Gerhard Hof - Evangelische Pfarrgemeinde Innsbruck Christuskirche
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WEIHNACHTSGESCHICHTE<br />
Seite 5<br />
Wie der Christbaum nach Österreich kam<br />
Vor genau 190 Jahren, am Weihnachtsabend<br />
anno 1816 war es, dass in Österreich<br />
der erste Christbaum im Lichterglanz<br />
erstrahlte. Es ist demnach noch gar<br />
nicht lange her, seit der schöne und erhabene<br />
Brauch, am Heiligen Abend einen<br />
Nadelbaum mit brennenden Kerzen,<br />
bunten Papierschlangen und allerlei<br />
Backwerk zu schmücken, auch in unserem<br />
Land seinen Einzug gehalten hat.<br />
Verwundert sinnen wir, die wir uns das<br />
schönste und innigste Fest des<br />
Jahres nicht mehr ohne den Duft<br />
und den Zauber des Lichterbaumes<br />
vorstellen können, darüber<br />
nach, wie all die endlos vielen<br />
Weihnachtsfeste unserer Ahnen<br />
ausgesehen haben mögen, von<br />
denen wir nur wissen, daß die<br />
Christmette ihren eigentlichen<br />
und einzigen Mittelpunkt bildete.<br />
Auch die freundliche Sitte, einander<br />
zu beschenken, war damals<br />
noch nicht lebendig, nur<br />
der Nikolaus brachte den Kindern<br />
ein paar Wochen vor dem<br />
Heiligen Abend allerlei Süßigkeiten, denen<br />
meist der Krampus eine Rute beifügte.<br />
Eine junge deutsche Prinzessin, Henriette<br />
von Nassau-Weilburg war es, die den<br />
in ihrer mitteldeutschen protestantischen<br />
Heimat schon lange gepflegten Brauch<br />
der Weihnachtsbescherung und des<br />
Christbaumes nach Wien trug, wo sie als<br />
Gemahlin des österreichischen Erzherzogs<br />
Karl, Siegers in der Schlacht bei<br />
Aspern über Napoleon, zunächst ein<br />
Bürgerhaus in der Inneren Stadt bewohnte.<br />
Obwohl die Wiener schnell Gefallen<br />
an der bezaubernden, schönen<br />
Frau fanden, und ihr Gatte sie zärtlich<br />
liebte, litt die junge Erzherzogin heftig an<br />
Heimweh. Und diesem Heimweh ist es zu<br />
verdanken, daß im Jahre 1816 im Hause<br />
Ecke Annagasse 20 und Seilerstätte 30<br />
erstmals an einer schlanken, geschmückten<br />
Tanne Kerzen entzündet<br />
wurden, bis der Baum in seiner ganzen<br />
Pracht und Herrlichkeit erstrahlte. Erzherzog<br />
Karl hatte nichts dagegen, daß<br />
seine Gattin den schönen Brauch aus<br />
ihrer Kinderzeit weiterpflegte, im<br />
Gegenteil, er zeigte sich selbst sehr angetan<br />
davon, und sogar der Kaiser, der<br />
als Gast im Hause des jungen Paares<br />
weilte, fand großen Gefallen an der<br />
weihnachtlichen Sitte.<br />
Da die bunten Lichter, der glitzernde<br />
Flitterkram, die vergoldeten Nüsse, die<br />
schillernden Papierschlangen und das<br />
süße Zuckerzeug damals in Wien noch<br />
nicht zu haben waren, musste sich Erzherzogin<br />
Henriette den Schmuck für ihren<br />
Tannenbaum aus ihrer Heimat Hessen<br />
schicken lassen, wo man, wie in<br />
ganz Mitteldeutschland, im Schwarzwald<br />
und auch in Norddeutschland den<br />
Christbaum schon lange kannte und<br />
pflegte.<br />
Manche Wiener konnten von der Straße<br />
aus den erleuchteten und geschmückten<br />
Baum im Hause des Erzherzogs<br />
erblicken, und es sprach sich<br />
schnell herum, auf welch seltsame,<br />
doch hübsche Art seine Gemahlin das<br />
Weihnachtsfest zu feiern verstand.<br />
Schon im nächsten Jahr wurde ihr Beispiel<br />
in mehreren Adelsfamilien nachgeahmt,<br />
Künstler- und Bürgerfamilien<br />
übernahmen den Brauch, der sich<br />
rasch verbreitete.<br />
Die erste Beschreibung eines Christbaumes<br />
finden wir in den Erinnerungen<br />
des bekannten Malers Rudolf von Alt,<br />
der vom Weihnachtsabend 1817 in<br />
seinem Elternhaus erzählt:<br />
"Mein Vater brachte in diesem Jahre<br />
zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum<br />
nach Hause. Anno 1817 kannte<br />
man in Wien diese wonnesame, traute,<br />
erhebende, erhabene Einrichtung<br />
noch nicht. Hier war er ganz fremd,<br />
der herrliche Baum, hier hatte man<br />
seinen goldigen Schimmer noch nicht<br />
kennen und lieben gelernt. Auch wenn<br />
ich noch so alt werde, nie werde<br />
ich, nie, diesen ersten,<br />
fremden Weihnachtsbaum<br />
vergessen. Plastisch und gravitätisch,<br />
milde und bezaubernd<br />
steht er noch heute vor<br />
mir, wenn ich mich in jene Zeit<br />
zurückträume. Ich sehe ihn,<br />
sehe auch mich, den dummen,<br />
fünf jährigen Buben, der<br />
wahre Freudentänze um dieses<br />
neue und doch so sympathische<br />
Bäumchen aufführte,<br />
der sich nicht zugute geben<br />
konnte über den Glanz, über<br />
den Flitter, über all die niedlichen<br />
Spielereien. Und wie bezaubernd<br />
winkten und blickten die lieblichen<br />
Lichtlein! Wie warfen sie ihren Schein<br />
hinein in mein junges, aufnahmefähiges<br />
Herz, wie bewegten sie mich … !"<br />
Erzherzogin Henriette erlebte den Siegeszug<br />
der von ihr nach Österreich<br />
getragenen Sitte nicht mehr. In jungen<br />
Jahren starb sie, nachdem sie zuvor<br />
noch allerlei Weihnachtsgaben für ihre<br />
Kinder besorgt hatte, kurz vor dem<br />
Heiligen Abend, an einer heimtückischen<br />
Krankheit, an Scharlach. Doch<br />
der frühe, tragische Tod dieser jungen,<br />
liebenswerten Frau konnte nicht<br />
mehr verhindern, daß der Christbaum,<br />
den wir Österreicher ihr verdanken, in<br />
Stadt und Land zum Mittelpunkt des<br />
Weihnachtsfestes wurde und sich<br />
nach und nach die Herzen aller Kinder<br />
- und auch aller Erwachsener - im<br />
Sturm eroberte.<br />
Veronika Handlgruber-Rothmayet