbereich des technischen Komitees TC 65<br />
„Industrial-Process Measurement and Control“ der Internationalen<br />
Elektrotechnischen Kommission IEC. Das chinesische<br />
Spiegelkomitee hierzu, SAC TC 124, wurde 2001<br />
gegründet. Es verfolgt die Arbeit des IEC TC 65 nicht nur<br />
mit großer Aufmerksamkeit, sondern arbeitet auch durch<br />
Entsendung chinesischer Experten aktiv hierin mit.<br />
Doch wie ist die Normung in China organisiert?<br />
Je nach Bereich, in dem eine Norm gilt, werden diese in<br />
folgende Klassen eingeteilt:<br />
nationale Norm (GB); sie gilt in ganz China in<br />
allen in Frage kommenden Technologiegebieten<br />
Branchennorm; sie gilt in ganz China, aber nur<br />
für eine bestimmte Industriebranche<br />
Lokalnorm; sie gilt nur in einer bestimmten<br />
Provinz Chinas<br />
Werksnorm, sie gilt nur in einem bestimmten<br />
Unternehmen<br />
VOM GESETZESCHARAKTER BIS ZUR EMPFEHLUNG<br />
Die nationalen Normen wiederum unterteilen sich nach<br />
der Verbindlichkeit, mit der sie anzuwenden sind, in:<br />
GB, sie haben den gleichen Stellenwert wie Gesetze.<br />
Die Exekutive setzt ihre Anwendung durch. Hierzu<br />
gehören Vorschriften für Medikamente und Lebensmittel,<br />
aber auch Sicherheitsvorschriften für<br />
elektrische Geräte, wie zum Beispiel die chinesische<br />
Übernahme der IEC 61010 für die Sicherheit<br />
von MSR-Geräten (in Deutschland ist dies die Normenreihe<br />
DIN EN 61010 (VDE 0411))<br />
GB/T, sie haben Empfehlungscharakter<br />
GB/Z, Anleitungsdokument zur versuchsweisen Anwendung,<br />
ähnlich wie eine IEC Publicly Available<br />
Specification oder eine deutsche Vornorm<br />
Die Normung in China obliegt SAC, der Standardisation Administration<br />
of China, die direkt dem Staatsrat untersteht,<br />
siehe auch (1). Mit der Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik<br />
hat sie ITEI be<strong>auf</strong>tragt (Technology & Economy<br />
Instrumentation Institute). Dort findet automatisierungstechnische<br />
Normung in den Komitees SAC TC 124 und<br />
SAC TC 338 statt. Nur diese arbeiten GB-, GB/T- und GB/Z-<br />
Normen <strong>auf</strong> dem Gebiet der Automatisierungstechnik aus.<br />
PROFIBUS-NORM GILT ALS MUSTERBEISPIEL<br />
Zu den Arbeitsgebieten von ITEI gehören Forschung, Prüfung,<br />
Zertifizierung und Normung <strong>auf</strong> dem Gebiet der<br />
12<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Automatisierungstechnik. Die zugehörigen Abläufe in der<br />
technischen Regelsetzung sind in der Grafik dargestellt.<br />
Nach dem Ende des sogenannten Feldbuskrieges bei der<br />
IEC galt es auch in China, aus der verfahrenen Situation<br />
sinnvolle Handlungsanleitungen zu gewinnen. SAC TC 124<br />
befasste sich mit dieser strategischen Aufgabe. Als Ergebnis<br />
wurde IEC 61158/61784 Typ 3 (Profibus) in eine chinesische<br />
Norm überführt. 2006 verabschiedete SAC die entsprechende<br />
GB/T 20540.1-6.-2006. Dieses Projekt gilt in China als<br />
Musterbeispiel für die Zusammenarbeit von Regierung, Normungsorganisation,<br />
Universitäten, Forschungsinstituten,<br />
Herstellern und Anwendern. Auch die PNO war hieran beratend<br />
beteiligt. Der chinesische Markt konnte an dem Technologiesprung,<br />
den die Einführung moderner industrieller<br />
Kommunikationstechnik mit sich brachte, teilhaben und<br />
die Wettbewerbsfähigkeit des Landes somit gestärkt werden.<br />
Seitdem schritt die Arbeit im ITEI voran und wurde so<br />
ausgeweitet, dass heute folgende Komitees der IEC und<br />
ISO betreut werden:<br />
IEC TC 65 „Industrial-process measurement,<br />
control and automation”<br />
IEC TC 66 „Safety of measuring, control and<br />
laboratory equipment”<br />
IEC TC 76 „Optical radiation safety and laser<br />
equipment”<br />
IEC TC 85 „Measuring equipment for electrical<br />
and electromagnetic quantities“<br />
ISO TC 30 „Measurement of fluid flow in closed<br />
conduits“<br />
ISO TC 172 „Optics and photonics“<br />
ISO TC 184 „Automation systems and integration“<br />
STÄNDIGER SITZ IM VORSTAND DER ISO<br />
Die aktive Mitwirkung Chinas an der internationalen<br />
Normung durch Entsendung von Experten konnte in<br />
jüngster Zeit erfreulich ausgeweitet werden. Ebenso wurden<br />
zahlreiche Normungsvorschläge bei IEC und ISO<br />
eingereicht (sogenannte new work item proposals), von<br />
denen 66 bereits zu einer Internationalen Norm geführt<br />
haben. Demnächst wird voraussichtlich auch die<br />
IEC 62601 dazugehören, eine Norm zur drahtlosen Kommunikation<br />
in der Prozessautomation (WIA-PA), die sich<br />
gerade in der Schlussabstimmung bei IEC befindet (2). Zur<br />
Zeit sind 35 Sekretariate von IEC- oder ISO-Komitees in<br />
China angesiedelt, seit 2008 nimmt China zudem einen<br />
ständigen Sitz im Vorstand der ISO ein.<br />
Vor kurzem hat China den zwölften Fünfjahresplan<br />
verabschiedet. Für die industrielle Automatisierungstechnik<br />
wurden in folgenden Bereichen Ziele definiert:<br />
Ethernet-basierte Kommunikationstechniken als<br />
Ergänzung zu den klassischen Feldbussen<br />
drahtlose Kommunikation – funktionale Sicherheit,<br />
insbesondere Absicherung von Produktionsanlagen<br />
IT-Sicherheit (Security), darunter Absicherung von<br />
Netzwerken<br />
intelligente Feldgeräte<br />
digitale Fabrik, hier insbesondere Integrationstechniken<br />
Energieeffizienz<br />
STILLSTAND IST RÜCKSCHRITT<br />
SAC TC 124 wird diese Themen in einer ganzheitlichen<br />
Strategie zusammenführen – eine herausfordernde Aufgabe.<br />
In China ist man der Ansicht, dass beim Erfahrungsaustausch<br />
mit internationalen Partnern beide Seiten profitieren<br />
können. SAC TC 124 wird deshalb weiterhin<br />
Experten in internationale Gremien entsenden und ist<br />
besonders an einer Zusammenarbeit mit deutschen Partnern,<br />
zum Beispiel VDE/DKE und Namur interessiert.<br />
Es ist meine Überzeugung, dass wir dabei gemeinsam<br />
gewinnen können. Denn wie sagt man doch in Deutschland<br />
so treffend: „Stillstand ist Rückschritt.“<br />
Danksagung<br />
Mein besonderer Dank gilt Herrn Ingo Rolle,<br />
Referent der DKE, und Herrn Roland Heidel,<br />
Vor sitzender IEC TC65 und Standards & Regulation<br />
Manager Siemens I IA und DT, für die wertvolle<br />
Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Beitrages.<br />
LITERATUR<br />
Autor<br />
(1) Deutsch-Chinesisches<br />
Normen informationsportal<br />
www.standards-portal.de/<br />
web_de/ueber_sac<br />
(2) Jinsong Ouyang und Liu Dan:<br />
WIA-PA: A new standard for<br />
wireless communication,<br />
<strong>atp</strong> 5/2011<br />
Prof. Dun Yan Hui, Mitglied von SAC TC 124,<br />
Senior Automation Adviser of Siemens Ltd.<br />
China, lehrt an der Southwest University in<br />
Chongqing, China<br />
Siemens Ltd., China I IA AS&SE BU GMO<br />
7, Wangjing Zhonghuan Nanlu, Chaoyang District,<br />
P.O.Box 8543, Beijing 100102, P.R. China,<br />
Tel. +86 10 64 76 37 14, E-Mail: dunyan.hui@siemens.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
13
anche<br />
Erst die richtige Kombination explosions geschützter<br />
Elektogeräte macht Anlagen sicher<br />
Geräte lassen sich durch regen Informationsaustausch optimal zuordnen<br />
Installateur bei<br />
der Anlagenmontage:<br />
Er kann<br />
die Anlage nur dann<br />
sicher planen, wenn<br />
er die grundsätzlichen<br />
Unterschiede<br />
der Zündschutzarten<br />
kennt. Fotos:<br />
Bartec GmbH<br />
Die Einteilung explosionsgeschützter elektrischer Geräte<br />
in Gerätekategorien (Richtlinie 94/9/EG) und Geräteschutzniveaus<br />
(nach DIN EN 60079-0 (VDE 0170):2010)<br />
systematisiert und erleichtert grundsätzlich deren Auswahl<br />
und Anwendung. Wenn alle Akteure ihre Haus<strong>auf</strong>gaben<br />
machen und ein reger Informationsaustausch stattfindet,<br />
ist die Zuordnung der Geräte eindeutig und es<br />
entsteht sicherheitstechnisch eine optimale Lösung.<br />
Ex-Schutz-Dokument legt Bedingungen<br />
für Betriebsmittel fest<br />
Zunächst muss für den Auswahlprozess explosionsgeschützter<br />
Geräte mit der Erstellung des Arbeitsplatzund<br />
Anlagenkonzeptes begonnen werden. Im Rahmen<br />
seiner Gefährdungsbeurteilung im Sinne der Richtlinie<br />
1999/92/EG (in Deutschland übernommen in die Betr-<br />
SichV) legt der Betreiber die wesentlichen Explosionsschutzparameter<br />
für die Prozessanlage fest und dokumentiert<br />
sie im Explosionsschutzdokument. Dieses<br />
Dokument beinhaltet neben Zonenplänen alle weiteren<br />
für den Explosionsschutz relevanten Informationen (sicherheitstechnische<br />
Kennzahlen, Umgebungstemperaturbereich,<br />
chemische, mechanische Umweltbedingungen<br />
und ähnliche). Es definiert konkret die Einsatzbedingungen<br />
für die Betriebsmittel.<br />
Der Hersteller muss im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens<br />
nach RL 94/9/EG seine Geräte kennzeichnen<br />
und eine Nutzerdokumentation mitliefern. Die<br />
Kennzeichnung beinhaltet alle wesentlichen technischen<br />
Merkmale eines industriellen Gerätes sowie die Explosionsschutzparameter,<br />
die das Gerät erfüllt. Zudem wird<br />
mit dem X <strong>auf</strong> dem Kennzeichnungsschild <strong>auf</strong> besondere<br />
Anwendungsbedingungen, beispielsweise bei der Installation<br />
oder dem Betrieb des Gerätes hingewiesen. Somit<br />
legt der Hersteller mit der Gerätekennzeichnung und den<br />
ergänzenden Angaben in der Betriebsanleitung die bestimmungsgemäße<br />
Anwendung seines Gerätes fest.<br />
Für die Auswahl reicht prinzipiell ein Blick ins Explosionsschutzdokument<br />
und <strong>auf</strong> das Kennzeichnungsschild<br />
beziehungsweise in die Betriebsanleitung und das Gerät<br />
kann eingesetzt werden. In Europa sind mit den ATEX-<br />
Richtlinien die Pflichten für Betreiber und Hersteller eindeutig<br />
definiert. In der Praxis, an der Nahtstelle zwischen<br />
Hersteller und Betreiber, handeln sehr oft weitere Akteure<br />
wie Planungs- und Installationsfirmen oder Reparaturfachbetriebe.<br />
Deren Rolle wurde bei der Gestaltung der<br />
Richtlinien und Normen nicht immer in Betracht gezogen.<br />
Sehr oft entstehen im Auswahlprozess aus dem Blickwinkel<br />
der Anwendung die ersten Fragen, etwa welche Anschlusstechnik<br />
ist für das druckfeste Gehäuse ausreichend<br />
und wer bestimmt das oder wer kann ein ATEXzertifiziertes<br />
Begleitheizungssystem installieren?<br />
Leider treten im Auswahlprozess auch Hindernisse<br />
<strong>auf</strong>. Beispielsweise sind die Ex-Parameter schlichtweg<br />
14<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
| EK12-05G |<br />
EtherCAT-Klemmen.<br />
Das schnelle All-in-One-System<br />
für alle Automatisierungsfunktionen.<br />
nicht bekannt oder das Wissen zu den relevanten Auswahlkriterien<br />
ist nicht vorhanden. Oft sind Projektspezifikationen<br />
nicht mehr <strong>auf</strong> dem letzten Stand oder das<br />
Explosionsschutzdokument wurde nicht aktualisiert.<br />
Hinweise in der Gerätedokumentation werden nicht berücksichtigt<br />
oder sind zu spät verfügbar.<br />
Eine wesentliche Informationsquelle und für alle Akteure<br />
gleichermaßen relevant, sind neben der Produktdokumentation<br />
technische Normen. Speziell in<br />
Deutschland sind die Technischen Regeln zur Betriebssicherheit<br />
erhältlich. Insbesondere für die Projektierung<br />
elektrischer Anlagen in explosionsgefährdeten<br />
Bereichen von Gasen, Dämpfen und Stäuben ist die DIN<br />
EN 60079-14 (VDE 0165-1):2009 ein sehr umfassendes<br />
und nützliches Nachschlagewerk.<br />
Diese Norm definiert ergänzend zu den europäischen<br />
Richtlinien 1999/92/EG (in Deutschland übernommen<br />
in die BetrSichV) und 94/9/EG (in Deutschland übernommen<br />
in das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz)<br />
unter anderem die wesentlichen Auswahlkriterien für<br />
explosionsgeschützte elektrische Betriebsmittel.<br />
Die Anwendung bestimmt das Sicherheitsniveau<br />
Ein neuerer Sachverhalt in den Normen (DIN EN 60079-0<br />
(VDE 0170-1):2010)) ist die Einführung der EPLs (Equipment<br />
Protection Levels beziehungsweise Geräteschutzniveaus).<br />
Die Auswahl eines Gerätes mit dem geeigneten<br />
Sicherheitsniveau für die Ex Zone 0, 1, 2 (Gas) oder 20, 21,<br />
22 (Staub) ist einfacher geworden. Eine pauschale Aussage<br />
„das Gerät soll für den Ex-Bereich geeignet sein“, ist<br />
allerdings nicht ausreichend. Die neue „graduierte“ Auswahl<br />
setzt voraus, dass die Einteilung der explosionsgefährdeten<br />
Bereiche in Zonen geschehen ist und diese<br />
Information auch zur Verfügung steht.<br />
Die Zündschutzarten werden zukünftig einem Geräteschutzniveau<br />
(EPL) zugeordnet. Folglich sind alle Zündschutzarten<br />
eines Geräteschutzniveaus bezüglich der<br />
Sicherheit gleichrangig. Entscheidend für die Auswahl ist<br />
neben dem technischen Umfeld oder der gewünschten<br />
Technologie die Wirtschaftlichkeit der Lösung. Der Planer<br />
muss technisch-konstruktive Grundlagen der verschiedenen<br />
Zündschutzarten verstehen und kennen, um für<br />
seinen Anwendungsfall auch das Gerät mit der bestgeeigneten<br />
Zündschutzart auswählen zu können.<br />
Da die Anschlusstechnik die Zündschutzart und somit<br />
das Sicherheitsniveau des Gerätes mitbestimmt, beispielsweise<br />
Leitungseinführung für druckfeste Gehäuse,<br />
muss der Gerätehersteller eine entsprechende Technik<br />
anbieten (direkte Einführung oder Ex e Anschlussgehäuse)<br />
und der Planer wiederum muss über Kenntnisse verfügen,<br />
um die richtige Anschlusstechnik auszuwählen.<br />
In analoger Weise kann der Installateur eine sichere<br />
Montage nur dann durchführen, wenn er ebenfalls die<br />
grundsätzlichen Unterschiede einer Leitungseinführung<br />
in der Zündschutzart „d“ oder „e“ kennt.<br />
Bedingt durch die Anforderungen an die Gerätekennzeichnung<br />
in Europa nach der RL 94/9/EG und den Normen<br />
der Reihe EN 60079ff. sowie der ständigen Weiter-<br />
IPC<br />
I/O<br />
Motion<br />
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Anschluss direkt am Standard-Ethernet-Port.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
15
anche<br />
Die Auswahl eines Gerätes setzt voraus, dass die Einteilung<br />
der explosionsgefährdeten Bereiche in Zonen geschehen ist.<br />
Der rege Informationsaustausch<br />
schafft die optimale Lösung.<br />
entwicklung der Normen sind <strong>auf</strong> den Geräten einige<br />
Ex-Parameter (Gerätekategorie und Geräteschutzniveaus)<br />
mehrfach vorhanden. Dies führt in der Übergangsphase<br />
zu einem erhöhten Klärungsbedarf, verdeutlicht aber<br />
gleichzeitig die Notwendigkeit einer aktuellen Informationsbasis.<br />
Neben den gängigen Werkzeugen sollten auch<br />
aktuelle Normen allen Beteiligten zur Verfügung stehen.<br />
Sicherheitstechnische KenngröSSen<br />
müssen erkennbar sein<br />
Damit eine optimierte Zuordnung der Explosionsschutzmaßnahmen<br />
zu den chemisch-physikalischen Eigenschaften<br />
brennbarer Gase, Dämpfe und Stäube erfolgen kann,<br />
müssen die sicherheitstechnischen Kenngrößen bekannt<br />
sein. Die Zündung explosionsfähiger Gemische aus Gasen<br />
und Dämpfen an einer heißen Oberfläche wird durch die<br />
Zündtemperatur definiert und über die Temperaturklassen<br />
(T1 bis T6) quantifiziert. Gemäß diesen Temperaturklassen<br />
werden explosionsgeschützte Betriebsmittel in ihren Oberflächentemperaturen<br />
so ausgelegt, dass eine Zündung ausgeschlossen<br />
wird. Etwas komplexer ist der Umgang mit<br />
Stäuben. Hier müssen sowohl die Zündtemperatur der<br />
Staubwolke als auch die der Staubschicht (Glimmtemperatur)<br />
bekannt sein. Oberster Grundsatz beim Umgang mit<br />
brennbaren Stäuben ist die Reinhaltung beziehungsweise<br />
Vermeidung von Staubschichten. Wenn sich <strong>auf</strong> Geräten<br />
Staubablagerungen von mehr als 5 mm Staubdicke bilden<br />
können, muss die maximal zulässige Oberflächentemperatur<br />
entsprechend reduziert werden. Hilfestellung erhält<br />
der Anwender in der DIN EN 60079-14 (VDE 0165-1):2009.<br />
Die Zündung der Gase und Dämpfe durch elektrische<br />
Funken oder durch einen heißen Gasstrahl aus einem<br />
dünnen Spalt werden mit Hilfe der Untergruppen IIA,<br />
IIB, IIC quantifiziert. Dieser Zusammenhang ist in der<br />
Praxis bei Gasen und Dämpfen relativ gut bekannt.<br />
Neu sind die Explosionsgruppen bei Stäuben. Brennbare<br />
Stäube werden in drei Untergruppen eingeteilt: IIIA<br />
Flusen; IIIB nicht leitfähige Stäube; IIIC leitfähige Stäube.<br />
Zum Beispiel müssen Gehäuse in der Zündschutzart<br />
„Schutz durch Gehäuse (Ex t)“ beim Einsatz in einer explosionsfähigen<br />
Staubatmosphäre aus leitfähigem Staub<br />
(Gruppe IIIC), staubdicht (IP 6X) ausgeführt sein und zwar<br />
für alle Gerätekategorien beziehungsweise Schutzniveaus.<br />
Dadurch wird verhindert, dass Staub eintritt und eventuell<br />
Kurzschlüsse <strong>auf</strong> Leiterbahnen verursacht. Der IP-<br />
Schutz wird jedoch nur dann dauerhaft erreicht, wenn<br />
der Installateur die speziellen Anforderungen kennt und<br />
anwendet. Dazu gehört, den Deckel des Gehäuses mit allen<br />
vorgesehenen Schrauben zu schließen sowie Kabeldurchmesser<br />
und Leitungseinführung passend auszuführen.<br />
Der graduierte Explosionsschutz berücksichtigt die unterschiedlichen<br />
Gefahren durch explosionsfähige Atmosphären<br />
und ermöglicht Maßnahmen, die den Verhältnissen<br />
sowohl aus sicherheitstechnischer Sicht als auch der<br />
Wirtschaftlichkeit entsprechen. Vorrausetzung ist, dass<br />
alle Beteiligten (Hersteller, Betreiber, Planer, Installateure)<br />
den Stand der Dinge kennen und danach handeln.<br />
Autor<br />
Johannes Buhn ist<br />
Leiter der Safe.t Academy<br />
von Bartec.<br />
Bartec GmbH,<br />
Max-Eyth-Str. 16, 97980 Bad Mergentheim,<br />
Tel. +49 (0) 7931 59 71 14,<br />
E-Mail: johannes.buhn@bartec.de<br />
16<br />
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11 / 2011
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anche<br />
Redundanzmodule überwachen Stromversorgung<br />
ab Ausgangsspannung bis zur Verdrahtung<br />
In Kombination mit Tauchlackierung minimieren die Geräte Stillstandszeiten<br />
Die Tauchlackierung der Stromversorgungen<br />
erreicht sonst unzugäng liche<br />
Stellen der Platine, so dass die lackierten<br />
Bereiche blau erscheinen.<br />
Die Produktfamilie Quint Power gestaltet die<br />
Stromversorgung in der Prozessindustrie zuverlässiger.<br />
Sie tritt als Redundanzmodul mit integrierter,<br />
tauchlackierter Stromversorgung <strong>auf</strong>.<br />
Das Produktionsumfeld der Prozessindustrie stellt besonders<br />
hohe Anforderungen an die Stromversorgung.<br />
Die Geräte müssen auch bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit<br />
und emittierten Schadgasen zuverlässig arbeiten.<br />
Der Anlagenplaner muss außerdem eine Entscheidung<br />
für oder gegen den Aufbau eines redundanten Systems<br />
treffen. Die Produktfamilie Quint Power von Phoenix<br />
Contact kombiniert beide Anforderungen und verspricht<br />
so, Stillstandszeiten zu minimieren.<br />
TAUCHLACKIERUNG BEDECKT ALLE geräteTEILE<br />
Abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit entsteht<br />
ein Feuchtefilm <strong>auf</strong> der Leiterplatte, was als elektrochemische<br />
Migration bezeichnet wird. Der Oberflächenwiderstand<br />
sinkt und damit die Isolationsfähigkeit der Baugruppe.<br />
Leiterbahnen und Lötwerkstoffe verlieren ihre<br />
Kontakteigenschaften und Leitfähigkeit. Es kann zum<br />
Ausfall des Gerätes kommen. Weitere Probleme ergeben<br />
sich aus korrosionsbedingten Kriechströmen und Unterbrechungen,<br />
die an Kupferkontakten vorkommen. Solche<br />
Störungen treten hauptsächlich in sulfierenden Atmosphären<br />
mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von mehr als<br />
60 Prozent <strong>auf</strong>.<br />
Die Beschichtung von Baugruppen schützt vor derartigen<br />
Ausfällen, wobei die Lackierung optimal <strong>auf</strong>getragen<br />
werden muss. Die Schutzlacke werden bei den<br />
Stromversorgungen der Produktfamilie Quint Power<br />
durch Eintauchen als dünner Film appliziert. Der Lack<br />
passt sich an die Konturen der Elektronik an. Im Vergleich<br />
zur Sprühlackierung sind bedrahtete Bauelemente<br />
wie Brückengleichrichter und Leistungshalbleiter<br />
komplett mit Lack versehen. Bauteile-Unterseiten, Hohlräume<br />
und Platinen-Schnittkanten werden ebenfalls<br />
vollständig lackiert.<br />
STROMVERSORGUNGEN ERFÜLLEN DIE ATEX-RICHTLINIE<br />
Neben den üblichen Zulassungen entsprechen die tauchlackierten<br />
Stromversorgungen mit 5 A und 10 A Nennstrom<br />
der EN 60079-15 (ATEX-Richtlinie). Sie dürfen also innerhalb<br />
des explosionsgefährdeten Bereichs montiert werden,<br />
in dem Betriebsmittel der Kategorie 3G erforderlich sind<br />
(II 3 G Ex nA nC IIC T4 Gc). Darüber hinaus liegt die Zulassung<br />
gemäß IECEx vor (Ex nA nC IIC T4 Gc). Alle Geräte<br />
der Produktfamilie Quint Power erfüllen zudem die<br />
UL-Norm ANSI/ISA 12.12.01 sowie die Vorgaben Class I,<br />
Division 2, Groups A, B, C und D (Hazardous Locations).<br />
Hat sich der Anwender für eine Stromversorgung entschieden,<br />
bleibt die Frage nach dem Aufbau der Versorgungs-<br />
Lösung. Redundanz spielt dabei eine große Rolle.<br />
KONTINUIERLICHE Spannungsversorgung<br />
Sofern der Betreiber ein besonders zuverlässiges Konzept<br />
fordert, wird eine „1+1“-Redundanz umgesetzt. Das bedeutet,<br />
dass zwei Module mit je 20 A ausgangsseitig parallel<br />
geschaltet sind, um eine 20 A-Last zu versorgen.<br />
Kommt es bei einem der Geräte zu einem internen Defekt<br />
oder zum Ausfall der primärseitigen Netzspannungs-<br />
Versorgung, übernimmt die zweite Stromversorgung<br />
automatisch die Belieferung der Verbraucher. Dazu müssen<br />
die Netzteile so dimensioniert sein, dass der komplette<br />
Strombedarf der angekoppelten Lasten in sämtlichen<br />
Betriebszuständen von nur einem Modul abgedeckt<br />
werden kann. Diese Lösung allerdings besitzt zwei Fehlerquellen:<br />
Tritt ein Kurzschluss in der zuführenden<br />
18<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
NAMUR-Signal reicht<br />
Leitung <strong>auf</strong>, sinkt die Spannung an der Last <strong>auf</strong> 0 V,<br />
da der gesamte Strom in den Kurzschluss fließt. Ein<br />
unbemerkter Leitungsbruch oder ein falsch angeschlossenes<br />
Netzteil führen ebenfalls zu Problemen.<br />
Die Last würde dann vom funktionsfähigen Gerät versorgt.<br />
Es besteht jedoch keine Redundanz mehr, was<br />
der Anwender erst dann bemerkt, wenn auch diese<br />
Stromversorgung nicht mehr arbeitet.<br />
Werden die Stromversorgungen entkoppelt, hat ein<br />
Kurzschluss am Ausgang eines der Netzteile oder in<br />
der Zuleitung vom Netzteil zur Diode keinen Einfluss<br />
mehr <strong>auf</strong> die Last. Zum Einsatz in der Prozesstechnik<br />
eignen sich insbesondere Quint Dioden für Lastströme<br />
bis 40 A und 24 oder 48 V DC. Die Dioden entsprechen<br />
der EN 60079-15.<br />
Die Redundanzmodule Trio Diode mit 2 x 10 A Spannung<br />
von 24 bis 48 V DC kontrollieren die Ausgangsspannungen<br />
der Stromversorgungen sowie die Verdrahtung<br />
bis zur Diode. Sie informieren dann via potentialfreiem<br />
Relaiskontakt und die LED „Redundancy<br />
OK“ über Spannungseinbrüche. Entsteht <strong>auf</strong> einem der<br />
Pfade ein Kurzschluss, wird die Last weiterhin beliefert.<br />
Die Trio Diode erkennt außerdem Leitungsbrüche<br />
und meldet sie an die Steuerung.<br />
GLEICHMÄSSIGE AUSLASTUNG REDUNDANTER TEILE<br />
Die Redundanzmodule Quint Oring überwachen als<br />
einzige Geräte die gesamte redundante Lösung von der<br />
Ausgangsspannung der Stromversorgungen bis zur<br />
kompletten Verdrahtung zwischen Netzteilen und Last<br />
sowie der Entkopplungsstrecke bis zum Laststrom. Kritische<br />
Betriebszustände zeigen sie frühzeitig an.<br />
Die Auto Current Balancing Technology (ACB) verdoppelt<br />
die Lebensdauer der redundant betriebenen<br />
Stromversorgungen, indem beide Netzteile gleichmäßig<br />
ausgelastet werden. Zu diesem Zweck arbeiten<br />
die Quint-Oring-Module mit Mosfets statt der herkömmlichen<br />
Schottky- oder Silizium-Dioden. Die<br />
Mosfets regeln Eingangsspannungs-Differenzen bis<br />
300 mV aus. Der Laststrom teilt sich automatisch vollkommen<br />
symmetrisch <strong>auf</strong>. Im Vergleich zu den bisherigen<br />
Lösungen spart diese Anwendung bis zu 70<br />
Prozent Energie ein. Anzeige und Darstellung erfüllen<br />
die Namur-Empfehlung.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing. Anja Moldehn ist<br />
Mitarbeiterin im Marketing<br />
Strom versorgung bei der<br />
Phoenix Contact Electronics<br />
GmbH.<br />
Phoenix Contact Electronics GmbH,<br />
Dringenauer Str. 30, D-31812 Bad Pyrmont,<br />
Tel. +49 (0) 5281 94 60,<br />
E-Mail: amoldehn@phoenixcontact.com<br />
Der elektronische Grenzsignalgeber Typ<br />
3738 mit Magnetventil bietet die ideale<br />
Lösung für Schwenkarmaturen. Als erstes<br />
Gerät seiner Art ermöglicht es die Speisung<br />
von Elektronik und berührungslosem<br />
Wegsensor aus dem NAMUR-Signal. So<br />
kann die Verkabelung unverändert bleiben.<br />
Trotzdem bietet es eine Fülle zusätzlicher<br />
Funktionen bei der Automatisierung<br />
von Auf/Zu-Armaturen, wie zum Beispiel<br />
die Konfigurierung per Tastendruck, Selbstabgleich<br />
und Diagnose. Justierarbeiten<br />
entfallen ganz. Dank integrierter Luftführung<br />
braucht das Gerät keine externe Verrohrung.<br />
Einfach anschrauben, Knopf für<br />
Selbstabgleich drücken, fertig.<br />
Der neue Grenzsignalgeber macht die<br />
Auf/Zu-Armatur smart und kompakt.<br />
A01087DE<br />
SAMSON AG · MESS- UND REGELTECHNIK<br />
Weismüllerstraße 3 · 60314 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 069 4009-0 · Telefax: 069 4009-1507<br />
E-Mail: samson@samson.de · Internet: www.samson.de
praxis<br />
Füllstand von Flachmännern wird im<br />
Durchlicht-Verfahren effizient kontrolliert<br />
Flascheninspektion bei Getränkehersteller mit Leuze electronic Smart-Kamera realisiert<br />
Bevor Getränke zur Auslieferung gelangen, gibt es<br />
einiges zu kontrollieren – schließlich muss die<br />
Qualität in jeder Hinsicht stimmen. Dazu gehören<br />
Kontrollen der Etiketten, des Füllstands und der Verschlüsse.<br />
Mehr oder weniger transparente Flaschen<br />
und Flüssigkeiten, hohe Durchl<strong>auf</strong>geschwindigkeiten<br />
und eine raue, meist auch feuchte Industrieumgebung<br />
bilden anspruchsvolle Rahmenbedingungen<br />
für die Sensorik sogenannter Flaschen-Inspektionsanlagen.<br />
In der Kornbrennerei Wilhelm Büchter prüfen<br />
die Smart-Kameras LSIS 412i von Leuze electronic<br />
mit spezieller Analysetechnik, mehrere Merkmale<br />
in Sekundenbruchteilen.<br />
AUSWERTUNG ERFORDERTE VIEL MANUELLE ARBEIT<br />
Die Küppersbusch GmbH in Velbert entwickelt und baut<br />
seit 1972 Füllmaschinen für flüssige bis pastöse Produkte,<br />
Verschließ- und Etikettiermaschinen sowie Endkontrollsysteme.<br />
Dazu gehören auch automatisierte Messund<br />
Prüfsysteme, wie Flascheninspektoren für den Bereich<br />
der Qualitätssicherung. Die Anlagen sind den jeweiligen<br />
Kundenanforderungen angepasst. Die<br />
verwendeten Anlagenelemente sind jedoch bewährte<br />
Module. „Dennoch entwickeln wir immer neue Ideen,<br />
um die Qualiät und Leistungsfähigkeit unserer Anlagen<br />
zu verbessern“, sagt Jochen Küppersbusch, Geschäftsführer<br />
des Unternehmens.<br />
Mit dieser Zielsetzung fertigte die Firma auch einen<br />
Inspektor für die Endkontrolle von 0,2-Liter-Taschenflaschen<br />
mit Spirituosen, sogenannten Flachmännern, an<br />
(Bild 1 und Kastentext). Die Kernkomponente bildet das<br />
Kamera-Kontrollsystem <strong>auf</strong> Basis der Smart-Kamera<br />
LSIS 412i von Leuze electronic. Sie prüft mehrere Merkmale<br />
gleichzeitig (Bilder 2 und 3).<br />
3 klare PRO SEKUNDE, 10 000 FLASCHEN STüNDlich<br />
Der neue Flascheninspektor ist für 10 000 Flaschen pro<br />
Stunde, also knapp drei Flaschen in der Sekunde, ausgelegt.<br />
In dieser kurzen Zeit muss er kontrollieren, ob<br />
Etiketten vorhanden sind, die Füllmenge stimmt und<br />
ob die Flaschen richtig verschlossen sind. „Die klaren<br />
Flüssigkeiten in transparenten Flaschen stellen besondere<br />
Anforderungen“, erklärt Klaus Voigt, der bei Küppersbusch<br />
für Entwicklung, Konstruktion und Inbetriebnahme<br />
verantwortlich ist. Insgesamt reicht das<br />
Spektrum der im Wechsel zu kontrollierenden Produkte<br />
von ganz klaren, durchsichtigen über diffus bräunlichen<br />
bis zu fast undurchsichtigen Spirituosen. Für<br />
diese Anforderungen ist die Smart-Kamera LSIS 412i<br />
eine gute Lösung. Besonders wegen der integrierten Binary<br />
Large Objects-Analyse (BLOB-Analyse) mit pixel-<br />
Kumpel, Korn und Kohlenstaub<br />
Die „Flachmänner“ (Taschenflaschen)<br />
sind seit den frühen Jahren<br />
der Wilhelm Büchter Kornbrennerei<br />
in Castrop-Rauxel Erfolgsträger.<br />
Was mit dem ersten Brennrecht<br />
des Bauern August Büchter<br />
im Jahr 1880 begann, fand als<br />
„Rachenputzer“ rasch Freunde bei<br />
den Kumpels unter Tage. Sie<br />
ließen sich vor Schichtbeginn<br />
„Alter Büchter“ in die blechernen<br />
Kaffekannen füllen und erhofften<br />
sich davon ein probates Mittel<br />
gegen den gefährlichen Kohlenstaub.<br />
Echt westfälischer Korn ist nach<br />
wie vor eine Traditionsmarke<br />
unter Büchters Edelsprituosen.<br />
Seit 1964 fließen diese mit<br />
ständiger Qualitätskontrolle aus<br />
vollautomatischen Abfüllanlagen.<br />
Jährliche DLG-Prämierungen<br />
zeichnen die Büchter´schen<br />
Kornbrände aus. Die Tradition des<br />
Unternehmens wird bereits in<br />
vierter und fünfter Generation<br />
fortgesetzt.<br />
20<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Herausforderung<br />
Automatisierungstechnik<br />
Mit dem <strong>atp</strong>-award werden zwei Autoren der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> für<br />
hervorragende Beiträge ausgezeichnet. Ziel dieser Initiative<br />
ist es, Wissenschaftler und Praktiker der Automatisierungstechnik<br />
anzuregen, ihre Ergebnisse und Erfahrungen in Veröffentlichungen<br />
zu fassen und die Wissenstransparenz in der<br />
Automatisierungstechnik zu fördern. Teilnehmen kann jeder<br />
Autor der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht älter als<br />
35 Jahre ist. Nach Veröffentlichung eines Beitrags ist der Autor,<br />
wenn er die Bedingung erfüllt, automatisch im Pool. Die<br />
Auswahl des Gewinners übernimmt die <strong>atp</strong>-Fachredaktion.<br />
Derjenige Autor, der im Autorenteam der jüngste ist, erhält<br />
stellvertretend für alle Autoren die Auszeichnung. Der Preis<br />
wird in zwei Kategorien ausgelobt: Industrie und Hochschule.<br />
Die Kategorien ermittlung ergibt sich aus der in dem Beitrag<br />
angegebenen Adresse des jüngsten Autors.<br />
Bild 1: Im Durchlicht-Verfahren wird der Füllstand<br />
als dunkle Linie sichtbar – hervorgerufen durch die<br />
Lichtbrechung an der Flüssigkeitsoberfläche.<br />
Bilder: Leuze Electronic<br />
genauer Auswertung sagt Voigt: „Ich wüsste nicht wie<br />
man es besser lösen könnte.“<br />
BINARY LARGE OBJECTS-ANALYSE MACHT’S MÖGLICH<br />
Die Binary Large Object-Analyse der verwendeten Gerätevariante<br />
LSIS 412i realisiert prozesssicher die gestellten<br />
Kontroll<strong>auf</strong>gaben. Ein sogenanntes BLOB kennzeichnet<br />
einen zusammenhängenden Bereich von Bildpunkten<br />
(Pixel), deren Lichtintensität zwischen definierten<br />
Grenzwerten liegt. Durch Einstellung von<br />
BLOB-Merkmalen lassen sich einzelne Objekte oder<br />
Objektgruppen anhand ihrer geometrischen Merkmale<br />
sicher erkennen und unterscheiden – auch dann noch,<br />
wenn andere Verfahren bereits fehlerhafte Ergebnisse<br />
liefern. Die an den Anlagenbauer gestellten Aufgaben,<br />
wie die Erkennung der Etiketten, der Verschlüsse sowie<br />
der dunklen Füllstandslinie, sind typische Aufgaben<br />
der BLOB-Analyse.<br />
Zur Bewertung von Objekten stehen verschiedene Kriterien<br />
wie Fläche, Umfang, Formfaktor sowie Höhe beziehungsweise<br />
Breite, Länge, Winkel und Mittelpunkt zur<br />
Verfügung. Eine Fläche ist beispielsweise die Summierung<br />
der in einem BLOB eingeschlossenen Pixel, gegebenenfalls<br />
sogar einschließlich möglicher Freiflächen innerhalb<br />
des BLOBs. Der Umfang wird über die Länge der<br />
äußeren Konturlinie eines BLOBs in Pixel definiert. Die<br />
leistungsfähige Analyse macht es möglich, diverse Erken-<br />
Veröffentlichungen – Beitrag zum Wissenspool im<br />
Fachgebiet Automatisierungstechnik<br />
Die Entwicklung eines Wissensgebietes erfolgt durch einen<br />
kooperativen Prozess zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung,<br />
Konzept- und Lösungsentwicklung und Anwendung<br />
in der Praxis. Ein solcher Prozess bedarf einer gemeinsamen<br />
Informationsplattform. Veröffentlichungen<br />
sind die essentielle Basis eines solchen Informationspools.<br />
Der <strong>atp</strong>-award fördert den wissenschaftlichen Austausch<br />
im dynamischen Feld der Automationstechnik. Nachwuchsinge<br />
nieure sollen gezielt ihre Forschungen präsentieren<br />
können und so leichter den Zugang zur Community erhalten.<br />
Der Preis ist mit einer Prämie von jeweils 2000€ dotiert.<br />
Die Auswahl erfolgt in zwei Stufen:<br />
Voraussetzung für die Teilnahme ist die Veröffentlichung<br />
des Beitrags in der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>. Jeder Aufsatz, der als Hauptbeitrag<br />
für die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> eingereicht wird, durchläuft das<br />
Peer-Review-Verfahren. Die letzte Entscheidung zur Veröffentlichung<br />
liegt beim Chefredakteur. Wird ein Beitrag veröffentlicht,<br />
kommt er automatisch in den Pool der <strong>atp</strong>-award-<br />
Bewerber, vorausgesetzt einer der Autoren ist zum Zeitpunkt<br />
der Veröffentlichung nicht älter als 35 Jahre. Ausgezeichnet<br />
wird der jüngste Autor stellvertretend für alle Autoren der<br />
Gruppe. Eine Jury aus Vertretern der <strong>atp</strong>-Fachredaktion<br />
und des -Beirats ermittelt schließlich den Gewinner in den<br />
jeweiligen Kategorien Hochschule und Industrie.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Beiträge richten Sie bitte an:<br />
Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />
Herrn Prof. Leon Urbas<br />
Chefredakteur <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> / automatisieren! by <strong>atp</strong><br />
Rosenheimer Straße 145 • 81761 München<br />
Tel. +49 (0) 89 45051 418 • E-Mail: urbas@oiv.de<br />
Beachten Sie die Autorenhinweise der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
für Hauptbeiträge unter folgendem Link:<br />
http://www.<strong>atp</strong>-online.de<br />
Bitte senden Sie Ihre Beiträge an: urbas@oiv.de
praxis<br />
Bild 2: Im kompakten Gehäuse der<br />
LSIS 400i Smart-Kamera sind alle<br />
notwendigen Komponenten integriert.<br />
Bild 3: Die Smart-<br />
Kamera LSIS 412i von<br />
Leuze electronic<br />
eignet sich gut für die<br />
Kontroll <strong>auf</strong>gaben im<br />
Flachmann-Inspektor<br />
von Küppersbusch.<br />
nungsmerkmale zusammenzufassen und mit einer Einstellung<br />
alle Flüssigkeits- und Flaschenvarianten abzudecken.<br />
„Die Erkennung funktioniert so gut, dass selbst bei<br />
schwappender Flüssigkeit der Füllstand prozesssicher<br />
erfasst wird“, ergänzt Voigt.<br />
AUTOMATISCHE AUSWERTUNG<br />
Dass die Identifikation und Qualitätssicherung derart<br />
fehlerfrei funktioniert, ermöglichen LSIS 412i Smart-<br />
Kameras. Sie bieten alle notwendigen Komponenten,<br />
von der Beleuchtung über die Bildverarbeitung, Bildund<br />
Programmspeicher, Display, Ergebnisanzeige und<br />
Schnittstellen in einem Gehäuse mit kompakter B<strong>auf</strong>orm.<br />
Damit sind sie unter engen Platzverhältnissen in<br />
Maschinenkonzepte zu integrieren. Dank industrietauglicher,<br />
robuster Ausführung ist die LSIS-Baureihe<br />
für die raue und meist feuchte Umgebung in der Getränkeproduktion<br />
geeignet.<br />
Die motorische Fokusverstellung erlaubt den flexiblen<br />
Einsatz der Kameras. Dank dieser Technologie können<br />
Applikationen mit variierenden Kameraabständen,<br />
wie etwa bei unterschiedlichen Flaschengrößen, realisiert<br />
werden. Die entsprechende Fokuseinstellung erfolgt<br />
automatisch über die Programmauswahl und<br />
muss bei einem Sortenwechsel nicht manuell durchgeführt<br />
werden. Außerdem ist so die optimale Einstellung<br />
reproduzierbar.<br />
Ebenfalls qualitätsrelevant ist die integrierte Beleuchtung.<br />
Anstatt wie üblich nur LEDs zu verwenden,<br />
hat Leuze electronic hierfür zusätzlich eine spezielle<br />
Optik entwickelt. Sie liefert ein rechteckig intensiv<br />
und gleichmäßig ausgeleuchtetes Bildfeld, das in einer<br />
Entfernung von 50 bis 250 mm zum Prüfobjekt besonders<br />
homogen ist.<br />
Für Kontroll<strong>auf</strong>gaben im Durchlicht-Verfahren, wie<br />
im Fall der Flachmann-Inspektion, lässt sich die integrierte<br />
Beleuchtung ausschalten und durch eine externe<br />
Lichtquelle ersetzen (Bild 1). „Damit erkennen wir<br />
auch bei klaren Flüssigkeiten in transparenten Flaschen<br />
die Füllstände“, erklärt Voigt. Der Füllstand ist als<br />
dunkle Linie sichtbar, die über die Bewertungskriterien<br />
der bereits erwähnten BLOB-Analyse erkennbar ist.<br />
PARAMETIERUNG DER KAMERAS ÜBER WEBBROWSER<br />
Neben der Funktionssicherheit der LSIS 412i freut sich<br />
Voigt über die einfache Parametrierung, die er direkt<br />
über den Webbrowser erledigt hat.<br />
Dank der Parametrieroberfläche webConfig ist die Installation<br />
einer speziellen Software <strong>auf</strong> einem separaten<br />
Rechner nicht notwendig. Der Zugang zum Gerät erfolgt<br />
via Ethernet.<br />
Autor<br />
Leuze Electronic GmbH + Co. KG,<br />
In der Braike 1, D-73277 Owen,<br />
Tel. +49 (0) 7021 57 31 40,<br />
E-Mail: werner.partl@leuze.de<br />
Dipl.-Ing. (FH) Werner<br />
partl ist Produktmanager<br />
Bildverarbeitung im<br />
Geschäftsbereich Logistik<br />
der Leuze Electronic GmbH.<br />
22<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
„ Mit PLICSMOBILE bieten wir eine preiswerte<br />
Lösung zur drahtlosen Messdatenübertragung.“<br />
Neu von VEGA: Prozessdatenübertragung per GSM/GPRS mit PLICSMOBILE.<br />
Kostengünstig und zuverlässig überbrückt PLICSMOBILE jede Entfernung – ohne<br />
Leitungen, einfach über das Mobiltelefonnetz. Die Messdaten einzelner und verteilter Messstellen<br />
stehen weltweit zur Verfügung. Und selbstverständlich ist PLICSMOBILE vollständig<br />
in das modulare VEGA-Gerätekonzept plics ® integriert.<br />
www.vega.com/innovation
praxis<br />
Durchgängige Softwarelösung von der<br />
Produktion bis zur Qualitätssicherung<br />
Im kompletten Herstellungsprozess eine klare Leistungssteigerung erzielt<br />
Herbert Schrobenhauser ist als Elektrotechniker für<br />
die Steuerungs- und Prozessleittechnik bei der Adelholzener<br />
Alpenquellen GmbH zuständig.<br />
In der Anlage werden stündlich<br />
240 000 Flaschen abgefüllt.<br />
Die Adelholzener Alpenquellen GmbH stellt Heilwasser,<br />
Mineralwässer und Erfrischungsgetränke unter den<br />
Marken Adelholzener und Active O2 her. Das Wasser hierfür<br />
stammt aus den bayerischen Alpen und wird direkt<br />
aus einem 140 Meter tiefen Mineralwasservorkommen<br />
unterhalb eines Naturschutzgebietes entnommen. Die Firma<br />
setzt für die Abfüllanlagen aktuelle Technologien ein<br />
und ist damit in der Lage, die hohen Ansprüche an Qualität<br />
und Hygiene beim Abfüllprozess zu erfüllen. Gemeinsam<br />
mit den Maschinenlieferanten der Füllanlagen<br />
verwirklicht Adelholzener die Anforderungen an Qualität<br />
und Umweltschutz. Um die eigenen Produktionsanlagen<br />
zu bedienen und zu überwachen, nutzt der Getränkeanbieter<br />
die HMI/Scada-Software von Copa-Data.<br />
Effiziente Abfüllung in neun Anlagen<br />
Produziert wird <strong>auf</strong> insgesamt neun Füllanlagen. Davon<br />
sind drei Anlagen zur Abfüllung von PET-Mehrwegflaschen,<br />
drei zur Abfüllung von PET-Einwegflaschen und<br />
drei Anlagen für die Abfüllung von Glas-Mehrwegflaschen<br />
eingerichtet.<br />
Der Getränkeanbieter kann damit stündlich etwa<br />
240 000 Flaschen des Produktsortiments produzieren.<br />
Für den PET-Mehrwegbereich verfügt das Unternehmen<br />
seit 2004 über insgesamt zwei Flaschensortieranlagen.<br />
Das computergesteuerte, vollautomatische Flaschensortierzentrum<br />
ermöglicht es, umweltschonende PET-Mehrwegflaschen<br />
wiederzuverwenden. Die Befüllung der<br />
PET-Flaschen geschieht in Reinräumen unter aseptischen,<br />
also keimfreien, Bedingungen.<br />
UMFASSEND BEOBACHTen UND INTUITIV BEDIENEN<br />
Für die Abfüllanlagen setzt das Traditionshaus <strong>auf</strong> die<br />
Software Zenon. Früher dominierten Insellösungen die<br />
Produktionsanlage. Die Kommunikation zwischen den<br />
Systemen war in der Regel seriell.<br />
„Ziel war es, unsere Anlagen und Maschinen umfassend<br />
beobachten und intuitiv und flexibel bedienen zu<br />
können. Copa-Data betrachten wir als Vorreiter für Visualisierungslösungen.<br />
Wir setzen konsequent <strong>auf</strong> das<br />
Windows-basierende HMI/Scada-System Zenon“, erklärt<br />
Herbert Schrobenhauser, Verantwortlicher für Steuerungs-<br />
und Prozessleittechnik bei der Adelholzener Alpenquellen<br />
GmbH.<br />
Ein weiterer Grund für diese Lösung war die Durchgängigkeit<br />
des Systems. Die Software lässt sich im Internet/Intranet<br />
einsetzen und läuft <strong>auf</strong> allen Microsoft-<br />
Betriebssystemen wie Windows CE oder Windows Vista.<br />
Somit ist sie <strong>auf</strong> verschiedenen Zielgeräten verfügbar:<br />
Egal ob es sich um ein Panel oder einen PC handelt, der<br />
Anwender kann in jeder Situation mit ein und demselben<br />
Editor arbeiten. Alle erstellten Variablen, Bilder und<br />
24<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Objekte lassen sich ohne Änderung <strong>auf</strong> den unterschiedlichen<br />
Plattformen nutzen.<br />
Zenon ermöglicht es, mittels eines Integrationsprojekts<br />
<strong>auf</strong> einfache Art und Weise eine dezentrale Anlagenkonfiguration<br />
realitätsnah abzubilden. Die Software ist ein<br />
intuitives Werkzeug, das keine Programmierungen notwendig<br />
macht. Da die Lösung von verschiedenen Anwendern<br />
genutzt wird – von einem Elektroplaner ebenso<br />
wie von Mitarbeitern aus der Instandhaltung –, ist dies<br />
ein entscheidender Pluspunkt. „Ebenso wichtig war es<br />
für uns, mit einem europäischen, deutschsprachigen<br />
Partner zusammenzuarbeiten, der selbst bei anspruchsvollen<br />
Aufgaben schnell reagiert und uns unbürokratisch<br />
in allen Fragen unterstützt“, ergänzt der Verantwortliche<br />
Herbert Schrobenhauser.<br />
SOFTWARE FÜR Produktion und GLT<br />
Die Software wird für die Bedienung und Beobachtung<br />
der Abfüllmaschinen eingesetzt. Der Getränkeanbieter<br />
kontrolliert Temperatur, Wirkungsgrad der Fülllinie,<br />
CO 2<br />
-Wert im Getränk, Brix-Wert oder Mischungsverhältnis<br />
mit der Lösung und dokumentiert alle produktionsnahen<br />
Bedienhandlungen damit.<br />
Auch das Alarmmanagement überlässt Adelholzener<br />
der Software: In der Wasserver- und entsorgung überwacht<br />
sie die gewünschte Wasserqualität. Zudem dient<br />
Zenon der Objektüberwachung der im Standortumkreis<br />
verteilten Wasserbrunnen. Die Lösung wird auch für die<br />
Gebäudeleittechnik eingesetzt. Sie überwacht Arbeitsluft,<br />
Sterilluft, Dampf, Strom, CO 2<br />
, O 2<br />
, N 2<br />
, und kontrolliert<br />
Heizungs-, Lüftungs- und Klimaeinrichtungen.<br />
Die betriebseigene Kläranlage wird nach kommunalen<br />
Regeln ebenfalls mit der Software gesteuert. Die Klärwerte<br />
haben sich inzwischen <strong>auf</strong> ein überdurchschnittliches<br />
Reinheitsniveau verbessert. Der Vorteil für den<br />
Anwender: Der Schulungs<strong>auf</strong>wand reduziert sich für die<br />
Mitarbeiter erheblich, da sie sich nur einmal einarbeiten<br />
müssen und das Gelernte in verschiedenen Unternehmensbereichen<br />
anwenden können. Auch der Administrations<strong>auf</strong>wand<br />
lässt sich damit senken.<br />
ISO 26000 in der Praxis<br />
DER RATGEBER ZUM LEITFADEN FÜR SOZIALE<br />
VERANTWORTUNG UND NACHHALTIGKEIT<br />
Planung, Produktion und analyse<br />
Zenon stellt die Kennzahlen aller Fülllinien, wie beispielsweise<br />
Flaschenzahlen, Chargen-Kennzahlen und<br />
Zeitspannen dar und archiviert auch Daten mit dem<br />
Archivserver.<br />
Die archivierten Daten liegen als komprimierte und<br />
manipulationssichere Dateien <strong>auf</strong> dem zentralen Leitstandserver.<br />
Damit wird Adelholzener den Anforderungen<br />
der FDA gerecht. FDA steht für „Food and Drug Administration“<br />
und ist als Arzneimittelzulassungsbehörde<br />
im US-Gesundheitsministerium verantwortlich für<br />
den Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie der Überwachung<br />
von Medizinprodukten und Lebensmitteln.<br />
Die abgespeicherten und archivierten Daten können anschließend<br />
in „Qualifax“ weiterverarbeitet werden. Qua-<br />
NEU-<br />
ERSCHEINUNG<br />
ERSCHEINUNG<br />
✁<br />
Die ISO 26000 ist ein Leitfaden, der Orientierung gibt, wie sich Organisationen verhalten<br />
sollten, damit sie nach internationalem Verständnis als gesellschaftlich verantwortungsvoll<br />
angesehen werden. Im Fokus dieses aktuellen Ratgebers steht<br />
das Wirtschaftsleben im Zeitalter der Globalisierung.<br />
Hrsg.: K.-C. Bay<br />
1. Auflage 2010, ca. 200 Seiten, Hardcover<br />
Oldenbourg Industrieverlag München<br />
www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />
SOFORTANFORDERUNG PER FAX: +49 (0)201 / 82002-34 oder im Fensterumschlag einsenden<br />
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Ex.<br />
ISO 26000 in der Praxis<br />
1. Auflage 2010 – ISBN: 978-3-8356-3222-6 für € 49,90 (zzgl. Versand)<br />
Die bequeme und sichere Bezahlung per Bankabbuchung wird mit einer Gutschrift<br />
von € 3,- <strong>auf</strong> die erste Rechnung belohnt.<br />
Firma/Institution<br />
Vorname, Name des Empfängers<br />
Straße/Postfach, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Antwort<br />
Vulkan Verlag GmbH<br />
Versandbuchhandlung<br />
Postfach 10 39 62<br />
45039 Essen<br />
Telefon<br />
Telefax<br />
E-Mail<br />
Branche/Wirtschaftszweig<br />
Bevorzugte Zahlungsweise Bankabbuchung Rechnung<br />
Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder<br />
durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die<br />
rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH, Versandbuchhandlung, Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />
Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der l<strong>auf</strong>enden Kommunikation werden personenbezogene<br />
Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom<br />
Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien- und Informationsangebote<br />
informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.<br />
Bank, Ort<br />
Bankleitzahl<br />
✘<br />
Datum, Unterschrift<br />
Kontonummer<br />
PAISO12010<br />
ISO_26000Anzeige_A5_quer.indd 1<br />
18.10.2010 17:23:51 Uhr
praxis<br />
Bild 3:<br />
Die Software<br />
visualisiert einen<br />
Tank des Zuckertanklagers<br />
und zeigt<br />
produktionsrelevante<br />
Statusinformationen<br />
an.<br />
Bilder: Copa-Data<br />
lifax ist das Weihenstephaner Managementinformationssystem,<br />
das alle relevanten Informationen aus Produktion<br />
und Qualitätssicherung zusammenführt und schnell Auskunft<br />
über die Daten des gesamten Produktionsabl<strong>auf</strong>s<br />
vom Rohstoffeingang bis zum Warenausgang liefert.<br />
Gekoppelt sind die beiden Lösungen über das Archivmodul.<br />
Die manipulationssicheren Dateien werden in<br />
die Qualifax-Datenbank exportiert. Diese Produktionsdaten<br />
werden mit den Artikelstammdaten (wie Etikette,<br />
Verschluss, Rezept) verarbeitet, um die Produktionsplanung<br />
und die entsprechende Logistik zu verbessern.<br />
Damit der Getränkelieferant die geplanten Produkte in<br />
den gewünschten Chargenprozessen erzeugen kann,<br />
müssen die Rohstoffe über automatisierte Scannerfunktionen<br />
eindeutig ausgewählt werden.<br />
Ein Barcodescanner liest hierfür die Informationen der<br />
Container ein. Damit wird auch die eindeutige Chargenrückverfolgung<br />
sichergestellt. Stimmt die Qualität, können<br />
sich die Mitarbeiter des Getränkeanbieters vollkommen<br />
<strong>auf</strong> die Ausbringleistung konzentrieren.<br />
Die erwähnte Lösung erfasst dazu alle relevanten Daten<br />
wie Flaschenanzahl, Getränk und Produktionszeitraum.<br />
Anschließend archiviert die Software diese Informationen<br />
und stellt die Daten als Trend dar. Diese Kennlinien<br />
verdeutlichen den Ist-Zustand der Produktion.<br />
Zusätzlichen Überblick verschafft das von der Krones<br />
AG applizierte „Zenon Weltbild“. Hier ist das gesamte<br />
Linienlayout erfasst, alle Maschinen und Aggregate werden<br />
übersichtlich dargestellt.<br />
Das Weltbild ermöglicht eine überlagerte Liniendiagnose<br />
und zeigt <strong>auf</strong>, an welchem Aggregat Störungen <strong>auf</strong>treten<br />
und um welche Störungen es sich handelt. Der<br />
Benutzer kann das Linienlayout <strong>auf</strong>zoomen, um die Maschinen<br />
und Aggregate bis ins Detail – beispielsweise<br />
eines einzelnen Ventils – zu betrachten.<br />
DIE LEISTUNG DER ANLAGE KLAR GESTEIGERT<br />
Ziel der Adelholzener Alpenquellen ist es, mit Zenon<br />
die Produktionsanlagen besser zu bedienen und zu<br />
warten, eine umfassende Kontrolle über die Ist-Leistung<br />
zu bekommen und gleichzeitig die Anlagenauslastung<br />
zu optimieren. Herbert Schrobenhauser: „Die<br />
Ziele, die Produktionsanlagen besser zu bedienen und<br />
zu warten, die Ist-Leistung umfassend zu kontrollieren<br />
und die Anlagenauslastung zu optimieren haben wir<br />
erreicht. Wir sichern so die Qualität unserer Produkte.<br />
Dies ist entscheidend in der Lebensmittelbranche. Parallel<br />
dazu identifizieren wir weitere Leistungspotenziale,<br />
um die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens<br />
zu erhalten und stärken.“<br />
Heute sind <strong>auf</strong> einen Blick alle Produktionsdaten in<br />
den Abfüllanlagen sichtbar. Adelholzener kann Entscheidungen<br />
für eine optimale Ausbringleistung<br />
schnell treffen. Die Ausbringleistung liegt heute bei<br />
400 Millionen Füllungen pro Jahr. Das ist eine Steigerung<br />
innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 100<br />
Millionen Füllungen.<br />
Autor<br />
Jürgen Schrödel<br />
ist Managing Director<br />
der Copa-Data GmbH.<br />
Copa-Data GmbH,<br />
Haidgraben 2, D-85521 Ottobrunn,<br />
Tel. +49 (0) 89 66 02 98 90<br />
26<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Sprechstunde<br />
2. Explosionsschutz-Sprechstunde<br />
Explosionsschutz<br />
17. + 18.11.2011, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />
www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />
Programm<br />
Eigensicherheit<br />
SIL und Explosionsschutz<br />
Zündschutzarten und ausgewählte Beispiele<br />
Betriebssicherheitsverordnung<br />
Technische Regeln Betriebssicherheit TRBS<br />
Referenten<br />
Moderation: Jürgen George,<br />
Pepperl+Fuchs GmbH<br />
Jürgen George, Dr. Andreas Hildebrandt,<br />
Gerhard Jung, Patrick Lerévérend,<br />
Michael Wenglorz, Thomas Westers<br />
Pepperl+Fuchs GmbH<br />
Wolfgang Gohm<br />
Extronic Gohm Consulting<br />
Arnold Staedel<br />
TÜV SÜD Industrie Service GmbH<br />
Reinhard Wilkens<br />
Physikalisch-Technische-Bundesanstalt<br />
Christoph Thust<br />
Infracor GmbH<br />
Dr. Michael Wittler<br />
DEKRA Exam GmbH<br />
Wann und Wo?<br />
Termin<br />
Donnerstag, 17.11.2011<br />
Veranstaltung (11:30 – 17:30 Uhr)<br />
„Get-Together“ mit Abendessen (ab 18:30 Uhr)<br />
Freitag, 18.11.2011<br />
Veranstaltung (9:00 – 15:00 Uhr)<br />
Ort<br />
Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />
Zielgruppe<br />
Anwender und Hersteller aus der<br />
Prozessautomatisierung<br />
Teilnahmegebühr<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>-Abonnenten 540 €<br />
Firmenempfehlung 590 €<br />
reguläre Teilnahmegebühr 690 €<br />
Im Preis enthalten sind die Tagungsunterlagen<br />
sowie das Catering (Kaffee, 2x Mittagsimbiss,<br />
„Get-Together“ mit Abendessen).<br />
Veranstalter<br />
§ 12<br />
BetrSichV<br />
Fragen Sie!<br />
Die Explosionsschutz-Sprechstunde gibt Ihnen ausreichend<br />
Gelegenheit, Ihre individuellen Fragen zu stellen und offen<br />
mit den praxiserfahrenen Referenten zu diskutieren.<br />
Stellen Sie Ihre Fragen rechtzeitig unter<br />
www.explosionsschutz-sprechstunde.de.<br />
Weitere Informationen und Online-Anmeldung unter<br />
www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />
Fax-Anmeldung: 089 - 450 51-323 oder unter www.explosionsschutz-sprechstunde.de<br />
Ich habe die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> abonniert<br />
Ich habe die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> nicht abonniert<br />
Ich komme <strong>auf</strong> Empfehlung von Firma: .....................................................................................................................................................................<br />
Vorname, Name des Empfängers<br />
Telefon<br />
Telefax<br />
Firma/Institution<br />
E-Mail<br />
Straße/Postfach<br />
Land, PLZ, Ort<br />
Nummer<br />
✘<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
Ihre freiwilligen Angaben werden zusammen mit den für die Vertragsabwicklung erforderlichen Daten von uns und der Unternehmensgruppe, unseren Dienstleistern sowie anderen<br />
ausgewählten Unternehmen verarbeitet und genutzt, um Sie über Produkte und Dienstleistungen zu informieren.<br />
Wenn Sie dies nicht mehr wünschen, schreiben Sie bitte an: Oldenbourg Industrieverlag, Rosenheimer Str. 145, D-81671 München
praxis<br />
Software zur Prozessmodellierung vereinfacht den<br />
Übergang von Pilotphase zu kommerzieller Anlage<br />
Bioraffinierie erzeugt hochwertiges Synthesegas aus Abfallprodukt der Zelluloseherstellung<br />
Das schwedische Unternehmen Chemrec hat eine<br />
Technologie für die Vergasung von Schwarzlauge<br />
entwickelt, durch deren Einsatz Zellstoffanlagen zu<br />
Bioraffinerien werden können. Beim Übergang von der<br />
Pilotphase <strong>auf</strong> eine vollständig kommerziell betriebene<br />
Anlage stieß das Unternehmen mit den internen Prozessmodellierungsinstrumenten<br />
an seine Grenzen. Mit<br />
der UniSim-Design-Plattform von Honeywell konnte<br />
Chemrec Prozesse und Anlagen je nach Bedarf planen<br />
und simulieren.<br />
Die von Chemrec entwickelte Technologie nutzt die bei<br />
der Zellstoffproduktion anfallende Schwarzlauge – also<br />
Biomasse –, um daraus große Mengen erneuerbarer Motorkraftstoffe<br />
oder Strom aus Biomasse zu erzeugen. Der<br />
Prozess basiert <strong>auf</strong> einer unter Hochtemperatur erfolgenden<br />
Flugstromvergasung von Schwarzlauge, bei der hochwertiges<br />
Synthesegas entsteht. Das hauptsächlich aus<br />
Wasserstoff und Kohlenmonoxid bestehende Gasgemisch<br />
wird als Ausgangsmaterial für viele Biokraftstoffe verwendet.<br />
Chemrec ermöglicht damit Zellstoff- und Papierwerken<br />
mit seiner proprietären Technologie der Schwarzlaugevergasung<br />
den Übergang zu Bioraffinerien.<br />
NEUE TOOLS ZUR PROZESSMODELLIERUNG NÖTIG<br />
Mit einer Versuchsanlage im schwedischen Pitea kann<br />
das Unternehmen <strong>auf</strong> eine zwanzigjährige Erfahrung in<br />
der Vergasungstechnologie für Schwarzlauge zurückblicken.<br />
In dieser Zeit verbesserte das Unternehmen die<br />
Technologie in Demonstrationsanlagen und einer kommerziellen<br />
Anlage in New Bern im US-Bundesstaat North<br />
Carolina. Mit einer Machbarkeitsstudie untersuchte<br />
Chemrec die Möglichkeit, seine Prozesse für die Vergasungstechnologie<br />
zu testen, auszulegen, zu überwachen<br />
und zu bewerten. Chemrec wollte seinen Prozess gewinnbringend<br />
einsetzen und brauchte daher eine Technologie<br />
für den internen Test und die Simulation seiner Prozesse,<br />
um den Übergang von der Pilotphase <strong>auf</strong> eine vollständig<br />
kommerziell betriebene Anlage zu vollziehen. Die bisherigen<br />
Lösungen erwiesen sich als unzureichend und berücksichtigten<br />
nicht alle Aspekte des Gesamtprozesses.<br />
„Unsere internen Prozessmodellierungsinstrumente<br />
waren nicht effizient genug, um alle Aspekte des Prozesses<br />
zu erfassen und uns ein detailliertes Bild von einer<br />
vollständigen kommerziellen Anlage zu vermitteln“, sagt<br />
Erik Furusjö, Verfahrensingenieur für Anlagenplanung<br />
bei Chemrec. „Wir brauchten die Zusammenarbeit mit<br />
einem Partner, der über eine bewährte Simulationslösung<br />
verfügte und uns bei der erforderlichen Optimierung<br />
unserer aktuellen Prozesse und der zukünftigen<br />
Weiterentwicklung <strong>auf</strong> diesem innovativen Gebiet unterstützen<br />
konnte.“<br />
EINSATZFELDER FÜR SYNTHESEGAS UNTERSUCHT<br />
Chemrec verglich verschiedene Software-Lösungen und<br />
entschied sich letztlich für die UniSim-Design-Plattform<br />
von Honeywell. Mit UniSim war Chemrec in der Lage,<br />
Prozesse je nach Bedarf zu planen und zu simulieren. Das<br />
Unternehmen setzte die Software für die Planung seiner<br />
neuen Anlage in Domsjö und für die Prozessentwicklung<br />
der Pilotanlage in Pitea in Schweden ein, dem Standort<br />
der weltweit ersten BioDME-Anlage (DME: Dimethylether).<br />
Des Weiteren wird die UniSim-Software dazu verwendet,<br />
alternative Einsatzfelder von Synthesegas zu<br />
untersuchen und verschiedene Prozesskonfigurationen<br />
und Produkte zu testen. Aufgrund der Kopplung mit<br />
der Simulationssoftware von OLI Systems kann Chemrec<br />
UniSim außerdem für die Simulation von Eigenschaften<br />
konzentrierter Elektrolytlösungen einsetzen,<br />
was bei der Integration in Zellstoffwerken eine wichtige<br />
Rolle spielt.<br />
Ingenieure können mit der Software sowohl stationäre<br />
als auch dynamische Modelle für die Auslegung,<br />
Überwachung und das Testen von Anlagen entwickeln.<br />
UniSim Design ermöglicht die stationäre Simulation<br />
chemischer und anderer Prozesse und unterstützt <strong>auf</strong>grund<br />
schneller Prozessoren mit der Fähigkeit zur<br />
Rückwärtsberechnung, und damit unmittelbar verfügbarer<br />
Untersuchungsergebnisse, die Anwender bei der<br />
Entscheidungsfindung. Zusätzlich erlauben es die Möglichkeiten<br />
der dynamischen Simulation, stationäre Modelle<br />
<strong>auf</strong> transiente Modelle auszuweiten. Dadurch<br />
stehen konsistente thermodynamische Eigenschaften<br />
und Modellkonfigurationen für die Analyse von Prozessübergängen,<br />
die Untersuchung des Regelungsverhaltens<br />
und für Bedienerschulungen zur Verfügung.<br />
ANLAGE ERZEUGT BIO-DIMETHYLETHER<br />
Durch den Einsatz seiner patentierten Vergasungstechnologie<br />
kann Chemrec die in der Zellstofffabrik erzeugte<br />
Schwarzlauge in hochwertiges Synthesegas umwandeln.<br />
Synthesegas ist ein hauptsächlich aus Wasserstoff und<br />
Kohlenmonoxid bestehendes Gasgemisch, das zu verschiedenen<br />
Kraftstoffen und Chemikalien verarbeitet<br />
werden kann. Das während des Chemrec-Prozesses erzeugte<br />
Synthesegas ist das Ausgangsmaterial für die Synthese<br />
zahlreicher potenzieller Biokraftstoffe, wie Dimethylether<br />
und Methanol, zwei herausragende Biokraftstoffe,<br />
die die Anforderungen hinsichtlich Produktkosten,<br />
Umweltverträglichkeit und Prozessreife erfüllen.<br />
Gemeinsam mit Volvo Trucks und einigen anderen<br />
Unternehmen beteiligt sich Chemrec am BioDME-Projekt,<br />
mit dem die gesamte Kette von der erneuerbaren<br />
forstwirtschaftlichen Biomasse bis zum Einsatz von<br />
BioDME in Schwertransportern entwickelt und demonstriert<br />
werden soll.<br />
WELCHER EINSATZ IST WIRTSCHAFTLICH?<br />
„Wir haben gleich neben der Vergasungs-Pilotanlage in<br />
Pitea eine neue DME-Anlage gebaut. Dort wird Synthesegas<br />
aus dem Vergaser in BioDME umgewandelt und<br />
gleichzeitig die Gasreinigung, Gas<strong>auf</strong>bereitung und Kraftstoffsynthese<br />
durchgeführt“, berichtet Furusjö. Die<br />
Chemrec-Anlage produziert über vier Tonnen BioDME<br />
pro Tag, das bis 2012 zu Testzwecken in der Fahrzeugflotte<br />
von Volvo eingesetzt wird. „UniSim Design ist eines<br />
der Werkzeuge die wir zur Auslegung einer vollständig<br />
28<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
kommerziell betriebenen Anlage eingesetzt haben. Die<br />
Software kann außerdem zur konzeptionellen Bewertung<br />
des alternativen Einsatzes von Synthesegas verwendet<br />
werden“, sagt Furusjö. „Durch das Austesten verschiedener<br />
Prozesskonfigurationen, Prozesse und Produkte kann<br />
Chemrec heute Fragen wie ‚Wofür können wir das Synthesegas<br />
verwenden?‘ und ‚Was ist technisch und wirtschaftlich<br />
machbar?‘ leichter beantworten. Chemrec berücksichtigt<br />
diese Fragen und ist in der Lage, die Auslegung<br />
der Vergasungsanlage <strong>auf</strong> das verwendete Ausgangsmaterial<br />
und das gewünschte Endprodukt abzustimmen.“<br />
Aufgrund der Integration mit der Elektrolysesimulation<br />
von OLI Systems können mit UniSim Simulationen<br />
konzentrierter Elektrolytlösungen bei hohem Druck<br />
und hohen Temperaturen durchgeführt werden. „Wir<br />
können mit einer einzigen Lösung sowohl den petrochemischen<br />
Teil unserer Anlagen als auch den Bereich<br />
Zellstoff und Papier simulieren. Die Vergasungsanlage<br />
befindet sich an der Schnittstelle zwischen den beiden<br />
Industriebereichen, die völlig unterschiedliche Ansprüche<br />
stellen“, kommentiert Furusjö. „Mit der Lösung<br />
von Honeywell in Kombination mit unseren internen<br />
Werkzeugen für die Vergasungssimulation sind wir in<br />
der Lage, Experimente zu simulieren. Wir können beispielsweise<br />
feststellen, ob eine Qualitätsveränderung<br />
bei der als Ausgangsmaterial verwendeten Schwarzlauge<br />
die Rohgaseigenschaften beeinflusst und vor allen<br />
Dingen die Gründe dafür nachvollziehen. Die Zusammenarbeit<br />
mit dem Honeywell-Team funktionierte reibungslos.<br />
Wir haben das erforderliche Know-how erworben,<br />
um diese hervorragende Technologie in die<br />
Praxis umzusetzen.“<br />
Mithilfe der UniSim-Design-Lösung von Honeywell<br />
sieht Chemrec sich <strong>auf</strong> dem Gebiet der Biokraftstoffe für<br />
die Zukunft bestens <strong>auf</strong>gestellt und beabsichtigt eine<br />
Übertragung seiner Technologien in andere Anlagen.<br />
Energie aus Biomasse: Die Technologie von Chemrec<br />
ermöglicht die Vergasung von Schwarzlauge und damit auch die<br />
Erzeugung großer Mengen Motorkraftstoffe oder Strom.<br />
Die Software zur Prozessmodellierung erlaubt das<br />
Erstellen stationärer und dynamischer Modelle für die Auslegung<br />
von Anlagen, die Überwachung der Leistungsfähigkeit, die Fehlersuche<br />
und die Optimierung von Betriebsabläufen.<br />
Autor<br />
Herbert Fittler ist Senior<br />
Consultant bei Honeywell<br />
Process Solutions.<br />
Honeywell Process Solutions,<br />
Heinrich-Hertz-Str. 40, D-40699 Erkrath,<br />
Tel. +49 (0) 211 920 64 14,<br />
E-Mail: herbert.fittler@honeywell.com<br />
Bilder: Honeywell<br />
Mithilfe der<br />
UniSim-Technologie<br />
kann Chemrec<br />
Gasprozesse vorhersagen<br />
und damit die<br />
Qualität der Schwarzlauge<br />
in seinem Werk<br />
für alternative Biokraftstoffe<br />
optimieren.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
29
hauptbeitrag<br />
<strong>Bedienbilder</strong><br />
<strong>auf</strong> <strong>Knopfdruck</strong><br />
Modellbasierte Erzeugung von Fließbilddarstellungen<br />
Die Erstellung von <strong>Bedienbilder</strong>n für die Prozessführung ist <strong>auf</strong>wendig und fehleranfällig.<br />
Eine Analyse der Informationsströme zeigt jedoch <strong>auf</strong>, dass sich unter bestimmten<br />
Voraussetzungen ein Großteil der Aktivitäten automatisieren lässt. In einer Kooperation<br />
von Hochschule und Industrie wurde ein theoretischer Lösungsansatz in einen funktionalen<br />
Demonstrator überführt, mit dem die in den digitalen Planungsdaten bereits erhaltene<br />
Information effektiv und effizient für die automatische Erstellung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />
genutzt werden kann. Basis für die automatische Erstellung ist eine Beschreibung des<br />
<strong>Bedienbilder</strong> (HMI)-Engineerings als regelgeleitete Modelltransformation. Der Demonstrator<br />
eröffnet bereits jetzt neue Wege für die tiefe Integration von Prozessmodulen und<br />
Kompaktteilanlagen (Package Units) und zur Unterstützung von Inbetriebsetzung und<br />
Operatortraining.<br />
SCHLAGWÖRTER Prozessführung / Mensch-Maschine-System / Integriertes Engineering<br />
Model-based Generation of HMI-Mimics for Supervisory Control in Process Industries<br />
The preparation of human-machine interfaces (HMIs) in the process industries is costintensive<br />
and error-prone. Work flow analysis shows that under certain conditions many<br />
of the activities can be automated. A functional demonstrator has been developed which<br />
derives HMIs directly from the engineering data. The automatic generation is based on a<br />
description of the HMI engineering as rule-governed model transformation. The demonstrator<br />
already opens new possibilities for the deep integration of process modules and<br />
package units, and supports commissioning and operator training.<br />
KEYWORDS Supervisory Control / Human-Machine-Interaction / Integrated Engineering<br />
30<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Falk Doherr, Leon Urbas, TU Dresden<br />
Oliver Drumm, Volker Franze, Siemens<br />
Wegen steigender Anforderungen an Wirtschaftlichkeit<br />
und Sicherheit werden die<br />
Anlagen der Prozessindustrie kompakter<br />
und komplexer. Gleichzeitig verkürzen<br />
sich die für die Anlagenplanung zugestandenen<br />
Zeiten immer mehr und die Planungsmannschaften<br />
werden kleiner. Daher ist eine stetige Effizienzsteigerung<br />
notwendig, um in Europa Anlagen<br />
weiterhin konkurrenzfähig planen zu können. Eine<br />
Schlüsselrolle kommt dabei einer Verbesserung der<br />
Weiterleitung von Planungsinformationen im gesamten<br />
Lebenszyklus zwischen Phasen und Werkzeugen zu.<br />
Diese Integration ist alles andere als trivial. Denn der<br />
mit den Planungstätigkeiten verbundene Informationsbedarf<br />
in den Phasen und in den unterschiedlichen<br />
Gewerken unterscheidet sich deutlich. Er hat zu einer<br />
heterogenen Landschaft lokal sehr effizienter, hochspezialisierter<br />
Werkzeuge geführt.<br />
Davon ist besonders die Erstellung der <strong>Bedienbilder</strong><br />
für die Prozessleitsysteme betroffen. Hier werden Informationen<br />
vieler unterschiedlicher Gewerke benötigt.<br />
Diese liegen vielfach bereits in digitaler Form vor. Aufgrund<br />
fehlender Schnittstellen, einheitlicher Standards<br />
und umfangreicher Integrations-, Anreicherungs- und<br />
Transformationstätigkeit ist die <strong>Bedienbilder</strong>stellung<br />
dennoch ein weitgehend manueller und fehleranfälliger<br />
Arbeitsschritt. Bild 1 zeigt die wesentlichen Vorgänge<br />
bei der Gestaltung der Mensch-Prozess-Kommunikation<br />
und die benötigten Informationsflüsse aus den verfahrenstechnischen<br />
und automatisierungstechnischen Engineeringphasen.<br />
Verursacht durch die hohen Aufwände,<br />
wird die <strong>Bedienbilder</strong>stellung – trotz ihrer großen<br />
Bedeutung für die Prozessführung – üblicherweise erst<br />
sehr spät im Projekt angegangen.<br />
Vielfach wäre es jedoch hilfreich, bereits in früheren<br />
Phasen, beispielsweise zur Durchführung der Risikound<br />
Betreibbarkeitsanalyse (engl. Hazard and Operability<br />
Analysis), erste Vorschläge zur Prozessführung mit<br />
Bildschirmen zur Verfügung zu haben, da hier die Arbeitsteilung<br />
zwischen Bedienmannschaft und Automatisierungssystem<br />
<strong>auf</strong> dem Prüfstand steht. Ebenso würden<br />
Inbetriebsetzung und Operatortraining von einer<br />
schnellen Verfügbarkeit von funktional korrekten Zwischenständen<br />
des Bediensystems profitieren. Nicht zuletzt<br />
könnte die Prozessoptimierung erheblich beschleunigt<br />
werden, wenn große Teile der <strong>Bedienbilder</strong>stellung<br />
automatisiert abl<strong>auf</strong>en könnten.<br />
1. Mensch-Prozess-Kommunikation<br />
Die Anlagen der Prozessindustrie werden überwiegend<br />
aus zentralen Leitwarten überwacht und geführt. Die<br />
Mensch-Maschine-Nahtstelle wird dabei mit Rechnerbildschirmen<br />
realisiert. Dabei sind die speziell <strong>auf</strong> die harten<br />
Anforderungen der Industrie ausgelegten Hard- und Softwaresysteme<br />
<strong>auf</strong> dem Rückzug; aus wirtschaftlichen<br />
Gründen werden <strong>auf</strong> breiter Front aus dem Büro bekannte<br />
Hardware und Betriebssysteme eingesetzt. Dies gilt allerdings<br />
nur eingeschränkt für die Software zur Realisierung<br />
der Mensch-Prozess-Kommunikation (HMI, Human-Machine-Interface).<br />
Für Datenerfassungs- und -auswertungs<strong>auf</strong>gaben<br />
sowie für die Berichterstellung kommen aus der<br />
Bürowelt bekannte Tabellenverarbeitungs- und Schreibprogramme<br />
zum Einsatz. Da das HMI jedoch eine kritische<br />
Nahtstelle der „Augen“ und „Hände“ des Operators zu<br />
dem komplexen technischen Prozess darstellt, bleibt ein<br />
<strong>auf</strong> die Aufgaben der Prozessführung in der Prozessindustrie<br />
optimierter Zugang nach wie vor notwendig und sinnvoll.<br />
Die Blätter der VDI/VDE-Richtlinie 3699 „Prozessführung<br />
mit Bildschirmen“ [1], die aktuell im GMA FA<br />
5.23 überarbeitet werden, geben für die Ausgestaltung von<br />
beispielsweise Kurvenbildern, Fließbildern und Meldelisten<br />
wertvolle Hinweise. Für die Meldesysteme zeigt [3],<br />
dass die Empfehlungen dieser Richtlinie in den Prozessleitsystemen<br />
nahezu vollständig umgesetzt sind.<br />
1.1 Fließbilder<br />
Ein wesentliches Element der HMIs in der Prozessindustrie<br />
sind schematische grafische Darstellungen<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
31
Hauptbeitrag<br />
BILD 2: Beispiel eines<br />
Bedienbilds in der<br />
Prozessindustrie<br />
BILD 1: Aktivitäten und Informationsströme bei der<br />
Gestaltung der Mensch-Prozess-Kommunikation [2]<br />
BILD 3:<br />
Rohrleitungs- und<br />
Instrumentierungsdiagramm<br />
(R&I-Diagramm)<br />
der prozesstechnischen und automatisierungstechnischen<br />
Struktur der Anlagen. Dazu werden ausgewählte<br />
Apparate, die verbindenden Rohrleitungen<br />
und die für den Informationsbereich wesentlichen<br />
Instrumente angezeigt. Zum anderen können die Anlagenfahrer<br />
über die Bedienbildsymbole den Prozess<br />
direkt oder indirekt beeinflussen. Der Eingriff erfolgt<br />
üblicherweise indirekt über gerätespezifische Bedienleitfelder<br />
(Faceplates), die den Zustand eines Instruments<br />
oder Regelkreises sowie die spezifischen Eingriffsmöglichkeiten<br />
darstellen. Zuletzt enthalten die<br />
<strong>Bedienbilder</strong> üblicherweise Schaltflächen für die<br />
Navigation innerhalb der Anlagenstruktur, für das<br />
Ein- und Ausblenden von Schrittketten und Kurvendarstellungen<br />
oder zur Anwahl von bereichsspezifischen<br />
Programmen.<br />
32<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
1.2 Bedienbild-Engineering<br />
Eine durchschnittliche Chemieanlage ist mit etwa 2500<br />
bis 7500 EMSR (Elektrisches Messen, Steuern, Regeln)-<br />
Stellen und 130-500 Prozessbedienbildern ausgestattet<br />
[4]. Der Aufwand für die Erstellung der Prozessbedienbilder<br />
hängt von Automatisierungs- und Wiederholgrad<br />
von Lösungsmustern ab, ist aber generell nicht zu vernachlässigen,<br />
da der Entwurf der Mensch-Maschine-<br />
Schnittstelle hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen<br />
unterliegt. Diese spiegeln sich konzentriert in<br />
den in der VDI/VDE-Richtlinie 3699, Blatt 2, <strong>auf</strong>geführten<br />
Grundsätzen der Mensch-Maschine-Systemgestaltung<br />
wider. Zwei in diesem Kontext wichtige Punkte<br />
sind die Forderung nach Einheitlichkeit und Eindeutigkeit.<br />
Demnach ist gleiche Information immer gleich<br />
darzustellen. Das bedeutet auch, dass zwischen den<br />
Planungsdokumenten und den Systemen der Betriebsphase<br />
eine weitgehende Konsistenz anzustreben ist.<br />
Aufgrund der jeweils systemspezifisch notwendigen<br />
Detailkenntnisse wird die Erstellung der HMI in den<br />
meisten Fällen vom Leitsystemlieferanten oder Systemintegrator<br />
durchgeführt. Die Design- und Strukturvorgaben<br />
erhält er von den verfahrenstechnischen und automatisierungstechnischen<br />
Planungsbereichen des Anlagenbauers<br />
und vom Endkunden der Anlage.<br />
Die wesentlichen Aufgaben bei Erstellung der Prozessbedienbilder<br />
sind<br />
1 | Navigationsstruktur konzipieren und <strong>Bedienbilder</strong><br />
anlegen,<br />
2 | statische und dynamische Symbole auswählen<br />
und in den <strong>Bedienbilder</strong>n platzieren,<br />
3 | Verbindungen zwischen den Symbolen, beispielsweise<br />
für Rohrleitungen zur Darstellung von<br />
Materialströmen, herstellen,<br />
4 | Symbole mit den Variablen des Automatisierungssystems<br />
verbinden und schließlich<br />
5 | Elemente zur Präsentation von Prozessalarmen<br />
und Trenddarstellungen in das HMI-System<br />
integrieren.<br />
Die wichtigsten dabei verwendeten Informationsquellen<br />
sind:<br />
Rohrleitungs- und Instrumentenfließbild (R&I):<br />
technologische Darstellung des Prozesses (Bild 3)<br />
Instrumentierungsliste: Auflistung aller Instrumente<br />
mit den wichtigsten Informationen (wie<br />
Messtyp, Messbereich, Signalart, Alarm)<br />
Konfiguration des Automatisierungssystems<br />
Liste der Kontrollfunktionen: Präsentation der<br />
Steuerungsfunktionen durch die Automatisierungstechnik<br />
(Continuous Function Charts (CFC)<br />
and Sequential Function Charts (SFC))<br />
Das R&I-Diagramm stellt ein essenzielles Dokument<br />
an der Schnittstelle von Verfahrenstechnik und Automatisierungstechnik<br />
dar. Im R&I werden die Anforderungen<br />
an die Automatisierung formuliert, und dort<br />
sind neben der Prozesstopologie eine Vielzahl von<br />
Randbedingungen für die Instrumentierung <strong>auf</strong>geführt.<br />
Entsprechend kommt dieser Dokumentenart<br />
auch bei der HMI-Erstellung eine zentrale Rolle zu.<br />
Durch „Einwolken“ werden <strong>auf</strong> den bis zu DIN A0 großen<br />
Papierplänen sinnvolle Untermengen für die Darstellung<br />
<strong>auf</strong> einzelnen <strong>Bedienbilder</strong>n definiert. Zusammen<br />
mit den EMSR-Stellenlisten, Funktionsplänen<br />
und weiterer Eingangsinformationen entstehen dann<br />
in Handarbeit und einigen Revisions- und Iterationsschritten<br />
die l<strong>auf</strong>fähigen Prozessbedienbilder.<br />
Dieser Prozess wird von den meisten Leitsystemen<br />
durch jeweils spezifische Bibliothekskonzepte sowie<br />
leitsystemspezifische Programmierschnittstellen oder<br />
Makrosprachen zur Definition von anpassbaren Vorlagen<br />
und zur Automatisierung von wiederkehrenden<br />
Teil<strong>auf</strong>gaben, unterstützt. So können beispielsweise in<br />
einigen Systemen <strong>Bedienbilder</strong> als Vorlage für funktional<br />
gleiche Teilanlagen verwendet und die Prozessanbindung<br />
mit wenigen Handgriffen angepasst werden,<br />
falls die Struktur der Kennzeichnungssysteme für die<br />
Automatisierung dies durch einfache Textersetzungsregeln<br />
ermöglicht.<br />
Die automatische Übernahme der Eingangsinformation<br />
in das Engineering der Bediensysteme ist aktuell nur<br />
rudimentär ausgeprägt. Üblicherweise lassen sich Listen<br />
mit den Namen von Automatisierungsobjekten und Prozessvariablen<br />
importieren und verwerten. Darüber hinausgehende<br />
Strukturinformation wie das R&I werden<br />
derzeit in keinem System verwertet.<br />
2. HMI-Engineering als Transformationsprozess<br />
Auf einer abstrakten informationstechnischen Ebene<br />
lässt sich die <strong>Bedienbilder</strong>stellung als eine Sequenz<br />
von Transformationsschritten beschreiben. Die Ausgangsinformation<br />
wird dabei ausgewählt, weiter ausspezifiziert,<br />
angereichert oder verfeinert. In der Prozessindustrie<br />
haben sich <strong>auf</strong>grund der hohen Anzahl<br />
von für die Prozessführung relevanten, gleichartigen,<br />
projekt- und domänenspezifischen Elementen (wie beispielsweise<br />
Messpunkten, Ventilen, Pumpen oder Reglern)<br />
Bibliotheks konzepte bewährt. Eine sorgfältige<br />
Analyse der Arbeitsschritte zeigt, dass ein Großteil der<br />
Transformationsschritte durch mehr oder weniger<br />
komplizierte Regeln beschrieben werden kann.<br />
2.1 Das Cameleon Reference Framework<br />
Die automatische Generierung von Dialogen aus abstrakten<br />
Modellen der Interaktion, wie beispielsweise<br />
MOTIF [5], ist bereits seit über zwei Jahrzehnten in Entwicklung<br />
und Anwendung. Das Kernkonzept besteht<br />
darin, eine abstrakte Problembeschreibung zu erstellen,<br />
die völlig zielsystemunabhängig ist, und diese dann<br />
über Anreicherungs- und Transformationsschritte in<br />
eine finale Anwendung zu überführen. Dieser Ansatz<br />
ist auch bereits zur HMI-Erstellung genutzt worden, wie<br />
beispielsweise bei MOBI-D [6] oder TERESA [7]. Zur<br />
strukturierten Einteilung der Ansätze lässt sich das<br />
Cameleon Reference Framework (CRF) [8] heranziehen.<br />
Mit diesem ist es möglich, verschiedene HMI–MDSE-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
33
Hauptbeitrag<br />
Ansätze (Model-driven Software Engineering [9]) zu<br />
vergleichen. Das CRF definiert Ontologien, Modelle und<br />
generische Abstraktionen und Verfeinerungsschritte.<br />
Bild 4 zeigt das Framework grafisch.<br />
Das CRF besteht aus vier Abstraktionsebenen. Als Erstes<br />
betrachtet das Konzept- und Aufgabenmodell die notwendigen<br />
logischen Aktivitäten, um die Ziele des Nutzerdialogs<br />
zu erreichen und identifiziert jene Objekte, die<br />
zu manipulieren sind, um die Aufgaben zu erfüllen. Als<br />
Zweites adressiert das Modell der abstrakten Nutzerschnittstelle<br />
die Komponenten des Nutzerdialogs, die zur<br />
Aufgabenerfüllung benötigt werden. Es berücksichtigt<br />
dabei nur die logische Struktur ohne Festlegung der Modalität<br />
und Beschreibung von Realisierungsdetails. In der<br />
dritten Ebene, dem konkreten Modell der Nutzerschnittstelle,<br />
werden die abstrakten Interaktionsobjekte der<br />
zweiten Ebene durch konkrete (das heißt mittels einer<br />
festgelegten Modalität realisierte) Objekte ersetzt. Diese<br />
Ebene wird in die endgültige Benutzeroberfläche im Sinne<br />
einer generischen Softwareumgebung (zum Beispiel<br />
XHTML, Java) oder industrietaugliche HMI-L<strong>auf</strong>zeitumgebungen,<br />
wie Simatic WinCC (Siemens), PVSS II (ETM)<br />
oder InTouch (Wonderware) transformiert.<br />
Die MDSE-Technologien haben bereits ihr großes Potenzial<br />
zur automatischen Erzeugung von dialoggetriebenen<br />
Nutzerschnittstellen für unterschiedliche Zielplattformen<br />
zeigen können. Damit ist MDSE auch sehr<br />
interessant für die Prozessführungsschnittstellen mit<br />
ihren großen Datenmengen, verschiedenen Darstellungsgrößen<br />
und unterschiedlichen Zieltechnologien.<br />
Einige MDSE-Ansätze für die HMI-Generierung sind in<br />
Bezug <strong>auf</strong> CRF durch [8] klassifiziert. Dies hilft beim<br />
Vergleich der unterschiedlichen Ansätze. Daher wird<br />
das Konzept zur automatischen Erzeugung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />
in der Prozessindustrie (kurz: autoHMI) im<br />
Rahmen von CRF vorgestellt.<br />
Archetypal models<br />
Ontological<br />
models<br />
Domain<br />
Concepts<br />
Tasks<br />
Context ofuse<br />
User<br />
Platform<br />
Environment<br />
Config 1<br />
Concepts<br />
(D1)<br />
Tasks<br />
(D2)<br />
User<br />
(D3)<br />
Platform<br />
(D4)<br />
Environment<br />
(D5)<br />
Concepts and<br />
Task Model<br />
(D8)<br />
Abstract<br />
interface<br />
(D9)<br />
Concrete<br />
interface<br />
(D10)<br />
D8<br />
D1, D2, D3<br />
D9<br />
D8<br />
D10<br />
D8, D9, D4, D5<br />
Config 2<br />
D1<br />
D2<br />
D3<br />
D4<br />
D5<br />
BILD 4: Cameleon<br />
Reference<br />
Framework [8]<br />
Adaptation<br />
Evolution<br />
Transition<br />
Evolution<br />
(D6)<br />
Transition<br />
(D7)<br />
S<br />
C<br />
E<br />
FinalUIfor<br />
Config 1<br />
(D11)<br />
D11<br />
D9, D10, R3,R4<br />
S<br />
C<br />
E<br />
D6<br />
D7<br />
Observed<br />
models<br />
S<br />
C<br />
E<br />
Runtime Infrastructure R5<br />
BILD 5:<br />
Transformationskette<br />
von autoHMI<br />
Metamodell SCADA-Objekte:<br />
Entwurf, Klassen, Verhalten und Animationen<br />
Analyse<br />
SCADA-<br />
Frameworks<br />
VisiWinNET<br />
aCAE<br />
(CAEX)<br />
CAE-<br />
Entwicklungswerkzeug<br />
HMI-<br />
Design-<br />
Assistent<br />
ABSTRAKTES<br />
HMI-<br />
MODEL<br />
(aHMI)<br />
Model-Model-<br />
Transformation<br />
WinCC/PCS7<br />
InTouch<br />
-TAGNAMES<br />
-STRUCTURES<br />
-GUI-O BJEKTS<br />
-(ALARMS)<br />
CoDeSys<br />
XVCML<br />
Templates &Typicals<br />
-VDI/V DE 3699<br />
-Kundenrichtlinien<br />
HMI-<br />
Gestaltungsregeln<br />
Transformationsregeln,<br />
Templates<br />
-Engineering-Erfahrungen<br />
34<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
2.2 autoHMI-Konzept<br />
Angelehnt an das CRF ist autoHMI ein Ansatz, der <strong>auf</strong>bauend<br />
<strong>auf</strong> Basisplanungsdaten mittels Informationsanreicherung<br />
ein HMI in einem Zielsystem entstehen<br />
lassen soll. Bild 5 zeigt die Modellkette von autoHMI.<br />
Die detaillierte Beschreibung des autoHMI-Konzepts<br />
bezüglich des CRF findet sich in [2]. Hier werden nur<br />
die wesentlichen Aspekte herausgehoben, die für das<br />
Verständnis der beschriebenen konkreten autoHMI-<br />
Realisierung notwendig sind:<br />
1 | Basisdaten > aCAE (Konzept- und Aufgabenmodell)<br />
Das Konzept- und Aufgabenmodell von autoHMI ist<br />
eine Datensammlung aller HMI relevanten Informationen,<br />
die während der Planungsphasen im CAE-<br />
System zur Verfügung stehen. Dieses „abstrakte CAE-<br />
Modell“ (aCAE) sollte mit nur minimalem manuellem<br />
Aufwand erzeugt werden können. Bezüglich der<br />
Anlagenplanungsdaten ist aCAE eine Implementierung<br />
des CAEX Meta Modells [10], welches bereits die<br />
Basisbegriffe der Richtlinie IEC 61512, wie Units,<br />
Equipment und Control Modules, einführt. Gemäß<br />
der VDI/VDE-Richtlinie 3699 [1] sollten HMI sowohl<br />
Informationen zur Struktur als auch zu den funktionalen<br />
Beziehungen der Objekte enthalten. Daher beinhaltet<br />
aCAE als Erweiterung zur IEC 61512 auch<br />
Informationen über die Verbindungen und Platzierungen<br />
der Planungsobjekte <strong>auf</strong> den schematischen<br />
Prozesszeichnungen (R&I).<br />
2 | aCAE > aHMI (Modell der abstrakten<br />
Nutzerschnittstelle)<br />
Zur übersichtlichen Gestaltung und um mehrere<br />
Zielsysteme mit autoHMI bedienen zu können, ist<br />
die Einführung eines Modells des abstrakten Interfaces<br />
nach dem CRF sinnvoll. Das CRF unterscheidet<br />
strikt zwischen dem abstrakten und dem konkreten<br />
Interface. Das abstrakte Interfacemodell enthält nach<br />
CRF noch keine Darstellungsmodalitäten. Das aHMI-<br />
Modell von auto-HMI hingegen beinhaltet bereits<br />
diese Informationen und vereinigt somit beide CRF-<br />
Modelltypen. Allerdings bleibt aHMI noch immer<br />
plattformunabhängig in seiner Modellierung. Der<br />
abstrakte Teil von aHMI transformiert die Strukturinformation<br />
von aCAE in eine Interaktions- und<br />
Navigationshierarchie. Diese Zuordnung steht in<br />
Bezug zum Aufgabenmodell der VDI/VDE-Richtlinie<br />
3699 [1]. Units, Equipment und Control Module werden<br />
<strong>auf</strong> abstrakte Interaktionsobjekte abgebildet und<br />
relevante Informationen werden übertragen. Der<br />
konkrete Teil von aHMI enthält Implementierungsinformationen<br />
für die Detaildarstellung <strong>auf</strong> 2D-Display<br />
in Leitwarten. Die Transformation der aCAE-<br />
Daten in die konkrete Beschreibung der Bedienoberflächen<br />
wird über ladbare, aber feste Zuordnungsschemen<br />
gesteuert, wie die Zuordnung einer<br />
abstrakten Rolle eines aCAE-Objektes zu einem<br />
animierten und interaktiven Grafik objekt (Symbol)<br />
oder die Zuordnung des Prozessmediums einer Rohrleitung<br />
zum Farbcode der repräsentierenden Linie<br />
<strong>auf</strong> dem Bedienbild.<br />
3 | aHMI > endgültige Benutzeroberfläche<br />
Der letzte Schritt in der Werkzeugkette ist die Überführung<br />
des abstrakten HMI in die Darstellungsformen<br />
eines Zielsystems. Dieser Schritt ist immer systemspezifisch<br />
zu implementieren. Hierbei wird wiederum<br />
über Anreicherung basierend <strong>auf</strong> Vorlagen und<br />
Transformationsvorschriften ein Format erzeugt,<br />
welches sich in das Zielsystem integrieren lässt.<br />
3. autoHMI-Realisierung<br />
BILD 6: Auszug aus dem abstrakten<br />
HMI Modell (aHMI)<br />
Die autoHMI-Werkzeugkette wurde als eine Reihe von<br />
Programmen modular implementiert, welche XML-<br />
Daten einlesen, Transformationen durchführen und<br />
XML-Daten wieder ausgeben (Bild 7). Der in diesem<br />
Artikel beschriebene Kern der Umwandlung wird<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
35
Hauptbeitrag<br />
durch die Komponente „HMI-Design-Assistent“ repräsentiert.<br />
Dieser Teil ermöglicht die Eingabe wesentlicher<br />
Nutzerangaben, die für die Steuerung der<br />
Transformationen notwendig sind, erzeugt das abstrakte<br />
Zwischenformat aHMI und führt die Verfeinerungsschritte<br />
hinsichtlich der endgültigen Benutzeroberfläche<br />
für ein spezifisches HMI-Zielsystem durch.<br />
Die drei wichtigsten Teile der Werkzeugkette werden<br />
in den folgenden Abschnitten erläutert.<br />
3.1 CAE-Export – aCAE-Erzeugung<br />
Als CAE-Werkzeug kommt Comos von Siemens zum<br />
Einsatz. Mit diesem Werkzeug können unter anderem<br />
das Prozessdesign und das automatisierungstechnische<br />
Engineering <strong>auf</strong> einer Datenbasis durchgeführt<br />
werden. Durch eine nutzerdefinierte Abfrage und die<br />
integrierten XML-Connectoren ist es möglich, interne<br />
Planungsdaten von Comos in ein beliebiges XML-Format<br />
zu exportieren. Die wesentliche Aufgabe der XML-<br />
Connectoren ist also, das Mapping zwischen dem Datenmodell<br />
in Comos und dem aCAE-Modell herzustellen.<br />
Neben dem Export der allgemeinen Strukturinformationen<br />
ist es möglich, die Position eines Objektes<br />
<strong>auf</strong> dem R&I, <strong>auf</strong> dem es sich befindet, und wichtige<br />
Eigenschaften der Objekte, wie beispielsweise den Objekttyp<br />
(role), zu extrahieren.<br />
3.2 HMI-Design-Assistent<br />
Der HMI-Design-Assistent verarbeitet in einem ersten<br />
Schritt die im CAEX-Format exportierten Daten und<br />
erzeugt daraus eine abstrakte, technologieunabhängige<br />
Repräsentation des Bedienbildes. Der Assistent entscheidet<br />
anhand der Rollen (Objekttyp) der Anlagenelemente,<br />
in welcher Form diese in das aHMI-Format konvertiert<br />
werden. Dabei werden Kopiervorlagen (Templates),<br />
die jeweils eine Rolle widerspiegeln, mit den<br />
Eigenschaften des jeweiligen Anlagenelements aus<br />
Comos instanziiert. Die instanziierten Templates werden<br />
unter dem Knoten „Grafikinstanzen“ nach ihrer<br />
Rolle angeordnet (Bild 6). Unbekannte Anlagenelemente<br />
werden unter der Rolle „Default“ genannt. Zusätzlich<br />
existieren noch sonstige Objekte (Rolle „Sonstiges“),<br />
zum Beispiel T-Stücke, Handventile, Distanzscheiben.<br />
Diese stellen Anlagenelemente dar, die <strong>auf</strong> dem R&I<br />
gezeichnet wurden, für die Darstellung <strong>auf</strong> dem Bedienbild<br />
jedoch nicht in Frage kommen. Die sonstigen Objekte<br />
werden für die Darstellung der Rohrleitungen als<br />
Verbindungspunkte benötigt und deshalb in das aHMI-<br />
Format überführt.<br />
Im zweiten Schritt erzeugt der HMI-Design-Assistent,<br />
wiederum unter Zuhilfenahme von Templates und<br />
Transformationsvorschriften basierend <strong>auf</strong> den Typen<br />
von Grafiktemplates, ein für Simatic WinCC interpretierbares<br />
HMI. Dieses wird im WinCC Control File<br />
(WFC) abgelegt. Es enthält zeilenweise Anweisungen,<br />
die <strong>auf</strong> einem im Entwicklungsmodus geöffneten Bedienbild<br />
durchzuführen sind. Diese Befehle sind beispielsweise<br />
die Erzeugung von Standardobjekten (Linie,<br />
Text, Rechteck), das Instanziieren von Bibliothekssymbolen<br />
und die Veränderung von Symbolobjekteigenschaften.<br />
3.3 WCF Execution Wizard<br />
Zum internen Eingriff in WinCC wird ein Wizard erzeugt.<br />
Programmierbare Wizards gehören zur Standardkonfiguration<br />
von WinCC. Der WCF Execution<br />
Wizard führt die in der WCF definierten Anweisungen<br />
der Reihe nach aus. Das Abarbeiten beginnt, indem ausgelesen<br />
wird, welche Objekte schon vorhanden sind.<br />
Vorhandene Objekte entstehen durch die Funktionalität<br />
von Simatic PCS 7, mit der aus dem Steuerungsengineering<br />
Bildsymbole für bedien- und beobachtbare Objekte<br />
(zum Beispiel Ventile) <strong>auf</strong> einem HMI automatisch<br />
generiert werden können. Die von PCS 7 automatisch<br />
erzeugten Bediensymbole werden der Reihe nach am<br />
oberen Rand angeordnet (Bild 8).<br />
Danach erfolgt die zeilenweise Verarbeitung der WCF.<br />
Nach Abarbeitung der WCF werden alle Objekte, die<br />
nicht erstellt oder zugeordnet wurden, an den rechten<br />
unteren Rand des Bildes verschoben.<br />
4. Anwendungsfall<br />
Als Anwendungsfall dient ein R&I einer Siemens-Laboranlage<br />
(Bild 3). Das Fließbild und die dar<strong>auf</strong> befindlichen<br />
Elemente sind im CAE-Tool Comos enthalten. Es<br />
sind sowohl statische (Behälter, Rohrleitungen), als<br />
auch dynamische Elemente (Pumpen, Ventile) zu finden.<br />
Jeder Rohrleitung ist ein Medium zugeordnet, welches<br />
darin enthalten ist. Den Ausgangspunkt in WinCC<br />
zeigt Bild 8. Die dort vorhandenen Elemente wurden<br />
durch die Funktion „Bausteinsymbole erzeugen“ von<br />
Simatic PCS 7 automatisch platziert. Das sind neben<br />
Ventilen und Motoren auch Faceplates von Abl<strong>auf</strong>steuerungen<br />
(SFCs).<br />
Um die Machbarkeit des Ansatzes zu zeigen, wurden folgende<br />
Einschränkungen in Bezug <strong>auf</strong> den Testfall getroffen:<br />
Es werden nur Informationen eines R&I verarbeitet.<br />
Symbole werden nicht rotiert.<br />
Es wird mit einer festen Auflösung der Arbeitsfläche<br />
gearbeitet. Verletzungen von Richtlinien des guten<br />
Designs werden zunächst in K<strong>auf</strong> genommen.<br />
Es werden keine Wirk- und Signallinien und<br />
Bildsprünge generiert.<br />
4.1 Ergebnis<br />
Die Anwendung der Werkzeugkette <strong>auf</strong> das Referenz-<br />
R&I war erfolgreich und ist in Bild 9 zu sehen. Die Verifikation<br />
an einem Beispiel hat gezeigt, dass alle Komponenten<br />
zusammenarbeiten und ein nachvollziehbares<br />
Ergebnis liefern.<br />
Beim Vergleich von R&I und erzeugtem HMI zeigt sich,<br />
dass die funktionalen Anforderungen aus der Zielstellung<br />
erfüllt wurden:<br />
36<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
PCS 7(WinCC)<br />
OS-G enerierung<br />
R&I<br />
&<br />
CFC<br />
CAE-Werkzeug<br />
Comos<br />
XML<br />
Connectoren<br />
HMI-Design-A ssistent<br />
Erzeugung des<br />
abstrakten HMI<br />
Modells<br />
Erzeugung des<br />
WinCC Control<br />
Files<br />
WinCC Execution Wizard<br />
Objektimport<br />
Objekt<br />
Mapping<br />
Objekt<br />
Erzeugung<br />
Veränderung<br />
von<br />
Eigenschaften<br />
aCAE<br />
aHMI<br />
WCF<br />
Strukturierte<br />
Hierarchie der<br />
Objekte<br />
Rollenspezifische<br />
Eigenschaften<br />
R&I-Objekte<br />
Name<br />
Position<br />
Verbindungen<br />
Chem. Medium<br />
Zeilenweise Befehle<br />
Zuordnung<br />
Position<br />
Eigenschaften<br />
BILD 7:<br />
Aufbau der autoHMI Realisierung mit<br />
dem Zielsystem Simatic WinCC<br />
BILD 8:<br />
Ergebnis der<br />
Simatic PCS<br />
7-Funktionalität<br />
„Bildbausteine<br />
erzeugen“<br />
BILD 9:<br />
Bedienbild in<br />
Simatic WinCC<br />
nach Anwendung<br />
der Werkzeugkette<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
37
Hauptbeitrag<br />
Die von PCS 7 bereits generierten Bedien- und Anzeigeelemente<br />
werden unter Beibehaltung der wesentlichen<br />
Layoutstruktur des R&Is platziert.<br />
Alle Objekte, die von PCS 7 noch nicht erzeugt wurden,<br />
werden aus einem Bibliotheksbild kopiert und<br />
anschließend auch platziert.<br />
Mithilfe der dynamischen Verbinder von WinCC<br />
werden die Verknüpfungen (Rohrleitungen) zwischen<br />
den verbunden Apparaten und Ventilen hergestellt.<br />
Entsprechend den in Comos hinterlegten<br />
Prozessmedieninformationen werden die Rohrleitungsfarben<br />
verändert.<br />
Alle Objekte, die nicht <strong>auf</strong> dem R&I in Comos platziert<br />
sind, aber durch PCS 7 erzeugt wurden, werden in die<br />
untere rechte Ecke des Bedienbilds verschoben.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die in einem<br />
R&I hinterlegten Informationen unter bestimmten Voraussetzungen<br />
direkt für die Gestaltung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />
genutzt werden können. Dabei wurde deutlich,<br />
dass die derzeitigen Voraussetzungen und Beschränkungen<br />
für einen <strong>auf</strong> eine große Bandbreite von<br />
Nutzungskontexten generalisierbaren Ansatz noch zu<br />
restriktiv sind. Entsprechend des Gestaltungsprozesses<br />
der OS (Operator Station)-Ebene (Bild 9) lassen<br />
sich folgende Herausforderungen für die Nutzung von<br />
R&I-Informationen für die Generierung von <strong>Bedienbilder</strong>n<br />
identifizieren:<br />
Automatische Generierung aller Detailbedienbilder<br />
einer Anlage<br />
Automatische Erstellung der Quer-Navigationsstruktur<br />
über mehrere <strong>Bedienbilder</strong><br />
Erstellung der statischen und dynamischen<br />
Elemente von Bildern der Bedienbildhierarchie<br />
Berücksichtigung mehrerer <strong>Bedienbilder</strong> pro R&I<br />
Das aHMI-Modell und die Werkzeugkette zeigen deutliche<br />
Potenziale zur Reduzierung der manuellen Tätigkeiten<br />
bei der HMI-Erstellung in der Prozessindustrie.<br />
Weiterhin ermöglicht der MDSE-Ansatz eine Erzeugung<br />
Autoren<br />
Dipl.-Ing. Falk Doherr<br />
(geb.1981) ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter und Leiter der<br />
Arbeitsgruppe Funktions- und<br />
Informationsinte gration an der<br />
Professur für Prozessleittechnik<br />
an der Technischen Universität<br />
Dresden. Sein Hauptarbeitsgebiet<br />
ist das integrierte<br />
prozessleittechnische Engineering mit Fokus<br />
feldnaher Kommunikationssysteme.<br />
TU Dresden, Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62,<br />
E-Mail: falk.doherr@tu-dresden.de<br />
Dr.-Ing. Oliver Drumm<br />
(geb.1972) ist Projektleiter in der<br />
Vorfeldentwicklung des Sektors<br />
Industry in der Division Industry<br />
Automation der Siemens AG.<br />
Hauptarbeitsgebiete: Durchgängige<br />
Prozesse und Werkzeuge im<br />
Engineering für verfahrenstechnische<br />
Anlagen entlang des<br />
gesamten Lebenszyklus.<br />
Siemens AG, I IA IA&DT-ATS 3,<br />
Östliche Rheinbrückenstraße 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 45 98,<br />
E-Mail: oliver.drumm@siemens.com<br />
Siemens AG, I IA AS ST&P,<br />
Gleiwitzer Straße 555, D-90475 Nürnberg,<br />
Tel. +49 (0) 911 895 22 23,<br />
E-Mail: volker.franze@siemens.com<br />
Dipl.-Ing. Volker Franze (geb. 1982) ist<br />
Innovation Manager der Business Unit<br />
Industrial Automation Systems in der<br />
Division Industry Automation des Sektors<br />
Industry der Siemens AG. Eines seiner<br />
Hauptarbeitsgebiete ist dabei auch das<br />
Thema Digital Enterprise.<br />
Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas (geb. 1965) ist Inhaber der<br />
Professur für Prozessleittechnik an der Technischen<br />
Universität Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete<br />
umfassen Engineering verteilter sicherheitskritischer<br />
Systeme, insbesondere Funktionsintegration,<br />
modellgetriebenes Engineering, Modularisierung,<br />
Informationsmodelle der Prozessindustrie, Prozessinformations-<br />
und Managementsysteme und Middleware<br />
in der Automatisierungstechnik. Gebrauchstauglichkeit<br />
von multimodalen und mobilen Nahtstellen in Automatisierungssystemen,<br />
Analyse, Gestaltung und Bewertung von Alarmierungs- und<br />
Unterstützungssystemen sowie Methoden der Benutzermodellierung zur<br />
prospektiven Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion.<br />
TU Dresden, Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,<br />
E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de<br />
38<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
der <strong>Bedienbilder</strong> in früheren Planungsphasen ohne<br />
Mehr<strong>auf</strong>wand. Das ist ein elementares Merkmal, durch<br />
das sich die Kenntnisse von erfahrenen Anlagenfahrern<br />
früh und einfach in den Gestaltungsprozess der Automatisierung<br />
einbeziehen lassen.<br />
In Zukunft sind weitere Arbeiten bezüglich der automatischen<br />
Platzierung der grafischen Objekte <strong>auf</strong> den<br />
<strong>Bedienbilder</strong>n notwendig. Um eine zufriedenstellende<br />
Platzierung zu erzeugen, müssen Gestaltungsrichtlinien<br />
und Expertenwissen in einer differenzierteren Art und<br />
Weise formalisiert werden, als dies derzeit in der Werkzeugkette<br />
realisiert ist.<br />
Manuskripteingang<br />
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Referenzen<br />
[1] VDI/VDE 3699: Prozessführung mit Bildschirmen,<br />
2005-2008<br />
[2] L. Urbas und F. Doherr.: autoHMI: a model driven<br />
software engineering approach for HMIs in process<br />
industries. Proceedings IEEE CSAE 2011<br />
[3] D. Lippmann und L. Urbas.: Dynamisierung von<br />
Alarmsystemen. Tagungsband Automation 2009,<br />
S. 81-84. Düsseldorf: VDI-Verlag<br />
[4] M. Kirmas.: Implementierung von Typicals.<br />
<strong>atp</strong> 49(1) 2007, S. 18–19, 2007<br />
[5] A.Fountain, J. Huxtable, P. Ferguson und D. Heller.:<br />
Motif Programming Manual, 2001<br />
[6] A. Puerta:. A model-based interface development<br />
environment.Software, IEEE, 1997,14:40–47,<br />
[7] G. Mori, F. Patern`o, und C. Santoro.: Design and<br />
development of multi-device user interfaces t<br />
hrough multiple logical descriptions. IEEE Transactions<br />
Software Engineering Volume 30 Issue 8<br />
[8] G. Calvary, J. Coutaz, D. Thevenin, Q. Limbourg,<br />
L. Bouillon, und J. Vanderdonck.: A unifying reference<br />
framework for multi-target user interfaces.<br />
Interacting with Computers, 2003,15(3):289–308<br />
[9] Sendall, S., und Kozaczynski, W.: Model<br />
transformation:the heart and soul of model-driven<br />
software development. IEEE Transactions Software<br />
Engineering 20(5), S. 42–45<br />
[10] IEC 62424.: Representation of process control<br />
engineering request in P&I diagrams and data<br />
exchange between P&ID tools and PCE-CAE tools, 2008<br />
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hauptbeitrag<br />
Softwareagenten für<br />
das Testmanagement<br />
Fehler erkennen und Testfälle priorisieren mit Fuzzy-Logik<br />
Automatisierte Systeme unterliegen hohen Qualitätsanforderungen. Den entscheidenden<br />
Einfluss <strong>auf</strong> die Qualität hat dabei der Software-Systemtest. In diesem Beitrag wird ein<br />
Testmanagementsystem vorgestellt, das <strong>auf</strong> agentenbasierter Softwareentwicklung und<br />
Fuzzy-Logik basiert. Dieses System kann fehleranfällige Stellen identifizieren und die<br />
dazu passenden Testfälle so priorisieren, dass frühzeitig viele Fehler gefunden werden.<br />
Die Autoren zeigen eine Möglichkeit <strong>auf</strong>, die Testfallpriorisierung durchzuführen, bei der<br />
einerseits die Vielzahl an relevanten Eigenschaften und Abhängigkeiten berücksichtigt<br />
wird und andererseits unscharfes Wissen modelliert werden kann. Hierzu hat das Institut<br />
für Automatisierungs- und Softwaretechnik (IAS) das adaptive Testmanagementsystem<br />
(ATMS) entwickelt, das mithilfe von Softwareagenten relevante Informationen für das<br />
Testmanagement sammelt, verarbeitet und <strong>auf</strong> Grundlage von Fuzzy-Logik eine Reihenfolge<br />
zur Ausführung von Testfällen bestimmt.<br />
SCHLAGWÖRTER Softwareagenten / Fuzzy-Logik / Testmanagement / Testfallpriorisierung<br />
Software Agents for Test Management –<br />
Detection of Faults and Prioritization of Test Cases with Fuzzy Logic<br />
The quality requirements of automation systems are increasingly demanding. Effective<br />
and focused software system testing has a very important influence on quality. We introduce<br />
a test management system based on agent-based software development and fuzzy<br />
logic. The system is able to identify critical locations and to prioritize the appropriate test<br />
cases in order to detect as many faults as possible at an early stage.<br />
KEYWORDS Software agents / fuzzy logic / test management / test case prioritization<br />
40<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Michael Nadj, Christoph Malz, Nasser Jazdi, Peter Göhner, Universität Stuttgart<br />
Ein Großteil der Funktionen von automatisierten<br />
Systemen wird von Mikroprozessoren, speicherprogrammierbaren<br />
Steuerungen oder Industrie-<br />
PCs übernommen und durch Software umgesetzt.<br />
Dadurch ist die Qualität der Software zum entscheidenden<br />
Faktor für den Erfolg von Produkten oder Unternehmen<br />
geworden [1]. Aus diesem Grund streben viele<br />
Unternehmen an, die Qualität ihrer Softwaresysteme zu<br />
verbessern. Ein Weg, um dies zu erreichen, ist das systematische<br />
Prüfen und Testen von Softwaresystemen [1]. Da<br />
es in einem Softwaresystem allerdings nicht möglich ist,<br />
den gesamten Code mit allen Abhängigkeiten und Aufrufmöglichkeiten<br />
zu testen, müssen Testfälle entsprechend<br />
ihrer Relevanz für das Softwaresystem priorisiert werden.<br />
Ein Testfall (TF) umfasst dabei die zu einem Test gehörenden<br />
Randbedingungen, Voraussetzungen zur Ausführung,<br />
Eingabewerte und erwarteten Ausgabewerte [1]. Die Priorisierung<br />
von Testfällen ist die Aufgabe des Testmanagements.<br />
Dabei geht es darum, so früh wie möglich einen<br />
möglichst großen Prozentsatz an Fehlern <strong>auf</strong>zudecken.<br />
1. Grundlagen der Testfallpriorisierung<br />
1.1 Testobjekt, Testeinheiten und Testfälle<br />
Der Artikel behandelt das Thema Testen aus der Sicht des<br />
Software-Systemtests, bei dem das vollständige zu testende<br />
System gegen funktionale und nichtfunktionale Anforderungen<br />
getestet wird. Die Durchführung von Tests bedeutet<br />
im Allgemeinen das Ausführen von definierten<br />
Testfällen [1]. Das zu testende System wird als Testobjekt<br />
bezeichnet. Ein Testobjekt kann sowohl Hard- als auch<br />
Software umfassen und wird in kleinere Bestandteile, Testeinheiten,<br />
zerlegt. Eine Testeinheit (TE) kann zum Beispiel<br />
eine bestimmte Funktion realisieren oder ein zusammenhängendes<br />
Modul bilden. Bild 1 zeigt eine Aufteilung eines<br />
Testobjekts in mehrere Testeinheiten am Beispiel eines<br />
automatisierten Systems. Es werden ausschließlich Softwareelemente<br />
betrachtet, da eine Auseinandersetzung mit<br />
der Hardware des Systems nicht Fokus dieses Beitrags ist.<br />
Das automatisierte System in Bild 1 verfügt über drei typische<br />
Software-Module: Die Benutzungsschnittstelle zur<br />
Kommunikation mit dem Benutzer, einen Regler, der Stellgrößen<br />
berechnet und die Datenerfassung, über die Sensorwerte<br />
erfasst werden. Die Module haben verschiedene Abhängigkeiten<br />
untereinander, beispielsweise Funktions<strong>auf</strong>rufe,<br />
welche über die Verbindungslinien dargestellt sind.<br />
Jedes Modul wird als eine separate Testeinheit (TE) betrachtet,<br />
die über individuelle Eigenschaften verfügt. Den Testeinheiten<br />
sind unterschiedliche Testfälle (TF) zugeordnet,<br />
mit denen das zu testende System nach Fehlern durchsucht<br />
wird. Ein Testfall kann dabei eine oder mehrere Testeinheiten<br />
prüfen, wobei davon ausgegangen wird, dass die Zuordnung<br />
der Testfälle zu den Testeinheiten bekannt ist. Ebenso<br />
wie die Testeinheiten verfügen auch die Testfälle über spezifische<br />
Eigenschaften, <strong>auf</strong> die in den folgenden Abschnitten<br />
im Detail eingegangen wird.<br />
In der Praxis ist Zeit eine sehr kritische Ressource, die<br />
mit steigendem Projektfortschritt kontinuierlich abnimmt.<br />
So steht in späten Entwicklungsphasen, wie dem Testen,<br />
oft nicht genug Zeit zur Verfügung, um jeden einzelnen<br />
Testfall auszuführen. Eine der Herausforderungen beim<br />
Testmanagement ist es deshalb, die Testfälle geeignet zu<br />
priorisieren, um bereits mit wenigen Testfällen viele Fehler<br />
zu entdecken. Um dies zu gewährleisten, müssen für<br />
die Priorisierung eine Vielzahl an Informationen berücksichtigt<br />
werden, die in Kapitel 2 näher erläutert werden.<br />
Eine Möglichkeit, die große, zu berücksichtigende Anzahl<br />
an Eigenschaften und die daraus resultierende hohe<br />
Komplexität zu beherrschen, ist der Einsatz von Softwareagenten.<br />
Sie können autonom miteinander interagieren,<br />
um die Testfälle so zu priorisieren, dass bereits beim<br />
Durchführen von nur wenigen Testfällen möglichst viele<br />
Fehler gefunden werden.<br />
1.2 Agentenorientierte Softwareentwicklung<br />
Wenn von agentenorientierter Softwareentwicklung gesprochen<br />
wird, bedeutet das nicht etwa, dass man einen<br />
speziellen, normierten Agenten-Baustein bei der Pro-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
41
Hauptbeitrag<br />
grammierung verwendet, der eine nicht agentenorientiert<br />
entwickelte Applikation in eine agentenorientierte<br />
umwandelt. Vielmehr umfasst es eine bestimmte Denkund<br />
Herangehensweise bei der Entwicklung von Software,<br />
die das Softwaresystem mit gewissen Eigenschaften<br />
ausstattet. Die grundlegenden Eigenschaften eines<br />
Softwareagenten sind nach [3, 4, 5, 6]: Autonomie, Kapselung,<br />
Zielorientierung, Reaktivität, Proaktivität, Persistenz<br />
und Interaktion, wie in Bild 2 dargestellt. Eine<br />
detaillierte Abhandlung über die Grundlagen von Softwareagenten<br />
findet sich in [7, 8, 9].<br />
Die genannten Eigenschaften bilden den Kerngedanken<br />
der agentenorientierten Softwareentwicklung und eröffnen<br />
vielfältige Möglichkeiten der Anwendung dieser Art der<br />
Softwareentwicklung. Mit der Fähigkeit zur Interaktion<br />
unterschiedlicher Softwareagenten miteinander sowie deren<br />
Autonomie, lassen sich Softwareagenten zum selbstständigen<br />
Verarbeiten vieler und auch voneinander abhän-<br />
Testobjekt: Automatisiertes System<br />
(Softwaresicht)<br />
TF A<br />
TE 1<br />
Datenerfassung<br />
Kapselung<br />
Benutzungsschnittstelle<br />
TE 2<br />
TF B<br />
Dynamische Informationen<br />
aus der Testausführung und<br />
Entwicklung<br />
TF C<br />
Autonomie<br />
TE 3<br />
Zielorientierung TF D<br />
Interaktion<br />
Regler<br />
Agent<br />
TE i = TF x =<br />
Testeinheit i Testfall Reaktivität, x<br />
Proaktivität<br />
BILD 1: Testeinheiten Persistenz und Testfälle<br />
Testeinheit-<br />
Informationen<br />
Testeinheit-<br />
Agent<br />
Informationenen über<br />
andere Testeinheiten<br />
Testwichtigkeit<br />
Kapselung<br />
Testeinheit-<br />
Agent<br />
Autonomie<br />
Zielorientierung<br />
BILD 4: Bestimmung der Testwichtigkeit<br />
Agent<br />
Interaktion<br />
Reaktivität,<br />
Proaktivität<br />
Persistenz<br />
BILD 2: Grundkonzepte der Agentenorientierung<br />
Faktor<br />
Mensch<br />
Testeinheit-Informationen bzgl.<br />
zugeordneter Testeinheit<br />
Testeinheit-<br />
Informationen<br />
Adaptives Testmanagementsystem<br />
(ATMS)<br />
Aufgabe:<br />
Priorisierung von Testfällen<br />
Agent 1<br />
Testfallpriorität<br />
Testeinheit-<br />
Informationen<br />
Testeinheit-<br />
Agent<br />
Lokale<br />
Priorität<br />
Informationenen über<br />
Testeinheiten<br />
Testfall-<br />
Informationen<br />
Agent 2<br />
Faktor<br />
Mensch<br />
Agent 3<br />
Testeinheit-<br />
Agent<br />
Testeinheit-<br />
Informationen<br />
Dynamische<br />
Adaptives Testmanagementsystem<br />
Informationen<br />
(ATMS)<br />
Aufgabe:<br />
Priorisierung von Testfällen<br />
BILD 3: Adaptives Testmanagementsystem<br />
Agent 1<br />
Testfallpriorität<br />
BILD 5: Bestimmung der lokalen Priorität<br />
Testfall-<br />
Informationen<br />
Agent 2<br />
Agent 3<br />
42<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
Dynamische<br />
Informationen
giger Informationen einsetzen. Die Zielorientierung, Reaktivität<br />
und Proaktivität können ebenfalls sehr vorteilhaft<br />
im Bereich des Testmanagements zum Einsatz kommen,<br />
wodurch dem Testmanager <strong>auf</strong>wendige Arbeitsschritte<br />
vereinfacht oder ganz abgenommen werden und die Softwareagenten<br />
ihm zuarbeiten. Wie dies umgesetzt werden<br />
kann, wird am Beispiel des am IAS konzipierten adaptiven<br />
Testmanagementsystems (ATMS) näher beschrieben.<br />
2. Das adaptive Testmanagementsystem<br />
Die Aufgabe des ATMS ist es, den Testmanager, der unter<br />
anderem für die Testplanerstellung verantwortlich ist, zu<br />
unterstützen. Ein Testplan besteht dabei aus einer priorisierten<br />
Liste von festgelegten Testfällen. Um diese Testfälle<br />
so zu priorisieren, dass als erstes diejenigen Testfälle<br />
ausgeführt werden, die die höchste Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>auf</strong>weisen, Fehler zu entdecken, müssen zahlreiche Parameter<br />
berücksichtigt werden. Dazu zählen die in Bild 3<br />
modellierten spezifischen Informationen über die jeweiligen<br />
Testeinheiten und Testfälle, sowie dynamische Informationen,<br />
die aus der Testausführung und dem Entwicklungsprozess<br />
gewonnen werden. Zusätzlich werden auch<br />
die Einflussfaktoren der Personen betrachtet, die im Testund<br />
Entwicklungsprozess involviert sind. Diese bilden den<br />
„Faktor Mensch“, der in bisherigen Testmanagementsystemen,<br />
trotz seiner Beteiligung in nahezu jedem Entwicklungsschritt,<br />
nicht ausreichend berücksichtigt wird.<br />
Um diese große Anzahl an Informationen auszuwerten<br />
und für die Testfall-Priorisierung zu verwenden, werden<br />
im ATMS Softwareagenten eingesetzt. Sie sammeln die<br />
Informationen, tauschen sich untereinander aus und bestimmen<br />
in mehreren Schritten die Prioritäten der Testfälle<br />
des Systems. Es existieren zwei Typen von Agenten:<br />
Testfall-Agenten und Testeinheit-Agenten. Jede Testeinheit<br />
und jeder Testfall wird dabei von einem entsprechenden<br />
Softwareagenten repräsentiert.<br />
2.1 Der Testeinheit-Agent<br />
Der Testeinheit-Agent sammelt alle Informationen, die<br />
dazu verwendet werden können, die Wichtigkeit des Testens<br />
der repräsentierten Testeinheit zu bestimmen. Dazu<br />
zählen alle Informationen, die es erlauben, eine Aussage<br />
darüber zu treffen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist,<br />
dass sich in der Testeinheit Fehler befinden. Auf Grundlage<br />
dieser Informationen bestimmt jeder Testeinheit-<br />
Agent eine Testwichtigkeit (TW) für die vertretene Testeinheit,<br />
wie in Bild 4 dargestellt.<br />
Es lassen sich drei unterschiedliche Informationsquellen<br />
identifizieren: grundlegende Testeinheit-Informationen,<br />
dynamische Informationen aus der Testausführung<br />
und Entwicklung sowie Informationen von anderen Agenten.<br />
Zu den grundlegenden Testeinheit-Informationen zählen<br />
die eher statischen Informationen über die Testeinheit,<br />
die sich im Testverl<strong>auf</strong> nicht oder nur wenig ändern. Unter<br />
ihnen finden sich beispielsweise die Codekomplexität einer<br />
Testeinheit, die über die zyklomatische Komplexität<br />
oder McCabe-Metrik ausgedrückt werden kann [2]. Andere<br />
Parameter sind ihre Größe, die Anzahl an enthaltenen<br />
Funktionen oder auch die Menge ihrer Abhängigkeiten zu<br />
anderen Testeinheiten. Hinzu kommen Daten aus der Entwicklung<br />
der Testeinheit, die den Faktor Mensch mit einbeziehen.<br />
Dazu zählt zum Beispiel die Erfahrung des an<br />
der Entwicklung der Testeinheit beteiligten Entwicklers.<br />
Mit dynamischen Informationen aus der Testausführung<br />
und Entwicklung werden Informationen aus der Testausführung<br />
beschrieben, die aus den einzelnen Testzyklen gewonnen<br />
werden und sich somit häufig ändern. Hierzu zählen<br />
die Anzahl an in der Testeinheit gefundenen Fehlern<br />
oder die an ihr durchgeführten Änderungen. Im Falle einer<br />
Modifikation der Testeinheit wird hier wiederum der Faktor<br />
Mensch berücksichtigt, indem dessen Arbeitsbelastung sowie<br />
die Summe an Modifikationen, die er vorgenommen hat<br />
und wie viel Zeit dafür <strong>auf</strong>gewendet wurde, betrachtet wird.<br />
Hinzu kommen auch Informationen über den Testverl<strong>auf</strong>,<br />
wie die Testüberdeckung durch ausgeführte Testfälle.<br />
Die dritte Quelle an für die Testwichtigkeit relevanten<br />
Informationen sind andere Softwareagenten. Da die Testeinheiten<br />
in ihrer Gesamtheit ein einzelnes Testobjekt<br />
repräsentieren, existieren verschiedene Abhängigkeiten<br />
zwischen ihnen, wie beispielsweise der Aufruf von Funktionen<br />
einer Testeinheit durch eine andere Testeinheit. Die<br />
Softwareagenten wissen, welche Abhängigkeiten sie haben<br />
und kommunizieren relevante Informationen miteinander,<br />
wie beispielsweise Änderungen an einer Funktion, die von<br />
einer anderen Testeinheit <strong>auf</strong>gerufen wird. So kann die<br />
Bestimmung der Testwichtigkeit entsprechend angepasst<br />
werden, um auch Fehler zu berücksichtigen, die sich <strong>auf</strong><br />
diese Weise fortpflanzen.<br />
2.2 Der Testfall-Agent<br />
Der einen Testfall repräsentierende Testfall-Agent sammelt<br />
alle Informationen, die Einfluss <strong>auf</strong> die Wichtigkeit<br />
der Ausführung des Testfalls haben. Dazu zählen grundlegende<br />
Informationen über den Testfall und spezifische<br />
Informationen über die Testeinheit, der er zugeordnet ist<br />
sowie Informationen über die eigentliche Zuordnung.<br />
Diese Parameter verwendet der Testfall-Agent, um eine<br />
lokale Priorität (LP) des Testfalls für die Testeinheit zu<br />
bestimmen, der er zugeordnet ist. Über die lokale Priorität<br />
eines Testfalls zu einer Testeinheit wird ausgedrückt,<br />
wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Testfalls<br />
ist, bei seiner Ausführung in der zugeordneten Testeinheit<br />
Fehler <strong>auf</strong>zuspüren. Ein Testfall kann auch mehreren<br />
Testeinheiten zugeordnet sein. In diesem Fall bestimmt<br />
der Testfall-Agent für jede Testeinheit eine eigene<br />
lokale Priorität. Bild 5 zeigt die für die lokale Priorität<br />
relevanten Informationen.<br />
Eine Testfall-Information, die von einem Testfall-<br />
Agenten für die lokale Priorisierung verwendet wird,<br />
ist der Status des Testfalls, beispielsweise ob er bereits<br />
durchgeführt wurde oder nicht. Hinzu kommen die<br />
eventuelle Relevanz des Testfalls, um geforderten Normen<br />
zu genügen, sowie die Fehlerfindungsrate, die ausdrückt,<br />
wie viele Fehler der Testfall durchschnittlich<br />
in vergangenen Testläufen entdeckt hat.<br />
Zu den Testfall-Informationen bezüglich der dem Testfall<br />
zugeordneten Testeinheit gehören die Anzahl der vom Testfall<br />
überdeckten Funktionen sowie eine erhöhte Relevanz<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
43
Hauptbeitrag<br />
bei der Abdeckung sicherheitskritischer Funktionen. Des<br />
Weiteren berücksichtigt der Testfall-Agent auch Informationen,<br />
die von den Testeinheit-Agenten kommuniziert werden,<br />
wie die an einer Testeinheit durchgeführten Änderungen<br />
und gefundenen Fehler, damit berücksichtigt werden<br />
kann, ob diese von dem Testfall überdeckt werden können.<br />
2.3 Priorisierung von Testfällen<br />
Um eine globale Aussage über die Priorität eines Testfalls<br />
treffen zu können, wird neben der lokalen Priorität<br />
und der Testwichtigkeit noch eine weitere Größe<br />
benötigt, die globale Priorität (GP). Mit ihr wird die<br />
Grundlage zur Testfallpriorisierung geschaffen, indem<br />
sie die Priorität eines Testfalls in Bezug <strong>auf</strong> das Gesamtsystem<br />
ausdrückt. Dies wird erreicht, indem für jeden<br />
Testfall dessen lokale Prioritäten mit den Testwichtigkeiten<br />
der zugehörigen Testeinheiten multipliziert werden<br />
und das Ergebnis durch die Summe aller Testwichtigkeiten<br />
geteilt wird (Formel 1).<br />
(1)<br />
Auf Grundlage der globalen Priorität kann dann die<br />
Reihenfolge der auszuführenden Testfälle für den Testplan<br />
bestimmt werden. Bild 6 stellt die Zusammenhänge<br />
der Testwichtigkeiten, lokalen Prioritäten und globalen<br />
Prioritäten dar.<br />
Der Abl<strong>auf</strong> der einzelnen Schritte zur Priorisierung der<br />
Testfälle sowie die zugehörigen Verantwortlichkeiten sind<br />
in Bild 7 illustriert.<br />
3. Wissensmodellierung der Softwareagenten<br />
Im vorangegangenen Abschnitt wurden die relevanten<br />
Informationen für die Testeinheiten und Testfälle erklärt,<br />
mit denen die entsprechenden Agenten eine Testwichtigkeit,<br />
lokale Priorität und die dar<strong>auf</strong> basierende globale<br />
Priorität bestimmen. Für die Durchführung von Tests <strong>auf</strong><br />
Code-Ebene gibt es zahlreiche Verfahren und Algorithmen,<br />
um eine geeignete Testfallpriorisierung durchzuführen,<br />
die in [10] und [11] beschrieben sind. Auf der<br />
Ebene des Systemtests ist dies allerdings ungleich schwieriger,<br />
<strong>auf</strong>grund des wesentlich größeren und komplexeren<br />
Testobjekts sowie Anforderungen an die Testdurchführung,<br />
für die sich kein direkter Code-Bezug mehr herstellen<br />
lässt. Die Regeln zur Testplanerstellung beruhen zum<br />
großen Teil <strong>auf</strong> ungenauen und unscharfen Aussagen, die<br />
oft nur in verbaler Form vorliegen [12]. Bei der Berücksichtigung<br />
des Faktors Mensch stoßen die bekannten mathematischen<br />
Algorithmen ebenfalls schnell an Grenzen.<br />
Ein Lösungsansatz für diese Problematiken ist Fuzzy-<br />
Logik [13]. Sie stellt eine mathematisch präzise Methode<br />
zur Berechnung von Unschärfe dar. Durch die Anlehnung<br />
an das menschliche Schlussfolgern, die Regelbildung<br />
mithilfe von verbalen Formulierungen und das<br />
unscharfe Annähern an Lösungen kann die Fuzzy-Logik<br />
hier sehr gut eingesetzt werden [14]. Die Fuzzy-Logik<br />
zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass man mit ihr<br />
dem menschlichen Denken nachempfundenes, unscharfes<br />
Wissen abbilden kann, sondern die Wissensmodellierung<br />
darüber hinaus auch sehr einfach und transparent<br />
möglich ist. Die eigentliche Wissensbasis eines<br />
Fuzzy-Logik Systems wird von einem Fuzzy-Logik-Regelwerk<br />
gebildet. In ihm werden in linguistischer Form<br />
die Zusammenhänge zwischen Ein- und Ausgangsgrößen<br />
formuliert. Dies geschieht über „Wenn-Dann-Regeln“<br />
[15]. Um diese Regelbildung zu ermöglichen, müssen die<br />
zu verarbeitenden Eingangsgrößen in Form von Fuzzy-<br />
Werten vorliegen. Numerische Werte werden anhand von<br />
Zugehörigkeitsfunktionen in Fuzzy-Werte überführt.<br />
Eine solche Zugehörigkeitsfunktion gibt die Zugehörigkeit<br />
eines numerischen Wertes zu einem linguistischen<br />
Term an, wie in Bild 8 beispielhaft dargestellt.<br />
Bild 8 zeigt drei Zugehörigkeitsfunktionen, über die die<br />
Anzahl an Änderungen in einer Testeinheit von einem numerischen<br />
Wert in einen Fuzzy-Wert überführt wird. Die<br />
Fuzzy-Werte werden dabei über die linguistischen Terme<br />
„wenige“, „mehrere“ und „viele“ beschrieben. Auf diesem<br />
Weg wird ein numerischer Wert, wie „Anzahl Änderungen<br />
= 6“, in eine verbale Aussage, wie „mehrere Änderungen<br />
innerhalb der Testeinheit“ umgewandelt. Diese Aussage<br />
kann dann einem resultierenden Wert, wie einer „hohen<br />
Testwichtigkeit“, über eine verbal formulierte Regel wie<br />
„WENN Anzahl Änderungen = mehrere DANN Testwichtigkeit<br />
= hoch“ verknüpft werden. Auf diese Weise kann<br />
auch weiteres unscharfes Expertenwissen, wie „Eine hohe<br />
Belastung der Entwickler führt zu einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit<br />
für Fehler“ [2], modelliert werden. Fuzzy-<br />
Logik Systeme bieten eine gute Möglichkeit, solche unscharfen<br />
menschlichen Bewertungsmaßstäbe, Denkmuster<br />
und Schlussfolgerungsabläufe nachzubilden [17].<br />
Das vorgestellte Agentensystem besteht aus zwei Agententypen:<br />
Dem Testeinheit-Agenten und dem Testfall-<br />
Agenten. Um aus den vorhandenen Informationen eine<br />
Testfallpriorisierung zu erhalten, die in wenigen Testläufen<br />
viele Fehler findet, werden von den Testeinheit-Agenten<br />
die Testwichtigkeiten und von Testfall-Agenten die<br />
lokalen Prioritäten berechnet. Daraus folgt die Notwendigkeit<br />
von zwei verschiedenen Fuzzy-Logik-Systemen, die<br />
in den beiden Softwareagententypen integriert sind. Der<br />
Testeinheit-Agent enthält ein Fuzzy-Logik-System zur Bestimmung<br />
der Testwichtigkeit. Es wandelt alle zur Ermittlung<br />
der Testwichtigkeit relevanten Information mithilfe<br />
von Zugehörigkeitsfunktionen in Fuzzy-Werte um und<br />
ermittelt über das implementierte Fuzzy-Logik-Regelwerk<br />
den resultierenden Ausgangswert – die Testwichtigkeit<br />
der vom Agenten repräsentierten Testeinheit. Ein exemplarisches<br />
Fuzzy-Logik-System zeigt Bild 9.<br />
Innerhalb des Testfall-Agenten arbeitet ein Fuzzy-Logik-<br />
System, das Informationen über den Testfall und die zugeordnete<br />
Testeinheit auswertet. Analog zum Testeinheit-<br />
Agenten werden hier wiederum die Informationen in<br />
Fuzzy-Werte umgewandelt und über das interne Regelwerk<br />
wird ein Ausgangswert bestimmt. Dieser Ausgangswert<br />
ist in diesem Fall die lokale Priorität des Testfalls in Bezug<br />
<strong>auf</strong> eine Testeinheit. Dabei berechnet das Fuzzy-Logik-<br />
System für jede zugeordnete Testeinheit des Testfalls eine<br />
44<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
1<br />
estimmung der<br />
lobalen Priorität<br />
LP C1<br />
Bestimmung der<br />
lokalen Priorität<br />
LP C1<br />
LP B3<br />
Durchführung<br />
der Testfälle<br />
BILD 7: Schritte zur Testfallpriorisierung<br />
LP B3<br />
LP B3<br />
Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />
Aufgabe des Testfall-Agenten<br />
Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />
GPB<br />
TF B<br />
GP D<br />
TF D<br />
GP x =<br />
Globale<br />
Priorität<br />
von Testfall x<br />
Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />
Zugehörigkeit<br />
wenige<br />
1,0<br />
0,75<br />
0,5<br />
0,25<br />
Aufgabe des Testfall-Agenten<br />
e 1<br />
Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />
Aufgabe des Testeinheit-Agenten<br />
e 1<br />
e 2<br />
e n<br />
Zugehörigkeit<br />
wenige<br />
1,0<br />
0,75<br />
0,5<br />
0,25<br />
Anzahl an Änderungen<br />
mehrere<br />
2 4 6 8 10 12<br />
Änderungen<br />
Anzahl an Änderungen<br />
mehrere<br />
viele<br />
viele<br />
2 4 6 8 10 12<br />
Änderungen<br />
BILD 8: Zugehörigkeitsfunktionen<br />
der Eingangsvariablen<br />
„Anzahl an Änderungen“<br />
Regelbasis<br />
WENN ...<br />
DANN ...<br />
WENN ...<br />
DANN ...<br />
Aufgabe e 2<br />
des Testfall-Agenten<br />
WENN ...<br />
Auf Grundlage der ATMS Ergebnisse<br />
DANN ...<br />
Regelbasis<br />
Fuzzifizierung Inferenz Defuzzifizierung<br />
WENN ...<br />
DANN ...<br />
BILD 9: Fuzzy-Logik-System WENN ... zur<br />
Berechnung DANN der Testwichtigkeit<br />
...<br />
WENN ...<br />
DANN ...<br />
Testwichtigkeit<br />
Testwichtigkeit<br />
GPA<br />
TW 1 TW 2<br />
GPB<br />
TF A<br />
TE 1<br />
TE 2<br />
TF B<br />
LP A1<br />
LP B2<br />
GPA Benutzungsschnittstelle<br />
Datenerfassung<br />
TW 2<br />
TW 1<br />
GP C<br />
TW 3<br />
GP D<br />
TF A<br />
TE 1<br />
TE 2<br />
LP<br />
TF C<br />
A1<br />
LP<br />
TW 1 TW 2<br />
TE 3GPB<br />
TF D B2<br />
LP C3 Benutzungsschnittstelle<br />
TF B<br />
LP D3 Datenerfassung<br />
TE 1<br />
Regler<br />
GP TE C 2<br />
LP B2<br />
TW 3<br />
Benutzungsschnittstelle<br />
Testeinheit i erfassung Testfall x Testwichtigkeit LP C3 Lokale Priorität Globale LP D3<br />
TE i = TF x = TW i =<br />
LP xi =<br />
GP x =<br />
TF<br />
Daten-<br />
C<br />
TE 3<br />
TW 3<br />
GP D<br />
von Testeinheit i von Regler Testfall x zu Priorität<br />
Testeinheit i von Testfall x<br />
TE 3 TE i = TF x = TW TF i = D<br />
LP LP xi =<br />
C3<br />
LP D3<br />
Testeinheit i Testfall x Testwichtigkeit Lokale Priorität<br />
BILD Regler 6: Wichtigkeiten und Prioritäten<br />
von Testeinheit i von Testfall x zu<br />
x = TW i =<br />
LP<br />
Testeinheit i<br />
xi =<br />
GP x =<br />
stfall x Testwichtigkeit Lokale Priorität Globale<br />
Bestimmung der<br />
Testwichtigkeit<br />
von Testeinheit i von Testfall x zu Priorität<br />
Testeinheit Bestimmung i der von Testfall Durchführung x<br />
globalen Priorität der Testfälle<br />
Bestimmung Bestimmung der der<br />
lokalen Priorität Testwichtigkeit<br />
Bestimmung der Durchführung<br />
globalen Priorität der Testfälle<br />
e n<br />
eigene lokale Priorität. Sowohl die Testeinheit-Agenten als<br />
auch die Testfall-Agenten tauschen für ihre Berechnungen<br />
relevante Informationen mit den anderen Agenten aus,<br />
unter anderem auch Ergebnisse wie die Testwichtigkeit,<br />
die mit den lokalen Prioritäten eines Testfalls zu dessen<br />
globaler Priorität verrechnet wird.<br />
4. Prototyp<br />
Zur Evaluierung des Ansatzes wurde ein Prototyp<br />
entwickelt. Der Prototyp des adaptiven Testmanagementsystems<br />
besteht aus einem nach den Grundlagen<br />
der agentenorientierten Softwareentwicklung realisierten<br />
Softwareagentensystem. Dieses Agentensystem<br />
wurde mithilfe von JADE [16], einem Framework<br />
zur Entwicklung von Softwareagenten erstellt. Das<br />
Wissen zur Testfallpriorisierung, mit der frühzeitig<br />
möglichst viele Fehler gefunden werden können, kapselt<br />
jeder Agent in sich selbst. Dieses Wissen ist in den<br />
Agenten in Form eines Fuzzy-Logik-Systems enthalten.<br />
Grundlage aller im System verwendeter Fuzzy-<br />
Logik ist die Open-Source-Bibliothek jFuzzyLogic.<br />
Fuzzifizierung Inferenz Defuzzifizierung<br />
Das Konzept des ATMS ist dahingehend ausgerichtet,<br />
dass es sich aus den Informationen bestehender Testmanagementdatenbanken<br />
bedient. Da zum Zeitpunkt<br />
der Erstellung des Prototyps noch keine Datenbankinfrastruktur<br />
zur Bereitstellung aller von den Softwareagenten<br />
benötigten Informationen vorhanden<br />
war, wurden verschiedene grafische Benutzungsoberflächen<br />
erstellt, über die den Agenten alle notwendigen<br />
Informationen übermittelt werden können und<br />
die gleichzeitig auch als Ausgabe und Visualisierung<br />
von Informationen der Softwareagenten dienen. In<br />
Bild 10 ist der Austausch von Informationen schematisch<br />
dargestellt. Dabei wurde der Informationsfluss<br />
in vier Stufen unterteilt.<br />
Die erste Stufe der Kommunikation zwischen dem<br />
Benutzer und den grafischen Benutzungsoberflächen<br />
dient sowohl zur Eingabe von Informationen für das<br />
System, als auch zur Visualisierung von Eigenschaften<br />
und Ergebnissen für den Benutzer. Auf der zweiten<br />
Stufe verarbeiten die Softwareagenten die übermittelten<br />
Daten und geben benutzerrelevante Informationen<br />
zurück. Die dritte Stufe wird von den Agenten zum<br />
Austausch verschiedener Eigenschaften oder berech-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
45
Hauptbeitrag<br />
neter Werte verwendet, die für die individuelle Aufgabenerfüllung<br />
notwendig sind. Die vierte Stufe der agenteninternen<br />
Kommunikation dient den Agenten zur<br />
Berechnung der lokalen Prioritäten und Testwichtigkeiten<br />
unter Verwendung der Fuzzy-Logik-Systeme.<br />
Eine detaillierte Darstellung der Systemarchitektur ist<br />
in Bild 11 gegeben.<br />
Zur Veranschaulichung der Funktionalität des ATMS<br />
wird in Bild 12 die grafische Benutzungsoberfläche eines<br />
Testeinheit-Agenten dargestellt.<br />
Jeder Testeinheit-Agent besitzt eine eigens ihm zugeordnete<br />
Benutzungsoberfläche. Über sie werden spezifische<br />
Informationen einer Testeinheit ausgegeben und<br />
auch Meldungen anderer Agenten visualisiert. Außerdem<br />
ermöglich sie die Eingabe von Daten, die relevant<br />
sind für die Bestimmung der Testwichtigkeit. Die Benutzungsoberfläche<br />
des Testfall-Agenten ist analog der des<br />
Testeinheit-Agenten <strong>auf</strong>gebaut und erfüllt die entsprechenden<br />
Aufgaben für die Testfälle, wie die Berechnung<br />
und Visualisierung der lokalen und globalen Priorität.<br />
Adaptives Testmanagementsystem<br />
3<br />
Benutzer<br />
GUIs<br />
1 2<br />
agent<br />
Softwareagent<br />
Softwareagent<br />
4<br />
BILD 10:<br />
ATMS Informationsfluss<br />
Benutzereingabe<br />
Benutzerausgabe<br />
Benutzer<br />
Benutzerein-/Ausgabe<br />
Benutzerein-/<br />
Ausgabe<br />
1. Stufe<br />
Benutzer - GUI<br />
Startup-<br />
GUI<br />
Output-<br />
GUI<br />
Testfall-<br />
GUI<br />
Testeinheit-<br />
GUI<br />
Anzahl<br />
Testeinheiten<br />
und Testfälle<br />
Testfallreihenfolge<br />
Testfall<br />
Eigenschaften<br />
Testeinheit<br />
Eigenschaften<br />
GUI<br />
Informationen<br />
GUI<br />
Informationen<br />
2. Stufe<br />
GUI - Agenten<br />
Pionier-<br />
Agent<br />
Informationsaustausch<br />
Testeinheit-<br />
Agent<br />
Informationsaustausch<br />
Globale Priorität<br />
Testfall-<br />
Agent<br />
Informationsaustausch<br />
3. Stufe<br />
Agenten -Agenten<br />
Informationen zur<br />
Berechnung<br />
Lokale<br />
Priorität<br />
Informationen<br />
zur<br />
Berechnung<br />
Testwichtigkeit<br />
4. Stufe<br />
Agentenintern<br />
BILD 11:<br />
Detaillierter<br />
Informationsfluss<br />
Fuzzy Logik<br />
Lokale<br />
Priorität<br />
Fuzzy Logik<br />
Testwichtigkeit<br />
BILD 12:<br />
Grafische Benutzungsoberfläche<br />
eines<br />
Testeinheit-Agenten<br />
46<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Eine Priorisierung von Testfällen, um deren Durchführungsreihenfolge<br />
zu bestimmen, läuft in dem Prototypen<br />
des ATMS wie folgt ab: Zunächst werden die Anzahl<br />
an Testeinheiten, in die das zu testende Testobjekt<br />
unterteilt ist, sowie die Anzahl der Testfälle, die für das<br />
Testobjekt relevant sind, angegeben. Dar<strong>auf</strong>hin wird<br />
stellvertretend für jede Testeinheit und jeden Testfall ein<br />
entsprechender Softwareagent erzeugt. Diese Softwareagenten<br />
können über ihre jeweiligen Benutzungsoberflächen<br />
mit einer Vielzahl an priorisierungsrelevanten<br />
Informationen versorgt werden, die von den Agenten<br />
im Bedarfsfall untereinander kommuniziert werden. Die<br />
erhaltenen Daten führt jeder Agent einem Fuzzy-Logik-<br />
System zu, welches das Wissen enthält, um daraus eine<br />
Testwichtigkeit für die repräsentierte Testeinheit beziehungsweise<br />
die lokalen Prioritäten für den repräsentierten<br />
Testfall zu bestimmen. Die Ergebnisse tauschen die<br />
Agenten miteinander aus, um daraus für jeden Testfall<br />
eine globale Priorität zu bestimmen, die seine Wichtigkeit<br />
in Hinblick <strong>auf</strong> das gesamte Testobjekt ausdrückt.<br />
Somit ergibt sich die Reihenfolge zur Durchführung aller<br />
Testfälle, die dem Testmanager zurückgemeldet wird.<br />
5. Evaluierungsergebnisse<br />
Um die Vorteile des Konzepts und der Methodik gegenüber<br />
einer üblichen und manuellen Priorisierung der<br />
Testfälle zu demonstrieren, wurde ein konkretes Beispiel<br />
herangezogen. Hierbei wurde die Steuerung eines<br />
am IAS vorhandenen industriellen Kaffeeautomaten<br />
betrachtet. Sie besteht aus 29 Softwaremodulen (Testeinheiten)<br />
mit insgesamt 101 Funktionen. Für die Steuerung<br />
wurden 30 Testfälle definiert. In der ersten Version<br />
dieser Steuerungssoftware wurden 7 Fehler gefunden<br />
und 11 neue Änderungen durchgeführt. Die Priorisierung<br />
der Testfälle wurde zunächst durch das<br />
ATMS und anschließend durch 6 unabhängige Entwickler<br />
durchgeführt. Die jeweilige Priorisierung wurde<br />
anhand folgender Formeln bewertet:<br />
1 | Fehlerentdeckungsgrad (FEG), die Summe <strong>auf</strong>gedeckter<br />
gewichteter Fehler im Test dividiert<br />
durch die Summe aller gewichteter Fehler<br />
2 | Testeffektivität, die Summe <strong>auf</strong>gedeckter<br />
gewichteter Fehler im Test dividiert durch die<br />
Anzahl ausgeführter Testfälle<br />
Dabei ist die Summe <strong>auf</strong>gedeckter gewichteter Fehler<br />
die Summe <strong>auf</strong>gedeckter Fehler in jeder Fehlerschwerestufe<br />
multipliziert mit der Gewichtung der Fehlerschwerestufe.<br />
In die neue Version der Steuerungssoftware wurden<br />
4 Fehler mit der Gewichtung 1 (normale Fehler) und 4<br />
mit der Gewichtung 2 (schwere Fehler) injiziert. Das<br />
bedeutet, dass die Summe aller gewichtete Fehler<br />
gleich 12 war (4.1 +4.2). Pro Testfall wurde 1 Stunde<br />
Zeit angenommen und es stand eine Testzeit von 8<br />
Stunden zur Verfügung, das heißt es wurden die ersten<br />
8 am höchsten priorisierten Testfälle ausgeführt. Nach<br />
der Durchführung der Evaluierung wurden folgende<br />
Ergebnisse erzielt:<br />
Referenzen<br />
[1] Spillner, A., Linz, T.: Basiswissen Softwaretest,<br />
Aus- und Weiterbildung zum Certified Tester.<br />
Heidelberg: dpunkt.verlag, 2005<br />
[2] Spillner, A., Roßner T., Winter, M., Linz, T.:<br />
Praxiswissen Softwaretest, Testmanagement.<br />
Heidelberg: dpunkt.verlag, 2008<br />
[3] Jennings, N.R., Sycara, K, and Wooldridge, M.:<br />
A Roadmap of Agent Research and Development.<br />
Autonomous Agents and Multi-Agent Systems,<br />
1, 1998, S. 275-306<br />
[4] Jennings, N.R.: On agent-based software engineering.<br />
Artificial Intelligence 117, 2000, S. 227-296<br />
[5] Wooldridge, M., Jennings, N.R.: Agent Theories,<br />
Architectures, and Languages: A Survey.<br />
In Wooldridge and Jennings (Eds.) Intelligent Agents,<br />
Springer Verlag, Berlin, 1995<br />
[6] Wooldridge, M.: Agent-based Software Engineering.<br />
IEE Proceedings on Software Engineering 144 (1),<br />
1997, S. 26-37<br />
[7] Wagner, T., Göhner, P., Urbano, P.: Software -<br />
agenten – Einführung und Überblick über eine<br />
alternative Art der Softwareentwicklung.<br />
Teil I: Agentenorientierte Softwareentwicklung.<br />
Atp – Automatisierungstechnische Praxis 45 (2003),<br />
Heft 10<br />
[8] Wagner, T.: Agentenunterstütztes Engineering von<br />
Automatisierungsanlagen. IAS-Forschungsberichte,<br />
Band 1/2008<br />
[9] http://www.fipa.org/ - The Foundation for Intelligent<br />
Physical Agents, Stand: August 2010<br />
[10] G. Rothermel, M. J. Harrold: “Analyzing Regression<br />
Test Selection Techniques” IEEE Transactions on<br />
Software Engineering, vol. 22, no. 8, August 1996<br />
[11] T. L. Graves, M. J. Harrold, J.-M. Kim, A. Porter,<br />
G. Rothermel: “An Empirical Study of Regression<br />
Test Selection Techniques” IEEE Proceedings of<br />
the 1998 International Conference on Software<br />
Engineering, pp. 188-197, April 1998<br />
[12] Z. Xu, K. Gao, T. M. Khoshgoftaar: “Application of<br />
Fuzzy Expert System In Test Case Selection For<br />
System Regression Test“, IEEE International<br />
Conference on Information Reuse and Integration,<br />
pp. 120-125, August 2005<br />
[13] Zadeh, L.: “Fuzzy Sets” Information and Control 8,<br />
338-353, 1965<br />
[14] E. Avineri, M. Köppen, K. Dahal, Y. Sunitiyoso,<br />
R. Roy: “Applications of Soft Computing - Updating<br />
the State of the Art”<br />
Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, 2009<br />
[15] Göhner, P.: „Prozessautomatisierung II“<br />
Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, 1999.<br />
[16] http://jade.tilab.com/ - Java Agent Development<br />
Framework, Stand: August 2010<br />
[17] Lippe, W.-M.: Soft-Computing – mit Neuronalen<br />
Netzen, Fuzzy-Logic und Evolutionären Algorithmen.<br />
Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2006<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
47
Hauptbeitrag<br />
Die Evaluierungsergebnisse zeigen eine deutliche Aufwandreduzierung<br />
und Steigerung des Fehlerentdeckungsgrads<br />
und der Testeffektivität durch das ATMS<br />
gegenüber der herkömmlichen Methode. Mit steigender<br />
Anzahl der Module und der Testfälle wird diese Divergenz<br />
noch viel deutlicher.<br />
Fazit<br />
In diesem Beitrag werden die Probleme des Testmanagements<br />
mit dem Fokus <strong>auf</strong> der Priorisierung von<br />
Testfällen diskutiert. Dabei wird eine Lösung <strong>auf</strong>gezeigt,<br />
wie mit den Herausforderungen im Bereich des<br />
Testmanagements, der Informationsvielfalt, den<br />
schwer überschaubaren Abhängigkeiten und dem unscharfen<br />
Wissen umgegangen werden kann. Diese Lösung<br />
beschreibt den Einsatz von Softwareagenten, die<br />
über unscharf modelliertes Wissen in Form von Fuzzy-<br />
Logik verfügen. Es wird ein Konzept vorgestellt, in<br />
dem Testeinheiten und Testfälle durch Softwareagenten<br />
repräsentiert werden, die relevante Informationen<br />
Priorisierungsdauer<br />
Fehlerentdeckungsgrad<br />
Testeffektivität<br />
ATMS<br />
Mensch<br />
(Durchschnittswert)<br />
< 1 Sekunde 900 Sekunden<br />
0,83 0,33<br />
1,25 0,5<br />
für die Priorisierung der Testfälle zur Durchführung<br />
sammeln und miteinander austauschen. Dabei enthalten<br />
die Softwareagenten Fuzzy-Logik-Systeme, die es<br />
ihnen ermöglichen, mit unscharfem Wissen ihre<br />
Wichtigkeit und damit Priorität in Hinblick <strong>auf</strong> das zu<br />
testende Testobjekt derart zu bestimmen, dass eine<br />
möglichst frühzeitige Erkennung von möglichst vielen<br />
Fehlern erzielt wird. Dieses Konzept wurde anhand<br />
eines Prototyps evaluiert. Erste Ergebnisse von Industriepartnern<br />
zeigen bereits die vielfältigen Vorteile<br />
und Möglichkeiten beim Einsatz des ATMS.<br />
Manuskripteingang<br />
11.05.2011<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Autoren<br />
Dr.-Ing. Nasser Jazdi (geb. 1963) war<br />
von 1997 bis 2003 als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter tätig und ist seit 2003<br />
akademischer Oberrat am Institut für<br />
Automatisierungs- und Softwaretechnik<br />
der Universität Stuttgart. Besondere<br />
Arbeitsschwerpunkte sind „Softcomputing<br />
Methoden-, Zuverlässigkeit und<br />
Sicherheit- und Lernfähigkeit in der<br />
Automatisierungstechnik“.<br />
Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />
Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />
Tel. +49 (0) 711 68 56 73 03,<br />
E-Mail: nasser.jazdi@ias.uni-stuttgart.de<br />
Dipl.-Ing. Michael Nadj (geb. 1982) ist<br />
wissenschaftlicher Assistent am Institut für<br />
Automatisierungs- und Softwaretechnik der<br />
Universität Stuttgart. Er betreut die Vorlesung<br />
Automatisierungstechnik I und setzt sich in<br />
seinem Forschungsschwerpunkt mit der<br />
Lernfähigkeit von automatisierten Systemen<br />
auseinander.<br />
Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />
Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />
Tel. +49 (0) 711 68 56 73 01,<br />
E-Mail: ias@ias.uni-stuttgart.de<br />
Dipl.-Ing. Christoph Malz, M. Sc.,<br />
(geb. 1980) ist wissenschaftlicher<br />
Assistent am Institut für Automatisierungs-<br />
und Softwaretechnik der<br />
Universität Stuttgart. Er betreut die<br />
Vorlesung Grundlagen der Softwaretechnik<br />
und setzt sich in seinem<br />
Forschungsschwerpunkt mit dem<br />
agentenbasierten Testmanagement<br />
auseinander.<br />
Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />
Pfaffenwaldring 47, D-70550 Stuttgart,<br />
Tel. +49 (0) 711 68 56 72 95,<br />
E-Mail: christoph.malz@ias.uni-stuttgart.de<br />
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Peter Göhner<br />
(geb. 1950) ist Leiter des Instituts für Automatisierungs-<br />
und Softwaretechnik (IAS) an<br />
der Universität Stuttgart. Seine Hauptarbeitsgebiete<br />
sind Wiederverwendungskonzepte in der<br />
Automatisierungstechnik, Verlässlichkeit von<br />
automatisierten Systemen, Energieoptimierung<br />
in technischen Systemen, Agentenorientierte<br />
Konzepte in der Automatisierungstechnik und<br />
Benutzerorientierte Automatisierung.<br />
Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik,<br />
Pfaffenwaldring 47, 70550 Stuttgart,<br />
Tel. +49 (0) 711 68 56 73 00,<br />
E-Mail: peter.goehner@ias.uni-stuttgart.de<br />
48<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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PAATPE0311<br />
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hauptbeitrag<br />
Kompatibilität: der zentrale<br />
Schlüssel für Nachhaltigkeit<br />
Life-Cycle-Excellence durch proaktives Handeln<br />
In der Automation l<strong>auf</strong>en die Lebenszyklen (Life Cycle) von Komponenten, Geräten und<br />
Systemen gegenüber der Lebenszeit der Gesamtanlage zunehmend auseinander. Die hohe<br />
Innovationsrate bei Hard- und Software und die steigende Funktionalität der Komponenten<br />
verkürzen den Life-Cycle der Automatisierungsprodukte stetig. Der Beitrag fasst die<br />
unterschiedlichen Dimensionen in einem Gesamtmodell zur Life-Cycle-Excellence zusammen,<br />
in dem die Kompatibilität zentrale Bedeutung hat. Proaktives Handeln in Kooperation<br />
zwischen allen Partnern ist der Schlüssel für nachhaltige Lösungen.<br />
SCHLAGWÖRTER Life-Cycle-Management / Life-Cycle-Modell / Kompatibilität<br />
Compatibility and Life-Cycle Excellence in Automation<br />
There is an increasing divergence between the life-cycles of components, devices and<br />
systems involved in automation and the lifetime of the plant as a whole. The high rate<br />
of innovation in hardware and software and the increasing functionality of components<br />
is continuously shortening the life-cycle of automation products. We correlate the various<br />
dimensions in a comprehensive model of life-cycle excellence, paying particular<br />
attention to compatibility. Proactive cooperation between all partners is the key to<br />
sustainable solutions.<br />
KEYWORDS Life-Cycle Management / Life-Cycle Model / Compatibility<br />
50<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Reinhard Schrieber, Siemens Energy<br />
Martin Wollschlaeger, TU Dresden<br />
Mathias Mühlhause, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg<br />
Jörg Niemann, ABB Automation<br />
Eine wesentliche Herausforderung für das Management<br />
einer Anlage ist die Sicherstellung des Betriebs<br />
aller Anlagenteile unter Einhaltung funktionaler<br />
und wirtschaftlicher Anforderungen über<br />
deren komplette Nutzzeit. Dabei ist für die Leittechnik<br />
der Anlage ein zunehmendes Auseinanderdriften der<br />
Lebenszyklen (Life-Cycle) der Systeme sowie deren Komponenten<br />
in Bezug <strong>auf</strong> die Lebenszeit der Gesamtanlage zu<br />
beobachten. So differieren die branchenspezifischen Anlagennutzzeiten<br />
etwa von 7–8 Jahren für Produktionsstrecken<br />
im Automobilbereich <strong>auf</strong>steigend über typischerweise 15–25<br />
Jahren für verfahrenstechnische Anlagen bis hin zu 50 Jahren<br />
für Kraftwerke und Transportsysteme. Demgegenüber<br />
stehen die ohnehin zu großen Teilen geringeren Life-Cycle<br />
der eingesetzten Automatisierungsprodukte, die durch steigende<br />
Funktionalität, hohe Innovationsraten verwendeter<br />
Hardware und Software weiter verkürzt werden (Bild 1).<br />
Dieses Spannungsfeld verdeutlicht, dass die Aufrechterhaltung<br />
des Anlagenbetriebs – das Life-Cycle-Management<br />
– auch in der Automation zunehmendes Gewicht bekommt,<br />
nicht zuletzt dadurch, dass nicht nur der Betreiber einer<br />
Anlage selbst, sondern auch Systemintegratoren und Hersteller<br />
mit ihren Lieferketten an diesem Prozess beteiligt<br />
sind. Globale, rechtliche und technische Einflüsse, Anforderungen<br />
der Nutzer an höhere Wirtschaftlichkeit, Funktionalität,<br />
Zuverlässigkeit und Effizienz sowie der Einfluss der<br />
IT-Technologien in der Automatisierung wirken hier wechselseitig<br />
und lassen den Umfang dieses Themas erahnen.<br />
Der Lösungsansatz zur Beherrschung des Life-Cycles von<br />
Anlagen liegt gemäß [1] in einem proaktiven Life-Cycle-<br />
Management, das eine bereits in der Planungsphase beginnende<br />
aktive Gestaltung der Lebenszeit einer Anlage sowie<br />
der eingesetzten Komponenten über die Maßnahmen zur<br />
Qualitätssicherung [2] sowie des Obsoleszenzmanagements<br />
[3] hinaus vorsieht. Dies schließt neben den vielfältigen Anforderungen<br />
an Funktionalität, Sicherheit oder Regularien<br />
explizit auch Kriterien des wirtschaftlichen Betriebs im<br />
Sinne des Life-Cycle-Costings [4] mit ein. Durch die frühzeitige<br />
und kontinuierliche Betrachtung von vorhersehbaren<br />
Einflüssen <strong>auf</strong> die Anlage wie zum Beispiel Technologiewechsel<br />
oder sich ändernde Regularien können funktional<br />
und wirtschaftlich sinnvolle Strategien zur Absicherung<br />
des Betriebs geplant und durchgeführt werden.<br />
Proaktives Life-Cycle-Management bedeutet weiterhin,<br />
eine Anlage während der Nutzzeit nachhaltig zu optimieren.<br />
Maßnahmen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit<br />
des Life-Cycle-Managements können nur durch die intensive<br />
Zusammenarbeit der Anwender mit den Herstellern<br />
definiert werden. Dabei ist insbesondere die Analyse folgender<br />
Faktoren erforderlich:<br />
die Lebenszeit der Anlage sowie der mit ihr<br />
gefertigten Produkte,<br />
die Lebenszeit beziehungsweise Zuverlässigkeit<br />
der Systemkomponenten (zum Beispiel <strong>auf</strong> Grundlage<br />
ihrer Ausfallwahrscheinlichkeiten),<br />
die Auswahl von Lieferanten nach Life-Cyclerelevanten<br />
Kriterien wie wirtschaftliche Robustheit,<br />
Leistungsfähigkeit, aber auch Unterstützung der<br />
Anforderungen aus dem Life-Cycle der Anlage,<br />
die Lieferbedingungen für Erzeugnisse und<br />
Leistungen, inklusive denen für Software [5].<br />
Grundlage des Life-Cycle-Managements ist ein gemeinsames<br />
Verständnis wesentlicher Begriffe, Modelle und deren<br />
Anwendung in entsprechenden Strategien. Diese werden im<br />
Beitrag <strong>auf</strong>gezeigt. Der Artikel erweitert die Ergebnisse des<br />
Leitfadens „Life-Cycle-Management für Produkte und Systeme<br />
der Automation“ [6], der vom ZVEI-Arbeitskreis Systemaspekte<br />
im Fachverband Automation erstellt wurde. Der<br />
Leitfaden enthält unter anderem ein umfangreiches Glossar,<br />
<strong>auf</strong> das im vorliegenden Artikel Bezug genommen wird.<br />
1. Modelle des Life-Cycle-Managements<br />
1.1 Life-Cycle-Modell für Produkttypen<br />
und Produktinstanzen<br />
Die Erarbeitung des Leitfadens [6] hat gezeigt, dass sich<br />
typische Einflussgrößen wie zum Beispiel die Nutzzeit<br />
<strong>auf</strong> den Life-Cycle von Produkten und Systemen aus-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
51
Hauptbeitrag<br />
wirken. Diese Einflussgrößen umfassen Life-Cycle-bezogene,<br />
branchenspezifische, technische, regulatorische<br />
und gesellschaftliche Herausforderungen. Ein<br />
Life-Cycle-Modell muss dies berücksichtigen. Eine<br />
grundlegende Definition stellt dabei die Unterscheidung<br />
zwischen Produkttypen und Produktinstanzen<br />
dar (Bild 2).<br />
Ein Typ ist gekennzeichnet durch eine eindeutige<br />
Produkt-ID (beispielsweise die Bestellnummer), einen<br />
Satz von Entwicklungsdokumenten, Fertigungs- und<br />
Prüfbeschreibungen und eine technischen Dokumentation.<br />
Für die Zulassung eines Typs für Anwendungen<br />
können Zertifikate gefordert und ausgestellt werden.<br />
Diese Definition ist gültig für Hardwareprodukte, Softwareprodukte<br />
und Produkte als Bundle aus Hardware<br />
und Software. Alle Tätigkeiten, die im Rahmen der Entwicklung,<br />
Pflege und Betreuung eines Produktes geleistet<br />
werden – unabhängig davon, wie oft es gefertigt wird<br />
– beziehen sich <strong>auf</strong> den Produkttyp. Zur Verwaltung<br />
von Änderungen am Typ, ausgeprägt als Versionen und<br />
Ausgabestände, ist ein Konfigurationsmanagement erforderlich.<br />
Sämtliche Programme und Werkzeuge für<br />
Entwicklung, Test, Fertigung und Service unterliegen<br />
ebenfalls einem Entwicklungs- und Pflegeprozess, alle<br />
Informationen sind mindestens bis zum Ende des Service<br />
vorzuhalten.<br />
Der typische Life-Cycle eines Produktes (Typ) lässt<br />
sich in verschiedene Lebensphasen gliedern, siehe Bild<br />
2. Die Summe der Lebensphasen eines Typs wird auch<br />
als Life-Cycle des Produkts (Product-Life-Cycle) bezeichnet.<br />
Der Begriff Zyklus soll ausdrücken, dass es<br />
sich um einen wiederkehrenden Abl<strong>auf</strong> im Sinne der<br />
Produktevolution handelt. Dadurch entstehen neue Versionen<br />
des Produktes. Diese Versionen sind in Bezug<br />
<strong>auf</strong> die Kompatibilität von hoher Relevanz und erfordern<br />
herstellerübergreifende Konventionen für das Versionsmanagement,<br />
zum Beispiel nach Namur-Empfehlung<br />
NE53 [7].<br />
Jede gefertigte Einheit eines Typs bildet eine Instanz<br />
dieses Typs. Die Instanz ist immer ein individuelles Exemplar<br />
und ist durch eine eindeutige Kennung (zum<br />
Beispiel Seriennummer) identifizierbar. Alle Tätigkeiten,<br />
die mit der Fertigung und dem Service während des Einsatzes<br />
des Produktes in einer Anlage geleistet werden,<br />
beziehen sich <strong>auf</strong> die Produktinstanz.<br />
Wie in Bild 2 dargestellt besitzt jede Instanz eines Produktes<br />
eine Lebenszeit (Product-Life-Time), die vom<br />
Zeitpunkt ihrer Erzeugung (Meilenstein a) bis zur Entsorgung<br />
(Meilenstein f) reicht. Sie kann deutlich über<br />
das Ende des Life-Cycle des Produkttyps (Abkündigung,<br />
Meilenstein 6) hinaus gehen. Der wesentliche Abschnitt<br />
der Lebenszeit ist die Nutzzeit, die bei Meilenstein c beginnt<br />
und mit der Außerbetriebsetzung (Meilenstein e)<br />
endet. Nach Außerbetriebsetzung werden insbesondere<br />
kostenintensive Produktinstanzen zunehmend <strong>auf</strong>bereitet<br />
und wiederverwendet. Die Gewährleistungszeit beginnt<br />
mit dem Gefahrübergang an den Kunden (Meilenstein<br />
b) – zum Beispiel dem Erwerb eines Produktes oder<br />
der Übergabe einer Anlage an den Kunden nach Abnahme<br />
– und endet gemäß gesetzlicher Regelungen oder<br />
Kundenverträgen (Meilenstein d).<br />
Mit der Abkündigung des Produktes als Typ (Meilenstein<br />
6) enden alle vom Hersteller standardmäßig vorgehaltenen<br />
produktbezogenen Lieferungen und Leistun-<br />
BILD 1: Lebenzyklen von Anlagen und ihren Komponenten<br />
BILD 2: Generisches Life-Cycle-Modell<br />
von Produkttypen und ‐instanzen<br />
52<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
gen. Nach diesem Zeitpunkt greifen Maßnahmen, die<br />
durch den Einsatz kompatibler Nachfolgeprodukte oder<br />
Migration die Aufrechterhaltung der Funktion absichern.<br />
In Ausnahmefällen kann ein Support durch Sondervereinbarungen<br />
erbracht werden.<br />
1.2 Integrationsmodell<br />
Ein System ist eine abgegrenzte, geordnete Gesamtheit<br />
von Komponenten, die zur Erfüllung einer Funktion <strong>auf</strong>einander<br />
einwirken oder miteinander in Beziehung stehen<br />
(Bild 3).<br />
Ein wesentliche Aufgabe im Rahmen des Integrationsprozesses<br />
von Systemen der Automation ist die Integration<br />
von Komponenten Dritter. Zur Veranschaulichung<br />
dient das Beispiel in Bild 3. Es zeigt eine hierarchische<br />
Struktur mit wachsender Systemfunktion, wobei <strong>auf</strong> jeder<br />
Ebene Komponenten zu Systemen integriert sind. Der<br />
Betrachtungsraum der Automation definiert Grenzen für<br />
die Begriffe Komponente und System. Die untere Betrachtungsgrenze<br />
stellt Bauteile dar, als obere Betrachtungsgrenze<br />
werden die leittechnischen Einrichtungen<br />
einer Anlage festgelegt.<br />
Jedes System, unabhängig von der Ebene, besitzt einen<br />
eigenen Life-Cycle, der vom individuellen Life-Cycle der<br />
integrierten Komponenten abhängt. Es ist eine große Herausforderung<br />
für den Hersteller eines Systems, die Abhängigkeiten<br />
vom individuellen Life-Cycle der Komponenten<br />
durch kontinuierliche evolutionäre Weiterentwicklung<br />
so zu gestalten, dass die Kompatibilitätsanforderungen<br />
an das System erfüllt bleiben.<br />
1.3 Kompatibilitätsmodell<br />
Unverzichtbare Voraussetzung für Life-Cycle-Management<br />
ist ein klares Verständnis des Begriffs Kompatibilität.<br />
In der Automation wird unter Kompatibilität die<br />
Austauschbarkeit, Vereinbarkeit oder Gleichwertigkeit<br />
von technischen Eigenschaften verstanden. Die systematische<br />
Erfassung der Kompatibilitätsanforderungen an<br />
Komponenten sollte unter drei Sichten erfolgen. Diese<br />
sind die Sichten <strong>auf</strong> die Kompatibilität zwischen der<br />
Komponente und dem Prozess, zwischen der Komponente<br />
und dem Menschen sowie zwischen der Komponente<br />
und dem System.<br />
Die Eigenschaften einer Komponente können verschiedenen<br />
Dimensionen zugeordnet werden [8], deren spezifische<br />
Ausprägungen Abhängigkeiten untereinander<br />
<strong>auf</strong>weisen. Diese Dimensionen stellen dar:<br />
die automatisierungstechnischen Funktionen<br />
(zum Beispiel Messen, Stellen, Alarmieren),<br />
Geräte, die diese Funktionen realisieren<br />
(wie Feldgeräte, Steuerungen),<br />
Orte, an denen die Geräte eingesetzt werden<br />
(beispielsweise Leitwarte, Feld).<br />
Der Kompatibilitätsgrad (Grad der Austauschbarkeit,<br />
Vereinbarkeit oder Gleichwertigkeit) definiert die Erfüllung<br />
der Anforderungen, die für ein spezifisches<br />
Kompatibilitätsprofil relevant sind. In der Praxis haben<br />
sich vorwiegend qualitative Betrachtungen etabliert,<br />
für die in [6] Kompatibilitätsprofile definiert<br />
werden. Typische Kompatibilitätsprofile sind beispielsweise<br />
vollkompatibel, funktionskompatibel oder<br />
anschlusskompatibel (Tabelle 1).<br />
Mithilfe einer Analyse relevanter Anforderungen an<br />
eine auszutauschende Komponente eines Systems und<br />
der Zuordnung eines Soll-Kompatibilitätsprofils kann<br />
nach objektiven Kriterien verglichen werden, welche<br />
Ersatzkomponente sich für einen gegebenen Anwendungsfall<br />
unter Berücksichtigung der System-Performance<br />
nach technischen Gesichtspunkten am besten<br />
eignet. Diese Anforderungen müssen mit ihren Einzelkriterien<br />
messbar beziehungsweise prüfbar spezifiziert<br />
werden. Die Sollwerte für die Kriterien ergeben das Soll-<br />
Profil (Bild 4). Dem gegenüber steht das Ist-Profil, das<br />
durch die Eigenschaften einer Ersatzkomponente definiert<br />
wird. Ein typischer Anwendungsfall – der Austausch<br />
eines defekten Gerätes – ist in [9] beschrieben.<br />
2. Strategien zum Life-Cycle-Management<br />
Bild 3: Hierarchische Systemstruktur<br />
Die Hersteller und Anwender von Automatisierungsprodukten<br />
haben Methoden und Strategien entwickelt,<br />
um innerhalb einer Systemgeneration sowohl Produkttypen<br />
als auch die jeweils gelieferten Produkte (Instanzen)<br />
über den geplanten Life-Cycle des Produkts<br />
(Typ) betreuen zu können, um ihre Nutzbarkeit <strong>auf</strong>recht<br />
zu erhalten.<br />
Für die Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit von Instanzen<br />
existieren eingeführte Methoden der Instand-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
53
Hauptbeitrag<br />
TABELLE 1:<br />
Definition von Kompatibilitätsgraden<br />
mittels Kompatibilitätsanforderungen<br />
Vollkompatibel<br />
Funktionskompatibel<br />
Kompatibilitätsgrad<br />
Softwarekompatibel<br />
Signalkompatibel<br />
Datenkompatibel<br />
Ein-/Aufbautechnikkompatibel<br />
Typische Kategorien von Anforderungen<br />
Ergebnisse der Verarbeitungsfunktionen X X X<br />
Funktionale Schnittstellen X X X X X<br />
Präsentation X X X<br />
Handhabung (funktional) X X X<br />
Engineering X X X<br />
Informationsmanagement X X X X<br />
Kommunikationsdienste X X X X<br />
Redundanzmechanismen X X X<br />
Aufbau- und Anschlusstechnik X X X<br />
Stromversorgung X X X<br />
Handhabung (z.B. phys. Geräteaustausch) X X<br />
Physikalische Schnittstellen X X X<br />
Leistungsdaten X X X<br />
Zertifikate X X X X<br />
funktionsbezogen<br />
gerätetechnisch<br />
ortsbezogen<br />
Elektrische Umgebungsbedingungen X X<br />
Klimatische Umgebungsbedingungen X X<br />
Mechanische Umgebungsbedingungen X X<br />
Schutzart X X<br />
Explosionsschutz X X X<br />
Anschlusskompatibel<br />
Ist-Profil Soll-Profil<br />
ANFORDERUNGEN<br />
funktional<br />
- Bedienen/Beobachten<br />
Untererfüllung<br />
- Aktualisierungsrate Präsentation 1s 100ms<br />
- Engineering<br />
- Kommunikationsdienste<br />
- PROFIBUS MS0 MS1 MS2 MS3<br />
Übererfüllung<br />
***<br />
gerätetechnisch<br />
- Anschlusstechnik<br />
- Energiebedarf 60W 40W 20W 10W<br />
- Zertifikate<br />
***<br />
ortsbezogen<br />
- Klimatische Umgebungsbed.<br />
Erfüllung<br />
- Schutzart IP20 IP54 IP67<br />
***<br />
BILD 4: Vergleich eines Soll-Profils einer<br />
auszutauschenden Komponente mit Ist-Profilen<br />
möglicher Ersatzkomponenten<br />
haltung, für die von Produkttypen werden spezifische<br />
Strategien wie Resteindeckung, Substitution, Re-Design<br />
und Migration – vielfach auch in Kombination – angewandt.<br />
Die Aufwendungen zur Umsetzung der Strategien<br />
sind bei Anwender und Hersteller unterschiedlich.<br />
Um eine Auswahl geeigneter Strategien vornehmen zu<br />
können, müssen unter anderem Kriterien wie Kompatibilität,<br />
Zeitbedarf für die Umsetzung (Reaktionszeit),<br />
Nachhaltigkeit, Aufwand und Innovationspotenzial<br />
betrachtet und bewertet werden. Eine detaillierte Beschreibung<br />
und Bewertung der oben erwähnten Strategien<br />
mit ihren Merkmalen ist in [6] enthalten. Bild 5<br />
zeigt eine typische Bewertung dieser Strategien. Wegen<br />
individueller Gegebenheiten ist die Bewertung <strong>auf</strong>gabenspezifisch<br />
durchzuführen.<br />
Beispielhaft soll die Strategie Re-Design betrachtet<br />
werden. Re-Design ist die Entwicklung einer Variante<br />
eines Produkttyps, die die Spezifikation und damit das<br />
Kompatibilitätsprofil des Vorgängertyps erfüllt oder<br />
übererfüllt. Dies schließt die Aktivitäten zur Aufrechterhaltung<br />
der geforderten Qualifizierung und Zertifizierung<br />
ein. Eine typische Ursache für ein Re-Design<br />
ist die Abkündigung einer Komponente, wenn gleichzeitig<br />
die Strategien Resteindeckung (identische Komponente)<br />
und Substitution (vollkompatible Ersatzkomponente)<br />
keine geeigneten Lösungen darstellen, weil<br />
beispielsweise Kompatibilitätseinschränkungen des<br />
Nachfolgeproduktes existieren.<br />
In Bild 6 wird Komponente 2 durch die neue Komponente<br />
2’ ersetzt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit,<br />
eine neue Version für das System zu entwickeln<br />
(Version x+1), wobei die Kompatibilitätsanforderungen<br />
zu beachten sind. Hierdurch kann sich eine Verlängerung<br />
des Life-Cycle des Systems durch Verschiebung<br />
von Fertigungsende (Meilenstein 4) und Abkündigung<br />
(Meilenstein 6) ergeben. Dabei ist zu beachten,<br />
dass auch andere Komponenten (in Bild 6 Komponente<br />
1) mit ihrem spezifischen Life-Cycle zur begrenzenden<br />
Komponente für den Life-Cycle des Systems werden<br />
können.<br />
Für das gewählte Beispiel ergibt sich analog zu Bild 5<br />
folgende Bewertung:<br />
Kompatibilität: Einschränkungen sind zu erwarten<br />
Reaktionszeit: länger als Substitution, in der Regel<br />
kürzer als Migration<br />
(abhängig vom Integrations<strong>auf</strong>wand)<br />
Nachhaltigkeit: besser als Substitution, wird durch<br />
Life-Cycle der neuen Systemversion bestimmt<br />
Aufwand: Kosten für Entwicklung, Test, Qualifizierung<br />
und so weiter sowie Systemintegration,<br />
Vermeidung der Resteindeckungskosten<br />
Innovationspotenzial: vorhanden, neue Version kann<br />
neue Funktionen beinhalten<br />
Allgemein lässt sich feststellen, dass mit höheren Kompatibilitätsanforderungen<br />
die Einsatzmöglichkeit von<br />
Substitution (vollkompatibler Ersatz) eingeschränkt wird,<br />
sodass ein in der Regel <strong>auf</strong>wendigeres Re-Design erforderlich<br />
wird.<br />
54<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Bewertungskriterien<br />
Strategien<br />
Kompatibilität<br />
Reaktionsfähigkeit<br />
Nachhaltigkeit<br />
Aufwand<br />
Innovationspotential<br />
Resteindeckung +++ +++ + + +<br />
Substitution +++ ++ ++ ++ +<br />
Re-Design ++ + ++ ++ ++<br />
Migration + + +++ +++ +++<br />
BILD 5: Bewertung von Strategien<br />
zum Life-Cycle-Management<br />
BILD 6: Re-Design eines Systems bei<br />
Fertigungsende einer Komponente<br />
3. Anwendung der Strategien und der Modelle<br />
Life-Cycle-Modell, Integrationsmodell und Kompatibilitätsmodell<br />
bilden die Grundmodelle für ein koordiniertes<br />
Vorgehen aller Beteiligten aus verschiedenen Fachdisziplinen,<br />
die im Rahmen von Planung, Errichtung,<br />
Betrieb und Rückbau einer Anlage das Life-Cycle-Management<br />
gemeinsam betreiben.<br />
Die branchenspezifischen Anforderungen an das<br />
Life-Cycle-Management wurden in [6] analysiert. Dabei<br />
haben sich branchenübergreifend hohe Anforderungen<br />
an die Kompatibilität als das führende Kriterium herauskristallisiert.<br />
Bild 7 stellt beispielhaft eine Anlage mit einer Nutzzeit<br />
von 30 Jahren dar, bei der in der Mitte dieses Zeitbereichs<br />
durch Migration eine Umstellung <strong>auf</strong> ein neues<br />
System zur Nutzung technologischer Fortschritte<br />
durchgeführt wird. In jeder der Phasen 1 und 2 sind<br />
die Life-Cycle der Komponenten des Systems zu beherrschen.<br />
Innerhalb einer Phase treten für einzelne<br />
Komponenten Typwechsel <strong>auf</strong>. Die Häufigkeit dieser<br />
Typwechsel kann sehr unterschiedlich sein und ist<br />
durch die Länge der Life-Cycle der Komponenten bestimmt.<br />
So ist bei PCs ein Typwechsel nach etwa zwei<br />
bis drei Jahren zu erwarten, während bei IO-Baugruppen<br />
die Phase der Vermarktung (Bild 2) selten unter 10<br />
Jahren liegt. Insbesondere bei components-off-the-shelf<br />
(COTS) sind häufigere Typwechsel zu erwarten, da diese<br />
Komponenten meist für schnelllebigere Märkte ohne<br />
signifikante Einflussmöglichkeit der Automation entwickelt<br />
und produziert werden. Bei Komponenten hingegen,<br />
die spezifisch für die Domäne der Automation<br />
entwickelt werden, kann der Typwechsel durch den<br />
Hersteller gezielt beeinflusst werden.<br />
Typischerweise wird zunächst bei Herstellern und<br />
Anwendern die Strategie Resteindeckung angewandt.<br />
Sie ist durch die Verfügbarkeit eines Produkttyps am<br />
Markt und technischer beziehungsweise wirtschaftlicher<br />
Aufwendungen beschränkt anwendbar, ein entsprechender<br />
Ersatz wird somit notwendig. Bei einem solchen<br />
Typwechsel sind Ersatztypen zu identifizieren. Die technische<br />
Bewertung erfolgt durch Anwendung des Kompatibilitätsprofils.<br />
Jeder Ersatztyp bedingt die Anwendung<br />
einer der Strategien Substitution oder Re-Design.<br />
Die Entscheidung für den optimalen Ersatztyp kann nur<br />
durch eine ganzheitliche Betrachtung der im Bild 5 dargestellten<br />
Kriterien sowie unter Berücksichtigung von<br />
strategischen Gesichtspunkten getroffen werden. Der<br />
Zeitbereich bis zur Lieferfreigabe des durch Substitution<br />
oder Re-Design erzeugten Ersatztyps muss gegebenenfalls<br />
durch Resteindeckung überbrückt werden.<br />
Der zunehmende Aufwand zur Pflege einer alternden<br />
Systemtechnik und das Interesse an der Erschließung<br />
der Potenziale einer neuen Systemgeneration führen zur<br />
Anwendung der Strategie Migration. Dabei wird zumeist<br />
schrittweise vorgegangen, beginnend mit Systemen zur<br />
Prozessführung und endend in der Feldebene.<br />
Eine systematische Kompatibilitätsbetrachtung bildet<br />
den Kern für das Life-Cycle-Management. Dabei ist über<br />
die Zeit zu beobachten, dass sich die Anforderungen an<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
55
Hauptbeitrag<br />
BILD 7:<br />
Anwendung von<br />
Strategien über<br />
die Nutzzeit<br />
einer Anlage<br />
(Beispiel)<br />
die Kompatibilität (Tabelle 1) ändern, was sich im Kompatibilitätsprofil<br />
durch Hinzufügen oder Wegfallen von<br />
Kriterien widerspiegelt. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung<br />
von neuen Speichermedien, bei der die Funktion<br />
erhalten bleibt, sich gerätetechnische Anforderungen<br />
jedoch ändern (zum Beispiel Übergang von Magnetband<br />
zu Festplatte). Außerdem ist davon auszugehen, dass sich<br />
Änderungen des Soll-Profils einer Komponente (Bild 4)<br />
ergeben. So können beispielsweise verschärfte Regularien<br />
aus dem produktbezogenen Umweltschutz oder zusätzliche<br />
Energieeffizienzklassen zu neuen Ausprägungen bestehender<br />
Anforderungen führen.<br />
Der Einfluss der Technologien aus dem Bürobereich<br />
führt zur Akzeptanz von neuen Funktionalitäten und<br />
Präsentationsmöglichkeiten an der Schnittstelle Mensch-<br />
System. Dadurch steigt die Bereitschaft – bis hin zur<br />
Kundenforderung – und damit der Bedarf, diese Technologien<br />
auch in der Automation einzusetzen. Diese<br />
Änderungen der Anforderungen führen zur Notwendigkeit,<br />
die Kompatibilitätsforderungen anzupassen. Ein<br />
Beispiel hierfür sind browserbasierte Systeme zur Prozessführung;<br />
zukünftig ist davon auszugehen, dass die<br />
Bedienkonzepte und die Applikationen aus dem Bereich<br />
der Smartphones auch in der Prozessführung Einfluss<br />
nehmen werden.<br />
Entscheidungen im Life-Cycle-Management werden in<br />
der Regel unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit getroffen.<br />
Das hat zur Folge, dass in zunehmendem Umfang<br />
Hard- und Softwaretechnologien aus der IT-Welt sowie<br />
COTS eingesetzt werden. Aufgrund der hohen technischen<br />
Anforderungen der Automation erfolgt die Integration<br />
solcher Komponenten abhängig von der Erfüllung<br />
dieser spezifischen Anforderungen. Demzufolge begann<br />
diese Integration in den oberen Ebenen der Automatisierungspyramide<br />
und dringt stetig in andere Bereiche ein<br />
(zum Beispiel Ethernet, PC-basierte Automation, industrielle<br />
Funklösungen).<br />
Markante Eigenschaften dieser Komponenten sind –<br />
gemessen an der Nutzzeit einer Anlage – der kurze Lebenszyklus,<br />
aber auch die fehlende Unterstützung der<br />
Nutzung der Instanzen über den relevanten Zeitraum.<br />
Diese Eigenschaften werden zu bestimmenden Faktoren<br />
für das Life-Cycle-Management der Anlage. Sie erfordern<br />
eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der<br />
Maßnahmen, die wiederum auch mit der Betreiberstrategie<br />
abgestimmt werden müssen.<br />
Wenn keine Anpassungen der Kompatibilitätsanforderungen<br />
erfolgen, wird der Zeitbereich der Anwendung<br />
der Strategie Substitution begrenzt, und der Aufwand<br />
für Re-Design steigt. Dies führt dazu, dass der Zeitpunkt,<br />
ab dem nur noch Funktionskompatibilität erzielbar ist,<br />
vom Life-Cycle der Komponenten abhängig ist. Beim<br />
Einsatz von COTS wird daher der Zeitpunkt deutlich<br />
früher erreicht. Je mehr COTS eingesetzt werden, desto<br />
mehr müssen auch Maßnahmen zur Beherrschung von<br />
Inkompatibilitäten ergriffen werden. Das Risiko, dass die<br />
Grenzen technischer Machbarkeit und wirtschaftlicher<br />
Vertretbarkeit erreicht werden, steigt über die Zeit.<br />
Fazit<br />
Ein gemeinsames Verständnis bezüglich Begriffen und<br />
Modellen ist unverzichtbar für eine kooperatives Vorgehen<br />
im Life-Cycle-Management in der Automation.<br />
Im Kern dieser Zusammenhänge stehen die Kompatibilität<br />
und dar<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>bauend ein Satz von erprobten<br />
Strategien. Wie in Abschnitt 3 gezeigt, ändern sich die<br />
56<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Kompatibilitätsanforderungen über die Zeit, wesentlich<br />
bestimmt durch technische, sozioökonomische<br />
und regulatorische Einflüsse. Damit verändern sich im<br />
spezifischen Anwendungsfall auch die Einsatzmöglichkeiten<br />
der beschriebenen Strategien. Da das Erfüllen<br />
von Kompatibilitätsanforderungen über die Zeit<br />
immer schwieriger wird, müssen sich diese Anforderungen<br />
<strong>auf</strong> die wesentlichen Aspekte konzentrieren.<br />
Dabei haben die Anforderungen an die Funktionskompatibilität<br />
höchste Priorität.<br />
Proaktives Handeln ist der Schlüssel zu Life-Cycle-<br />
Excellence. Dies schließt die aktive Beteiligung der<br />
Automation bei der Entwicklung von Standards und<br />
Normen ein, um nachhaltig Interoperabilität und<br />
Kompatibilität <strong>auf</strong>wandsarm sicherstellen zu können.<br />
Als konsequente Forderung aus diesen Betrachtungen<br />
muss die Life-Cycle-Kompetenz bei allen<br />
Partnern der Wertschöpfungskette ein stärkeres Gewicht<br />
bekommen.<br />
Manuskripteingang<br />
01.08.2011<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Referenzen<br />
[1] H<strong>auf</strong>f, T., Weigel, O.: Langfristige Sicherstellung der Feldgeräteintegration; In<br />
Tagungsband: EKA 2008 - Entwurf komplexer Automatisierungssysteme, 2008<br />
[2] NAMUR-Empfehlung NE 121: Qualitätssicherung leittechnischer Systeme, 2008<br />
[3] IEC 62402: Anleitung zum Obsoleszenzmanagement, Beuth-Verlag, 2005<br />
[4] Niemann, J., Tichkiewitch, S. und Westkämper, E.: Design of Sustainable<br />
Product Life Cycles. Springer Verlag, Heidelberg Berlin, 2009<br />
[5] Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.: ZVEI-Softwareklausel<br />
zur Überlassung von Standard-Software als Teil von Lieferungen.<br />
Ergänzung und Änderung der "Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse<br />
und Leistungen der Elektroindustrie", Frankfurt, 2004<br />
[6] Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.: Life-Cycle-Management<br />
für Produkte und Systeme der Automation, Frankfurt, 2010<br />
[7] NAMUR-Empfehlung NE 53: Software von Feldgeräten und signalverarbeitenden<br />
Geräten mit Digitalelektronik. 2003<br />
[8] IEC 81346-2: Industrial systems, installations and equipment and industrial<br />
products - Structuring principles and reference designations - Part 2:<br />
Classification of objects and codes for classes. Juli 2009<br />
[9] Schrieber, R.; Mühlhause, M.; Wollschlaeger, M.; Birkhofer, R.; Niemann, J.;<br />
Kalhoff, J.; Wickinger, J.: Generisches Lebenszyklusmodell für Produkte und<br />
Systeme der Automation. Automation 2010, 15.-16.06.2010, Tagungsband<br />
Autoren<br />
Siemens AG, Energy F IE 51,<br />
Siemensallee 84, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 61 70,<br />
E-Mail: reinhard.schrieber@siemens.com<br />
Dipl.-Ing. Reinhard Schrieber (geb.<br />
1947) leitet den Product Management<br />
Support für Kraftwerksleitsysteme mit<br />
den Schwerpunkten Quality and<br />
Processes, Standardisation and<br />
Regulation, Intellectual Property bei<br />
der Siemens AG, Energy Sector, Fossil<br />
Power Generation Division, Instrumentation<br />
& Electrical.<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Martin<br />
Wollschlaeger (geb. 1964) ist seit<br />
2003 Inhaber der Professur Prozesskommunikation<br />
an der TU Dresden.<br />
Arbeitsgebiete sind industrielle<br />
Automatisierungsnetze, Management<br />
von heterogenen industriellen Netzen,<br />
Informationsmodelle und Beschreibungssprachen<br />
sowie Integrationsprozesse<br />
in der Automation.<br />
TU Dresden,<br />
Institut für Angewandte Informatik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 70,<br />
E-Mail: martin.wollschlaeger@tu-dresden.de<br />
Dipl.-Ing. Mathias Mühlhause (geb. 1979) ist<br />
seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Lehrstuhl Integrierte Automation an der<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.<br />
Seine Forschungsgebiete sind Engineeringkonzepte,<br />
Merkmalbeschreibungen sowie die<br />
Geräteintegration in den Lebenszyklus automatisierungstechnischer<br />
Anlagen. Weiterhin<br />
engagiert er sich in verschiedenen Arbeitskreisen<br />
des VDI GMA, ZVEI sowie im Prolist e.V.<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />
Lehrstuhl Integrierte Automation,<br />
PF 4120, D-39016 Magdeburg,<br />
Tel. +49 (0) 391 671 29 20, E-Mail: mathias.muehlhause@ovgu.de<br />
Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Jörg Niemann (geb.<br />
1970), ist Gruppenleiter Life Cycle Management<br />
im Bereich Service Prozessleittechnik<br />
bei der ABB Automation GmbH. Zuvor war er<br />
in der Forschung und Beratung beim Fraunhofer<br />
Institut für Produktionstechnik und<br />
Automatisierung (IPA) und dem Institut für<br />
Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb<br />
(IFF) der Uni Stuttgart im Bereich<br />
Produktionsoptimierung tätig.<br />
ABB Automation GmbH,<br />
Oberhausener Straße 33, D-40472 Ratingen,<br />
Tel. +49 (0) 2102 12 11 89, E-Mail: joerg.niemann@de.abb.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
57
hauptbeitrag<br />
Verfügbarkeitsberechnung von<br />
Automatisierungsnetzwerken<br />
Teil 2: Topologien und Designempfehlungen<br />
Der Beitrag befasst sich mit der Berechnung der Verfügbarkeit von Ethernet-basierten<br />
Automatisierungsnetzwerken. Teil 1 behandelte die Grundlagen der Verfügbarkeitsrechnung.<br />
Teil 2 beschreibt die typischen Netzwerktopologien der Automatisierungstechnik<br />
und deren Verfügbarkeit. Abschließend werden Maßnahmen diskutiert, wie sich die<br />
Verfügbarkeit eines Netzwerks durch entsprechende Auslegung verbessern lässt.<br />
SCHLAGWÖRTER Verfügbarkeit / Verfügbarkeitsberechnung / Ethernet / MTBF / MTTR /<br />
Automatisierungstechnik / Automatisierungsnetzwerk<br />
Availability Calculation of Automation Networks –<br />
Part 2: Topologies and Design Recommendations<br />
This article deals with availability calculations for Ethernet-based automation networks.<br />
Part 1 dealt with the principles of the availability calculation. This part analyses typical<br />
network topologies of automation systems and their availability, and concludes with a<br />
discussion of ways to increase the availability of a network by improved design.<br />
KEYWORDS Availability / Availability calculation / Ethernet / MTBF / MTTR /<br />
Process Control / Automation Network<br />
58<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Karl-Heinz Niemann, Fachhochschule Hannover<br />
Der in <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 10/2011 veröffentlichte Teil 1<br />
des Beitrags hatte die Grundlagen der Verfügbarkeitsrechnung<br />
zum Thema. Begriffe wie<br />
MTTF, MTBF, MTTR und Verfügbarkeit wurden<br />
erläutert:<br />
MTTF: Mean Time to Failure. Zeit bis zum ersten<br />
Ausfall eines Gerätes<br />
MTTR: Mean Time to Recover. Zeit für den Austausch<br />
oder die Reparatur eines Gerätes<br />
V: Verfügbarkeit. V = MTTF / (MTTF + MTTR)<br />
Weiterhin wurden Zusammenschaltungen mehrerer<br />
Komponenten betrachtet und es wurden ein Berechnungsverfahren<br />
und ein Berechnungswerkzeug zur Berechnung<br />
vermaschter Ethernet-basierter Netzwerke<br />
vorgestellt. Daraus ergab sich:<br />
Bei einer Serienschaltung mehrerer Komponenten<br />
müssen alle Komponenten im Pfad funktionsfähig<br />
sein. Die resultierende Verfügbarkeit der Gesamtanordnung<br />
sinkt unter die Verfügbarkeit der Einzelteile.<br />
Bei einer Parallelschaltung mehrerer Komponenten<br />
muss lediglich eine der Komponenten im Parallelzweig<br />
funktionsfähig sein. Die Verfügbarkeit der<br />
Gesamtanordnung ist höher als die Verfügbarkeit<br />
der Einzelkomponenten.<br />
1. Verfügbarkeiten ausgesuchter Topologien<br />
In Teil 2 werden typische Netzwerktopologien in Bezug<br />
<strong>auf</strong> ihre Verfügbarkeit untersucht. Eine Analyse unter<br />
Kostengesichtspunkten und unter dem Aspekt von<br />
Durchl<strong>auf</strong>zeiten wurde bereits in früheren Veröffentlichungen<br />
vorgenommen. [1], [2], [3].<br />
Im Sinne einer einfachen Vergleichbarkeit der Ergebnisse<br />
wird zunächst für alle betrachteten Topologien mit<br />
identischen MTTF- und MTTR-Werten für die Kabel und<br />
Switches gearbeitet (Tabelle 1). Die Anzeige-/Bedienkomponente<br />
(ABK, Leitstation) und prozessnahe Komponente<br />
(PNK, SPS oder Controller) wird mit der Verfügbarkeit 1,0<br />
angesetzt, um diese beiden Komponenten aus der Betrachtung<br />
zu entfernen. Es wurden bewusst relativ geringe<br />
MTTF-Angaben für Kabel und Switches gewählt,<br />
um die Unterschiede zwischen den Topologien besser<br />
herausarbeiten zu können.<br />
In den folgenden Beispielen wird aus Vereinfachungsgründen<br />
eine Netzwerktopologie angenommen, bei der<br />
alle ABK und alle PNK in einer Kommunikationsbeziehung<br />
zueinander stehen. Dies ist zum Beispiel bei Kompaktautomatisierungssystemen<br />
der Fall, wo jeder Controller<br />
mit jeder Leitstation kommunizieren kann. Es wird<br />
der Fall untersucht, wie hoch die Verfügbarkeit der Netzwerkverbindung<br />
zwischen einer Leitstation (ABK) und<br />
einer Prozessstation (PNK) ist.<br />
1.1 Sterntopologie<br />
Bild 1 zeigt eine nicht redundante Sterntopologie. Alle<br />
Geräte sind an einen zentralen Switch angebunden. Die<br />
Anschlusskabel zu den Endteilnehmern l<strong>auf</strong>en an diesem<br />
zentralen Knotenpunkt zusammen. Die Verfügbarkeitsangaben<br />
zeigen, dass die Verfügbarkeit zum Beispiel<br />
zwischen ABK1 und PNK1 und zwischen ABK1 und PNK4<br />
identisch ist. Dies leuchtet ein, da die Verfügbarkeiten<br />
der Geräte und Verbindungen für beide Strecken identisch<br />
sind. Bei den zu Grunde gelegten MTTF- und MTTR-<br />
Werten liegt die Verfügbarkeit bei 99,835796 %. Das entspricht<br />
der Verfügbarkeitsklasse VK1 (normale Verfügbarkeit)<br />
gemäß der Klassifizierung des Bundesamtes für<br />
Sicherheit in der Informationstechnik BSI [4].<br />
Eine deutliche Verbesserung der Verfügbarkeit einer<br />
Sterntopologie lässt sich erreichen, wenn das Netzwerk<br />
redundant ausgeführt ist, siehe Bild 2. Hier liegt die<br />
Verfügbarkeit bei 99,999730 %. Das entspricht der Verfügbarkeitsklasse<br />
VK4 (höchstverfügbar). Dieses Systemkonzept<br />
setzt voraus, dass die angeschlossenen<br />
Endgeräte (PNK und ABK) jeweils über zwei Netzwerkanschlüsse<br />
verfügen und ein entsprechendes Redundanzprotokoll<br />
unterstützen. Zudem verdoppeln sich die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
59
1 2 3 4 0,99999730<br />
Hauptbeitrag<br />
Komponente MTTF MTTR<br />
Switch 43.800 h =<br />
5 Jahre<br />
Kabel 43.800 h =<br />
5 Jahre<br />
Verfügbarkeit<br />
Komponente<br />
24 h 0,99945235<br />
24 h 0,99945235<br />
ABK – – 1,0 (geht so nicht<br />
in Betrachtung ein)<br />
PNK – – 1,0 (geht so nicht<br />
in Betrachtung ein)<br />
TABELLE 1: MTTF- und MTTR-Angaben für den<br />
Topologievergleich<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
v01<br />
ABK<br />
ABK<br />
ABK<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 1 1<br />
SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />
4 3 2<br />
4 3 2<br />
v21 v22<br />
v24 v25<br />
v23<br />
v26<br />
1<br />
PNK<br />
1<br />
SW 1<br />
SW 2<br />
5<br />
6<br />
v10<br />
v11<br />
1 1<br />
1<br />
PNK<br />
2<br />
v02<br />
1 2 3<br />
4<br />
1<br />
PNK<br />
3<br />
v03<br />
v04<br />
BILD 3: Baumtopologie<br />
1<br />
PNK<br />
4<br />
1<br />
PNK<br />
5<br />
1<br />
PNK<br />
6<br />
Nicht redundant:<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99726477<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99726477<br />
Redundant:<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99999252<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99999252<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
v01<br />
ABK<br />
2<br />
ABK<br />
3<br />
ABK<br />
4<br />
1 1 1<br />
v02 v03<br />
v04<br />
1 2 3<br />
4<br />
SW 1<br />
8 7 6 5<br />
Nicht redundant:<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99835796<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99835796<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
v01<br />
v11<br />
ABK<br />
ABK<br />
ABK<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 1 1<br />
v02 v03<br />
1 2 3<br />
4<br />
v04<br />
SW 1<br />
SW 2<br />
5<br />
Nicht redundant:<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99726477<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99617278<br />
v11<br />
1 1 1 1<br />
PNK<br />
PNK<br />
2<br />
3<br />
PNK<br />
1<br />
v12<br />
v13<br />
v14<br />
PNK<br />
4<br />
v21<br />
1<br />
PNK<br />
1<br />
1 2<br />
v12<br />
1<br />
SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />
5 4 3<br />
2<br />
4 3<br />
v22<br />
v24 v25<br />
v23<br />
v26<br />
1<br />
PNK<br />
2<br />
1<br />
PNK<br />
3<br />
1<br />
PNK<br />
4<br />
1<br />
PNK<br />
5<br />
1<br />
PNK<br />
6<br />
Redundant:<br />
V(ABK1-PNK1)=<br />
0,99999252<br />
V(ABK1-PNK4)=<br />
0,99998535<br />
BILD 1: Sterntopologie, nicht redundant<br />
BILD 4: Linientopologie<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
v01<br />
v02<br />
1 2 3 4<br />
SW 1<br />
8 7 6 5<br />
ABK<br />
ABK<br />
ABK<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 1 1<br />
v03<br />
v04<br />
SW 2<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
v01<br />
v02<br />
1 2 3 4<br />
SW 1<br />
6 5<br />
ABK<br />
ABK<br />
ABK<br />
2<br />
3<br />
4<br />
1 1 1<br />
v03<br />
v04<br />
v10<br />
SW 2<br />
Nicht redundant:<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99781032<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99781032<br />
v11<br />
1 1 1 1<br />
PNK<br />
PNK<br />
2<br />
3<br />
PNK<br />
1<br />
v12<br />
v13<br />
v14<br />
PNK<br />
4<br />
Redundant:<br />
V(ABK1-PNK1)=<br />
0,99999730<br />
V(ABK1-PNK4)=<br />
0,99999730<br />
v21<br />
1<br />
PNK<br />
1<br />
v12<br />
1 2<br />
v11 1 2<br />
SW 3 SW 4 SW 5 SW 6<br />
3<br />
5 4 3<br />
5 4<br />
v22 v23 v24 v25 v26<br />
1<br />
PNK<br />
2<br />
1<br />
PNK<br />
3<br />
1<br />
PNK<br />
4<br />
1<br />
PNK<br />
5<br />
1<br />
PNK<br />
6<br />
Redundant:<br />
V(ABK1-PNK1)=<br />
0,99999521<br />
V(ABK1-PNK4)=<br />
0,99999521<br />
BILD 2: Sterntopologie, redundant<br />
BILD 5: Ringtopologie<br />
60<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Verkabelungskosten und die Kosten für die Netzwerkswitches.<br />
Die Längenbegrenzung von 100 m für<br />
Ethernet-Kupferkabel ist zu beachten.<br />
1.2 Baumtopologie<br />
Bild 3 zeigt eine Automatisierungsanlage in einer<br />
Baumtopologie. Diese kann sowohl redundant (alle<br />
Komponenten und Verbindungen wie dargestellt) als<br />
auch nicht redundant (nur SW1, SW3 und SW5 und die<br />
roten Verbindungen) ausgeführt sein. Eine Baumtopologie<br />
ist zum Beispiel sinnvoll, wenn Anlagenteile<br />
räumlich voneinander entfernt sind, jedoch mehrere<br />
Einheiten an einem gemeinsamen Ort installiert werden.<br />
In Bild 3 könnte beispielsweise der Switch SW1<br />
im Wartenraum stehen, der Switch SW3 ist in einem<br />
Schaltschrank zusammen mit PNK1, PNK2 und PNK3<br />
installiert. Die Verfügbarkeitsangaben in diesem Beispiel<br />
zeigen, dass sowohl für die nicht redundante als<br />
auch für die redundante Ausführung die Verfügbarkeit<br />
etwas abgenommen hat. Dies ist nachvollziehbar,<br />
weil die Datenpakete zum Beispiel <strong>auf</strong> dem Weg von<br />
ABK1 zu PNK1 jetzt zwei Switches und drei Kabel<br />
durchl<strong>auf</strong>en müssen, wo vorher, bei der sternförmigen<br />
Topologie, nur ein Switch und zwei Kabel zu passieren<br />
waren. Die deutlichen Unterschiede in der Verfügbarkeit<br />
zwischen redundantem und einfachem<br />
Netzwerk bleiben bestehen. Da alle Wege von den ABK<br />
zu den PNK die gleiche Anzahl von Komponenten<br />
durchl<strong>auf</strong>en ist die Verfügbarkeit der Verbindung<br />
ABK1 zu PNK1 gleich der Verfügbarkeit der Verbindung<br />
von ABK1 zu PNK4.<br />
1.3 Linientopologie<br />
Bild 4 zeigt eine Linientopologie in zwei Ausführungen:<br />
in redundanter (alle Netzwerkkomponenten) und nicht<br />
redundanter (nur SW1, SW3, SW5 und die roten Verbindungen).<br />
Bei diesem Beispiel läuft das Nachrichtenpaket<br />
über unterschiedliche Distanzen, abhängig davon, ob<br />
zum Beispiel ABK1 mit PNK1 oder mit PNK4 kommuniziert.<br />
Die Verfügbarkeit nimmt mit zunehmender Länge<br />
der Linie ab (hier bei nicht redundanter Ausführung<br />
Abnahme von V=99,7 % <strong>auf</strong> V=99,6 %). Wegen der geringen<br />
Länge der Linie ist der Unterschied klein. Bei einer<br />
größeren Linienlänge wird die Reduktion entsprechend<br />
stärker ausfallen. Dieser Aspekt wird später noch näher<br />
betrachtet. Die Abhängigkeit der Verfügbarkeit von der<br />
Linienlänge ist für die redundante und die nicht redundante<br />
Ausführung zu erkennen.<br />
1.4 Ringtopologie<br />
Bild 5 zeigt eine Ringtopologie in einer redundanten<br />
(alle Netzwerkkomponenten und Verbindungen) und<br />
einer nicht redundanten Ausführung (nur SW1, SW3,<br />
SW5 und die rot markierten Verbindungen). Der Ring<br />
zeigt im Vergleich zur Linientopologie eine bessere<br />
Verfügbarkeit, da sich durch das zusätzliche Ringsegment<br />
ein alternativer Datenpfad ergibt. Eine Reduzierung<br />
der Verfügbarkeit wird aber auch hier mit zunehmender<br />
Anzahl der Ringteilnehmer eintreten, allerdings<br />
im Vergleich zur Linie <strong>auf</strong> geringerem Niveau.<br />
Linie und Ring weisen in Hinsicht <strong>auf</strong> Verkabelungs<strong>auf</strong>wand<br />
und Verkabelungskosten Vorteile gegenüber<br />
der Sternstruktur <strong>auf</strong>. Diese wurden in [1] [2] [3] diskutiert.<br />
Die für den Ring verwendeten Netzwerk-Switches<br />
müssen ein entsprechendes Ring-Redundanzprotokoll<br />
unterstützen.<br />
1.5 Vermaschte Topologie<br />
Bild 6 zeigt eine vermaschte Topologie, welche aus der<br />
Applikationsschrift eines Leitsystemherstellers [5] abgeleitet<br />
wurde. Es ist zu erkennen, dass es in diesem<br />
Konzept, trotz redundanter Teilnehmeranschlüsse,<br />
keine strikte Trennung zwischen dem primären und<br />
sekundären Netzwerk gibt. Die dargestellten schwarzen<br />
Verbindungen sind weder dem primären noch dem<br />
sekundären Netzwerk zuzuordnen. Darüber hinaus ist<br />
ersichtlich, dass die Verfügbarkeit, trotz redundanter<br />
Teilnehmeranschlüsse und trotz einer hohen Anzahl<br />
alternativer Wege zwischen zwei Stationen, nicht besser<br />
ausfällt, als die eines einfachen, redundanten<br />
Sterns. An diesem Beispiel wird klar, das ein hoher<br />
Material<strong>auf</strong>wand und eine hohe Anzahl paralleler Pfade<br />
nicht zwangsläufig zu einer besseren Verfügbarkeit<br />
führen als einfachere Strukturen. Vielmehr gibt es ein<br />
Optimum, ab dem sich die Verfügbarkeit durch hinzufügen<br />
weiterer Pfade, trotz deutlich höheren Material<strong>auf</strong>wands,<br />
nicht mehr wesentlich verbessern lässt. Die<br />
Regel hierzu ist einfach zu erklären: Jede zusätzliche<br />
Komponente im System ist auch eine potenzielle Fehlerquelle.<br />
Trägt eine Komponente nicht signifikant zur<br />
Erzeugung alternativer Pfade bei, kann das zusätzliche<br />
Ausfallrisiko den erhofften Verfügbarkeitsgewinn<br />
durch zusätzliche Datenpfade <strong>auf</strong>heben.<br />
1.6 Vergleich der Verfügbarkeiten verschiedener<br />
Topologien<br />
Tabelle 2 stellt die gefundenen Ergebnisse dar. Der<br />
deutliche Unterschied zwischen den redundanten und<br />
nicht redundanten Netzwerken ist erkennbar. Weiterhin:<br />
Der Stern hat die günstigsten Verfügbarkeitswerte,<br />
gefolgt von Ring, Baum und Linie. Trotz der guten<br />
Verfügbarkeit scheidet in vielen Anwendungen der<br />
Stern wegen des hohen Verkabelungs<strong>auf</strong>wandes und<br />
wegen der Längenlimitierung bei Kupferkabel für bestimmte<br />
Applikationen aus. Da für diesen Beitrag sehr<br />
kleine Netzwerke verwendet wurden, ist davon auszugehen,<br />
dass die Abweichungen zwischen den Topologien<br />
für größere Netzwerke stärker ausfallen werden.<br />
Für alle Switches wurden in diesem Beispiel aus<br />
Vereinfachungsgründen identische MTTF- und MTTR-<br />
Werte angenommen. Ein großer, zentraler Switch in<br />
einer Sterntopologie wird mehr Ports <strong>auf</strong>weisen, als<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
61
Hauptbeitrag<br />
die kleinen, dezentralen Switches in einer Ringoder<br />
Linientopologie. Somit wird <strong>auf</strong> Grund der<br />
größeren Komplexität eines zentralen Switches seine<br />
MTTF kleiner sein als die eines kleineren Switches<br />
(siehe Tabelle 1 in Teil 1 des Beitrags). Möglicherweise<br />
wird auch die MTTR steigen, da eventuell<br />
ein großer, zentraler Switch nicht als Ersatzteil vor<br />
Ort bevorratet wird.<br />
Werden zum Beispiel in der nicht redundanten Sterntopologie<br />
die MTTF <strong>auf</strong> 14 600 Stunden (ein Drittel des<br />
Ursprungswertes) reduziert und die MTTR <strong>auf</strong> 48 Stunden<br />
(das Doppelte des Ursprungswertes) erhöht, so verringert<br />
sich die Verfügbarkeit des Netzes zwischen ABK1<br />
und PNK4 von ursprünglich 99,835796 % <strong>auf</strong> 99,563170 %.<br />
In jedem Fall sollten vor einer Entscheidung für oder<br />
gegen eine Topologie, Berechnungen mit konkreten<br />
MTTF- und MTTR-Werten der geplanten Geräte vorgenommen<br />
werden. Die Beispiele in diesem Beitrag liefern<br />
lediglich Anhaltspunkte.<br />
2. Fallstudie: Optimierung eines<br />
Automatisierungsnetzes<br />
In diesem Abschnitt wird exemplarisch die Optimierung<br />
einer gegebenen Netzwerktopologie unter Verfügbarkeitsgesichtspunkten<br />
beschrieben. Zur Vereinfachung<br />
der Darstellung werden nur eine ABK und zwei<br />
PNK betrachtet.<br />
Bild 7 zeigt eine Automatisierungsanlage. Es wird<br />
angenommen, dass in einer Warte mehrere ABKs betrieben<br />
werden. Eine ABK (ABK1) ist exemplarisch dargestellt.<br />
Über eine längere Verbindung werden die ABK<br />
an den Produktionsbereich angebunden. Hier steht ein<br />
Verteiler-Switch (SW2), an den mehrere Automatisierungsanlagen<br />
in Linientopologie angeschlossen sind.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass wegen der einfachen<br />
Verkabelung eine Linientopologie im Produktionsbereich<br />
gefordert ist. Solche linienförmigen Topologien<br />
findet man, wenn zum Beispiel in Remote-E/A-<br />
Baugruppen bereits ein Zweiport-Ethernet-Switch integriert<br />
ist. Die Switch-Ketten SW10 bis SW23 und SW30<br />
bis SW43 können somit auch als Hintereinanderschaltung<br />
von Remote-E/A-Baugruppen mit integriertem<br />
Switch interpretiert werden. Es wird nun der Fall untersucht,<br />
dass ABK1 eine Verbindung zu PNK23 oder<br />
PNK43 benötigt. Es gelten die bei den vorherigen Untersuchungen<br />
benutzten Werte für MTTF = 43 800 h und<br />
MTTR = 24 h für alle Switches und die Kabel. Um den<br />
Einfluss der PNK- und ABK-Verfügbarkeit aus der Betrachtung<br />
zu eliminieren werden diese beiden Komponenten<br />
mit einer Verfügbarkeit von 1,0 angesetzt. Damit<br />
geben die berechneten Verfügbarkeitsangaben des Beispiels<br />
ausschließlich die Verfügbarkeit des Netzwerkes,<br />
ohne die ABK und ohne die PNK an.<br />
Wird die Verfügbarkeit der Verbindung von ABK1 zu<br />
PNK23 bestimmt, so ergibt sich ein Wert von<br />
99,399128 %. Datenpakete zwischen ABK1 und PNK23<br />
durchl<strong>auf</strong>en 16 Switches und 17 Kabelverbindungen<br />
mit insgesamt 34 Steckverbindern, die alle aus Verfügbarkeitssicht<br />
in Serie geschaltet sind. Wie in Teil<br />
1 des Beitrags erläutert, reduziert sich durch die Multiplikation<br />
der Einzelverfügbarkeiten die gesamte Verfügbarkeit<br />
der Anordnung.<br />
Als erster Optimierungsschritt wird die Switch-Reihe<br />
SW10 bis SW23 durch die zusätzliche Verbindung V25<br />
zwischen SW23 und SW2 zu einem Ring erweitert. Hierdurch<br />
haben Datenpakete von der PNK23 zwei alternative<br />
Wege zum Switch SW2. Es ist zu beachten, dass die<br />
eingesetzten Komponenten ein entsprechendes Ring-<br />
Redundanzprotokoll unterstützen müssen. Sollte der<br />
inaktive Teil des Ringes zwischen SW16 und SW17 liegen,<br />
würde sich im Normalbetrieb zudem eine Halbierung<br />
der Durchl<strong>auf</strong>zeiten durch die Linie ergeben.<br />
Bild 8 zeigt die zum Ring ergänzte Linientopologie.<br />
Die Verfügbarkeit steigt <strong>auf</strong> 99,890391 % an. Gegebenenfalls<br />
könnte man den so erzeugten Ring auch noch in<br />
zwei Teilringe mit halber Switch-Anzahl <strong>auf</strong>teilen. Dies<br />
würde auch die Durchl<strong>auf</strong>zeit der Datenpakete verkürzen.<br />
Es stehen, ausgehend von PNK23, zwei alternative<br />
Übertragungswege bis zum Switch SW2 zur Verfügung.<br />
Der Rest der Strecke zwischen SW2 und ABK1 wird nun<br />
allerdings aus Verfügbarkeitssicht zum Engpass, da hier<br />
immer nur eine einzige Verbindung zur Übertragung der<br />
Daten zur Verfügung steht. Somit werden zum Beispiel<br />
SW2 und V02 zum „Single Point of Failure“. Durch die<br />
Schaffung alternativer Datenwege lässt sich diese<br />
Schwachstelle beseitigen.<br />
Bild 9 zeigt die zweite Stufe der Optimierung. Hier<br />
wird mit SW3 und SW4 ein alternativer Datenweg zur<br />
Leitebene gebildet. Vorzugsweise sollten die Verbindungskabel<br />
zur Leitebene (V02 und V26) <strong>auf</strong> getrennten<br />
Wegen geführt werden, genauso wie die Verbindung V25<br />
getrennt von den Verbindungen V10 bis V23 verlegt werden<br />
sollte. Die Verfügbarkeit des Netzwerkes erhöht sich<br />
durch diese Maßnahme nun <strong>auf</strong> 99,926765 %.<br />
Trotz aller Optimierungsmaßnahmen und trotz zusätzlicher<br />
Komponenten (zwei zusätzliche Switches, vier<br />
zusätzliche Kabelverbindungen) liegt die erzielte Verfügbarkeit<br />
nur in der Verfügbarkeitsklasse 2. Die Ausfallzeit<br />
pro Jahr würde bei etwa 6,4 Stunden liegen. Es stellt sich<br />
die Frage, warum das Netzwerk, trotz der zusätzlichen<br />
parallelen Pfade, keine höhere Verfügbarkeit <strong>auf</strong>weist.<br />
Um diese Frage zu beantworten, stellen wir die Topologie<br />
aus Bild 10 einmal etwas abgeändert dar.<br />
Wir fassen in Bild 10 die Netzwerkkomponenten zusammen<br />
und unterstellen, dass das so realisierte Netzwerk<br />
ideal ist und die Verfügbarkeit 1,0 habe. In der Verbindung<br />
zwischen ABK1 und PNK23 liegen jetzt nur noch<br />
die Reihenschaltung der beiden Anschlusskabel V01 und<br />
V24 und das als ideal angenommene Netzwerk. Und genau<br />
hier liegt das Problem. Egal wie hoch die Verfügbarkeit<br />
des Netzwerkes ist (1,0), egal wie hoch die angenommene<br />
Verfügbarkeit von PNK und ABK sind (auch zu 1,0<br />
angenommen). Die beiden Anschlussleitungen verbleiben<br />
im Datenpfad als kritisches Glied. Wir können bei<br />
dem angenommenen idealen Netzwerk die Zusammenschaltung<br />
der Komponenten als Reihenschaltung gemäß<br />
Formel 1 und 2 berechnen:<br />
(1)<br />
62<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
(2)<br />
Bei idealen Netzwerkkomponenten mit Verfügbarkeit<br />
1,0 und gegebener Verfügbarkeit der Anschlusskabel<br />
von 0,9998 beträgt die maximale Verfügbarkeit<br />
99,96 %. Damit liegt die in der zweiten Optimierung<br />
gefundene Topologie schon relativ dicht am theoretisch<br />
erreichbaren Maximum für Geräte mit nicht<br />
redundantem Teilnehmeranschluss. Erst wenn die<br />
Verfügbarkeit der Anschlussleitungen signifikant erhöht<br />
oder die Teilnehmeranschlussleitungen redundant<br />
ausgeführt werden, lässt sich die Verfügbarkeit<br />
weiter steigern.<br />
Bild 11 zeigt die dritte Optimierungsstufe des Netzwerkes,<br />
nun mit redundanten Teilnehmeranschlüssen.<br />
Es ist zu beachten, dass die redundanten Teilneh-<br />
1<br />
PNK<br />
1<br />
ABK ABK<br />
ABK ABK<br />
1<br />
2<br />
1 3<br />
4<br />
2<br />
1 1 2<br />
1 2<br />
2<br />
1 2 1 2<br />
1 2 1 2<br />
3<br />
4<br />
SW 10 3 SW 11 SW 12 SW 13<br />
4 4<br />
3 4 3<br />
V41<br />
V 11<br />
1 1<br />
1 2 5 1<br />
2<br />
2<br />
SW 20 SW 21<br />
SW 22 SW 23<br />
5 4 3 5 4 3<br />
5 4 3<br />
4 3<br />
2<br />
v43<br />
V12<br />
V13<br />
V21<br />
V31<br />
V42<br />
10<br />
9<br />
V22<br />
V 23<br />
V44<br />
1 2 3<br />
1 2 3<br />
4 V01 10<br />
5 V02 9<br />
SW 01 6<br />
SW 02<br />
8 7<br />
8 7 6<br />
V32<br />
v45<br />
V33<br />
V 14<br />
v46<br />
V 24<br />
V34<br />
V 25<br />
2 1 2 1 2<br />
1 2 1 2 1 2<br />
PNK<br />
2<br />
PNK<br />
3<br />
PNK<br />
4<br />
PNK<br />
5<br />
PNK<br />
6<br />
V35<br />
V47<br />
BILD 6: Vermaschte Topologie<br />
V15<br />
V36<br />
V48<br />
V26<br />
V37<br />
V27<br />
v49<br />
4<br />
5<br />
V 16<br />
V38<br />
V 28<br />
v50<br />
V17<br />
V51<br />
V18<br />
v52<br />
Vermascht<br />
V(ABK1-PNK1) =<br />
0,99999730<br />
V(ABK1-PNK4) =<br />
0,99999730<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
1<br />
SW 1<br />
2<br />
V01<br />
V02<br />
BILD 7: Beispielnetzwerk<br />
für Fallstudie<br />
1 V10 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
1<br />
2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />
3<br />
3 V24<br />
ABK<br />
1<br />
PNK<br />
V30 1<br />
23<br />
V31 V32 V33 V34 V35 V36 V37 V38 V39 V40 V41 V42 V43<br />
1<br />
V01<br />
1<br />
1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW30 SW31 SW32 SW33 SW34 SW35 SW36 SW37 SW38 SW39 SW40 SW41 SW42 SW43<br />
SW 1<br />
2<br />
3<br />
Zusätzliche Verbindung macht<br />
V44<br />
aus der Linie einen Ring<br />
1<br />
PNK<br />
V02<br />
43<br />
V25<br />
Topologie<br />
V(AKB1-PNK4)<br />
nicht redundantes<br />
Netzwerk<br />
V(ABK1-PNK4)<br />
redundantes<br />
Netzwerk<br />
ABK1<br />
3 V10 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
1 1<br />
2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
1 Ergänzung zum Ring<br />
SW V01 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />
1<br />
SW 1<br />
2<br />
V02<br />
BILD 8: Fallstudie: Erste Optimierung,<br />
V25<br />
Zusätzliche Verbindung macht<br />
aus der Linie einen Ring<br />
3<br />
1<br />
PNK<br />
23<br />
V24<br />
Stern 0,99835796 0,99999730<br />
Baum 0,99726477 0,99999252<br />
1<br />
SW 2<br />
V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
1<br />
2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23<br />
3 V24<br />
1<br />
PNK<br />
23<br />
Linie 0,99617278 0,99998535<br />
Ring 0,99781032 0,99999521<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
1<br />
V01<br />
BILD 9: Fallstudie: Zweite Optimierung,<br />
parallele Datenwege zur Leitwarte<br />
PNK<br />
Nicht zutreffend,<br />
da vermaschtes<br />
Netzwerk<br />
0,99999730<br />
SW 1<br />
2<br />
V02<br />
Zusätzliche Switches erzeugen parallele<br />
Verbindung zur Leitebene<br />
V25<br />
V27<br />
1<br />
SW 3<br />
2<br />
V26<br />
TABELLE 2: Zusammenfassung der Verfügbarkeiten<br />
verschiedener Topologien<br />
ABK1<br />
V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
3 1<br />
1 1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
2<br />
1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW V01 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />
1<br />
1<br />
3 V24<br />
V27<br />
1 1<br />
SW 1<br />
PNK<br />
SW 3<br />
2<br />
23 2<br />
V02<br />
Zusätzliche Switches erzeugen parallele<br />
Verbindung zur Leitebene<br />
V26<br />
V25<br />
1 V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
3 1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />
3 V24<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 1<br />
11 / 2011 PNK<br />
63<br />
23
Hauptbeitrag<br />
ABK<br />
1<br />
1<br />
1<br />
V01<br />
Ideales Netzwerk<br />
Verfügbarkeit = 1,0<br />
3<br />
1<br />
PNK<br />
23<br />
BILD 10: Fallstudie: Vereinfachte<br />
Darstellung der zweiten Optimierung<br />
V24<br />
1<br />
SW 1<br />
2<br />
3<br />
V02<br />
V01<br />
Redundanter<br />
Teilnehmeranschluss<br />
V25<br />
1<br />
ABK<br />
1<br />
V28<br />
Redundanter<br />
Teilnehmeranschluss<br />
PNK<br />
23<br />
SW 3<br />
1 V10 3 V11 V12 V13 V14 V15 V16 V17 V18 V19 V20 V21 V22 V23<br />
V26 3 1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
SW 2 SW10 SW11 SW12 SW13 SW14 SW15 SW16 SW17 SW18 SW19 SW20 SW21 SW22 SW23 SW 4<br />
3 3<br />
V30 V24<br />
2 1<br />
2<br />
V29<br />
3<br />
1<br />
2<br />
V27<br />
BILD 11: Fallstudie:<br />
Dritte<br />
Optimierung,<br />
redundante<br />
Teilnehmeranschlüsse<br />
Topologie Maßnahme zur Verbesserung V(AKB1-PN23)<br />
Ausgangstopologie mit Linie – 99,399128 %<br />
Optimierung 1 Ergänzung der Linie zum Ring 99,890391 %<br />
Optimierung 2 Zusätzlich redundante Anbindung zur Leitebene 99,926765 %<br />
Optimierung 3 Zusätzlich redundanter Teilnehmeranschluss 99,999684 %<br />
TABELLE 3:<br />
Zusammenfassung<br />
Optimierungsschritte<br />
der<br />
Fallstudie<br />
meranschlüsse <strong>auf</strong> unterschiedliche Switches <strong>auf</strong>gelegt<br />
werden. So wird PNK23 an SW22 und SW23 angebunden.<br />
Dies ist möglicherweise bei Geräten mit<br />
integriertem Switch nicht möglich. Die Verfügbarkeit<br />
beträgt jetzt 99,999683 % und liegt damit in der Verfügbarkeitsklasse<br />
4. Es ist zu beachten, dass die verwendeten<br />
Geräte den redundanten Anschluss über<br />
ein entsprechendes Redundanzprotokoll unterstützen<br />
müssen. Bitte bedenken Sie, dass für diese Beispielrechnung<br />
die Verfügbarkeit von ABK und PNK zu 1,0<br />
definiert wurde.<br />
Mit diesem Schritt ist die Optimierung der Netzwerktopologie<br />
abgeschlossen. Durch entsprechende Maßnahmen<br />
lässt sich die Verfügbarkeit des Netzwerkes in weiten<br />
Bereichen skalieren. Es wurde gezeigt, dass ab einer<br />
bestimmten Verfügbarkeitsklasse der redundante Anschluss<br />
der Endgeräte erforderlich wird.<br />
3. 10 Schritte zum hochverfügbaren Netzwerk<br />
Das sind die wichtigsten Regeln für den Entwurf hochverfügbarer<br />
Netzwerke:<br />
1 | Es sind zuverlässige Geräte (zum Beispiel Switches)<br />
mit einer hohen MTTF einzusetzen.<br />
2 | Kabel und Steckverbinder sollten von hoher Qualität<br />
sein. Diese Komponenten bestimmen die Verfügbarkeit<br />
der Anlage maßgeblich mit. Ein Ausfall<br />
kann genauso durch ein defektes Kabel, wie durch<br />
einen defekten Switch entstehen.<br />
3 | Bei Lichtwellenleiterkabeln über längere Strecken<br />
sollte die Verlegung von Ersatzadern erwogen werden.<br />
Diese sollten bereits mit Steckverbindern versehen<br />
sein. Damit kann im Störungsfall schnell <strong>auf</strong><br />
eine Ersatzader umgesteckt werden und die MTTR<br />
entsprechend verringert werden.<br />
4 | Eine hohe Betriebstemperatur lässt die Ausfallrate<br />
elektronischer Geräte exponentiell anwachsen. Bei<br />
hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit ist eine<br />
ausreichende Kühlung eine gute Maßnahme, die<br />
MTTF zu verbessern.<br />
5 | Redundante Netzteile können die MTTF von elektronischen<br />
Geräten deutlich verbessern, da Netzteile<br />
<strong>auf</strong> Grund bestimmter Bauelemente (zum Beispiel<br />
große Elektrolytkondensatoren) eine relativ<br />
geringe MTTF <strong>auf</strong>weisen.<br />
6 | Der Anlagenbetreiber sollte zur Erzielung geringer<br />
MTTR-Zeiten Netzwerkmanagmentsysteme in Betracht<br />
ziehen. Diese ermöglichen das schnelle Melden<br />
von Netzwerkfehlern und die sichere Identifikation<br />
fehlerhafter Geräte. Die Bevorratung ent-<br />
64<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
sprechender Ersatzteile verkürzt die MTTR und<br />
erhöht somit die Verfügbarkeit. Die Konfiguration<br />
von Switches muss schnell in Ersatzgeräte nachladbar<br />
sein (Netzwerkmanagment-Tool oder gegebenenfalls<br />
Speichermodul im Gerät).<br />
7 | Verfügbarkeitsengpässe (Single Point of Failure)<br />
sollten vermieden werden. Nachrichtenpakete sollten<br />
über alternative Routen l<strong>auf</strong>en können.<br />
8 | Der redundante Anschluss von Teilnehmern oder<br />
die redundante Ausführung von Teilnehmern können<br />
bei hohen Verfügbarkeitsanforderungen erforderlich<br />
werden.<br />
9 | „Overengineering“ kann die Verfügbarkeit einer<br />
Anlage reduzieren. Es gibt ein Optimum, ab dem<br />
die Verfügbarkeit nicht weiter ansteigt (siehe Beispiel<br />
vermaschtes Netzwerk). Es ist zu bedenken:<br />
Jede zusätzliche Komponente ist auch eine potenzielle<br />
Fehlerquelle.<br />
10 | In der Planungsphase sollten die Verfügbarkeitsanforderungen<br />
an das Netzwerk abgeklärt werden<br />
und in kritischen Fällen sollte eine Verfügbarkeitsberechnung<br />
erfolgen.<br />
Fazit<br />
In Teil 2 wurde die Verfügbarkeit von Standardtopologien<br />
untersucht. Es zeigte sich, dass redundante Strukturen,<br />
wie zu erwarten ist, deutlich bessere Verfügbarkeiten<br />
<strong>auf</strong>weisen als nicht redundante Strukturen. Mit redundanten<br />
Strukturen lassen sich Netzwerke der Verfügbarkeitsklassen<br />
4 und höher realisieren. Am Beispiel<br />
einer hoch vermaschten Topologie zeigte sich, dass die<br />
Verfügbarkeit mit steigendem Materialeinsatz nicht<br />
zwangsläufig ansteigt. In jedem Fall ist die Berechnung<br />
der Verfügbarkeit bei kritischen Topologien eine sinnvolle<br />
Investition, da die ermittelten Zahlen in vielen<br />
Fällen eine bessere Einschätzung ermöglichen als rein<br />
qualitative Betrachtungen.<br />
Berechnungen des Autors aus verschiedenen Projekten<br />
zur Netzwerkverfügbarkeit bestätigen dies. Neben der<br />
Topologie spielen gerade die MTTF der Switches und Kabel<br />
eine wesentliche Rolle. Neben zuverlässigen Geräten<br />
sind hochwertige Steckverbinder und eine ausreichende<br />
Kühlung der elektronischen Komponenten ein Schlüssel<br />
zu hoher Verfügbarkeit. Im Bereich der MTTR kann durch<br />
organisatorische Maßnahmen (Netzwerkmanagement<br />
und Diagnose) sowie eine Bevorratung kritischer Ersatzteile<br />
ein Beitrag zur hohen Verfügbarkeit eines Netzwerkes<br />
geleistet werden.<br />
Manuskripteingang<br />
01.10.2010<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Referenzen<br />
[1] Niemann, K.-H.: Vergleichende Untersuchung von<br />
Netzwerktopologien für Automatisierungssysteme.<br />
4. Industrial Ethernet Kongress. 4.-5. Juli 2006.<br />
Stuttgart. Auf CD erschienen<br />
[2] Niemann, K.-H.: Überlegungen zur Topologie von<br />
Automatisierungsnetzwerken. Teil 1: Grundlagen<br />
und Stand der Standardisierung von Netzwerktopologien.<br />
In <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />
Praxis 9/2006. Oldenbourg Verlag, München,<br />
2006, S. 50-56<br />
[3] Niemann, K.-H.: Überlegungen zur Topologie von<br />
Automatisierungsnetzwerken. Teil 2: Kosten und<br />
Performanceanalyse. In <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />
Praxis 10/2006. Oldenbourg Verlag, München,<br />
2006, S. 64-72<br />
[4 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik:<br />
Hochverfügbarkeitskompendium V1.2. Definitionen und<br />
Metriken für die Hochverfügbarkeit.<br />
https://www.bsi.bund.de/cae/servlet/contentblob/483606/publicationFile/30961/1_2_Definitionen_<br />
pdf.pdf<br />
[5] Invensys Process Systems: The MESH Control Network<br />
Architecture. Document Number PSS 21H-7C2 B3.<br />
IPS Corporate Headquarters, Plano, TX, 2009.<br />
http://resource.invensys.com/iaseries/<br />
pss/21h7/21h7c2b3.pdf<br />
Autor<br />
Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz<br />
Niemann (geb. 1959) vertritt<br />
seit dem Jahr 2005 die<br />
Lehrgebiete Prozessinformatik<br />
und Automatisierungstechnik<br />
an der Fachhochschule<br />
Hannover. Von 2002<br />
bis 2005 war er an der<br />
Fachhochschule Nordostniedersachsen<br />
für das Lehrgebiet Prozessdatenverarbeitung<br />
verantwortlich. Davor war er in<br />
leitender Stellung in der Entwicklung von<br />
Prozessleitsystemen unter anderem bei ABB,<br />
Elsag Bailey und Hartmann & Braun tätig.<br />
Fachhochschule Hannover,<br />
Fakultät I – Elektro- und Informationstechnik,<br />
Postfach 92 02 61, D-30441 Hannover,<br />
Tel. +49 (0) 511 92 96 12 64,<br />
E-Mail: Karl-Heinz.Niemann@FH-Hannover.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011<br />
65
impressum / <strong>Vorschau</strong><br />
Impressum<br />
<strong>Vorschau</strong><br />
Verlag:<br />
Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />
Rosenheimer Straße 145<br />
D-81671 München<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-0<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />
Geschäftsführer:<br />
Carsten Augsburger<br />
Jürgen Franke<br />
Hans-Joachim Jauch<br />
Herausgeber:<br />
Dr. V. Huck<br />
Dr. G. Kegel<br />
Dipl.-Ing. H. Kumpfmüller<br />
Dr. N. Kuschnerus<br />
Beirat:<br />
Dr.-Ing. K. D. Bettenhausen<br />
Prof. Dr.-Ing. Ch. Diedrich<br />
Prof. Dr.-Ing. U. Epple<br />
Prof. Dr.-Ing. A. Fay<br />
Prof. Dr.-Ing. M. Felleisen<br />
Prof. Dr.-Ing. G. Frey<br />
Prof. Dr.-Ing. P. Göhner<br />
Dipl.-Ing. Th. Grein<br />
Prof. Dr.-Ing. H. Haehnel<br />
Dr.-Ing. J. Kiesbauer<br />
Dipl.-Ing. R. Marten<br />
Dipl.-Ing. G. Mayr<br />
Dr. J. Nothdurft<br />
Dr.-Ing. J. Papenfort<br />
Dr. A. Wernsdörfer<br />
Dipl.-Ing. D. Westerkamp<br />
Dr. Ch. Zeidler<br />
Organschaft:<br />
Organ der GMA<br />
(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />
Automatisierungs technik)<br />
und der NAMUR<br />
(Interessen gemeinschaft<br />
Automatisierungs technik der<br />
Prozessindustrie).<br />
Redaktion:<br />
Gerd Scholz (verantwortlich)<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-3 44<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
E-Mail: scholz@oiv.de<br />
Anne Hütter<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-4 18<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
E-Mail: huetter@oiv.de<br />
Einreichung von Hauptbeiträgen:<br />
Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />
(Chefredakteur, verantwortlich<br />
für die Hauptbeiträge)<br />
Technische Universität Dresden<br />
Fakultät Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik<br />
Professur für Prozessleittechnik<br />
D-01062 Dresden<br />
Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />
E-Mail: urbas@oiv.de<br />
Fachredaktion:<br />
M. Blum<br />
Prof. Dr. J. Jasperneite<br />
Dr. B. Kausler<br />
Dr. N. Kiupel<br />
Dr. W. Morr<br />
I. Rolle<br />
F. Schiller<br />
Bezugsbedingungen:<br />
„<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis“ erscheint<br />
monatlich mit einer Doppelausgabe im<br />
Januar/Februar und Juli/August.<br />
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Abonnement (Deutschland):<br />
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in EU-Staaten die Mehrwertsteuer,<br />
für alle übrigen Länder sind es<br />
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Ermäßigung <strong>auf</strong> den Heftbezugspreis.<br />
Bestellungen sind jederzeit über den<br />
Leserservice oder jede Buchhandlung<br />
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Die Kündigungsfrist für Abonnement<strong>auf</strong>träge<br />
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Gedruckt <strong>auf</strong> chlor- und<br />
säurefreiem Papier.<br />
Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />
Praxis – rtp“ gegründet.<br />
© 2011 Oldenbourg Industrieverlag<br />
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Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />
Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Mit Ausnahme<br />
der gesetzlich zugelassenen Fälle ist<br />
eine Verwertung ohne Ein willigung des<br />
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ISSN 2190-4111<br />
Die Ausgabe 12 / 2011 der<br />
erscheint am 15.12.2011<br />
Mit folgenden Beiträgen:<br />
Leitfaden zur Entwicklung<br />
von Safety-Applikationen <strong>auf</strong><br />
Anwenderebene<br />
Modellgetriebene Entwicklung<br />
von Human Machine Interfaces<br />
Effiziente Prozessführung<br />
durch an den Mensch<br />
angepasste Interaktion und<br />
Visualisierung<br />
Mobile Interaktionstechniken<br />
in der Fabrik der Zukunft<br />
...und vielen weiteren Themen.<br />
Aus aktuellem Anlass können sich die Themen<br />
kurzfristig verändern.<br />
LeserService<br />
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Telefon:<br />
+ 49 (0) 931 4170-1615<br />
66<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
11 / 2011
Fernwirken mit dem<br />
WAGO-Automatisierungssystem<br />
Versorgungsnetze komfortabel automatisieren<br />
Die skalierbaren Fernwirksteuerungen aus dem WAGO-<br />
Automatisierungssystem unterstützen die IEC-Kommunikation<br />
Fernwirken mit WAGO:<br />
• Steuerungen übertragen nach IEC 60870-5-101/104,<br />
IEC 61850 oder IEC 61400<br />
• Konfigurationstool zum Parametrieren der IEC-Protokolle<br />
• Skalierbar von der kompakten Fernwirksteuerung bis zum<br />
leistungsstarken I/O-IPC<br />
Die Vorteile des WAGO-Automatisierungssystems:<br />
• Kompakt, flexibel und feldbusunabhängig<br />
• Vielseitig, mit mehr als 400 verschiedenen I/O-Modulen<br />
• Programmierbar, mit CoDeSys nach IEC 61131-3<br />
• Ex-i-Signale direkt integrierbar<br />
www.wago.com
In der Chemie und Petrochemie werden<br />
an das technische Equipment höchste<br />
Anforderungen gestellt: Klimafestigkeit für<br />
den Einsatz im On- und Offshore-Betrieb,<br />
hohe Kontakt- und Vibrationsfestigkeit<br />
sowie schnelle Montage und Handhabung<br />
zur Verkürzung von Installationsund<br />
Wartungszeiten sind nur einige<br />
Herausforderungen. Die Zuverlässigkeit,<br />
Qualität und das einfache Handling der<br />
eingesetzten Produkte spielt deshalb eine<br />
entscheidende Rolle.<br />
Reihenklemmenprogramm<br />
von 0,08 -95mm 2<br />
Zuverlässige Lösungen - approbierte Produkte<br />
WAGO-Process-Automation<br />
WAGO-I/O-SYSTEM<br />
Explosive Umgebung –<br />
Gelassenheit mit CAGE CLAMP ®<br />
WAGO-Komponenten, mit der universellen<br />
CAGE CLAMP ® -Anschlusstechnik, bewähren<br />
sich im täglichen Einsatz auch unter<br />
Extrembedingungen. Aktuelle Zulassungen<br />
für den Einsatz in explosionsgefährdeten<br />
Bereichen, ausgewählte Kunststoffe und<br />
Materialien für den Einsatz in aggressiven<br />
Umgebungsmedien sowie sichere und<br />
wartungsfreie Anschlusstechnik sind<br />
Anforderungen, denen sich WAGO seit<br />
Jahren stellt – mit Sicherheit!<br />
WAGO-SPEEDWAY,<br />
modulares I/O-System IP67<br />
TO-PASS ® -Fernwirkmodul<br />
und GPRS-Modem<br />
JUMPFLEX ®<br />
Messumformer/Relais- und<br />
Optokopplerbausteine
Stromversorgungen<br />
WAGO-I/O-IPC
Feldbusunabhängig<br />
in den Ex-Bereich!<br />
Das WAGO-I/O-SYSTEM 750 ist sowohl für den Einsatz in nicht<br />
explosionsgefährdeten als auch in explosionsgefährdeten Bereichen<br />
der Industrie und des Bergbaus ausgelegt.<br />
Im industriellen Ex-Bereich kann das WAGO-I/O-SYSTEM 750<br />
in der Zone 2 / 22 eingesetzt werden und bietet eine sichere,<br />
einfache und wirtschaftliche Verbindung zur Sensorik und Aktorik<br />
der Zone 0 / 20 und 1 / 21.<br />
Die hierfür entwickelten Ex i Busmodule bilden hierbei ein eigensicheres<br />
Segment, das integriert in einen Standardbusknoten dem<br />
Anwender sämtliche Vorzüge moderner Feldbustechnik bietet:<br />
Feldbusunabhängigkeit, Flexibilität, Modularität, IEG 61131-3 Programmierbarkeit,<br />
Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit, etc.<br />
Zur Verfügung stehen die Ex i Busmodule: Digital NAMUR Eingang,<br />
Digital Ausgang, Analog Eingang 4-20mA, Analog Eingang<br />
4-20mA HART, Analog Eingang RTD, Analog Eingang TC, Analog<br />
Ausgang 0-20mA und die Ex i Einspeisungen 0,5A/1,0A.<br />
www.wago.com