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Dokument 2.pdf - BASt-Archiv - hbz

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11<br />

risierte Teilnahme am Straßenverkehr vorbereitet<br />

und zum Erwerb von Fahr- und Verkehrskompetenz<br />

beiträgt. Damit geht der Begriff inhaltlich weit über<br />

den Fahrerlaubniserwerb und die damit verbundenen<br />

Anforderungen wie das Absolvieren einer Fahrausbildung<br />

und das Ablegen der Fahrerlaubnisprüfungen<br />

hinaus, denn der grundlegende Erwerb von<br />

Verkehrskompetenz beginnt bereits im Kindesalter.<br />

Durch Verkehrserfahrungen als Fußgänger und<br />

Radfahrer wie auch im Rahmen der Verkehrserziehung<br />

in der Familie, im Kindergarten und in der<br />

Schule eignen sich Kinder verkehrsbezogenes Wissen<br />

und Können an, auf das der spätere Fahrkompetenzerwerb<br />

zum Führen eines Kraftfahrzeugs<br />

aufbaut. Auch als Beifahrer lernen Kinder und Jugendliche<br />

anhand der Fahrweise der Kraftfahrzeugführer,<br />

wie das Fahren „funktioniert“; dieses soziale<br />

Lernen 7 beeinflusst ebenfalls das spätere eigene<br />

Fahrverhalten (SHOPE, 2006). Der Erwerb von<br />

Fahr- und Verkehrskompetenz ist letztlich im Laufe<br />

der Persönlichkeitsentwicklung auch eng mit der<br />

Aneignung grundlegender sozialer Kompetenzen<br />

(z. B. die Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf andere,<br />

Perspektivenübernahmefähigkeiten) bzw. mit<br />

der Internalisierung gesellschaftlicher Werte und<br />

Normen verknüpft. Die Vorbereitung von Fahranfängern<br />

auf ihre selbstständige motorisierte Teilnahme<br />

am Straßenverkehr vollzieht sich demnach bildungssoziologisch<br />

gesehen in einem langfristigen<br />

(Verkehrs-)Sozialisationsprozess 8 , in dem der Fahrerlaubniserwerb<br />

lediglich einen Teilabschnitt darstellt.<br />

Dieser Sozialisationsprozess schließt zielgerichtete<br />

Bildungs- und Erziehungsprozesse in unterschiedlichen<br />

(Bildungs-)Institutionen ein.<br />

Institutionen stellen nach SCOTT (1995) regulative,<br />

normative und kulturell-kognitive Strukturen (die<br />

drei sog. „Grundpfeiler“) 9 dar, die gesellschaftliche<br />

Stabilität zur Folge haben, weil sie Handlungspflichten<br />

und Handlungsrechte bestimmen, durch<br />

die Menschen in der Gemeinschaft verbindlich geltend<br />

handeln. Auch die Fahranfängervorbereitung<br />

lässt sich als Institution auffassen: Sie beruht erstens<br />

auf gesetzlichen Vorschriften (z. B. Straßenverkehrsgesetz,<br />

Fahrerlaubnisverordnung) als regulativem<br />

Grundpfeiler; damit werden Rahmenbedingungen<br />

des Fahrkompetenzerwerbs bestimmt<br />

(z. B. Vorgaben zum Mindestalter, „Probezeitregelungen“).<br />

Beim zweiten, normativen Grundpfeiler ist<br />

an Werte wie umweltbewusstes Fahren und Verantwortungsübernahme<br />

gegenüber schwächeren<br />

Verkehrsteilnehmern sowie auch an übergeordnete<br />

Ziele wie die Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />

zu denken. Dem dritten, kulturell-kognitiven Grundpfeiler<br />

schließlich lassen sich beispielsweise die Inhalte<br />

und Formen der Aneignung von Fahr- und<br />

Verkehrskompetenz sowie die am Aneignungsprozess<br />

beteiligten Organisationen und Akteure (z. B.<br />

Schulen, Fahrschulen, technische Prüfstellen, Polizei,<br />

Eltern) zuordnen. Zusammenfassend ist festzuhalten,<br />

dass Institutionen letztendlich Regelsysteme<br />

darstellen, die eine bestimmte soziale Ordnung<br />

hervorrufen, und (Bildungs-)Institutionen im Hinblick<br />

auf Sozialisationsprozesse dazu dienen, die<br />

Sozialisation zu fördern und zu formalisieren. In<br />

diesem bildungssoziologischen Sinn stellt die Fahranfängervorbereitung<br />

eine Institution dar. Akzentuiert<br />

man die institutionelle Bedeutung des Begriffs<br />

„Fahranfängervorbereitung“, führt dies zu einer gewissen<br />

Fokussierung auf den Fahrerlaubniserwerb,<br />

ohne dass damit die angrenzenden Bereiche des<br />

Fahrkompetenzerwerbs aus dem Blick geraten.<br />

Entsprechend der dargelegten institutionellen Begriffsfassung<br />

lässt sich „Fahranfängervorbereitung“<br />

als Gesamtheit aller Bedingungen und Maßnahmen<br />

definieren, die vom Gesetzgeber rechtlich vorgegeben<br />

oder darüber hinaus im kulturellen Kontext gezielt<br />

bereitgestellt und genutzt 10 werden, um das<br />

7 LEFRANCOIS (1994) definiert soziales Lernen als das Lernen<br />

von Verhaltensweisen, die sozial anerkannt sind (wie<br />

auch von solchen, die nicht anerkannt sind).<br />

8 HURRELMANN (1999, S. 481) bezeichnet mit dem Sozialisationsbegriff<br />

„… den Prozess der Konstituierung der Persönlichkeit<br />

in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher<br />

Auseinandersetzung mit der gesellschaftlich vermittelten<br />

sozialen und dinglich-materiellen Umwelt einerseits<br />

und der biophysischen Struktur des Organismus andererseits“.<br />

9 Nach SCOTT (1995) umfasst der regulative Grundpfeiler die<br />

handlungsbegrenzenden und regulierenden Aspekte von Institutionen.<br />

Im Fokus stehen die Regelsetzung, die Kontrolle<br />

und die Sanktionierung von Verhalten. Aus der möglichen<br />

Verhaltenssanktionierung resultiert ein Interesse der Akteure,<br />

sich regelkonform zu verhalten. Der normative Grundpfeiler<br />

beinhaltet die bewertende und verpflichtende Dimension<br />

von Institutionen. Werte als Konzepte des gerechtfertigt<br />

Wünschenswerten und als Standards, die der Verhaltensbewertung<br />

dienen, sowie Normen im Sinne einer Spezifizierung,<br />

wie Dinge getan werden sollen, sind Bezugspunkte<br />

der normativen Dimension von Institutionen. Der normativen<br />

Dimension sind auch definierte Ziele und „Spielregeln“ zu<br />

ihrer Erreichung zuzuordnen. Der kulturell-kognitive Grundpfeiler<br />

bildet schließlich die Art und Weise der Wahrnehmung<br />

und Aneignung von „Wirklichkeit“ in einer Gesellschaft<br />

ab; diese werden auch durch kulturelle Faktoren beeinflusst.<br />

10 Die Notwendigkeit, nicht nur Bildungsangebote, sondern<br />

auch ihre tatsächlichen Nutzungsbedingungen zu erfassen,<br />

thematisiert FEND (2004) und unterscheidet hierfür zwischen<br />

„Formalstrukturen“ und „Aktivitätsstrukturen“.

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