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Lehren und Lernen online<br />
Ilse Aichinger<br />
Das Fenster-Theater<br />
Verschiedene Materialien und Arbeitsblätter<br />
Gert Egle<br />
Konstanz 2005/2014 – Version 3.1 –<br />
www.teachsam.de<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
TEXTERFASSUNG MIT INTERPRETATIONSHINWEISEN 3<br />
ARBEITSANREGUNGEN FÜR DIE PRODUKTIVE TEXTARBEIT 5<br />
FRAGEN UND ARBEITSANWEISUNGEN 6<br />
INHALTLICHE GLIEDERUNG NACH SINNABSCHNITTEN 6<br />
ERZÄHLTECHNISCHE MITTEL 8<br />
SPRACHLICHE MITTEL 9<br />
DIE TITEL-METAPHER 10<br />
MOTIVGEGENSÄTZE 11<br />
MOTIVGEGENSÄTZE 12<br />
FIGURENKONSTELLATION 13<br />
FIGURENCHARAKTERISIERUNG 18<br />
TEXTPUZZLE 21<br />
TEXTVARIANTEN 23<br />
INHALTSANGABE 23<br />
LITERATURVERFILMUNG 24<br />
ARBEITSTECHNIK: ZITIEREN 27<br />
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2
teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Texterfassung mit Interpretationshinweisen<br />
Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber.<br />
Der Wind [...] brachte nichts Neues.<br />
Die Frau hatte den starren Blick neugieriger<br />
Leute, die unersättlich sind. Es<br />
hatte ihr noch niemand den Gefallen getan,<br />
vor ihrem Haus niedergefahren zu<br />
werden. Außerdem wohnte sie im vorletzten<br />
Stock, die Straße lag zu tief unten.<br />
Der Lärm rauschte nur mehr leicht<br />
herauf. Alles lag zu tief unten. [...] der<br />
Alte gegenüber Licht angedreht hatte.<br />
Da es noch ganz hell war, blieb dieses<br />
Licht für sich und machte den merkwürdigen<br />
Eindruck, [...] Die Frau blieb am<br />
Fenster.<br />
I. Vorstellung von Ort, Zeit und Personen<br />
(Exposition)<br />
Grundmotiv: Theater (ein Fenster Bühne,<br />
zwei Fenster Zuschauerraum)<br />
- Frau (Rolle der Zuschauerin)<br />
Wohnung im vorletzten Stock<br />
verbringt Zeit am Fenster<br />
Neugierde, sensationsgierig<br />
- alter Mann im gegenüberliegenden<br />
Häuserblock (Rolle des Schauspielers,<br />
Narrs)<br />
hat am helllichten Tag Licht angeknipst<br />
erleuchtetes Fenster<br />
Der Alte öffnete und nickte herüber.<br />
Meint er mich? dachte die Frau. Die<br />
Wohnung über ihr stand leer [...] Sie bewegte<br />
leicht den Kopf. Der Alte nickte<br />
wieder. Er griff sich an die Stirne [...] und<br />
verschwand im Inneren des Zimmers.<br />
II. Missverständnis<br />
Frau nimmt an, dass der Mann mit ihr<br />
kommuniziert<br />
Gleich darauf [...] in Hut und Mantel [...]<br />
zog den Hut und lächelte. Dann [...]<br />
weißes Tuch aus der Tasche und begann<br />
zu winken. [...] Er hing über die Brüstung,<br />
dass man Angst bekam, er würde<br />
vornüberfallen. Die Frau trat einen<br />
Schritt zurück, [...] Er [...] löste seinen<br />
Schal [...] und ließ ihn aus dem Fenster<br />
wehen. Dazu lächelte er. Und als sie<br />
noch einen weiteren Schritt zurücktrat,<br />
[...] wand den Schal wie einen<br />
Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er<br />
die Arme über der Brust und verneigte<br />
sich. [...] kniff er das linke Auge zu, als<br />
herrsche zwischen ihnen ein geheimes<br />
Einverständnis. Das bereitete ihr<br />
so lange Vergnügen, bis sie plötzlich<br />
[...] seine Beine in dünnen, geflickten<br />
Samthosen in die Luft ragen sah. Er<br />
stand auf dem Kopf. Als sein Gesicht<br />
[...] wieder auftauchte, hatte sie schon<br />
die Polizei verständigt.<br />
III. Beginn der "Theatervorstellung"<br />
Rückkehr des Mannes in "Verkleidung"<br />
(Hut, Mantel)<br />
Mann winkt mit weißem Tuch<br />
distanziertes "man"<br />
zweimalige zaghafte räumliche Distanzierung<br />
der Frau vom Geschehen<br />
Gesten des Mannes (lächeln, winken, verneigen,<br />
Auge zukneifen) werden von der<br />
Frau als quasi "intime" bzw. Vertrautheit<br />
(Einverständnis) aussagende Gesten gedeutet<br />
Frau genießt die Theatervorführung, bis<br />
der Mann auf dem Kopf steht und seine<br />
Beine und die geflickten Hosen einen erbärmlichen<br />
Eindruck bei ihr hinterlassen<br />
Frau verständigt Polizei<br />
3<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Und während er, in ein Leintuch gehüllt,<br />
abwechselnd an beiden Fenstern erschien,<br />
unterschied sie [...] das Hupen des<br />
Überfallautos. [...] Der alte Mann lachte<br />
jetzt,[...] schien das Lachen eine Sekunde<br />
lang in der hohlen Hand zu halten und<br />
warf es dann hinüber.<br />
Erst [...] gelang es der Frau, sich von seinem<br />
Anblick loszureißen.<br />
IV. Die Theatervorstellung geht weiter<br />
Aufmerksamkeit der Frau ist zweigeteilt:<br />
• hört das Näherkommen des Überfallautos<br />
• blickt gebannt auf die weitere<br />
"Theatervorstellung"<br />
Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge<br />
hatte sich um den Polizeiwagen<br />
gesammelt. [...] die Tür aufbrachen.<br />
Sie arbeiteten schnell [...]. Es war<br />
inzwischen finster geworden. [...] Die<br />
Frau schlich hinter ihnen her.<br />
V. Auf der Straße<br />
Frau in der sensationsheischenden Menschenmenge<br />
rückt mit der Polizei bis zur<br />
Wohnung des Mannes vor.<br />
beobachtet das Vorgehen der Polizei<br />
Als die Tür aufflog, [...] alte Mann mit<br />
dem Rücken zu ihnen gewandt noch<br />
immer am Fenster. [...] großes weißes<br />
Kissen auf dem Kopf, [...] Den Teppich,<br />
[...] trug er um die Schultern. Da er<br />
schwerhörig war, wandte er sich auch<br />
nicht um, [...] und die Frau über ihn hinweg<br />
in ihr eigenes finsteres Fenster<br />
sah.<br />
VI. In der Wohnung des alten Mannes<br />
(neue Blickrichtung!)<br />
Mann spielt immer noch Theater<br />
Blick auf das finstere Fenster der Frau<br />
Die Werkstatt unterhalb war, [...] geschlossen.<br />
Aber in die Wohnung oberhalb<br />
musste eine neue Partei eingezogen<br />
sein. An eines der erleuchteten Zimmer<br />
war ein Gitterbett geschoben, in dem<br />
aufrecht ein kleiner Knabe stand. Auch<br />
er trug sein Kissen auf dem Kopf und die<br />
Bettdecke um die Schultern. Er sprang<br />
und winkte herüber und krähte vor Jubel.<br />
Er lachte, [...] Dann warf er es mit aller<br />
Kraft den Wachleuten ins Gesicht.<br />
VII. Blick auf das Fenster unterhalb<br />
der Wohnung der Frau<br />
Fenster-Theater des kleinen Jungen im<br />
Gitterbett<br />
macht die Handlungen des alten Mannes<br />
nach<br />
4<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Arbeitsanregungen für die produktive Textarbeit<br />
Ilse Aichingers Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" eignet sich sehr gut für die produktive<br />
Textarbeit.<br />
1. Textproduktive Gestaltungen: Wiederherstellen und Transformieren<br />
1.1. Verfassen Sie einen Zeitungsbericht, der das Geschehen aus Sicht eines zugrunde<br />
liegenden Polizeiberichts wiedergibt.<br />
1.2. Verfassen Sie einen Zeitungsbericht im Leadstil.<br />
1.3. Verfassen Sie ein Drehbuch für die Verfilmung der Kurzgeschichte.<br />
1.4. Textpuzzle ohne Titel und Schluss<br />
1.5. Verfassen Sie einen inneren Monolog, in dem Sie die Gedanken niederschreiben,<br />
die die alte Frau während des Geschehens hat. (Einbauen von Denkblasen in den<br />
Text)<br />
1.6. Charakterisieren Sie eine der beiden Figuren (alter Mann oder Frau), indem Sie<br />
sie in Ich-Form vorstellen.<br />
2. Visuelle Gestaltungen<br />
2.1. Gestalten Sie eine Bildcollage zum Thema der Geschichte.<br />
2.2. Zeichnen Sie ein Bild zur Illustration des Textes. Überlegen Sie, welche Szene Sie<br />
dafür auswählen wollen.<br />
3. Szenische Gestaltungen<br />
3.1. Stellen Sie in einem kurzen Rollenspiel dar, wie Frau und Polizisten auf der Straße<br />
zusammentreffen.<br />
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5
teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Fragen und Arbeitsanweisungen<br />
Die folgende Zusammenstellung von Fragen und Arbeitanweisungen zu Ilse Aichinger<br />
»Das Fenster-Theater« könnte als Hilfe zur Texterfassung, Analyse der Erzählstrukturen<br />
und Textinterpretation eingesetzt werden. (vgl. Ansätze zur produktiven Textarbeit)<br />
1) Texterfassung<br />
a) Teilen Sie die Geschichte in Sinnabschnitte/Erzählschritte ein.<br />
b) Orientieren Sie sich zunächst an der vom Text vorgegebenen typographischen Gestalt,<br />
indem Sie den Inhalt der von der Autorin gemachten Absätze wiedergeben.<br />
c) Welche Begründungen gibt es für die von der Verfasserin vorgenommene Absatzgestaltung?<br />
d) Nehmen Sie eine eigenständige Gliederung des Textes nach Sinnabschnitten vor.<br />
e) In welchem Raum, an welchen Orten spielt sich das Geschehen ab?<br />
f) Geben Sie den Text in Form einer Inhaltsangabe wieder.<br />
2) Erzählstrukturen<br />
a) Aus welcher Perspektive wird die Handlung erzählt?<br />
b) Welche verschiedenen Darbietungsformen des Erzählens können Sie feststellen?<br />
3) Interpretationsansätze<br />
a) Untersuchen Sie das Verhalten der Frau:<br />
• Wie verhält sie sich?<br />
• Welche Motive für ihr Verhalten lassen sich dem Text entnehmen?<br />
b) Untersuchen Sie das Verhalten des Mannes:<br />
• Wie verhält er sich?<br />
• Inwiefern zeigt die Autorin mit der Figur des Mannes eine realisierbare Handlungsalternative<br />
zu dem Alltagsverhalten und der Alltagslage der Frau auf?<br />
c) Inwiefern wird die Destruktion eines Vorurteils unmittelbare Leseerfahrung?<br />
d) Halten Sie die dargestellte Problematik für zeitgemäß?<br />
e) Worauf kann man Ihrer Ansicht nach die Aussage der Geschichte übertragen?<br />
f) Zeigt die Verfasserin im Verhalten ihrer Figuren Handlungsalternativen auf, um<br />
aus der Isolation herauszukommen?<br />
g) Sammeln Sie sprachliche Beobachtungen unter folgenden Gesichtspunkten:<br />
h) Welche sprachlichen Merkmale zeigt der Text im Hinblick auf Satzbau und Wortwahl?<br />
i) Inwiefern spiegeln sich die Aussagen des Textes in Satzbau und Wortwahl wieder?<br />
j) Welche rhetorischen Mittel werden zur Gestaltung der Aussage des Textes eingesetzt?<br />
k) Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Titel der Geschichte?<br />
Inhaltliche Gliederung nach Sinnabschnitten<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
<br />
<br />
Der Text »Das Fenster-Theater« von Ilse Aichinger ist durch sieben Absätze gegliedert.<br />
Diese sieben Absätze können bei der inhaltlichen Gliederung des Textes nach Sinnabschnitten<br />
auf vier Sinnabschnitte reduziert werden.<br />
Inhaltliche Gliederung des Textes<br />
1 Die Beobachtung des alten Mannes<br />
und die Fehldeutung seines Verhaltens<br />
durch die Frau am Fenster<br />
hoch über der Straße<br />
2 Das Fenster-Theater des alten<br />
Mannes und seine Wirkungen auf<br />
die Frau<br />
3 Die Polizeiaktion und die sensationslüsterne<br />
Menschenmenge<br />
4 Das Kind als nachahmender<br />
Zuschauer<br />
Kriterium der Einteilung in diese Sinnabschnitte sind die Handlungen<br />
der Figuren.<br />
7<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Erzähltechnische Mittel<br />
Die wichtigsten erzähltechnischen Mittel, die Ilse Aichinger in ihrer Kurzgeschichte »Das<br />
Fenster-Theater« verwendet, lassen sich in Form der nachfolgenden Übersicht darstellen.<br />
Darbietungsformen:<br />
<br />
<br />
<br />
Im Allgemeinen reiner Erzählerbericht, im ersten Absatz telling und showing, danach<br />
meist showing, Ausnahme Gedanke der Frau: "Meint er mich? dachte die<br />
Frau." (mglw. Signal für die nachfolgende personale Erzählperspektive)<br />
Erlebte Rede: "Sobald man die Leute zu verscheuchen suchte,..."; "Aber in die<br />
Wohnung oberhalb musste eine neue Partei eingezogen sein"<br />
Innerer Monolog: "Meint er mich?"<br />
Zeitgestaltung:<br />
<br />
<br />
lineares Erzählen (Es wird allmählich dunkel) ohne Vorausdeutungen und Rückwendungen<br />
z. T. zeitdeckendes, zeitraffendes (Sprungraffung, z.B. "Sie kam ... unten an", zeitdehnendes<br />
Erzählen (z.B. in den beiden letzten Absätzen)<br />
Raumgestaltung:<br />
<br />
Handlungsraum: vorletzte Etage, in dem die alte Frau lebt, dient zur Motivierung<br />
ihrer Sensationslust ("Alles lag zu tief unten.")<br />
Kontrastraum: Wohnung im vorletzten Stock (vom pulsierenden Leben entfernt) -<br />
Straße unten (das pulsierende Leben); Helligkeit in den Fenstern des alten Mannes<br />
und des kleinen Jungen (Lebenszugewandtheit, Öffnung des Privaten) und Dunkelheit<br />
im Fenster der Frau (Lebensabgewandtheit, Abriegelung des Privaten) (insofern<br />
auch Tendenz zum Symbolraum)<br />
Figurengestaltung:<br />
<br />
Die Frau ist eine statisch angelegte Figur, die keine Veränderung durchmacht (offener<br />
Schluss); als Figur wirkt sie geschlossen, weil ihre Charakterzüge, wenn auch<br />
nur andeutungsweise motiviert erscheinen (Ihre Sensationslust hat einen Grund:<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
<br />
Isolation) fügt sich unzufrieden zwar, aber passiv in ihr Schicksal der sozialen Isolation<br />
Alter Mann wendet sich bewusst dem Leben zu, kommuniziert, spielt.<br />
Erzählperspektive:<br />
<br />
<br />
überwiegend personale Erzählperspektive, Blickwinkel der Frau<br />
einzelne auktoriale Textpassagen ("Die Frau hatte den starren Blick neugieriger<br />
Leute, die unersättlich sind.")<br />
Textsorte:<br />
Kurzgeschichte, da wichtige Textsortenmerkmale vorhanden wie:<br />
<br />
<br />
<br />
kurzer, eigentlich belanglos erscheinender Ausschnitt aus dem Alltagsleben<br />
unvermittelter Anfang<br />
offener Schluss<br />
Sprachliche Mittel<br />
Ilse Aichinger setzt in ihrer Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater« verschiedene sprachliche,<br />
stilistische und rhetorische Mittel ein, um die Aussage ihrer Geschichte zu gestalten.<br />
Wortwahl<br />
Alltagssprache ohne Fremdwörter oder fachsprachliche Ausdrücke<br />
Kaum Vergleiche:<br />
<br />
<br />
"Licht [...] machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammende Straßenlaternen<br />
unter der Sonne machen"<br />
"wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf"<br />
Titelmetapher: Fenster-Theater<br />
ansonsten wenige bildhafte Ausrücke:<br />
<br />
"schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen Hand zu halten" - Wiederholung<br />
des Bildes am Ende der Geschichte<br />
Motivgegensätze:<br />
<br />
<br />
hell – dunkel<br />
Licht - Dunkelheit<br />
Satzbau<br />
o<br />
o<br />
meist einfache, kurze Sätze (Parataxe)<br />
nur einmal Häufung von Attributen (starr neugierig, unersättlich)<br />
9<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Die Titel-Metapher<br />
Der Titel der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger stellt eine Metapher<br />
dar.<br />
Merkmale des Theaters:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Szenische Anordnung des Geschehens gleicht einer Guckkasten-Bühne mit verschiedenen<br />
Rängen/Logen für die Zuschauer: Fenster des alten Mannes als Bühne,<br />
Fenster der alten Frau und des Kindes als Zuschauerränge<br />
Spiel des Mannes mit Elementen des Theaters: Verkleidung (Hut, Mantel, Schal,<br />
Turban, Leintuch), Clownereien und artistische Einlagen (Mann hängt über die Brüstung,<br />
steht auf dem Kopf), Kommunikation mit einem Publikum (zuwinken, verneigen),<br />
Pantomime.<br />
Einfache, kleine Gesten<br />
Bild des Theaters als Modell der Welt mit grotesken Zügen<br />
Frau:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
kann die Zeichensprache des Mannes nicht verstehen<br />
Beobachtungen lösen bei ihr Angst aus<br />
"Unnormales" bricht in ihre streng gefügtes Wirklichkeitskonzept ein<br />
scheitert mit ihrer vermeintlich klaren Wirklichkeitskonstruktion im Moment des<br />
Perspektivenwechsels (beim Blick durch das Fenster des Mannes auf Kind und eigenes<br />
Fenster), der ihr eine andere Wahrnehmungsperspektive ermöglicht<br />
Alter Mann:<br />
<br />
<br />
seine Beziehung zur Wirklichkeit realisiert sich über das Spiel<br />
Kontaktaufnahme ist in der Welt der Erwachsenen mit ihrer gelebten Beziehungslosigkeit<br />
nicht mehr möglich<br />
Die Polizei:<br />
<br />
<br />
in einer beziehungslos gewordenen Welt wird der Polizeieinsatz völlig überdimensioniert<br />
vollzogen ("Motivierung" ihres Vorgehens: die nicht sehr klaren Erklärungen"<br />
und die aufgeregte Stimme der Frau bei ihrem Anruf)<br />
Gegensatz zwischen harmlosem Spiel des alten Mannes und der Polizeiaktion<br />
Die metaphorische Weitergabe des Lachens als zentrales Bild<br />
<br />
<br />
zweimal im Text verwendet (alter Mann, kleiner Junge)<br />
vom Jungen "mit aller Kraft den Wachleuten ins Gesicht" geworfen<br />
Das Theater, das Spiel, das Lachen als zentrales Element des Theaters befreit<br />
von den Zwängen einer grotesk daherkommenden Wirklichkeit.<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Motivgegensätze<br />
Ilse Aichinger verwendet in ihrer Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater« verschiedene<br />
Motivgegensätze zur Gestaltung der Aussage.<br />
Motiv des Lichts<br />
hell<br />
dunkel<br />
Zimmer des alten Mannes und des kleinen<br />
Jungen<br />
Lebensfreude, Kontaktbereitschaft und -<br />
fähigkeit; menschliche Nähe<br />
Zimmer der Frau<br />
Kontaktunfähigkeit; Alleinsein, Ausgeschlossensein<br />
Motiv der Nähe /Ferne<br />
Wohnung im vorletzten Stock<br />
Lebensferne<br />
Straße "tief unten"<br />
Schnittpunkt und Zentrum des Lebens<br />
Motiv des Spiels<br />
alter Mann<br />
Frau<br />
pantomimisches Gebärden- und Verkleidungsspiel<br />
Spielverweigerung<br />
anthropologische Bedeutung: Leben als<br />
Spiel<br />
Selbstkontrolle bis zum Lustverzicht<br />
11<br />
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Motivgegensätze<br />
Motiv des Lichts<br />
hell<br />
Zimmer des alten Mannes und<br />
des kleinen Jungen<br />
Lebensfreude, Kontaktbereitschaft<br />
und -fähigkeit; menschliche<br />
Nähe<br />
dunkel<br />
Zimmer der Frau<br />
Kontaktunfähigkeit; Alleinsein,<br />
Ausgeschlossensein<br />
Motiv der Nähe /Ferne<br />
Wohnung im vorletzten Stock<br />
Lebensferne<br />
Straße "tief unten"<br />
Schnittpunkt und Zentrum des<br />
Lebens<br />
Motiv des Spiels<br />
alter Mann<br />
pantomimisches Gebärdenund<br />
Verkleidungsspiel<br />
anthropologische Bedeutung:<br />
Leben als Spiel<br />
Frau<br />
Spielverweigerung<br />
Selbstkontrolle bis zum Lustverzicht<br />
12<br />
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Figurenkonstellation<br />
Personenkonstellation<br />
Alter Mann<br />
Spiel - Kommunikation<br />
beobachtet<br />
Kind<br />
Frau<br />
Leerstehende<br />
Werkstatt<br />
Polizei<br />
Menge<br />
13<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Figurencharakterisierung<br />
Kind<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
schwerhörig<br />
dennoch zu<br />
Kommunikation<br />
bereit<br />
Gesten der<br />
Kontaktaufnahme<br />
(lächeln, winken<br />
...)<br />
wirkt freundlich,<br />
dem Leben<br />
zugewandt<br />
phantasievolle<br />
Aktivitäten<br />
Symbol des<br />
Lichts<br />
Alter Mann<br />
Perspektive 2<br />
Perspektive 1<br />
Frau<br />
unbewohnte<br />
Werkstatt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
isoliert<br />
sensationshungrig<br />
ich-bezogene<br />
Kontaktlosigkeit<br />
wirkt reserviert,<br />
unsicher, dem<br />
Leben<br />
abgewandt<br />
Mangel an<br />
Phantasie,<br />
Denken in<br />
Stereotypen<br />
Symbol der<br />
Dunkelheit<br />
Polizei<br />
Menge<br />
Wechsel der Beobachtungsperspektive verändert<br />
Wahrnehmungsperspektive<br />
14<br />
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Figurencharakterisierung<br />
<br />
Kind<br />
Charaktereigenschaften<br />
Charaktereigenschaften<br />
<br />
Alter Mann<br />
Perspektive 2<br />
Perspektive 1<br />
Frau<br />
unbewohnte<br />
Werkstatt<br />
Polizei<br />
Menge<br />
15<br />
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Figurencharakterisierung<br />
16<br />
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Figurencharakterisierung<br />
Kind<br />
Alter Mann<br />
Perspektive 2<br />
Perspektive 1<br />
Frau<br />
unbewohnte<br />
Werkstatt<br />
Polizei<br />
Menge<br />
Wechsel der Beobachtungsperspektive verändert<br />
Wahrnehmungsperspektive<br />
Alter Mann<br />
Frau<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
schwerhörig<br />
dennoch zu<br />
Kommunikation<br />
bereit<br />
Gesten der<br />
Kontaktaufnahme<br />
(lächeln, winken<br />
...)<br />
wirkt freundlich,<br />
dem Leben<br />
zugewandt<br />
phantasievolle<br />
Aktivitäten<br />
Symbol des<br />
Lichts<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
isoliert<br />
sensationshungrig<br />
ich-bezogene<br />
Kontaktlosigkeit<br />
wirkt reserviert,<br />
unsicher, dem<br />
Leben<br />
abgewandt<br />
Mangel an<br />
Phantasie,<br />
Denken in<br />
Stereotypen<br />
Symbol der<br />
Dunkelheit<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater<br />
Figurencharakterisierung<br />
Die Figurencharakterisierung in Ilse Aichingers Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater«<br />
erfolgt im Text mit wenigen Ausnahmen, bei denen der Erzähler direkt charakterisiert<br />
(z.B. "hatte den starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind") in Form der indirekten<br />
Charakterisierung durch das erzählte Verhalten der Figuren.<br />
In einer tabellarischen Gegenüberstellung lassen sich die beiden Hauptfiguren wie folgt<br />
darstellen:<br />
Alter Mann<br />
Frau<br />
<br />
schwerhörig<br />
<br />
isoliert<br />
<br />
<br />
dennoch bereit<br />
zur Kommunikation<br />
Gesten der Kontaktaufnahme<br />
(lächeln, winken...)<br />
<br />
<br />
sensationshungrig<br />
Ich-bezogene Kontaktlosigkeit<br />
und -unfähigkeit<br />
(geht in der Menge unter!)<br />
<br />
<br />
<br />
wirkt freundlich<br />
dem Leben zugewandt<br />
phantasievolle Aktivität<br />
<br />
<br />
<br />
wirkt reserviert und verschlossen<br />
unsicher<br />
dem Leben abgewandt<br />
<br />
Mangel an Phantasie<br />
<br />
Denken in Stereotypen<br />
Symbol des Lichts<br />
Symbol der Dunkelheit<br />
18<br />
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....<br />
Ilse Aichinger<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge hatte sich um den Polizeiwagen<br />
gesammelt. Die Polizisten waren abgesprungen, und die Menge<br />
kam hinter ihnen und der Frau her. Sobald man die Leute zu verscheuchen<br />
suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem Hause zu wohnen.<br />
Einige davon kamen bis zum letzten Stock mit. Von den Stufen beobachteten<br />
sie, wie die Männer, nachdem ihr Klopfen vergeblich blieb<br />
und die Glocke allem Anschein nach nicht funktionierte, die Tür aufbrachen.<br />
Sie arbeiteten schnell und mit einer Sicherheit, von der jeder Einbrecher<br />
lernen konnte. Auch in dem Vorraum, dessen Fenster auf den<br />
Hof sahen, zögerten sie nicht eine Sekunde. Zwei von ihnen zogen die<br />
Stiefel aus und schlichen um die Ecke. Es war inzwischen finster geworden.<br />
Sie stießen an einen Kleiderständer, gewahrten den Lichtschein am<br />
Ende des schmalen Ganges und gingen ihm nach. Die Frau schlich hinter<br />
ihnen her.<br />
Und während er, in ein Leintuch gehüllt, abwechselnd an beiden Fenstern<br />
erschien, unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem Geklingel<br />
der Straßenbahnen und dem gedämpften Lärm der Stadt das Hupen<br />
des Überfallautos. Denn ihre Erklärung hatte nicht sehr klar und ihre<br />
Stimme erregt geklungen. Der alte Mann lachte jetzt, so dass sich sein<br />
Gesicht in tiefe Falten legte, streifte dann mit einer vagen Gebärde darüber,<br />
wurde ernst, schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen<br />
Hand zu halten und warf es dann hinüber. Erst als der Wagen schon um<br />
die Ecke bog, gelang es der Frau, sich von seinem Anblick loszureißen.<br />
Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten<br />
Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues. Die Frau hatte den<br />
starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch<br />
niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.<br />
Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.<br />
Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten. Als sie<br />
sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte<br />
gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses<br />
Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammende<br />
Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen<br />
Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen<br />
hat. Die Frau blieb am Fenster.<br />
Der Alte öffnete und nickte herüber. Meint er mich? dachte die Frau. Die<br />
Wohnung über ihr stand leer und unterhalb lag eine Werkstatt, die um<br />
diese Zeit schon geschlossen war. Sie bewegte leicht den Kopf. Der Alte<br />
nickte wieder. Er griff sich an die Stirne, entdeckte, dass er keinen Hut<br />
aufhatte, und verschwand im Inneren des Zimmers.<br />
19<br />
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45<br />
50<br />
55<br />
60<br />
Als die Tür aufflog, stand der alte Mann mit dem Rücken zu ihnen gewandt<br />
noch immer am Fenster. Er hielt ein großes weißes Kissen auf<br />
dem Kopf, das er immer wieder abnahm, als bedeutete er jemandem,<br />
dass er schlafen wolle. Den Teppich, den er vom Boden genommen hatte,<br />
trug er um die Schultern. Da er schwerhörig war, wandte er sich<br />
auch nicht um, als die Männer auch schon knapp hinter ihm standen und<br />
die Frau über ihn hinweg in ihr eigenes finsteres Fenster sah.<br />
Gleich darauf kam er in Hut und Mantel wieder. Er zog den Hut und lächelte.<br />
Dann nahm er ein weißes Tuch aus der Tasche und begann zu<br />
winken. Erst leicht und dann immer eifriger. Es hing über die Brüstung,<br />
dass man Angst bekam, er würde vornüberfallen. Die Frau trat einen<br />
Schritt zurück, aber das schien ihn zu bestärken. Er ließ das Tuch fallen,<br />
löste seinen Schal vom Hals - einen großen bunten Schal - und ließ ihn<br />
aus dem Fenster wehen. Dazu lächelte er. Und als sie noch einen weiteren<br />
Schritt zurücktrat, warf er den Hut mit einer heftigen Bewegung ab<br />
und wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er<br />
die Arme über der Brust und verneigte sich. Sooft er aufsah, kniff er das<br />
linke Auge zu, als herrsche zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis.<br />
Das bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur mehr seine<br />
Beine in dünnen, geflickten Samthosen in die Luft ragen sah. Er stand<br />
auf dem Kopf. Als sein Gesicht gerötet, erhitzt und freundlich wieder<br />
auftauchte, hatte sie schon die Polizei verständigt.<br />
...<br />
(aus: Aichinger, Ilse: Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt/M.: S. Fischer<br />
Verlag 1963, S.61ff.)<br />
Arbeitsanregungen zur produktiven Textarbeit:<br />
Der Text ist durcheinander geraten. Außerdem ist der Schluss und der Titel weggelassen<br />
worden.<br />
1) Stellen Sie die Reihenfolge wieder her.<br />
2) Schreiben Sie danach einen Schluss für die Geschichte.<br />
3) Im Anschluss daran geben Sie der Geschichte einen passenden Titel.<br />
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Textpuzzle<br />
Lösung<br />
....<br />
Ilse Aichinger<br />
5<br />
4<br />
1<br />
2<br />
Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge hatte sich um den Polizeiwagen<br />
gesammelt. Die Polizisten waren abgesprungen, und die Menge<br />
kam hinter ihnen und der Frau her. Sobald man die Leute zu verscheuchen<br />
suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem Hause zu wohnen.<br />
Einige davon kamen bis zum letzten Stock mit. Von den Stufen beobachteten<br />
sie, wie die Männer, nachdem ihr Klopfen vergeblich blieb<br />
und die Glocke allem Anschein nach nicht funktionierte, die Tür aufbrachen.<br />
Sie arbeiteten schnell und mit einer Sicherheit, von der jeder Einbrecher<br />
lernen konnte. Auch in dem Vorraum, dessen Fenster auf den<br />
Hof sahen, zögerten sie nicht eine Sekunde. Zwei von ihnen zogen die<br />
Stiefel aus und schlichen um die Ecke. Es war inzwischen finster geworden.<br />
Sie stießen an einen Kleiderständer, gewahrten den Lichtschein am<br />
Ende des schmalen Ganges und gingen ihm nach. Die Frau schlich hinter<br />
ihnen her.<br />
Und während er, in ein Leintuch gehüllt, abwechselnd an beiden Fenstern<br />
erschien, unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem Geklingel<br />
der Straßenbahnen und dem gedämpften Lärm der Stadt das Hupen<br />
des Überfallautos. Denn ihre Erklärung hatte nicht sehr klar und ihre<br />
Stimme erregt geklungen. Der alte Mann lachte jetzt, so dass sich sein<br />
Gesicht in tiefe Falten legte, streifte dann mit einer vagen Gebärde darüber,<br />
wurde ernst, schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen<br />
Hand zu halten und warf es dann hinüber. Erst als der Wagen schon um<br />
die Ecke bog, gelang es der Frau, sich von seinem Anblick loszureißen.<br />
Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten<br />
Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues. Die Frau hatte den<br />
starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch<br />
niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.<br />
Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.<br />
Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten. Als sie<br />
sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte<br />
gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses<br />
Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammende<br />
Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen<br />
Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen<br />
hat. Die Frau blieb am Fenster.<br />
Der Alte öffnete und nickte herüber. Meint er mich? dachte die Frau. Die<br />
Wohnung über ihr stand leer und unterhalb lag eine Werkstatt, die um<br />
diese Zeit schon geschlossen war. Sie bewegte leicht den Kopf. Der Alte<br />
21<br />
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nickte wieder. Er griff sich an die Stirne, entdeckte, dass er keinen Hut<br />
aufhatte, und verschwand im Inneren des Zimmers.<br />
6<br />
3<br />
Als die Tür aufflog, stand der alte Mann mit dem Rücken zu ihnen gewandt<br />
noch immer am Fenster. Er hielt ein großes weißes Kissen auf<br />
dem Kopf, das er immer wieder abnahm, als bedeutete er jemandem,<br />
dass er schlafen wolle. Den Teppich, den er vom Boden genommen hatte,<br />
trug er um die Schultern. Da er schwerhörig war, wandte er sich<br />
auch nicht um, als die Männer auch schon knapp hinter ihm standen und<br />
die Frau über ihn hinweg in ihr eigenes finsteres Fenster sah.<br />
Gleich darauf kam er in Hut und Mantel wieder. Er zog den Hut und lächelte.<br />
Dann nahm er ein weißes Tuch aus der Tasche und begann zu<br />
winken. Erst leicht und dann immer eifriger. Es hing über die Brüstung,<br />
dass man Angst bekam, er würde vornüberfallen. Die Frau trat einen<br />
Schritt zurück, aber das schien ihn zu bestärken. Er ließ das Tuch fallen,<br />
löste seinen Schal vom Hals - einen großen bunten Schal - und ließ ihn<br />
aus dem Fenster wehen. Dazu lächelte er. Und als sie noch einen weiteren<br />
Schritt zurücktrat, warf er den Hut mit einer heftigen Bewegung ab<br />
und wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er<br />
die Arme über der Brust und verneigte sich. Sooft er aufsah, kniff er das<br />
linke Auge zu, als herrsche zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis.<br />
Das bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur mehr seine<br />
Beine in dünnen, geflickten Samthosen in die Luft ragen sah. Er stand<br />
auf dem Kopf. Als sein Gesicht gerötet, erhitzt und freundlich wieder<br />
auftauchte, hatte sie schon die Polizei verständigt.<br />
...<br />
(aus: Aichinger, Ilse: Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt/M.: S. Fischer<br />
Verlag 1963, S.61ff.)<br />
22<br />
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Textvarianten<br />
Produktive Textarbeit – Schülerarbeiten<br />
Als Ergebnis der produktiven Textarbeit mit dem Lückentext haben Schülerinnen und<br />
Schüler zu der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger folgende Varianten<br />
für den Titel der Geschichte und den Schluss verfasst.<br />
1. DER MANN HINTER DER MASKE<br />
Als sie die Türe erreicht hatten, sahen sie durch die kleine Öffnung der Tür den alten<br />
Mann, der sich noch weiter herausgelehnt hatte. Man konnte auch die Menge auf der<br />
Straße unten hören, die vor Angst immer aufheulte, wenn der Anschein bestand, er könne<br />
aus dem Fenster fallen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und die beiden Polizisten<br />
stürmten herein und nahmen den Mann in Gewahrsam.<br />
Später stellte sich heraus, dass der alte Mann, der immer so nett und freundlich war,<br />
schon seit 3 Jahren tot war und dass an seine Stelle nun ein Verrückter getreten war. Er<br />
bekam eine lebenslängliche Haftstrafe wegen Mord.<br />
2. DER TOD KAM DURCH DAS FENSTER<br />
Plötzlich hörte der alte Mann Geräusche und nahm Anlauf, um zu springen. Er wandte<br />
sich zu den Polizisten und sprach: "Ich werde springen, ihr könnt mich nicht aufhalten!"<br />
Die Frau erwiderte mit leisester Stimme: "Warum wollen Sie springen, wir können doch<br />
in Ruhe reden und alles klären." Er schaute nach unten und sagte: "Ich springe!" Plötzlich<br />
sah man, wie er sich schmiss und wie er mit seinem Kopf auf die Erde prallte. Die<br />
Frau schrie: "Nein, nein!" - Doch der Schrei war zu spät.<br />
3. ALLEIN AM FENSTER<br />
Am Ende des schmalen Ganges lag ein ebenso schmales und lieblich eingerichtetes<br />
Wohnzimmer. Der Alte saß auf dem Boden und starrte durch das offene Fenster zum gegenüberliegenden<br />
Haus. Die Beamten gingen langsam auf ihn zu und sprachen ihn an.<br />
Erschreckt drehte er sich um, sah die zwei Beamten und die Frau von nebenan und begann<br />
ihnen entgegenzugehen und freundlich zu lachen. Er bot ihr und den Herren der<br />
Polizei einen Sitzplatz an und etwas Gebäck dazu. Verwirrt lehnten alle drei ab. Jetzt begann<br />
der Alte lebhaft zu erzählen: dass er schon seit drei Jahren keinen Besuch mehr<br />
gehabt hat, dass seine Frau gestorben war und vieles mehr. Die Frau nutzte eine kleine<br />
Redepause und fragte: "Wieso wollten Sie aus dem Fenster springen?" Darauf antwortet<br />
er: "Das wollte ich nicht, ich wollte Sie fröhlich machen. Sie sahen so traurig aus."<br />
Arbeitsanregungen:<br />
1. Untersuchen Sie, an welchen Elementen des vorgegebenen Erzähltextes die Fortsetzungen<br />
ansetzen.<br />
2. Überlegen Sie, ob und inwieweit die drei Fortsetzungen mit dem Sinn der Geschichte<br />
in Einklang gebracht werden können.<br />
3. Begründen Sie Ihre Kritik an einem Punkt schriftlich, indem Sie auf widersprechende<br />
Textstellen der Erzählung verweisen.<br />
Beachten Sie dabei die nötigen Zitierregeln<br />
Inhaltsangabe<br />
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Ilse Aichingers Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" könnte in Form der nachfolgenden,<br />
kurz gehaltenen Inhaltsangabe, wiedergegeben werden:<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
In der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger, erschienen in<br />
"Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt a. M. 1963, S. 61 ff., geht es um verschiedene<br />
Wirklichkeitswahrnehmungen, die im sozialen Leben der Gesellschaft<br />
die Handlungsweisen der Menschen bestimmen. Erzählt wird, wie eine Frau im<br />
Fenster des gegenüberliegenden Hauses die in ihren eigenen Augen seltsamen<br />
Gebärden eines alten Mannes beobachtet. Sie verständigt die Polizei und muss bei<br />
deren Eindringen in die Wohnung des schwerhörigen Mannes feststellen, dass der<br />
Mann nur ein harmloses Spiel für einen kleinen Jungen am Fenster, der über ihr<br />
liegenden Wohnung aufführt.<br />
Eine Frau, die allein in der vorletzten Etage eines höheren Hauses wohnt, beobachtet<br />
neugierig von ihrem Fenster aus die Geschehnisse auf der Straße. Dabei<br />
fällt ihr ein Mann auf, der ihr gegenüber wohnt. Dieser nickt ihr von seinem Fenster<br />
scheinbar zu und scheint Späße zu machen. Sein ausgelassenes Verhalten, das<br />
ihr zunächst durchaus gefällt, irritiert die Frau jedoch mehr und mehr. Daher veranlasst<br />
sie schließlich, dass die Polizei erscheint, um nach dem Rechten zu sehen.<br />
Als die Polizei erscheint, folgt sie den Polizisten, die offenbar von einem Verbrechen<br />
ausgehen, zur Wohnung des Mannes. Als die Tür von der Polizei aufgebrochen<br />
wird, werden die gewaltsam eindringenden Personen von dem Mann nicht<br />
wahrgenommen, da er schwerhörig ist. Aber durch das Fenster ist zu erkennen,<br />
dass die Späße des alten Mannes an einen kleinen Jungen gerichtet sind, der mit<br />
seiner Familie, ohne dass die Frau davon Kenntnis genommen hat, in der Wohnung<br />
einen Stock über der Wohnung der alten Frau wohnt. (250 Wörter)<br />
Arbeitsanregungen:<br />
Untersuchen Sie Inhalt und Aufbau der Inhaltsangabe.<br />
• Welche Angaben enthält der Aussagekern zu Autor, Erscheinungsort und -datum,<br />
Textsorte und Titel?<br />
• Was steht im Aussagekern über den Inhalt?<br />
• Was erfährt man im Aussagekern über das Thema der Geschichte?<br />
• Wodurch unterscheidet sich der Aussagekern von der Inhaltsangabe im engeren<br />
Sinne des zweiten Textabschnitts?<br />
• Welche Merkmale der sprachlichen Form können Sie feststelle<br />
Literaturverfilmung<br />
Johannes Fluhr<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, …<br />
5<br />
Die mit dem Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreis im Jahr 1994<br />
ausgezeichnete Verfilmung der Kurzgeschichte "Das Fenster-<br />
Theater" von Ilse Aichinger ist ein Kurzspielfilm (Dauer: 3:30<br />
min) des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten Johannes<br />
Fluhr. (ausleihbar bei den verschiedenen Medienzentren)<br />
Inhalt:<br />
10<br />
15<br />
20<br />
Nach dem Titelvorspann zeigt die Kamera einen Wohnzimmerschrank<br />
mit zwei eingebauten Regalen. Während die Kamera<br />
langsam von rechts nach links fährt, sind auf den Regalen zahlreiche<br />
Fotografien unterschiedlicher Größe sowie verschiedene<br />
Dekorationsstücke zu sehen. Gleichzeitig ist das Pfeifen eines<br />
Vogels, sowie, überlaut, das Ticken einer Uhr zu hören. Eine Art<br />
Klatschen kommt dazu und kurz darauf bekommt man von links<br />
zwei Hände zu sehen. Diese halten eine kleine Tischuhr, um sie<br />
im nächsten Moment auf ein kleines Beistelltischchen vor dem<br />
Wohnzimmerschrank zu stellen. Danach erscheint eine etwa<br />
sechzig Jahre alte Frau, die zum geöffneten Fenster hinübergeht<br />
und einen prüfenden Blick nach oben wirft. In dem Augenblick,<br />
in dem sie sich abwenden will, erregt offenbar irgend etwas ihre Aufmerksamkeit, so<br />
dass sie innehält und geradeaus hinausschaut. Im Fensterglas spiegelt sich die ganze<br />
Zeit über die Fassade des gegenüberliegenden Wohnblocks. Danach erfolgt ein Schnitt.<br />
Zu sehen ist nun (ganz offensichtlich weiterhin aus der Perspektive des Wohnzimmerfensters<br />
der Frau) der gegenüberliegende Wohnblock mit vier Stockwerken. An einem der<br />
Fenster werden die Vorhänge beiseite geschoben und das Fenster geöffnet.<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
Schnitt: Zu sehen ist die Frau. Sie schließt das Fenster, tritt ein wenig zurück, bleibt<br />
aber so stehen, dass sie weiterhin das andere Fenster im Blickfeld hat. An diesem Fenster<br />
erscheint nun ein ebenfalls älterer Mann, der ihr freundlich zulächelt. Zunächst<br />
scheint der Frau dies zu gefallen. Jedenfalls lächelt sie zaghaft, streicht sich mit der linken<br />
Hand übers Haar, als wollte sie es "zurechtrücken".<br />
Schnitt: Der Mann trägt nun über seinem Hemd einen hellen Morgenmantel sowie einen<br />
locker über die Schultern geschwungenen Schal und einen Hut. Wie wenn er sie grüßen<br />
wollte, nimmt er seinen Hut ab und setzt ihn wieder auf. Dann zieht er aus der Manteltasche<br />
ein weißes Tuch und schwenkt damit auf und ab.<br />
Schnitt: Auch diese Form des Grußes scheint der Frau durchaus nicht unangenehm zu<br />
sein. Plötzlich aber geht sie etwas näher an das Fenster heran und ihr Blick wird mehr<br />
und mehr misstrauisch, weil das Verhalten des Mannes offenbar merkwürdig wird. Der<br />
hat nämlich inzwischen das weiße Tuch abgelegt und schwingt stattdessen seinen Schal<br />
durch die Luft. Doch sein Verhalten wird noch seltsamer. Nach einem kurzen Zwischenschnitt<br />
auf die nun recht unsicher blickende Frau sieht man, wie der Mann seinen Schal<br />
wie einen Turban auf den Kopf bindet und sich danach mit verschränkten Armen verbeugt.<br />
Damit nicht genug. Zwischenschnitt auf die Frau: Man sieht lediglich noch die<br />
Beine des Mannes in die Höhe gestreckt. Nur ein paar wenige Sekunden, dann kippen sie<br />
langsam nach hinten weg. Danach ist zu sehen, wie die Frau einen Telefonhörer auflegt.<br />
Gleich darauf zeigt die Kamera - nach einem kurzen Blick auf das weiterhin leere Fenster<br />
des Mannes - von oben, wie ein Polizeistreifenwagen auf den Innenhof fährt.<br />
25<br />
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Schnitt: Die Frau und zwei Polizisten stehen vor einer Wohnungstür (an der das Schild<br />
"Kehrwoche" hängt). Sie klingeln, doch niemand öffnet. Da schließt einer der beiden Beamten<br />
die Tür mit einem Schlüssel auf (woher er diesen hat, bleibt unbekannt).<br />
50<br />
55<br />
60<br />
Schnitt: Die Kamera zeigt die Rückenansicht des Mannes<br />
mit Blick zum Fenster hinaus. Hinter dem Rücken<br />
trägt er ein Tuch und so schwingt er mit dem Oberkörper<br />
hin und her. Jetzt erst ist zu sehen, dass auf der gegenüberliegenden<br />
Seite ein Junge am Fenster steht, der<br />
dasselbe macht, nur mit einem Kissen auf dem Rücken.<br />
Und erst jetzt wird klar, dass die Frau das Verhalten des<br />
Mannes irrtümlicherweise auf sich ausgerichtet verstand,<br />
während es tatsächlich dem Kind in ihrer Nachbarschaft<br />
galt. Hier folgt nun der Abspann. Nachdem dieser vorüber<br />
ist, zeigt das Schlussbild nochmals das lachende Kind.<br />
(aus dem Beiheft zum Video, verfasst von Klaus Schuker, leicht verändert und gekürzt)<br />
Gestaltung:<br />
65<br />
70<br />
75<br />
Der Kurzspielfilm kommt ohne Worte aus und konzentriert die Aufmerksamkeit des Zuschauers<br />
ganz auf das mimisch-gestische Verhalten der Protagonisten und die Handlung.<br />
Die Wohnblocksiedlung, in der die Geschichte spielt, wirkt trotz ihrer grauen Fassade<br />
nicht gänzlich trostlos. Dies liegt vor allem an der Sonne, die das Ganze in ein mildes<br />
Licht taucht.<br />
Der Zuschauer übernimmt von Anfang an die Perspektive der Frau. Diese lebt ganz offensichtlich<br />
in einer Welt der Erinnerungen, die durch die mit Fotografien übersäten Regale<br />
des Wohnzimmerschranks symbolisiert wird. Am Ende des langsamen Kameraschwenks<br />
steht die Uhr, die von der Frau gehalten wird, und als Symbol für die Lebensuhr,<br />
die Lebenszeit, verstanden werden kann. Während der Mann als Kommunikationspartner<br />
mit dem Kind handelt und damit aktiv ist, verharrt die Frau in ihrer Vergangenheit<br />
und wird nur in dem Augenblick aktiv, als die die Polizei verständigt.<br />
Besonders auffällig bei dieser Literaturverfilmung ist der Verzicht auf die in der Kurzgeschichte<br />
von Ilse Aichinger erwähnten anderen Personen (Passanten, Hausbewohner und<br />
sonstige Schaulustige). Damit fokussiert der Film die Thematik der Geschichte eindeutig<br />
auf das Problem gesellschaftlicher Isolation und Einsamkeit, während die allgemein vorhandene<br />
Sensationsgier keine Rolle mehr zu spielen scheint.<br />
26<br />
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Arbeitstechnik: Zitieren<br />
Beim Zitieren muss man die folgenden Regeln beachten:<br />
1. Anfang und Ende eines Zitates gehören in Anführungszeichen.<br />
2. Zitate müssen selbst bei orthographischen Besonderheiten oder merkwürdiger Interpunktion<br />
originalgetreu übernommen werden.<br />
3. Wenn man einen zusammenhängenden Text nicht vollständig zitiert, müssen die<br />
Auslassungen mit rechteckigen Klammern und drei Auslassungspunkten […]<br />
gekennzeichnet werden. Bei Aufsätzen in der Schule können Auslassungen aber<br />
auch nur durch drei Auslassungspunkte ... ohne oder mit runden Klammern (...)<br />
kenntlich gemacht werden.<br />
4. Falls bestimmte Teile des Zitates hervorgehoben werden sollen, muss dies als<br />
Veränderung des Zitates ausgewiesen werden. Dies geschieht z.B. durch folgende<br />
Formen: [Hervorhebung durch den Verfasser]. Wenn einmal zum besseren<br />
Verständnis einer Textstelle Erläuterungen eingefügt werden müssen. werden sie<br />
wie folgt kenntlich gemacht. Beispiel: "Sie (die Nachbarin, d. Verf.) war schon<br />
Witwe."<br />
5. Längere Textpassagen können auch in Form indirekter Rede (Konjunktiv) zitiert /<br />
referiert werden. (vgl. S.…)<br />
6. Auch sinngemäßes Zitieren muss kenntlich und damit überprüfbar gemacht werden.<br />
Dies geschieht durch die Anfügung eines in runden Klammern gesetzten<br />
Quellennachweises , z.B. (vgl. S.…)<br />
7. Beim Zitieren von Verszeilen kann man diese entweder originalgetreu wiedergeben<br />
oder den Zeilenwechsel durch Virgel "/" kennzeichnen.<br />
Zeichensetzung beim Zitieren<br />
1. Zitate mit hinweisendem Begleitsatz<br />
Wenn vor, innerhalb oder hinter dem Zitat ein hinweisender Begleitsatz steht, wird ein<br />
Zitat wie bei der wörtlichen Rede gekennzeichnet. Dies gilt besonders, wenn ganze Sätze<br />
zitiert werden.<br />
Beispiel: Das Verhalten des Mannes wird von der Frau gründlich missdeutet. So erscheint<br />
ihr das Augenzwinkern, das der Mann dem Kind schenkt, als ein Zeichen für "ein geheimes<br />
Selbstverständnis" zwischen ihr und dem Mann.(Z 23)<br />
2. Eingebaute Zitate<br />
Häufig wirkt es eleganter, wenn Zitate in den jeweils eigenen Satzbau eingefügt werden.<br />
Dabei entfällt dann der Doppelpunkt.<br />
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teachSam-OER: Ilse Aichinger, …<br />
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<br />
Wenn man nur den Satzanfang zitiert, wird je nach Wort groß- oder kleingeschrieben.<br />
Wird dagegen ein ganzer Satz als Zitat eingefügt wird, bleibt auch die Großschreibung<br />
zu Beginn erhalten.<br />
Beispiele:<br />
1. Mit ihrem "starren Blick neugieriger Leute"(Z 2) weist sich die alte Frau bis in ihren<br />
Gesichtsausdruck hinein als sensationsgierig aus.<br />
2. Die Handlungen des Mannes beim Eindringen der Polizei in seine Privatsphäre "Er<br />
lachte, strich mit der Hand über das Gesicht, wurde ernst und schien das Lachen<br />
eine Sekunde in der hohlen Hand zu halten." (Z 56f.) zeigen, wie sehr er sein<br />
Spiel genießt und auf welche fröhliche Art sich seine Überraschung über die Eindringlinge<br />
entlädt.<br />
Wenn man einzelne Wörter in die eigenen Formulierungen und den eigenen Satzbau<br />
einfügen will, muss häufig die Endung der zitierten Wörter verändert werden. Solche Änderungen<br />
können vorgenommen werden. Allerdings müssen diese Veränderungen durch<br />
runde Klammern kenntlich gemacht werden.<br />
Beispiel aus dem Drama Maria Stuart von Friedrich Schiller:<br />
Maria scheut sich gegenüber Paulet nicht "de(n) Gram, das lange Kerkerelend"<br />
anzusprechen.<br />
Wenn nur bestimmte Teile eines zitierten Satzes wiedergegeben werden sollen, macht<br />
man die Auslassungen mit eckigen Klammern und drei darin enthaltenen Auslassungspunkten<br />
kenntlich.<br />
Beispiel:<br />
Maria zeigt sich sehr besorgt um das eigene Leben, als sie erklärt: "Meine Tage<br />
sind / Gezählt [...] und ich achte mich / Gleich einer Sterbenden."<br />
Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede<br />
Wenn der Redebegleitsatz vor der wörtlichen Rede steht:<br />
Redebegleitsatz: "Aussagesatz."<br />
Redebegleitsatz: "Fragesatz?"<br />
Redebegleitsatz: " Befehlssatz!"<br />
Wenn der Redebegleitsatz hinter der wörtlichen Rede steht:<br />
R: "A."<br />
R: "F?"<br />
R: "B!"<br />
"Aussagesatz", Redebegleitsatz. "A", R.<br />
"Fragesatz?", Redebegleitsatz. "F?", R.<br />
"Befehlssatz!", Redebegleitsatz. "B!", R.<br />
Wenn der Redebegleitsatz die wörtlichen Rede unterbricht:<br />
"Aussagesatz", Redebegleitsatz, "Aussagesatz."<br />
"Fragesatz", Redebegleitsatz, "Fragesatz?"<br />
"Befehlssatz", Redebegleitsatz, " Befehlssatz!"<br />
"A", R, "A."<br />
"F," R, "F?"<br />
"B", R, "B!"<br />
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