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Ausgabe - a3kultur

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Reportage<br />

In einer meiner frühesten Erinnerungen taucht<br />

ein riesiges Krokodil auf. Ein Dompteur im prächtigen<br />

Ornat und mit Turban auf dem Kopf steht<br />

neben dem gewaltigen Tier in der Manege und<br />

»hypnotisiert« den Koloss. Ich war vielleicht gerade<br />

fünf Jahre alt geworden und besuchte mit<br />

meiner Mutter zum ersten Mal im Leben einen<br />

Zirkus. Für mich war die Nummer eine Sensation<br />

und der Magier aus dem Morgenland ein Held.<br />

Auch meine Mutter kann sich heute, rund 40<br />

Jahre nach diesem Erlebnis, noch recht gut an<br />

diesen Tag erinnern. Das hat mich dann doch<br />

erstaunt. Und der Zirkus, den wir damals<br />

besuchten, hieß Circus Krone.<br />

Also zögerte ich nicht lange und ergriff das<br />

freundliche Angebot von Susanne Matzenau, ein<br />

wenig Zirkusluft zu schnuppern und einen Blick<br />

hinter die Kulissen des Traditionsunternehmens<br />

zu werfen. Ich besuche die promovierte Biologin<br />

und Krone-Pressechefin kurzerhand in Burghausen.<br />

Bevor es am 31. Oktober zum ersten Mal seit<br />

vielen Jahren in Augsburg wieder »Manege frei!«<br />

heißt, gastiert der größte europäische Zirkus<br />

mit etwa 400 Menschen und rund 100 Tieren<br />

nämlich noch in der Grenzstadt am Inn und im<br />

Anschluss in Freising.<br />

Mit Frau Matzenau an meiner Seite entdecke ich<br />

die Maschine hinter der Schau. Zuerst schauen<br />

wir in der Küche vorbei, in der täglich drei Mahlzeiten<br />

für die rund 180 Köpfe umfassende »Mannschaft«<br />

zubereitet werden. Die Artistenfamilien<br />

sind für ihre Verpflegung selbst verantwortlich.<br />

Ein Trapezkünstler hat wohl einen anderen Speiseplan<br />

als ein Jongleur. Zu Mittag gibt es heute für<br />

die hart arbeitenden Männer, die vor und hinter<br />

den Kulissen für einen geregelten Ablauf sorgen,<br />

Kassler mit Kraut und Kartoffelbrei. Allein 100<br />

Kilogramm Kartoffeln mussten dafür geschält<br />

werden. Das rumänische Küchenteam weiß, was<br />

die Mannschaft auf dem Teller sehen will. Die<br />

meisten Arbeiter bei Circus Krone kommen aus<br />

Ländern des ehemaligen Ostblocks. Einige davon<br />

treffen wir bei unserem Streifzug über den großen<br />

Festplatz mit seinen Werkstätten, Lagerzelten<br />

und Stallungen wieder.<br />

Mittags Kassler, Kraut und Kartoffelbrei<br />

Einer von ihnen ist für den Skania-Schiffsdiesel<br />

verantwortlich, der täglich den nötigen Strom für<br />

Krone liefert. Andere arbeiten in der Sattlerei, der<br />

Kfz-Werkstatt, bei den Pferden oder den Raubkatzen.<br />

Für jeden Arbeitsbereich gibt es eigene<br />

Teams. Manche von ihnen tragen für die Schau<br />

Manege frei!<br />

Circus Krone macht vom 31. Oktober bis zum 10. November in Augsburg Station<br />

Ob Koch, Clown, Feuerwehrmann oder Handwerker. In der Circus-Krone-Familie hat jeder eine feste Rolle. Der Zirkus<br />

macht vom 31. Oktober bis zum 10. November in Augsburg Station. Karten unter 01805 / 247287, bei CTS Eventim oder<br />

ab dem 30. Oktober an der Cassa am Plärrer.<br />

Ziviluniformen. Wer in Rot gekleidet ist, gehört<br />

in den Zuschauerbereich, Schwarz tragen die<br />

Requisiteure, die zwischen den Nummern blitzschnell<br />

abbauen und hundertprozentig sicher<br />

aufbauen. Die graue Uniform ist allen anderen<br />

vorbehalten, von der zirkuseigenen Feuerwehr<br />

bis zur Lehrerin, die in ihrem Wagen neben<br />

einem bescheidenen Wohnbereich auch ein separates<br />

Klassenzimmer für die derzeit drei mitreisenden<br />

Kinder untergebracht hat.<br />

In nahezu baugleichen Wägen schläft die Mannschaft,<br />

sind Cassa, Büros und Werkstätten untergebracht,<br />

hängen die wertvollen Kostüme der<br />

Künstler und schminken sich die Artisten. Yann<br />

Rossi ist einer von ihnen. Als Weißclown der Truppe<br />

Les Rossyann rangiert er in der Zirkushierarchie<br />

weit oben. Gemeinsam mit einem dummen<br />

August bezaubert der Franzose nicht nur die Kinder<br />

im Publikum mit großen Nummern und<br />

poetischen Zwischenspielen. Für seine Maske<br />

4. bis 17. November 2013<br />

12<br />

braucht er jeden Tag fast eine Stunde, doch für<br />

eine kleine Plauderei mit der Presse nimmt er<br />

sich Zeit. Groß geworden in einer Zirkusfamilie,<br />

ist er nun selber Vater. Seine Kinder sind noch<br />

klein und reisen mit der Familie. Neben Fernschule<br />

bleibt genügend Zeit für die ersten Trainingseinheiten<br />

und Musikunterricht. Der Papa<br />

spielt etwa zwanzig Instrumente und der fünfjährige<br />

Sohn will später einmal Astronaut werden.<br />

Der weiße Clown lächelt: »Jeder soll das<br />

machen, wohin ihn das Leben führt.«<br />

Der fünfjährige Sohn will Astronaut werden<br />

Den Schweizer Roland Duss führte das Leben zu<br />

Seelöwen. Gemeinsam mit seiner Frau Petra, dem<br />

Terrier Mayol und seinen kalifornischen Mähnenrobben<br />

reist er als Dompteur einer hinreißenden<br />

Tiernummer durch Europa. Mit im Gepäck ist ein<br />

100.000 Liter fassender Plastikpool für die fidelen<br />

Hauptdarsteller. Schnell kommt man, wenn es<br />

um das Thema Zirkus geht, auch auf das Thema<br />

Tierschutz. Im Programmheft von Circus Krone<br />

kommen gleich vier promovierte Tiermediziner,<br />

die sich um das Wohl der vierbeinigen Attraktionen<br />

kümmern, zu Wort. Circus Krone nimmt<br />

das Thema ernst. Das Verhältnis zwischen Tier<br />

und Artist entzieht sich wohl jedem Vergleich zu<br />

Haustier und Herrchen. Natürlich umsorgt Krone<br />

seine Tiere vorbildlich und dokumentiert die Haltung<br />

sehr transparent. So wirken Angriffe auf die<br />

Tierhaltung bei diesem Zirkus nicht selten<br />

bemüht und effekthascherisch. Tierquälerei<br />

kann man in Deutschland wohl am wirkungsvollsten<br />

mit seinem Einkaufsverhalten an der<br />

Wursttheke entgegentreten.<br />

Die Bratwurst für die Besucher gibt es hier natürlich<br />

ebenso wie bei allen anderen Großveranstaltungen<br />

in Deutschland. Gut 5.000 Plätze fasst das<br />

Zelt, mit dem Circus Krone in der Sommersaison<br />

auf Reisen ist. In der Wintersaison wird das<br />

Stammhaus in München bespielt. Die aktuelle<br />

Schau »Celebration 2013« umfasst in 20 Nummern<br />

vieles von dem, was man unter klassischem<br />

Zirkusvergnügen versteht. Neben den artistischen<br />

Höchstleistungen der brasilianischen Trapeznummer<br />

Flying Zuniga oder den wunderbaren<br />

Jonglagen von Elena Drogaleva & Gentlemen bis<br />

zu den spektakulären Raubtierdressuren von<br />

Martin Lacey jr. samt dem weißen Löwen King<br />

Tonga sind auch bezaubernde Nummern mit Pferden,<br />

Elefanten oder Zebras von Jana Mandana<br />

Lacey-Krone zu bestaunen. Nur schlafende Krokodile,<br />

die waren in diesem Programm nicht zu<br />

finden. Aber vielleicht beim nächsten Mal. (kaj)<br />

w w w . a 3 k u l t u r . d e

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