Fachgebundene Psychotherapie in der ... - Dr. med. Iris Veit
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36<br />
Herrmann, <strong>Veit</strong>:<br />
<strong>Fachgebundene</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong><strong>med</strong>iz<strong>in</strong><br />
Specialty-Related Psychotherapy <strong>in</strong> Primary Care<br />
Theorie<br />
Praxis<br />
Bal<strong>in</strong>tgruppen<br />
Autogenes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Supervision<br />
Selbsterfahrung<br />
Tabelle 2 Übersicht Musterweiterbildung Zusatzweiterbildung <strong>Psychotherapie</strong> (alt) und <strong>Fachgebundene</strong><br />
<strong>Psychotherapie</strong> (neu)<br />
Zusatzweiterbildung<br />
<strong>Psychotherapie</strong> (alt)<br />
140 Theoriestunden<br />
e<strong>in</strong>jährige Psychiatrie-Zeit o<strong>der</strong><br />
Psychiatriekurs<br />
30 Doppelstunden<br />
16 Doppelstunden autogenes<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g o<strong>der</strong> progressive Muskelentspannung<br />
o<strong>der</strong> Hypnose<br />
3 Fälle à 50 Stunden unter Supervisor<br />
nach je<strong>der</strong> 4. Sitzung<br />
150 E<strong>in</strong>zelselbsterfahrung o<strong>der</strong><br />
70 Doppeltstunden Gruppenselbsterfahrung<br />
<strong>Fachgebundene</strong><br />
<strong>Psychotherapie</strong> (neu)<br />
120 Theoriestunden, davon 30<br />
dem jeweiligen Fachgebiet zugeordnet<br />
(Anrechnung von 20<br />
Stunden Theorie <strong>der</strong> Psychosomatischen<br />
Grundversorgung<br />
möglich)<br />
10 dokumentierte und supervidierte<br />
Erstuntersuchungen<br />
15 Doppelstunden Fallsem<strong>in</strong>ar<br />
15 Doppelstunden<br />
16 Doppelstunden autogenes<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g o<strong>der</strong> progressive Muskelentspannung<br />
o<strong>der</strong> Hypnose<br />
120 Stunden psychodynamische/tiefenpsychologische,<br />
supervidierte <strong>Psychotherapie</strong>,<br />
davon 3 abgeschlossene Fälle<br />
100 Stunden E<strong>in</strong>zel- o<strong>der</strong><br />
Gruppenselbsterfahrung<br />
und die Reflexion mitunter verschiedene<br />
Perspektiven auf Patienten und<br />
ihre Erkrankung im Praxisteam ist die<br />
Vermittlung von Kenntnissen gruppendynamischer<br />
Prozesse wichtig.<br />
Für folgende Beratungsanlässe sollten<br />
psychotherapeutische Kompetenzen<br />
vermittelt werden:<br />
• Betreuung von Patienten mit unspezifischen,<br />
funktionellen und somatoformen<br />
Störungen;<br />
• Akute Krisen<strong>in</strong>terventionen bei Patienten<br />
<strong>in</strong> Lebenskrisen und mit akuter<br />
Traumatisierung;<br />
• Behandlung von Anpassungsstörungen<br />
im Zuge <strong>der</strong> Diagnosestellung e<strong>in</strong>er<br />
chronischen Erkrankung o<strong>der</strong><br />
auch bei Wechselwirkungen zwischen<br />
chronischer Krankheit und psychischer<br />
Komorbidität;<br />
• Therapie leichter und mittelgradiger<br />
psychischer Störungen (Ängste, Depressionen,<br />
Zwänge);<br />
• Indikationsstellung im psychosozialen<br />
Versorgungssystem.<br />
Konzeption e<strong>in</strong>er fachgebundenen<br />
<strong>Psychotherapie</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong><strong>med</strong>iz<strong>in</strong><br />
Aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Darlegungen<br />
stellen sich folgende konzeptionelle For<strong>der</strong>ungen<br />
an e<strong>in</strong>e fachgebundene <strong>Psychotherapie</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong><strong>med</strong>iz<strong>in</strong>:<br />
• Die Konzeption kann sich nicht auf<br />
e<strong>in</strong>e Kürzung bisheriger Inhalte psychotherapeutischer<br />
Weiterbildung für<br />
die Antrags- und Richtl<strong>in</strong>ienpsychotherapie<br />
beschränken (vgl. Tabelle 2).<br />
• Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl von Belegen für<br />
unterschiedliche <strong>Psychotherapie</strong>verfahren<br />
und <strong>der</strong> Erfahrungen, dass sehr<br />
wohl unterschiedliche Therapiekonzepte<br />
und Methoden zusammengebracht<br />
werden können, muss die <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Fachpsychotherapie übliche Fokussierung<br />
auf e<strong>in</strong> Verfahren aufgebrochen<br />
werden.<br />
• Um die <strong>in</strong>tersubjektiven Übertragungsprozesse<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arzt-Patient-Beziehung<br />
besser reflektieren und bearbeiten<br />
zu können und die therapeutischen<br />
Mittel <strong>der</strong> Klärung und des<br />
Durcharbeitens nutzen zu können,<br />
sollten psychodynamische Kenntnisse<br />
und Fertigkeiten als Grundlage vermittelt<br />
werden.<br />
• Um Symptome im Kontext des aktuellen<br />
Beziehungsgefüges besser verstehen<br />
zu können, haben sich Ansätze<br />
<strong>der</strong> systemischen Therapien bewährt,<br />
passend zu e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>- und familienärztlichen<br />
Mediz<strong>in</strong> und bereits <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Curriculum <strong>in</strong> Südbaden <strong>in</strong>tegriert<br />
[19].<br />
• Die Vermittlung kognitiver und edukativer<br />
Strategien ist ebenfalls für das<br />
hausärztliche Arbeiten angebracht. So<br />
haben sich Konzepte bewährt, die die<br />
Selbstwirksamkeit und das eigenverantwortliche<br />
Verhalten von Patienten<br />
stärken können z.B. Motivational Interview<strong>in</strong>g<br />
1 , das bei Patienten mit Lebensstil<br />
bed<strong>in</strong>gten Beschwerden (Alkohol,<br />
Ernährung, Rauchen) e<strong>in</strong>e signifikante<br />
Reduktion gesundheitlich<br />
riskanter Verhaltensweisen zeigt [20].<br />
• Für Gruppenschulungen bei <strong>der</strong> Bewältigung<br />
chronischer Erkrankungen<br />
1 Motivational Interview<strong>in</strong>g (MI) ist e<strong>in</strong> klientenzentrierter,<br />
aber direktiver Beratungsansatz mit dem Ziel,<br />
<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation zur Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />
durch Explorieren und Auflösen von Ambivalenz aufzubauen.<br />
Ursprünglich 1991 von William Miller und<br />
Stephen Rollnick zur Beratung für Menschen mit<br />
Suchtproblemen entwickelt, wird im Gegensatz zu<br />
vielen an<strong>der</strong>en Verfahren explizit auf e<strong>in</strong> konfrontatives<br />
Vorgehen verzichtet. Interventionen auf MI-Basis<br />
fokussieren meistens auf Vor- und Nachteile des Konsums,<br />
kurz- und langfristige Konsequenzen, Risikosituationen<br />
und Alternativen.<br />
Die psychotherapeutische Intervention<br />
wird sich an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> <strong>der</strong> bisherigen<br />
Richtl<strong>in</strong>ienpsychotherapie<br />
Die e<strong>in</strong>zelnen Gespräche werden<br />
darstellen.<br />
• bedarforientierter und kurzfristiger<br />
erfolgen,<br />
• kürzer se<strong>in</strong> als 50 M<strong>in</strong>uten, z.B. 25 M<strong>in</strong>uten,<br />
• ihre Häufigkeit mit Ausnahme <strong>der</strong><br />
Krisen<strong>in</strong>terventionen wird tendenziell<br />
nie<strong>der</strong>frequenter se<strong>in</strong> (zwei- bis<br />
vierwöchentliche Term<strong>in</strong>e),<br />
• <strong>der</strong> Gesamtumfang <strong>der</strong> benötigten<br />
Zeitstunden wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel 25 Stunden<br />
nicht überschreiten,<br />
• neben E<strong>in</strong>zelgesprächen können<br />
auch psychotherapeutische Paar- und<br />
Familiengespräche sowie symptom-<br />
bzw. krankheitsbezogene Gruppentherapien<br />
erfolgen.<br />
Konsequenzen für die<br />
Strukturierung<br />
<strong>der</strong> Weiterbildung<br />
Allgeme<strong>in</strong><strong>med</strong>iz<strong>in</strong> als das generalistische<br />
Fachgebiet <strong>der</strong> Primärversorgung<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en verschiedenen Funktionen <strong>der</strong><br />
Steuer- und Filterfunktion, <strong>der</strong> haus-<br />
und familienärztlichen Betreuung, <strong>der</strong><br />
Langzeitbehandlung und <strong>der</strong> Gesundheitsbildungsfunktion<br />
bedarf e<strong>in</strong>er da-<br />
■ © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2013; 89 (1)