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Eignung von öffentlichen Wäldern in Hessen für ein ... - Greenpeace

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1.1 Zur Bedeutung großer nutzungsfreier Waldgebiete<br />

<strong>für</strong> den Natur- und Klimaschutz<br />

Die Notwendigkeit, große Waldschutzgebiete auszuweisen, <strong>in</strong> denen sich die natürlichen<br />

Prozessabläufe ohne menschlichen E<strong>in</strong>fluss entfalten können, wird <strong>von</strong> forstwirtschaftlichen<br />

Interessengruppen und -verbänden massiv <strong>in</strong>frage gestellt. Als Gegenmodell wird e<strong>in</strong> nutzungsfreundliches<br />

Waldbewirtschaftungskonzept propagiert, das fast ausschließlich auf <strong>in</strong>tegrative<br />

Schutzelemente ausgerichtet ist und etwaige segregative Maßnahmen, d. h. die separate<br />

Ausweisung nutzungsfreier Waldbestände auf e<strong>in</strong>zelne kle<strong>in</strong>flächige Elemente (z. B. Kernflächen<br />

bzw. Altholz<strong>in</strong>seln, die eigentlich Bestandteil der <strong>in</strong>tegrativen Forstwirtschaft se<strong>in</strong><br />

sollten) beschränkt (siehe auch Kap. 3.4). E<strong>in</strong> solches Konzept firmiert unter dem Begriff<br />

„Hotspots“-Strategie (siehe MEYER et al. 2009). Das dieser Strategie zugrunde liegende Konzept<br />

entwickelte der britischen Ökologe Norman Myers ursprünglich <strong>für</strong> artenreiche Regenwaldregionen<br />

<strong>in</strong> den Tropen. Danach soll mit e<strong>in</strong>em möglichst ger<strong>in</strong>gen räumlichen (und f<strong>in</strong>anziellen)<br />

Aufwand e<strong>in</strong>e maximale Anzahl <strong>von</strong> Arten geschützt werden. In mitteleuropäischen<br />

<strong>Wäldern</strong> ist e<strong>in</strong>e relative Artenvielfalt vor allem <strong>in</strong> den Alters- und Zerfallsphasen <strong>von</strong> Laubwäldern<br />

sowie auf Sonder- und Extremstandorten zu erwarten. Daher zielt das Konzept auf<br />

e<strong>in</strong>e Auswahl und Sicherung vornehmlich solcher Phasen bzw. Waldstandorte ab. Faktisch s<strong>in</strong>d<br />

aber vor allem alte reife, im Zerfall bef<strong>in</strong>dliche Bestände im normalen Wirtschaftswald außerhalb<br />

<strong>von</strong> Schutzgebieten nicht mehr vorhanden. Diese Strategie ignoriert die schon seit Längerem<br />

aus der Insel-Biogeografie und der Arten-Areal-Relation abgeleiteten Erkenntnisse, die<br />

deutlich die Notwendigkeit großer, unzerschnittener Schutzgebiete belegen. Sie ist auf der Fläche<br />

der Bewirtschaftung nur komplementär zu den großen Schlüsselgebieten zu sehen.<br />

Großflächig unzerschnittene und ungestörte Gebiete stellen gerade <strong>in</strong> dicht besiedelten Landschaften<br />

e<strong>in</strong>e besondere Qualität dar. Solche Gebiete, vor allem Waldgebiete, bilden wichtige<br />

Rückzugs- und Ausbreitungszentren <strong>für</strong> waldspezifische (<strong>in</strong>sbesondere auch seltene, stenotope)<br />

Arten und s<strong>in</strong>d deshalb als Schlüsselgebiete e<strong>in</strong>es überregionalen Biotopverbundsystems<br />

unverzichtbar. Zudem ist die waldspezifische komplette Artenvielfalt vom Vorhandense<strong>in</strong> totholzreicher<br />

Alters- und Zerfallsphasen abhängig, die sich <strong>in</strong> ihren typischen Raum-Zeit-<br />

Bezügen nur auf großen nutzungsfreien Flächen außerhalb bewirtschafteter Wälder entwickeln<br />

können. Untersuchungen zeigen, dass z. B. die Vielfalt <strong>von</strong> Holzkäferarten bei erhöhtem<br />

Totholzangebot signifikant ansteigt und sich erst ab e<strong>in</strong>em Totholzanteil <strong>von</strong> deutlich über<br />

30 m 3 pro Hektar <strong>in</strong> Alters- und Zerfallsphasen überlebensfähige Totholzartengeme<strong>in</strong>schaften<br />

herausbilden (MÜLLER, BUßLER & UTSCHICK 2007, MÜLLER & LEIBL 2011). Spezialisten<br />

unter den holzbewohnenden Käferarten, wie der Eremitenkäfer oder der Veilchenblaue Wurzelhals-Schnellkäfer,<br />

benötigen weitaus höhere Totholzvorräte (> 100 m 3 /ha). Derartige Mengen,<br />

die zudem unterschiedliche, gleichzeitig vorhandene Zersetzungsstadien und e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />

räumliche Verteilung aufweisen müssen, entstehen nur unter natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen auf<br />

größerer Fläche.<br />

E<strong>in</strong> ausschließlich <strong>in</strong>tegrativer Ansatz („Hotspots“-Konzept), wie er auch <strong>von</strong> <strong>Hessen</strong>-Forst mit<br />

dem Kernflächenkonzept verfolgt wird, ist bei gleichzeitiger Intensivierung der Holznutzung<br />

auf der verbleibenden Wirtschaftswaldfläche nicht geeignet, den Schutz <strong>von</strong> Waldlebensgeme<strong>in</strong>schaften<br />

<strong>in</strong> ihrer gesamten, typischen Vielfalt dauerhaft zu sichern. Alle<strong>in</strong> das Totholzangebot,<br />

das <strong>für</strong> e<strong>in</strong> dauerhaftes Überleben anspruchsvoller Arten notwendig wäre, ist <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>tensiv genutzten Wirtschaftswäldern nicht realisierbar. Somit entscheidet das Kriterium<br />

Flächengröße über die Umweltkapazitäten <strong>von</strong> Schutzflächen, d. h. über die Artenvielfalt sowie

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