Bayreuth - E-Paper - Fränkische Zeitung

7.August 2013 Nr. 32 Seite 13
Fränkische Zeitung
Leben in Franken
Haare –ein Stück Lebensqualität
Bayreuth - Die meisten
Menschen sind überzeugt:
„Mir passiert das nicht!“ –
Wenn der Arzt dann doch
sagt „Sie haben Krebs ...“,
sind sie geschockt. Jedes
Jahr erkranken in Deutschland
490.000 Menschen
neuanKrebs.
Udo Nußmann kennt die
Achterbahnfahrt der Gefühle,
die die Diagnose
auslösen kann. Bei ihm
weinen sich Frauen aus,
die wegen der Chemotherapie
ihre Haare verlieren.
Wie sich Friseur Udo Nußmann für krebskranke Frauen engagiert
Rund 300 Krebspatientinnen
aus ganz Franken versorgt
der Bayreuther Friseur
im Jahr mit einer Perücke
–und gibt ihnen damit
ein Stück Lebensqualität
wieder.
Der Verlust der Haare wiegt
besonders schwer, weil
„das alle Leute sehen können“,
sagt Nußmann. Die
Haare sind der „Rahmen
des Gesichts“. Für viele
Frauen ist die Frisur „Ausdruck
ihrer Weiblichkeit“,
weiß der Haar-Fachmann.
Wie werden
Haarteile
in
Thailand
angefertigt?
Linde
Nußmann
legte
selbst
Hand an.
Foto: privat
Für ihn ist die Perücke eine
Chance, die Folgen der
Krebstherapie leichter zu
ertragen: „Wir versuchen,
die Frauen psychisch aufzufangen.“
In Nußmanns Friseursalon
in der Bahnhofstraße in
Bayreuth werden Krebspatientinnen
in einen eigenen
Raum geführt, in dem sie
unbeobachtet von anderen
Kunden Perücken ausprobieren
können. Die Regale
dort enthalten Dutzende
Zweitfrisuren mit Locken,
mit glattem Haar, blond,
braun und schwarz, kurz
und lang –hat sich die Kundin
für ein Modell entschieden,
wird es individuell angepasst.
„Eine Perücke erkennt
man nur dann als
solche, wenn die Qualität
nicht stimmt oder wenn die
Kundin sie nicht richtig
pflegt,“ sagt Udo Nußmann.
Weil ihm Qualität so wichtig
ist, hat er zusammen mit
seiner Ehefrau Linde eine
Reise nach Thailand gemacht,
um sich vor Ort über
die Arbeitsbedingungen in
den Perückenfabriken zu
informieren.
Woher kommt die Motivation,
krebskranken Frauen
zu helfen? Seit 1989 ist
Udo Nußmann in dem Salon
tätig, den sein Vater damals
führte. Die Krebserkrankung
einer Freundin
war das Schlüsselerlebnis:
Das Ehepaar Nußmann beschäftigt
sich seither mit
der Krankheit, arbeitet mit
dem Verein Senocura und
der Bayerischen Krebsstiftung
zusammen, führt
Kosmetikseminare für die
Krebshilfeorgansation
DKMS life in Kliniken durch
und berät Kundinnen im
Umgang mit den Krankenkassen.
Bei dem Thema Krankenkasse
wird Udo Nußmann
laut, spricht von einer „sozialen
Sauerei“: „Die Chemotherapie
kostet die
Kasse zirka 60.000 Euro.
Die Regale
im Salon
Nußmann
sind
voll mit
Perücken
aller Art.
Die Chefin
passt ihren
Kundinnen
die
Zweitfrisur
individuell
an.
Foto:
Heimbeck
Die 400 Euro für eine vernünftige
Perücke sind aber
nicht drin“, schildert er ein
Problem, das kranken
Frauen das Leben zusätzlichschwermacht.
Gewöhnlich verbindet man
den Friseurberuf mit Mode,
Lebensart und Fröhlichkeit.
Das bekommen Frauen
bei Nußmann. Und zusätzlich
das: „Viele Patientinnen
betrete den Laden
mit hängendem Kopf.
Wenn sie mit einem Lächeln
gehen, haben wir unsereArbeitgutgemacht.“
NorbertHeimbeck
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