Es begann in Wien - Echomedia Buchverlag
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100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
<strong>in</strong>halt<br />
impressum<br />
ISBN: 978-3-902900-46-3<br />
2013 echomedia buchverlag ges.m.b.h.<br />
Media Quarter Marx 3.2<br />
A-1030 <strong>Wien</strong>, Maria-Jacobi-Gasse 1<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Produktion: Ilse Helmreich<br />
Produktionsassistenz: Brigitte Lang<br />
Mitarbeit: Cor<strong>in</strong>a Rusa<br />
Layout: Elisabeth Waidhofer<br />
Lektorat: Tatjana Zimbelius<br />
Herstellungsort: <strong>Wien</strong><br />
Besuchen Sie uns im Internet:<br />
www.echomedia-buch.at<br />
Grußbotschaften7<br />
Prolog: Wie der Skisport nach <strong>Wien</strong> kam 13<br />
Sonderzug zum Skiwettlauf 17<br />
Spektakel <strong>in</strong> Pötzle<strong>in</strong>sdorf 21<br />
Zdarsky – Allerweltskerl, Zankapfel, Streithansl 24<br />
E<strong>in</strong> Nasenstüber mit Folgen 26<br />
E<strong>in</strong> Glaubenskrieg <strong>in</strong> Ski 28<br />
Stadtbahnlampen als Flutlichtstrahler 31<br />
Meilenste<strong>in</strong> am Muckenkogel 34<br />
ÖSV-Gründung <strong>in</strong> München 36<br />
K. k. Staatsbahn als Skiträger 38<br />
Erste ÖSV-Titel 1907 – Die Hits von Kitz 41<br />
E<strong>in</strong> Oberst, zwei Skistöcke und e<strong>in</strong> neuer Zwist 45<br />
Semmer<strong>in</strong>g als St. Moritz der <strong>Wien</strong>er 49<br />
Geburtsstunde des <strong>Wien</strong>er Verbandes 51<br />
Kriegerischer Ernst als sportliche Zäsur 54<br />
Durch Be<strong>in</strong>bruch zum Strammer 61<br />
Aufschwung nach dem Untergang 63<br />
Notgroschen aus Militärskibeständen 65<br />
„Arierparagraph“ als Spaltpilz 68<br />
Harald Bosio zeigt’s den Elchen 70<br />
Schnurren mit und über Bosio 73
<strong>in</strong>halt<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
Wie es zu Tyrolia kam 75<br />
Rax-Seilbahn als Österreichpremiere 77<br />
<strong>Wien</strong>er Skihalle als Weltpremiere 81<br />
Gescheitertes Attentat stahl Eröffnung die Show 84<br />
Anfangs hieß es „Ladies first!“ 88<br />
Alp<strong>in</strong>es Schwergewicht aus <strong>Wien</strong> 89<br />
A Nackerte im Schwarzsee 93<br />
Eispr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> als Skikönig<strong>in</strong> 96<br />
Die erste Heim-WM schied die Geister 99<br />
E<strong>in</strong> Weichensteller aus <strong>Wien</strong> 102<br />
WM und Medaillen, die nicht zählten 107<br />
Die begehrte wilde Hilde 110<br />
Die Skifamilie e<strong>in</strong>te, was Alliierte trennten 112<br />
ÖSV: Wiedergeburt auf Raten 113<br />
Meisterschafts-Comeback mit Flutlichtpremiere 117<br />
Schon <strong>in</strong> Schruns hatte es heftig gekleckert 119<br />
Goldrausch nach Silberfrust 123<br />
Ilse Schickl auf Kleckers Spuren 125<br />
Hotspot im Eisgraben 127<br />
Als WM-Zampano zum WM-Star 130<br />
Schöne Schanzenwelt, wo bist du gelandet? 132<br />
Kohl, das kompakte Mandl 134<br />
Lizzy – mehr Pechvogel als Glückspilz 138<br />
E<strong>in</strong> Ganslernhang <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> mit Lift und Kanonen 140<br />
Maßbänder, Wasserwaagen, Probeserien 142<br />
E<strong>in</strong> Specht kommt nie alle<strong>in</strong> 149<br />
<strong>Wien</strong>s tolle sechziger Jahre 151<br />
Zeit der „betuchten“ Skik<strong>in</strong>der 155<br />
„Sie s<strong>in</strong>d geografisch gescheitert!“ 158<br />
Was wäre geworden, wenn …? 161<br />
Peter Krassel, die Sensation aus <strong>Wien</strong> 163<br />
Telegramm vom Buck<strong>in</strong>gham Palace 166<br />
Fredi Weiss: Allgegenwärtig <strong>in</strong> vielen Funktionen 169<br />
Noch e<strong>in</strong> Rohdiamant aus <strong>Wien</strong>s Verband 171<br />
Die <strong>Wien</strong>er haben’s mit Nadel, Zwirn, P<strong>in</strong>sel und Kelle 176<br />
B<strong>in</strong>der holt Städteweltcup – und Kästle aus dem Keller 183<br />
Malermeister als Weltmeister 185<br />
<strong>Wien</strong>er Weltcup aus der Not geboren 187<br />
Wagnermeister, Skierzeuger, Sponsor 191<br />
WSV-Präsident Gruber im Gespräch über Vergangenheit und Zukunft 199<br />
Städteskilauf205<br />
Chronik: Der Skilauf und <strong>Wien</strong> 209<br />
Präsidenten des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes von 1913 bis 2013 222<br />
Vere<strong>in</strong>e des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes 223<br />
Quellenh<strong>in</strong>weise230<br />
Die Autoren 231
GruSSbotschaftEn<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
<strong>Wien</strong> und der<br />
W<strong>in</strong>tersport<br />
<strong>Wien</strong> und der W<strong>in</strong>tersport haben nicht nur die ersten beiden<br />
Buchstaben geme<strong>in</strong>sam. <strong>Wien</strong> war jahrzehntelang Zentrum des<br />
Eiskunstlaufs, aus dem Weltmeister und Olympiasieger kamen.<br />
Und der Skilauf <strong>in</strong> Österreich wurde maßgeblich von <strong>Wien</strong> aus<br />
entwickelt.<br />
Der erste Skivere<strong>in</strong> auf dem Boden der k. & k. Monarchie wurde 1891 <strong>in</strong> <strong>Wien</strong><br />
gegründet. <strong>Es</strong> waren <strong>Wien</strong>er, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Schneeberg, Rax,<br />
Semmer<strong>in</strong>g und Co für den Skisport entdeckt und entwickelt haben. <strong>Es</strong> war auch e<strong>in</strong>e<br />
<strong>Wien</strong>er<strong>in</strong>, die 1928 beim ersten Arlberg-Kandahar-Rennen Abfahrt und Komb<strong>in</strong>ation gewonnen<br />
hat.<br />
1966 wurde von Bürgermeister Marek die mit Schneekanonen, Schlepplift und<br />
Flutlicht ausgestattete Hohe-Wand-Wiese eröffnet. <strong>Wien</strong> ist damit wohl e<strong>in</strong>e der wenigen<br />
Millionenmetropolen mit e<strong>in</strong>er auch für Rennen tauglichen Skipiste. So wurde dort 1986<br />
der erste Weltcup-Parallelslalom durchgeführt.<br />
<strong>Wien</strong> kann sich zwar nicht als ausgesprochenen W<strong>in</strong>tersportort bezeichnen, spielt<br />
jedoch für den W<strong>in</strong>tersport e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle. Denn die meisten W<strong>in</strong>tersportler <strong>in</strong><br />
Österreich kommen nach wie vor aus <strong>Wien</strong>. Daher unterstützt die Stadt <strong>Wien</strong> auch gerne<br />
den <strong>Wien</strong>er Skiverband und se<strong>in</strong>e rund siebzig Vere<strong>in</strong>e und gratuliert zum Jubiläum<br />
se<strong>in</strong>es hundertjährigen Bestehens.<br />
Stadt <strong>Wien</strong>/PID, Hubert Dimko<br />
Dr. Michael Häupl<br />
Bürgermeister und Landeshauptmann von <strong>Wien</strong><br />
7
GruSSbotschaften<br />
GruSSbotschaften<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
Skistadt <strong>Wien</strong><br />
Hundert Jahre im<br />
Dienst des Skisports<br />
Vor hundert Jahren haben sich acht Skivere<strong>in</strong>e aus <strong>Wien</strong> zum<br />
<strong>Wien</strong>er Skiverband (WSV) zusammengeschlossen. Mittlerweile<br />
gehören dem WSV mehr als siebzig W<strong>in</strong>tersportvere<strong>in</strong>e an und<br />
bereichern die Sportstadt <strong>Wien</strong> <strong>in</strong> ihrer Vielfalt an sportlichen<br />
Angeboten. Mit der Hohe-Wand-Wiese <strong>in</strong> Penz<strong>in</strong>g gibt es sogar e<strong>in</strong>e eigene Skipiste <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Stadtgrenzen, e<strong>in</strong>e Besonderheit für e<strong>in</strong>e Weltstadt wie <strong>Wien</strong>. Hier wurde<br />
1967 der erste Parallelslalom <strong>in</strong> der Geschichte des Skisports ausgetragen. 1986 fand<br />
e<strong>in</strong> Rennen des Alp<strong>in</strong>en Skiweltcups vor 10.000 Zuschauern statt, es war dies der erste<br />
Flutlichtslalom der Welt.<br />
Der <strong>Wien</strong>er Skiverband widmet sich aber nicht nur dem alp<strong>in</strong>en Skilauf, sondern<br />
auch dem Skispr<strong>in</strong>gen, Langlauf und Biathlon. Im Grasskilauf stellte <strong>Wien</strong> schon<br />
wiederholt Weltmeister und Weltcupsieger. Meisterschaften <strong>in</strong> alp<strong>in</strong>en oder nordischen<br />
Diszipl<strong>in</strong>en, Meisterschaften für Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskurse, Cuprennen<br />
für alle Altersklassen – für all das steht der WSV.<br />
Und auch der Nachwuchs kommt nicht zu kurz: Mit der E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es eigenen<br />
K<strong>in</strong>derreferates, dem Hobbyskiläufer-Cup und dem Kids-Cup-Bewerb kommen auch<br />
ganz junge Skifahrer<strong>in</strong>nen und Skifahrer voll auf ihre Kosten. Darum ist dieses Jubiläum<br />
für mich als Sportstadtrat e<strong>in</strong> willkommener Anlass, um dem <strong>Wien</strong>er Skiverband zu<br />
se<strong>in</strong>em 100-jährigen Bestehen zu gratulieren und mich bei allen Beteiligten herzlich für<br />
ihr Engagement zu bedanken. Ich wünsche allen Skifahrer<strong>in</strong>nen und Skifahrern sichere<br />
Abfahrten und viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Festschrift!<br />
Ludwig Schedl<br />
Hundert Jahre <strong>Wien</strong>er Skiverband heißt hundert Jahre unermüdlicher<br />
Beitrag zu Österreichs Nationalsportart Nummer<br />
e<strong>in</strong>s. In diesem Zeitraum konnte der <strong>Wien</strong>er Skiverband Erfolge<br />
sowohl im Spitzensport als auch im Breitensport erzielen. Die<br />
anhaltend hohe Mitgliederzahl legt e<strong>in</strong> beredtes Zeugnis über die ungebrochene Attraktivität<br />
und sportliche Qualität des Verbandes ab.<br />
Skifahren verb<strong>in</strong>det Menschen und baut Barrieren ab. Als Präsident<strong>in</strong> des Österreichischen<br />
Beh<strong>in</strong>dertensportverbandes ist mir die Integration und Förderung beh<strong>in</strong>derter<br />
Sportler e<strong>in</strong> Herzensanliegen, daher weiß ich den großen Beitrag des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes<br />
zur Akzeptanz des Beh<strong>in</strong>dertenskisportes umso mehr zu schätzen. Sowohl<br />
bei den paralympischen W<strong>in</strong>terspielen als auch bei Staatsmeisterschaften, Europa- und<br />
Weltmeisterschaften wurden dank der Arbeit des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes immer wieder<br />
hervorragende Platzierungen errungen, die die Leistungen der österreichischen Skiathleten<br />
mit Handicap e<strong>in</strong>drücklich untermauern.<br />
Gerade für Menschen mit Beh<strong>in</strong>derungen ist es wichtig e<strong>in</strong>e selbstbewusste Persönlichkeit<br />
zu entwickeln, physische E<strong>in</strong>schränkung anzunehmen und darauf aufbauend<br />
neue Fähigkeiten zu erarbeiten. Sport erweist sich dabei als e<strong>in</strong>e entscheidende Stütze.<br />
<strong>Es</strong> freut mich daher sehr, dass das 100-jährige Bestehen des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes<br />
und se<strong>in</strong>e Bedeutung für <strong>Wien</strong> heuer gefeiert werden kann. Den Mitgliedern des <strong>Wien</strong>er<br />
Skiverbandes sowie den Funktionären und ehrenamtlichen Mitarbeitern wünsche ich<br />
e<strong>in</strong>e weiterh<strong>in</strong> gute Zusammenarbeit und den Athleten viel Erfolg!<br />
Me<strong>in</strong>rad Hofer<br />
Christian Oxonitsch<br />
Sportstadtrat <strong>Wien</strong><br />
KommR Brigitte Jank<br />
Präsident<strong>in</strong> der Wirtschaftskammer <strong>Wien</strong><br />
Präsident<strong>in</strong> des Österreichischen Beh<strong>in</strong>dertensportverbandes<br />
8<br />
9
GruSSbotschaften<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
<strong>Wien</strong>er Skiverband<br />
als Pionier!<br />
Skisport <strong>in</strong> der Landeshauptstadt – nicht viele Metropolen dieser<br />
Welt können darauf verweisen. <strong>Wien</strong> kann es – und dies schon<br />
seit hundert Jahren auf Verbandsebene. Zu diesem Jubiläum ist dem <strong>Wien</strong>er Skiverband<br />
herzlichst zu gratulieren. Man möchte es kaum glauben, aber rund siebzig Vere<strong>in</strong>e gehören<br />
diesem Verband an. Das ist angesichts der wenigen Möglichkeiten <strong>in</strong> der unmittelbaren<br />
Umgebung wohl e<strong>in</strong>malig. Der Skilauf hat <strong>in</strong> dieser Region bereits vor mehr als<br />
hundert Jahren se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>zug gehalten. Schon 1892 hat der „1. <strong>Wien</strong>er Skivere<strong>in</strong>“ – also<br />
noch vor Verbandsgründung – die ersten Skiwettkämpfe organisiert. Der Semmer<strong>in</strong>g,<br />
Mürzzuschlag und die Rax waren beliebte Skiorte was sich auch auf die sportlichen<br />
Erfolge auswirkte. So errang die Tiroler<strong>in</strong> Inge Lantschner, die während ihres Studiums<br />
<strong>in</strong> <strong>Wien</strong> für den WSV startete, den ersten österreichischen Meistertitel für <strong>Wien</strong>. Lisbeth<br />
Polland gewann 1928 die Arlberg-Kandahar-Komb<strong>in</strong>ation. Die wahrsche<strong>in</strong>lich bekannteste<br />
und erfolgreichste Skigröße des WSV war Trude Klecker. Aber auch im nordischen<br />
Bereich gab es e<strong>in</strong>ige starke Aktive. So standen Harald Bosio und Leopold Kohl je dreimal<br />
bei Olympischen Spielen am Start.<br />
Bereits 1966 wurde auf der Hohe-Wand-Wiese die erste Kunstschneeanlage <strong>in</strong> -<br />
stalliert. E<strong>in</strong> Jahr später fand dort der erste Parallelslalom Europas statt. In den Jahren<br />
ÖSV/Erich Spiess<br />
danach standen Weltklasseathleten <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> am Start. 1986 zog auch der Weltcuptross<br />
<strong>in</strong> <strong>Wien</strong> e<strong>in</strong> – mit Marc Girardelli, Ingemar Stenmark und Co. Gewonnen hat Markus<br />
Wasmeier. <strong>Es</strong> war dies das vorläufig letzte große Ski-Event. Vorläufig – denn der Traum<br />
von e<strong>in</strong>er neuerlichen Weltcupkonkurrenz könnte durchaus realistische Züge annehmen.<br />
Der Visionär und heutige WSV-Präsident, Dr. Hermann Gruber war es, der 1992<br />
als Chef von Gösser die Kooperation mit dem ÖSV <strong>in</strong>s Leben gerufen hat. Durchaus realistisch,<br />
dass diese jahrzehntelange Zusammenarbeit und persönliche Freundschaft auch<br />
<strong>in</strong> Zukunft neue Meilenste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der traditionsreichen Geschichte des <strong>Wien</strong>er Skiverbandes<br />
schaffen wird.<br />
Der <strong>Wien</strong>er Skiverband als Pionier? E<strong>in</strong>e Realität, die die Vergangenheit bestätigt<br />
und die Zukunft hoffentlich weiter festigen kann. In diesem S<strong>in</strong>ne nochmals herzliche<br />
Gratulation zum Hunderter!<br />
Prof. Peter Schröcksnadel<br />
ÖSV-Präsident<br />
10<br />
11
PROLOG<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
Wie der Skisport<br />
nach <strong>Wien</strong> kam<br />
Wo stand die Wiege des Skisports <strong>in</strong> Österreich? In Lilienfeld, am Muckenkogel und<br />
bei Mathias Zdarsky, wo sonst? Irrtum! Aber wenn nicht dort, dann wohl am Arlberg?<br />
Mitnichten! Etwa gar <strong>in</strong> Kitzbühel, wo die sportliche Gräf<strong>in</strong> Lamberg im flatternden<br />
Rock – man hat das vergilbte alte Foto vor Augen – schon im Jahre Schnee über e<strong>in</strong>e<br />
Schanze gesprungen war? Wieder Fehlanzeige! Auch wenn’s viele nicht glauben wollen:<br />
Die Geburtsstunde des Skisports <strong>in</strong> Österreich schlug <strong>in</strong> <strong>Wien</strong>! Jawohl, <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> und im<br />
<strong>Wien</strong>erwald, auch wenn <strong>in</strong> alp<strong>in</strong>en Regionen da und dort die Stirn gerunzelt oder gar<br />
gespöttelt wird, als wär’s e<strong>in</strong> schlechter Witz!<br />
Aber es ist alles andere als e<strong>in</strong> Scherz oder e<strong>in</strong> (buchstäblich) weißer Rausch,<br />
sondern diese G’schichten aus dem <strong>Wien</strong>erwald s<strong>in</strong>d Spiegel historischer Realität. Wenn<br />
dem aber so ist, wann, bitte schön, soll das gewesen se<strong>in</strong>? Vor hundert Jahren, wie das<br />
runde Jubiläum vermuten ließe? Wieder falsch! Viel, viel früher, mehr als zwanzig Jahre<br />
früher sogar, als die Kunde von Nansen, Grönland, ewigem Eis, polarer Kälte und sagenumwobenen<br />
Schneeschuhen die Runde machte, h<strong>in</strong>ter denen sich zwar diese neuen<br />
Bretter verbargen, die dere<strong>in</strong>st die Welt erobern sollten, die damals aber hierzulande mit<br />
Schlittschuhen gleichgesetzt oder verwechselt wurden.<br />
Nur so lässt sich erklären, dass sich e<strong>in</strong> gewisser Demeter Diamantidi – griechischer<br />
Name, echter <strong>Wien</strong>er – als Präsident des <strong>Wien</strong>er Eislaufvere<strong>in</strong>s solche neuen,<br />
noch unbekannten Schneeschuhe bestellte – und nicht schlecht staunte, als es im W<strong>in</strong>ter<br />
1889 dann drei Meter lange Holzlatten per Post <strong>in</strong>s Haus schneite. Da er alles, nur<br />
ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>geweihter war, versuchte sich der gute, besser: gutgläubige Demeter mit den für<br />
Schlittschuhe gehaltenen Schneeschuhen auf dem Eis zu bewegen – e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g der Unmöglichkeit<br />
und vergebliche Liebesmüh! Und so landeten zum<strong>in</strong>dest bei Diamantidi die<br />
Bretter wieder beim Gerümpel auf dem Dachboden.<br />
Andere aber hatten mehr Durchblick und längst erkannt, dass die Schneeschuhe<br />
eigentlich ke<strong>in</strong>e Schuhe waren, sondern hölzerne Fortbewegungsmittel im Schnee,<br />
13
wie der skisport nach wien kam<br />
100 Jahre<br />
wiener Skiverband<br />
Faksimile aus dem Tagblatt:<br />
Schneeschuhlauf – e<strong>in</strong> neuer Sport<br />
als letzter Schrei<br />
Neues <strong>Wien</strong>er Tagblatt, Sonntag, 27. November 1892, Nr. 329, S.4<br />
mit denen sie im wahrsten S<strong>in</strong>n des Wortes im W<strong>in</strong>ter im Walde und auf verschneiten<br />
Wiesen auf dem Laufenden se<strong>in</strong> konnten. Jene, die sich <strong>in</strong> diesem neuen Metier schon<br />
versucht hatten, schlossen sich am 31. Oktober 1891 zusammen, um – nach Münchner<br />
Vorbild – e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> zu gründen. Aber kaum ward der „Erste <strong>Wien</strong>er Skiclub“ geboren<br />
– übrigens der erste auf dem Boden der k. und k. Monarchie –, schon verloren sich<br />
se<strong>in</strong>e Spuren. Nirgends e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis, was mit ihm oder aus se<strong>in</strong>en Gründungsmitgliedern<br />
geschehen war. Sie sche<strong>in</strong>en wie vom Erdboden verschluckt, oder besser: unterm Schnee<br />
begraben.<br />
Der Ski- oder Schneeschuhlauf aber tauchte nichtsdestotrotz immer öfter auch <strong>in</strong><br />
Zeitungsartikeln auf, die sich damit beschäftigten. Wie <strong>in</strong> der Allgeme<strong>in</strong>en Sport-Zeitung<br />
des legendären Journalisten Victor Silberer, <strong>in</strong> der am 21. Februar 1892 die folgenden<br />
mehr als launigen Zeilen zu lesen waren:<br />
Am nächsten Tage wurde um 10 Uhr vormittags bei acht Grad Kälte und wunderbarem<br />
Wetter aufgebrochen und nach 1 ½ Stunden Maria-Schutz erreicht. Jetzt <strong>begann</strong><br />
erst das eigentliche Vergnügen, nämlich das Bergabsausen, denn e<strong>in</strong> Laufen<br />
kann man es nicht mehr nennen; das zu beschreiben, den Genuss zu schildern,<br />
den man empf<strong>in</strong>det, mit der Schnelligkeit e<strong>in</strong>er Law<strong>in</strong>e den Berg h<strong>in</strong>abzufliegen,<br />
vermag die Feder nicht, das muss erlebt werden […] Dass es selbstverständlich<br />
nicht an komischen Zwischenfällen mangelte, ist begreiflich, wenn man weiß, dass<br />
man sich bei e<strong>in</strong>er Fahrt mit so rasender Geschw<strong>in</strong>digkeit nicht anders aufzuhalten<br />
vermag, als <strong>in</strong>dem man sich <strong>in</strong> den Schnee wirft.<br />
E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Indiz, dass der Schneeschuh zwar vom hohen Norden kam, <strong>in</strong> unseren<br />
bergigen Regionen aber der Alp<strong>in</strong>skilauf zwangsläufig über kurz oder lang <strong>in</strong> der Überholspur<br />
landen musste. Alles e<strong>in</strong>e Frage<br />
der Zeit. Vorerst aber beschnupperte vor<br />
allem <strong>Wien</strong>s Hautevolee den neuen Mode-<br />
W<strong>in</strong>tersport.<br />
Angesichts der betuchten Trendsetter<br />
war es denn auch ke<strong>in</strong> Wunder, dass<br />
wenige Monate später, genauer gesagt am<br />
26. November 1892 nicht etwa e<strong>in</strong> uriger<br />
Bergfex die Weichen für den „Ersten Österreichischen<br />
Skivere<strong>in</strong>“ stellen sollte, sondern<br />
e<strong>in</strong> Adeliger. E<strong>in</strong> hochbetagter, sport<strong>in</strong>teressierter,<br />
naturverbundener, aber<br />
auch bürokratisch versierter neunzigjähriger Baron teutonischer Herkunft, Freiherr Wilhelm<br />
von Wangenheim, führte den Vorsitz e<strong>in</strong>er Versammlung <strong>in</strong> der Landwirtschaftskammer,<br />
die sich (siehe Faksimile Neues <strong>Wien</strong>er Tagblatt, 27. November 1892) mit der<br />
wachsenden Begeisterung für den Schneeschuhlauf und dessen sportlich <strong>in</strong>teressante<br />
wie verkehrstechnisch wichtige Rolle beschäftigte.<br />
Nicht nur dabei, sondern mittendr<strong>in</strong> <strong>in</strong> der honorigen bis noblen Versammlung<br />
als Informanten und Ratgeber waren auch zwei Norweger, der Baron Bedal von der<br />
Gesandtschaft, und der Bäckerlehrl<strong>in</strong>g mit dem schönen Namen Bismarck-Samson aus<br />
Christiania, dem heutigen Oslo. Sie machten den <strong>Wien</strong>ern den Mund wässrig mit ihren<br />
Ausführungen über den Skilauf, der hoch oben im Norden Europas schon seit langem <strong>in</strong><br />
vollster Blüte stünde, als Sportgerät wie als Verkehrsmittel, um im verschneiten W<strong>in</strong>ter<br />
von A nach B zu gelangen. Die Gesellschaft hörte sich zwar alles offenen Ohrs (und auch<br />
Mundes) an, kam aber trotzdem auf ke<strong>in</strong>en grünen Zweig.<br />
14 15
wie der skisport nach wien kam<br />
Postwirt aus Mürzzuschlag als Pionier<br />
des Skilaufs: Toni Schruf (rechts, mit<br />
e<strong>in</strong>em Zeitgenossen) folgte den Spuren<br />
se<strong>in</strong>es Idols Nansen.<br />
Sonderzug zum<br />
Skiwettlauf<br />
In Mürzzuschlag versammelte sich e<strong>in</strong>e noble Schar<br />
Schaulustiger bei der Mitteleuropapremiere.<br />
Josef Metzger<br />
<strong>Wien</strong> war eben schon damals anders oder, wie<br />
es Josef We<strong>in</strong>heber so treffend beschreiben sollte:<br />
„War net <strong>Wien</strong>, wenn net durt, wo ka Gfrett<br />
is, ans wurdt.“ Der langen Rede kurzer S<strong>in</strong>n: Die<br />
p.t. Gesellschaft konnte sich trotz von höchster Stelle schon bewilligter Statuten noch<br />
nicht auf e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>sgründung e<strong>in</strong>igen, weshalb der hochwohlgeborene Baron etwas tat,<br />
was als probates Mittel für aufgeschobene Entscheidungen auch heutzutage am liebsten<br />
verwendet wird – er setzte e<strong>in</strong>e Kommission von Paragraphenrittern e<strong>in</strong>, die bis zur<br />
nächsten Versammlung alles noch e<strong>in</strong>mal überarbeiten sollte.<br />
Zwei Monate später, am 26. Jänner 1893, war es schlussendlich dann so weit. Im<br />
Hotel „Kaiser<strong>in</strong> Elisabeth“ wurde der „Erste Österreichische Skivere<strong>in</strong>“ nach schweren<br />
Geburtswehen doch noch aus der Taufe gehoben. Gleich mit zwei Präsidenten, von denen<br />
e<strong>in</strong>er, der Tradition folgend, der Monarchie gehorchend, se<strong>in</strong>e Durchlaucht Fürst von<br />
W<strong>in</strong>dischgraetz war, der andere e<strong>in</strong> Bürgerlicher, Emanuel Bratmann, der aber zum Geldadel<br />
gehörte und e<strong>in</strong>en Batzen se<strong>in</strong>es Privatvermögens <strong>in</strong> den Skisport steckte – mehr<br />
Mäzen als Sponsor, aber ganz sicher e<strong>in</strong> Pionier auf diesem Gebiet.<br />
Ehe es wirklich ernst wurde mit sportlichen Wettkämpfen <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> und Umgebung,<br />
veranstaltete der neue Skivere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Schaulaufen vor geladenen Gästen. Wo? Auf der<br />
Michaelerwiese im Schlosspark Pötzle<strong>in</strong>sdorf! Und wer stand im Mittelpunkt? Bismarck-<br />
Samson, der uns schon bekannte <strong>Wien</strong>er aus Norwegen, gelernter Bäcker und geübter<br />
Skisportler, der mit Sprüngen bis zu zwölf Metern auf e<strong>in</strong>er improvisierten Schanze erst<br />
Raunen und Staunen, dann Begeisterungsstürme auslöste. Blaues Blut, fe<strong>in</strong>e Herrschaft,<br />
hohe Militärs – nicht nur, aber vor allem die Beletage stand im damaligen F<strong>in</strong> de Siècle<br />
im Banne des Schneeschuh- bzw. Skisports.<br />
Josef Metzger<br />
In Anbetracht der Tatsache, dass der Skisport anfangs vor allem die Betuchten begeistern<br />
konnte, war es nicht weiter verwunderlich, dass zum ersten Skiwettlauf Mitteleuropas<br />
am 2. Februar 1893 <strong>in</strong> Mürzzuschlag vom <strong>Wien</strong>er Südbahnhof e<strong>in</strong> Sonderzug abdampfte,<br />
gefüllt mit noblen Schaulustigen, zu denen sich beim Rennen auf e<strong>in</strong>er sechshundert Meter<br />
langen, zehn Grad geneigten Strecke dann jede Menge an steirischen Gräf<strong>in</strong>nen (wie<br />
Meran, Chor<strong>in</strong>sky, Pallavic<strong>in</strong>i) und Grafen (wie Seilern, Stubenberg, Collalto, Ors<strong>in</strong>i-<br />
Rosenberg), Frei- und Jagdherren (wie Mayr-Melnhof) gesellte, um diese <strong>in</strong>ternationale<br />
Premiere zu feiern – notabene e<strong>in</strong>e ganz<br />
besondere, fast schon sensationelle, weil<br />
auch fünf Frauen mit am Start waren.<br />
Und wer von den zwanzig Mutigen<br />
hat gewonnen und mit e<strong>in</strong>igen Sechs-<br />
Meter-Sprüngen über e<strong>in</strong>en verschneiten<br />
Misthaufen allen die Show gestohlen?<br />
„Unser <strong>Wien</strong>er“ Bismarck-Samson! Vielleicht<br />
auch, weil er zwei Stöcke bei der<br />
Hand hatte, der von ihm besiegte Postwirt<br />
und Lokalmatador Toni Schruf aber<br />
gar ke<strong>in</strong>en. Bei Schruf handelte es sich –<br />
Wilhelm Bismarck-Samson aus Oslo<br />
(Mitte), der <strong>in</strong> <strong>Wien</strong> als Bäcker werkte,<br />
war der erste „Gigant“ des Skilaufs im<br />
Osten. L<strong>in</strong>ks im Bild Herr Reichsetzer,<br />
rechts Baron Wedl.<br />
16 17