Mai Juni - Internationaler Bodensee-Club eV
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Foto: Ilja Mess<br />
Jude<br />
Der<br />
von<br />
Konstanz<br />
PREMIERE 7. JUNI 2013 – VON WILHELM VON SCHOLZ – REGIE STEFAN OTTENI<br />
WWW.THEATERKONSTANZ.DE<br />
Das Stadttheater Konstanz hat das Stück in seinen Spielplan<br />
genommen. Stefan Otteni, der an diesem Haus bereits<br />
„Romeo und Julia“ inszenierte führt Regie. Ein Gespräch<br />
mit ihm:<br />
Herr Otteni, es geht genau genommen um zwei Ebenen:<br />
Einmal um das Buch, das Stück, und zum anderen um<br />
den Autor mit seiner problemgeladenen Geschichte. Was<br />
hat Sie an diesem Stoff gereizt?<br />
Ich versuche bei jedem Stück, den speziellen Ort mit -<br />
zudenken, in dem ich inszeniere. Beim „Juden von Konstanz“<br />
war es so, dass das Haus mich auf das Stück<br />
aufmerksam gemacht hat: Sie wollten diesen Stoff in seiner<br />
Stadt theatralisch aufbereiten, das aber nur mit einem<br />
Regisseur, der mit diesem speziellen Text etwas anfangen<br />
kann. Ich habe also das Stück gelesen und war in doppelter<br />
Hinsicht erstaunt. Erstens darüber, dass es nicht<br />
antisemitisch ist, im Gegenteil: Marlows „Der Jude von<br />
Malta“ oder Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ sind<br />
viel tendenziöser geschrieben, und gehören dennoch zum<br />
Repertoire der europäischen Theater. Die zweite Überraschung<br />
war, dass man dieses Stück hervorragend nutzen<br />
kann zur Diskussion darüber, wie die deutsche Gesellschaft<br />
mit dem Fremden umgeht oder mit dem, was ihr<br />
fremd ist. Aus diesem Grund ist es hilfreich, dass der<br />
Text das Verhältnis Juden-Christen in einen größeren historischen<br />
Rahmen spannt. Dadurch ist eine Öffnung der<br />
Diskussion bis ins Heute möglich. Bemerkenswert ist dabei<br />
übrigens - wenn man die historischen Dokumente<br />
dann kennt - wie genau von Scholz recherchiert hat. Man<br />
kann sich, was die Fakten über die Verfolgung der Juden<br />
im Mittelalter angeht, sehr auf ihn verlassen. Natürlich<br />
muss man bei diesem Schriftsteller den Holocaust trotzdem<br />
immer mitdenken, schließlich hat er das Stück während<br />
Hitlers Herrschaft selbst neu interpretiert. So stellt<br />
sich für einen Regisseur wie mich beim Recherchieren<br />
zuerst die Frage: Wie weit war von Scholz ein Nazi? Kann<br />
man das Werk von der Person trennen – muss man es<br />
sogar, um damit künstlerisch umgehen zu können? Es<br />
ist im Jahr 1905 geschrieben, also weit bevor der Autor<br />
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