das argument - Berliner Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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616 Berprechungen<br />
Tomaszewski, Tadeusz: T ä t i g ke i tun d Be w u ß t sei n. Beiträge zur Einführung<br />
in die polnische Tätigkeitspsychologie. Beltz-Verlag, Weinheim und Basel 197H<br />
(140 S, br., 18,- DM)<br />
In einer Sammlung von sechs Aufsätzen wird ein guter Einblick gegeben in die auf<br />
materialistischer Grundlage entwickelte polnische Psychologie, die ihren Gegenstand<br />
bestimmt als "Wissenschaft von den menschlichen Tätigkeiten und vom Menschen als<br />
deren Subjekt.« (25) Unterschieden werden drei Teiltheorien: die Situations-. die<br />
Persönlichkeits- und die Tätigkeitstheorie . Letztere wird als Regulationstheorie verstanden,<br />
deren Basis ist, »daß der Mensch seine Beziehungen mit der physischen und sozialen<br />
Umwelt regulieren muß und daß von den Ergebnissen dieser Regulation <strong>das</strong> Überleben,<br />
<strong>das</strong> richtige Funktionieren und die Entwicklung des menschlichen Individuums<br />
abhängen.« (8) Gegenüber den tierischen Organismen. deren Verhalten im wesentlichen<br />
reaktiv ist, zeichnet sich die menschliche Tätigkeit durch ihren gerichteten Verlauf<br />
aus, "der auf <strong>das</strong> Erreichen eines bestimmten (antizipierten) Endzustandes hm tendiert.«<br />
(63) Tomaszewski zerlegt <strong>das</strong> menschliche Zielverhalten zunächst in seine einzelnen<br />
Teiloperationen und gelangt von dort zur Analyse der an der Tätigkeif beteiligten<br />
Subsysteme des menschlichen Organismus': "<strong>das</strong> Orientierungssystem, <strong>das</strong> Informationen<br />
aufnimmt, <strong>das</strong> zentrale System. <strong>das</strong> die Informationen in Aufgaben, Modelle, Pläne<br />
und Entscheidungen umformt. und <strong>das</strong> Ausführungssystem« (74). Dementsprechend<br />
sieht er die Regulationsmechanismen der Tätigkeit in bestimmten Reizen, denen<br />
der Mensch unterworfen ist, im Vorhandensein einer entsprechenden Energie (Motivation)<br />
und in der Decodierung empfangener Reize auf dem Hintergrund eines onentierend-programmierenden<br />
Systems. Zu letztcrem gehören <strong>das</strong> erworbene Wissen. ),<strong>das</strong><br />
System der Ansichten und Meinungen, <strong>das</strong> Weltbild. die Selbsteinschätzung. auch <strong>das</strong><br />
System der Pläne und Programme, Handlungsmethoden. Strategien usw.« (83). Diese<br />
innere Organisation, die dem Verhalten eine gewisse Autonomie gegenüber den eintreffenden<br />
Reizen verschafft und ihm gleichzeitig den gerichteten Verlauf verleiht. bezeichnet<br />
er als "Persönlichkeit« (19). Im Bereich der Persönlichkeitspsychologie scheint<br />
mir eines der fruchtbarsten Forschungsfelder der polnischen Tätigkeitspsychologie zu<br />
liegen. Tomaszewski versucht von seinem Ansatz aus, Ergebl1lsse der traditionellen Psychologie<br />
kritisch zu interpretieren und zeigt. wie bspw. von der Lewinsehen Feldthmric<br />
oder vom Behaviorismus erforschte Zusammenhänge als zwar nicht wesentliche, doch<br />
modifizierende Bedingungen menschlichen Handeins integrierbar werden.<br />
Dagegen scheint mir die Regulationstheorie noch stark in der Denkfigur des traditionellen<br />
S-R-Schemas verhaftet: nach wie vor steht der Empfang diffuser Reize am<br />
Anfangs-, die Reaktion darauf am Endpunkt der Tätigkeit. Zwar wird menschliches<br />
Verhalten als verändernd und zielgerichtet angesehen. doch ist es nicht der Mensch<br />
selbst. der die Ziele des Handeins setzt. Deutlich wird dies vor allem in der Frage der<br />
Handlungsmotivation. wo Tomaszewski von einem reaktiven Bedürfnisbegriff ausgeht.<br />
Der Mensch wird hier nicht im Wissen um seine Bedürftigkeit vorsorgend tätig; erst die<br />
Störung des Gleichgewichts zwischen Umwelt und Organismus ruft »einen aktiven Zustand<br />
hervor. ein Bestreben, den Gleichgewichtszustand wiederherzustellen. Die Prozesse<br />
der Wiederherstellung des immer aufs neue gestörten Gleichgewichts nennen wir<br />
Regulationsprozesse« (53).<br />
Auch in der Situationstheorie scheint mir <strong>das</strong> genannte theoretische Defizit identifizierbar.<br />
Die Situation wird bestimmt als System der wechselseitigen Beziehungen des<br />
Menschen »mit anderen Elementen seiner Umwelt zu einem bestimmten Zeitpunkt«<br />
(31). Zwar wird der Mensch als Subjekt der Situation begriffen, sein Verhallen in dieser<br />
als jeweils zielbewußte Lösung einer bestimmten Aufgabe, doch es bleibt ungeklärt,<br />
woher die Aufgabe entspringt. Dieses Problem ist vom Ausgangspunkt Tomaszewskis<br />
aus. der Analyse der z'ndz't'lduef/en Tätigkeit, allerdings auch nicht zu lösen. Über die<br />
DAS ARGUMENT 122/1980 ~